Märkte und Trends 2020 - Vorhang auf! Melodram - nächster Akt - Helaba

Die Seite wird erstellt Pia Knoll
 
WEITER LESEN
Märkte und Trends 2020 - Vorhang auf! Melodram - nächster Akt - Helaba
Volkswirtschaft | Research

Märkte und Trends 2020
Vorhang auf! Melodram – nächster Akt

                                            Werte, die bewegen.
Märkte und Trends 2020 - Vorhang auf! Melodram - nächster Akt - Helaba
Dr. Gertrud R. Traud
                                                                   Chefvolkswirtin / ­Leitung Research

                                                                                            Editorial
                                                                                            	„Theater wird erst wirklich, wenn das Publikum
                                                                                              innerlich mitspielt.“
                                                                                                   Hermann Bahr (1863 – 1934)

                                                                                            Diese Feststellung über das Theater ist Ansporn und
                                                                                            Drohung zugleich. Derzeit spielen sich manche Parteien
                                                                                            und Staatsoberhäupter gekonnt in den Vordergrund. Viele
                                                                                            Zuschauer sind ergriffen und zeigen ihre Begeisterung an
                                                                                            der Wahlurne. Andere Akteure können dagegen mit ihrer
                                                                                            Political Correctness auf der Bühne nur schwer bestehen.

                                                                                            Wird die Schauspieltruppe letztlich doch Einsicht zumindest
                                                                                            in das Notwendige zeigen? Dies wäre die Voraussetzung,
                                                                                            damit das Melodram erträglich ausgeht.

2   Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba
Märkte und Trends 2020 - Vorhang auf! Melodram - nächster Akt - Helaba
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
wer leitet die große weltwirtschaftliche Aufführung 2020? Ist es Shakespeare, Molière, Brecht oder
übernehmen die Hauptdarsteller auch die Regie? Ist es eine Tragödie, eine Komödie oder doch eher
ein Melodram?

Das Melodram hält Einzug in die Politik                             Wünschen würde ich mir eine Komödie. Auch wenn sie die mensch­
                                                                    lichen Schwächen zum Thema hat, lernt man, sich selbst nicht so
Seit dem Brexit-Referendum und dem Wahlsieg von Donald              wichtig zu nehmen – zum Nutzen aller. Wahrscheinlicher ist aber,
Trump 2016 beherrscht die Politik die Kapitalmärkte. Bis dahin      dass der vierte Akt des laufenden Melodrams aufgeführt wird.
konnte sich kaum jemand vorstellen, dass ein Land die EU ver­
lassen oder sich zwischen den großen Nationen eine Zoll­
erhöhungsspirale drehen würde.                                      Eine Frau dirigiert

Aber nicht nur die Themen sind neu, sondern auch der Politikstil.   Zu einem Melodram gehört häufig Musik. Erstmals hält eine Frau
So wird mit allen Mitteln des Melodrams gearbeitet: Die Haupt­      den Dirigentenstab der Euro­päischen Zentralbank (EZB) in der
darsteller teilen ungehemmt ihre Einstellungen, Gefühle und         Hand. Ob die neue Chefin Christine Lagarde den geldpolitischen
Befindlichkeiten mit dem weltweiten Publikum in unzähligen          Kurs von Mario Draghi ändert, ist eher eine perspektivische Frage.
Tweets. Dabei reicht das verbale Spektrum von überbordender         Kurzfristig wird sie kaum von seiner Partitur abweichen. Sie wird
Euphorie über spontane Meinungsäußerungen bis zu Hass­              jedoch den Taktstock ganz anders führen als ihr Vorgänger.
tiraden. Damit polarisieren und emotionalisieren die Protago­
nisten gezielt Themen, um ihre Interessen durchzusetzen.            Die zunehmende Zerrissenheit innerhalb des Orchesters, also im
                                                                    EZB-Rat, hat zu Missklängen geführt, die nicht nur die Darsteller,
                                                                    sondern auch die Zuschauer irritieren. Fingerspitzengefühl ist
Bekannte Hauptdarsteller                                            gefragt, um die Empfindlichkeiten der einzelnen Gruppen im
                                                                    höchsten EZB-­Entscheidungsgremium einzufangen.
Inzwischen befinden wir uns im dritten Jahr dieses Melodrams.
Ängste grassieren, dass das Abgleiten in die Tragödie kurz bevor­
steht. Umso spannender ist die nächste Spielzeit. Die Hauptdar-     	„Das Mandat erfüllen und sicherstellen, dass das Team
steller sind weitgehend bekannt. Wie in der letzten Saison wird       funktioniert und zusammenhält.“
der große Blonde jenseits des Atlantiks die männliche Haupt­        	Christine Lagarde, gefragt nach ihren Hauptaufgaben bei der EZB
rolle einnehmen. Voraussichtlich wird sein Pendant in London            (Die Zeit, 07.11.2019)
ebenfalls wieder eine tragende Rolle spielen. Aber welches Stück
wird aufgeführt?

                                                                                                 Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba   3
Märkte und Trends 2020 - Vorhang auf! Melodram - nächster Akt - Helaba
Wichtige Neubesetzungen                                        der eher im Hintergrund die Fäden zieht.      vorbereitet. Hinter und vor den Kulissen
                                                                   Auch diese Aufgabe bleibt mit Kristalina      herrscht rege Betriebsamkeit. Die Theater-
    War 2019 in der EU das Jahr der Castings                       Georgiewa in den Händen einer Frau.           kritiker bringen sich in Stellung. Nun stellt
    und der Rollenverteilung, wartet die                                                                         sich die Frage: Wer performt wie?
    gespannte Weltöffentlichkeit nun auf
    die angekündigten Aufführungen. Die                            Glimpflicher Ausgang im ­Melodram             Aktien und Renten hatten schon 2019
    Neubesetzung der EU-Kommissare im                                                                            ihren großen Auftritt. Bei ihnen ist das
    November und der voraussichtliche                              Die Verstrickung von Darstellern und          Ertragspotenzial 2020 überschaubar.
    Amtsantritt der neuen Kommission im                            Regisseur erzeugt den Spannungsbogen          Allerdings kann es zeitweilig zu Über­
    Dezember – mit Ursula von der Leyen                            im Melodram 2020. Jegliches Ereignis          treibungen bei Aktien kommen, weil
    auch unter der Führung einer Frau –                            wird für das Publikum ausgeschmückt           der Mangel an Anlagealternativen grund­
    schaffen die Rahmenbedingungen dafür,                          zelebriert – immer mit dem Versuch,           sätzlich anhält. Dieses Setting sorgt auch
    dass sich die EU-Institutionen wieder                          die einen zu erhöhen, um gleichzeitig         für die unverändert große Beliebtheit von
    stärker auf ihre eigentlichen Aufgaben                         die anderen zu erniedrigen.                   Immobilien beim Anleger-Publikum. Gold
    konzentrieren können.                                                                                        glänzt im Rampenlicht. Sowohl Geld- als
                                                                   Wesentlich für dieses Theatergenre            auch Fiskalpolitik sind die maßgeblichen
    Obwohl einiges in der EU länger auf sich                       ist aber im Gegensatz zur Tragödie, dass      Akteure, die dem Edelmetall das Revival
    warten lässt, bleibt das Publikum der                          das Stück ein gutes Ende nehmen kann.         ins nächste Jahr verlängern.
    Companie durchaus gewogen: Im jüngsten                         Dazu müssen die Protagonisten Einsicht
    Eurobarometer gaben 45 % der befragten                         in das Notwendige zeigen. Hier stellt sich    Auch für Präsident Trump hält das
    EU-Bürger an, ein eher positives Bild                          die rettende Wendung ein: Denn weder          Melodram etwas bereit. Wünscht er
    von der EU zu haben, Tendenz steigend.                         der US-Hauptdarsteller noch sein Wider-       sich doch einen schwachen US-Dollar,
    Dabei vertrauen sogar mehr Befragte der                        sacher aus China haben letztlich einen        um die Exportwirtschaft zu stärken.
    EU als der eigenen Regierung.                                  Anreiz, den Handelskonflikt so eskalieren     Hier besteht Hoffnung: 2020 dürfte
                                                                   zu lassen, dass damit die Weltkonjunktur      die US-Währung gegenüber dem
                                                                   gegen die Wand fährt. Mit der Entspannung     Euro ­abwerten.
    	„Das Wesentliche ist für die Augen                           im Handelskrieg sowie einer geordneten,
      unsichtbar.“                                                 dauerhaften Brexit-Lösung werden sich         Schon Heinrich Heine (1797 – 1856)
          Antoine de Saint-Exupéry, „Der kleine Prinz“             die wirtschaftlichen Perspek­tiven weltweit   arbeitete mit verschiedenen Szenarien:
                                                                   wieder aufhellen.

    Vieles von dem, was auf europäischer                                                                         	„Liebe ist in Frankreich
    Ebene passiert, ist für das Publikum nicht                     Bühne frei für die Assetklassen                 eine ­Komödie, in England
    unmittelbar sichtbar – genauso wie im                                                                          eine Tragödie, in Italien eine
    Theater die Technik, die jedoch für die                        Das Stück steht fest, die Rollen sind           Oper und in Deutschland
    Aufführung unerlässlich ist. Gleiches gilt                     verteilt, die Instrumente gestimmt,             ein ­Melodram.“
    für den Internationalen Währungsfonds,                         Technik, Kulissen und Schnürboden

4   Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba
Märkte und Trends 2020 - Vorhang auf! Melodram - nächster Akt - Helaba
70 % Melodram

                                             10 % Tragödie

                                             20 % Komödie

Negatives Alternativszenario: Tragödie         Positives Alternativszenario: Komödie       Als Abonnent /-in unseres Spielplans 2020
                                                                                           wünsche ich Ihnen anregende Einsichten!
In unserem negativen Alternativszenario        Wie in einer Komödie dominiert in unse-
geht es in der Weltwirtschaft zu wie in        rem positiven Alternativszenario eine       Ihre
einer klassischen Tragödie. Die vorherr-       heitere Grundstimmung. Die Störma­
schenden Konflikte entwickeln eine Eigen­      növer der beiden großen blonden Haup­t­
dynamik und führen zu einer globalen           darsteller ebben ab und führen zu einem
Rezession. Dabei durchlaufen die Haupt-        glücklichen Ende. Die teilweise skurrilen   Chefvolkswirtin / Leitung Research
figuren schicksalhafte Entwicklungen.          Persönlichkeitszüge einiger Darsteller
Großbritannien versinkt mit seinen Brexit-     werden nicht mehr als Belastung wahr­
Protagonisten vollkommen im politischen        genommen, sondern münden in eine
Chaos. Weitere Versuche des US-amerika-        kooperative Zusammenarbeit der Natio-
nischen Hauptdarstellers, seinen Kopf zu       nen. Die Weltwirtschaft nimmt wieder
retten, könnten vom Handelskrieg in den        richtig Fahrt auf und die Aktienmärkte
Währungskrieg münden und eine Spirale          applaudieren.
von Abwertungen und zusätzlichen                                                           helaba.com/de/research
Handelsbarrieren mit sich bringen.                                                         Besuchen Sie unsere Website und entdecken Sie dort
                                                                                           zusätzliche Inhalte, Videos und unseren Podcast.

                                                                                               Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba   5
Märkte und Trends 2020 - Vorhang auf! Melodram - nächster Akt - Helaba
Inhalt
             Editorial
             Seite 2

    1        Hauptszenario
             Melodram (70 %)
             Seite 8

             Zinsen und Renten
             ■	EZB-Ensemble unter Druck                           14

             Covered Bonds
             ■	NeuePlatzverteilung                                16

             Credits
             ■ Keine Trendwende in Sicht                           17
                                                                        2   Länder und Regionen
                                                                            im Hauptszenario
                                                                            Seite 26
                                                                                                                  Italien
                                                                                                                  ■	Keine Änderung des

                                                                                                                     Programms                  34

             Aktien                                                         Europäische Union                     Spanien
             ■	Nicht übersteuern!                                 18       ■	Start in die neue Spielzeit   27   ■	Weniger Dynamik            35

             Gold                                                           Deutschland                           Schweden
             ■	Strukturell aufgewertet                           21       ■	
                                                                              Happy End mit offenen Fragen 28   ■	Solider Auftritt           37

             Immobilien                                                     ■	
                                                                              Spot
                                                                                 an: Hessen, Thüringen,           Polen, Tschechien, Ungarn
             ■	Die Vorstellung geht weiter                        22         NRW und Brandenburg            31   ■	DieSpannung steigt         38

             Devisen                                                        Frankreich                            Großbritannien
             ■	Abwärts      mit dem US-Dollar?                    24       ■	Applaus!                      33   ■	NächsterAkt im Brexit-Drama 40

6   Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba
Märkte und Trends 2020 - Vorhang auf! Melodram - nächster Akt - Helaba
USA
■	
  Laienspiel in Washington –
   die Fortsetzung?             42
                                     3   Alternativszenario
                                         Tragödie (10 %)
                                         Seite 50

Japan
■	
  Temporär schwächer

China
                                45
                                     4 Alternativszenario
                                       Komödie (20 %)
                                         Seite 53
■ Die Kunst des Handelskrieges 46

Russland
■	Kraftlose Performance       48

Brasilien
■	Reformen im Rampenlicht     49

                                                              5   Prognosetabellen
                                                                  im Hauptszenario
                                                                  Seite 56

                                                                  ■	
                                                                    Kapitalmarktprognosen                      57

                                                                  ■	
                                                                    Devisenprognosen                          58

                                                                  ■	
                                                                    Bruttoinlandsprodukt,
                                                                      ­Inflation, Budgetsaldo                   59

                                                                  ■   Adressverzeichnis                         60

                                                                  ■   Impressum                                 62

                                                                  Redaktionsschluss: 14. November 2019

                                                              Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba   7
Märkte und Trends 2020 - Vorhang auf! Melodram - nächster Akt - Helaba
1                              Melodram
                                   (70 %)

8   Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba
Märkte und Trends 2020 - Vorhang auf! Melodram - nächster Akt - Helaba
Hauptszenario

Vorhang auf! Melodram – nächster Akt (70 %)
Die Weltwirtschaft steht Ende 2019 am Rande einer Rezession, dem ökonomischen Pendant zu einem
Nervenzusammenbruch. Vor allem der industrielle Sektor schwächelt, viele Aktivitätsindikatoren
befinden sich im Kontraktionsbereich. Die von manchen vertretene These, eine weltweite Rezession
sei kurzfristig unvermeidlich, ja schicksalhaft, ist jedoch alles andere als zwingend. Die globale
Konjunktur wird sich ins Jahr 2020 hinein fangen und die Expansion fortsetzen, wenn auch mit
überschaubarer Dynamik.

Ist das nur das sprichwörtliche Pfeifen im Walde? Zweifellos gibt     Der freie Handel wurde zuletzt in den 1930er Jahren weltweit
es erhebliche Risiken und Unsicherheiten. Über die Ursachen der       so schlagartig in Frage gestellt. Entsprechend wenig Erfahrung
derzeitigen konjunkturellen Schwäche gehen die Meinungen aus-         haben wir mit den Auswirkungen auf die globalisierte Wirt-
einander. Die „üblichen Verdächtigen“ für eine konjunkturelle         schaft des 21. Jahrhunderts. Eine für unser Szenario notwendige
Verlangsamung oder Kontraktion – ein Ölpreisschock und eine           Bedingung ist, dass der Handelsstreit nicht wie 2018 / 2019
restriktive Fiskal- oder Geldpolitik – fallen diesmal aus. Am ehes-   immer weiter ­eskaliert, sondern sich die Kontrahenten zumin-
ten besteht Einigkeit darin, dass die Handelspolitik – oder besser:   dest auf einen Waffenstillstand einigen. Es ist sogar vorstellbar,
der mit ihr verbundene massive Anstieg der Unsicherheit über          dass den USA und China mit einem Abkommen der Einstieg in
die Zukunft der globalisierten Wertschöpfungsketten, vor allem        eine stufenweise Rücknahme bestehender Zölle gelingt.
im Verarbeitenden Gewerbe – einer der wichtigsten Faktoren ist.
Dies erklärt, warum die sehr offene deutsche Wirtschaft in den
vergangenen zwei Jahren zu den Hauptleidtragenden zählte.             Unsicherheit als wichtigster Belastungsfaktor
Wie kaum eine andere große Wirtschaft hängen wir am Tropf der
globalen Industriekonjunktur und eines funktionierenden welt-         Zu den bekannten Irritationen „Brexit“ und „Handelsstreit“ kam
weiten Warenaustauschs. Damit ist aber auch das Aufwärtspoten-        2019 ein weiteres politisches Thema hinzu, das in den kommen-
zial größer, wenn die Belastungen abklingen.                          den Jahren noch an Bedeutung gewinnen wird. Die Klimadebatte
                                                                      hat das Potenzial, über Jahrzehnte gewachsene wirtschaftliche
                                                                      Strukturen auf relativ kurze Sicht in erheblichem Maße zu hinter-
	„Wer ist unser größerer Feind, [Fed-Präsident]                      fragen oder gar obsolet zu machen. Dies geht über die nicht
  ­Powell oder [Chinas Präsident] Xi?“                                zuletzt für die deutsche Industrie entscheidende Frage „Wie sieht
    Donald Trump, US-Präsident                                        die Zukunft der individuellen Mobilität aus?“ weit hinaus.

                                                                                                Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba   9
Märkte und Trends 2020 - Vorhang auf! Melodram - nächster Akt - Helaba
Deutschland besonders offen
        Handelsoffenheit, Summe der Exporte und Importe von Gütern und Dienstleistungen in % des BIP

        100                                                                                                                                                           100

                                                                                                                                                        Deutschland
          80                                                                                                                                                           80

          60                                                                                                                                                           60

          40                                                                                                                                            China          40

                                                                                                                                                        Japan
          20                                                                                                                                            USA            20

           0                                                                                                                                                            0
                70                75                80              85          90               95        00          05         10          15

         Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft / Research

     	„[As] we know, there are known knowns; there are                                                sion seit 2009 in der Realwirtschaft nie wirklich eine Phase der
       things we know we know. We also know there are known                                            Euphorie gab. Zurückhaltung war das Motto dieses Zyklus: Die
       unknowns; that is to say we know there are some things                                          Sparquote der sonst so spendierfreudigen privaten Haushalte in
       we do not know. But there are also unknown unknowns –                                           den USA ist z. B. überdurchschnittlich hoch. Eine Welle sorgloser
       the ones we don’t know we don’t know. And […] it is the                                         Über- oder Fehlinvestitionen ist zumindest in den großen Industrie­
       latter category that tend to be the difficult ones.“                                            ländern nicht zu erkennen. Entsprechend gibt es keinen oder
           Donald Rumsfeld, ehemaliger US-Verteidigungsminister                                        nur einen geringen Korrekturbedarf.

     Die durch solche strukturellen Faktoren verursachte Verunsiche-                                   Monetäre Impulse stützen
     rung kann zusätzlich zur zyklischen Dynamik zu Investitions- und /
     oder Konsumzurückhaltung führen. Eine Rezession ist stets in                                      Fiskal- und Geldpolitik sind gegen die in erster Linie politischen
     erster Linie ein psychologisches Phänomen. Nach der Euphorie                                      Belastungen nicht die effektivsten Gegenmittel, zumal ihre Hand-
     des Booms, während der alle Risiken ausgeblendet oder kleinge­                                    lungsfähigkeit verglichen mit früheren Zyklen geringer ist. Trotz-
     redet werden, schlägt die Stimmung ins Gegenteil um. Aufgebau-                                    dem wird die Fiskalpolitik 2020 insgesamt wohl leicht expansiv
     te Ungleichgewichte werden korrigiert. Diese Ungleichgewichte                                     wirken. Die Fed und die EZB haben bereits im Verlauf von 2019
     sind diesmal aber überschaubar, vielleicht weil es in der Expan-                                  eine geldpolitische Kehrtwende voll­zogen. Die Fed ist von

10   Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba
Zinserhöhungen auf Zinssenkungen                         Prognoseübersicht im ­Hauptszenario           die aus­laufende konjunkturelle Schwäche­
umgeschwenkt und ihre Bilanzsumme                                                                      phase den Preisdruck dämpft. Daher wird
wird nach einer spür­baren Schrumpfung                   In Deutschland und in der Eurozone fällt      die Inflation 2020 den Notenbanken keine
bald wieder wachsen. Die EZB hat die                     das Wirtschaftswachstum trotz konjunk-        klaren Handlungssignale geben, weder
Zinswende abgeblasen, den Einlagenzins                   tureller Belebung im Jahresdurchschnitt       für eine restriktivere noch eine merklich
gesenkt und ein neues Kaufprogramm                       mit 1 % bzw. 1,3 % verhalten aus. Die USA     expansivere Geldpolitik.
gestartet. Diese Maßnahmen werden 2020                   expandieren um 2 %. Der Preisauftrieb
zunehmend positive konjunkturelle                        bleibt in der Eurozone deutlich unter dem     Die geldpolitische Kehrtwende führte
Folgen haben, auch wenn nichts mehr                      Zielwert der EZB, während die Inflation       am Rentenmarkt 2019 zu einer Premiere.
„drauf­gepackt“ wird. In beiden Notenban-                in den USA 2 % erreicht.                      Nach einem spektakulären Renditerutsch
ken zeichnet sich jedoch eine intensive                                                                notierten zeitweise alle Bundesanleihen
interne Diskussion über die grundsätz­                   Wir gehen davon aus, dass der Ölpreis         im negativen Terrain. Damit einher gingen
liche geldpolitische Strategie ab.                       um 60 US-Dollar pro Barrel pendelt und        erhebliche Kursgewinne. Angesichts der

Ausgewählte Prognosen für 2020

                          Eurozone                                        Deutschland                                              USA

           BIP-Wachstum, %                  1,3                 BIP-Wachstum, %         1,0                      BIP-Wachstum, %              2,0
           Inflation, %                     1,3                 Inflation, %            1,6                      Inflation, %                 2,0

           1. – 4. Quartal                                      1. – 4. Quartal                                  1. – 4. Quartal
           Leitzinsen, %                                        3-Monats-Euribor, %                              Leitzinsen (Mittelwert), %
           0,00     0,00           0,00           0,00          – 0,50  – 0,50    – 0,50      – 0,50             1,63     1,63      1,63    1,63

           1 USD/ Euro                                          10-jährige Bundesanleihen, %                     10-jährige Treasuries, %
           1,15     1,20           1,20           1,25          – 0,40   – 0,30  – 0,25   – 0,20                 1,80     1,90     2,00             2,10

           EURO STOXX 50, Indexstand                            DAX, Indexstand                                  S&P 500, Indexstand
           3.850   3.900    3.850    3.750                      13.800 14.000     13.800      13.500             3.180    3.200    3.180            3.140

Quelle: Helaba Volkswirtschaft / Research

                                                                                                          Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba   11
Konjunkturerholung wird sich diese                                        Niveau und die Refinanzierungskosten          Allen politischen und wirtschaftlichen
     Performance 2020 nicht ansatzweise                                        günstig. Die Kreditprofile befinden sich      Irritationen zum Trotz konnten Aktien
     wiederholen lassen. Selbst eine weitere                                   in solider Verfassung. Dies sorgt auch bei    2019 überdurchschnittliche Kursgewinne
     Zinssenkung der EZB dürfte nur temporär                                   den Banken für eine stabile Bilanzqualität,   verbuchen. Obwohl die gefühlte politi-
     für steigende Anleihekurse sorgen. Am                                     ihre Profitabilität bleibt aber angesichts    sche und wirtschaftliche Unsicherheit
     Jahresende 2020 erwarten wir die Rendite                                  des Niedrigzinsumfelds, einer Verschär-       neue Höchststände erreicht hatte, blieben
     10-jähriger Bundesanleihen bei – 0,2 %.                                   fung des Wettbewerbs und hoher Aufwen-        die Anleger, abgesehen von kurzen Unter-
     Gegen eine nachhaltige Rückkehr in den                                    dungen für Regulierung und Digitalisie-       brechungen, insgesamt gelassen. Der
     positiven Renditebereich sprechen neben                                   rung unter Druck.                             Hauptgrund hierfür dürfte die ultralockere
     der fortgesetzt lockeren Geldpolitik der                                                                                Geldpolitik der großen Notenbanken
     EZB vor allem anhaltend niedrige Infla-                                   Die weiterhin robusten Covered Bonds          gewesen sein, die zu einem deutlichen
     tionserwartungen. Am US-Rentenmarkt                                       sehen sich einer verstärkten Nachfrage        Rückgang der Renditen bei sicheren
     dürften 10-jährige Treasuries Ende 2020                                   der EZB gegenüber. Mit Blick auf das          Anlagen geführt hat und somit die rela­
     über 2 % notieren.                                                        anhaltend niedrige Renditeniveau              tive Attraktivität von Aktien erhöhte.
                                                                               werden sich die Risikoprämien jedoch          Aktien werden sich wohl auch 2020 im
     Bei europäischen Corporates bleiben                                       nur moderat einengen.                         Spannungsfeld hoher Bewertung und
     die Spreads 2020 auf recht moderatem                                                                                    dem Mangel an Anlagealternativen

         Geldpolitische Wende
        % gg. Vj.                                                                                                                                              % gg. Vj.

        30                                                                                                                                                           12

        25                                                                                                                                                           10
                                                                    Bilanzsummen* Fed, EZB, BoJ
        20                                                          (linke Skala)                                                                                     8

        15                                                                                                                                                            6

        10                                                                                                                                                            4

          5                                                                                                                                                           2

          0                                                                                                                                                           0
                                                                    Industrieproduktion** OECD
        –5                                                                                                                                                           –2
                                                                    (rechte Skala)
               11                 12                  13                14              15           16           17         18          19           20

         * BIP-gewichtete aggregierte Veränderungsrate ** ohne Bauwirtschaft

         Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft / Research

12   Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba
Aktien und Gold mit überdurchschnittlichen Zuwächsen
  Index 31.12.2018 = 100, Euro

  130                                                                                                                                                           130

  125
                                                                                                                     Aktien (EURO STOXX 50)                     125

  120                                                                                                                                                           120
                                                                                                                     Gold
  115                                                                                                                                                           115

  110                                                                                                                Rohstoffe (CRB-Index)                      110

  105                                                                                                                Renten (iBoxx Deutschland)                 105

  100                                                                                                                Liquidität (3M EUR)                        100

   95                                                                                                                                                            95
         Jan.        Feb.          Mär.          Apr.      Mai   Jun.   Jul.   Aug.      Sep.     Okt.     Nov.        Dez.           Jan.         Feb.

  Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft / Research

bewegen. Bei einer zu erwartenden Verbesserung der Wachs-                        ­ ahnen ebenfalls zur Vorsicht. Der politische Gegenwind für den
                                                                                 m
tumsaussichten werden Anleger vermutlich das Risiko- dem                         Euro dürfte nachlassen bzw. könnte zu Lasten der US-Währung
Renditekalkül unterordnen. Dabei kann es zeitweilig durchaus zu                  drehen. Wenn zudem die Eurozone zunehmend konjunkturelle
Übertreibungen kommen. Ein Ausflug des DAX über die Marke von                    Lebenszeichen gibt, wird der Euro-Dollar-Kurs 2020 steigen.
14.000 Punkten dürfte sich aber als nicht nach­haltig erweisen.
Gegen Jahres­ende wird er voraussichtlich im Bereich um 13.500                   Die geldpolitische Kehrtwende katapultierte Gold im Sommer
Punkte notieren.                                                                 2019 über 1.500 US-Dollar je Feinunze, den höchsten Wert seit
                                                                                 2013. Seitdem hält sich der Goldpreis etwa auf diesem Niveau.
Immobilien bleiben bei extrem niedrigen Zinsen relativ attraktiv.                Der weltweite Renditerutsch an den Rentenmärkten sorgte dafür,
Allerdings könnte die jüngste wirtschaftliche Schwäche dafür                     dass die Opportunitätskosten für Gold gesunken sind. Davon
sorgen, dass Mieten und Kaufpreise 2020 etwas weniger dyna-                      profitiert das Edelmetall auch 2020. Im Jahresverlauf dürfte Gold
misch zulegen. Am deutschen Wohnungsmarkt wird sich die                          weitere Erfolge feiern und bis auf 1.700 US-Dollar je Unze steigen.
Lage nicht entspannen, solange restriktive politische Maßnahmen                  Aufgrund der Wechselkursentwicklung ergibt sich lediglich eine
die Neubautätigkeit belasten.                                                    Seitwärtsbewegung um 1.400 Euro je Unze.

Der US-Dollar hielt sich 2019 vergleichsweise robust – zum Ärger
von US-Präsident Trump. In dessen protektionistische Agenda
passt eine schwächere US-Währung. Ohnehin ist der US-Dollar
deutlich überbewertet. US-Handels- und -Haushaltsdefizite                        Patrick Franke

                                                                                                            Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba   13
Unruhe im Publikum

                                                                          Vorbehalte richten sich vor allem gegen das expansive Kaufpro-
                                                                          gramm – nicht nur im EZB-Rat. Dieses unkonventionelle Instru-
                                                                          ment sichert durch die Beeinflussung der Finanzmärkte zwar die
                                                                          Währungsunion gegen kritische Marktbewegungen ab und gibt
                                                                          der Fiskalpolitik größere Handlungsspielräume. Erkauft wird dies
                                                                          jedoch mit einem Anlagenotstand von historischen Ausmaßen.
                                                                          Mit einfachen und konservativen Strategien lassen sich kaum noch
                                                                          positive Erträge erwirtschaften. Investoren sind gezwungen, sich
     Zinsen und Renten                                                    in unbekanntes Terrain zu wagen, mit allen damit verbundenen
                                                                          Risiken. Eine Ausweitung des Kaufprogramms – aktuell werden
     EZB-Ensemble unter Druck                                             im Monat für zusätzlich 20 Mrd. Euro Assets gekauft – ist daher
                                                                          nicht zu erwarten.
     Die Konjunkturschwäche sowie die geldpolitische Lockerung
     haben die Renditen auf neue historische Tiefstände gedrückt.
     Dies hat Staatsanleihen 2019 beachtliche Kursgewinne beschert.       EZB zwischen Kakofonie und ­virtuosem ­Instrumenteneinsatz
     Die Zinswelt steht Kopf und vieles spricht dafür, dass dies so
     bleibt. Wahrscheinlich legt die EZB sogar nach und senkt den         Neben der lockeren Geldpolitik sprechen anhaltend moderate
     Einlagensatz noch einmal. Angesichts der zyklischen Erholung         Inflationserwartungen für ein niedriges Renditeniveau. Struktur-
     im Jahresverlauf dürfte das Ertragspotenzial bei Renten 2020         veränderungen, z. B. die voranschreitende Digitalisierung und
     jedoch gering sein.                                                  die optimierten globalen Wertschöpfungsketten, haben offenbar
                                                                          einen größeren Einfluss auf die Teuerung als die Geldpolitik. Trotz
                                                                          des extremen Instrumenteneinsatzes ist es der EZB aber bislang
     Das alte Jahr endet mit der Übergabe des Dirigentenstabs an der      nicht gelungen, das Inflationsziel von knapp 2 % dauerhaft zu
     Spitze der Europäischen Zentralbank. Ob die neue Chefin Christine    erreichen. Eine Überprüfung und Anpassung an das veränderte
     Lagarde den geldpolitischen Kurs ihres Vorgängers ändert, ist eher   Umfeld wäre für die EZB eine Option, sich aus der geldpolitischen
     eine perspektivische Frage. Kurzfristig wird sie kaum von Mario      Ecke zu befreien, in die sie sich manövriert hat. Ob dies allerdings
     Draghis Partitur abweichen. Ganz im Gegenteil: Die Konjunktur-       die Tauben im EZB-Rat zulassen, ist fraglich. Immerhin könnten
     schwäche zwingt sie in ein klassisches Rollenmuster. Um Hand-        durch weniger ambitionierte, dafür aber realistischere Ziele die
     lungsstärke zu beweisen, dürfte der neu formierte EZB-Rat den        Inflationserwartungen weiter abrutschen.
     Einlagensatz voraussichtlich ein weiteres Mal senken, um dann
     eine längere zinspolitische Pause einzulegen. Viele im Rat hatten    Eine Abkehr vom Draghi-Kurs würde zu spürbaren Kursverlusten
     mit diesem Instrument zuletzt kaum Probleme, trotz des negati-       nicht nur bei Anleihen führen. Dies liegt auch an einer deutlichen
     ven Vorzeichens. Auch wurde die Belastung für Banken durch           Verschiebung der langfristigen Zinserwartungen, ausgelöst
     den gestaffelten Einlagensatz reduziert.                             durch die überraschende Kehrtwende der EZB 2019. Schwankten

14   Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba
die Langfristprognosen für 10-jährige
Bundesanleihen mit einem Horizont von                           Prognose Ende ...                             Q2 / 2020                    Q4 / 2020
vier Jahren lange zwischen 1,5 % und 2 %,
sackte der jüngste Konsenswert auf 0,5 %                        3M Euribor                                     – 0,50 %                    – 0,50 %
ab. Die Wachstums- und Inflationsprojek-
                                                                10j. Bundesanleihen                            – 0,30 %                   – 0,20 %
tionen wurden dagegen nur leicht redu-
ziert. In dieser Konstellation besteht                          10j. US-Treasuries                              1,90 %                       2,10 %
die Gefahr, dass ein verbaler Zickzack-                                                                                  mehr Zinsprognosen auf Seite 57
                                                                                                                 Quelle: Helaba Volkswirtschaft / Research
kurs der geldpolitisch wenig erfahrenen
Christine Lagarde zu starken Kursschwan-
kungen führt.                                                   Gleichwohl ist selbst im Fall einer zufrie-   dürften sich daher auch 2020 trotz zykli­
                                                                denstellenden Konjunkturerholung nicht        scher Erholung überwiegend im negativen
                                                                mit einer Abkehr vom geldpolitischen          Bereich bewegen. Wir erwarten die Rendite
	„Unsere Maßnahmen laufen so                                   Dauerkrisenmodus zu rechnen. Dafür            10-jähriger Bundesanleihen Ende 2020
  lange, bis sich die Wirtschaft erholt                         steht insbesondere der neue EZB-Chef-         bei – 0,2 %, begleitet von einer insgesamt
  und sich die Inflation wieder nach­                           volkswirt Philip Lane, der vor allem die      steileren Laufzeitenkurve.
  haltig unserem Ziel von knapp zwei                            latenten Konjunkturrisiken und die niedri-
  Prozent nähert.“                                              gen Inflationserwartungen im Blick hat.       Vor dem Hinter­grund des laufenden
     Philip R. Lane, EZB-Chefvolkswirt                          Die Kapitalmarktzinsen in Deutschland         EZB-Kaufprogramms, des akuten Anlage-
                                                                                                              notstands sowie einer ver­besserten
                                                                                                              Konjunktur ist mit überschaubaren
                                                                                                              Risikoaufschlägen bei Euro-Staatsan­
  Ein weiteres Jahr mit Negativzinsen
                                                                                                              leihen zu rechnen. Vergleichsweise wenig
  % bzw. Prozentpunkte
                                                                                                              Impulse sind vom US-Rentenmarkt zu
  2,0                                                                                                  2,0    erwarten. Hier ist bei stabilen Leitzinsen
  1,5                                                                                                  1,5    mit Renditen 10-jähriger US-Staats­an­
                                                                       Rendite 10-jährige Bunds
  1,0                                                                                                  1,0    leihen von rund 2 % zu rechnen.
  0,5                                                                                                  0,5

  0,0                                                                                                  0,0

 – 0,5        EZB-Einlagensatz                                                                        – 0,5

 – 1,0                                                     Abweichung der Inflations-                  – 1,0
                                                           erwartungen* vom EZB-Ziel**
         13           14             15             16     17         18        19         20

  * 5y5y Inflation Forward Euroraum ** rund 2 %

  Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft / Research
                                                                                                              Ulf Krauss

                                                                                                                 Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba   15
Covered Bonds                                                  Covered Bonds zuletzt für einige Häuser
                                                                    gegenüber dem negativen Einlagenzins
     Neue Platzverteilung                                           der EZB attraktiv. Der jüngst eingeführte
                                                                    Staffelzins und die teilweise Verschonung
     Die EZB lässt sich 2020 auf dem Covered                        von Zentralbankguthaben werden dies
     Bond-Markt wieder öfter sehen. Dennoch                         nicht vollkommen ändern.
     werden sich die Spreads mit Blick auf das
     anhaltend niedrige Renditeniveau nur
     moderat einengen.                                              	Banken werden nur vereinzelt
                                                                      EZB-Einlagen gedeckten Papieren
                                                                      vorziehen.
     Mit der Wiederbelebung des Kaufpro-
     gramms dürften 2020 Papiere im Umfang
     von 40 bis 45 Mrd. Euro an die Währungs-                       Den Spielraum für weitere Spread-Einen-
     hüter fließen. Damit wäre knapp die Hälfte                     gungen sehen wir dennoch für die iBoxx
     der erwarteten ankaufsfähigen Neuemis-                         EUR Covered-Indizes der Kernmärkte
     sionen bereits verteilt. Insgesamt erwarten                    auf bis zu 10 Basispunkte begrenzt. So
     wir bei anstehenden Fälligkeiten von                           zeichnete sich im September und Oktober
     knapp 121 Mrd. Euro ein Euro-Benchmark-                        bereits eine höhere Nachfrage nach
     Emissionsvolumen von rund 140 Mrd.                             längeren Lauf­zeiten und positiven
     Euro. Das neue Refinanzierungsprogramm                         Renditen ab.
     (TLTRO III) und der regulatorisch motivierte
     Ausbau von unbesicherten Verbindlich­                          Immerhin notierten Ende Oktober über
     keiten sollten das Covered Bond-Angebot                        90 % der Euro-Benchmark-Anleihen mit
     allenfalls leicht belasten. Fördernd wirken                    negativen Renditen. Die hohen Preise
     dagegen weiter steigende Immobilien­                           dürften daher vor allem Investoren mit
     kreditvolumina in vielen europäischen                          höheren Renditeansprüchen wie Ver­
     Ländern und zunehmende Platzierungen                           sicherungen und Pensionskassen von
     junger oder neuer Emittenten.                                  der Teilnahme abhalten. Gleichzeitig
                                                                    treten zunehmend Anleger auf, die
     Bleibt die Frage, wie stark das Gerangel                       das noch kleine, aber stark wachsende
     am Covered Bond-Markt ausfallen wird.                          Segment der nachhaltigen Covered
     Zahlreiche Banken werden allein zur                            Bonds stützen.
     Erfüllung der regulatorischen Liquiditäts-
     anforderungen weiterhin zugreifen.
     Selbst bei negativen Renditen blieben                          Sabrina Miehs

16   Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba
Credits                                                             mittel bei europäischen Firmen daher moderat ausfallen.
                                                                    Die ­Kreditprofile der allermeisten Gesellschaften dürften
Keine Trendwende in Sicht                                           ­somit auch 2020 in solider Verfassung bleiben.

Die Finanzschulden europäischer Unternehmen dürften auch
2020 nur moderat steigen. Daher sollten die Refinanzierungs-        Banken: Hohe Qualität gefragt
kosten sehr niedrig bleiben. Bei Bankanleihen empfehlen wir,
auf Emittenten mit hoher Bonität zu setzen, hier aber den Ren­      Das stabile Kreditgeschäft wird die Bilanzqualität der Banken
diteaufschlag bei Non-Preferred-Senior-Anleihen zu nutzen.          gemäß unserer Erwartung stützen. Angesichts der seit der Finanz­
                                                                    marktkrise merklich gestiegenen Eigenkapitalquoten werden
                                                                    Gewinne zwar vermehrt für Ausschüttungen und Wachstum
Corporates: Weiterhin solide Bilanzen                               genutzt. Weiter verschärfte regulatorische Anforderungen sorgen
                                                                    jedoch für eine fortgesetzte Stärkung der Eigenkapitalaus­
Die Aussicht auf eine Stabilisierung der konjunkturellen Lage hat   stattung. Die Kreditausfälle dürften zwar steigen, jedoch unter
zuletzt zu einem leichten Rückgang der Euro-Corporates-Spreads      ihrem historischen Durchschnitt bleiben. Die Niedrigzinsen
geführt. 2020 dürften diese aufgrund der erneuten EZB-Ankäufe       belasten allerdings weiter die Erträge. Der Margenwettbewerb
zunächst weiter sinken. Mit dem Nachlassen dieses Effektes zum      wird wohl noch härter, so dass die Gewinne unter Druck bleiben.
Jahresende prognostizieren wir für den iBoxx EUR Non-Financials
einen etwas höheren Spread von ca. 70 Basispunkten. Aufgrund        Für den gesamten Sektor sind die Digitalisierungs- und Regulie-
der weiterhin sehr niedrigen Basiszinsen werden die Refinanzie-     rungskosten enorm, so dass Kostensenkungsprogramme weiter
rungskosten für die Unternehmen gleichwohl auf absehbare Zeit       auf der Tagesordnung stehen. Ferner zeigen sich regional immer
gering bleiben und auch im kommenden Jahr für einen munteren        stärkere Qualitätsunterschiede: Die skandinavischen Länder
Primärmarkt für Euro-Corporate Bonds sorgen.                        beispielsweise haben mit den Folgen der Geldwäscheskandale
                                                                    zu kämpfen; in Deutschland leiden die Institute unter der
                                                                    strukturell niedrigen Profitabilität.
	Eine strukturelle Verschlechterung der Bonitäten
  ist derzeit nicht erkennbar.                                      Im insgesamt recht volatilen Umfeld empfehlen wir daher unver-
                                                                    ändert, auf Emittenten mit hoher Bonität zu setzen, hier aber den
                                                                    Renditeaufschlag bei Non-Preferred-Senior-Anleihen zu nutzen.
Die Schulden europäischer Corporates werden aller Voraussicht
nach weiter steigen. So lassen sich die für den fortschreitenden
technologischen Wandel (Stichwort Industrie 4.0) notwendigen
Investitionen nur bedingt weiter in die Zukunft verschieben.
Allerdings hat die Mehrzahl der Unternehmen ihre Liquiditäts-
position und Innenfinanzierungskraft in den letzten Jahren
merklich verbessert. In der Summe sollte der Anstieg der Fremd-     Dr. Susanne E. Knips, Ulrich Kirschner, CFA

                                                                                                    Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba   17
Aktien

     Nicht übersteuern!
     Aktien haben 2019 bereits sehr viel Positives vorweggenommen. Der hauptsächlich durch eine Bewertungsexpansion
     getriebene Aufschwung an den Börsen stößt allmählich an Grenzen. Kursanstiege werden künftig vorrangig durch eine
     Erholung der Unternehmensgewinne getragen. Damit ist das Aufwärtspotenzial für Aktien überschaubar.

     Allen politischen und wirtschaftlichen Irritationen zum Trotz                       Obwohl die gefühlte politische und wirtschaftliche Unsicherheit –
     konnten Aktien 2019 deutliche Kursgewinne verbuchen. Dabei                          gemessen an den Beiträgen in den Wirtschaftszeitungen – neue
     lieferten sich der S&P 500 und die europäischen Börsenbarometer                     Höchststände erreicht hatte, blieben die Anleger, abgesehen von
     DAX und EURO STOXX 50 ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Nicht ganz                           kurzen Unterbrechungen, gelassen. So bewegte sich die implizite
     mithalten konnte der japanische Nikkei 225. Klar abgeschlagen                       Aktienvolatilität für die international führenden Indizes die meiste
     war bis zuletzt der britische FTSE 100.                                             Zeit unterhalb des langfristigen Durchschnitts.

                                                                                         Was stimmte Anleger so zuversichtlich? Der Hauptgrund dürfte
                                                                                         die ultralockere Geldpolitik der großen Notenbanken gewesen
        DAX: Kurspotenzial überschaubar                                                  sein, die zu einem deutlichen Rückgang der Renditen geführt
        Indexpunkte                                                                      hat und somit die relative Attraktivität von Aktien erhöhte.
        18.000                                                                  18.000
                                                                                         Immerhin übersprang das weltweite Volumen negativ verzinster
                                                           Positivszenario*
                                                                                         Staatsanleihen zur Jahresmitte die bisherigen Rekordwerte
        16.000                                                                  16.000
                                                                                         aus dem Jahr 2016.
        14.000                                                                  14.000

        12.000
                      Hauptszenario*
                                                                                12.000   Aktien werden sich wohl auch 2020 im Spannungsfeld aus hoher
        10.000                                                                  10.000   Bewertung und dem Mangel an Anlagealternativen bewegen.
          8.000                                                                  8.000   Bei einer zu erwartenden Verbesserung der Wachstumsaussichten
          6.000                                                                  6.000
                                                                                         werden Anleger vermutlich das Risiko- dem Renditekalkül unter­
                                                             Negativszenario*            ordnen. Dabei kann es zeitweilig durchaus zu Übertreibungen
          4.000                                                                  4.000
                                                                                         kommen.
          2.000                                                                  2.000

              0                                                                     0
                  04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
                                                                                         US-Aktienmärkte im Bann des Wahlkampfs
         * Bänder: fairer Wert aus Gewinn, Dividende, Cashflow und Buchwert

         Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft / Research                          Politische Börsen haben zwar sprichwörtlich kurze Beine. 2020
                                                                                         stehen in den USA allerdings Präsidentschaftswahlen an, und

18   Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba
kaum ein US-Staatsoberhaupt zuvor hat          Bliebe der „Big Deal“ mit China, der aus    ziffern sind US-Blue Chips inzwischen
als Indikator für seinen (wirtschafts-)        unserer Sicht jedoch unrealistisch ist.     hoch bewertet und bewegen sich leicht
politischen Erfolg so stark auf die positive   Bestenfalls gelingt der Einstieg in eine    oberhalb des langfristigen Normalbandes.
Entwicklung an den Aktienmärkten               stufenweise Rücknahme bestehender           Auch wenn das Zinsniveau weiterhin
abgestellt wie Donald Trump. Kursrück-         Strafzölle.                                 niedrig bleibt, besteht kaum Spielraum
schläge würden seine Wiederwahlchan-                                                       für dauerhaft höhere Bewertungen.
cen enorm schmälern.                           Reicht diese Entspannung für nachhaltig     Vielmehr dürfte der Kursanstieg etwas
                                               steigende Notierungen am US-Aktien-         geringer ausfallen als das Wachstum der
Welche Trümpfe stehen noch zur Verfü-          markt aus oder ist sie ohnehin schon        Unternehmensgewinne. Für den S&P 500
gung, um den Aktienmarkt positiv zu            eingepreist? Der S&P 500 erreichte trotz    ergibt sich 2020 ein faires Bewertungs-
beeinflussen? Die Steuersenkungskarte          stagnierender Unternehmensgewinne           band von 2.500 bis 3.200 Punkten. Somit
ist bereits ausgespielt. Zudem übte            2019 immer neue Höchststände und            besteht wenig Aufwärtspotenzial. Die
Trump massiven Druck auf die US-Noten-         konnte gegenüber dem Jahresultimo bis-      Erfahrung aus Wahlzyklen der letzten 90
bank aus, die Zinsen zu reduzieren. Mit        lang gut 20 % zulegen. Der Kursanstieg      Jahre stimmt ebenfalls verhalten. Unter
inzwischen drei Zinssenkungen dürfte die       ist somit fast ausschließlich bewertungs­   republikanischen Präsidenten legte der
Fed ihren Job weitgehend erledigt haben.       getrieben. Auf Basis der gängigen Kenn­     S&P 500 in Wahljahren lediglich um

                                                                                             Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba   19
knapp 4 % zu, unter demokratischen
     Präsidenten dagegen um rund 12 %.                              Prognose Ende ...                             Q2 / 2020                    Q4 / 2020

                                                                    DAX                                            14.000                       13.500
     DAX – Gefangener der ­Globalisierung
                                                                    EURO STOXX 50                                   3.900                         3.750

     Auch der DAX erlebte bislang ein über-                         S&P 500                                         3.200                         3.140
     durchschnittlich gutes Jahr. Bis zum                                                                            mehr Aktienmarktprognosen auf Seite 57
                                                                                                                     Quelle: Helaba Volkswirtschaft / Research
     Jahreswechsel 2018 / 2019 hatten Wachs­
     tumsängste zu Korrekturen von zwischen-
     zeitlich mehr als 20 % geführt. Angesichts
     zunehmender Zinssenkungshoffnungen                             Auch diesmal ist das Kurs-Gewinn-­            Aktien in diesem Zyklus aber schon
     setzte bereits zu Jahresbeginn eine Erho-                      Verhältnis für die aktuelle Zyklusphase       ungewöhnlich früh damit begonnen
     lung ein, auch wenn die Höchststände aus                       zu hoch. Schließlich stieg der DAX rein       haben, eine Konjunkturerholung vor­
     2018 bislang nicht erreicht wurden. Die                        bewertungsgetrieben, während die Unter­       wegzunehmen, ist das Aufwärtspoten­
     EZB hat inzwischen mit einer Zinssenkung                       nehmensgewinne unter der Schwäche des         zial überschaubar.
     und der Reaktivierung des Anleihekauf­                         internationalen Handels leiden. Etwas Kurs­
     programms geliefert. Vermutlich kommt                          spielraum ergibt sich im Jahresverlauf        Im Hauptszenario bewegt sich der DAX
     sogar noch ein Zinsschritt.                                    2020 durch eine Aufhellung der Wachs-         überwiegend in der oberen Hälfte des
                                                                    tums- und Gewinnperspektiven.                 fairen Bewertungsbandes von 10.500
     Was kann angesichts der Rückendeckung                                                                        bis 14.000 Punkten. Da Aktien häufig
     durch die Geldpolitik eigentlich schief­                                                                     übertreiben, könnten sie nicht zuletzt
     gehen? Lockere Geldpolitik alleine reicht                      	Die Notenbanken haben geliefert.            aufgrund negativer Renditen bei Staats-
     nicht. Dies zeigt ein Blick ins Frühjahr                         Jetzt muss die Konjunktur durch-            anleihen zeitweilig durchaus die Bewer-
     2015. Damals feierten die Anleger den                            starten, sonst wird es eng für              tung weiter ausdehnen und den DAX über
     Einstieg der EZB in das sogenannte Quan-                         Aktien!                                     14.000 Punkte klettern lassen. Ähnlich
     titative Easing. Von Januar bis April 2015                                                                   wie 2015 sollte man sich für diesen Fall
     schoss der DAX um 26 % in die Höhe. Es                                                                       aber darauf einstellen, dass es dann relativ
     folgte ein Einbruch bis Februar 2016 um                        Dabei kommt es angesichts des hohen           unvermittelt zu Kursrücksetzern kommen
     fast 30 %, obwohl in diesem Zeitraum die                       Offenheitsgrads der deutschen Volks-          kann. Auf einem DAX-Niveau über 13.000
     Bilanzsumme der EZB durch Anleihekäufe                         wirtschaft und des beachtlichen Umsatz-       Punkten sind die Risiken stärker ausge-
     kontinuierlich stieg. Letztendlich wurde                       anteils der DAX-Unternehmen im Ausland        prägt als die Chancen.
     dem DAX die zu hohe Bewertung zum                              insbesondere darauf an, dass der Vor-
     Verhängnis.                                                    marsch des Protektionismus gestoppt
                                                                    wird und der globale Handel seine
                                                                    Schwächephase hinter sich lässt. Da           Markus Reinwand, CFA

20   Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba
Gold

Strukturell aufgewertet
Gold glänzt im Rampenlicht. Sowohl Geld- als auch Fiskalpolitik
sind die maßgeblichen Akteure, die dem Edelmetall zu einem
Revival verholfen haben. Daran wird sich 2020 wenig ändern.

Die geldpolitische Kehrtwende wichtiger Notenbanken
zum Jahreswechsel 2018 / 2019 ließ Gold aus der Seitwärts­
spanne von gut 1.200 und 1.400 US-Dollar je Feinunze aus­
brechen. Im Sommer 2019 wurde mit mehr als 1.500 US-Dollar
der ­höchste Goldpreis seit 2013 erreicht. Seitdem schwankt
er um diesen Wert.

Mit dem Abschied der Fed und der EZB von einem Normalisierungs­
kurs vollzog sich ein beträchtlicher Renditerutsch. Inzwischen
wird gut ein Viertel der weltweit ausstehenden Anleihen zu
negativen Renditen gehandelt. Mit einem Schlag erhöhten sich
die Opportunitätskosten für die sichere Alternative „Staatsan­
leihen“. Im Gegenzug rückte Gold ins Rampenlicht. Das zinslose
Gold ist ein sicherer Hafen in einer zinslosen Welt.

	„Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.
  Ach wir Armen!“
    Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832), „Faust“

                                                                  Prognose Ende ...      Q2 / 2020                Q4 / 2020
Mit dem Sprung über die 1.500-Marke vollzog sich ein Paradig-
                                                                  Gold $ /Unze              1.650                    1.700
menwechsel. Gold als Inflationsabsicherung ist nicht mehr
gefragt, aber sehr wohl als Absicherung gegen politische          Gold € / Unze             1.375                    1.360
Risiken. Diese resultieren aus einer strukturell zu expansiven
Ausrichtung der Geldpolitik. Im Euroraum muss darüber hinaus
die EZB der zögerlichen Fiskalpolitik den Rücken freihalten.                            Quelle: Helaba Volkswirtschaft / Research

                                                                                      Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba   21
Insgesamt hat die Geldpolitik einen Teil                         Gold bleibt gefragt
     ihrer Unabhängigkeit eingebüßt, was Gold                         US-Dollar bzw. Euro je Unze
     strukturell aufwertet. Davon profitiert
                                                                      2.000                                                                                                     2.000
     es auch 2020. Im Jahresverlauf dürfte
     das Edelmetall weitere Erfolge feiern und                        1.500                                                                  Gold in US-Dollar                  1.500

     bis auf 1.700 US-Dollar je Unze steigen.
                                                                      1.000                                                                                                     1.000
     In Euro kommt es aufgrund des Wechsel­
                                                                                                                                             Gold in Euro
     kurses zu einer Seitwärtsbewegung                                  500                                                                                                      500

     entlang des diesjährigen Spitzenpreises
                                                                          0                                                                                                        0
     von 1.400 Euro je Unze.                                                    03    04    05      06   07   08   09    10   11   12   13   14   15   16   17   18   19   20

                                                                      Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft / Research
     Claudia Windt

     Immobilien                                                     steht aber eine zunehmende absolute                                 Bei den bereits sehr niedrigen Büroleer-
                                                                    Bewertung gegenüber. Da in vielen                                   standsraten rechnen wir nicht mit einem
     Die Vorstellung                                                Marktsegmenten wohl auch im kommen-                                 weiteren Rückgang. Einzelhandelsimmo-
     geht weiter                                                    den Jahr die Kaufpreise stärker zulegen
                                                                    werden als die Mieten, nehmen die Über-
                                                                                                                                        bilien sind strukturell durch den zuneh-
                                                                                                                                        menden Onlinehandel belastet und
     Immobilien erfreuen sich einer unver­                          bewertungen zu. Auch wenn sich noch                                 werden sich auch 2020 schlechter als
     ändert großen Beliebtheit beim Anleger-                        keine Trendwende abzeichnet, steigt                                 andere Marktsegmente entwickeln.
     Publikum. Für die große Immobilien-Show                        damit tendenziell die Korrekturanfällig-
     wird sich dank extrem niedriger Zinsen                         keit von Immobilien.
     und einer sich belebenden Wirtschaft der                                                                                           	Die verfehlte Wohnungspolitik
     Vorhang auch 2020 öffnen.                                      Am gewerblichen Vermietungsmarkt                                      entwickelt sich immer mehr zum
                                                                    könnte sich die jüngste konjunkturelle                                Belastungsfaktor.
                                                                    Schwäche zeitverzögert bemerkbar
     Der deutsche Immobilienmarkt blickt                            machen. So wird sich der Stellenaufbau
     auf ein Jahrzehnt steigender Preise                            2020 in Deutschland erheblich verrin­                               Keine Trendwende am ­Wohnungsmarkt
     zurück. Auch für 2020 zeichnet sich kein                       gern, allerdings wohl nicht zum Stillstand
     Ende des Aufschwungs ab. Zu stark                              kommen. Für den Büromarkt bedeutet                                  Die wesentlichen Treiber am Wohnungs-
     wirken die extrem niedrigen Zinsen, die                        dies eine nachlassende Flächennachfrage,                            markt gelten weiter: der Zuzug in die
     der Assetklasse eine Hauptrolle zuweisen.                      die bei unverändert moderater Bautätig-                             Ballungszentren, günstige Finanzierungs-
     Der hohen relativen Attraktivität gegen-                       keit zu einem geringeren Anstieg der                                möglichkeiten und eine zu geringe Bau-
     über festverzinslichen Wertpapieren                            Büromieten in guten Lagen führen dürfte.                            tätigkeit. Die Wohnungsbaugenehmigun-

22   Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba
gen lagen zuletzt unter dem Vorjahres­stand   Immobilienfonds: Wichtige Akteure             an den hohen Nettomittelzuflüssen
und sprechen wie auch die sehr hohe           am Anlagemarkt                                dürfte sich bei unverändert hoher rela­
Kapazitätsauslastung in der Baubranche                                                      tiver Attraktivität der Fondskategorie
gegen eine spürbar höhere Neubauakti­         Die Performance offener Immobilien-           wenig ändern. Neu aufgelegte Produkte
vität. Die restriktive Wohnungspolitik mit    fonds in Deutschland wird durch weitere       können vermutlich etwas Druck von den
verschärfter Mietpreisbremse, Mieten­         Aufwertungen von Immobilienobjekten           etablierten Publikumsfonds nehmen.
deckel in Berlin und der Diskussion über      getragen. Diese könnten allerdings 2020       Angesichts bereits hoher Marktbewer­
ähnliche Maßnahmen in anderen Städten         wegen der erreichten Preisniveaus und         tungen und einem übersichtlichen
trägt ebenfalls nicht dazu bei, mehr Wohn­    der jüngsten konjunkturellen Schwäche         Angebot an geeigneten Investment­
raum zu schaffen. Bestenfalls können          etwas niedriger ausfallen. Die Nichtver­      objekten ist es aber nicht einfach,
damit 2020 insgesamt 300.000 Wohnun-          zinsung liquider Mittel wird wie im Vorjahr   ein Portfolio aus- oder aufzubauen.
gen fertiggestellt werden. Nach Jahren        die Renditen drücken. Insgesamt sind
hoher Preissteigerungen in den Groß-          aber keine größeren Veränderungen in
städten könnte sich die Dynamik stärker       der Fondsperformance zu erwarten, so
in deren Umland verlagern.                    dass im Durchschnitt mit einer Jahres­
                                              rendite um 2,5 % zu rechnen ist. Auch         Dr. Stefan Mitropoulos

                                                                                               Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba   23
Devisen

     Abwärts mit dem US-Dollar?
     Der robuste US-Dollar ärgert Präsident Trump. Jedoch besteht
     Hoffnung für ihn: Während längerfristig ohnehin einiges für eine
     Abwertung der US-Währung spricht, dürften konjunkturelle
     Lebenszeichen in der Eurozone das Bild drehen. Der Euro-Dollar-­
     Kurs wird 2020 vermutlich steigen.

     Egal wie sehr Präsident Trump über die Stärke der US-Währung
     jammert und das „Unvermögen“ der eigenen Notenbank beklagt,
     ganz gleich wie die Überbewertung zunimmt, sich die US-Schulden­
     berge stapeln und das Handelsbilanzdefizit wächst – den Dollar
     kümmerte das recht wenig. Der Greenback legte 2019 gegenüber
     dem Euro und vielen anderen Währungen zu.                           dieses „Zwillingsdefizit“ den US-Dollar belasten. Zudem könnte
                                                                        die Instrumentalisierung des Greenback für politische Zwecke –
     Eine protektionistische Ausrichtung der Handelspolitik geht        ­Finanzsanktionen gegen einzelne Länder – dessen Attraktivität
     gewöhnlich mit dem Wunsch nach einer schwächeren Währung            verringern. Daneben ist der US-Dollar schon seit längerem auf
     einher. Donald Trumps Meinung findet in den USA auch in der         Basis von Kaufkraftparitäten oder realer Wechselkursindizes
     Opposition Rückhalt. Währungsabwertungen wären eine Alterna­        deutlich überbewertet.
     tive zu Zollmaßnahmen. Sie würden Importe verteuern und die
     heimische Wirtschaft gegenüber dem Ausland preislich attrak­
     tiver machen. Der staatliche Einfluss auf frei konvertible Wäh­    Dollar verliert zyklischen Rückenwind
     rungen ist jedoch eingeschränkt. Die finanziellen Mittel des
     US-­Finanzministeriums sind begrenzt, die Notenbank folgt          Diesen langfristig eher belastenden Faktoren standen bislang
     dem Präsidenten nicht blind. Gleichwohl könnte die Regierung       jedoch zyklische Vorteile gegenüber. Die US-Konjunktur hielt
     auf die Stimmung am Devisenmarkt einwirken.                        sich vergleichsweise robust, die US-Leitzinsen rentieren klar im
                                                                        positiven Bereich. Von den Folgen des selbst angezettelten
                                                                        Handelskonflikts können sich die USA allerdings nicht freimachen.
     Langfristige Risiken für US-Währung                                Das US-Wachstum wird sich etwas verlangsamen. In der Euro­
                                                                        zone hingegen ist der Abschwung schon weiter vorangeschritten,
     Die USA weisen derzeit ein erhöhtes Budgetdefizit sowie ein        der US-Wachstumsvorteil dürfte 2020 schmelzen. Beide Noten-
     markantes, wenn auch nicht enormes Leistungsbilanzdefizit auf,     banken legten 2019 eine Kehrtwende ein. Das Zinssenkungs-
     weshalb sie ausländischer Kapitalzuflüsse bedürfen. Daher kann     potenzial der EZB ist allerdings im Vergleich zur Fed begrenzt.

24   Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba
Der US-Renditevorteil gegenüber dem Euro ist bereits
­merklich zurückgegangen und signalisiert einen höheren                                    Prognose Ende*...                   Q2 / 2020                Q4 / 2020
 Euro-Dollar-Kurs.
                                                                                           US-Dollar                               1,20                     1,25
Den Euro belasteten 2019 zudem politische Faktoren. Mittler­
                                                                                           Japanischer Yen                         125                      127
weile ist das Italien-Problem in den Hintergrund getreten und
ein Ende des Brexit-Dramas scheint greifbar. Dafür bergen die                              Britisches Pfund                        0,85                     0,80
US-Präsidentschaftswahlen Unsicherheiten, unter denen der                                  Schweizer Franken                       1,10                     1,15
Dollar leiden könnte.                                                                                             * Kurs gg. Euro, mehr Devisenprognosen auf Seite 58
                                                                                                                              Quelle: Helaba Volkswirtschaft / Research

Da langfristig ohnehin einiges gegen den US-Dollar spricht und
2020 der zyklische sowie politische Rückenwind nachlässt, wird
die US-Währung wohl nachgeben. Der Euro-Dollar-Kurs dürfte in                              	„This is because the Euro and other currencies are
Richtung 1,25 steigen. Darüber sollte Donald Trump dann nicht                                devalued against the dollar, putting the U.S. at a big
mehr jammern.                                                                                disadvantage. The Fed interest rate way too high,
                                                                                             added to ridiculous quantitative tightening!
                                                                                             They don’t have a clue!“
                                                                                                Donald Trump, US-Präsident
  US-„Zwillingsdefizit“ als Malus für Dollar
  % am BIP, invertiert                                                         US-Dollar

 – 13                                                                                1,6   Franken, Yen und Pfund
                                                               Euro-Dollar-Kurs      1,5
 – 11
                                                               (rechte Skala)              Ein steigender Euro-Dollar-Kurs spiegelt sich zum Teil gegen-
                                                                                     1,4
  –9                                                                                       über der Schweizer Währung wider. Ein stabileres konjunkturelles
                                                                                     1,3   und politisches Umfeld könnte dem Euro auch gegenüber dem
  –7
                                                                                     1,2
                                                                                           Franken helfen. Nach einer Seitwärtsbewegung dürfte der Euro-
                                                                                           Franken-Kurs in Richtung 1,15 steigen. Der Japanische Yen wird
  –5                                                                                 1,1
                                                                                           von den Problemen der US-Währung vermutlich ebenfalls profi­
  –3
                                           US-„Zwillingsdefizit“*                     1,0   tieren, gegenüber dem Euro aber ein wenig nachgeben. Das
                                           (linke Skala)
                                                                                     0,9
                                                                                           Britische Pfund ist günstig bewertet, zumal das Zinsniveau im
  –1                                                                                       Vergleich zur Eurozone erhöht ist. Wenn der britische EU-Austritt
                                                                                     0,8
                                                                                           geordnet erfolgt und während der Verhandlungen über das
        90          95          00          05            10    15        20
                                                                                           zukünftige Verhältnis zur EU Verwerfungen ausbleiben, besteht
  * Summe aus Leistungsbilanzsaldo und Budgetsaldo (US-Bund)                               hier Aufwertungspotenzial.
  Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft / Research
                                                                                           Christian Apelt, CFA

                                                                                                                           Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba   25
2                              Länder und Regionen
                                    im Hauptszenario

26   Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba
Europäische Union                                                                              Viele Themen warten

Start in die neue Spielzeit                                                                    Die Herausforderungen auf EU-Ebene sind vielfältig, z. B. bei der
                                                                                               Positionierung im Handelsstreit mit den USA sowie in der Weltwirt-
Die EU hat ein turbulentes Jahr hinter – und vor sich. War 2019                                schaft, bei der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Außen- und
das Jahr der Castings und der Rollenverteilung, so warten                                      Sicherheitspolitik und der Haltung zum Thema Migration.
sowohl die EU-Bürger als auch die gespannte Weltöffentlichkeit
auf die teils schon länger angekündigten Aufführungen.                                         Eine weitere wichtige Aufgabe wird die Verabschiedung des
                                                                                               neuen Mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021 – 2027
                                                                                               sein, der ursprünglich noch vor der EU-Wahl beschlossen werden
Seit den Wahlen zum Europaparlament im vergangenen Mai                                         sollte. Mit der Abschaffung von Rabatten, geringeren Mitteln für
dominieren die Vorbereitungen für den Brexit die EU-Bericht-                                   die Kohäsions- und die Agrarpolitik sowie neuen Einnahme­
erstattung. Mit der Neubesetzung der EU-Kommissare im                                          möglichkeiten, z. B. aus dem Emissionshandel, sollen bei Brexit-­
November und dem voraussichtlichen Amtsantritt der neuen                                       bedingten Einnahmeausfällen die Weichen für den Haushalt
Kommission im Dezember werden die Rahmenbedingungen                                            neu gestellt werden, was die erforderliche Einstimmigkeit bis-
dafür geschaffen, dass sich die EU-Institutionen wieder stärker                                lang erschwert. Der Prozess könnte sich noch bis weit ins Jahr
auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können.                                           2020 hin­ziehen. Für Zündstoff sorgt zudem die geplante Ver­
                                                                                               knüpfung von Auszahlungen und Rechtsstaatlichkeitskriterien.

                                                                                               Vertrauensvorschuss für die EU
  Die Erwartungen sind hoch
  Einstellung zur EU, Umfrageergebnisse (Differenz zu 100 %: „weiß nicht“), %
                                                                                               Obwohl einiges in der EU länger auf sich warten lässt, bleibt das
  55                                                                                      55   Publikum der Companie durchaus gewogen: Im jüngsten Euro­
                   Positiv
  50                                                                                      50   barometer gaben 45 % der befragten EU-Bürger an, ein eher
  45                                                                                      45   positives Bild von der EU zu haben, Tendenz steigend. Offenbar
  40
                   Neutral                                                                40   vertrauen sogar mehr Befragte der EU (44 %) als der eigenen
  35                                                                                      35   Regierung (34 %). Dieses Vertrauen ist eine gute Grundlage für
  30                                                                                      30   die Arbeit der neuen Kommission, gleichzeitig aber auch eine
  25                                                                                      25   Verpflichtung, dem Vertrauen gerecht zu werden. Denn hinsicht-
  20               Negativ                                                                20   lich der Zukunft der EU sind gut 60 % der Befragten optimistisch –
  15                                                                                      15   so viele wie seit 2009 nicht mehr. So mancher wartet nun
  10                                                                                      10   gespannt darauf, dass sich der Vorhang hebt.
       06    07    08    09    10    11    12     13    14    15    16    17    18   19

  Quellen: EU-Kommission (Eurobarometer), Helaba Volkswirtschaft / Research
                                                                                               Marion Dezenter

                                                                                                                          Helaba Volkswirtschaft / Research | Dezember 2019 | © Helaba   27
Sie können auch lesen