Wundertüte Bruckner - mehrlicht
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Wundertüte Bruckner Anton Bruckners 1. Sinfonie c-Moll in der Edition Staatskapelle Dresden Das Erbe von Beethoven wog schwer. Johannes Brahms war gut 30 Jahre alt, als er dem Geiger Joseph Joachim seinen ersten Sinfoniesatz zeigte, doch bis zur Vollendung der 1. Sinfonie vergingen noch einmal 15 Jahre. Auch Anton Bruckner war in den Mittvierzigern, als er sich auf das sinfonische Terrain wagte. Noch ließ er sich dabei von dem zehn Jahre jüngeren Mentor Otto Kitzler (ein gebürtiger Dresdner übrigens) leiten, obwohl ihm in Sachen Theorie kaum mehr etwas beizubringen war. Nicht wegzudiskutieren ist schon hier das Vorbild Richard Wagner, das in späteren Sinfonien Bruckners noch ausgiebig und in verschiedenen Gewändern vom hommageartigen Beinahe-Zitat bis zur Einverleibung erscheint. Während der Arbeit an der 1. Sinfonie besuchte Bruckner eine Aufführung von „Tristan und Isolde“ in München und suchte auch die Fürsprache des Dirigenten Hans von Bülow zu gewinnen, der ihm aber später kaum mehr wohlgesonnen war. Die Uraufführung der 1. Sinfonie 1868 geriet zu einem Achtungserfolg, von einem Geniestreich wollen wir eher nicht sprechen. Bruckner war aber überzeugt von dem Werk, erst 1891 legte er, der sich oft seinen Kritikern mit Überarbeitungen beugte, eine zweite, „Wiener“ Fassung vor. Christian Thielemann greift jedoch auf die erste, so genannte Linzer Fassung zurück, von der Bruckner selbst behauptete, so etwas Keckes habe er später nicht mehr komponiert. Bruckner kehrt auch beim Komponieren die Verhältnisse um und schreibt das Finale zuerst, das einige für Bruckner typische Kniffe aufweist, die hier noch so offenliegen, dass man einer chromatischen Steigerung hinterherstaunt, bei der Bruckner plötzlich die Luft herausläßt und anders weitermacht. Doch genau solche Passagen sind es, die dann spätestens in der 3. Sinfonie einen ruhigen Atem, einen Puls oder eine Zielführung bekommen, die Bülows Attest von der angeblichen Trotteligkeit des Komponisten disqualifizieren. Hier liegt das Material noch als Idee herum, ist das Adagio noch nicht an den Rändern der Existenz entlangkomponiert. Christian Thielemann, der seit Jahren mit der Staatskapelle Dresden Bruckners Sinfonien besonders pflegt, findet für diese 1. Sinfonie einen Zugang, der das Stück zum Sprechen bringt, es besonders
in den Ecksätzen zu tieferer Aussage zwingt und dabei niemals in die Überheblichkeit der Einordnung in ein Frühwerk erliegt. Zu wunderbar sind da die Melodieverästelungen oder Dialoge zwischen den Holzbläsern gelungen, und gerade das schüchtern suchende Thema des 1. Satzes versteht Thielemann als „Aufforderung zum Tanz“: Bruckner betritt die Bühne und spätestens zwei Seiten später legen die Blechbläser der Kapelle los, als würden sie die großen Exemplare etwa der 4. oder 7. Sinfonie gleich hinterher spielen wollen. Aufforderung, Aufbruch und Beginn – diese Begriffe hört man dieser fulminanten Interpretation fast taktweise an, und so bleibt man nach dem von Thielemann mitreißend hingelegten Scherzo auch im eher disparat angelegten Finale bis zu den Schlusstakten in spannender Hörerwartung dabei. Dass das Ganze live (aus dem Konzert in der Semperoper zur Saisoneröffnung 2017/2018) und in absolut hervorragender Intonation zwischen den Sektionen übrigens, ist nicht selbstverständlich. Die Edition Sächsische Staatskapelle beim Label Profil Medien, die in der Verantwortung von Dr. Steffen Lieberwirth seit Jahren die musikalischen Wege der Staatskapelle und ihrer Dirigenten und Aufführung dokumentiert, hat nach den Sinfonien 8, 7 und 4 mit Christian Thielemann nun einen neuen Bruckner- Baustein hinzugewonnen, der vom tiefen Verständnis des Orchesters für die raumgreifenden Konzeptionen des Linzer Komponisten zeugt. Und erst recht erfreut sich das Ohr, wenn Thielemanns Kompetenz in der klangformenden Gestik bei Bruckner auf ein nicht nur blind den Intentionen folgendes, sondern mit eigenem Bruckner-Glanz aufwartendem Ensemble wie die Kapelle trifft. Anton Bruckner: 1. Sinfonie c-Moll WAB 101 Staatskapelle Dresden, Christian Thielemann Edition Staatskapelle Dresden, Vol. 52, Profil Medien GmbH Auf mehrlicht befinden sich mehr als 600 Rezensionen, Interviews, Reiseberichte und Kulturfeatures. Wenn Sie als Leser*in mein werbefreies Blog mit einer kleinen Spende unterstützen wollen, freue ich mich sehr.
Stunts, Glamour und Romance Gustav Mahlers 5. Sinfonie im Philharmoniekonzert Wenn bei der Saisoneröffnung der Dresdner Philharmonie eine Art Unbeeindrucktsein von den letzten anderthalb Jahren Kulturausbremsung spürbar wurde, dann ist das garantiert keine mangelnde Vorsicht, sondern kann als ein nach vorne zeigendes, hoffendes Bekenntnis zur Musik und zur Musikausübung verstanden werden. Deswegen war es folgerichtig und natürlich für das Publikum beglückend, das zu Beginn gleich ein Füllhorn an musikalischen Höhepunkten ausgegossen werden konnte: Beethoven mit Janowski, ein kleines Musikfestival mit zeitgenössischer Musik, und nun am Wochenende tatsächlich eine Mahler-Sinfonie – in voller Besetzung auf der Kulturpalastbühne. Als kleines Bonbon lockte am Sonnabend außerdem eine Filmaufnahme während des Konzerts: Hollywood im Kulturpalast, mit Cate Blanchett in der Hauptrolle! Die allerdings war am Abend nicht zu erspähen, und wer Stunts, Glamour oder Romance erwartete, konnte davon zwar reichlich in der Mahler-Partitur finden, aber im Saal zeugten nur einige behutsam unter den Zuschauern gemischte Komparsen und Kameras sowie eine schwarze Wand an der Seite von den Aufnahmen, die in keinster Weise den Musikgenuss störten. Gespannt sein darf man auf den Film, der sich um den fiktiven Charakter der Lydia Tár als erste weibliche Chefdirigentin eines deutschen Orchesters dreht, dennoch. Unter Einhaltung der Regelungen und Testvorschriften durfte das Orchester die Mahler-Sinfonie wieder im gewohnten Nahbereich mit den Kolleginnen und Kollegen spielen. Sicher hat die längere Phase des Abstands mit gespitzten Ohren auch für diese Normalsituation Veränderung bewirkt – auffällig war auf jeden Fall die scharfe Konzentration der Philharmoniker bei der Klangbildung. Und das kommt der fünfsätzigen, an Ereignissen reichen Sinfonie Nr. 5 cis-Moll von Gustav Mahler natürlich zugute. Sorgfältig ging es in den Streichergruppen zu, da wurde mit gutem gegenseitigen Kontakt am richtigen Entstehen und
Verschwinden der Noten gebastelt, was gleich im ersten Satz zu einem, man muss es so sagen, wunderschönen Trauermarsch führte. Von den ersten fein intonierten Trompetennoten an entfaltete dieser Satz eher eine irdische Melancholie, vertrauensvoll geleitet von dem russischen Gastdirigenten Stanislav Kochanovsky. Klare, schöne Holzbläserfarben bestimmten den Satz, der gut ausgearbeitet war und nur am Schluss einen kleinen Spannungswackler hatte. Was Mahler an Dramatik im 2. und 3. Satz anbietet, zeichnete Kochanovsky mit großer Energie nach und motivierte die Philharmoniker zu Höhenflügen in vorwärtstreibenden Passagen. Mystifizierung ist Kochanovskys Sache nicht, dafür hat ja Mahler schon selbst gesorgt („Niemand capiert sie“, so der Komponist über sein Werk) und so breitete der Dirigent schlicht aus, was da an irren Schönheiten in diesem Stück eigentlich alles vorhanden ist. Im 2. Satz betörte die Cellogruppe, später stürzte das ganze Orchester regelrecht in den letzten Höhepunkt und war dabei auch noch homogen auf den Punkt. Im Scherzo (aber auch im 5. Satz) begeisterte die neue 1. Hornistin der Dresdner Philharmonie, Sarah Ennouhi, mit einer wunderschönen Gestaltung ihrer Soli und bekam am Ende auch einen Sonderapplaus vom Publikum. Im Adagietto, dem berühmten langsamen Satz der Sinfonie, wurde gesungen und aufeinander gehört – Kochanovsky erreichte vor allem im Übergang zur Wiederholung des Themas einen zauberhaften Moment und sanften Ruhepunkt im gesamten Werk. Sodann widmete man sich dem von Mahler mit Ausrufezeichen versehenen Ausklang, der Lichtmusik des 5. Satzes, deren fugato-Windungen von Kochanovsky mit niemals versiegender Energie angegangen wurden. Die mehrfach anlaufende Schlusssteigerung versah er mit gutem Timing, sodass am Ende nicht nur der einhellige Jubel in der Partitur, sondern auch im Publikum stand – eine tolle, klangstarke und für Kommendes Mut machende Aufführung! Foto (c) Marco Borggreve Auf mehrlicht befinden sich mehr als 600 Rezensionen, Interviews, Reiseberichte und Kulturfeatures. Wenn Sie als Leser*in mein werbefreies Blog mit einer
kleinen Spende unterstützen wollen, freue ich mich sehr. Herumliegende Musik Herztöne – Porträt Salvatore Sciarrino bei der Dresdner Philharmonie In der Saison 2020/2021 war der italienische Komponist Salvatore Sciarrino, eine der spannendsten Stimmen der Gegenwartsmusik seines Landes, Composer in Residence bei der Dresdner Philharmonie, seine Aufführungen konnten aber pandemiebedingt nicht realisiert werden. Das betraf auch die Uraufführung des Auftragswerks zum 150. Jubiläum der Dresdner Philharmonie, den neu geschaffenen Liederzyklus „Piogge diverse“ für Bariton und Orchester, der im Rahmen der Festwoche im letzten Jahr präsentiert werden sollte. Jetzt wurde Sciarrino zu Saisonbeginn ein Mini-Festival namens Herztöne geschaffen, das dem Publikum einen konzentrierten Zugang zu den Ideen seines Werks ermöglichte. Drei Konzerte an drei aufeinanderfolgenden Tagen fanden nun als nachgeholtes Tribut statt, und statt der Einbettung des neuen Werkes in das Orchesterjubiläum gelang nun ein intensives Porträt des Komponisten. Ein kleines, sehr aufmerksames Publikum fand sich am Mittwoch zum Abschlussabend dieser kleinen Reihe im Kulturpalast ein, bei der im neuen Werk die Philharmoniker in voller Besetzung antraten. Gekoppelt war die Uraufführung mit einem Schwesterwerk aus dem Jahr 1981, dem Liederzyklus „Vanitas“, den Sciarrino selbst als „Stilleben in einem Akt“ bezeichnet. Ebenso vielschichtig wie allein dieser Begriff, der von der Antike bis in die Neuzeit vielfältige Arten der Vergänglichkeit, der Leere oder des Verfalls nachzeichnet, ist Sciarrinos Musik, die sich herkömmlichen Erwartungshaltungen entzieht, aber imstande ist, innerhalb weniger Minuten einen eigenen musikalischen Kosmos zu kreieren, der sich zunächst mehr staunend betrachten läßt.
Das Verständnis oder die Deutung ist bei Sciarrino immer ein Angebot, es ist hoch anspruchsvoll und von Komponistenseite auch mit philosophisch- weltanschaulichen Elementen unterfüttert, daher ist Musik und Haltung bei Sciarrino nie zu trennen. Und obwohl Sciarrino in „Vanitas“ – in spannender Kammerbesetzung für tiefe Stimme, Cello und Klavier gesetzt – über die Textebene mächtige Symbole wie Rosen, Spiegel, Schatten und Echos einsetzt, gibt es beim Zuhören klare Ankerpunkte wie etwa das am Ende fallende Melisma der Singstimme, das sich immer wieder in der Vanitas, also quasi in einen Bereich hinter der Musik verliert. Diese neuen Räume der Musik scheinen bei Sciarrino immer wieder auf, etwa auch, wenn wie im ersten Lied tatsächlich ein komponierter Stillstand erreicht wird oder sich die Leere plötzlich in der Fülle von Arabesken im Klavier zeigt. Hat man einmal die Poesie der Musik erreicht, wird es spannend, und auch ein wenig radikal, wenngleich herbeizitierte Schlager als Referenz überhaupt nicht im Vordergrund des Hörens erscheinen. Eher irritiert ein nachimpressionistischer Ausflug in bitonale Welten zur Textzeile des „Ächzens der unglückseligen Luft“. Fantastische Interpreten wirkten in beiden Werken auf der Bühne des Kulturpalastes mit: Noa Frenkel (Mezzosopran), Martina Schucan (Cello) und Florian Hoelscher (Klavier) zeigten sich versiert mit dieser Musik und fanden sofort den speziellen Spannungspunkt der Musik, von dem aus die scheinbar bruchstückartig hingeworfenen Noten zu leben beginnen. Das änderte sich im neuen Werk „Piogge diverse“ (Regen verschiedener Art) nicht, wenngleich hier Sciarrinos Stift gespitzter wirkt. Unglaublich, wie sorgfältig und stimmschön der Bariton Michael Nagy sich hier für die Musik einsetzte, und der nun die Uraufführung leitende Emilio Pomàrico, ein absoluter Fachmann in der zeitgenössischen Musik, vermochte gerade die schwankenden Klangfarben im Orchester mit unermüdlich-klarer Gestik in eine Balance zu bringen. Immer wieder liegt hier Musik schlicht herum oder dreht sich ein, und wenn Sciarrino sich in seinem Regenstück als erstes dem Thema Staub und Dürre widmet, ist klar, dass die Wassertropfen vor allem Auslöser vieler fortführender Gedanken sind. Trotzdem hat auch dieser neue Liederzyklus etwas seltsam Verschlossenes, teilweise (im 4. Stück über Quecksilbertropfen nahezu umweltpolitisch geweitet) sogar Verzweifeltes, wirkt aber am Fasslichsten ausgerechnet in den eisernen Klängen der opernhaften Prometheus-Szene „Sonnenregen“ an zweiter Stelle. Sciarrino nagt musikalisch an der Welt, der
Einsatz der Dresdner Philharmonie für diese außergewöhnliche Musik ist hoch zu werten. Foto (c) Alexander Keuk Auf mehrlicht befinden sich mehr als 600 Rezensionen, Interviews, Reiseberichte und Kulturfeatures. Wenn Sie als Leser*in mein werbefreies Blog mit einer kleinen Spende unterstützen wollen, freue ich mich sehr. Von Wille und Hoffnung kündend Ludwig van Beethovens „Fidelio“ als herausragendes Tondokument der Dresdner Philharmonie erschienen Als die Spielzeitvorstellung der Dresdner Philharmonie am 13. März 2020 aufgrund des Pandemie-Ausbruchs zu einer Spielzeiteinstellung ab dem Folgetag geriet, stand Ludwig van Beethovens Oper „Fidelio“ noch als Höhepunkt im Beethoven-Jahr und in der aktuellen Saison für zwei Termine im April auf dem Spielplan. Chefdirigent Marek Janowski äußerte schon damals die Hoffnung, wenigstens dieses Herzenswerk, in welcher Form auch immer, präsentieren zu können. Etliche andere Konzerte mussten dann abgesagt werden. Marek
Janowski, Intendantin Frauke Roth und die Philharmoniker steckten jedoch nicht den Kopf in den Sand und verweigerten sich auch in den von Angst und Warnungen geprägten Phasen dem völligen Verstummen. Mit unermüdlichem Willen für das Ermöglichen von Musik wurde dann diese CD-Einspielung aus dem nun zum Studio umfunktionierten Kulturpalast realisiert. Was aus der Not geboren wurde (und hier fangen bereits die besonderen Parallelen zur Oper selbst an), erwies sich als Kraftakt, später dann als Glücksfall, als zumindest im Sommer 2020 die Möglichkeiten zum Proben und Einspielen hergestellt waren, was zwar in aller Ruhe, aber eben mit dem Hintergrund des „Draußen“ – und damit der nächsten Parallele zur Oper mit ihrem Innen- und Außenleben – geschehen konnte. Marek Janowski bei der Aufnahme Unabhängig jedoch von den Umständen gibt es bei dieser Aufnahme auch Dinge zu benennen, die den besonderen Charakter ausmachen. Da ist zuallererst der Respekt zu nennen, mit dem sich Marek Janowski nahezu jeder Partitur nähert, die er auf sein Pult legt. Im guten Sinne ist damit eben keine Distanz gemeint, sondern die einer konstruktiven Auseinandersetzung, bei der Janowski im Falle Beethoven „über die Jahre für sich und seine eigene Interpretation immer wieder
Neues entdeckte“ und so seine eigene privat verbale Definition von ‚Meisterwerk‘ entstehen ließ. Dem kann kaum widersprochen werden, trotz und weil gerade diese Oper immer wieder Anlass zu Diskussionen gab, nicht zuletzt schon beim Komponisten selbst, der verschiedene Fassungen und gleich vier Ouvertüren erstellte. Lise Davidsen, Christian Elsner, Georg Zeppenfeld (v.l.n.r.) Janowski muss hier aber keine Experimente vorschieben, um Beethoven maximal spannend leuchten zu lassen: die für die Aufführung im Jahr 1814 erstellte Ouvertüre ist immer noch die theatralisch taugendste, und einige Dialoge wurden behutsam neu arrangiert. Der Rest wird mit ganzem musikalischen Können im Kulturpalast modelliert, der hier wieder als akustisches Raumjuwel vor allem in den im ganzen Saal aufgenommenen Chorszenen brilliert – ein größeres Gefängnisgewölbe hat man wohl kaum beim Fidelio je gehört. Für den Sächsischen Staatsopernchor und die Männerstimmen des MDR-Chores war diese Aufnahme mit Abstand im Raum verteilt eine besondere Herausforderung, einen Eindruck der Surround-Chorszenen erhält man im Youtube-Trailer der Philharmonie.
Die Sängerschar ist edel und agiert mit viel Liebe für das Stück, das merkt man vor allem Christina Landshamer (Marzelline) und Georg Zeppenfeld (Rocco) an. Auch Lise Davidsen in der Hauptrolle der Leonore überzeugt mit ihrem füllig- kernigen Sopran. Cornel Frey (Jaquino), Johannes Martin Kränzle (Don Pizarro) und Günther Groissböck (Don Fernando) veredeln die Aufnahme mit vollem Einsatz und guter Ausfüllung der Charaktere, insbesondere Kränzle weiß die Bissigkeit des Pizarro stimmlich gut darzustellen. Ausgerechnet mit dem Florestan von Christian Elsner kann man sich hier nicht anfreunden, da Intonationsprobleme in den Vordergrund treten und sich die Stimme in den Ensembles nicht gut einmischen will. Eine Riesenleistung vollbringen die Philharmoniker mit Janowski, weil sie – eben wie in einer konzertanten Aufführung – sich der treibenden Kraft und des Detailreichtums der Partitur in jedem Takt bewusst sind und auch in der Begleitung der Sängerinnen und Sänger exzellent agieren. Da werden kleine Zwischenspiele zu Perlen oder etwa das begleitende Horn in der Gold-Arie zum unverzichtbaren Sahnehäubchen. Was man auch in der Oper hört und kraft Beethovens Genius auch auf einer intensiven Ebene mitgeteilt, eingebrannt bekommt, es bekommt in dieser besonderen Aufnahme eine im Grunde positiv erschreckende wie beglückende Analogie: die Kraft des Willens, die Thematik der Hoffnung, die tief schürfenden und niemals beendeten Gedanken zur Freiheit und zu einem lebenswerten Leben, all diese Dinge erscheinen beim Hören neu und wichtiger denn je – wer dieser Aufnahme seine Zuwendung gibt, wird niemals behaupten, Beethoven und das Zeitalter der Klassik wäre totgespielt und ausrangiert. Ludwig van Beethoven: Fidelio, Op. 72 Dialogfassung von Katharina Wagner und Daniel Weber mit Lise Davidsen, Christian Elsner, Georg Zeppenfeld, Günther Groissböck, Christina Landshamer, Johannes Martin Kränzle Sächsischer Staatsopernchor Dresden, Männerstimmen des MDR Rundfunkchores Dresdner Philharmonie, Marek Janowski Label Pentatone (VÖ: 16.7.2021) Fotos (c) Björn Kadenbach
Auf mehrlicht befinden sich mehr als 600 Rezensionen, Interviews, Reiseberichte und Kulturfeatures. Wenn Sie als Leser*in mein werbefreies Blog mit einer kleinen Spende unterstützen wollen, freue ich mich sehr. Intensiver Jahrgang: 33. Filmfest Dresden erfolgreich beendet Das schönste am 33. Filmfest Dresden gleich vorneweg: es fand statt. Trotz immer wieder zu erneuernder Planungen und auch weiterhin bestehender Reiseschwierigkeiten für Teilnehmer:innen war der Termin vom 13. bis 18. Juli mit glücklicher Hand gewählt, hieß es doch seit 1.7.2021 für die sächsischen Filmfreunde: wir können wieder ins Kino! Und so konnte man bei diesem Jahrgang ein fast normales Festival erleben, auch wenn der Virus sich hier und da sogar in die Filme geschlichen hatte. Doch interessanterweise berichteten viele Filmemacher:innen auch von erweiterter oder sich vertiefender Zeit, um große Projekte anzugehen oder zu vollenden.Eventuell war es auch deswegen ein minimal ernsterer oder intensiverer Jahrgang oder vielleicht spiegelten auch wir Zuseher mit unseren eigenen Emotionen wiederum die Filme, so dass das befreite Lachen über eine gelungene Animation oder das Mitgehen mit den Tränen einiger Regisseur:innen, die einfach nur glücklich waren, ihre Arbeiten zeigen zu dürfen diesmal besonders spürbar war.
Hier bei mir im Blog gibt es natürlich eine begrenzte und subjektive Zusammenfassung, denn ich bin leidenschaftlicher Kurzfilmgucker seit 2003 (die Geschichte dazu verrate ich, wenn der dazugehörige Film wieder einmal gezeigt wird…) und par Profession natürlich an Geschichten und Tönen besonders interessiert. Begrenzung geschieht zudem, da ich aufgrund eigener Projekte und auch dem auch in diesem Jahr vollgepackten Filmfestprogramm nicht überall zugleich sein konnte – eine Tatsache, die ich nur schwer akzeptieren kann, und leider gehört ein leises „hab ich verpasst“ (allein 72 Filme liefen in den drei Wettbewerben) bei jedem Filmfestjahrgang dazu. Trotzdem ist immer wieder staunenswert, mit welcher liebevollen Akribie zahlreiche Sonderprogramme, Themen und Begegnungen für die Filmschaffenden gestaltet werden und natürlich zogen auch das Open Air auf dem Neumarkt und die Veranstaltungen an zahlreichen anderen Spielstätten jenseits dem Festivalzentrum in der Schauburg wieder viel Publikum an. Bei jedem von mir besuchten Wettbewerbsblock war dann wie beim Fussballtippspiel das innere Spielkind hellwach und sinnierte darüber, ob im gerade Gesehenen schon ein Preisträger dabeigewesen ist. Die Vielzahl der hochdotierten Preise wurde am Samstag auch über eine Vielzahl von Filmen (etliche Lobende Erwähnungen gab es zudem auch) ausgeschüttet, was für einen erneut qualitativ sehr hohen Anspruch des Programms spricht, aber eben auch, dass nicht ein Film den Überflieger machte, sondern verschiedenste Arten und Ästhetiken ihren Platz und ihre Ehrung bekommen. Zwei Filme wurden zweifach ausgezeichnet: AIVA von Veneta Androva und JUST A GUY von Shoko Hara erhielten die Goldenen Reiter im Nationalen und Internationalen Wettbewerb ebenso wie den Luca Filmpreis für Geschlechtergerechtigkeit (AIVA) und den Goldenen Reiter für Filmton (JUST A GUY). Beide Filme habe ich im Programm nicht erwischt, hingegen konnte ich den liebevoll und subtil verrückten Animationsfilm DOOM CRUISE von Hannah Stragholz und Simon Steinhorst direkt vor der Preisverleihung sehen – der Film erhielt den Filmförderpreis der Staatsministerin. Auch bei KHODA BIAMORZ (May She RIP) von Nazgol Kashani beschlich mich das Gefühl, das dieser sanft komödiantische Umgang mit der iranischen Friedhofskultur preiswürdig sein könnte – der ARTE Filmförderpreis war die Belohnung am Sonnabend bei der Preisverleihung, die nicht mit Emotionen,
rockigen Beats und rasanter Moderation geizte. Obwohl ich viele Filme nicht gesehen hatte, war auch für mich klar, dass Yallah Habibi von Mahnas Sarwari ein heißer Kandidat für einen Publikumspreis war – die schonungslos sympathische Geschichte der 18-jährigen Elaha (Banafshe Hourmazdi) begeisterte bereits beim Screening. Besonders erwähnen muss ich hier auch A LACK OF CLARITY von Stefan Kruse Jørgensen, der den Goldenen Reiter Kurzspielfilm im Internationalen Wettbewerb gewann und auf eindringliche Art mit den Themen Schärfe, Realität und Überwachung spielt, faszinierend fand ich vor allem, wie konsequent Jørgensen in der einmal gefunden Stimmung des Filmes verbleibt und somit das Entkommen unmöglich macht. Natürlich gehört auch zu diesem Bericht, dass ich Filme besonders sehenswert fand, die am Ende leer ausgingen (LIFE STILL von Anna Ansone), ebenso wie am Ende mit Preisen bedachte Filme, mit denen ich wenig bis nichts anfangen konnte (etwa PLAY SCHENGEN von Gunhild Enger). Zu ersteren gehörte auch DUSTIN von Naïla Guigue, der im LUCA Filmpreis aber eine lobende Erwähnung bekam. Zu einem ganz eigenen Genre mutierten in diesem Jahr auch die Videobotschaften, so etwa die von Yelyzaveta Pysmak zu MY FAT ARSE AND I, die sich zumindest in puncto Amüsanz einen Publikumspreis beim Screening verdient hätte. Alle Preisträger:innen können auf dieser Seite nachgelesen werden. Die Preisträgerfilme waren bereits am Sonntag im Kino zu sehen, einige werden sicher auch zum Kurzfilmtag im Dezember und bei anderen Shorts-Screenings zu erleben sein. Am 1. September beginnt das Call-In für das 34. Filmfest Dresden 2022, das vom 5. bis 10. April stattfinden wird. Konjunktive schließen wir an dieser Stelle aus. Bilder & Stills © FILMFEST DRESDEN (Titelbild: Filmstill aus DOOM CRUISE) Auf mehrlicht befinden sich mehr als 600 Rezensionen, Interviews, Reiseberichte
und Kulturfeatures. Wenn Sie als Leser*in mein werbefreies Blog mit einer kleinen Spende unterstützen wollen, freue ich mich sehr. Den leisen Tönen gewidmet 11. Sinfoniekonzert der Staatskapelle Dresden Ausgangs der nahezu eingedampften Konzertsaison 2020/2021 kehrt auch die Staatskapelle Dresden dank besserer Bedingungen nun zu einer Art Normalität zurück und konnte das 11. Sinfoniekonzert am vergangenen Freitagabend nach sieben Monaten zwischen Stille, Radiokonzerten und Streams endlich wieder als Aufführung vor Publikum präsentieren. Rund 300 Zuhörer in der Semperoper freuten sich sichtlich auf das Konzert, das – in Abwandlung des ursprünglich etwas größer besetzen, impressionistischen Programms – mit Sinfonik von Fauré und Dvořák aufwartete.
Der Erste Gastdirigent des Orchesters, der Koreaner Myung-Whun Chung, kehrte dafür zur Kapelle zurück und man weiß aus vielen früheren Begegnungen, dass der Kontakt mit dem Orchester und damit das musikalische Erlebnis immer etwas Besonderes ist. Dementsprechend stand dieser Abend auch unter dem spürbaren Stern des gegenseitigen Genusses. Die Musikerinnen und Musiker gingen sofort auf die Intentionen von Chung ein, den Beginn mit der Orchestersuite „Pelléas und Mélisande“ von Gabriel Fauré zu einer überaus sanften Erzählung auszugestalten. Die durchaus dramatische Geschichte des berühmten Liebespaars wurde erst in späteren Vertonungen mit spätromantischem Prunk ausgestattet, Fauré aber versenkt sich in die leisen Töne der Maeterlinckschen Dichtung.
Die Partitur ist fein gezeichnet statt breit ausgemalt, wobei die Leistung seines Schülers Charles Koechlin, der die Bühnenmusik zuerst instrumentierte, nicht verschwiegen werden sollte – gerade dessen eigene Werke harren immer noch der Entdeckung. Chung schwelgte im sofort bereitgestellten, feinsinnigen Kapellklang, ohne das selbstverständliche Fließen der Musik zu verlieren, und die berühmte „Sicilienne“ an dritter Stelle betörte in ihrer Schlichtheit. Und genau wegen solcher Erlebnisse der stillen Übereinkunft zwischen Musikern und Dirigent und dem sanften Ausbreiten des Klanges im Saal entstehen ja die kleinen Glücksmomente eines jeden Konzertes, die durch alle noch so achtbaren Ersatzbemühungen über den Äther eben nicht aufkommen wollen.
Und so ging es auch mit der 9. Sinfonie e-Moll „Aus der Neuen Welt“ von Antonín Dvořák weiter, die gleich im ersten Satz mehr Dramatik aufbietet, als Fauré in seiner Partitur etwa dem Tod von Mélisande zumutet. Doch hier sind es eher auffahrende, vorwärtsdrängende Figuren, die immer wieder durch Dvořáks einzigartige Melodiebildungen gemildert werden, so dass gerade der ganze 1. Satz wie aus einem Guss erscheint, und genau so wurde er von Chung auch interpretiert. Natürlich bekam jedes Motiv hier Luft zum Atmen, aber die Spannung war auf den Höhepunkt am Ende des Satzes ausgerichtet. Der 2. Satz startete mit Volker Hanemanns Englisch-Horn-Solo in entspannter Stimmung, und auch hier war immer wieder Chungs Ansinnen zu beobachten, viel Raum für Dvořáks Klangfarben und harmonische Besonderheiten zu geben, was in allen Sätzen zu eher leicht gemäßigten Tempi führte und mehr die lyrischen Seiten der Sinfonie hervorhob.
Manchmal überließ Chung das Ausmalen der Partitur mit kaum mehr sichtbaren Gesten gleich dem Orchester – solch ein freies Agieren ist zwar eigentlich ein schönes, seltenes Ideal einer Aufführung, führte hier und da aber auch zu einer leichten Vereinzelung im Klang. Schwungvoll und energisch nahm Chung dann den 3. und 4. Satz in seine Hände, und hier konnten alle Orchestergruppen intensiv leuchten, bevor Chung die Sinfonie mit ausgesucht schönem Blechbläserklang in das pompöse Finale leitete. Weil endlich wieder leidenschaftlich für das äußerst dankbar applaudierende Publikum musiziert werden kann, gab die Sächsische Staatskapelle noch eins drauf und spielte den Ungarischen Tanz Nr. 1 von Johannes Brahms als launige Zugabe, in welcher einige wilde Pferde aus Dvořáks Neuer-Welt-Saga erst einmal wieder eingefangen werden mussten… Das Konzert wurde bei MDR Kultur übertragen und ist noch in der Audiothek anhörbar. Fotos (c) Matthias Creutziger Auf mehrlicht befinden sich mehr als 600 Rezensionen, Interviews, Reiseberichte
und Kulturfeatures. Wenn Sie als Leser*in mein werbefreies Blog mit einer kleinen Spende unterstützen wollen, freue ich mich sehr. Landschaftsbilder aus Tönen Sinfoniekonzert bei den Landesbühnen Sachsen Die kulturellen Ventile werden derzeit an allen Häusern wieder aufgedreht, Musik und Theater sollen wieder sprudeln, denn das Publikum ist danach ebenso durstig wie die vielen an den schon fleißig geprobten Produktionen Beteiligten. Die Landesbühnen Sachsen machen da keine Ausnahme und können jetzt, da die Lockerungen kommen, in einen prall gefüllten Köcher greifen – mit ausgefeilter Logistik werden die Spielstätten von Radebeul bis Rathen wieder gefüllt und ein Sinfoniekonzert der Elblandphilharmonie bildete nun quasi den musikalischen Auftakt für den Frühsommer in Theater, Oper und Konzert. Dirigent Felix Bender In einigen Ankündigungen geisterte noch das Konzertthema „Italien“ herum. Das
Land lockt ja bekanntlich auch Engländer und Franzosen zu inspirativen Aufenthalten, aber da war wohl schlicht das Programm geändert – Elgars Ouvertüre „In the South“ hätte noch den Faden aufrechterhalten, ist aber zu groß besetzt. Gespielt wurden allerdings, die in England mittlerweile ein ganz eigenes Genre so genannter „light classics“ bilden, dazu gehören noch als bekannteste Vertreter spätromantische Komponisten wie Frederick Delius und Ralph Vaughan Williams. Dessen „Greensleeves“-Vertonung ist natürlich durch die Volksmelodie schon allein ein Ohrwurm. Bei Delius gelingt das nicht so einfach, da seine Orchesterstücke „On hearing the first cuckoo in spring“ und „Summer-night on the river“ eher pastellene Stimmungsbilder sind, die wie ein ungestörte Landschaftsbild aus Tönen wirken. Elblandphilharmonie Sachsen Dieser sinfonische Auftakt an den Landesbühnen geriet etwas pastoral und kontrastlos sanft, war aber keinesfalls im musikalischen Anspruch zu unterschätzen. Gastdirigent Felix Bender machte sich bislang im Umfeld der sächsischen Landeshauptstadt rar – eine erfolgreiche Zeit verbindet ihn mit der Oper in Chemnitz ebenso wie seine andauernde Tätigkeit an der Oper Leipzig als ständiger Gastdirigent. Ab der kommenden Spielzeit wird er Generalmusikdirektor am Theater Ulm sein, insofern konnten die Konzertbesucher sich glücklich schätzen, den umtriebigen Dirigenten einmal am Pult zu erleben. Bender ließ schon in der „St. Paul’s Suite“ von Gustav Holst (eine
Komposition, die als Dankeschön für den schalldichten Umbau des Künstlerarbeitszimmers entstand, findet man ja auch eher selten…) keinen Zweifel daran, dass es ihm in der kleinen Orchesterbesetzung auf einen besonders dichten und ausgefeilten Gesamtklang ankam und eben gerade die Schlichtheit der Musik auch eine gemeinsame Hingabe und Präzision benötigte. Das gelang wunderbar und freute auch das Publikum, die die Stücke sichtlich genossen. Weniger genießbar war jedoch die Lautsprecher-Tirade der Vorschriften und Hinweise vor dem Konzert, das hätte auch auf einen Flyer oder einen Aushang gepasst und ist hoffentlich bald obsolet. Im Holst-Stück zu Beginn gefiel vor allem der schwingende Schlusssatz, „Greensleeves“ erhielt dann eine adäquate Dichte im Streicherklang, und auch gleich die ersten Takte des „cuckoo“ waren wunderbar ausbalanciert, der Vogel selbst hielt sich in der Klarinette eher bescheiden im Hintergrund. Hier und da fielen noch etwas scharfe Streicherhöhen auf, doch die Elblandphilharmonie Sachsen spielte sich immer mehr zusammen, so dass die abschließende Sinfonie Nr. 1 D-Dur von Charles Gounod (nein, wieder nicht Italien!) zum Höhepunkt avancierte. Das selten gespielte Stück wartet mit einigen Finessen auf – so etwa die Chuzpé, im 4. Satz eine Struktur wie bei einer neuen Sinfonie zu beginnen – und klingt vor allem in den Ecksätzen so, als hätte Beethoven endlich einen langerwarteten Ausflug in die Champagne gemacht. Bender bekam hier mühelos die Aufmerksamkeit des engagierten Ensembles und konnte so auch für den nötigen freigeistigen Esprit im Scherzo sorgen. Dass der Applaus für die erste sinfonische Aufführung im Stammhaus besonders herzlich ausfiel, war zu erwarten und natürlich auch eine schöne Belohnung für die ausgewogene Leistung der Elblandphilharmonie. Fotos (c) Claudia Hübschmann Auf mehrlicht befinden sich mehr als 600 Rezensionen, Interviews, Reiseberichte
und Kulturfeatures. Wenn Sie als Leser*in mein werbefreies Blog mit einer kleinen Spende unterstützen wollen, freue ich mich sehr. Eindringliche Strauss-Matinée Richard-Strauss-Programm im 10. Sinfoniekonzert der Staatskapelle Dresden Das 10. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle konnte mit dem Originalprogramm als Stream bei arte concert ermöglicht werden. Am Sonntagvormittag erklangen Strauss-Lieder (mit Erin Morley, Sopran) und die Tondichtung „Ein Heldenleben“. Am Pult in der Semperoper stand Chefdirigent Christian Thielemann.
„Aber ferne schon über die Berge ziehen die Wetter, der Donner verhallt.“ Fast schon fühlte man sich am Sonntagvormittag ein wenig in der Atmosphäre des dramatischen sechsten, hier leider nicht aufgeführten Brentano-Lieds „Lied der Frauen“ hineingezogen, denn in vielerlei Hinsicht waren die letzten Wochen und Monate für die Staatskapelle Dresden und die Semperoper ja turbulenter Natur, was keinesfalls die Musik direkt betraf, denn die erklang ja – wenn überhaupt – nur für Ätherwellen und ohne Publikum. Nun verhallt, hoffentlich, auch der Donner der Pandemie langsam („Raben, zieht weiter!“) und bei der Staatskapelle vernimmt man Optimismus, dass noch im Juni einzelne Konzerte wieder mit Publikum stattfinden werden, die Planungen dafür laufen bereits. Am Sonntagvormittag ging das 10. Sinfoniekonzert noch im leeren Semperbau über die Bühne, allerdings lud die Kapelle ein weltweites Publikum ein, denn die Aufführung wurde von arte im arte-concert-Kanal live gesendet. Noch einmal also wurden Hemd und Fliege für die Kamera gerichtet und dann galt der weitere Vormittag ganz dem Hausgott Richard Strauss. Wenn man bedenkt, dass die Sächsische Staatskapelle Dresden zu normalen Zeiten nahezu täglich auch im Graben sitzt und Strauss und Wagner so oft auf den Pulten liegen wie bei kaum einem anderen Orchester, kann sich den Wert dieses Sinfoniekonzerts ermessen, das im kraftfahrzeugtechnischen Sinne vermutlich einer außerordentlichen Wartung gleichkam. Und dafür muss selbstverständlich auch geprobt werden, muss sich ein Orchester immer wieder neu finden und gerade klangliche Finessen und feinste Balance-Abstimmungen erarbeiten.
Das war in der letzten Zeit an der Semperoper eine Zeitlang gar nicht möglich, und ein wenig klang daher am Sonntag auch ein befreiter, fast entfesselter Klang mit, auch wenn der letzte Turbo für die Spannung im Saal, das Publikum, noch vor den Türen bleiben musste. Begonnen hatte der Vormittag mit einer Auswahl aus dem reichen Liedschaffen von Richard Strauss, dessen eigene Orchestrationen noch einmal für genuin neue Kunstwerke sorgten. Durch den Wegfall des sechsten Brentano-Lieds und der Hereinnahme von „Muttertändelei“ Opus 43a bekam dieser Programmteil etwas Gebändigt-Sanftes, was aber dem wunderbar klar fließenden Sopran der US-Amerikanerin Erin Morley entgegenkam, die bereits im Dresdner Silvesterkonzert 2019 in Lehárs „Land des Lächelns“ brillierte. Was Morley nun bei den Brentano-Lieder so wunderbar leicht und warm von der Bühne verströmte, war nicht nur die Behaglichkeit, die man sofort zwischen ihrer Stimme und dem Satz von Strauss verspürte, sondern auch Ergebnis des Meisterwerks der einfühlsamen Begleitung, für das Chefdirigent Christian Thielemann verantwortlich zeichnete. Da saß jeder Atemzug gemeinsam mit den Instrumenten auf den Punkt, jedes noch so kleine Anziehen im Tempo – etwa in „Als mir dein Lied erklang“ – nahm die Kapelle sofort ab und selbst im großen
Tutti strahlte Morley ohne Anstrengung und Übertreibung – der Liedcharakter blieb gewahrt. Als überraschende Zugabe und Uraufführung erklang ein aus späten Klavierskizzen von Richard Strauss neu komponiertes Orchesterlied nach Herrmann Hesses „Nacht“ des Berliner Komponisten Thomas Hennig, das aber in viel gewollter Authentizität nur tangential an Strauss heranführte. Vielleicht wäre ein stärkerer eigener, kompositorisch anmerkender Aspekt von Hennig spannender gewesen. Nach einer Umbaupause füllte sich die Bühne für die Tondichtung „Ein Heldenleben“, die diesmal unter Thielemanns Händen eine fast schon strenge Eindringlichkeit, aber auch wunderbar saftige, trotzdem immer atmend-schwingende Tutti-Passagen erhielt. Matthias Wollongs großes Violin- Solo ordnete sich in diese Ausdruckswelt nahtlos ein.
Dass Strauss sich nach dem wilden Schlachtengemälde des Helden etwas in der Beweihräucherung verliert, macht die Kapelle mit fleißigem Putzen des Strauss’schen Goldes im klanglichen Bereich wieder wett: immer wieder unterstrich Thielemann mit vollem körperlichen Einsatz die Vehemenz des musikalischen Flusses und brachte mit dem Orchester auch die finalen Takte der Tondichtung zur behutsamen Rundung und zu einem langen Nachhall, der sich rundete mit einer ebenso bewegenden Stille in den Minuten vor dem Beginn der Aufzeichnung des Sinfoniekonzerts. Ursprünglich sollte nun eine ausgedehnte Europa-Tournee dem Konzert am Sonntag folgen – zumindest die beiden Konzerte im Wiener Musikverein am 5. und 6. Juni werden stattfinden. Es wird nun auch hier endlich Zeit, dass man die Menschen wieder in die Säle läßt, damit solche einzigartigen Aufführungen vom Publikum nicht nur mit Interesse verfolgt, sondern auch verdient gefeiert werden. Das Konzert kann bei arte concert unter https://www.arte.tv/de/arte-concert/ bis 28.8.2021 abgerufen werden. Fotos (c) Matthias Creutziger
Auf mehrlicht befinden sich mehr als 600 Rezensionen, Interviews, Reiseberichte und Kulturfeatures. Wenn Sie als Leser*in mein werbefreies Blog mit einer kleinen Spende unterstützen wollen, freue ich mich sehr. Ein Nimbus voller Töne Geht Ihnen das auch so? Wenn man einmal eine Künstlerin oder einen Künstler für sich entdeckt und schätzen gelernt hat, ist man ganz hungrig auf deren jeweils neue Projekte und Inspirationen. Das ist in der Popmusikwelt, in der die Fanbase eine ganz wichtige Funktion hat, völlig normal. Aber auch in der Klassik lernt man so seine Favoriten nach und nach immer besser kennen, staunt über Seitenwege oder Unerwartetes und ist ein hörender Begleiter eines künstlerischen Weges, der sich im besten Fall nicht an kommerziellen Vorgaben orientiert, sondern den Ausdruck der Persönlichkeit in der Musik formt. Mit Laura Farré Rozada ist es mir so ergangen. Das Debütalbum der 30-jährigen Pianistin vor drei Jahren ließ mich aufhorchen, weil ihr tiefer Sinn für die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts sich mit Entdeckerlust und großem pianistischem Können paart. Auf ihrem Album „The French Reverie“ gelang es Laura Farré Rozada vor allem, Farbtöne der französischen Musik offenzulegen, die zwar etwa über die besondere Art des musikalischen Fantasierens bekannt erscheinen, aber in der zeitgenössischen Musik mit anderen Strukturen und Kompositionsarten neu verbunden werden – als Paradebeispiel hatte sie dafür die Klaviersonate von Henri Dutilleux ins Zentrum der Aufnahme gestellt.
Nun ist das neue, zweite Album von Laura Farré Rozada erschienen und, wie eingangs behauptet, ist es ein weiterer Schritt auf ihrem künstlerischen Weg, dabei ebenso vorhersagbar (im guten Sinne!) wie überraschend. Denn wieder ist es ein Konzeptalbum geworden, wobei der Begriff eigentlich furchtbar ist, denn er erfasst nicht die Tiefe der Beschäftigung, die die Pianistin für dieses Album aufgewendet hat. Schon der Titel trägt uns assoziativ hinweg, denn „Nimbus“ führt möglicherweise in wolkige Wettersphären, hat aber über den meteorologischen Aspekt hinaus auch die Bedeutung eines Rufes, einer Aura, mit der etwas umgeben ist. Der Lichtaspekt kommt hinzu, wenn man Nimbus in Richtung eines Heiligenscheins begreift – ein Seitengedanke zur Kranzbedeutung „corona“ kommt auf, Nimbus eröffnet aber eher einen offenen, manchmal ungreifbaren Bereich. Doch die zweite Überraschung (die erste ist schon das Auspacken der CD selbst, die beim katalanischen Label seedmusic in fantastischem Book-Design erschienen ist) folgt mit den einleitenden Worten im Booklet und einem Blick auf die Werke: tatsächlich geht es hier in den neun Werken um Wasser, mal mehr, mal weniger explizit, aber doch in den vielen Ebenen zwischen einer stillen Wasserfläche und einem Seesturm, im Fließen und sogar auch in der Anordnung der einzelnen Tropfen. Laura Farré Rozada ist ja mit gleicher Leidenschaft auch forschende Mathematikerin, was nicht nur das Klavierüben und -Lernen der neuen Werke betrifft und beeinflusst, sondern ihrem Spiel und Verständnis von Musik auch einen besonderen Sinn beispielsweise für Räume und Verläufe eingibt. Gleich das erste Werk, Pierre Jodlowskis „Serie Blanche“ eröffnet die Assoziation einer sich immer mehr von Wasser bedeckenden Fläche, bis irgendwann das Bild im Kopf nicht mehr funktioniert, weil das Stück zu gewaltig wird. Kompositionen von Unsuk Chin (zwei Etüden) und Toru Takemitsu (sein bekanntes Klavierstück „Rain Tree Sketch“) holen uns in die Betrachtung des Wassers zurück, gleichzeitig grüßt im Hintergrund Olivier Messiaen, der zwar selbst nicht auf der
CD vertreten ist – vielleicht ja wieder in der Fortsetzung dieser französisch geprägten Reihe? – aber dessen Schüler Takemitsu war. Auch bei Josep Maria Guix „Drizzle draft“ ist der französisch-impressionistische Einfluss spürbar und damit ist das Werk eine ideale Vorbereitung für das wohl bekannteste Stück auf der CD, Maurice Ravels „Gaspard de la Nuit“, geschrieben übrigens in Messiaens Geburtsjahr 1908. Laura Farré Rozada Laura Farré Rozada besitzt auch für diese Musik ein enormes Gespür und weiß dabei ihre eigene Handschrift mit den Anforderungen von Ravels herausragender Partitur intelligent zu verbinden. Damit entsteht eine Interpretation, die besonders hinhorchen läßt, wenn man die Melodien von Ravel schon im Ohr hat: die Pianistin vermeidet Süffisanz und Dekor, findet aber in „Le Gibet“ genau den stillen Ton, den der von der Poesie von Aloysius Bertrand inspirierte Zyklus hier benötigt. Vom Kobold Scarbo, den Laura Farré Rozada im dritten Teil von „Gaspard de la Nuit“ durchaus wild wüten läßt, geht es in dunklere Sphären der Wasserbetrachtung, aber die Poesie zieht sich auch hier wie ein Faden durch die Musik: Anna Þorvaldsdóttirs „Scape“ eröffnet eine weite Klangfläche, in die man als Hörer unweigerlich hineingezogen wird. Dai Fujikura und Yixuan Zhao schauen noch einmal anders auf die nun aufgebrochenen Themen – Fujikura
arbeitet eher im mechanisch-repetitiven Raum, während das für die Pianistin entstandene Stück „Still Life“ von Yixuan Zhao – wie das Stück von Guix übrigens eine Ersteinspielung – eine Finalatmosphäre schafft, indem es an Fujikuras letzten Akkord anschließt und einen assoziativen Bogen zum Beginn des Albums, zu Jodlowskis Riesenwassertropfen, schafft. Wer sich bis hierhin in die von Laura Farré Rozada grandios dargebotene, bekannte und unbekannte Klaviermusik vertieft hat, kann eigentlich nur gewinnen, weil das Album erneut wie schon bereits „The French Reverie“ ein ungeheuer breites Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten des zeitgenössisch behandelten Klaviers zeigt, gleichzeitig mit der Tradition und mit einem spannenden, unerschöpflichen Thema verbunden. Ich freue mich bereits auf die dritte CD – und werde hier natürlich auch posten, wenn Laura Farré Rozada mit dem Programm auftreten wird, was ihr wie allen Künstlerinnen und Künstlern auch, die noch im Stillen wirken, bald zu wünschen ist. Fotos (c) Silvia Poch Laura Farré Rozada: Nimbus, Werke von Jodlowski, Chin, Takemitsu, Guix, Ravel, Þorvaldsdóttir, Fujikura und Zhao — Seedmusic 2021, zu beziehen direkt vom Label. ein aktuelles Interview mit Laura Farré Rozada, Diario de Sevilla (spanisch) Auf mehrlicht befinden sich mehr als 600 Rezensionen, Interviews, Reiseberichte und Kulturfeatures. Wenn Sie als Leser*in mein werbefreies Blog mit einer kleinen Spende unterstützen wollen, freue ich mich sehr.
Pause – entleert und gefüllt Neues beim Abschlusswochenende der Tonlagen Hellerau Mit einem vollgepackten digital-musikalischen Wochenende ging die erste Runde der „Tonlagen“, der 30. Tage der zeitgenössischen Musik beim Europäischen Zentrum der Künste Hellerau zu Ende. Als großes Experiment mit Konzerten, Diskussionen und Arbeitsständen unter dem Titel „Pause“ erschienen die Beiträge ebenso kontrovers wie in sich überzeugend – es gab viel zu entdecken. Eine Pause eröffnet Möglichkeiten. Der lapidare Satz ließe sich aus vielen Perspektiven interpretieren. In der Zurücknahme, im Innehalten oder gar Schweigen üben wir uns situationsbedingt gerade alle, erkunden das Davor, fragen nach dem Danach. Die am letzten Wochenende – in erster Lesung, zwei weitere Blöcke folgen im Herbst und 2022 – zu Ende gegangene „Tonlagen“, die 30. Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik haben die Pause als Leitbegriff für die Besonderheiten des diesjährigen Programms gefunden. Über drei Wochen hinweg bildete John Cages berühmte Komposition 4‘33‘‘ ein Kontinuum, an welchem entlang bewusste, zufällige und damit auch unbeabsichtigte Betrachtungen der Pause entstanden. Und ganz still war es ja auch nicht, denn mit dem Festspielhaus war der Raum vorhanden, die Kompositionen und auch, sogar die Interpreten standen bereit. Doch für alle Programmpunkte mussten kurzfristig individuelle Lösungen gefunden werden, die im Idealfall der Botschaft und auch der Würde des Kunstwerks ebenso gerecht werden sollten wie dem Interesse des Publikums, das sich, mehr geht noch nicht, wieder vor dem heimischen Bildschirm einfand.
Robin Schulkowsky (Percussion) Immerhin: da die Auseinandersetzung mit den Präsentationsformen unterschiedlichster Werkformate sozusagen das tägliche Brot in Hellerau bildet, waren die Veranstalter nicht verlegen, der zeitgenössischen Musik das jeweils Passende und auch maximal Mögliche einer mis-en-scène mitzugeben. So wurde etwa Helmut Oehrings TanzFilmRequiem „Eurydike Vol. 2“ – die Uraufführung ist für 2022 geplant – als Materialarbeitsstand zum Selbstentdecken präsentiert, Frieder Zimmermann spielte seine für Prohlis angedachte Häuserblock- Komposition auf dem Vorplatz in Hellerau ein. Am letzten Wochenende gab es weitere Online-Veranstaltungen zum Aufhorchen: mit Robert Lippoks „Sunday 4am“-Studie konnte man zum Sonnenaufgang am Sonntag seine Wohnung mit elektronischen Klängen fluten, nachdem die Komponistin Olga Neuwirth am späten Sonnabend mit ihrem Beitrag zu einem Jani-Christou-Musiktheater quasi die entgegengesetzte elektronische Klammer setzte – ganze zwei Stunden bearbeitete die Percussionistin Robin Schulkowsky im leeren Festspielhaus behutsam eine E-Gitarre und beim Zuschauen entleerten sich langsam die Gedanken in den dahingleitenden Abend. Ganz anders im Sinne des Festivalthemas Pause wirkte am Freitag ein in
Kooperation mit dem Sächsischen Musikbund aufgezeichnetes Konzert des Leipziger Ensembles „contemporary insights“, das aus studentischer Initiative an der Leipziger Musikhochschule hervorging und nun mittlerweile seit sieben Jahren in wechselnden Besetzungen Zeitgenössisches vorrangig junger Komponistinnen und Komponisten erkundet. Denn die Pause als musikalischer Parameter oder als Ordnungs- oder gar Ausdruckselement war in den neuen Partituren nicht en vogue, stattdessen wurden munter ganze Kübel an Tönen in allen möglichen avancierten Spielarten auf die Zuhörer am Streamschirm ausgekippt. Diesen blieb es dann überlassen, mittels pdf-Programmheft und eigener Fantasie das Ganze wieder zu sortieren. Ausgerechnet das erste Stück von Tobias Schick „In Erinnerung an eckige Zeiten“ ragte aus diesem Notenchaos weit heraus, weil Schick es vermochte, sein Material geschickt mit einer klanglichen Idee und einer übersichtlichen Form zu verbinden, der man gut folgen konnte – gerade die Überbelichtung der Musik blieb wie ein Stachel im Ohr hängen. „bačisc“ von Pablo Ondoni Olabarría wollte dann mantraartig die Unendlichkeit von Klängen untersuchen, doch lediglich die Brutalität einer musikalischen (Ent-)Äußerung teilte sich mit. Das ist ebenso uninteressant und unzureichend wie die folgenden mäandernden Stücke von Dongsun Shin „Die Königsschlange verschlingt einen Elefant“ und „Die Berge unter dem Mondschein“ von Tianwei Zhu. Das könnte alles so sein, aber auch anders, der zwingende Zugang fehlte. Fojan Gharibnejads „Rapeseed“ wirkte da als komprimierte Klangstudie anders: hier lag Musik als unbehauenes Rohmaterial herum und das reine Hören schien hier angebrachter als Zuschauen, denn die Plexiglasattacken auf das Innere des Bechstein-Flügels lassen überlegen, ob es nicht auch eine FSK für solche Musikvideos geben sollte. Elias Jurgschat schließlich präsentierte in „Betrachtung V“ bruitistische Cluster, gerufene Wortfetzen und dekonstruierte am Ende alles mit Fingertips auf Büroklammern, während man in Zachary Seelys „Condition No. 1“ lediglich durch einen am Ende auch nur müde wirkenden Schrei aus der Langeweile geholt wurde. Wenn das Konzert die „Reichhaltigkeit gegenwärtigen Komponierens“ wiederspiegeln sollte, so hatte man nach dieser Darbietung eher das Gefühl, dass das Komponieren an diesem Stand der Beschäftigung mit Tönen und Inhalten erst anfangen müßte, indes: die sich hier zeigende Haltlosigkeit innerhalb der Musik erscheint kaum verwunderlich in dieser unsteten Zeit. Die John-Cage-Interpretationen 433X22 und weitere Specials der
Tonlagen sind auf dem Youtube-Kanal vom Europäischen Zentrum der Künste Hellerau abrufbar. Fotos (c) Klaus Gigga Auf mehrlicht befinden sich mehr als 600 Rezensionen, Interviews, Reiseberichte und Kulturfeatures. Wenn Sie als Leser*in mein werbefreies Blog mit einer kleinen Spende unterstützen wollen, freue ich mich sehr.
Sie können auch lesen