Wundversorgung / Wundverbände Wundspülung und Wundantiseptika - Johannes Timmer Intensivfachpfleger Praxisanleiter zert. Wundmanager September 2021

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Wundversorgung / Wundverbände Wundspülung und Wundantiseptika - Johannes Timmer Intensivfachpfleger Praxisanleiter zert. Wundmanager September 2021
Wundversorgung / Wundverbände
Wundspülung und Wundantiseptika

Johannes Timmer
Intensivfachpfleger
Praxisanleiter
zert. Wundmanager
September 2021
Wundversorgung / Wundverbände Wundspülung und Wundantiseptika - Johannes Timmer Intensivfachpfleger Praxisanleiter zert. Wundmanager September 2021
Wundspülung = Reinigung einer Wunde mittels einer Spüllösung

Ziel
 Ausschwemmen von Zellrückständen, Belägen, Exsudatresten
 Reduzierung von Mikroorganismen
 Feuchthalten der Wunde
 bessere Beurteilbarkeit der Wunde

Cave
Bei Vorliegen einer Wundinfektion mittels Wundantiseptika spülen!

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Definition

1.Unkonservierte Spüllösung
 Spüllösungen ohne Zusatzstoffe
 sehr kurze Haltbarkeit
 werden einige Stunden nach Anbruch verworfen
  (Empfehlung RKI 24 Stunden)
 z.B. Ringerlösung oder NaCl 0,9 %

2. Konservierte Spüllösung
 durch Zusatz eines antiseptischen Stoffes, meist Polyhexanid,
   wird die Verwendbarkeit der Spüllösung, nach hygienisch
   einwandfreier Entnahme auf mehrere Wochen verlängert
 Produkte z.B. Prontosan oder Lavanid

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3. Antiseptische Lösungen
 antiseptische Lösungen sind als Arzneimittel zugelassen
 Verwendbarkeit wesentlich länger als die von konservierten
    Spüllösungen (z.B. Octenisept 3 Jahre nach Anbruch jedoch
    nicht über das Verfalldatum hinaus)
 z.B. Octenisept (0,1% Octenidin und 0,2 % Phenoxyethanol)
   oder Serasept (0,04 % Polyhexanid)

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Physiologische Spüllösung

Anforderungen
 physiologischer pH – Wert von 7,36 – 7,42
 Elektrolytgehalt und Osmolarität sollten dem des Blutplasmas
   angepasst sein
 nicht hautreizend/ nicht schmerzauslösend
 steril
 nicht gewebetoxisch

Mögliche Produkte
 NaCl 0,9 %
 Ringerlösung
 Sterofundin
 Jonosteril

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Was ist out?

Leitungswasser
 nicht steril
 möglicherweise hohe Keimbelastung
 nicht physiologisch in der Zusammensetzung

Schon aus juristischen Gründen sollten bei der Verwendung von
Leitungswasser Sterilfilter benutzt werden.
( Wechselintervalle beachten )

Destilliertes Wasser
 unphysiologisch in Bezug auf Elektrolyte/ Osmolarität
 Schädigung der Zellen durch übermäßigen Flüssigkeitseinstrom

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Bemerkung

 die Wundspülung muss so gestaltet werden, dass es nicht zum
  Auskühlen des Wundbetts kommt
 bei einer Temperatur < 28 Grad Celsius finden keine
  Reparaturvorgänge mehr statt
 durch Spülen mit Druck oder durch Hilfsmittel kann
  empfindliches Granulationsgewebe beschädigt werden
 Spüllösung sollte vor dem Verbandwechsel größtenteils wieder
  entfernt werden (Wundauflage zu feucht, Gefahr der Mazeration)

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Möglichkeiten der Wundspülung

    Bildquelle: HARTMANN WundForum 3 / 2009

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Wund-Pen-Set, WBS
Aqua Safe Fa. PALL   Wasserhygiene Beratung & Service

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Wundantiseptika

Einsatz
 zur initialen Wundreinigung von akuten Wunden
 bei kritisch kolonisierten und infizierten Wunden

Bemerkung
 kein unnötiger prophylaktischen Einsatz bei „ sauberen „
   chronischen Wunden, da viele Wundantiseptika die
  Zellproliferation hemmen
 generell gilt: lokale Wundinfektion → lokale Wundantiseptika
                 systemische Wundinfektion → Antibiotika

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Definition Einwirkzeit

Zeitraum des Einwirkens eines Präparates bis zum Erreichen
der angestrebten Wirkung. Hierbei ist zu beachten, dass während
der gesamten Einwirkzeit, die Wundfläche mit dem entsprechenden Präparat
ununterbrochen feucht gehalten werden muss.
Die Angaben des Herstellers sind unbedingt zu beachten und
einzuhalten.

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Geschichte der Wundantiseptik

 Römisches Reich 300-600 vor Christus: in Rotwein oder Essig getränkte
  Leinentücher oder Schwämme wurden zur Wundbehandlung eingesetzt
 Ende des 18. Jahrhunderts setzte der britische Militärarzt John Pringle
  Seesalz zur Unterbindung der Wundfäulnis ein
  Er stellte auch fest, dass Säuren und Laugen stark gegen Fäulnis wirken.
 1856 hat Louis Pasteur (1822-1895) bewiesen, dass Gärung und Fäulnis durch
  mikroskopisch kleine Lebewesen verursacht werden und möglicherweise
  zur Wundeiterung beitragen
 Ignaz Philipp Semmelweis (1818-1856) forderte, dass die Hände und die
  Instrumente gründlich gewaschen und mit Chlorlösung desinfiziert wurden
 Joseph Lister (1827-1912) entdeckte, dass in der Luft enthaltene
  Mikroorganismen für die Wundeiterung verantwortlich sind
  Er führte die Desinfektion des Operationsfeldes, der Instrumente und des
  Verbandmaterials mit Karbolsäure als antimikrobiellem Wirkstoff ein.

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Die Entdeckung der Sulfonamide (1932) und darauf folgend die Einführung
des Antibiotikums Penicillin durch Alexander Flemming im 20. Jahrhundert
führte dazu, dass viele antimikrobiell wirksame Stoffe aus der ärztlichen
Praxis verschwanden und darüber hinaus die einfachen hygienischen
Grundprinzipien immer weniger Beachtung fanden.

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Gründe für die Renaissance der Wundantiseptik

 pandemische Ausbreitung von MRE
 hohe Sensibilisierungsrate lokal applizierter Antibiotika
 mikrobiozide Wirksamkeit von Antiseptika+Wirkung gegen
   Biofilme anstatt nur mikrobiostatische Wirksamkeit von Antibiotika
 Wirkungsentfaltung am Wirkort
 im Unterschied zu Antibiotika bei Antiseptika wirkstoffabhängig
   keine Resistenzentwicklung
 einfache Anwendbarkeit von Antiseptika auch im ambulanten Bereich

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Aufgabe der antiseptischen Wundbehandlung ist die Prävention
oder Therapie von Wundinfektionen mit gleichzeitiger Unterstützung
bzw. Förderung der natürlichen Heilungsprozesse zur Erzielung der
optimalen Wundheilung mit folgenden Indikationen:

 1.Verhinderung der Infektion traumatischer Wunden
 2.Dekolonisation bei Wundkolonisation mit MRE
 3.Vorbereitung zum Debridement oder zur Wundreinigung chronischer Wunden
 4.Therapie klinisch manifester Wundinfektionen einschließlich sog. kritischer
   Kolonisation
 5.Verhinderung postoperativer Wundinfektionen (Surgical Site Infections, SSI)

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Die infizierte oder kritisch kolonisierte Wunde muss als
Voraussetzung zur Heilung saniert werden.

Ohne Entfernung von Verunreinigungen und gegebenenfalls
chirurgischem Débridement versagt das beste Wundantiseptikum.

Sorgfältige Indikationsstellung

• Wundantiseptika ohne Notwendigkeit kann Wundheilung behindern
• Wundantiseptika bei Notwendigkeit unterstützt die Wundheilung
Abschätzung des Infektionsrisikos

 obwohl jede Wunde kontaminiert ist, entwickelt nicht jede kontaminierte Wunde
  eine Infektion
 Entscheidungshilfe für den Einsatz von Antiseptika gibt der Wounds at Risk
  Score
 nach Addition unterschiedlich gewichteter Gefährdungsursachen ist ab
  3 Punkten die präventive Antiseptik indiziert.
Anforderung an die Wirksamkeit
• akute Wunden
  – Breites Wirkungsspektrum (ggf. virozid, sporozid)
• chronische Wunden
  – Gram-positive und Gram-negative Bakterien
• fehlendes Risiko der Resistenzentwicklung, insbesondere keine
  Kreuzresistenz zu Antibiotika

Anforderung an die Verträglichkeit
• Wundverträglichkeit
  – Vergleich mit Ringerlösung, NaCl oder Hydrogel
  – im Idealfall Wundheilungsförderung
• kein zytotoxisches Risiko für exponierte Strukturen
  – Knorpel, ZNS, Peritoneum
• fehlendes Sensibilisierungspotenzial, fehlendes Anaphylaxierisiko
• fehlendes Risiko von Langzeitnebenwirkungen
  – Mutagenität, Cancerogenität, Teratogenität
Erste Prämisse
• gib nichts in die Wunde, was du nicht ins Auge geben kannst

Zweite Prämisse
• wende keine Wirkstoffe auf Wunden an, die in Quantitäten resorbiert
  werden, die mit dem Risiko von Nebenwirkungen verbunden sein können
Wirkstoffauswahl
Akute Wunden
– rasch einsetzende und hohe Wirksamkeit, eventuell Tiefenwirkung

Chronische Wunden
– ausreichende antiseptische Wirksamkeit in Verbindung mit Verträglichkeit,
  im Idealfall Förderung der Wundheilung
Povidon – Jod (Iodophore)
 Kurzzeitantiseptikum mit breitem Wirkspektrum
 rascher Wirkungseintritt mit hohem Spiegel aber auch schnelles Abfluten
   der Wirkung
 breites Wirkspektrum (grampositive- und gramnegative Bakterien,
  Pilze, Protozoen, bei längerer Einwirkung sporozid sowie gegen
  eine Reihe von Viren)
 je nach Herstellungsverfahren mögliche Eiweißfehler im Kontakt
  mit blutigem Sekret d.h. Inaktivierung, erkennbar an der Entfärbung
 möglicherweise wundheilungshemmend
 möglicherweise allergische Nebenwirkungen
 bisher keine Resistenzen bekannt
 Einschränkungen bei Dermatitis, Hyperthyreose,
  Überempfindlichkeit gegen Jod, vor und nach Radiojodtherapie
 Anwendung unter semiokklusiven und okklusiven Bedingungen nur
  nach Herstellerempfehlung
 durch Braunfärbung erschwerte Wundbeurteilung
 Mittel der Wahl bei Schnitt-, Stich- und Bissverletzungen
 entbehrlich für chronische Wunden
Octenidindihydrochlorid
 wirkt oberflächenaktiv
 zur wiederholten, zeitlich begrenzten antiseptischen
  Behandlung
 rascher Wirkungseintritt/ keine Proteinbelastung
 breites Wirkspektrum (grampositive- und gramnegative Bakterien,
  Pilze, bestimmte Viren)
 keine sporozide und keine protozoozide Wirkung
 wirksam gegen MRSA
 die eingeschränkte Gewebeverträglichkeit wurde mittlerweile
  relativiert
 keine Anwendung in der Bauchhöhle, in der Harnblase und am
  Trommelfell
 nicht unter Druck in Fistelgänge oder Wundtaschen applizieren
   Gefahr irreversibler Gewebeschädigung
 Anwendung unter semiokklusiven und okklusiven Bedingungen nur
  nach Herstellerempfehlung
 Octenidin – Gel wird als verträglicher eingestuft, da das
  Phenoxyethanol (Alkohol) fehlt
 Haltbarkeit nach Anbruch bis zu 3 Jahre, jedoch nicht über das
  Verfalldatum hinaus
Polyhexanid / Lavasept

 geeignet zur wiederholten Anwendung
 sehr gute mikrobizide Eigenschaften
 unwirksam gegen Viren und Sporen
 kein Eiweißfehler
 gute Gewebeverträglichkeit
 fördert die Wundheilung
 wirksam gegen MRSA und VRE
 die mikrobizide Einwirkzeit beträgt 5 – 20 Minuten
 sollte bevorzugt bei chronisch – infizierten Wunden eingesetzt
   werden ( Wirkstoff der 1. Wahl)
 lässt sich gut mit semiokklusiven Verbänden kombinieren
 Kontraindikationen: Anwendung auf hyalinem Knorpel,
  Mittel – Innenohr, ZNS sowie bei bekannter Allergie
 Haltbarkeit bis 8 Wochen nach Anbruch
HOCL (hypochlorige Säure)

-   Inhaltsstoff Hypochlorid
-   Abtöten von Mikroorganismen durch Osmolyse
-   keine Zerstörung von menschlichen Zellen
-   höchste Log-Stufe nach 60 Sekunden
-   breiter antimikrobieller Effekt (Bakterien, Viren, Sporen, Pilze)
-   kann in der Wunde verbleiben und muss nicht ausgespült werden
-   auch anwendbar bei freiliegenden Gelenken, Knorpeln, Bändern
    und Sehnen sowie im Innenohr und in der Bauchhöhle
-   keine Resistenzen
-   Hypoallergen
-   Mittel der Wahl zur intensiven antiseptischen Reinigung
    verschmutzter traumatischer Wunden und zur wiederholten
    antiseptischen Reinigung chronischer Wunden
-   MRSA wird eradiziert.
-   Haltbarkeit nach Anbruch: 90 Tage Gel und 60 Tage Lösung
Silber

 Indikation: infizierte Wunde

 Arten der Freisetzung:
  - Silberionen ( kolloidales oder nanokristallines Silber) werden
    in der Wunde freigesetzt
  - Silberionen wirken nur im Trägermaterial, es erfolgt keine
    Freisetzung

 besitzt ein breites bakterizides Wirkspektrum:
  - gram negative und gram positive Keime incl. MRSA und VRE,
  - Pilze

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 Wirkung:
  - Silber zerstört die Bakterienzellwand
  - es zerstört die Proteine und Enzyme des Bakteriums und
    schädigt so die normale Zellfunktion
  - es zerstört die DNA und hemmt die Zellteilung
 Aussagen bzgl. Resistenzen sind widersprüchlich
 bisher gute Verträglichkeit
 Silber kann in sehr großen Mengen lokal wie systemisch toxisch wirken bzw.
  zur Argyrie führen
 da es zur Zeit nur sehr wenig Literatur über pharmakologische und
  toxikologische Wirkungen gibt ( z.B. bei Kindern oder Schwangeren) sollte
  eine genaue Indikationsstellung erfolgen
 lt. Konsensusempfehlung Wirkstoff der 2. Wahl für kritisch kolonisierte oder
  infizierte Wunden; Einsatz für max. 14 Tage

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Produkte ohne Wirkstoff
Hydrophobe Wundauflagen/ Tamponaden
 sind mit dem unlöslichen Wirkstoff Dialkylcarbamoylchlorid (DACC)
   bedampft
 DACC bindet auf physikalische Weise die hydrophoben Wundbakterien
 bei jedem VW werden die Keime aus der Wunde entfernt und so die
   Keimlast gesenkt
 keine Kombination mit Ölen, Fetten, Salben oder Hypochloriden
 je nach Produkt Sekundärverband notwendig
 Verweildauer bis zu 4 Tagen je nach Produkt und Exsudation
Nicht das wirksamste Antiseptikum
        ist am geeignetsten,
sondern das geeignetste Antiseptikum
          ist am wirksamsten.“
             Axel Kramer

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Quellennachweis
1. Kerstin Protz
   Moderne Wundversorgung
   URBAN & FISCHER, 7. Auflage

2. Zeitgemäße Produkte zu Keimreduktion in Wunden
   Wundzentrum Hamburg

3. Schlussfolgerungen aus dem Konsensus Wundantiseptik 2018
   für die Auswahl von Wundantiseptika
   Axel Kramer, Joachim Dissemond, Christian Willy, Simon Kim,
   Dieter Mayer (CH), Roald Papke, Felix Tuchmann (AU),
   Ojan Assadian (AU)

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