Zeitgerechtes Impfen bei Kindern und Jugendlichen

 
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Zeitgerechtes Impfen bei Kindern und Jugendlichen
Konsensuspapiere
Monatsschr Kinderheilkd 2022 · 170:261–272
https://doi.org/10.1007/s00112-021-01295-6
Angenommen: 28. Juli 2021
                                                 Zeitgerechtes Impfen bei Kindern
Online publiziert: 7. September 2021
© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von     und Jugendlichen
Springer Nature 2021
                                                 Stellungnahme der Kommission für Infektionskrankheiten
Redaktion
A. Borkhardt, Düsseldorf                         und Impffragen der Deutschen Akademie für Kinder- und
S. Wirth, Wuppertal
                                                 Jugendmedizin (DAKJ), Mai 2021
                                                 Hans-Iko Huppertz1 · Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der
                                                 Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DAKJ)
                                                  1
                                                      Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e. V., Berlin, Deutschland

                                                      Zusammenfassung

                                                      Für diese Stellungnahme werden verfügbare Daten zu den Impfzeitpunkten bei
                                                      einigen Standardimpfungen von Kindern und Jugendlichen analysiert und bewertet.
                                                      Bei den meisten dieser Impfungen sind die Impfquoten bei Einschulung auf einem
                                                      befriedigenden Niveau. Alle Impfungen erfolgen jedoch bei einer großen Zahl von
                                                      Kindern später als empfohlen, und Impfserien werden oftmals nicht im empfohlenen
                                                      Zeitrahmen abgeschlossen. Einige Kinder erhalten manche Impfungen gar nicht.
                                                      Die Impfquoten weisen große regionale Unterschiede auf. Das hat verschiedene
                                                      Konsequenzen. Kinder sind einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt, und
                                                      Herdenschutz stellt sich spät oder nicht ausreichend ein, wie am Beispiel von Pertussis,
                                                      Masern und Rotaviren gezeigt wird. Gründe für eine verzögerte Impfteilnahme
                                                      sind vielfältig. Sie liegen zum einen in den Lebensverhältnissen der Familien sowie
                                                      persönlichen Vorbehalten und Sorgen der Eltern. Entscheidend ist in besonderer
                                                      Weise die Einstellung des impfenden Arztes. Die Kommission macht Vorschläge zum
                                                      zeitgerechten Impfen von Kindern und Jugendlichen. Die üblichen Impfroutinen in
                                                      den Praxen müssen überdacht werden und dringend besser an die Empfehlungen
                                                      angepasst werden. Die Barrieren für die Teilnahme an einer Impfung sollten niedrig
                                                      sein, der Zugang so einfach wie möglich.

                                                      Schlüsselwörter
                                                      Standardimpfungen bei Kindern · Masern · HPV · Pertussis · Impfberatung

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf
die gleichzeitige Verwendung männlicher und      Einleitung: Bedeutung des                               im Alter von 15 Monaten abgeschlos-
weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche    Problems                                                sen werden. Auch Impfungen bei älteren
Personenbezeichnungen gelten geschlechter-                                                               Kindern und Jugendlichen sowie Indika-
unabhängig.
                                                 Es ist eine wichtige ärztliche Aufgabe,                 tionsimpfungen für bestimmte Personen
    Die Mitglieder der Kommission für Infekti-
onskrankheiten und Impffragen der Deutschen       Kindern und Jugendlichen alle für sie                   sollen zeitgerecht angesprochen und ver-
Akademie für Kinder- und Jugendmedizin           empfohlenen Impfungen zeitgerecht an-                   abreicht werden [1].
werden am Beitragsende gelistet.                 zubieten. Das betrifft sowohl Standard-                     Junge Säuglinge sind aufgrund des un-
                                                 als auch Indikationsimpfungen. Zur Ver-                 zureichenden oder nachlassenden Nest-
                                                 meidung von Immunitätslücken sollen bei                 schutzes durch Infektionserreger gefähr-
                                                 allen Säuglingen die Standardimpfungen                  det, die entweder häufig und hoch konta-
                                                 gemäß STIKO frühzeitig mit 6 Wochen                     giös (wie Rotaviren, Bordetella pertussis
                                                 (Rotavirus), zwei Monaten (DTaP-IPV-HBV-                oder Masernviren) oder vom Immunsys-
                                                 Hib und Pneumokokken) sowie 11 Mona-                    tem nicht sicher kontrollierbar sind (wie die
                                                 ten (MMR, Varizellen) (. Tab. 1) begonnen,              bekapselten Bakterien Haemophilus in-
                                                 ohne Verzögerungen durchgeführt und                     fluenzae Typ b (Hib), Meningo- und Pneu-
QR-Code scannen & Beitrag online lesen           inkl. der 2. MMR/V-Impfung zeitgerecht                  mokokken). Ziel einer zeitgerechten Imp-

                                                                                                             Monatsschrift Kinderheilkunde 3 · 2022   261
Zeitgerechtes Impfen bei Kindern und Jugendlichen
Konsensuspapiere
 Tab. 1 Allgemein empfohlene, frühestmögliche Impfzeitpunkte ausgewählter Standardimpfungen. (Nach STIKO[1])
 Alter          Impfung                                            Grund für eine frühzeitige Impfung
 6 (–8) Wochen Rotaviren                                           Schwere Verläufe und viele Hospitalisierungen bei Säuglingen [2]
 (6 Wochen –)   Pertussis                                          Schwere Verläufe und viele Hospitalisierungen bei Säuglingen [2, 3]
 2 Monate       (DTaP-IPV-HBV-Hib)-Impfung
                Haemophilus influenzae Typ b, Pneumokokken         Schwere Verläufe bei Säuglingen und Kleinkindern möglich [2]
 (6–) 11 Monate Masern                                             Hohe Krankheitszahlen und Komplikationsraten bei Ausbrüchen im Säug-
                (MMR/V oder MMRV)                                  lings- und Kleinkindalter [2, 4, 5]
 (9–) 11 Monate Varizellen                                         Hohe Krankheitszahlen und Komplikationen bei jungen Kindern
 11 Monate      3. DTaP-IPV-HBV-Hib- und Pneumokokkenimpfung Wichtig, um Immunitätslücken wegen nachlassendem Schutz zu vermeiden
 9 Jahre        HPV (humane Papillomaviren)                        Hohe Effektivität der Impfung bei jungen Kindern

fung ist, Säuglingen und Kleinkindern zum         Impfdokument sind Impfserien oft            dritte mit 11 Monaten verabreicht wer-
frühestmöglichen Zeitpunkt einen Schutz           unvollständig. Weitere Nachteile sind,      den (2 + 1-Schema). Fehlende Impfungen
vor diesen Erregern zu verschaffen.                dass Impfungen erst einige Jahre            können jederzeit nachgeholt werden. Laut
   Im Folgenden werden aktuelle Daten             nach dem eigentlich empfohlenen             den bis 2020 gültigen Empfehlungen soll-
zu den tatsächlichen Impfzeitpunkten für          Impfzeitpunkt erfasst werden und            te die erste Impfung mit zwei, die zweite
einige Standardimpfungen und bekann-              Impfungen, die nach Einschulung             mit drei und die dritte mit vier Monaten
te Erkrankungszahlen im frühen Kindesal-          erfolgen, nicht beurteilt werden            erfolgen, die vierte Impfung zwischen 11
ter vorgestellt. Neben Querschnittsunter-         können.                                     und 14 Monaten (3 + 1-Schema).
suchungen (z. B. KiGGS, Schuleingang), die      – KV-Daten: Daten zu den abgerechneten            Die Daten aus der KV-Impfsurveil-
eine Beschreibung der Vollständigkeit der         Impfleistungen aller kassenärztlichen        lance zeigen, hier beispielhaft für die Hib-
Impfteilnahme erlauben, können mithilfe           Vereinigungen werden seit März 2020         Impfung des Jahrgangs 2016 (. Tab. 2;
der Abrechnungsdaten für die Krankenkas-          nach IfSG § 13 (5) ans RKI gemeldet         . Abb. 1), dass mit zwei Monaten nur
sen tatsächliche Impfzeitpunkte für ver-          und zentral ausgewertet. Das setzt          33,3 % der Kinder die erste Impfung er-
schiedene Alterskohorten sowie regional           die seit 2004 bestehende „KV-Impf-          halten. Mit vier Monaten haben 15,1 %
differenziert beurteilt werden.                    surveillance“ fort. Datengrundlage          und mit sechs Monaten 60,2 % der Kin-
                                                  sind die Abrechnungsdaten der KV zu         der alle drei empfohlenen Impfungen
Messmethoden und Daten-                           Impfleistungen, quartalsweise über-          erhalten. Die Grundimmunisierung fängt
grundlage [6]                                     mittelt. Hier werden nur gesetzlich         im ersten Lebensjahr bei zwei von drei
                                                  Versicherte erfasst, das sind (mit gewis-   Kindern sehr viel später an als von der
Zur flächendeckenden Bestimmung der                sen regionalen Unterschieden) etwa          STIKO vorgesehen und wird bei 70 % nicht
Impfquoten bei Kindern und Jugendlichen           85 % der Bevölkerung. Es werden keine       innerhalb des empfohlenen Zeitrahmens
stehen zwei unterschiedliche Methoden             Impfungen von anderen Anbietern             abgeschlossen.
zur Verfügung: Impfraten können bei den           registriert (ÖGD, Betriebsärzte, Kliniken       Mit 15 Monaten haben 96 % der Kin-
Schuleingangsuntersuchungen oder auf              o. a.). Unter Berücksichtigung dieser       der eine, 89,7 % (Spannweite auf KV-Ebe-
Grundlage der kassenärztlichen Abrech-            Begrenzungen können Impfquoten in           ne: 86,6–92,6 %) drei Impfungen mit DPT-
nungsdaten (KV-Daten) erfasst werden.             jeder Altersgruppe, bundesweit und          basierten Kombinationsimpfstoffen erhal-
– Schuleingangsuntersuchungen: Seit               regional bestimmt werden; es lassen         ten; hier sieht man keine Änderung seit
   2001 werden nach IfSG § 34 (11) Daten          sich die Vollständigkeit der erhalte-       dem Jahrgang 2008. 6,5 % der Kinder, die
   zu den Impfungen bei Schuleingang              nen Impfungen, Impfzeitpunkte und           eine erste DPT erhalten haben, haben kei-
   bundeseinheitlich erhoben und in den           -abstände ableiten.                         ne dritte Impfung mit 15 Monaten (sog.
   Bundesländern und am RKI zusam-                                                            Abbruchquote) [7].
   mengefasst. Datengrundlage sind die          Impfzeitpunkte und Erkran-                        78 % der Kinder haben mit 24 Mona-
   vorgelegten Impfpässe. So kann eine          kungszahlen für einzelne                      ten eine abgeschlossene Impfserie gegen
   komplette Kohorte von Kindern beur-          Infektionserreger                             DTaP-Polio und Hib (. Abb. 1). Die Impf-
   teilt werden. Es besteht die Möglichkeit                                                   quoten steigen bis zur Einschulung auf
   der Intervention; Impflücken können           Sechsfachimpfung (Diphtherie,                 weit über 90 % der Kinder, ausgenommen
   geschlossen werden. Damit wird die           Tetanus , Pertussis, Polio IPV, Hib,          in Baden-Württemberg und Bremen; hier
   Impfteilnahme in Bezug auf einzelne          Hepatitis B), erste Lebensjahre               waren 2018 die Impfquoten unter 90 % [7].
   Impfstoffe bestimmt.                                                                            Fazit: Die Impfquoten gegen DTaP-Polio
   Limitationen: Impfpässe liegen meist         Allgemeines                                   und Hib sind bei jungen Kindern inakzep-
   nur bei 90 % der Kinder vor. Vermutlich      Grundimmunisierung: Seit 2020 soll die        tabel niedrig. Die Impfungen ziehen sich
   werden die Impfquoten überschätzt;           erste Impfung im Alter von zwei Mona-         über einen langen Zeitraum hin und erfol-
   bei Kindern mit einem fehlenden              ten, die zweite mit vier Monaten, und die     gen zu spät. Sie werden zwar bis zur Ein-

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Zeitgerechtes Impfen bei Kindern und Jugendlichen
Tab. 2 Kumulative Impfquoten der Hib-Impfung für die 1., 2., 3. und 4. Impfung nach dem 3 + 1-   und 100 % nach der vierten Impfdosis ge-
 Schema. Geburtsjahrgang 2016. (Daten aus der RKI-Impfsurveillance, freundlicherweise zur Ver-     schätzt (3 + 1-Schema) [14].
 fügung gestellt von Thorsten Rieck, RKI, 2020)                                                        . Abb. 3 zeigt die hohen Erkrankungs-
  Impfalter in Monaten       1. Dosis        2. Dosis  3. Dosis (3 + 1)       4. Dosis (3 + 1)     zahlen mit Pertussis in den ersten sechs
  2                          33,3 %a         –         –                      –                    Monaten während der letzten Jahre.
  3                          68,6 %          23,3 %a   –                      –                    Gleichzeitig sind die die tatsächlichen
  4                          86,0 %          56,6 %    15,1 %a                –                    Impfzeitpunkte aufgeführt. diese erfolgen
  6                          91,0 %          83,5 %    60,2 %                 –                    häufig zu spät, um einem nennenswer-
  12                         94,4 %          92,3 %    84,8 %                 6,9 %a               ten Teil der Kinder einen Immunschutz
  14                         –               –         –                      31,4 %a              im ersten halben Jahr zu ermöglichen
  18                         –               –         –                      61,1 %               (hier mit drei Impfdosen nach dem 3 + 1-
  24                         –               –         –                      74,6 %               Schema). So haben 80 % der Kinder erst
  a
   Empfohlene Impfzeitpunkte für die 1. bis 4. Impfung                                             mit vier Monaten eine und mit sechs
                                                                                                   Monaten zwei Impfdosen erhalten, das ist
                                                                                                   deutlich nach dem Krankheitsgipfel der
schulung teilweise nachgeholt, aber auch           alle Altersgruppen beträgt 11 bis 40 Er-        ersten sechs Monate.
zu diesem Zeitpunkt bestehen noch rele-            krankungen/100.000 Einwohner.                       Insbesondere um den Schutz von jun-
vante Impflücken. Junge Kinder sind un-                 Die mittlere Inzidenz bei Säuglingen        gen Säuglingen zu verbessern, hat die
nötig lange einer Infektionsgefahr ausge-          zwischen 2014 und 2018 lag bei 50 Er-           STIKO in den letzten Jahren die Pertus-
setzt, in einem Lebensabschnitt, in dem            krankungen/100.000 Kinder unter einem           sisimpfempfehlungen immer wieder an-
sie ein besonders hohes Risiko für schwe-          Jahr. Am häufigsten erkrankten Säuglinge         gepasst [3]. Dazu gehört die Impfemp-
re, impfpräventable Krankheiten wie z. B.          in den ersten sechs Monaten (. Abb. 3).         fehlung für Erwachsene [15], vor allem
Pertussis haben.                                   Man muss jedoch von einer hohen Un-             auch bei beruflicher Indikation [16], seit
    Die Zahl der Kinder, die mit 15 Monaten        tererfassung ausgehen [11]. Auch bei Ju-        2004 die Cocoon-Strategie (Impfung der
drei Impfungen erhalten haben („DTP3“)             gendlichen ist die Inzidenz mit ca. 22 Er-      Haushaltsangehörigen eines Neugebore-
ist ein international genutztes, wichtiges         krankungen/100.000 Einwohner hoch [2].          nen vor oder nach der Geburt) und seit
Kriterium, um die Qualität eines Routine-              Zwischen 2014 und 2019 traten bei           2020 die Impfung Schwangerer im letzten
Impfsystems zu beurteilen. Die Zahl der            Säuglingen im Mittel 444 Erkrankungen/          Trimenon [17]. Damit sollen insbesondere
Kinder, die mit 15 Monaten eine DTP, je-           Jahr auf. 72,5 % dieser Kinder waren un-        Erkrankungsfälle in den ersten Lebensmo-
doch noch keine drei Impfungen erhalten            geimpft, von den geimpften hatten 44 %          naten reduziert werden, die auftreten kön-
haben, ist mit 6,5 % in Deutschland sehr           bis dato nur eine Dosis erhalten. Bei Kin-      nen, bevor ein belastbarer Immunschutz
hoch. Ziel der WHO ist eine Abbruchra-             dern unter drei Monaten traten im Mittel        des Kindes aufgebaut ist.
te von weniger als 5 % in der WHO-Euro-            109 Erkrankungen/Jahr auf. Bei Säuglin-             Fazit: Die Pertussisimpfungen bei Säug-
Region [8].                                        gen zwischen drei und elf Monaten gab           lingen erfolgen zu spät, ca. 40 % der sechs
                                                   es im Mittel 239 Erkrankungen/Jahr; von         Monate alten Kinder haben noch kei-
Pertussis                                          diesen Kindern hatten 58 % keine und 23 %       nen oder nur einen partiellen Impfschutz
Keuchhusten ist eine häufige Infektions-            nur eine Impfung [12]. Diese Zahlen be-         (. Tab. 2). Die Impfserien werden oft erst
krankheit, verursacht durch Bordetella             legen, wie entscheidend ein frühzeitiger        nach dem zweiten Geburtstag abgeschlos-
pertussis. Wegen eines zeitlich begrenzten         Abschluss der Impfserie ist.                    sen. Zum Schutz der jungen Säuglinge ist
Immunschutzes sowohl nach Impfung als                  Dies wird auch durch eine ESPED-Er-         in der Kinderarztpraxis die zeitgerechte
auch nach durchgemachter Erkrankung                hebung unterstrichen [13]: Es werden vie-       Durchführung der Impfungen mit 2, 4 und
tritt Keuchhusten in allen Altersgrup-             le stationäre Behandlungen und schwe-           11 Monaten notwendig, um eine Vielzahl
pen auf. Die Weiterverbreitung erfolgt             re Verläufe vor allem bei Säuglingen be-        von schweren Pertussiserkrankungen im
überwiegend durch Jugendliche und Er-              schrieben. Dies waren überwiegend nicht         1. Lebensjahr zu verhindern. Kinder- und
wachsene mit unzureichendem eigenen                altersgerecht geimpfte Kinder. Es wurde         Jugendärzte und Frauenärzte sind gefragt,
Schutz [9]. Schwere, auch tödliche Ver-            auch die Effektivität der Impfstoffe ge-          wenn es um die Impfung von Schwan-
läufe und Komplikationen treten meist              schätzt: Die Effektivität von abgeschlosse-      geren und die Umsetzung der Cocoon-
bei Säuglingen auf: darunter sind Kin-             nen Impfungen betrug 96,6 %; eine parti-        Strategie um und nach der Geburt geht.
der mit Apnoen und Bradykardien, einer             elle Impfung mit zwei Dosen zeigte schon
leukämoiden Lymphozytose [10] oder                 einen Schutzeffekt mit einer Effektivität         Rotavirus
dystelektatischen Pneumonien. Mehr als             von 78,3 %. Eine aktuelle Studie aus der        Die Impfung wird seit 2013 von der STIKO
die Hälfte der in den ersten fünf Le-              Schweiz kommt zu ähnlichen Ergebnis-            empfohlen. Die KV-Daten zeigen eine
bensmonaten erkrankten Kinder werden               sen: Die Effektivität des Pertussisimpfstof-     nur zögerliche Umsetzung dieser Empfeh-
stationär behandelt ([2]; . Abb. 2).               fes wird auf 42,1 % nach der ersten, 83,9 %     lung. Die Impfquoten steigen nur langsam,
    Seit 2013 besteht eine bundesweite             nach der zweiten, 98,2 % nach der dritten       78,5 % des Jahrgangs 2015 erhielten ei-
Meldepflicht. Die jährliche Inzidenz über                                                           ne Rotavirusimpfung bis zum Alter von

                                                                                                      Monatsschrift Kinderheilkunde 3 · 2022   263
Zeitgerechtes Impfen bei Kindern und Jugendlichen
Konsensuspapiere
                                                                                                                                                      in den Impfquoten sind dabei gerade bei
                            Verteilung 3. Impfstoffdosis (2+1)                    Verteilung 4. Impfstoffdosis (3+1)                                    der MMR-Impfung auf der einen Seite sehr
                            kumulave Impfquote 1. Dosis                         kumulave Impfquote 2. Dosis                                         deutlich, auf der anderen Seite (auch bei
                            kumulave Impfquote 3. Dosis (3+1)                   kumulave Impfquote 4. Dosis (3+1)                                   Berücksichtigung der abweichenden Impf-
                                                                                                                                                      empfehlung in Sachsen) rational nicht be-
                     20                                                                                              100                              gründbar.
                     18                                                                                              90                                   Die STIKO empfiehlt zurzeit die erste
                     16                                                                                              80
                                                                                                                                                      Masern-Impfung (ebenso wie Mumps, Rö-
                                                                                                                                                      teln und Varizellen) für Kinder im Alter von

                                                                                                                           kumulave Impfquote in %
                     14                                                                                              70
                                                                                                                                                      11 Monaten, die 2. Impfung mit einem Ab-
   Verteilung in %

                     12                                                                                              60                               stand von ≥4 Wochen, spätestens jedoch
                     10                                                                                              50                               mit 15 Monaten [1].
                                                                                                                                                          Im Alter von 15 Monaten haben 83,5 %
                      8                                                                                              40
                                                                                                                                                      der Kinder im Bundesgebiet (Spannweite
                      6                                                                                              30
                                                                                                                                                      auf Kreisebene: 59,1–94,6 %) eine 1. MMR-
                      4                                                                                              20                               Impfung erhalten [7]. Damit wird das Ziel
                      2                                                                                              10                               des Nationalen Masernaktionsplans [19]
                                                                                                                                                      verfehlt, im Alter von 15 Monaten eine
                      0                                                                                              0
                          0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24                                                            Impfquote von 95 % für die 1. Masern-
                                           Impfalter in Monaten                                                                                       impfung zu erreichen.
                                                    Daten aus der RKI-Impfsurveillance                                                                    Im Alter von 24 Monaten haben nur
                                                                                                                                                      69,9 % der Kinder (Geburtsjahrgang 2016)
Abb. 1 8 Kumulative Impfquote für die Hib-Impfung in den ersten 24 Lebensmonaten für die 1., 2., 3.                                                   eine 2. MMR-Impfung erhalten (Spanne auf
und abschließende 4. Impfstoffdosis des 3 + 1-Impfschemas und der 3. abschließenden Impfstoffdo-                                                        Kreisebene: 42,0–87,1 %). Die Impfquoten
sis des 2 + 1-Impfschemas sowie Verteilung der Impfzeitpunkte der abschließenden Impfstoffdosen,                                                       steigen in den folgenden Jahren weiter
Geburtsjahrgang 2016. (Daten der RKI-Impfsurveillance, zur Verfügung gestellt von Thorsten Rieck,                                                     an. Zum Zeitpunkt der Einschulung haben
RKI, 2020)
                                                                                                                                                      91,1 % der Kinder eine 2. Impfung erhal-
                                                                                                                                                      ten. Bis zum Alter von 72 Monaten haben
32 Lebenswochen, 68,5 % sind vollständig                                665 vollständig und zeitgerecht geimpften                                     95,2 % der Kinder eine Impfung und 88,7 %
geimpft (KV-Surveillance, [18]). Es gibt                                Kindern ging man von Impfdurchbrüchen                                         2 Impfungen; 4,8 % haben gar keine Ma-
erhebliche regionale Unterschiede. Bei                                  aus, von diesen wurden 247 (37 %) statio-                                     sernimpfung erhalten (. Abb. 4).
vielen Kindern sind die Impfserien nicht                                när behandelt.                                                                    In allen Alterskohorten gibt es erhebli-
vollständig.                                                               Fazit: Nach wie vor müssen viele Kin-                                      che regionale Unterschiede bezüglich der
    Von den geimpften Kindern erhalten                                  der stationär wegen Rotavirus-Infektionen                                     Teilnahme und des Zeitpunktes der MMR-
91,2 % die erste Impfung zeitgerecht, d. h.                             behandelt werden, ein großer Teil dieser                                      Impfungen.
bis zum Alter von 12 Wochen; ca. 9 % der                                Krankenhausaufenthalte hätte durch eine                                           Hochgerechnet auf die Altersgruppe
Dosen werden später verabreicht. Damit                                  rechtzeitige Rotavirus-Impfung verhindert                                     (Jahrgang 2012) haben ca. 83.000 Kinder
erhöht sich für diese Kinder das Risiko für                             werden können. Nicht wenige Kinder er-                                        mit 72 Monaten noch keinen ausreichen-
Invaginationen.                                                         halten die 1. Impfung entgegen der Emp-                                       den Masernschutz, darunter sind mindes-
    Die Folgen dieser zögerlichen Umset-                                fehlung nach der 12. Lebenswoche, wo-                                         tens 35.000 Kinder ohne Impfung [7]. Ziel
zung sind deutlich: 2019 wurden bundes-                                 durch das Risiko für eine Invagination als                                    des Masernaktionsplanes ist, dass 95 % der
weit 36.974 Fälle mit Rotavirus-Gastroen-                               Impfkomplikation bzw. koinzidierendes Er-                                     Kinder beiEinschulungzweimal gegen Ma-
teritis gemeldet [2]. Die Zahl der Erkran-                              eignis steigt.                                                                sern geimpft sind, auch das wird verfehlt.
kungen hat seit 2008 abgenommen, dieser                                                                                                                   In den letzten 10 Jahren kam es immer
Trend hatte sich im Jahr 2018 nicht fortge-                             Masern                                                                        wieder zu zeitlich begrenzten, regionalen
setzt, die Erkrankungszahlen stiegen 2019                               Auch bei der MMR-Impfung besteht erheb-                                       bis bundesweiten Masernausbrüchen mit
wieder an. 29 % der Erkrankungen traten                                 licher Handlungsbedarf. Dass seit mehre-                                      teilweise sehr hohen Fallzahlen. Dabei wa-
bei Kindern
100%

                                                                90%
   Relativer Anteil an Hospitalisierungen (%)

                                                                80%

                                                                70%

                                                                60%
                    (n=3.138)

                                                                50%

                                                                40%

                                                                30%

                                                                20%

                                                                10%

                                                                0%
                                                                       0             6           12                18              24                                      30             36               42
                                                                                                   Lebensalter (Monate) zu Beginn der Pertussiserkrankung

Abb. 2 8 Anteil der hospitalisierten Kinder mit Pertussis in % an allen erkrankten Kindern. Blau: Hospitalisierung wegen Per-
tussis, dunkel: anderer Aufnahmegrund. n = 3138 Kinder, Meldezeitraum 2014–2018. (IfSG-Meldedaten vom Robert Koch-
Institut, Bild aus Heininger [3])

   300                                                                                                                                  100,0
                                                                                                                                                                                HPV (humane Papillomaviren)
                                                                                                                                                                                Die HPV-Impfung wird seit 2007 für Mäd-
                                                                                                                                        90,0
                                                                                                                                                                                chen empfohlen, seit 2014 für das Alter
   250
                                                                                                                                        80,0
                                  Fallzahl Pertussiserkrankte

                                                                                                                                                                                von 9 bis 14 Jahren mit der Möglichkeit
                                                                                                                                               kumulative Impfquote in %

                                                                                                                                        70,0                                    der Nachholimpfung bis zum 18. Geburts-
   200
                                                                                                                                        60,0
                                                                                                                                                                                tag. Seit 2018 wird die Impfung auch für
                                                                                                                                                                                Jungen im gleichen Alter empfohlen.
   150                                                                                                                                  50,0
                                                                                                                                                                                    HP-Virensind weitverbreitet. Meist bald
                                                                                                                                        40,0                                    nach Aufnahme der sexuellen Aktivität
   100                                                                                                                                                                          kommt es zu einer Infizierung. Dabei kann
                                                                                                                                        30,0
                                                                                                                                        20,0
                                                                                                                                                                                es zeitgleich zu einer Infektion mit meh-
         50                                                                                                                                                                     reren HPV-Typen kommen. Meist sind es
                                                                                                                                        10,0
                                                                                                                                                                                transiente Infektionen. Einige Typen kön-
                  0                                                                                                                     0,0                                     nen in der Schleimhaut/Haut persistieren
                                                            0        1     2     3   4   5   6    7       8      9     10     11
                                                                Alter in Monaten              kumulative Fallzahlen Pertussis
                                                                                                                                                                                und zu malignen Tumoren (insbes. Hoch-
                                                                                              kumulative Impfquote 1. Dosis                                                     risikotypen HPV 16 und 18) oder zu Ge-
                                                                                              kumulative Impfquote 2. Dosis
                                                                                                                                                                                nitalwarzen (v. a. HPV 6 und 11) führen
                                                                                                                                                                                [20].
Abb. 3 8 Vergleich der Pertussisfallzahlen mit Impfraten im 1. Lebensjahr. Balken: kumulative Fall-                                                                                 Jährlich erkranken in Deutschland
zahl der Pertussiserkrankten von 0 bis 12 Monaten nach IfSG im Meldezeitraum 2014–2018, n =1546                                                                                 ca. 6250 Frauen und ca. 1600 Männer an
Kinder. (Meldedaten aus RKI nach [12]). Linien: kumulative Impfquoten gegen Hib im ersten Jahr, Jahr-
gang 2016, 3 + 1-Schema. gelbe Linie: kumulative Impfquote 3. Dosis (3+1 Schema). (Daten aus der
                                                                                                                                                                                HPV-bedingten Karzinomen im Bereich
KV Impfsurveillance, T. Rieck; . Tab. 2)                                                                                                                                        der Zervix, Vagina, Vulva, des Penis, am
                                                                                                                                                                                Anus und Oropharynx [21]. Es sterben
                                                                                                                                                                                etwa 1500 Frauen mit Zervixkarzinom
ten, welche keine maternalen Masernan-                                                            Impflücken von älteren Kindern, Jugendli-                                      in Deutschland pro Jahr. Die Zahl der
tikörper mehr aufweisen, nur durch Her-                                                           chen und Erwachsenen müssen dringend                                          Frauen mit Präkanzerosen an der Zer-
denschutz in ihrer Umgebung indirekt vor                                                          geschlossenwerden, einerseits zum Schutz                                      vix (zervikale intraepitheliale Neoplasie)
Masern geschützt werden können. Kinder                                                            dieser Personen selbst und andererseits,                                      ist um ein Vielfaches höher. Viele dieser
ab 11 Monaten müssen zeitgerecht und                                                              um einen Gemeinschaftsschutz für Kinder                                       meist jungen Frauen erhalten eine Koni-
vollständig geimpft werden, um Infektio-                                                          im ersten Lebensjahr u. a. aufzubauen.                                        sation, mit anschließend höherem Risiko
nen in dieser Altersgruppe zu verhindern.                                                                                                                                       für Frühgeburten.

                                                                                                                                                                                   Monatsschrift Kinderheilkunde 3 · 2022   265
Konsensuspapiere

                     100

                      90

                      80

                      70
    Impfquote in %

                      60
                                                                                                   1. Masernimpfung
                      50
                                                                                                   2. Masernimpfung
                      40

                      30

                      20

                      10

                       0
                           0    3     6     9    12   15       18   21   24   27   30    33   36     39    42   45    48     51   54   57   60   63   66   69   72

                                                                                        Alter in Monaten

Abb. 4 8 Impfquote mit mindestens einer und zwei Masernimpfungen; Alter 0 bis 72 Monate; Geburtsjahrgang 2012. Die
grauen Bereiche zeigen die empfohlenen Impfalter an. (Aus Rieck et al. [7]; mit freundlicher Erlaubnis von T. Rieck, A. Siedler,
RKI)

Abb. 5 8 Masernerkrankungen/100.000 Einwohner nach Alter in Jahren und Geschlecht von 2015–2019. (Robert Koch-Insti-
tut: SurvStat@RKI 2.0, https://survstat.rki.de, Abfragedatum: 29.08.2020)

    Eine HPV-Impfung schützt sehr effek-                             eine signifikante Reduktion der Inzidenz                nes Risiko für ein invasives Zervixkarzinom
tiv vor der Erstinfektion mit den im Impf-                          von CIN2 bis zu invasiven Zervixkarzino-               bei geimpften Frauen [24].
stoff enthaltenen HPV-Typen. Populations-                            men nach Implementierung der Impfung                      Die Effektivität der Impfung ist am
bezogene Studien zeigen eine Reduktion                              und Impfraten von 50 % oder mehr (Über-                höchsten vor einer ersten möglichen
der Prävalenz von genitalen Infektionen                             sicht in [22, 23]). Neue Langzeitdaten aus             HPV-Infektion. Untersuchungen zur Dauer
mit den Hochrisikotypen, eine signifikan-                            Schweden belegen ein erheblich gesunke-                des Impfschutzes zeigen einen über viele
te Reduktion der anogenitalen Warzen und                                                                                   Jahre bestehenden Schutz nach Impfung.

266                   Monatsschrift Kinderheilkunde 3 · 2022
Abb. 6 8 HPV-Impfquote in Prozent bei Mädchen nach Alter. Dargestellt sind die Anteile mit begonnener und abgeschlos-
sener HPV-Impfserie. Stand: Dezember 2014 vs. 2018. (Bild aus Rieck et al. [7], mit freundlicher Genehmigung von T. Rieck,
A. Siedler, RKI)

Jugendliche zwischen 10 und 14 Jahren                suchungen besser erreichbar. Alles in allem          ganisieren. Eine wesentliche Rolle für die
haben darüber hinaus höhere Antikörper-              ist die Inanspruchnahme der HPV-Impfung              Änderung bei Impfquoten bei zugewan-
antworten auf die HPV-Impfung als ältere             aber weiterhin gering. Die Abbruchrate ist           derten Kindern spielt unmittelbar die Zu-
Jugendliche. Das waren Argumente, um                 hoch. Es gibt erhebliche regionale Unter-            wanderungsdynamik. So sinken die Impf-
2014 den empfohlenen frühesten Impf-                 schiede. Jüngere Kinder erhalten noch re-            quoten im Zusammenhang mit erhöhter
zeitpunkt auf das Alter 9 Jahre vorzuziehen          lativ selten eine Impfung in einem Alter,            Zuwanderung bei Einschulung von nicht
[25].                                                in dem die Effektivität der Impfung am                in Deutschland geborenen Kindern seit
    Angesichts der hohen präventiven                 höchsten ist. Verlässliche Impfquoten bei            2012 kontinuierlich [27, 28]. Mangelnde
Wirksamkeit der Impfstoffe und der seit               männlichen Jugendlichen in Deutschland               Kenntnisse der deutschen Sprache gehen
weit über 10 Jahren bestehenden Impf-                sind noch nicht bekannt.                             häufig mit einer verzögerten Impfteilnah-
empfehlung sind die Impfquoten nach                                                                       me einher [27]. Damit werden die Barrie-
wie vor zu niedrig. Daten aus der KV-                Gründe für zu spät erfolgende                        ren hoch, einen Termin zur Impfung oder
Impfsurveillance ergeben für 2018 eine               Impfungen                                            einen Folgetermin zu vereinbaren. Ein wei-
bundesweite Impfquote für eine voll-                                                                      terer wichtiger Grund einer Verzögerung
ständige HPV-Impfquote bei 15-jährigen               Gründe für eine verzögerte Impfteilnah-              des Impfstartes bei jungen Säuglingen ist
Mädchen von 43 %, mit einer großen                   me sind vielfältig (. Tab. 3). Sie können            eine fehlende Krankenversicherung. Dann
Spannweite (Kreisebene: 15,7–76,9 %) [7].            in den Lebensverhältnissen der Familien              sind zwar manchmal subsidiär Impfungen
Mädchen unter 18 Jahren waren 2018 nur               oder in persönlichen Vorbehalten und Sor-            im ÖGD möglich, aber das führt unwei-
zu 51,1 % vollständig geimpft. Von den 18-           gen der Eltern liegen. Am wichtigsten sind           gerlich zur weiteren Verschiebung.
jährigen Frauen, die schon einmal geimpft            die Einstellungen des impfenden Arztes.
wurden, hatten 19 % die Impfserie nicht                                                                   Persönliche Gründe
abgeschlossen. Es zeigt sich seit 2014               Soziale und familienbezogene
ein deutlicher Anstieg der Impfraten bei             Gründe                                               Die meisten impfpräventablen Erkrankun-
jüngeren Jugendlichen und Kindern ([7];                                                                   gen sind weniger häufig als früher, somit
. Abb. 6). Auch die Zahl der vollständigen           Umzüge der Familien im frühen Kindesal-              oftmals nicht mehr sichtbar, und damit
Impfserien ist angestiegen.                          ter, häufige Wechsel der betreuenden kin-             sind deren Risiken nicht im Alltag präsent.
    Fazit: Wahrscheinlich wirken sich das            der- und jugendärztlichen Praxis, Migrati-           Manche Eltern sorgen sich daher weniger
2014 gesenkte Impfalter und das im Alter             on oder Flucht sind einige Gründe für ei-            um die zu vermeidenden Krankheiten, son-
von 9 bis 14 Jahren auf 2 Impfdosen (ab Al-          ne verzögerte Inanspruchnahme von Imp-               dern darum, ihr Kind schon in einem so
ter 15 Jahre: 3 Dosen) reduzierte Impfsche-          fungen [26]. Familien mit vielen Kindern             jungen Alter impfen zu lassen, oder sie
ma positiv auf die Impfraten aus. Auch sind          oder hohen familiären Belastungen haben              haben Bedenken wegen banaler Infektio-
die jüngeren Kinder über Vorsorgeunter-              eher Schwierigkeiten, ihre Termine zu or-            nen oder Unpässlichkeiten und verschie-

                                                                                                             Monatsschrift Kinderheilkunde 3 · 2022   267
Konsensuspapiere
 Tab. 3 Einflussfaktoren auf eine zeitgerechte Impfteilnahme                                    Der Anteil zeitgerecht geimpfter Kinder
 Soziale und familien-    Persönliche Faktoren             Arztbezogene Faktoren               sollte als wichtiger Qualitätsindikator in
 bezogene Faktoren                                                                             jeder Kinder- und Jugendarztpraxis ein-
 Umzüge                   Erste Impfung als Hürde          Einstellung des impfenden Arztes    geführt werden.
 Geburt außerhalb         Bedenken wegen Alter             Organisation des Praxisablaufes        Das Impfen sollte in allen Altersgrup-
 Deutschlands                                                                                  pen einfach sein; mögliche Barrieren müs-
 Sprachkenntnisse         Risikowahrnehmung                Schulung der Mitarbeiter            sen identifiziert und abgebaut werden. So
 Geschwisterzahl          Vertrauen in Impfung (Effekti-    Wissen um und Vermeidung von        kann man z. B. für Schulkinder und Ju-
                          vität und Sicherheit)            falschen Kontraindikationen         gendliche Impfungen ohne vorherige Ter-
 Fehlende Versicherung    Aufwand für eine Impfung                                             minvereinbarung anbieten. Erinnerungs-
 Einfluss von Peergruppe                                                                        systeme sind sinnvoll (Recall, z. B. über die
 und Familie                                                                                   kostenlose Praxis-App „Mein Kinder- und
 Social Media                                                                                  Jugendarzt“ des BVKJ). Die Praxis-EDV soll-
                                                                                               te zur Bestimmung der praxisspezifischen
                                                                                               Impfraten und Impfzeitpunkte in der Lage
ben Impftermine [29–31]. Dabei spielt der       anstehende Impfungen nicht aktiv ange-         sein. Das ist auch eine wichtige Anwen-
Einfluss der Peergruppe und der Familie          sprochen, oder es wird vergessen, an diese     dungsoption für die künftige elektronische
eine große Rolle [32, 33]. Eine fundier-        zu erinnern [37]. Impfungen werden nicht       Patientenakte, verbunden mit dem elek-
te Aufklärung der Eltern über Zweck von         zeitgerecht angeboten, bei Bedenken der        tronischen Impfausweis.
Impfungen im frühen Alter des Kindes ist        Eltern werden Kinder rasch als nichtimpf-         Alle Mitarbeiter der Praxis sollen die
daher sehr wichtig. Gerade die erste Imp-       fähig eingestuft (falsche Kontraindikatio-     Impfzeitpunkte kennen, die Impfausweise
fung wird von Eltern als eine besorgniser-      nen), Empfehlungen werden nicht beach-         kontrollieren und selbstständig Eltern auf
regende Hürde angesehen [34]. Wie diese         tet, Impfstoffe werden „off label“ ohne Zu-      fehlende oder ausstehende Impfungen an-
Impfung abläuft, wie die Eltern sich mit        lassung eingesetzt. Manche Ärzte lehnen        sprechen. Dazu ist ein Wissen über falsche
ihren Sorgen verstanden fühlen, und wie         einzelne bis hin zu allen Impfungen ab.        Kontraindikationen wichtig, etwa Schnup-
sie die erste Impfung erleben, bestimmt         Impfquoten und die Zeitpunkte für die          fen und Husten, s. dazu die Ausführungen
auf lange Zeit ihre weiteren Einstellungen      Impfungen sind oft kleinräumig sehr un-        der STIKO [1] und der DAKJ-Kommission
zu Impfungen.                                   terschiedlich. Das hängt weniger mit den       für Infektionskrankheiten und Impffragen
   Kommunikation und Ablauf der ersten          Einstellungen der Eltern als vielmehr mit      [31]. Jeder Arztbesuch sollte zur Vervoll-
Impfunghabenauf denmöglichstvollstän-           denen der impfenden Ärzte zusammen.            ständigung des Impfschutzes genutzt wer-
digen Impfschutz von Kindern in Deutsch-        Deren Einstellungen sind eng mit den re-       den: Wird ein Kind beispielsweise mit ei-
land einen wesentlich höheren Effekt als         gionalen Impfquoten assoziiert [38].           nem banalen Infekt oder für Reise-, Sport-
die Impflücken, die von wenigen Familien                                                        oder andere Bescheinigungen in der Praxis
ausgehen, die einzelne oder alle Impfun-        Ansatzpunkte, um zeitgerechte                  vorgestellt, kann man bei der Gelegenheit
gen ablehnen.                                   Inanspruchnahme von Impfungen                  prüfen, ob Impfungen anstehen und diese
                                                zu unterstützen                                möglichst sofort anbieten. Erkannte Impf-
Arztbezogene Faktoren                                                                          lücken können damit geschlossen werden.
                                                Es gibt eine Reihe von Ansatzpunkten,          Alle Vorsorgeuntersuchungen sollen zur
Die Primärversorger haben die Schlüssel-        um Kinder, insbesondere Säuglinge, zeit-       Überprüfung des Impfstatus, zur Impfbe-
rolle für eine zeitgerechte Teilnahme an        gerecht zu impfen [39].                        ratung und zum Ergänzen von Impfungen
Impfungen [35]. Die Einstellung des imp-            2020 hat die STIKO mit dem neuen           genutzt werden.
fenden Arztes, die Organisation des ge-         2 + 1-Schema die Impfzeitpunkte eindeu-           Die Primärversorger sind die wichtigs-
samten Praxisablaufes und ein funktionie-       tig definiert; die Impfungen sollen mit 2,      ten Ansprechpartner und Berater für Fa-
rendes Impfmanagement, in das auch die          4 und 11 Monaten erfolgen. Das gleiche         milien in allen gesundheitlichen Dingen,
Praxismitarbeiter eingebunden sind, sind        gilt für die MMRV-Impfungen, die im Alter      insbesondere zu Fragen um alle Impfun-
entscheidend. Der Umgang mit falschen           von 11 und 15 Monaten erfolgen sollen.         gen. Beim Gespräch mit den Eltern ist eine
Kontraindikationen ist wichtig [31].                Die Abläufe in der Praxis sollen so ge-    vertrauensvolle Atmosphäre wichtig [34,
    Meist werden eingespielte Praxisrouti-      plant werden, dass routinemäßig Eltern         40]. Es dient der Aufklärung zu den Risi-
nen und Arbeitsabläufe die Impfzeitpunk-        die frühestmöglichen Impftermine erhal-        ken durch impfpräventable Erkrankungen,
te bestimmen. Vielfach erfolgen Vorsor-         ten und zeitgerechtes Impfen Standard ist.     den Zielen von zeitgerechten Impfungen,
geuntersuchungen ohne das gleichzeitige         So kann etwa gleich bei der U3 (mit 4 Wo-      der Auflösung von Mythen und unterstützt
Schließen von Impflücken. Auch andere            chen) ein Impftermin für die 9. Lebens-        die Entscheidungsfindung der Eltern. Kin-
Möglichkeiten zur Vervollständigung des         woche vereinbart werden, oder der Ter-         der mit banalen Infektionen, subfebrilen
Impfschutzes werden nicht ausreichend           min für die U6 wird immer mit 11 Mona-         Temperaturen (
Tab. 4 Koordinierung von Impfterminen und Vorsorgeuntersuchungen – Ein Praxisbeispiel             befriedigenden Niveau. Bei allen Impfun-
 Alter              Vorsorge      Impfung                                                          gen sieht man jedoch, dass die empfohle-
 Neugeborenes       U1, U2        Indikationsimpfung:     Haushaltsmitglieder: Impfstatus          nen Alterszeitpunkte bei einer großen Zahl
                                  Hepatitis B             prüfen und gegebenenfalls                von Kindern nicht eingehalten werden, die
                                                          ergänzen: MMR, Pertussis                 Impfungenverzögerterfolgenund Impfse-
 4 Wo               U3            –                       Haushaltsmitglieder impfen, falls        rien oft nicht im empfohlenen Zeitrahmen
                                                          noch nicht geschehen
                                                                                                   abgeschlossen werden. Einige Kinder er-
                                                          Impftermin vereinbaren
                                                                                                   halten manche Impfungen gar nicht. Das
 2 Monate           (U4)          1. DTPa-HepB-Hib-IPV, Haushaltsmitglieder impfen, falls
                                  Pneumokokken- und       noch nicht geschehen                     hat vielschichtige Konsequenzen.
                                  Rotavirus-Impfungen                                              – Durch eine verspätet einsetzende
 3 Monate           U4            2. Rotavirus-Impfung    –                                           Grundimmunisierung sind junge
 4 Monate           –             2. DTPa-HepB-Hib-IPV- –                                             Kinder einer erhöhten Infektionsgefahr
                                  und Pneumokokken-                                                   ausgesetzt. Das ist kein theoretisches
                                  Impfung (Rota)                                                      Risiko, wie die hohen Fallzahlen von
 11 Monate          U6            3. DTPa-HepB-Hib-IPV- Mindestabstand beachtena                      Pertussis und Masern insbesondere bei
                                  und Pneumokokken                                                    jungen Kindern demonstrieren.
 11 Monate          –             1. MMR/Varizellen       –                                        – Unvollständige Impfserien führen zu
 (14)–15 Monate         –              2. MMRV; MenC            Mindestabstand beachtenb              einem unzureichenden Schutz und
 5 Jahre                U9             TdaP                     –                                     können oft nicht oder nur mit gerin-
 5 bis 6 Jahre Schul- Schulein-        –                        Überprüfung und Beratung des          gerer Effektivität nachgeholt werden,
 eingangsunter-         gangsun-                                Impfstatus des Einschulkindes         so etwa bei Rotaviren, Pneumokokken
 suchung, ÖGD           tersuchung                              und der Eltern, ggf. Impfangebot      und HPV. Auch hier sind die Folgen ein
 9 Jahre                U 11           HPV                      2-mal; Abstand 6 Monate               ungenügender Impfschutz und eine
 12 Jahre               J1             TdaP-IPV                 Fehlende Impfungen ergänzen           hohe Krankheitslast auf Bevölkerungs-
 17 Jahre               J2             –                        Fehlende Impfungen ergänzen           ebene.
 Bei allen Vorsorgeuntersuchungen U4–J2 sollen Impfausweise überprüft und fehlende Impfungen       – Das Potenzial einer HPV-Impfung wird
 nachgeholt werden!                                                                                   nicht ausgeschöpft, wenn die Impfung
 a
  Zwischen der 2. und 3. DTPa-HepB-Hib-IPV- und Pneumokokken-Impfung sollten mindestens 6 Mo-         zu spät gegeben wird, in einem Alter,
 nate liegen
 b                                                                                                    in dem bei einigen Jugendlichen schon
   Die zweite MMR-V kann frühestens 4 Wochen nach der ersten gegeben werden
                                                                                                      Infektionen aufgetreten sind.
                                                                                                   – Internationale Anstrengungen zur
dass unter diesen Umständen kein zusätz-          nahme, sehr effektiv) oder Impfprojekte in           Elimination oder Eradikation von
licher Schaden entstehen kann, keine ver-         Schulen organisieren (aufwendig).                   Erregern (Masern, Polio) werden durch
stärkten Nebenwirkungen zu befürchten                Einige regionale Maßnahmen können                niedrige Impfquoten unterlaufen.
sind und auch die Wirksamkeit der Imp-            ebenfalls die Impfteilnahme beeinflussen:            Diese haben, da meist internationale
fung nicht beeinträchtigt ist [40].               Im ÖGD sind aufgrund der Daten aus den              und nationale Zielvereinbarungen
    Ein guter Zeitpunkt für die Komplet-          Einschulungsuntersuchungen die Impfra-              bestehen, damit auch internationale
tierung von Impfserien ist die Aufnahme           ten kleinräumig bekannt. In gemeinsamen             Konsequenzen.
des Kindes in eine Kindertageseinrichtung.        Treffen mit ÖGD und Praxen können diese
Gemäß IfSG § 34 (10a) müssen Eltern bei           vorgestellt und diskutiert werden.               Impfquoten und die Impfzeitpunkte sind
Aufnahme des Kindes die Bescheinigung                Sinnvoll sind auch regionale Fortbil-         oft lokal sehr unterschiedlich. Hier sind ei-
einer altersgerechten Impfberatung vor-           dung und Treffen mit den Hebammen und             ne regionale Analyse und Diskussion not-
legen. Somit sind ein Arztgespräch und            den Fachkräften der Frühen Hilfen. Projek-       wendig. Dies hängt weniger mit den Ein-
damit die Möglichkeit eines Impftermins           te mit Impfinformationen für werdende             stellungen der Eltern als vielmehr mit de-
auch „außer der Reihe“ in dem Alter si-           Eltern in Geburtskliniken oder vor der Ge-       nen der impfenden Ärzte zusammen. De-
chergestellt, in dem die Exposition zu In-        burt in der Schwangerschaftsvorbereitung         ren Einstellungen sind eng mit den lokalen
fektionserregern durch Aufnahme in die            können hilfreich sein [42].                      Impfquoten assoziiert [38].
Gemeinschaftsbetreuung erheblich steigt.                                                              Niedrige Impfquoten oder verspätete
    Bei Jugendlichen führt die Teilnahme          Stellungnahme der Kommission                     Impfungen in kleinen Regionen führen lo-
an der J1 zu einer eindeutigen Erhöhung                                                            kal zu einem reduzierten Gemeinschafts-
der Teilnahme an der HPV-Impfung [41].            In dieser Stellungnahme werden verfüg-           schutz und können Ausgangspunkte für
Aber auch andere Maßnahmen sind er-               bare Daten zu Impfzeitpunkten bei Stan-          größere Ausbrüche, etwa mit Masern oder
forderlich: Der Zugang zu den Impfungen           dardimpfungen von Kindern und Jugend-            Pertussis, sein.
muss sehr einfach und unkompliziert sein,         lichen dargelegt. Bei den meisten die-              Die zeitgerechte Umsetzung von Impf-
z. B. kann man Impfungen ohne Vortermin           ser Impfungen sind die Impfquoten zwar           empfehlungen schützt den Einzelnen und
für Schulkinder anbieten (einfache Maß-           zum Zeitpunkt der Einschulung auf einem          sorgt für eine bestmögliche Vermeidung

                                                                                                      Monatsschrift Kinderheilkunde 3 · 2022   269
Konsensuspapiere
impfpräventabler Erkrankungen in der Be-                                                                      9. Liese J (2005) Pertussis bei Jugendlichen und
                                                     Korrespondenzadresse                                        Erwachsenen: AktuellerStandderImpfprävention.
völkerung. Diesen Konsens in der Ärzte-                                                                          Monatsschr Kinderheilkd 153(9):845–853. https://
schaft dauerhaft und auch regional sicher-         Prof. Dr. med. Hans-Iko Huppertz                              doi.org/10.1007/s00112-005-1218-y
                                                   Deutsche Akademie für Kinder- und                         10. Kunze A, Laping N, von Knoop A, Knuf M
zustellen, ist eine notwendige Aufgabe der
                                                   Jugendmedizin e. V.                                           (2019) Pertussis mit Hyperleukozytose bei jungen
ärztlichen Selbstverwaltung.                       Chausseestr. 128/129, 10115 Berlin,                           Säuglingen: Gefahr einer lebensbedrohlichen
    Die übliche Impfroutine in den Praxen          Deutschland                                                   Infektionskrankheit. Monatsschr Kinderheilkd.
muss überdachtwerdenund dringend bes-              kontakt@dakj.de                                               https://doi.org/10.1007/s00112-019-0696-2
                                                                                                             11. Schielke A, Takla A, von Kries R, Wichmann O,
ser an die Empfehlungen angepasst wer-                                                                           Hellenbrand W (2018) Marked underrepor-
den. Die Barrieren für die Teilnahme an                                                                          ting of pertussis requiring hospitalization in
einer Impfung sollten niedrig sein, Impf-                                                                        infants as estimated by capture-recapture me-
                                                   Mitglieder der Kommission für Infektionskrank-                thodology, Germany, 2013–2015. Pediatr Infect
termine auch unabhängig von anderen                heiten und Impffragen der Deutschen Akade-                     Dis J 37(2):119–125. https://doi.org/10.1097/INF.
Terminen angeboten werden.                         mie für Kinder- und Jugendmedizin. Prof. Dr.                  0000000000001698
                                                   U. Heininger (Basel; Sprecher der Kommission);            12. AG 6-fach-Impfung (DTaP-IPV-Hib-HepB) der
    Alle am Impfprozess Beteiligten, etwa          Dr. H. Grundhewer (Berlin; federführend); Prof. Dr.           Ständigen Impfkommission (STIKO) (2020) Wis-
Praxismitarbeiter/-innen und Arzt/Ärztin           M. Knuf (Worms); Dr. A. Iseke (Münster); Prof. Dr.            senschaftlicheBegründungfürdieEmpfehlungzur
sollen mögliche Impfhindernisse, wie etwa          C. Korenke (Oldenburg); Prof. Dr. A. Müller (Bonn); Dr.       Grundimmunisierung gegen Diphtherie, Tetanus,
                                                   U. von Both (München).                                        Pertussis, Poliomyelitis, Haemophilus influenzae
falsche Kontraindikationen, kennen und
                                                                                                                 Typ b und Hepatitis B mit dem 6-fach-Impfstoff
entsprechend fundiert adressieren kön-                                                                           im Säuglingsalter nach dem 2+1-Impfschema.
nen.                                               Einhaltung ethischer Richtlinien                              Epidemiol Bull. https://doi.org/10.25646/6955
    Das Gespräch mit den Eltern soll in einer                                                                13. Wirsing von König CH (2016) Pertussis-
                                                   Interessenkonflikt. H.-I. Huppertz gibt an, dass kein          Komplikationen bei Kindern und Jugend-
vertrauensvollen Atmosphäre stattfinden,            Interessenkonflikt besteht.                                    lichen (1.1.1997–31.12.2000). http://www.
den Sinn frühzeitiger Impfungen erläutern                                                                        esped.uni-duesseldorf.de/esped/resources/
und über Mythen aufklären.                         Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine               files/Pertussis1997-2000%20WvKoenig.pdf.
                                                   Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt.                 Zugegriffen: 15.9.2019
    Jugendliche müssen direkt angespro-            Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort      14. Mack I, Erlanger TE, Lang P, Sinniger P, Perisa D,
chen werden. Für sie sind besondere                angegebenen ethischen Richtlinien.                            Heininger U (2020) Dose-dependent effective-
Maßnahmen erforderlich, um die Rate                                                                              ness of acellular pertussis vaccine in infants:
                                                                                                                 a population-based case-control study. Vacci-
an HPV-Impfungen sowie das Bewusst-                                                                              ne 38(6):1444–1449. https://doi.org/10.1016/j.
sein für einen vollständigen Impfschutz            Literatur                                                     vaccine.2019.11.069
(Nachhol- und regelmäßige Auffrischimp-                                                                       15. STIKO (2009) Zusätzliche Pertussis-Impfung im
                                                    1. Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert               Erwachsenenalter als Tdap-Kombinationsimp-
fungen) zu steigern, wie z. B. das Angebot                                                                       fung bei der nächsten fälligen Td-Impfung –
                                                       Koch-Institut (2020) Empfehlungen der Ständigen
von Vorsorgeuntersuchungen (U 11, J1)                  Impfkommission beim Robert Koch-Institut –                Empfehlung und Begründung. Epidemiol Bull
und ein unkomplizierter Zugang zu den                  2020/2021. Epidemiol Bull. https://doi.org/10.            31:299–311
                                                       25646/7083                                            16. STIKO (2009) Erweiterung der beruflichen Indika-
Impfungen.                                                                                                       tionen für eine Pertussis-Impfung. Epidemiol Bull
                                                    2. Robert Koch-Institut (2020) Infektionsepidemio-
    Eine regionale Kooperation mit dem                 logisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten            31:311–313
ÖGD zur Diskussion der aktuellen regiona-              für 2019 Datenstand: 1. März 2020. Berlin             17. AG Pertussis der Ständigen Impfkommission
                                                    3. Heininger U (2020) Pertussis (Keuchhusten).               (STIKO) (2020) Wissenschaftliche Begründung für
len Impfquoten kann ein wirksames Mittel                                                                         die Empfehlung der Pertussisimpfung mit einem
                                                       Monatsschr Kinderheilkd 168(8):747–759. https://
sein, die zeitgerechte Teilnahme zu verbes-            doi.org/10.1007/s00112-020-00941-9                        Tdap-Kombinationsimpfstoff in der Schwanger-
sern.                                               4. Matysiak-Klose D (2013) Hot Spot: Epidemiologie           schaft. Epidemiol Bull 14:3–34. https://doi.org/10.
                                                       der Masern und Röteln in Deutschland und Europa.          25646/6584
    In den Praxen sollen praxisspezifische                                                                    18. Robert Koch-Institut (2020): VacMap. http://www.
                                                       Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung
Impfzeitpunkte und Impfraten als Quali-                Gesundheitsschutz 56(9):1231–1237. https://doi.           vacmap.de Zugriff: 1.5.2020
tätsindikatoren erfasst werden.                        org/10.1007/s00103-013-1799-x                         19. Bundesministerium für Gesundheit (2015) Na-
                                                    5. Robert Koch-Institut (2015) Berliner Masernaus-           tionaler Aktionsplan 2015–2020 zur Elimina-
                                                       bruch 2014/2015 – Stationär im Otto-Heub-                 tion der Masern und Röteln in Deutschland.
    Fazit für die Praxis                               ner-Centrum für Kinder- und Jugendmedizin                 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/
                                                       der Charité behandelte Patienten. Epidemiol               fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/
4    Viele der Impfungen bei Kindern und Ju-                                                                     Broschueren/Aktionsplan_Masern_Roeteln.pdf
                                                       Bull 47/48:499–506. https://doi.org/10.17886/
     gendlichen erfolgen zu spät und/oder              EPIBULL-2015-018                                          Zugegriffen: 20.3.2017
     werden nicht zeitgerecht abgeschlossen.        6. Siedler A, Rieck T (2020) Erhebung von Impfquoten     20. Robert Koch-Institut (2018) RKI-Ratgeber Humane
4    Dadurch sind Kinder und Jugendliche ei-           im Kindes- und Jugendalter in Deutschland – Die           Papillomviren. Epidemiol Bull 27:255–259. https://
     nem unnötig hohen Infektionsrisiko aus-           RKI Impfsurveillance und ihr neues Publikations-          doi.org/10.17886/EPIBULL-2018-033
     gesetzt.                                          format. Epid Bull 32/33:3–8. https://doi.org/10.      21. Robert Koch-Institut (Hrsg) und die Gesellschaft
                                                       25646/7020                                                der epidemiologischen Krebsregister in Deutsch-
4    Erkrankungshäufungen von Rotavirusin-
                                                    7. Rieck T, Feig M, Wichmann O, Siedler A (2020)             land e. V. (Hrsg) (2019) Krebs in Deutschland für
     fektionen, Pertussis, Masern, Varizellen                                                                    2015/2016 Bd. 12. Berlin. ISBN 978-3-89606-298-7
     u. a. sind auf fehlenden oder nichtzeitge-        Impfquoten von Kinderschutzimpfungen in
                                                       Deutschland – aktuelle Ergebnisse aus der RKI-        22. AWMF (2020) Impfprävention HPV-assoziierter
     rechten Impfschutz zurückzuführen.                                                                          Neoplasien S3 Leitlinie – Langfassung – Register
                                                       Impfsurveillance. Epid Bull 32/33:9–27. https://
4    Die jeweilige Praxisroutine sollte dahin-         doi.org/10.25646/7027                                     Nr.: 082-002. https://www.awmf.org/leitlinien/
     gehend überprüft werden, ob sie zeit-          8. WHO Europe (2014): European Vaccine Action                detail/ll/082-002.html. Zugegriffen: 20. 8. 2020
     gerechte Impfungen insbesondere bei               Plan 2015–2020, https://www.euro.who.int/             23. Osmani V, Klug SJ (2021) HPV-Impfung zur Prä-
     Säuglingen, um den ersten Geburtstag              en/health-topics/disease-prevention/vaccines-             vention von Genitalwarzen und Krebsvorstufen –
     und bei Jugendlichen priorisiert.                 and-immunization/publications/2014/european-              Evidenzlage und Bewertung. Bundesgesundheits-
                                                       vaccine-action-plan-20152020-2014

270       Monatsschrift Kinderheilkunde 3 · 2022
Abstract

    bl. https://doi.org/10.1007/s00103-021-03316-x        Timely vaccination in children and adolescents. Statement of the
24. Lei J et al (2020) HPV vaccination and the            committee for infectious diseases and vaccination questions of the
    risk of invasive cervical cancer. N Engl J Med
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    NEJMoa1917338                                         2021
25. AG HPV der Ständigen Impfkommission (STIKO),
    Takla A, Wiese-Posselt M, Harder T, Wichmann O        This expert statement presents an analysis and evaluation of available data on the
    (2018) Wissenschaftliche Begründung für die           timing of some standard childhood and adolescent vaccinations in Germany. For most
    Empfehlung der HPV-Impfung für Jungen im Alter        of these vaccinations, coverage at school entry is at a satisfactory level; however, in
    von 9 bis 14 Jahren. Epidemiol Bull 26:233–250.
    https://doi.org/10.17886/EpiBull-2018-032             a large number of children the start of vaccinations is delayed and vaccination series are
26. Poethko-Müller C, Kuhnert R, Gillesberg Lassen S,     frequently not completed within the recommended time. Some children only receive
    Siedler A (2019) Durchimpfung von Kindern und         isolated or no vaccinations. Rates vary widely from one region or town to another. This
    Jugendlichen in Deutschland: Aktuelle Daten aus
                                                          has several consequences. Children are at increased risk of infection and herd immunity
    KiGGS Welle 2 und Trends aus der KiGGS-Studie.
    Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung           is insufficient, as shown for pertussis, measles, and rotaviruses. There are various
    Gesundheitsschutz 62(4):410–421. https://doi.         reasons for a delayed start of childhood vaccinations. First, there is a direct association
    org/10.1007/s00103-019-02901-5                        with the living conditions of the respective families; parents’ personal reservations
27. Bettge S, Oberwöhrmann S (2018) Grundaus-
    wertung der Einschulungsdaten in Berlin 2017.
                                                          and concerns (hesitancy) constitute additional important reasons for delayed start of
    Gesundheitsberichterstattung Berlin. https://         vaccinations; however, the most important factor is the personal attitude of doctors.
    www.berlin.de/sen/gesundheit/_assets/service/         The committee proposes practical suggestions for the implementation of timely
    publikationen/gesundheitsberichterstattung/           vaccination of children and young people. There is an urgent need to reconsider
    veroeffentlichungen/grundauswertungen/2019-
    02-18-grundauswertung_esu_2017_endfas-                the current vaccination routine in ambulatory care and adapt it to the committee’s
    sung.pdf. Zugegriffen: 8.2.2019                        recommendations. Barriers for participating in routine vaccination should be low with
28. Wichmann O (2019) Der Europäische Impfakti-           access granted in the easiest manner.
    onsplan – Ziele und Strategien. In: Behörde für
    Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien
                                                          Keywords
    und Hansestadt Hamburg und Ministerium für
    Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senio-      Standard vaccination in childhood · Measles · HPV · Pertussis · Counseling on vaccination
    ren des Landes Schleswig-Holstein (Hrsg) (2019):
    Berichtsband zur 6. Nationalen Impfkonferenz
    2019: Impfstrategien im Kontext internationaler
    Herausforderungen. Hamburg, S 16–23
29. Horstkötter N, Müller U, Ommen O (2017) Einstel-         der Teilnahme an der U9, Nordrhein-Westfalen,        42. Gagneur A et al (2018) A postpartum vaccination
    lungen, Wissen und Verhalten von Erwachsenen             2016/2017. In: Behörde für Gesundheit und                promotion intervention using motivational
    und Eltern gegenüber Impfungen – Ergebnisse              Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt              interviewing techniques improves short-term
    der Repräsentativbefragung 2016 zum Infekti-             Hamburg und Ministerium für Soziales, Gesund-            vaccine coverage: PromoVac study. Bmc Public
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    myths: Strong risk negations can increase                im Kontext internationaler Herausforderungen.
    perceived vaccination risks. Health Psychol              Hamburg, S 125–126
    32(2):146                                            37. Klett-Tammen CJ, Krause G, von Lengerke T,
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32. Betsch C, Ulshöfer C, Renkewitz F, Betsch T              org/10.1186/s12875-016-0502-3
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    ment von Wahrnehmungen und Fehlwahrneh-              39. Betsch C, Breuer C, Hacker J, Happe K, Hecker M,
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    forschung Gesundheitsschutz 56(9):1279–1286.             na und Akademie der Wissenschaften in Hamburg
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34. Betsch C, Bödeker B, Schmid P, Wichmann O                haltenswissenschaftliche Optionen zur stärkeren
    (2018) How baby’s first shot determines the               Inanspruchnahme von Schutzimpfungen. Halle
    development of maternal attitudes towards                (Saale), ISBN 978-3-8047-4038-9
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35. Kaufman J et al (2018) Face-to-face interven-            Gesprächsführung: wenn Reden Gold wert ist.
    tions for informing or educating parents about           Dtsch Arztebl Int 116(11):520–527
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    schulungsuntersuchung unter Berücksichtigung             1016/j.vaccine.2014.07.105

                                                                                                                     Monatsschrift Kinderheilkunde 3 · 2022     271
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