Zinsen Kolloquium im Privatrecht - PD Dr. iur. Samuel Zogg, Rechtsanwalt, LL.M - Rechtswissenschaftliche Fakultät

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Zinsen Kolloquium im Privatrecht - PD Dr. iur. Samuel Zogg, Rechtsanwalt, LL.M - Rechtswissenschaftliche Fakultät
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    Zinsen
    Kolloquium im Privatrecht
    PD Dr. iur. Samuel Zogg, Rechtsanwalt, LL.M.

    23. Oktober 2020
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Internationales Privatrecht

–    Massgebend für das Zinsrecht und die Zinsforderung: Schuldstatut der Kapitalforderung

     Ø Vertraglicher / gesetzlicher Zins (z.B. Verzugszins) auf einer vertraglichen Kapitalforderung (z.B.
       Kaufpreisforderung): Vertragsstatut (IPRG 116 ff.)
     Ø Zins (z.B. Schadenszins oder Verzugszins) auf einer Deliktsforderung: Deliktsstatut
       (IPRG 132 ff.)
     Ø Zins (z.B. Bereicherungszins oder Verzugszins) auf einer Bereicherungsforderung:
       Bereicherungsstatut (IPRG 128)

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 Begriff des Zinses
– Gesetzlicher Zinsbegriff: "Zins im Rechtssinne ist die Vergütung, die dem Gläubiger für die zeitweilige
  Überlassung oder Vorenthaltung von Kapital zu entrichten ist und die sich nach der Höhe der
  geschuldeten Summe (Bruchteil des Kapitals) und der Dauer der Überlassung berechnet."
  (vgl. BGE 52 II 228, E. 3; 115 II 349, E. 3; 130 III 591, E. 3)
– Begriffsmerkmale:
   Ø Vergütung für die Überlassung / Vorenthaltung einer Kapitalsumme (Geld oder andere vertretbare
     Sachen)
   Ø Höhe des Zinses berechnet sich in Abhängigkeit von der Kapitalsumme (Bruchteil davon) und der
     Dauer der Überlassung (sog. doppelte Akzessorietät)
   Ø Zinsschuld muss in nämlicher Gattung geschuldet sein wie das Kapital (Prinzip der Stoffgleichheit)
   Ø Entstehung des Zinsanspruchs muss vom Bestand der Kapitalforderung abhängig sein
         •    Zinsrecht ("Stammrecht") steht und fällt mit der Kapitalforderung (≠ erlaufene Zinsen)
         •    Rückwirkender Wegfall der Kapitalforderung: Wegfall aller Zinsforderungen

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–     Periodische Entstehung des Zinsanspruchs: Kein Begriffsmerkmal
      Ø Verzugszins
           •     Ein einheitlicher Zinsanspruch, der linear (stetig) anwächst (keine Periodizität)
           •     Entstehung und Fälligkeit ab Verzugseintritt (eine einzige "Zinsperiode")
      Ø Darlehenszins (OR 313 f.; dispositiv)
           •     Zinsperiode: 1 Jahr, beginnend ab Darlehensauszahlung (nicht Kalenderjahr)
                 •    Mit Beginn jeder neuen Zinsperiode entsteht ein neuer Zinsanspruch
                 •    Wächst pro rata temporis (bis am Ende der Periode)
           •     Fälligkeit: Postnumerando (erst nach Ablauf der Zinsperiode)
-     Keine Zinsen im Rechtssinne:
      Ø Mietzins (zeitabhängiges Entgelt für die Überlassung einer Speziessache / fehlende Stoffgleichheit)
      Ø Bearbeitungs- / Mahngebühren / Rechtsverfolgungskosten
      Ø Boni, Dividenden, Negativzinsen (↓)

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Grundlagen

–    Selbständige Zinsforderung(en) (Regelfall)
     Ø Periodisch (z.B. Darlehenszins) oder linear (z.B. Verzugszins)
     Ø Als Nebenrecht(e) der Kapitalforderung teilweise akzessorisch (↓)

-    Zins als Posten der Schadens-/Bereicherungsermittlung (Ausnahme)
     Ø Zins ist Teil der Hauptforderung (es gibt nur eine Forderung)
     Ø Zins ist nur ein "Posten" (neben anderen)
     Ø Schadens- / Bereicherungszins

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Zinsforderung: Selbständigkeit mit beschränkter Akzessorietät
–     Kapitalforderung
      Ø Ohne Kapitalforderung keine Zinsen!
–     Zinsrecht ("Stammrecht")
      Ø Erfordert eine spezielle Anspruchsgrundlage (z.B. OR 104); kein allgemeiner "Fälligkeitszins" im OR
      Ø Solange ein Zinsrecht besteht, entstehen neue Zinsforderungen (bzw. wachsen an)
      Ø Zinsrecht steht und fällt mit der Kapitalforderung
            •    Geht die Kapitalforderung unter (ex nunc), entstehen keine neuen Zinsforderungen mehr
            •    Fällt die Kapitalforderung rückwirkend weg: Wegfall aller Zinsforderungen
      Ø Zinsrecht als solches ist untrennbar mit der Kapitalforderung verbunden
            •    Keine selbständige Existenz / Abtretbarkeit / Verpfändung (nur zusammen mit der Kapitalforderung)

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–     Erlaufene Zinsforderung(en)
      Ø Selbständige Existenz
           •     Neben der Kapitalforderung besteht eine (oder mehrere) selbständige Zinsforderung(en)
           •     Untergang der Kapitalforderung (ex nunc): Lässt erlaufene Zinsen grundsätzlich unberührt (anders aber
                 das Zinsrecht, das untergeht); aber Achtung: OR 114 II ("Zinsenfalle" ↓)!
           •     Selbständige Abtretbarkeit (vgl. OR 170 III) / eigene Erfüllung (vgl. OR 85) / eigene Fälligkeit / eigener
                 Erfüllungsort (OR 74) / eigenständige Betreibung und Klage möglich
      Ø … mit gewisser Akzessorietät (wirtschaftliche Einheit mit Kapitalforderung; Nebenrecht)
           •     Rückwirkender Wegfall der Kapitalforderung führt zum rückwirkenden Wegfall der Zinsforderungen
                 (Bsp.: OR 124 II)
           •     Vermutung, dass sich Verfügung über Kapitalforderung auch auf Zinsforderungen erstreckt (OR 170 III)
           •     Sicherheiten für die Kapitalforderung decken auch Zinsen (ZGB 891 II; ZGB 818 I Z. 2/3; OR 499 II Z. 3)
           •     Erfüllung nur der Zinsen: Blosse "Teilzahlung" (OR 69, 85 ff.) ↓
           •     OR 114 II: Vorbehaltlose Annahme des Kapitals lässt Erlass der Zinsschuld vermuten ↓
           •     Selbständige und unselbständige Verjährung (OR 133)

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Anspruchsgrundlagen
–     Zinsrecht erfordert Anspruchsgrundlage (vertraglich oder gesetzlich)
      Ø Tatbestand (z.B. Verzug)
      Ø Rechtsfolge: Zinsforderung/en (nach Massgabe der "Zinsparameter")
            •    Zinssatz (z.B. 5 % p.a.)
            •    Zinsperiode (z.B. jährlich ab Kapitalüberlassung); linear/periodisch
            •    Fälligkeit (z.B. postnumerando, nach Ablauf jeder Zinsperiode)

–     Vertragliche Anspruchsgrundlage: Beispiel Darlehen (OR 313 f.; dispositiv)
      Ø Verzinslichkeit (d.h. ob Zinsen geschuldet sind / entgeltlich):
            •    Vermutung im gewöhnlichen Verkehr: keine Zinspflicht / Vermutung im kaufmännischen Verkehr:
                 Zinspflicht (OR 313)
      Ø Zinssatz
            •    Vertraglich (fix / variabel; bestimmt / bestimmbar); Vermutung: Jahreszins ("p.a."; OR 314 II)
            •    Subsidiär: Üblicher Zins (OR 314 I); sub-subsidiär: OR 73 (5 %; str.!)
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–   Gesetzliche Zinsanordnungen
    Ø Nicht: OR 73
          •    "Default-Zinssatz" von 5 %; ist keine Anspruchsgrundlage
    Ø OR 104 f. (Verzugszins)
    Ø OR 195 I Z. 1 / OR 208 II (Rechts- / Sachgewährleistung beim Kauf: Kaufpreisrückerstattung samt
      Zinsen)
    Ø OR 213 II (Fälligkeitszins beim Kaufpreis bei Übung / Fruchtgenuss durch Käufer)
    Ø OR 402 I (Zins auf Auslagenersatz des Beauftragten)
    Ø OR 537 II (Zins auf Auslagenersatz bei einfacher Gesellschaft)
    Ø OR 558 II (Zins auf Kapitalanteil in Kollektivgesellschaft)
    Ø CISG 78

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Zinsberechnung
–     Relevante Grössen
      •     Kapital, auf das Zins geschuldet ist
      •     Dauer, für die Zins geschuldet ist
      •     Zinssatz (Bruchteil der Kapitalforderung pro Zeiteinheit; gemäss Anspruchsgrundlage)
            §    Gesetzliche Zinssätze: Jahreszinssätze ("per annum")
            §    Vertragliche Zinssätze: Vermutung, dass ebenfalls Jahreszinssätze (OR 314 II; gilt allgemein)

-     Zinsbemessung
      Ø Grundsatz: Jahreszinssatz auf Basis von 365 Tagen
            •    Bei "5 % p.a." also 0.0136986 % pro Tag (= 5 % / 365)
      Ø Banken- / Handelsverkehr: Üblicherweise 12 x 30 Tage (= 360 Tage)

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Grenzen vertraglicher Zinsvereinbarungen (zwingende Bestimmungen)
–     Beschränktes Verbot von Zinseszinsen (sog. Anatozismusverbot)
      Ø OR 314 III (zwingend)
            •    Unzulässigkeit der vorherigen Vereinbarung, dass Zinsen zum Kapital geschlagen und damit weiter
                 verzinst werden
            •    Gilt beim Darlehen und analog auch bei anderen Geschäften
            •    Zulässig aber:
                 §     Im Kontokorrent und in ähnlichen Geschäftsformen
                 §     Novation der Kapital- und Zinsforderung und neue Zinsforderung auf neuer Kapitalforderung
                       (Zinseszinsverbot wird unterlaufen)
                 §     Verzugszinsen auf Vertragszinsen (z.B. Darlehenszinsen); OR 105 I
      Ø OR 105 III
            •    Keine Verzugszinsen auf Verzugszinsen
            •    Ist aber dispositiv!

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–     Höchstzinsvorschriften
      Ø Bundeszivilrecht
            •    KKG 14 (Konsumkredite nach KKG)
                 -    Effektiver Jahreszins beschränkt nach VKKG 1 (bis zu 15 %)
                 -    Verstoss: Zinslosigkeit (keine geltungserhaltende Reduktion)
            •    Sittenwidrigkeit (OR 20 I); Übervorteilung (OR 21): ca. 15-20 %
      Ø Bundesstrafrecht
            •    Wucher (StGB 157): ca. 15-20 %
      Ø Kantonales Recht
            •    OR 73 II (Kantone befugt, Höchstzinsvorschriften zur Bekämpfung von Missbräuchen im Zinswesen zu
                 erlassen)
                 -    Interkantonales Konkordat / EG ZGB/ZH 215 I (18 %)
                 -    Rechtsfolge: Geltungserhaltende Reduktion auf zulässiges Mass
            •    ZGB 795 II (Hypotheken)

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Verjährung der Zinsforderung
–     Zinsforderungen unterliegen einer "doppelten Verjährung"
–     Selbständige Verjährung
      •     OR 128 Ziff. 1: 5 Jahre "für … [u.a.] Kapitalzinse sowie für andere periodische Leistungen"
            Ø Gilt nur, wenn Zins periodisch geschuldet ist; nicht bei linearem Zins
      •     Verzugszins (linearer Zins): OR 127 (10 Jahre), ausser wenn auf periodischer Kapitalforderung, die
            ihrerseits nach OR 128 verjährt (Bsp.: Verzugszins auf Mietzins)
      •     Beginn: Fälligkeit der Zinsschuld (OR 130) → periodische Zinsen: gestaffelte Individualverjährung
      •     Schadens- / Bereicherungszins: Mit der Hauptforderung (es gibt nur eine Forderung!)

-     Unselbständige Verjährung
      •     OR 133: Wenn Hauptanspruch verjährt, dann verjähren auch alle aus ihm entspringenden
            Zinsforderungen!

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Verzugszinsen (OR 104 f.)
–     OR 104 (dispositiv!)
      Ø Anwendungsbereich: Gilt nur für Geldschulden i.e.S. (in- und ausländische Währungen)
      Ø Voraussetzung: Nur Verzug (OR 102), nicht Verschulden
      Ø Beginn: Tag nach Verzugseintritt; Ende: Tilgung der Kapitalschuld / Ende des Verzugs
      Ø Zinssatz: 5 % p.a. (auch wenn vertraglicher Zins tiefer); höherer Zins, wenn höherer Vertragszins
        vereinbart; unter Kaufleuten höherer Zins, wenn üblich
            •    Tatsächlicher Schaden egal (fingierter / pauschalisierter Schaden); keine Widerlegung möglich
            •    Höherer Schaden: Nur bei Verschulden (Exkulpation) und Schadensnachweis (OR 106)
      Ø Linearer Zins (keine Periodizität; einheitlicher Anspruch)

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–     OR 105
      Ø Anwendungsbereich
            •    Nur Geldschulden (wie OR 104)
            •    Zinsschulden im Rechtssinne (ohne Verzugszinsen; OR 105 III; dispositiv!)
            •    Renten (insb. Unterhaltsansprüche; BGer, 5A_579/2018)
            •    (Geld-)Schenkungen
      Ø Beginn der Verzugszinspflicht: Erst ab Anhebung Betreibung oder "gerichtliche Klage" (OR 105 I)
      Ø Abweichung möglich, unterliegt aber der Herabsetzung (OR 105 II i.V.m. OR 163 III; zwingend)

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Schadenszins
 -    Gestützt auf eine gesetzliche oder vertragliche Schadenersatzforderung (OR 41, 97, etc.)
      Ø Weil der Schaden nicht sofort ausgeglichen wird, erhält der Geschädigte Deckung auch des
        "Zinsschadens"
 -    Kein selbständiger Zinsanspruch, sondern nur ein Schadensposten (von mehreren) und damit ein
      unselbständiger Teil des Schadenersatzanspruchs
      Ø Keine selbständige Verjährung / Abtretung / Verpfändung
 -    Schadenszins vermutungsweise 5 % (vgl. OR 73); aber in beide Richtungen widerlegbar!
 -    Beginn: Ab dem Zeitpunkt, in dem sich das schädigende Ereignis tatsächlich finanziell auswirkt
      (BGE 130 III 591, E. 4)
 -    Kein Verzug erforderlich
      Ø Aber: Keine Kumulation mit dem Verzugszins
      Ø Mit Urteilsspruch (Schaden inkl. Schadenszins): Verzugszinsen nur auf Schaden ohne
        Schadenszins (BGE 130 III 591, E. 4)

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Bereicherungszins
 -    Gestützt auf einen Bereicherungsanspruch (OR 62)
      Ø Überlassung der Bereicherung (Kapital) während bestimmter Zeit ist (weiterer) Teil der Bereicherung
      Ø Ebenfalls nur Bereicherungsposten (unselbständiger Teil des OR 62-Anspruchs)
 -    Berechnung des Bereicherungszinses
      Ø Tatsächlich gezogener Zins / Rendite? Zins nach allgemeiner Lebenserfahrung (hypothetisch
        möglicher Zins)? Ersparnis des Entgelts für Kapitalbeschaffung (Ersparnisbereicherung)? Vermutung
        von 5 % (OR 73)?
 -    Einrede der gutgläubigen Entreicherung (OR 64)
      Ø Gutgläubiger Bereicherungsschuldner: Zinserstattung nur soweit tatsächlich erzielt (im Übrigen:
        gutgläubig entreichert)
 -    Gestützt auf einen Gewinnherausgabeanspruch (OR 423; unechte GoA)

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Negativzinsen
 -    SNB erhebt seit 22. Januar 2015 "Negativzinsen" (heute: -0.75%); Geschäftsbanken z.T. ebenfalls
      Ø Abgeltung der negativen Inflation
 -    Keine Zinsen im Rechtssinne, sondern Gebühr für Kontoführung, die der Gläubiger (Kunde) dem
      Schuldner (Bank) zu entrichten hat und die sich (ähnlich wie Zinsen) nach der Höhe des "hinterlegten"
      Kapitals und der Dauer bemisst (insofern: doppelt akzessorisch)
 -    Vertraglicher Zins (z.B. Darlehenszins) knüpft an Referenzzinssatz an, der negativ wird
      Ø z.B.: "Zins zu 0.25 % p.a. über dem CHF-Jahres-LIBOR, jeweils per erstem Tag der Zinsperiode"
      Ø Referenzzins fällt auf -0.75 % → "Negativer Darlehenszins" von -0.5 % (d.h. Entgelt des Gläubigers
        für die "Aufbewahrung" des Geldes)?
      Ø Auslegung des Vertrages (BGer, 4A_596/2018)

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Teilzahlungen und Anrechnung einer Zahlung
-      Begriff der Teilzahlung
       Ø Für die Zwecke von OR 69, 85 und 86/87 werden gewisse (an sich selbständige!) Forderungen zu
         "Forderungskomplexen" zusammengefasst: Kapital-, Zins- und Kostenforderung als "Einheit"
       Ø Zahlung nur des (ganzen) Kapitals (ohne Zinsen / Kosten) ist eine Teilzahlung!
-      Zulässigkeit der Teilzahlung
       Ø Gläubiger hat das Recht, nur einen Teil zu fordern (Teilklage) oder den angebotenen Teil anzunehmen
       Ø Gläubiger muss eine Teilzahlung grundsätzlich nicht annehmen, wenn Bestand und Höhe feststehen (OR 69 I)
            •     Auch nicht, wenn ganzes Kapital angeboten wird (ohne Zinsen / Kosten)
            •     Bei Ablehnung: Kein Gläubigerverzug
       Ø Ausnahme: Gläubiger muss eine Teilzahlung annehmen, wenn:
            •     Vertragliche Vereinbarung / Übung / Gesetz (z.B. OR 120 ff.; SchKG 12)
            •     Treu und Glauben / Rechtsmissbrauch
            •     Schuldner bestreitet nur einen Teil der Forderung (z.B. nur Zinsen/Kosten), sofern nicht rechtsmissbräuchlich
                  (OR 69 I; BGE 133 III 598)
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–   Anrechnung einer Teilzahlung
    1. "Horizontal": Unter mehreren Forderungen (d.h. Forderungskomplexen): OR 86 / 87
          Ø Erklärung des Schuldners (einseitig möglich!); sonst: Erklärung des Gläubigers (auf Quittung oder anders),
            sofern kein Widerspruch des Schuldners
          Ø Sonst: Fällige Schuld
               •    Unter mehreren fälligen Schulden: Zuerst betriebene Schuld; ohne Betreibung: früher fällige Schuld
               •    Gleichzeitig fällig / in Betreibung gesetzt: Verhältnismässige Anrechnung
          Ø Keine Forderung fällig: Am schlechtesten gesicherte Forderung
    2. "Vertikal": Innerhalb eines Forderungskomplexes (auf Kapital / Zinsen / Kosten): OR 85
          Ø Zuerst Anrechnung auf Kosten → dann auf Zinsen → erst dann auf das Kapital (OR 85)
          Ø Zuerst auf schlechter gesicherten Teil
          Ø Ausnahmen:
             • Vertragliche Vereinbarung (nicht einseitig! Aber: Bei Erklärung des Schuldners ist Widerspruch nötig; OR 6)
             • Nicht rechtsmissbräuchliche Bestreitung nur eines Teils (z.B. nur der Zinsen/Kosten): Anrechnung auf
               anerkannten Teil (BGE 133 III 598)

    Zinsen – PD Dr. S. Zogg                                                                                         Seite 20
Rechtswissenschaftliche Fakultät

–     OR 114 II: "Zinsenfalle"!!
      Ø "Bereits erlaufene Zinse können nur dann nachgefordert werden, wenn diese Befugnis des Gläubigers
        verabredet oder den Umständen zu entnehmen ist."
            •    Erlaufene Zinsen sind selbständige Forderungen
            •    Tilgung des Kapitals hat an sich keine Wirkung auf Bestand der Zinsforderungen
                 (nur das Zins-/Stammrecht geht unter, d.h. für Zukunft keine Zinsen mehr)
            •    ABER: OR 114 II enthält Vermutung, dass Zinsforderungen bei vorbehaltloser Annahme des Kapitals
                 auch untergehen, d.h. vom Gläubiger erlassen werden!
                 o     Gilt nur, wenn Teilzahlung entgegen OR 85 zuerst auf Kapital angerechnet wird (z.B. aufgrund
                       einer Vereinbarung)
                 o     Widerlegbar, z.B. aufgrund einer Vereinbarung / Widerspruch / Vorbehalt / "Umstände"
                       (grosszügig bei "Umständen", weil stossende Regelung)
                 o     Vgl. auch OR 89 II

    Zinsen – PD Dr. S. Zogg                                                                                    Seite 21
Rechtswissenschaftliche Fakultät

                    Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Zinsen – PD Dr. S. Zogg                                    Seite 22
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