Betriebsratswahlen 2022 - Der Arbeitgeber zwischen Zaungast und Stakeholder - Bundesverband der Personalmanager, 26.10.2021
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Betriebsratswahlen 2022 – Der Arbeitgeber zwischen Zaungast und Stakeholder Bundesverband der Personalmanager, 26.10.2021 Christoph Seidler, Fachanwalt für ArbR KLIEMT.Arbeitsrecht, Hamburg
Seite 2 Übersicht I. Aufstellung der Wählerliste II. Schulungsanspruch des Wahlvorstands III. Briefwahl für alle? IV. Die Aufstellung des Wahlausschreibens V. Während der laufenden Wahl VI. Verhalten des Arbeitgebers nach dem Ende der Wahl Seite
Seite 3 I. Aufstellung der Wählerliste Eintragung auf der In die Wählerliste sind alle Wählerliste ist formelle wahlberechtigten AN Voraussetzung für die getrennt nach Ausübung des aktiven Geschlechtern und passiven Wahlrechts aufzunehmen (§ 2 Abs. 3 WO) AG hat dem WV alle für die § 4 Abs. 3 S. 2 WahlO n.F.: Erstellung der Wählerliste Korrektur der Wählerliste erforderlichen Auskünfte noch am Tag der Wahl zu erteilen und Unterlagen (Laufende Aktualisierung zur Verfügung zu stellen der Mitarbeiterdaten durch (§ 2 Abs. 2 WO) den Arbeitgeber)
Seite 4 I. Aufstellung der Wählerliste Aktives Wahlrecht, § 7 BetrVG Passives Wahlrecht, § 8 BetrVG Recht, bei der Wahl Stimme abzugeben Recht, sich zur Wahl aufzustellen Alle AN ab dem 16. Geburtstag* Alle AN ab dem 18. Geburtstag Leiharbeitnehmer nach 3 Monaten im Alle AN, die seit min. 6 Monaten dem Betrieb Betrieb angehören Maßgeblich: Eingliederung in betriebliche In Heimarbeit beschäftigte, die min. 6 Organisation (auch: Außendienst, Monate hauptsächlich für den Betrieb Homeoffice, Auslandstätigkeit) gearbeitet haben * Neuregelung gemäß BetrModG
Seite 5 I. Aufstellung der Wählerliste – Mitwirkung des Arbeitgebers Der AG hat dem WV alle für die Erstellung der Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 2 Abs. 2 WO) Daten der Beschäftigten Information über die in der Regel Beschäftigten? Unterstützung bei der Abgrenzung der leitenden Angestellten gem. § 5 Abs. 3 BetrVG Abgrenzung Arbeitnehmer / freie Mitarbeiter Fehlerhafte Angaben des Arbeitgebers schränken dessen Anfechtungsmöglichkeit ein (§ 19 Abs. 3 S. 2 BetrVG) Praxistipp Filtern Sie nicht vor, welche AN wahlberechtigt sind. Geben Sie dem Wahlvorstand alle erforderlichen Informationen und lassen den WV das Wahlrecht jedes einzelnen AN prüfen. Sofern eine Wählerliste anschließend fehlerhaft ist, kann der WV den AG dafür nicht verantwortlich machen. Das schont das Betriebsklima!
Seite 6 I. Aufstellung der Wählerliste – Drittes Geschlecht? = Umsetzung (P): Berücksichtigung von Mitarbeiter*innen, die sich weder dem weiblichen der Absprache noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlen nach Koalitions‐ BVerfG: Schutz derjenigen Personen, die weder dem männlichen noch dem vertrag weiblichen Geschlecht zuzuordnen sind (BVerfG 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16) BetrVG sieht nur Unterscheidung zwischen Männern und Frauen vor (z.B. § 16 Abs. 1 BetrVG) Folge: Berücksichtigung des „dritten Geschlechts“ als Minderheitengeschlecht? Aktuelle Diskussion in der Fachliteratur (Jacobs u.a. in FS Schmidt, Franzen in FS 100 Jahre BetrVG, Fitting, § 15 BetrVG Rn. 11b u.a.) Für den Arbeitgeber: Wertungsfreie Angabe für die Wählerliste Prüfung, ob sich ein etwaiger Fehler auf das Wahlergebnis ausgewirkt hat
Seite 7 I. Aufstellung der Wählerliste – Deutungshoheit? Umgang mit Dissens über die maßgebliche Population Bsp: Wahlvorstand will MA einer Dependance mitwählen lassen, die nach Ansicht des Arbeitgebers nicht Teil des Betriebs sind Arbeitgeber hat nur begrenzte Einwirkungsmöglichkeiten Wahlvorstand ist „Herr des Wahlverfahrens“ AG darf Namen nicht einfach zurückhalten, auch wenn Zuschnitt objektiv unrichtig ist Durchsetzung des Anspruchs aus § 2 Abs. 2 WahlO per einstweiliger Verfügung möglich Vorgehen erst im Nachgang der Wahl im Anfechtungsverfahren Ausnahme: Nichtigkeit der Wahl wie geplant
Seite 8 II. Schulungsanspruch des Wahlvorstands = Umsetzung Schulungsanspruch? Effiziente der Absprache Schulungsmöglichkeiten nach Koalitions‐ vertrag Entsprechend der Grundsätze für Schneeball-Schulung BR-Mitglieder Online-Schulungen I.d.R. bei erster Teilnahme im Wahlvorstand erforderlich Präsenzschulungen noch erforderlich? Bei Änderungen der Regelungen Eine sinnvolle Schulung kann manche Wahlanfechtung verhindern
Seite 9 III. Briefwahl für alle? Möglichkeiten und Grenzen Grundsatz: Briefwahl nur für die am Wahltag im Hauptbetrieb abwesenden Mitarbeiter Nein! Nur ausnahmsweise bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zulässig: Aufgrund der Auf Verlangen des Eigenart des Auf Anordnung des Arbeitnehmers wegen Beschäftigungs- Wahlvorstandes Abwesenheit verhältnisses § 24 Abs. 1 WO § 24 Abs. 2 WO a.F. § 24 Abs. 3 WO
Seite 10 III. Briefwahl für alle? Möglichkeiten und Grenzen Neufassung § 24 Abs. 2 WO: Abwesenheit im Betrieb aus anderen Gründen zwischen Aber: Erlass des Wahlausschreibens und Zeitpunkt der Wahl Nach Wortlaut reicht z.B. dauerhaftes Arbeiten im Homeoffice Einschätzungsspielraum des Wahlvorstands Arbeitgeber dürfte kein vollständiges Überprüfungsrecht haben Grundlage für stark ansteigende Briefwahl-Quote
Seite 11 IV. Aufstellung des Wahlausschreibens Unterrichtung der Wahlberechtigten von der Durchführung der Betriebsratswahl und Erklärung des Wahlablaufs Einleitung der BR-Wahl erfolgt durch Erlass des Wahlausschreibens Vereinfachtes Wahlverfahren Normales Wahlverfahren Im Anschluss an die Aufstellung der Spätestens 6 Wochen vor der Wahl Wählerliste Verstoß führt zur Anfechtbarkeit Bis zum Ende der Stimmabgabe ist ein Abdruck im Betrieb auszuhängen Ergänzend auch elektronisch möglich Übersendung des Wahlausschreibens an Abwesende (kein Anfechtungsgrund, wenn unterlassen)
Seite 12 IV. Aufstellung des Wahlausschreibens – Reaktion des Arbeitgebers Wie kann der Arbeitgeber gegen Fehler im laufenden Verfahren vorgehen? Einspruch gg. das Wahlausschreiben Gerichtliche Schritte Einspruchsfrist zwei Wochen Ausnahme: Einstweilige (Abbruch-) Ende am letzten Tag um 24:00 Uhr Verfügung Voraussetzung: Derartig gewichtige Fehler im WV kann aber Frist auf Ende der Arbeitszeit Wahlverfahren erkennbar, dass die Wahl im Betrieb oder Ende der Dienststunden des WV begrenzen (§ 41 Abs. 2 WO n.F., so voraussichtlich nichtig ist Wahlvorschläge unzutreffend zurückgewiesen / schon bisher die Rspr.) zugelassen Zulassung von Drittpersonen (z.B. freie Mitarbeiter) Versäumen der Einspruchsfrist führt Online-Wahl? Str. (LAG HH 8 TaBV 5/17: Nur anfechtbar) zu Ausschluss des Anfechtungs- Verkennung des Betriebsbegriff? Nur in Ausnahmefällen rechts (§ 19 Abs. 3 BetrVG) (Bei absehbarem Konflikt erwägen: Statusverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG) Andernfalls: Anfechtung (dazu später)
Seite 13 V. Während der laufenden Wahl 1. Verbot der Wahlbehinderung (§ 20 Abs.1 BetrVG) = Umsetzung der Absprache 2. Verbot der Wahlbeeinflussung (§ 20 Abs. 2 BetrVG) nach Koalitions‐ Was ist zu vertrag beachten? 3. Keine strikte Neutralitätspflicht für den Arbeitgeber 4. Diskriminierungsverbot, § 75 Abs. 1 BetrVG Strafbarkeit nach § 119 Abs. 1 BetrVG Die Durchführung und Sicherung der Wahl obliegt dem Wahlvorstand – nicht dem Arbeitgeber!
Seite 14 V. Während der laufenden Wahl – Neutralitätsgebot = Umsetzung der Absprache Die Vorschrift [des § 20 Abs. 2 BetrVG] beinhaltet – nach Koalitions‐ auch für den Arbeitgeber – kein striktes Neutralitätsgebot im vertrag Zusammenhang mit Betriebsratswahlen. Untersagt ist nicht jede Handlung oder Äußerung, die geeignet sein könnte, die Wahl zu beeinflussen. Die Beeinflussung muss vielmehr durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen erfolgen. BAG v. 25.10.2017 – 7 ABR 10/16
Seite 15 V. Während der laufenden Wahl – Neutralitätsgebot Zulässige Handlungen des Arbeitgebers? Aufruf zur Wahlbeteiligung Ja Flyer mit Vorstellung der Listen Ja Kritische Auseinandersetzung mit dem Verhalten des bisherigen Betriebsrats Ja E-Mails über den Wahlvorgang an die Mitarbeiter Ja Verächtliche Äußerung über Kandidaten Nein Finanzielle Unterstützung einer Vorschlagsliste Nein
Seite 16 V. Während der laufenden Wahl – die Gewerkschaft klopft an = Umsetzung Keine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Absprache nach Koalitions‐ Jeder begehrte Zugang ist im Hinblick auf Digitales Zugangsrecht? Häufigkeit, Umfang und Inhalt einervertrag Einzelfallabhängig! Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen Abwägung der Interessen der Gewerkschaft mit Interessen des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer (insb. Datenschutz und negative Koalitionsfreiheit Praxistipp: Verständigung der Sozialpartner über Art und Umfang des digitalen Zugangsrechts Beispiel: Sozialpartnerschaft zwischen dem Arbeitgeberverband der Deutschen Kautschukindustrie (ADK) und der IG BCE zum digitalen Zugangsrecht
Seite 17 VI. Nach der Wahl – Konstituierung des neuen Gremiums Beginn der Amtszeit Im betriebsratslosen Betrieb: Mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses nach § 18 Abs. 3 WO Nicht: Mit der konstituierenden Sitzung Bei existierendem Betriebsrat: Wechsel erst mit Ablauf des 31. Mai 2022 (§ 21 Satz 2 BetrVG) Wie ist die Lage nach erfolgreicher Anfechtung? Der fehlerhaft gewählte Betriebsrat wird mit Wirkung für die Zukunft beseitigt Die in der Zwischenzeit vorgenommenen betriebsverfassungsrechtlichen Maßnahmen (z.B. abgeschlossene Betriebsvereinbarungen) bleiben wirksam. Ausnahme: Nichtigkeit der Wahl
Seite 18 VI. Nach der Wahl – Welche Rechtsmittel bestehen Nichtigkeit Anfechtbarkeit = Umsetzung Voraussetzungen Verstoß gegen wesentliche Grundsätze Verstoß gegen wesentlicheder Vorschriften, Absprache die der Wahl in so hohem Maß, dass nicht tragende Grundprinzipien der einmal mehr der Anschein einer dem Betriebsratswahl enthalten nach Koalitions‐ Gesetz entsprechenden Wahl vorliegt vertrag Beispiele Absetzung eines im Amt befindlichen Nichtzulassung wahlberechtigter Betriebsrats; spontane Wahl per Arbeitnehmer; nicht ordnungsgemäße Akklamation Bekanntgabe des Wahlausschreibens Frist Rüge jederzeit möglich (Prüfung auch Innerhalb von zwei Wochen nach inzident in anderen Verfahren, z.B. Bekanntgabe des Wahlergebnisses Wirksamkeit BV) Wirkung Rückwirkung, alle vom Betriebsrat Keine Rückwirkung, alle bis zur getroffenen Maßnahmen sind rechtskräftigen Entscheidung vom BR unwirksam vorgenommenen Handlungen bleiben gültig
Seite 19 VI. Nach der Wahl – Der Arbeitgeber zahlt die Rechnung § 20 Abs. 3 S. 1 BetrVG: Der Arbeitgeber trägt die erforderlichen* Kosten der BR-Wahl * Beurteilungsspielraum des Wahlvorstandes Räume, Wahlurne, Schulungskosten Aufbewahrungsmöglichkeit für Wahlunterlagen Stimmzettel, Briefmarken, Briefumschläge (keine Wahlumschläge für Präsenzwahl mehr, § 11 WahlO n.F.) Lohnkosten des Wahlvorstands Gerichtliche Anfechtungsverfahren Übersetzungskosten (inkl. Anwaltskosten) usw.
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Seite 21 Ihr Ansprechpartner Christoph Seidler Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Principal Counsel KLIEMT.Arbeitsrecht Neuer Wall 80 20354 Hamburg T +49 (0) 40 5719983‐50 M +49 (0) 173 729 3015 E christoph.seidler@kliemt.de 21 Seite
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