Zur Frage der angemessenen Wertsicherung von landwirtschaftlichen Pachtverträgen
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Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Helmut Haimböck Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger Zur Frage der angemessenen Wertsicherung von landwirtschaftlichen Pachtverträgen 1. Einleitung nen Betrieben freigesetzten Flächen haben entweder den Eigentümer gewechselt, wurden gegen Entgelt verpachtet In Österreichs Landwirtschaft stand ursprünglich die Be- oder werden von Betrieben unentgeltlich mitbewirtschaftet. wirtschaftung von Eigenflächen im Vordergrund. Da in den Bestanden im Jahr 1995 die bewirtschafteten Gesamtflä- letzten Jahrzehnten ein beträchtlicher Strukturwandel statt- chen in Österreich zu rund 10 % aus Pachtflächen und zur fand, liegen unter den heutigen agrarwirtschaftlichen Ver- Bewirtschaftung übernommenen Flächen, hat sich dieser hältnissen sehr häufig Flächenzupachtungen vor. Aus den Anteil bis zum Jahr 2016 faktisch verdoppelt (siehe Abbil- Pachtverträgen können sich oft beträchtliche Probleme dung 1). Es ist davon auszugehen, dass diese Entwicklung bezüglich der Wertsicherung ergeben. Diese resultieren in der im Jahr 2020 erfolgenden neuerlichen Agrarstruktur- aus der Verwendung von Wertsicherungsklauseln bezüg- erhebung in noch größerem Ausmaß zum Ausdruck kom- lich des Pachtzinses, die mit der agrarischen Produktion in men wird. keinem Zusammenhang stehen. Dies führt zu Pachtzins- veränderungen und als Folge zu einer ungleichen Risiko- Deutlich erkennbar ist die in rund 20 Jahren erfolgte Aus- verteilung zwischen Verpächter und Pächter. weitung des Umfangs der von den Landwirtschaftsbetrie- ben gepachteten Flächen. Die für Österreich dargestellte Aufgrund des mechanisch-technischen Fortschritts be- langfristige Entwicklung verläuft allerdings in einem regi- wirtschaften heute Landwirtschaftsbetriebe im Regelfall onal völlig unterschiedlichen Ausmaß, das bereits in den wesentlich größere Flächen als vor Jahren. Flächenaus- Ergebnissen der Bundesländer aus dem Jahr 2016 zum weitungen erfolgen in den Einzelbetrieben unter heutigen Ausdruck kommt (siehe Abbildung 2). Verhältnissen in erster Linie mittels Flächenzupachtungen In Abbildung 2 ist erkennbar, dass in den östlichen Bundes- oder sogar einer monetär kostenlosen Übernahme von ländern Österreichs die von den Betrieben gepachteten Agrarflächen zur Bewirtschaftung. Flächen bereits beträchtliche Anteile an der bewirtschaf- Im Jahr 1995 wurden in Österreich im Rahmen der Agrar- teten Gesamtfläche haben. Im Jahr 2016 waren im Bur- strukturerhebungen noch rund 264.000 Landwirtschafts- genland 41 % der bewirtschafteten landwirtschaftlichen betriebe erfasst, davon waren im Jahr 2016 (letzte Agrar- Fläche gepachtet und 3 % der Fläche zur Bewirtschaftung strukturerhebung) nur noch rund 166.000 Betriebe, also überlassen. Hingegen weisen die Ergebnisse der Bundes- um rund 30 % weniger vorhanden. Die von den aufgelasse- länder Tirol und Vorarlberg erkennbare Anteile an Flächen Verteilung der bewirtschafteten Gesamtflächen 120 Prozent der bew.Gesamtflächen 100 80 zur -Bewirtsch-erhalten 60 gepachtete Flächen bewirtsch-Eigentumsfl 40 20 0 1995 1999 2010 2013 2016 Erhebungsjahre der Agrarstruktur Abbildung 1: Verteilung der bewirtschafteten Flächen von Land- und Forstwirtschaftsbetrieben in Österreich, Erhebungsjahre der Agrarstrukturerhebung (eigene Darstellung; Datengrundlage: Statistik Austria, Agrarstrukturerhebungen 1995 bis 2016) HEFT 4/2020 SACHVERSTÄNDIGE 203
Zur Frage der angemessenen Wertsicherung von landwirtschaftlichen Pachtverträgen Pachtanteile an der bewirtschafteten ldw. Gesamtfläche 120 Prozent der bew. Gesamtfläche 100 80 zur -Bewirtsch-erhalten 60 gepachtete Flächen bewirtsch-Eigentumsfl 40 20 0 h l g nd en ic ic h rg ar k ro er ie n nla rnt rre rre zbu rm Ti rlb W l rg e Kä te st e Sa ei e ra ös St Vo Bu er rö ie d be N O Bundesländer Abbildung 2: Verteilung der bewirtschafteten Flächen von Land- und Forstwirtschaftsbetrieben nach Bundesländern laut Agrarstruk- turerhebung 2016 (eigene Darstellung; Datengrundlage: Statistik Austria, Agrarstrukturerhebung 2016) auf, welche nicht gepachtet, sondern Betrieben zur faktisch Die Höhe des Pachtzinses von landwirtschaftlich genutz- unentgeltlichen Bewirtschaftung überlassen wurden. Laut ten Flächen ist aus ökonomischer Sicht jeweils eine per- Agrarstrukturerhebung 2016 der Statistik Austria betragen sönliche Einzelfallentscheidung zwischen Verpächter diese Flächenausmaße bereits rund 6 %. Es kann davon und Pächter.3 Bei Missverhältnissen zwischen den Ver- ausgegangen werden, dass sich diese Anteile in den fol- tragspartnern ist die Höhe, also die Angemessenheit genden Jahren weiter erhöht haben. des Pachtzinses anhand der Vorgaben des Landpacht- gesetzes (LPG) zu prüfen. Laut § 4 LPG ist ein Pachtzins Als Folge der produktionsbedingten Gegebenheiten wer- für Verpächter und Pächter dann angemessen, wenn „der den in den östlichen Bundesländern überwiegend Acker- von dem bei einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des flächen, in den westlichen Bundesländern Grünlandflä- Pachtgegenstandes erzielbare Ertrag beiden Vertrags- chen ver- bzw gepachtet. teilen den Anteil sichert, der dem Wert der zur Erzielung Pachtverträge unterliegen keinen gesetzlichen Formvor- dieses Ertrages notwendigen beiderseitigen Leistungen entspricht; dabei sind insbesondere die Vertragsdauer, der schriften und können sowohl mündlich als auch schriftlich Wert des Pachtgegenstandes nach Art, Beschaffenheit abgeschlossen werden,1 wobei die Schriftform zu empfeh- und örtlicher Nachfrage, der Wert der beiderseits beige- len ist. „Das Wesen eines Pachtvertrages [besteht] in der stellten Anlagen und Betriebsmittel sowie die sonst not- entgeltlichen Überlassung des Gebrauches einer unver- wendigen beiderseitigen Leistungen, Aufwendungen und brauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit zum Zweck der Kosten zu berücksichtigen.“ Fruchtziehung ...“2 Da Landpachtverträge im Regelfall auf unbestimmte Zeit Im Rahmen eines Pachtvertrages sollen sowohl der Ver- oder für langfristige Zeiträume (zB 10 Jahre) abgeschlos- pächter als auch der Pächter einen angemessenen mo- sen werden, sind aus ökonomischer Sicht die Vorgaben netären Betrag erhalten bzw leisten. Der Verpächter soll des § 4 LPG auch für die in den Pachtverträgen veranker- am anteiligen Wert von Grund und Boden und an der wirt- ten Wertsicherungsklauseln von großer Bedeutung. schaftlichen Ertragskraft seiner verpachteten Fläche betei- ligt werden. Der Pächter soll für die von ihm erbrachten Leistungen angemessen entlohnt werden. Mitbeeinflus- 2. Zur Bedeutung von Wertsicherungsklauseln send auf die Höhe des Pachtzinses der zu verpachtenden in Landpachtverträgen Fläche wirken neben Lage, Größe, Flächenausformung Bei der Anwendung von Wertsicherungsklauseln ist mi- etc besonders Angebot und Nachfrage am Pachtmarkt. tentscheidend, ob auf den landwirtschaftlich genutzten Vonseiten des Pächters sind zusätzlich die am eigenen Flächen des Verpächters weiterhin eine landwirtschaft- Betrieb vorhandenen freien Maschinen- und Arbeitska- liche Bewirtschaftung stattfindet oder ob der Pächter – pazitäten, einzelbetriebliche Entwicklungsmöglichkeiten, nach Zustimmung des Verpächters – in Hinkunft andere räumliche Entfernungen, Angebot und Nachfrage nach Bewirtschaftungsformen, (wie beispielsweise die Errich- Pachtflächen etc mitausschlaggebend für Flächenzupach- tung eines Golf-, Camping-, Tennis-, oder Lagerplatzes) tungen und beeinflussen von dieser Seite her die Höhe anstrebt. Dies beeinflusst die Höhe des Pachtzinses und des Pachtzinses. dessen Wertsicherung. In diesen Fällen ist sicherlich der 204 SACHVERSTÄNDIGE HEFT 4/2020
Zur Frage der angemessenen Wertsicherung von landwirtschaftlichen Pachtverträgen Gruppe Bezeichnung Gewicht 01 NAHRUNGSMITTEL UND ALKOHOLFREIE GETRÄNKE 11,18155 02 ALKOHOLISCHE GETRÄNKE UND TABAK 3,74092 03 BEKLEIDUNG UND SCHUHE 4,88416 04 WOHNUNG, WASSER, ENERGIE 19,28017 05 HAUSRAT UND LFD. INSTANDHALTUNG DES HAUSES 6,86510 06 GESUNDHEITSPFLEGE 5,54879 07 VERKEHR 13,08238 08 NACHRICHTENÜBERMITTLUNG 2,07332 09 FREIZEIT UND KULTUR 11,27157 10 ERZIEHUNG UND UNTERRICHT 1,18771 11 RESTAURANTS UND HOTELS 12,32572 12 VERSCHIEDENE WAREN, DIENSTLEISTUNGEN 8,55861 00 GESAMTINDEX ÖSTERREICH 100,00000 Abbildung 3: Im VPI enthaltene Produktgruppen und deren Gewichtung (Quelle: https://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/ preise/verbraucherpreisindex_vpi_hvpi/warenkorb_und_gewichtung/index.html) Verbraucherpreisindex (VPI) zur Absicherung der im Ver- Fleisch und Fleischwaren [zirka 2,36 %]) dar. Aus diesen lauf der Pachtdauer eintretenden Geldwertveränderung Zahlen ist erkennbar, dass die auf Agrarflächen und in bzw -verdünnung des Pachtzinses eine aus ökonomischer Landwirtschaftsbetrieben erfolgende Urproduktion in den Sicht korrekte Vorgangsweise.4 im VPI abgebildeten Konsumausgaben nur mit einem sehr Wenn – wie im Regelfall üblich – die Pachtflächen weiterhin geringen Anteil aufscheint. agrarischen Zwecken dienen, ist der VPI ein im Rahmen Wegen der Zielstellung des VPI, der bereits erwähnten der Errichtung der Pachtverträge ökonomisch verfehlter Beobachtung und Erfassung der Preisentwicklungen Ansatz zur Wertsicherung, da diese Vorgangsweise nicht im Bereich der Konsumausgaben der privaten Haus- mit dem LPG in Einklang steht. halte, weisen die Verbraucherpositionen Gruppe 04 „Woh- nung, Wasser und Energie“ (19,28 %), Gruppe 07 „Ver- 3. Die Problematik der Anwendung des VPI5 kehr“ (13,08 %) und Gruppe 11 „Restaurants und Hotels“ als Mittel zur Wertsicherung des Pachtzinses (12,33 %) wesentlich größere Gewichtungsanteile auf als von Landwirtschaftsflächen die Gruppe 01 „Nahrungsmittel“ (11,18 %). „Der Verbraucherpreisindex (VPI) ist ein Maßstab für die In keinem Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen allgemeine Preisentwicklung bzw. für die Inflation in Öster- Urproduktion und damit der angemessenen Wertsiche- reich. ... Der VPI wird neben seiner Rolle als allgemeiner rung von Pachtverträgen stehen die Entwicklung von Woh- Inflationsindikator für die Wertsicherung von Geldbeträgen nungsmietpreisen im städtischen Bereich (in Gruppe 04 (z.B.: Mieten, Unterhaltszahlungen) verwendet, er ist aber enthalten) oder die Preisveränderungen bei Einrichtungs- auch Datenbasis für Lohnverhandlungen.“6 Der Zweck des gegenständen, elektrischen Haushaltsgeräten, Geschirr VPI ist es, „die kontinuierliche Beobachtung der Preis- (in Gruppe 05 enthalten) oder die von Medikamenten, entwicklungen im Bereich der Konsumausgaben der Brillengläsern und Brillenfassungen, Kontaktlinsen, Kran- privaten Haushalte“7 und deren Entwicklung abzubilden. kenhausdienstleistungen (in Gruppe 06 enthalten) oder Dies zeigt sich im Aufbau des VPI, den darin enthaltenen die Preisveränderungen bei einer Teilnahme an Sport- und Produktgruppen und deren Gewichtung (siehe Abbildung 3). Erholungsveranstaltungen (mit 1,61 % in Gruppe 09 ent- halten) oder die Teilnahme am Glücksspiel (mit 0,875 % in Eindeutig erkennbar ist, dass dem die Landwirtschaft direkt Gruppe 09 enthalten). betreffenden Bereich der Nahrungsmittel und Getränke (Gruppe 01) lediglich rund 11 % des gewichteten Ergebnis- Im Rahmen der Bewirtschaftung von land- bzw forst- ses des VPI zugeteilt sind. Als direkte landwirtschaftliche wirtschaftlichen Pachtflächen werden ausschließlich Produkte werden darin zB Langkornreis (0,05 %), Milch pflanzliche, tierische oder forstwirtschaftliche Erzeug- (0,258 %), Obst (zirka 0,94 %) und Gemüse (1,019 %) nisse produziert, sodass bereits daraus erkennbar ist, ausgewiesen. Alle übrigen in der Gruppe 01 angeführten dass der VPI als Möglichkeit zur Wertsicherung des Produkte stellen bereits weiterverarbeitete Endproduk- Pachtzinses von Landpachtverträgen deshalb völlig te (wie zB Weizenmehl [zirka 0,058 %], Brot [0,998 %], ungeeignet ist, da er den ökonomischen Intentionen HEFT 4/2020 SACHVERSTÄNDIGE 205
Zur Frage der angemessenen Wertsicherung von landwirtschaftlichen Pachtverträgen einer fairen Risikoverteilung zwischen Verpächter und Zeitraum der letzten 25 Jahre. Eine geringfügige Unschär- Pächter laut LPG widerspricht. fe der Darstellung besteht darin, dass der VPI das Bezugs- jahr 1996 (= 100 %) aufweist, die Agrarindizes hingegen Aus ökonomischer Sicht steht daher die Aussagefähigkeit auf das Bezugsjahr 1995 (= 100 %) bezogen sind. Die des VPI mit den für die Pachtung von Landwirtschaftsflä- Aussagekraft der Entwicklungstendenzen wird dadurch chen entscheidenden Vorgaben des LPG nicht in Ein- nur unwesentlich beeinflusst.10 klang. Die Intention des LPG besteht aus ökonomischer Sicht in einer fairen Verteilung der mit dem Eigentum (Ver- Anmerkung zu den Abbildungen 4 bis 7: pächter) und der Bewirtschaftung (Pächter) von Landwirt- schaftsflächen verbundenen Erträgen, Kosten und Risiken. VPI 1996 = VPI-Entwicklung, Basisjahr 1996 (= 100 %).11 Diese Intention einer fairen Verteilung findet sich im LPG Erz-Pflanzl = Preisindexentwicklung des Bereichs der pflanzlichen Erzeugnisse (Erzeugerpreise), und in den Erläuterungen zum LPG.8 Laut § 4 LPG soll der Basisjahr 1995 (= 100 %). Pachtzins beiden Vertragsteilen den Anteil sichern, der Erz-Tier = Preisindexentwicklung des Bereichs der dem Wert der beiderseitigen Leistungen entspricht. Da tierischen Erzeugnisse (Erzeugerpreise), die Entwicklung des VPI völlig unabhängig von dem Basisjahr 1995 (= 100 %). „bei einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Erz-Forst = Preisindexentwicklung des Bereichs der Pachtgegenstandes erzielbaren Ertrag“ verläuft, stellt forstwirtschaftlichen Erzeugnisse (Erzeu- eine bei landwirtschaftlichen Pachtflächen vorgenommene gerpreise), Basisjahr (1995 = 100 %). Wertanpassung des Pachtzinses mittels des VPI eine be- Einn-Erz-mit ÖG = Preisindexentwicklung der Einnahmen aus land- und forstwirtschaftlichen Erzeug- trächtliche Verlagerung des Bewirtschaftungsrisikos zulas- nissen (Erzeugerpreise) mit öffentlichen ten des Pächters dar. Geldern, Basisjahr 1995 (= 100 %). Das eventuell aufkommende Argument, dass der VPI der Einn-Erz-ohne ÖG = Preisindexentwicklung der Einnahmen aus land- und forstwirtschaftlichen Erzeug- Geldwertsicherung, also dem Ausgleich von Geldwert- nissen (Erzeugerpreise) ohne öffentliche schwankungen und der Vermeidung einer Geldwert- Gelder, Basisjahr 1995 (= 100 %). verdünnung des an den Verpächter zu zahlenden Pacht- Ges-Ausgaben = Preisindexentwicklung der Summe aus Be- betrags diene, ist im Zusammenhang mit der Verpachtung triebs- und Investitionsaugaben, Basisjahr von landwirtschaftlichen Liegenschaften aus ökonomi- 1995 (= 100 %). scher Sicht ebenfalls falsch. Geldwertveränderungen tref- Während die langfristige Entwicklung des VPI einen fast fen sowohl den Verpächter als auch den Pächter, allerdings kontinuierlich-gleichförmigen Verlauf aufweist, lassen die in unterschiedlichem Umfang. Der vereinbarte Pachtzins angeführten drei Teilindizes des Agrarpreisindex vonein- stellt aus ökonomischer Sicht die an den Verpächter zu ander unabhängige Entwicklungstendenzen, aber keine zahlenden Anteile an Grund und Boden und an der wirt- zum VPI bestehenden Zusammenhänge erkennen. Die schaftlichen Ertragskraft des Pachtgrundstücks dar. Der zwischen den dargestellten Indizes bestehenden Abwei- jährlich an den Verpächter bezahlte monetäre Pachtzins chungen haben sich in den letzten 10 Jahren noch ver- unterliegt aufgrund der generellen gesamtwirtschaftlichen stärkt (siehe Abbildung 5). Gegebenheiten einer Geldwertveränderung bzw -verdün- nung. Der Pächter setzt im Rahmen der Bewirtschaftung Abbildung 5 zeigt, dass gerade in den letzten 10 Jahren der Pachtfläche Betriebsmittel ein, welche Kosten verur- die Erzeugerpreise für land- und forstwirtschaftliche Pro- sachen. Er erwirtschaftet damit Naturalerträge, welche dukte eine völlig von der VPI-Entwicklung abweichende vermarktet werden. Sowohl die monetären Kosten der Entwicklung aufweisen und somit weder bei langfristiger Betriebsmittel als auch die der Erträge unterliegen eben- noch bei kurzfristiger Betrachtung der Entwicklung ein di- falls den jährlichen Geldwertveränderungen. Im Rahmen rekter Zusammenhang zwischen VPI und land- und forst- der Bewirtschaftung werden Geldbeträge umgesetzt, die wirtschaftlichen Erzeugerpreisen besteht. Weder die Er- die Höhe des Pachtzinses um ein Vielfaches übersteigen. zeugerpreisindizes für pflanzlicher Produkte (zB Getreide) Daraus resultiert, dass – bezogen auf das Pachtverhält- noch die für die Erzeugung tierischer Produkte (zB Milch, nis – auf Pächterseite wesentlich höhere Geldbeträge der Fleisch) weisen eine mit dem VPI begründbare Indexent- gesamtwirtschaftlichen Geldwertveränderung unterliegen wicklung auf. Erkennbar ist, dass sich die Indexabweichun- als auf Verpächterseite.9 Auch aus diesem Grund ist eine gen in den letzten fünf Jahren eher verstärkt als verringert Wertsicherung des Pachtzinses von Landpachtverträgen haben (siehe Abbildung 6). mittels des VPI eine aus ökonomischer Sicht nicht adäqua- Ein Vergleich der langfristigen Entwicklung der betrieblichen te Maßnahme, da sie zu einer ungleichen Verteilung des Einnahmen und Ausgaben mit der VPI-Entwicklung lässt Geldwertrisikos führt. erkennen, dass im Verlauf der Indexentwicklungen beträcht- Dass die Entwicklung des VPI bereits seit langer Zeit nicht liche Unterschiede in den einzelnen Verläufen bestehen. der Entwicklung der Erzeugerpreise, nicht der der Einnah- Während im Zeitraum der Jahre 1995 bis 2007 der Index der men und auch nicht der der Ausgaben im agrarischen Be- Gesamtausgaben in den Landwirtschaftsbetrieben noch reich entspricht, kann den Abbildungen 4 bis 7 entnommen annähernd der VPI-Entwicklung entsprochen hat, lagen die werden. Zwecks Darstellung der Langfristigkeit der abwei- jährlichen Ausgabensteigerungen der Folgejahre über der chenden Entwicklungen umfassen die Abbildungen den VPI-Entwicklung. Die auf Betriebsebene ermittelten Einnah- 206 SACHVERSTÄNDIGE HEFT 4/2020
Zur Frage der angemessenen Wertsicherung von landwirtschaftlichen Pachtverträgen men blieben hingegen seit Ende der 1990er-Jahre sowohl dass die Entwicklung des VPI in keinem Zusammenhang mit als auch ohne öffentliche Gelder unterhalb der VPI-Ent- mit der Entwicklung der Indizes in der Land- und Forstwirt- wicklung. Auch hier haben sich die zwischen den dargestell- schaft steht. ten Indizes bestehenden Abweichungen in den letzten 10 Jahren noch verstärkt (siehe Abbildung 7). 4. Agrarindizes als Mittel zur Wertsicherung Aus Abbildung 7 ist ebenfalls deutlich entnehmbar, dass des Pachtzinses für Agrar- bzw Forstflächen die zeitliche Entwicklung des VPI in keinem Zusammen- hang mit der im agrarischen Bereich erfolgenden Entwick- „Die Agrarpreisindizes (API) messen die Preisentwicklung lung steht. Die auf betrieblicher Ebene ausgewiesenen auf der Einnahmenseite (Output) bzw. Ausgabenseite (In- Einnahmen lassen – selbst dann, wenn die sogenannten put) im Agrarbereich. Während die nach den Vorgaben des öffentlichen Gelder miteingerechnet werden – erkennen, Statistischen Amts der Europäischen Union (Eurostat) be- Indexentwicklung des VPI-96 und Indexentwicklung der ldw.+fw. Erzeugerpreise 160 140 120 100 VPI 1996 Prozent Erz-Pflanzl 80 Erz-Tier Erz-Forst 60 40 20 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Jahre Abbildung 4: Indexentwicklung des Verbraucherpreises, Basisjahr 1996 (= 100 %), und Indexentwicklung der Erzeugerpreise in den Bereichen der pflanzlichen, der tierischen und der forstlichen Produktion Österreichs, Basisjahr 1995 (= 100 %), Zeitraum der Jahre 1995 bis 2019 (eigene Darstellung; Datenherkunft: https://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/preise/agrarpreisindizes/index.html) Indexentwicklung des VPI-96 und Indexentwicklung der ldw.+fw. Erzeugerpreise Ausschnitt der Jahre 2010-2019 60 50 40 VPI 1996 Prozent+100 Erz-Pflanzl 30 Erz-Tier Erz-Forst 20 10 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Jahre Abbildung 5: Indexentwicklung des Verbraucherpreises, Basisjahr 1996 (= 100 %), und Indexentwicklung der Erzeugerpreise in den Be- reichen der pflanzlichen, der tierischen und der forstlichen Produktion Österreichs, Basisjahr 1995 (= 100 %), Ausschnitt der Jahre 2010 bis 2019 (eigene Darstellung; Datenherkunft: https://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/preise/agrarpreisindizes/index.html) HEFT 4/2020 SACHVERSTÄNDIGE 207
Zur Frage der angemessenen Wertsicherung von landwirtschaftlichen Pachtverträgen rechneten EU-Agrarpreisindizes vor allem für internationale Verteilung des erzielbaren Ertrags samt Wertsicherung Vergleiche genutzt werden, werden die nationalen Agrar- sind aus ökonomischer Sicht die Daten der Agrarpreisindi- preisindizes u. a. für die Wertsicherung von land- und forst- zes insofern als geeignete Indizes anzusehen, da sie zwar wirtschaftlichen Pacht- oder Betriebsübergabeverträgen he- nicht regionale Unterschiede aufzeigen, aber generelle, an rangezogen. Im Unterschied zu den EU-Agrarpreisindizes, die Produktion gekoppelte Entwicklungen und deren Ver- welche ausschließlich auf landwirtschaftliche Erzeugnisse änderungen wiedergeben. abstellen, werden bei der Berechnung der nationalen Agrar- preisindizes auch die Forstwirtschaft sowie die öffentlichen „Die Zahlen des Agrarpreisindex zeigen die Entwicklung Gelder für die Land- und Forstwirtschaft berücksichtigt.“12 der Preise auf der Einnahmen- und Ausgabenseite .“13 Im Zusammenhang mit der „ordnungsgemäßen Bewirt- Die Daten der Agrarindizes beruhen auf Ergebnissen der schaftung des Pachtgegenstandes“ (§ 4 LPG) und der für Zwecke des Grünen Berichts freiwillig buchführenden Indexentwicklung des VPI-96 und der Indizes der ldw.+ fw. Produktion Jahre 1995 - 2019 180 160 140 120 VPI 1996 100 Prozent Einn-Erz-mit-ÖG 80 Einn-Erz-ohne-ÖG Ges-Ausgaben 60 40 20 0 19 09 11 13 15 17 95 97 03 99 01 05 07 19 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Jahre Abbildung 6: Indexentwicklung des Verbraucherpreises, Basisjahr 1996 (= 100 %), und Indexentwicklung der Einnahmen aus land-. und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen mit öffentlichen Geldern, ohne öffentliche Gelder und Indexentwicklung der Summe aus Be- triebs- und Investitionsausgaben (= Gesamtausgaben), Basisjahr 1995 (= 100 %), Zeitraum der Jahre 1995 bis 2019 (eigene Darstel- lung; Datenherkunft: https://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/preise/agrarpreisindizes/index.html) Indexentwicklung des VPI-96 und der Indizes der ldw.+ fw. Produktion Ausschnitt - Jahre 2010 - 2019 70 60 50 VPI 1996 Prozent+100 40 Einn-Erz-mit-ÖG Einn-Erz-ohne-ÖG 30 Ges-Ausgaben 20 10 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Jahre Abbildung 7: Indexentwicklung des Verbraucherpreises, Basisjahr 1996 (= 100 %), und Indexentwicklung der Einnahmen aus land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen mit öffentlichen Geldern, ohne öffentliche Gelder und Indexentwicklung der Summe aus Betriebs- und Investitionsausgaben (= Gesamtausgaben), Basisjahr 1995 (= 100 %), Ausschnitt der Jahre 2010 bis 2019 (eigene Darstellung; Datenherkunft: https://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/preise/agrarpreisindizes/index.html) 208 SACHVERSTÄNDIGE HEFT 4/2020
Zur Frage der angemessenen Wertsicherung von landwirtschaftlichen Pachtverträgen Betriebe und auf langfristigen Erhebungen von Preisent- langfristige Zeiträume von mehreren Jahren abgeschlos- wicklungen im landwirtschaftlichen Bereich.14 Veröffentlicht sen und weisen Wertsicherungsvereinbarungen auf. Aus werden die Agrarindizes von der Statistik Austria, wobei ökonomischer Sicht ist in diesem Zusammenhang die Ver- folgende Indexreihen allgemein verfügbar sind: wendung des VPI aus mehreren in der vorliegenden Veröf- fentlichung diskutierten Gründen völlig ungeeignet. Emp- Die Agrarpreisindizes, Output nach nationaler Definiti- fohlen wird die Verwendung des allgemein zugänglichen on: Diese Tabelle weist die Indizes nach pflanzlichen, tieri- Datenmaterials der Agrarindizes, da dieses eine an die schen und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen aus. Zusätz- gebietsspezifischen Produktionsmöglichkeiten angepass- lich sind die Entwicklung der „land- und forstwirtschaftlichen te Wertsicherung ermöglicht und somit eine bessere und Erzeugnisse ohne öffentliche Gelder“ und die Entwicklung faire Verteilung der Erträge und Risiken von Pachtungen der „land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse und öffent- während der Pachtdauer gewährleistet. lichen Gelder“ angeführt. Die letztgenannte Position wird auch als genereller „Agrarpreisindex“ bezeichnet.15 Die Agrarpreisindizes, Input – landwirtschaftliche Be- Anmerkungen: triebs- und Investitionsausgaben: Diese Tabelle beinhal- 1 Schorn/Hodina, Rechtshandbuch für Land- und Forstbetriebe tet die Preisindizes für die Bereiche der „Betriebsausgaben (2017) 155. insgesamt“, die der „Investitionsausgaben Baukosten“, die 2 VwGH 18. 6. 1991, 90/08/0197. der „Investitionsausgaben Maschinen“, die der „Investiti- 3 Siehe dazu Mildner, Landpachtgesetz, in H. Böhm/Pletzer/Spruzi- na/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I (2018) 1593. onsausgaben insgesamt“ und die der Gesamtausgaben 4 Siehe dazu Köhne, Landwirtschaftliche Taxationslehre4 (2007) 411 laut EU-Definition.16 und 445. Die Agrarpreisindizes, Output und Input nach natio- 5 Zu den in Österreich vorhandenen Zeitreihen siehe https://www. naler Definition – Detailergebnisse: Aus dieser Tabelle statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/preise/verbraucherpreis index_vpi_hvpi/zeitreihen_und_verkettungen/index.html. kann die aktuelle Preisindexentwicklung der letzten Jah- 6 Siehe https://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/preise/ re der einzelnen landwirtschaftlichen (pflanzlichen, tieri- verbraucherpreisindex_vpi_hvpi/index.html. schen) und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse (zB Bloch- 7 Statistik Austria, Standard-Dokumentation Metainformationen (De- holz, Faserholz, Brennholz) entnommen werden. Weiters finitionen, Erläuterungen, Methoden, Qualität) zum Verbraucher- angeführt sind die Indexentwicklung der Betriebs-, der In- preisindex und Harmonisierter Verbraucherpreisindex (2018) 4. vestitions- und der Gesamtausgaben und die sogenannte 8 ErlRV 1216 BlgNR 11. GP, 6. Preisschere als Indexdifferenz (= [Outputindex – Gesamt 9 Im Mittel aller in den Buchführungsergebnissen aus der österrei- chischen Landwirtschaft ausgewerteten Betriebe wurden im Jahr inputindex] in Prozent vom Outputindex).17 2018 Einnahmen von rund € 2.400,– je Hektar Gesamtfläche und Ausgaben von € 1.835,– je Hektar Gesamtfläche erzielt. Für Flä- Alle Indexergebnisse beruhen auf entsprechend gewichte- chenzupachtungen und Mieten wurden rund € 250,– je Hektar ten aufbereiteten Datengrundlagen18 und stehen in unmit- Pachtfläche an die Verpächter abgeführt. Dies entspricht rund 6 % telbarem Zusammenhang mit der land- und forstwirtschaft- der Summe aus monetärer Einnahmen und Ausgaben. lichen Produktion in Österreich. 10 Die Trendlinie der VPI-Entwicklung würde in einem geringfügigen Umfang angehoben werden. Aufgrund des in sehr differenzierter Art und Weise aufbe- 11 Siehe https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/statistik-budget/sta reiteten Indexmaterials besteht die Möglichkeit, in Acker- tistik/downloads/vpi1996.pdf. baulagen die entsprechenden Indexveränderungen des 12 Siehe http://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/preise/ pflanzlichen Bereichs und in Grünlandlagen hingegen die agrarpreisindizes/index.html. Indizes der tierischen Produktion für Berechnungszwecke 13 Siehe https://ooe.lko.at/agrarpreisindex-indexzahlen+2500+1359131. heranzuziehen. Damit kann bei Pachtverträgen eine mit 14 Siehe dazu LBG Österreich, Preis-Quellen-Verzeichnis. Studie zur der Bewirtschaftungsmöglichkeit der Pachtflächen zusam- Preisentwicklung in der österreichischen land- und Forstwirtschaft (Agrarischer Paritätsspiegel) (Ausgabe: Jänner 2014). menhängende langfristige gerechte Verteilung der Erlöse 15 Siehe https://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/preise/ und Risiken erreicht werden. agrarpreisindizes/index.html. Aus ökonomischer Sicht sind diese Daten ein zur Wert- 16 Siehe Anmerkung 15. sicherung in land- und forstwirtschaftlichen Pachtzinsver- 17 Siehe Anmerkung 15. trägen verwendbares und taugliches Material, da damit die 18 Siehe dazu beispielsweise Grüner Bericht 2019, online abrufbar unter https://gruenerbericht.at/cm4/jdownload/send/2-gr-bericht-ter konkrete Preis- und Aufwandsentwicklung und somit zu- reich/2007-gb2019; Buchführungsergebnisse aus der österrei- mindest Teile des Produktionsrisikos im Rahmen der Wert- chischen Landwirtschaft 2019 (Ergebnisse für das Jahr 2018), sicherung mitberücksichtigt werden können. online abrufbar unter https://www.agraroekonomik.at/index.php? id=buchfuehrungsergebnisse. 5. Zusammenfassung Korrespondenz: Unter den heutigen agrarpolitischen Gegebenheiten hat Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Helmut Haimböck die Bedeutung von Flächenzupachtungen bei den noch in Görgengasse 3/15, 1190 Wien Österreich vorhandenen Landwirtschaftsbetrieben zuge- Tel.: 0699 / 11 77 67 64 nommen. Derartige Pachtverträge werden im Regelfall für E-Mail: helmut.haimboeck@chello.at HEFT 4/2020 SACHVERSTÄNDIGE 209
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