Zurück in die Zukunft - Tec21
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36 Museum für Gestaltung Zürich TEC21 35/2018 A RCHITEKTUR Zurück in die Zukunft Das Museum für Gestaltung und die daran anschliessende Gewerbeschule gelten als Ikonen des Neuen Bauens. Ruggero Tropeano Architekten haben den Museumstrakt in seine ursprüngliche Form zurückgeführt und ihn zugleich für die Zukunft ertüchtigt. Text: Michael Hanak Foto: Georg Aerni Der dreiflügelige Gebäudekomplex aus Museum für Gestaltung und Allgemeiner Berufsschule Zürich (ABZ) nach den aktuellen Umbauarbeiten. Im Vordergrund der Eingangsbereich des Museums mit dem Auditorium im Obergeschoss. Der Verbindungstrakt beherbergt die Ausstellungshalle, und im rückwärtigen Flügel ist die Schule untergebracht (nicht im Bild).
TEC21 35/2018 Museum für Gestaltung Zürich 37 A nsporn und Herausforderung zugleich Rüegg verantwortlich; vgl. Kasten «Restaurierung waren die unverkennbaren Qualitäten der Gewerbeschule», S. 38). Den Anstoss zum jetzi- des ursprünglichen Baus, die bei der ak- gen Umbau, der seit Jahren angedacht war, 4 gab die tuellen Instandsetzung unbedingt erhal- Museumsleitung, die die Ausstellungskonditionen be- ten bleiben mussten: Er gilt als Zürichs züglich Raumklima und Brandschutz für untragbar erstes öffentliches Gebäude im Stil des erklärte. Die konservatorischen Bedingungen entsprä- Neuen Bauens. Projektiert hatten ihn Karl Egender und chen nicht mehr den internationalen Richtlinien. Adolf Steger. Sie waren als Sieger aus dem zwischen Ziel war es, den einzigartigen Charakter des Gebäudes 1925 und 1927 in zwei Durchgängen ausgetragenen zu erhalten und es gleichzeitig zeitgemässen Museums- Wettbewerb hervorgegangen, den die Stadt Zürich nach standards anzupassen. langer Vorgeschichte und Vorbereitungszeit durchge- führt hatte.1 Umgang mit einem Meisterwerk Angeregt durch die politischen und gesellschaft- lichen Reformen wagten sich die Architekten während Seit der Wiedereröffnung des führenden Schweizer der Weiterbearbeitung des Projekts immer weiter in Museums für Design und visuelle Kommunikation im die Abstraktion. Die zunehmend mutigere Umsetzung März 2018 erleben die Besucher dessen eindrückliche lässt sich an den drei Flügeln des Komplexes ablesen: Architektur aussen wie innen in ihrer ursprünglichen Der zuerst geplante Schulbau, geprägt von einem weit Intensität. Eindrücklich die Gesamterscheinung des gespannten Achsmass, das grosse Fensterflächen zulässt, kubischen Komplexes zwischen den riesigen Bäumen erscheint noch relativ konventionell. Die Anlehnung an im Klingenpark, harmonisch die Komposition der unter- eine basilikale Form für die Ausstellungshalle im Mittel- schiedlich hohen Flachdachtrakte mit den gleichmässi- teil ist bereits als eine Provokation zu betrachten, wäh- gen Reihen grossformatiger Fenster. rend der expressive Kubus an der Ausstellungsstrasse Am Museumstrakt an der Ausstellungsstrasse mit seinen Fensterbändern und der sorgfältig gesetzten fallen zunächst Bandfenster und verglaste Flächen auf, Beschriftung von den neuen Leitbildern zeugen. die aussenbündig in die Putzfassaden eingefügt sind. Der Kunsthistoriker Sigfried Giedion nahm un- Unter dem weit vorkragenden Baukörper des Vortrags- terstützend Einfluss auf die Form: Er forderte einen saals – auf drei unregelmässig angeordneten Rund- zwanglosen, funktionalen Charakter, ohne Lichthöfe.2 pfeilern ruhend – erstreckt sich eine grosszügige Vor- Als wegweisend hinsichtlich Modernität galt natürlich halle, von der man, mit Blick in den abgesenkten das Bauhaus in Dessau. Wie zur gleichen Zeit bei der Architekturgarten, durch die völlig verglaste Eingangs- Siedlung Neubühl und dem Geschäftsgebäude Zett-Haus front in das von aussen gut sichtbare Foyer mit Cafeteria suchte man für Kunstgewerbemuseum und Gewerbe- und Museumskasse gelangt (vgl. Abb. S. 39). Im weit- schule nach einer zukunftsorientierten Form – ein An- läufigen Foyer führen zur rechten Seite hohe Glastüren satz, der nicht unumstritten war. So war von «Archi- in den Ausstellungssaal, geradeaus eine breite gegen- tektur-Bolschewismus einiger exzentrisch veranlagter läufige Treppe ins Obergeschoss mit dem Vortragssaal. Künstler» die Rede; und der deutsche Heimatschützer Fortsetzung S. 40 Paul Schultze-Naumburg kritisierte, man könne den Bau nicht von einer Schuh- oder Fahrradfabrik, von Werkstätten für kosmetische Artikel oder einer Milch- zentrale unterscheiden.3 Eigentümer Baumeisterarbeiten Kanton Zürich Anliker, Zürich Neue Technik und mehr Platz Architektur Museum Lichtplanung Ruggero Tropeano Matí, Adliswil ZH Im Lauf der Jahre hat das 1930 bis 1933 errichtete Architekten, Zürich Einbauten Empfangsmöbel Museumsgebäude einige Veränderungen erfahren Bauherrenvertretung Metall Werk, Zürich (vgl. Chronologie S. 42). Einschneidend war der Einzug Baudirektion Kanton Beleuchtung eines Zwischenbodens im doppelgeschossigen Bereich Zürich Moos Licht, Luzern der Ausstellungshalle 1958, auf der Höhe der rundum Tragwerksplanung Bodenbeläge, Textilien verlaufenden Galerie. In den 1990er-Jahren erfolgte, als Dr. Deuring + Oehninger, Daniel Fournier, Winterthur es dringend notwendig geworden war, die Renovation Regensdorf ZH der Fassaden und des Flachdachs. Zuvor war der Bau Beratung Türen, Tore Erdbebenertüchtigung unter Denkmalschutz gestellt worden und von der Stadt Hugo Bachmann, Prof. Surber Metallbau, an den Kanton übergegangen. Nach dem Umzug der Dietikon ZH em. ETH, Dr. sc. techn., Zürcher Hochschule der Künste ins Toni-Areal 2014, Dr. h. c., Dübendorf Fenster in dem das Museum für Gestaltung Zürich einen zwei- Holzmanufaktur, Bauleitung / Kostenplanung Hunzenschwil AG ten Ausstellungsort erhielt (vgl. TEC21 39/2014), konn- KSORA, Zürich (Vollen- weider Baurealisation, Elektroarbeiten ten nun der Museums- und der Schultrakt instandgesetzt Schlieren ZH) Burkhalter Technics, werden – notabene jeder für sich und durch verschiedene Zürich HLKK-Planung Architekten (für den Umbau der ehemaligen Kunstge- Amstein + Walthert, Lüftungsarbeiten werbeschule zeichneten Silvio Schmed und Arthur Zürich Hälg, Zürich
38 Museum für Gestaltung Zürich TEC21 35/2018 Schnitt A-A Schnitt B-B Schnitte A-A / B-B Schnitt A-A 0 1 5 10 m Längs- und Querschnitt durch den Museumstrakt , Mst. 1 : 1000. ruggero tropeano architekten tropeano ag am wasser 24 ch-8049 zürich +41 44 212 08 00 Die neue verglaste Wand im Galeriegeschoss wurde aus konservatorischen und brandschutztechnischen Gründen eingefügt. tropeano ag am wasser 24 ch-8049 zürich +41 44 212 08 00 Links: Grundrisse 1. UG, Erdgeschoss, 1. OG; 10 m Mst. 1 : 1000. ruggero tropeano architekten 5 1 Neuer Ausstellungsraum in der Maillart-Halle 1 0 2 Eingang 3 Foyer mit Shop und Café Schnitt B-B 4 Ausstellungshalle 5 Galeriegeschosse Ausstellungshalle A 6 Auditorium 6 Li m m at Si 5 hl qu ai P l ä n e : R u g g e r o Tr o p e a n o A r c h i t e k t e n Au ss tropeano ag am wasser 24 ch-8049 zürich +41 44 212 08 00 te Kl llu in ng ge 10 m st na ra nl ss ag ruggero tropeano architekten e e 5 1 0 e ss ga Li m um m Ba at st ra ss e A e Der Gebäudekomplex befindet sich an zentraler ss ra 2 st Lage in der Nähe des Hauptbahnhofs zwischen er fn Ha Klingenpark und Limmat. Mst. 1 : 7000. 4 3 Restaurierung der Gewerbeschule tropeano ag am wasser 24 ch-8049 zürich +41 44 212 08 00 Architekten: Arthur Rüegg 10 m Situationsplan und Silvio Schmed, Zürich ruggero tropeano architekten 5 Bauzeit: 2015 bis 2017 0 20 100 200 m 1 0 Aus Kostengründen wurde die auf- wendige Sanierung des Schultrakts ruggero tropeano architekten in einem eigenen Verfahren vergeben . tropeano ag am wasser 24 ch-8049 zürich +41 44 212 08 Wichtigste Massnahmen: Einfügen eines Infozentrums im Erdgeschoss, Einbau von Schulküchen im Unter- geschoss und von Spezialunterrichts- räumen im 1. Obergeschoss, Wieder- herstellung des «Gelenkraums» am Übergang zum Kunstgewerbemuseum 1 im 2. Obergeschoss, Umwandlung des ehemaligen Aktzeichensaals im 5. Obergeschoss in einen Mehrzweck- saal, neue Brandabschlüsse in den Gängen (vgl. «Von der Kunstgewerbe- zur Berufsschule», S. 17)
TEC21 35/2018 Museum für Gestaltung Zürich 39 Durch die kühlen Wandfarben erscheinen die Flächen aus natürlichen Materialien wie Holz und Ziegelstein besonders warm. Fotos: Georg Aerni Die weissen Leuchten in der Eingangshalle betonen den Tresen und den Cafébereich an der Fassade (hier noch nicht eingerichtet). Sie fügen dem funktionalen Innenraum eine grafische Ebene hinzu.
40 Museum für Gestaltung Zürich TEC21 35/2018 Daneben gelangt man über eine weitere Treppe ins Bewahrt und rekonstruiert Untergeschoss, wo nun zusätzliche Ausstellungsräume eingerichtet worden sind, von denen einer wegen der Der Umgang mit dem Denkmal umfasst Schritte vom dortigen charakteristischen Pilzstützen nun «Maillart- Restaurieren über das teilweise Wiederherstellen bis Halle» heisst – Robert Maillart war seinerzeit zustän- zum Ergänzen. Die zum Ausstellungssaal hin neu ein- dig für die Tragkonstruktion des Museumstrakts. gefügte zweite Glaswand sowie die ebenfalls neue raum- Wie selbstverständlich bewegen sich die Besucher jetzt hohe Verglasung entlang der Galerie entsprechen den auf verschiedenen Etagen durch die Ausstellung. Forderungen zum Raumklima. Der Thekenkorpus für Mit der Gesamtinstandsetzung sollte der wert- die Cafeteria ist wie die dazugehörige Küche völlig neu. volle Bauzeuge so weit als möglich in seinen ursprüng- Eine Besonderheit sind Bauteile, die keine Verwendung lichen Zustand zurückgeführt werden, wobei den heu- mehr finden, auf Wunsch der Denkmalpflege aber gleich- tigen Anforderungen bezüglich Brandschutz und wohl wieder zum Einbau kamen, wie Bauberater Lukas Erdbebensicherheit sowie allgemein der Nachhaltigkeit Knörr im Gespräch ausführt: Diese Relikte besitzen Rechnung getragen werden musste. Im 1994 unter den zwar keine unmittelbare Funktion mehr, aber eine denk- Beteiligten vereinbarten Schutzvertrag sind teils mate- malpflegerische – quasi als archäologische Dokumente. riell, teils konzeptionell geschützte Elemente festgehal- Beispielsweise wurden auf der Galerie originale Teil- ten. Im Einzelnen suchten Ruggero Tropeano und die stücke des Linoleumbodens, der getüpfelten Tapete und Kantonale Denkmalpflege, die das Instandsetzungs- und des Drahtglas-Geländers angebracht. Umbauprojekt begleitete, gemeinsam nach verträglichen Sichtbares Zeichen der Neueröffnung ist die Lösungen (vgl. «Von Verlusten und Entdeckungen», S. 41). Gebäudebeschriftung an der Fassade: In grossen Lettern steht «Museum für Gestaltung» anstatt dem frühe- Ausgebessert und ergänzt ren «Kunstgewerbemuseum». Hierfür wurde die origi- nale Typografie des Grafikers Ernst Keller eingesetzt, Um die Ausstellungsräume auf den geforderten Stand von dem auch die übrige Signaletik im Gebäude stammt; zu bringen, wurden eine Lüftungs- und eine Klimaan- einzelne bisher nirgends verwendete Buchstaben lage installiert. Der Zugang zu den neuen Ausstellungs- mussten allerdings nachempfunden werden. Neu ist flächen im Untergeschoss wurde mit einer Glastürwand die abendliche Hinterleuchtung der Beschriftung. im Foyer und einer indirekten Beleuchtung im Treppen- Das wesentliche Resultat der Instandsetzung haus, die sich in die Architektur einfügt, aufgewertet. ist zweifellos die Demontage der eingangs erwähnten Diese und viele weitere Veränderungen bemerkt man erst Zwischendecke im Ausstellungssaal und der Büro- beim genauen Hinsehen. Ruggero Tropeano, der seit rund einbauten auf der Galerie. Damit präsentiert sich das 25 Jahren die baulichen Massnahmen im Museumsge- moderne Denkmal wieder mit dem basilikalen Quer- bäude vornimmt, spricht denn auch von einer Vorgehens- schnitt, dem es seine einzigartige räumliche Qualität weise, die dem «Kunststopfen» gleicht: ein stellenweises verdankt. Das Museum für Gestaltung Zürich ist seiner Ausbessern und unauffälliges Ergänzen – wie beim Fli- ursprünglichen Architektur gemäss wieder hergestellt cken eines Pullovers. Beispielhaft für diese Haltung ist und für den weiteren Gebrauch aufgerüstet. Den Archi- die Erneuerung der Beleuchtung: An der Decke der Aus- tekten gelang es aufgrund ihrer jahrelangen Beschäf- stellungshalle wurden richtbare Spots auf Schienen tigung mit dem Museum, adäquate Lösungen für die appliziert. Im Foyer kamen zum einen Neonröhren hinzu, Integration aktueller technischer Anforderungen zu die linear zum Treppenhaus hin verlaufen, und zum ande- finden. Ihr respektvoller und einfühlsamer Umgang mit ren bewegliche Bolich-Leuchten, ähnlich wie sie einstim diesem komplexen Denkmal überzeugt. • Aktzeichensaal hingen (vgl. Abb. S. 39). Für Treppenhaus und Vestibül hatte Tropeano schon in den 1990er-Jahren Michael Hanak, Kunst- und Architekturhistoriker; hanak@swissonline.ch zusammen mit der Firma Neue Werkstatt zylinderförmi- ge Pendelleuchten entwickelt. Stellenweise kamen die alten gerundeten Opalglasleuchten zur Wiederverwen- Anmerkungen dung, so in der möglichst originalen Raumachse mit den 1 Vgl. Gewerbeschule und Kunstgewerbemuseum Treppen zur Galerie der Ausstellungshalle. Auch die der Stadt Zürich. Festschrift zur Eröffnung des Neubaus charakteristischen orange-beige-braunen Platten aus im Frühjahr 1933, Zürich 1933. Lausener Klinker am Boden wurden geflickt und ergänzt. 2 Neue Zürcher Zeitung, 7. August 1927. In den Seitenschiffen der Ausstellungshalle liegt da, wo 3 Vgl. Heimatschutz 1930, Nr. 1, S. 16. Erneuerung nötig war, in Anlehnung an das ursprüng- 4 Vgl. Reprofilierung der Architektur des Gebäudes liche Linoleum ein schwarzer Gummigranulatbelag. der Kunstgewerbeschule der Stadt Zürich von 1932 – Die Holzrahmen der Fenster wurden instand- Ein Auftrag, hg. von der Kunstgewerbeschule der Stadt gesetzt, zusätzliche Isoliergläser innen angebracht und Zürich, Schule für Gestaltung, Zürich 1981. Darin wurde u. a. bereits die Wiederherstellung der Ausstel- fast alle Fensterbänke ersetzt. Alte Glasscheiben mit lungshalle gefordert. kleinen Rissen beliess man jedoch. Durch den Rückbau zwischenzeitlicher Modifikationen an den Metalltüren Einen Film zum Rückbau der Hallendecke und und -fenstern im zwischenzeitlichen Eingangsbereich zusätzliches historisches Material finden Sie auf ist die Transparenz wiederhergestellt. espazium.ch/mfg-zh
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