Rückblick auf das 8. Kolloquium der Bildungsgremien - DVGW ...
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BILDUNGS | welten Rückblick auf das 8. Kolloquium der Bildungsgremien Am 9. und 10. Februar 2021 hat das 8. Kolloquium der Berufsbildungsgremien von AGFW, BDEW, DVGW, rbv und VDE erstmals als Online-Veranstaltung stattgefunden. In der von DVGW-Vorstand Dr. Wolf Merkel eröffneten und von Dr. Markus Lermen (Leiter DVGW Berufliche Bildung) und Dr. Markus Ulmer (Prokurist und Leiter Leitungsbau Stadtwerke Karlsruhe Netzservice GmbH und Vorsitzender DVGW-Bildungsbeirat) moderierten Veranstaltung wurden aktuelle Entwicklungen bei der Zukunftsgestaltung und zentrale Themen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung in der Energie- und Wasserbranche aufgezeigt. Der Beitrag fasst die wichtigsten Statements und Ergebnisse des zweitägigen Formats zusammen. Wir gehen nicht mehr Führungskräfte herauszubilden, die als Lern- coaches agieren, ihren Mitarbeitenden über ins Internet – wir sind « institutionalisierte Lernformate hinaus die im Internet! Freude am Lernen nahebringen und ihnen hel- fen, in den (Lern-)Flow zu kommen. Dr. Anja C. Wagner, FrolleinFlow GbR Wenn wir anders Das Internet ist überall! Während das SpaceX- Tochterunternehmen Starlink den Aufbau ei- arbeiten wollen, brauchen nes Internet-Netzwerks mit Tausenden von Sa- wir auch den Mut, die telliten plant, um ein Hochgeschwindigkeits- Internet auf der ganzen Welt bereitzustellen, hat Dinge anders zu machen! der digitale Plattformkapitalismus die COVID- Hans-Joachim Mayer, 19-Krise genutzt und alle Branchen tiefgreifend disruptiert. Die Welt hat sich – in vielfacher Stabsabteilungsleiter Hinsicht – verdoppelt. Flexible Datenstruktu- Personal- und ren und Prozesslogiken sind erforderlich, wäh- Kulturentwicklung, rend unser digitales Ich jeden Tag aufs Neue MVV Energie AG digitale Versionen von uns selbst entwirft. Li- neare Modelle und Formalisierungsversuche funktionieren nicht mehr, gerade und insbe- sondere nicht in der Bildung! Immer mehr Menschen orientieren sich – beruflich wie pri- vat – im Laufe ihres Lebens neu für einen zwei- ten, dritten und vierten Start. Neben Macro- In der neuen MS-Office-365-Welt sind Unterneh- Lernen (etwas Neues machen) braucht es mehr men wie auch ihre Mitarbeitenden gleicherma- Micro-Flow, sich der verschiedenen (digitalen) ßen gefordert, sich einer neuen hybriden/virtu- Kanäle und Tools für das jeweils benötigte Wis- ellen Zusammenarbeit zuzuwenden, in neuen sen zu bedienen. Das setzt auf persönlicher Ebe- Prozesslogiken zu denken und Arbeitsprozesse zu ne Selbstreflexion voraus, für sich sein eigenes verändern. Die Herausforderungen dabei sind Lernsetting und seinen eigenen Lernstil zu fin- mannigfaltig: Immer mehr Programme und An- den. Auf unternehmerischer Ebene wiederum wendungen laufen parallel auf dem PC, die es im bedarf es eines neuen Verständnisses von Wei- Sinne eines effizienten Zeitmanagements nicht terbildung, das darauf abzielt, in Learning & als „Add-On“, sondern als Möglichkeit neuer Be- Development-Abteilungen Macro-Einheiten dien- und Arbeitsweisen zu begreifen und anzu- bereit zu halten und gleichzeitig Manager und wenden gilt. Dabei steht die berufliche Nutzung 2 energie | wasser-praxis 4/2021
– gefangen hinter der Firewall – häufig hinter der digitalen in die Fachkraft-Qualifikation einzubringen. Die gemeinsa- Realität im Privatleben zurück. Neben der reinen Technologie me Kernqualifikation aller vier UT-Berufe soll von derzeit 15 findet die Verstetigung von Digitalisierung primär in den Köp- auf zwölf Monate verkürzt werden und künftig zwölf gemein- fen der Anwenderinnen und Anwender statt. Best-Practice- same Ausbildungsfelder umfassen. Die eingekürzten drei Erfahrungen zeigen, dass Mitarbeitende sich mit verschiede- Monate sollen der Fachqualifikation zugutekommen, die von nen Geschwindigkeiten durch die neuen virtuellen Anwen- derzeit 21 auf 24 Monate verlängert wird. Anfang 2020 wur- dungen bewegen. Während die eine Gruppe diese bereits rasant den die von den Verbänden erarbeiteten Eckpunkte zur Über- praktiziert, ist die andere Zuschauer ohne Bezugspunkt zur arbeitung der bestehenden Ausbildungsordnungen den So- neuen Welt. Genau hier ist die Unternehmensleitung gefragt, zialpartnern vorgelegt. Bei einem Antragsgespräch beim Bun- beide Gruppen zusammenzubringen und zu fördern. MS Of- deswirtschaftsministerium (BMWi) werden die Sozialpartner fice 365 ist überkomplex und erfordert eine Überkommunika- die gewünschten Änderungen vortragen. Die Anpassung wird tion. Transparente Schrittfolgen, die Vermeidung von Über- sodann über ein Neuordnungsverfahren unter Abstimmung fülle, Einräumung von Mitbestimmung und nicht zuletzt von Bund (Entwurf Ausbildungsordnung; Betrieb) und Län- ausreichend Raum zum Spielen und Ausprobieren sind wesent- dern (Entwurf Rahmenlehrplan; Schule) ablaufen. Von zen- liche Voraussetzungen des Implementierungsprozesses. Für traler Bedeutung wird dabei die Frage sein, wie informelle die Entwicklung einer neuen Lernkultur braucht es neben Zeit Wissenswege stärker (und in Zusammenarbeit mit den Be- auch mehr Selbstbestimmung; dies erfordert nicht zuletzt Mut rufsschulen) in die formale Ausbildung integriert und in den von allen Seiten. Mut von Seiten der Mitarbeitenden, sich auf Rahmenplänen manifestiert werden können, mit dem Ziel, den neuen Weg einzulassen und Selbstverantwortung zu über- eigenständiges Lernen zu fördern. nehmen. Und Mut von Seiten der Unternehmen, unterschied- liche Lerngeschwindigkeiten der eigenen Belegschaft zuzulas- sen und zu akzeptieren. Wir brauchen dringend ein deutschlandweit anerkanntes Die voranschreitende Digi- Qualifizierungskonzept zur talisierung in der Wasserversor- Weiterbildung von Fachkräften gung muss konsequent bereits für den Glasfaserausbau! in der Ausbildung durchdacht Matthias Rinder, Leiter Ausbildungs- und verankert sein. zentrum Netze BW und Obmann Björn Mattheß, Leiter Wasser AGFW/DVGW/RBV/VDE- versorgung und Abwasserreinigung, Gremienverbund Ingenieur Stadt Groß-Umstadt qualifikation Die Corona-Pandemie hat einen weltweiten Digitalisierungs- schub ausgelöst, und in Zeiten von Homeoffice werden stabi- le und schnelle Datenverbindungen immer wichtiger. Die Etwa alle 20 Jahre werden die Berufsbilder angepasst. Für die Glasfasertechnik kann dies zwar gewährleisten, gleichzeitig 2002 eingeführten vier umwelttechnischen Ausbildungs bringen der dafür erforderliche Netzausbau und die damit berufe (Fachkraft für Wasserversorgungstechnik, Fachkraft verbundene Suche nach qualifizierten Fachkräften auch He- für Abwassertechnik, Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Indus- rausforderungen mit sich. Wie die Qualifizierung und Wei- trieservice sowie Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirt- terbildung zur Fachkräftegenerierung zu gestalten ist, aber schaft) drängt somit die Zeit – auch vor dem Hintergrund der auch welche Kompetenzprofile der Ausbilder/die Ausbilderin stark fortschreitenden Digitalisierung in der Wasserversor- und welche Anforderungen an die vermittelnden Bildungs- gung. Bis zum geplanten Abschluss der Anpassungen im Jahr stätten erforderlich sind, steht im Fokus der neu gegründeten 2022/2023 sind in einem veränderten System- und Prozess- Initiative „Gremienverbund Breitband“ und deren Träger rbv, verständnis neue (Mess-, Steuerungs- und Regelungs-)Tech- DKE VDE und ZVEH. Die Initiative erarbeitet derzeit ein nologien, sich daraus ergebende neue Tätigkeiten und erfor- deutschlandweites, modulares Weiterbildungskonzept Glas- derliche (IT- und Anwendungs-)Kenntnisse zu evaluieren und fasertechnik gemäß der VDE-Leitlinie 0800. energie | wasser-praxis 4/2021 3
BILDUNGS | welten Meine Erfolgsformel: Corona hat auf die A(daptionsfähigkeit) Digitalkompetenz eine + D(igitale Kompetenz) etwa so positive Wirkung = E(rfolg für das erzielt, wie es ein Aus- Unternehmen) « landsaufenthalt auf das Erlernen einer neuen Julia Kranenberg, Personalvorständin Avacon AG Sprache hat. Ron-Arne Sydow, Corona hat die Digitalisierung in den Unterneh- men erheblich beschleunigt und unsere Arbeits- Geschäftsführer welt nachhaltig verändert. Im Zeitraffer und un- Callidus Energie GmbH ter starkem Druck wurde die Arbeitssituation immens modifiziert und so die digitale Transfor- mation vorangetrieben. Hybride und flexible Ar- beitsplatzmodelle und die Etablierung von virtu- eller Zusammenarbeit und Homeoffice sind in der Krise unerlässlich geworden. Im „New Nor- mal“ wird der kompetente Umgang mit digitalen Technologien und Kollaborationstechniken zur zentralen Voraussetzung für den wirtschaftlichen Digitalisierung ist ein menschliches Thema. Unternehmenserfolg und die gesellschaftliche Häufig mangelt es weniger an Technologien Teilhabe. All das erfordert eine veränderte Füh- und an Geld, sondern vielmehr an fehlenden rungskultur. Adaptionsfähigkeit ist dabei die ent- Kompetenzen und an persönlicher Verände- scheidende Schlüsselkompetenz – sowohl für die rungsbereitschaft. Stellen Sie sich eine Kern- Führungsebene wie auch für das Betriebsperso- sanierung vor, während die Bewohnerinnen nal. Damit einher gehen Flexibilisierung, Nach- und Bewohner in ihrem schon bestehenden haltigkeit, Selbststeuerung, Offenheit und posi- Haus sitzen bleiben und die Mehrheit sich tive Nutzungsbereitschaft für digitale Tools. Und fragt, warum die Dinge nun anders gemacht nicht zuletzt braucht es eine kooperative Vertrau- werden müssen. Die Einführung eines einzel- enskultur als stabilisierenden Faktor, um die Re- nen „digitalen Messias“, der über jede Menge silienz der Mitarbeitenden in dieser von Unsicher- digitale Strahlkraft verfügt und alles richtet, heit geprägten Welt zu erhalten und zu steigern. hat sich als wenig hilfreich erwiesen. Viel- Auch in der Ausbildung sind mit innovativen mehr sind veränderte Kompetenzanforderun- Vorgehensweisen unter Einbeziehung der Azubis gen für Führungskräfte, Anwenderinnen und die Prozesse neu zu gestalten und die Themen Anwender und digitale Gestalter gleicherma- Netzkompetenz, Arbeitssicherheit und Digitali- ßen erforderlich. Die meisten Mitarbeitenden sierung über virtuelle Trainings motivierend und sind zwar bereits Anwender digitaler Techno- arbeitsplatznah zu verbinden. logien, damit aber nicht automatisch Treiber der Digitalisierung. Digitale Gestalter sind von dem Gedanken an Veränderung und In- INFORMATIONEN novation begeistert und können so gemein- sam wichtige Leuchtturmprojekte in der Or- Ihre Mitarbeit ist gefragt! ganisation anschieben. Die Entwicklung ei- ner „Digital Literacy“ fasst grundlegende Um die aus der Avacon-Umfrage generierten Ergeb- Kompetenzen, Fertigkeiten und Fähigkeiten nisse für die Arbeit im Gremienverbund weiter zu dif- zusammen, die von allen erforderlich sind, ferenzieren, freuen wir uns auch über das Feedback Ihrer Auszubildenden. Die ca. fünf bis zehn Minuten dauernde Umfrage ist um sich im digitalen Raum frei bewegen zu über den Direktlink im E-Paper oder über das Scannen des unten ange- können und Probleme zu lösen. Hier hat die fügten QR-Codes mittels Smartphone möglich. Teilnahmeschluss ist der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr wie 30. April 2021; über die Auswertung der Ergebnisse wird zu einem späte- ein Auslandsaufenthalt in den digitalen Tech- ren Zeitpunkt berichtet. nologien gewirkt. Denn wie man eine Sprache nun einmal sprechen muss, um sie zu lernen, 4 energie | wasser-praxis 4/2021
muss man auch in den digitalen Technologi- en ins Handeln kommen, experimentieren Mit den Erfahrungen und ausprobieren, um voranzukommen. im Jetzt ist es nun an uns, die Ausbildung im Gemessen an den Morgen zu gestalten. rasanten Entwicklungen Daniel Plötz, Ausbil- der letzten 20 Jahre stellt dungsleiter, Avacon sich die Frage: Was Netz GmbH und Obmann AGFW/DVGW/ erwartet uns in 2040? rbv/VDE-Gremienver- bund Facharbeiter, Melanie Stöcker, Meister und Techniker Sales Managerin B2G, Cornelsen eCademy & Inside GmbH In der letzten Ausgabe der ewp-Bildungswelten wurde bereits ausführlich über die Azubi-Um- frage der Avacon AG berichtet (siehe ewp 03/2021, Seite 76–79). Darauf aufbauend hat Daniel Plötz im Kolloquium den Dialog mit den vier Auszubildenden Emily Gerasch, Tim Schüt- Ende der 1990er-Jahre wurde das Tamagotchi, ze, Julia Herm und Florin Hoffmann gesucht ein aus Japan stammendes Elektrospielzeug, und mit ihnen über Werte, Herausforderungen populär. Seit dieser Zeit haben sich die techno- und Perspektiven diskutiert. Bei allen Chancen logischen Entwicklungen rasant beschleunigt. des durch Corona beschleunigten digitalen Wir befinden uns mitten in der industriellen Austausches und Lernens stehen das soziale Revolution 4.0. Die weitgehende Vernetzung Miteinander und das persönliche Erleben für von Menschen, Maschinen, Anlagen, Logistik die vier Azubis im Vordergrund. Ein regelmä- und Produkten birgt verschiedene Herausfor- ßiger Austausch mit den Ausbilderinnen und derungen, an der Unternehmensspitze wie Ausbildern wird geschätzt. Virtual Reality hilft auch in der Breite. Zum einen sind Spezialisten in der Vorbereitung praktischer Lerninhalte – für den Umgang mit transformativen Techno- das Gefühl, auf einen Mast zu klettern, lässt sich logien als knappe Ressource am Arbeitsmarkt auf diesem Weg jedoch nicht vermitteln. Ver- gefragt. Zum anderen erfordern neue Arbeits- trauen und hinreichende Freiräume für den formen ein verändertes Set an digitalen und Austausch in digitalen Plattformen sind wichtig nicht-digitalen Schlüsselqualifikationen in der – auch, um neue Auszubildenden zu integrie- Breite aller Mitarbeitenden. Neue digitale Lern- ren. Im Sinne eines „Reverse Mentorings“ kön- formate können (private) Mediennutzungsge- nen Azubis ihre eigene digitale Expertise ein- wohnheiten aufgreifen und dabei helfen, kom- bringen und an die Ausbilderinnen und Ausbil- plexe Lerninhalte besser fassbar zu machen. der weitergeben – ein schönes Gefühl, das die Durch die Kombination von E-Learning und eigene Wertschätzung steigert. W Virtual Reality lassen sich neue Lernszenarien ermöglichen. Gerade für die Gewinnung junger Fachkräfte sind Begeisterung und Neugier in Bezug auf neue Medien und deren Einsatz in der betrieblichen Fort- und Weiterbildung be- sonders wichtig. Im Rückblick auf den rasanten Fortschritt seit dem Jahr 2000 haben wir bezüg- Kontakt: lich der noch kommenden technologischen Konstanze Eickmann-Ismail Entwicklungen und der sich daraus ergebenden DVGW Berufliche Bildung neuen Herausforderungen und Chancen in den Tel.: 0228 9188-778 kommenden 20 Jahren einiges zu erwarten. E-Mail: konstanze.eickmann@dvgw.de energie | wasser-praxis 4/2021 5
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