Sandor Ellix Katz So einfach ist Fermentieren - Leseprobe

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Sandor Ellix Katz So einfach ist Fermentieren - Leseprobe
Sandor Ellix Katz
                         So einfach ist Fermentieren
                                            Leseprobe
                                     So einfach ist Fermentieren
                                       von Sandor Ellix Katz
                                     Herausgeber: Kopp Verlag

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F  ermentierte Nahrungsmittel umgibt etwas Geheimnisvolles, das
   viele Menschen als beängstigend empfinden. Da eine gleichblei-
bende Qualität fermentierter Fabrikprodukte nur durch sorgfältige
Sterilisierung, exakte Temperaturen und kontrollierte Kulturen er-
reicht werden kann, vermuten viele, dies alles sei für den Fermentati-
onsprozess unerlässlich. Diese falsche Auffassung wird durch die Li-
teratur über Bierbrauen und Weinmachen zumeist noch bestärkt.
   Mein Rat lautet: Machen Sie sich frei vom Kult des Expertentums.
Haben Sie keine Angst, lassen Sie sich nicht einschüchtern. Vergessen
Sie nicht, dass alle Fermentierungsprozesse viel älter sind als die
Technik, durch die sie so viel komplizierter gemacht wird. Für die
Fermentation brauchen Sie keine speziellen Geräte. Nicht einmal ein
Thermometer ist nötig (auch wenn es hilfreich sein kann). Fermen-
tierung ist einfach, aufregend und für jeden machbar. Mikroorganis-
men sind flexibel und anpassungsfähig. Natürlich lassen sich Nuan-
cen über den Fermentierungsprozess lernen, und wenn Sie sie
beachten, werden Sie klüger. Aber die grundlegenden Prozesse sind
einfach und geradeaus. Hier ist ein Beispiel:

 Tej (Honigwein auf äthiopische Art)
  Benötigte Zeit 2 bis 4 Wochen
  Geräte Ein Vier-Liter-Keramiktopf oder ein entsprechend großes Glas
  mit großer Öffnung oder ein Plastikeimer • Ein Vier-Liter-Glaskrug
  Ein Gärstopfen (für wenig Geld im Haushaltswarengeschäft erhältlich,
  in der Abteilung für Brauer- und Winzerbedarf; er ist hilfreich, aber
  nicht unbedingt erforderlich)
  Zutaten (für 4 Liter) 750 ml Honig (möglichst unbehandelt)
  3 I Wasser

  Und so wird's gemacht
  1. Wasser und Honig im Keramiktopf oder Glas mischen. Gut umrühren,
  bis der Honig völlig gelöst ist. Mit einem Geschirrtuch oder einem Stück
  Stoff bedecken und einige Tage in einem warmen Raum abstellen. Rüh-

Leseprobe von S. E. Katz, „So einfach ist Fermentieren“
Herausgeber: Kopp Verlag
Leseprobe erstellt vom Narayana Verlag, 79400 Kandern,
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  ren Sie hin und wieder um, mindestens aber zweimal täglich. Sie können
  darauf vertrauen, dass die Hefepilze aus der Luft von dem honigsüßen
  Wasser angezogen werden.
  2» Nach drei bis vier Tagen (länger bei Kälte, schneller bei Hitze), sollte das
  Gebräu schäumen und angenehm riechen. Sobald es blasig wird, geben
  Sie den Wein in einen sauberen Glaskrug. Ist dieser nicht ganz voll, kön-
  nen Sie ihn mit Wasser und Honig im Verhältnis 4:1 auffüllen. Mit einem
  Gärstopfen verschließen, durch den Luft heraus- aber nicht hineingelan-
  gen kann. (S. Abb. auf Seite 225). Wenn Sie keinen Gärstopfen auftrei-
  ben können, verschließen Sie die Flasche mit einem Ballon oder einem
  Glasverschluss, der die Flasche locker verschließt und gegen die Luft ab-
  schließt, den Druck aber entweichen lässt.
  3» Zwei bis vier Wochen stehen lassen, bis das Blubbern nachlässt. Das ist
  »Instant«- Belohnungs-Wein. Trinken Sie ihn jetzt oder lassen Sie ihn
  noch reifen (s. Seite 227).

Köstlicher, berauschender Wein kann so einfach sein wie hier be-
schrieben. Variationen dieses Grundrezepts mit zusätzlichen Früch-
ten oder Kräutern finden Sie auf S. 231.

Selbermachen
Selbermachen ist ein Ethos, dem viele verschiedene Leute frönen. Es ist
ein Zeichen von Selbstbefähigung und Lernbereitschaft. Selbermacher
sind beispielsweise Gärtner, Leute, die »aus dem Nichts« kochen, Klei-
der nähen, handwerken, Dinge bauen und reparieren oder Heilkunst
betreiben. Der anarchistischen Punk-Kultur dient das Do-it-yourself,
kurz d.i.y., zum Lebensmotto. Im Internet eine »Zine« herauszugeben,
in einer Band mitzuspielen, in Müllcontainern nach noch perfekt ver-
wertbarem Essen zu suchen, Häuser zu besetzen, Aktivismus und
Events zu veranstalten, bei dem man Wissen und Fähigkeiten aus-
tauscht, sind Beispiele für diese Herangehensweise des Do-it-yourself.

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Selbermachen   57

   Das Gleiche gilt für das Siedeln auf dem Land. In Short Mountain,
wo ich lebe, bauen und warten wir unsere eigene Infrastruktur, ein-
schließlich Solarstrom, Telefonverbindungen und Wasserversorgung.
Wir halten Ziegen und Hühner, bauen einen großen Teil unseres Es-
sens selbst an und errichten und pflegen die Häuser und Hütten, in
denen wir wohnen. Unter uns sind Leute, die Musik machen, die
Garn spinnen und färben, stricken, häkeln, nähen oder Autos repa-
rieren. Ländliche Siedlungen sind ein Zufluchtsort für Menschen, die
sich als Generalisten entwickeln wollen. »Zurück aufs Land« zu zie-
hen, bedeutet einen langen Prozess der Aneignung von Fähigkeiten,
die auszusterben drohen. Ich empfinde es als enorme Befriedigung,
Techniken zu lernen, mit denen ich fast alles machen kann.

Die Do-it-yourself-Fermentation ist eine Reise von Versuch und Ent-
deckung. Eigentlich richtiger von Wiederentdeckung, denn wie das
Feuer oder einfache Werkzeuge gehört sie zu den grundlegenden
Transformationsprozessen, die unsere Vorfahren nutzten und auf de-
nen die menschliche Kultur beruht. Jede Fermentierung bringt ein-
malige Ergebnisse, beeinflusst nicht nur von den Zutaten, sondern
auch von Umgebung, Jahreszeit, Temperatur, Feuchtigkeit und ande-
ren Faktoren. Sie alle beeinflussen die Wirkung der Mikroorganis-
men, deren Tätigkeit diese Transformation möglich macht. Manche
Fermentierungen sind innerhalb weniger Stunden abgeschlossen, an-
dere brauchen Jahre.
   Fermentation erfordert normalerweise nur wenig Vorbereitung
oder Arbeit. Die meiste Zeit vergeht mit Warten. Die Do-it-yourself-
Fermentation ist von Fast Food so weit weg, wie es weiter nicht geht.
Viele fermentierte Dinge werden besser, je länger man sie gewähren
lässt. Nutzen Sie die Zeit, um das magische Wirken unsichtbarer Ver-
bündeter zu beobachten und darüber nachzudenken. Die Charoti in
Südamerika betrachten die Zeit der Fermentierung als »die Geburt
des guten Geistes«.1 Sie locken die guten Geister mit Musik und Ge-
sang herbei, beschwören den Geist, sich in dem Haus, das sie vorbe-

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 reitet haben, niederzulassen. Auch Sie können eine angenehme Um-
 gebung schaffen für den Geist, die Organismen oder den Ablauf, wie
 immer Sie es sich vorstellen möchten. Die Kraft ist bei Ihnen. Sie wird
 kommen.
   Ich bin jedes Mal sehr aufgeregt, wenn es in meinen Tontöpfen zu
schäumen beginnt und sich die Lebenskräfte bemerkbar machen.
Unweigerlich läuft der Prozess auch nach zehn Jahren Erfahrung
nicht immer wie geplant ab: Weine werden sauer, Hefen werden er-
schöpft, Maden befallen ältere Töpfe. Manchmal ist es einfach zu
heiß oder zu kalt für die Organismen, deren Aromen wir uns wün-
schen. Wir haben es mit launischen lebendigen Kräften zu tun, und
das manchmal über lange Zeiträume. Trotz aller Mühe, die wir uns
geben, um günstige Bedingungen für das gewünschte Ergebnis zu
schaffen, tun wir gut daran, uns daran zu erinnern, dass wir den
Verlauf nicht völlig in der Hand haben. Wenn bei Ihren Experimen-
ten etwas schiefgeht, was immer wieder mal passieren wird, lernen
Sie daraus und versuchen Sie, sich nicht entmutigen zu lassen. Füh-
len Sie sich frei, mir Fragen zu stellen (sandorkraut@wildfermenta-
tion.com). Und vergessen Sie nicht, dass die wertvollen Kulturen
eines Sauerteigs aus San Francisco oder der feinste Blauschimmel-
käse ihre Wurzeln in der wilden Fermentierung haben, die vor lan-
ger Zeit in einer Küche oder auf einem Bauernhof ablief. Wer weiß,
welche verlockenden heilenden Aromen in Ihrer Küche herumspu-
ken?

»Unsere Vollkommenheit liegt in unserer Unvollkommenheit« ist ei-
nes meiner Mantras in diesem Leben. Ich habe es von meinem Freund
Triscuit gelernt, als wir und einige andere Zimmerleute-Novizen ge-
meinsam unser Haus am Ende von Sex Change Ridge gebaut haben,
ungefähr eine Viertelmeile waldeinwärts vom »Zentrum« Short
Mountains entfernt. Wir nahmen Holz, das wir nach dem Abbruch
einer alten Coca-Cola-Abfüllfabrik retteten. Es ruht nun auf Pfeilern
aus Akazienholz von unserem Land. Wir lernten beim Bauen. Hätten

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Jedes Nahrungsmittel kann fermentiert werden   59

wir Einförmigkeit gesucht, wären wir mit der Anschaffung eines dop-
pelt breiten Wohnwagens besser beraten gewesen. Zum Glück woll-
ten wir in etwas Verschrobenem und Waldigem wohnen, und genau
da landeten wir. Unser Mantra gilt mit Sicherheit auch für die Fer-
mentation und ich wiederhole es oft. »Unsere Vollkommenheit liegt
in unserer Unvollkommenheit«. Wenn Sie völlig gleichförmiges, vor-
hersagbares Essen wollen, ist dieses Buch für Sie nicht richtig. Wenn
Sie bereit sind, mit winzigen Wesen, die sich irgendwie kapriziös ver-
halten und mit großen Transformationskräften ausgestattet sind, zu-
sammenzuarbeiten, dann lesen Sie weiter.

Jedes Nahrungsmittel kann
fermentiert werden
Ich weiß kein Nahrungsmittel, das nicht irgendwann fermentiert
wurde oder wird. Heute esse ich alles, aber früher war ich Vegetarier
und Veganer. Ich bin Teil einer demografischen Welle, die Trends bei
einer Generation reflektiert, die ich mir als post-vegetarisch denke.
Meine Erfahrung beruht auf der vegetarischen Küche und vegetari-
schen Fermentierung. Fermentationsprozesse mit Fleisch oder Fisch
gibt es überall, doch sie zu beschreiben, würde den Rahmen dieses
Buches sprengen. Würste, eingelegte Heringe und Fischsoßen sind
drei prominente Beispiele unter vielen. Eine fermentierte Fischsoße,
die Garum oder auch Liquamen genannt wurde, war das beliebteste
Gewürz im alten Rom, kaum anders als die vietnamesische Nuoc
Mam, die thailändische Nam Pia und viele andere fermentierte Fisch-
soßen, die heute in der südostasiatischen Küche gebräuchlich sind.
Menschen in den arktischen Regionen graben tiefe Gruben in den
Boden und füllen sie mit ganzem Fisch, den sie dann monatelang fer-
mentieren lassen, bis er eine käsige Konsistenz erreicht. Das Wort Su-
shi entstammt der japanischen Tradition, Fisch und Reis zusammen
zu fermentieren.

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   Hungrige Menschen auf der ganzen Welt haben Fermentations-
techniken nicht nur immer weiterentwickelt, um Nahrungsmittel
haltbar zu machen, sondern auch, um sonst ungenießbare Teile von
Tieren in nahrhaftes Essen zu verwandeln. In seinem Buch The In-
digenous Fermented Food of the Sudan, in dem er eine unglaubli-
che Vielfalt von fermentierten Produkten beschreibt, identifiziert
Hamid Dirar über 80 verschiedene Fermentierungsmethoden,
durch die das gesamte Fleisch und die Knochen eines Tieres ge-
nießbar gemacht werden. Miriss wird durch die Fermentierung von
Fett gewonnen, für Dodery werden gehackte Knochen in Wasser
fermentiert. Die Rezepte werden Sie hier nicht finden, aber viel-
leicht werden einige Leser dazu inspiriert, in diese Richtung zu ex-
perimentieren.

Die Grenzen verschwimmen
Wenn ich über fermentiertes Fleisch nachdenke, erinnert es mich da-
ran, dass der Unterschied zwischen einem perfekt fermentierten und
einem verrotteten Nahrungsmittel eine höchst subjektive Angelegen-
heit ist. Nachdem wir einmal eine Ziege geschlachtet hatten, ließ ich
einen Teil des Fleisches einige Wochen lang fermentieren. Ich gab es
in einen Vier-Liter-Keramiktopf, den ich mit einer Mischung aller
anderen lebendigen Fermente, die ich zur Hand hatte, auffüllte: Wein,
Essig, Miso, Joghurt und Sauerkrautsaft. Ich bedeckte den Topf und
stellte ihn in einer Ecke unseres Kellers ab. Es schäumte und roch gut.
Nach zwei Wochen gab ich das Fleisch mit der Marinade in einen
Topf, deckte ihn zu und briet alles im Backofen.
   Während das Fleisch garte, durchzog ein überwältigender Geruch
die Küche. Es roch wie ein sehr kräftiger Käse, den nur ein tollkühner
Gastronom seinen Gästen vorsetzen würde. Einigen schwindelte es,
sie fielen fast in Ohnmacht, und anderen wurde so schlecht, dass sie
den Raum verlassen mussten. Viele beschwerten sich über den Ge-

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Sandor Ellix Katz
                                    So einfach ist Fermentieren
                                    Wie Sie durch Vergärung
                                    wohlschmeckende und gesunde
                                    Lebensmittel herstellen: von Brot über
                                    Sauerkraut bis hin zu Bier und Wein

                                    304 Seiten, geb.
                                    erschienen 2014

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