126 Musiktheater - Hellerau
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er Eingang der Objekte« SPECIAL Octavian Nemescu CROMOS oder »[Der Eingang der Objekte« SPECIAL Octavian Nemescu CROMOS o P-01/2021 10,50 € Musiktheater 126
01/2021 Musiktheater 126 6 Impressum 7 Editorial 8 Checking the boxes with GRiNM 12 Vom totalen Soundscape zur Hubba-Bubba-Oper – Gespräch mit Óscar Escudero, Sara Glojnarić, Marie-Anne Kohl und Richard Janssen von Dorte Lena Eilers und Bastian Zimmermann 23 Theatermusik zwischen Verweisnetz und Sounddesign, Subtext und Gegenklang von Otto Paul Burkhardt 33 Die Probenarbeit ist der Kompositionsprozess – Gespräch mit Tobias Schwencke von Robert Sollich 40 Arbeiten in Wechselwirkung – Die kollaborative Entstehung eines Musiktheaterprojekts von Christina Lessiak 46 Castingshows als Musiktheater von Marie-Anne Kohl 52 Interkulturalität hören – die »TRX Studies« und Elnaz Seyedi von Insa Murawski 61 Octavian Nemescus »Muzică Imaginară« von Andra Amber Nikolayi 70 SPECIAL Octavian Nemescu: CROMOS oder »[Der Eingang der Objekte« Imaginäre Musik 1974–75 114 POSITIONEN Simultan, Timișoara; John Cage; Zeitschrift: Zeiltanz; Klanginstallation tamtam, Berghain; Aggregate/gamut inc.; Rebecca Saunders/Musikfest Berlin; Riot Ensemble; Liza Lim; Steirischer Herbst, Graz; Naomi Pinnock; Dystopie Sound Art Festival Berlin – Brasilien; Brandon Farnsworth: Curating Contemporary Music Festivals; Heart of Noise, Innsbruck; Huddersfield Contemporary Music Festival
POSITIONEN 126 6 IMPRESSUM Positionen. Texte zur aktuellen Musik Redaktionsadresse Gegründet 1988 von Gisela Nauck und Armin Köhler Positionen GbR, Dunckerstraße 48, 10439 Berlin Erscheinungsweise vierteljährlich – Februar, Mai, August, Email redaktion@positionen.berlin November | 34. Jahrgang www.positionen.berlin Herausgeber + Redaktion Positionen print kosten als Einzelheft 10,50 € (+ 2,00 € Andreas Engström & Bastian Zimmermann Versand), im Jahresabonnement 46 € (inkl. 8 € Versand), Gestaltung Studio Pandan (Ann Richter, Pia Christmann, Studierende 38 € (inkl. 8 € Versand), Institutionen 56 € Vreni Knödler) (inkl. 8 € Versand), Auslandabonnement Normal 58 € & Anzeigen marketing@positionen.berlin Institution 68 € (beide inkl. 20 € Versand), Förder- Creative Crowd Patrick Becker-Naydenov, Lisa Benjes, abonnement 100 € Fabian Czolbe, Sebastian Hanusa, Katja Heldt, Tobias Herold, E-Abonnement Einzelheft 6 €, Jahresabonnement 22 € Patricia Hofmann, Christian Kesten, Irene Kletschke, Gisela Nauck, Michael Rosen, Antje Vowinckel. ISSN 0941-4711 Korrespondent*innen Nina Noeske (Hamburg), Nina Polaschegg (Wien), Monika Voithofer (Graz), Christoph Haffter Mit freundlicher Unterstützung der (Lausanne/Genf), Monika Pasiecznik (Warschau), Heloísa Amaral (Brüssel), Sven Schlijper-Karssenberg (Amsterdam), Tim Rutherford-Johnson (London), Anette Vandsø (Århus), Peter Söderberg (Stockholm), Esaias Järnegard (Göteborg), Positionen ist Mitglied im Netzwerk Rūta Stanevičiūtė (Vilnius), YAN Jun (Peking), Giuliano Obici (Rio de Janeiro) Druck Zakład Poligraficzny Moś i Łuczak sp.j., Poznan Pa 11.04.– 02.05.2021 TONLAGEN use 30.Dresdner Tage der zeitgenössi- schen Musik hellerau.org/tonlagen
POSITIONEN 126 7 EDITORIAL V or zwei Jahren stand einmal in Frage, ob es mit den Positionen weiter- gehen wird. Ziemlich ungeachtet dessen, haben wir das Heft mit der einfachen Überzeugung übernommen, dass wenn man eine Zeitschrift kreiert, die wirklich im Hier und Jetzt tätig ist, die eigene, besondere Interessen verfolgt und die zudem den Diskurs und Meinungsaustausch nicht scheut, sie auch gelesen wird. So ist es auch geschehen, und nach zwei Jahren freuen wir uns in diesem Februarheft 2021 gleich zwei tolle Dinge ankündigen zu können. Mit diesem Heft übernimmt das Grafikstudio Pandan, namentlich Pia Christmann und Ann Richter, das Layout des Hefts. Wir freuen uns riesig über die Zusammenarbeit und auf die vielen kleinen und großen Ideen, wie man ein textfokussiertes Musikmagazin wie dieses weiterentwickeln und auf die Höhe zeitgenössischer Kulturmagazine bringen kann. Tausendmal danken möchten wir an dieser Stelle Swami Silva für das Design der zwei vergangenen, sehr schönen Neustartjahrgänge! Weiter freuen wir uns in diesem Heft eine Kooperation mit dem Theater- magazin Theater der Zeit präsentieren zu können. Zusammen mit der TdZ- Chefredakteurin Dorte Lena Eilers haben wir erdacht: Jeweils eine Autor*in des Hefts schreibt für das andere Heft. Für uns ist es Otto Paul Burkhardt zur Theatermusik, und für die TdZ schreibt die Positionen-Autorin Irene Lehmann über die performativen Arbeiten Berliner Musikensembles. Das dem Heft voranstehende Gespräch mit vier Musik- und Theaterschaffenden wurde von beiden Redaktionen geführt und findet sich in beiden Heften pub- liziert. Also schaut auch in TdZ-Märzausgabe rein, da gibt es noch mehr… und wenn alles gut gehen sollte, dann soll es in diesem sich doch hoffentlich bald zum Guten und Gesunden wandelnden Jahr 2021 ein gemeinsames Podium zu den neuesten Entwicklungen im Bereich hybrider Musiktheater- formen während des Tonlagen-Festivals im April geben! Was gibt es noch? Robert Sollich führte ein Interview mit dem Komponis- ten Tobias Schwencke zur Politik und Arbeitsweisen der Theatermusik. Einen Einblick in kollaboratives Arbeiten gewährt uns Christina Lessiak anhand ihrer eigenen Erfahrung in einem musiktheatralen Forschungsprojekt. Einer medial vermittelten und zugleich bombastischen Form von Musiktheater geht Marie-Anne Kohl nach: den internationalen Musikcastingshowformaten wie The Voice und Idol, was sich auch im Cover mit Mohammed Assaf, dem Gewinner von Arab Idol im Jahr 2013 niedergeschlagen hat. Was hier auf der Bühne verhandelt wird, davon träumt nur jede freie Musiktheatergruppe… Mit Insa Murawskis Analyse von Elnaz Seyedis Stück Fragments inside startet in den Positionen eine Serie, die spannende analytische Perspekti- ven aufgreift, diesmal der Inklusion subjektiver Höreindrücke. Und zu guter Letzt und damit aber mächtig im Zentrum dieser Ausgabe steht das von Andra Amber Nikolayi aufgearbeitete Schaffen und Wirken des rumänischen und im November 2020 leider frisch verstorbenen Komponisten Octavian Nemescu. Wir freuen uns sehr, dass wir im Special einen Ausschnitt seines Originalmanuskripts der Muzică Imaginară abdrucken zu dürfen. Die Über- setzung stammt von Eva Ruth Wemme. Andreas Engström & Bastian Zimmermann
POSITIONEN 126 12 GESPRÄCH Vom totalen Soundscape zur Hubba-Bubba-Oper ... Der Komponist Óscar Escudero, die Komponistin Sara Glojnarić, die Musikwissenschaftlerin Marie-Anne Kohl sowie der Sounddesigner Richard Janssen im Gespräch über Talentshows, Opern und den Wettstreit gegen Big Data DORTE LENA EILERS UND BASTIAN ZIMMERMANN Was heißt es, dem Menschen eine Stimme zu geben? Wie verändert sich der Alltagssound in Zeiten einer Pandemie? Wie klingt die Welt in der virtuellen Realität? Und wie demokratisch sind unsere Bühnen des Gesangs? Komponist*innen haben sich seit jeher mit der Übertragung von Welt in Klang beschäftigt. Das einsame Künstler*innengenie jedoch hat dabei längst ausgedient. Kollaboration ist das Stichwort der Stunde. Wir haben Prota- gonist*innen aus den verschiedensten Bereichen der Musikproduktion an einen Tisch gebracht: Die Komponist*innen Sara Glojnarić und Óscar Escudero berichten über ihre Ausbrüche aus dem Kanon der zeitgenössischen Musik, die Musikwissenschaftlerin Marie-Anne Kohl analysiert die ambi- valente Demokratisierungsidee von Talentshows im Fernsehen und Sound- designer Richard Janssen erzählt von Kollaborationen aus dem Geiste der Popmusik und seiner Arbeit mit der Regisseurin Susanne Kennedy. Ein Gespräch über die Missachtung des Sounds im Stadttheater, Opern, die allein aus Düften bestehen, Gesang auf der virtuellen TikTok-Bühne und den Kampf der menschlichen Stimme gegen Big Data. Redaktion Wir blicken auf ein Jahr extremer Es wurde ruhiger in den Straßen. Stille trat Lautstärkeschwankungen zurück. Mehrmals ein. Sie alle haben beruflich mit Musik und wurde das öffentliche Leben durch die pande- Sound zu tun. Welchem Sound, auch im erwei- miebedingten Lockdowns heruntergefahren. terten Sinne, hören Sie derzeit am liebsten zu?
EILERS, ZIMMERMANN 13 VON SOUNDSCAPE ZUR OPER Richard Janssen Mich interessiert die Kontakt mit den Menschen fehle, die Erotik Räumlichkeit von Sound. Auch im Theater der Präsenz, das Fühlen, Riechen, Zufalls- verwende ich eine Vielzahl an Lautsprechern, hören, ebenso wie die Tiefe des Raumes … um einen 3D-Sound zu generieren. Gerade Haben Sie nicht das Gefühl, wenn wir hier arbeite ich mit der Regisseurin Susanne über den Sound der Welt, auch den Zufalls- Kennedy und ihrem Team an einem Virtual- sound im Alltag sprechen, in der VR in Ihrer Reality-Projekt. Unter meinem VR-Headset Wahrnehmung, Ihrem Sensorium, Ihren Sin- verschließe ich mich also momentan eher nen reduziert zu werden? vor der Welt. Ich entferne mich von der Reali- tät draußen und erschaffe eine neue, die eben RJ Natürlich. Ich verbringe ja auch nicht auch eine neue Sound-Realität beinhaltet. 24 Stunden am Tag in der VR. Solange man Derartige VR-Realitäten, an denen ja schon die Wahl hat, die VR auch wieder zu verlassen, seit Anfang der neunziger Jahre gearbeitet ist alles gut. Es schreckt mich nicht. Auch im wird und die als Format auch interessant Theater gibt es viele Leute, denen die Digi- für das Theater sind, haben sich in den ver- talisierung Angst macht. Sie fürchten, dass gangenen Jahren sehr stark entwickelt. der menschliche Faktor verloren geht. Ich Die Corona-Krise hat einen weiteren Inno- denke, das ist Unsinn. Die digitalen Welten vationsschub bewirkt, auch die Leute inter- sind Teil der realen Welt, und das schon seit essieren sich jetzt mehr für VR. langem. Deshalb müssen sie auch unbedingt im Theater stattfinden. Wenn es nichts mit RED Wobei im Lockdown, als Theater nur der realen Welt zu tun haben will, was ist es im Internet stattfand, Theatergänger*innen dann? Das Theater muss endlich das 21. Jahr- auch geklagt haben, dass ihnen der direkte hundert betreten. Susanne Kennedys Drei Schwestern an den Münchner Kammerspielen © Judith Buss
POSITIONEN 126 14 GESPRÄCH Óscar Escudero & Belenish Moreno-Gils Subnormal Europe auf der Münchner Biennale © Noa Frenkel/Armin Smailovic Sara Glojnarić Da geht es mir in Bezug auf hat die Musikproduktion nach wie vor einen die Musik ähnlich! Ich habe das Gefühl, Musik, schweren Stand. Wenn man am Stadttheater also die akademische, an Konservatorien über das Budget für Musik beziehungsweise gelehrte, liegt in ihrer Entwicklung vierzig Sound spricht, heißt es häufig: Wieso, das Jahre hinter dem Theater zurück. Von der Per- ist doch Teil des Bühnenbilds. Aber was hat formancekunst und der bildenden Kunst ganz das Bühnenbild damit zu tun, etwas Audio- zu schweigen, die seit jeher innovativer sind. Equipment oder Instrumente zu kaufen? Das Theater zum Beispiel beschäftigt sich Dieses noch sehr in der Tradition verhaftete mit ähnlichen institutionellen Fragen wie die Denken muss verändert werden. Wobei es sich Musik, jedoch auch mit Themen, die meiner in den letzten zehn Jahren durchaus weiter- Meinung nach oft gesellschaftspolitisch rele- entwickelt hat, seitdem Video und Sound vanter sind. 2016 gab es in Stuttgart den wirklich Teil der Inszenierungen sind. Aber Wirklichkeiten-Kongress, wo Peter Osborne, auch die Fachpresse ist ein Problem: Da wird ein führender Kunstphilosoph, beschämt ein Theaterstück besprochen, das neunzig feststellte, wie ›alt‹ die zeitgenössische Musik Minuten lang aus Video und Sound besteht, im Vergleich zu anderen Künsten ist, und zwar doch in der Rezension werden Video und in fast allen Bereichen – von der Thematik Sound noch nicht einmal genannt. Und damit über die Institutionen bis hin zu der Art und meine ich nicht etwa die Namen der Verant- Weise, wie sie produziert und kritisch disku- wortlichen, sondern schlicht das, was zu sehen tiert wird. und zu hören war. RJ Naja, als ich 2004 das erste Mal an einem Óscar Escudero Ja, das Problem ist im Stadttheater tätig war, waren zwei CD-Player Grunde eine sehr veraltete Hierarchie, welche das einzige, was ich dort fand. Auch wenn die sich wiederum auf die Kunst auswirkt, die technische Ausstattung besser geworden ist, dadurch ermöglicht – oder eben verhindert
Susanne Kennedys Ultraworld an der Volksbühne Berlin © Julian Röder
POSITIONEN 126 16 GESPRÄCH wird. Die Idee der Interdisziplinarität ist abläuft. Komposition bedeutet zunehmend, extrem wichtig! Auch für die zeitgenössische in Dramaturgien zu denken, die sowohl die Musikwelt. Denn erst so lassen sich ambitio- Aufführung als auch Faktoren wie Raum und nierte Musikprojekte entwickeln. Derzeit ist Zeit berücksichtigen, so wie im Theater. Das es allerdings so, dass dir, wenn du als Kom- bedeutet aber auch, dass eine Person allein ponist einen Auftrag für eine bestimmte das nicht schaffen kann. Anzahl an Performer*innen oder Musiker*in- nen bekommst, die Kurator*innen sagen, sie SG In diesem Sinne findet derzeit tatsäch- hätten nur Geld für dich als Komponisten. lich ein Paradigmenwechsel statt. Man trennt Da ist der Handlungsspielraum natürlich sich von der romantischen Idee des einsamen super klein. Künstler*innengenies. Im Gegensatz zu The- Anders war es bei unserem Auftrag für ater und bildender Kunst fand die klassische die Münchner Biennale 2020. Subnormal institutionalisierte Musik bislang in einem Europe, das ich gemeinsam mit meiner Part- sehr fixen Set von Parametern statt: Dazu nerin Belenish Moreno-Gil konzipiert habe, gehört an vorderster Stelle auch die Partitur! ist ein Stück, das nur für eine Sängerin und Sobald du einen Auftrag für ein Ensemble einen Tontechniker geschrieben wurde, die erhältst, musst du deine Ideen in eine Parti- beide durch ihre Performance die Definitio- tur gießen. Die Notation allerdings fasst in nen dieser Begriffe aber überschreiten. Sie der Regel nur siebzig bis achtzig Prozent des- agierten in einer riesigen Installation aus sen, was man wirklich im Kopf hatte. Sie ist mehreren Leinwänden, Lichtern und Laut- nie eine akkurate Übersetzung. Zudem gibt sprechern, in der live- und vorproduzierte es Vorgaben, was den Zeitumfang betrifft. Elemente kombiniert wurden. Von der ersten Auch hat jedes Ensemble spezifische Voraus- Minute an war klar, dass wir mit dem ZKM | setzungen, ebenso wie man als Komponist*in Zentrum für Kunst und Medientechnologie in die technische Ausstattung bedenken muss, Karlsruhe zusammenarbeiten würden. Eine die das beauftragende Festival hat oder nicht wunderbare Erfahrung, ein tolles Labor! Wir hat. Schlussendlich müssen die Ideen, die »Komposition bedeutet zunehmend, in Dramaturgien zu denken, die sowohl die Aufführung als auch Faktoren wie Raum und Zeit berücksichtigen, so wie im Theater.« waren umgeben von einem Team aus Ton-, die Partitur ja nur unzureichend transpor- Video- und Lichttechniker*innen, Software- tiert, rückübersetzt werden für die Musiker*- entwickler*innen, Schreiner*innen und sogar innen. Es gibt so viele Reibungsverluste. Aus Choreograph*innen, die unserer Sängerin diesem Grund entstehen mehr und mehr Kol- bei den Tanzeinlagen halfen. Sie waren mehr laborationen zwischen Komponist*innen und als nur Assistent*innen. Wir wollten, dass sie Performer*innen. Oder die Komponist*innen an wichtigen künstlerischen Entscheidungen werden selbst zu Performer*innen, um die teilhaben, die den unterschiedlichsten Wis- eigenen Ideen konkreter umsetzen zu können. sensgebieten untergeordnet waren. Ein wich- Es verändert sich also etwas, und es wird inte- tiges Thema ist, wie wir das Phänomen des ressant sein zu sehen, wo wir in der Kompo- Musikschaffens verstehen. In unserem Fall nierszene in 15 bis 20 Jahren stehen. ist es ein Prozess, der in mehreren Schritten
EILERS, ZIMMERMANN 17 VON SOUNDSCAPE ZUR OPER Marie-Anne Kohl Das ist wirklich schön zu Aber im Rahmen von Theaterproben klappt hören! Ich würde mir wünschen, dass ein das eben nur, wenn jeder gleichberechtigt ähnlicher Paradigmenwechsel auch in der am Probenprozess beteiligt ist. Und das von Wissenschaft stattfindet. Denn leider ist die Anfang an. Ich höre im Theater mitunter Musikwissenschaft in diesem Punkt ähnlich wirklich beeindruckende Musik, aber ich höre weit hinter die Theaterwissenschaft zurück- auch, dass sie an irgendeinem Punkt, meis- gefallen wie die institutionalisierte Musik tens in der Endprobe, einfach hineingeworfen im Vergleich zum Theater. Seit über vierzig wurde. »Fragen nach race und gender, nach Privilegien, Nationalität, Autorität und Hierarchien gehören zu unserer künstlerischen Praxis.« Jahren sprechen wir über den ›Tod des Autors‹, AK Ich stimme dem zu. Natürlich funktio- aber in der Musik spielt für viele Musik- niert Kollaboration am besten, wenn jede*r wissenschaftler*innen nach wie vor der*die gleichberechtigt ist. Aber da kommt mein Komponist*in eine zentrale Rolle, Aspekte feministisch-postkolonialer Background ins der Aufführung, des Prozesshaften, des Per- Spiel und ich muss fragen: Wie erreichen wir formativen fallen da häufig gar nicht ins das denn? Das klingt wie eine Utopie: Jede*r Gewicht beziehungsweise gar nicht auf, sitzt dort mit den gleichen Rechten, bringt wenn ganz natürlich die Partitur im Fokus die gleichen Energien ein. Aber das ist meist bleibt – damit man sie analysieren kann. nicht der Fall. Oftmals findet eine Dynamik Wenn ein*e Komponist*in sagt, er oder sie statt, die auch etwas mit dem gesellschaft- arbeite eher aus einer performativen Pers- lichen und persönlichen Hintergrund zusam- pektive, wird man schon schief angeschaut. menhängt, den jede*r mitbringt. Aber wie sieht denn unsere Musikpraxis heutzutage aus? Da bedarf es mitunter gar RJ Es fängt mit dem Regisseur an und der keiner Partitur. Ich würde mir wünschen, dass Frage: Arbeitest du mit Leuten, die etwas für Wissenschaftler*innen viel mehr in den Pro- dich produzieren oder mit dir? Ich komme ben sitzen, um zu verstehen, was da wirklich ja aus der Popmusik. David Bowie beispiels- passiert. weise hat immer mit Leuten gearbeitet, die auch allein ein Album hätten rausbringen RJ Du bist herzlich eingeladen! Ich habe können, die also selbst Künstler*innen sind. für mich und meine Arbeit sechs Fragen for- Er hätte alle Studiomusiker*innen dieser muliert, ich nenne sie die sechs W’s: Warum Welt bekommen können, aber er hat sich brauche ich Sound? Das ist die wichtigste. genau diese Leute ausgesucht und sie dann Welchen Sound brauche ich? Wann setzt er ihr Ding machen lassen. ein? Wie lange dauert er? Wie laut ist er? Und welche Lautsprecher benötige ich? Wenn AK Ich plädiere nur für Transparenz. Eben ich diese sechs Fragen beantworten kann, weiß nicht vorzugeben, dass wir alle gleich sind, ich, ich bin auf einem guten Weg. Die Frage, sondern im Zweifelsfall ehrlich zu sagen: wann der Sound einsetzt, ist für mich dabei Okay, wir haben hier eine Regisseurin, die gleichberechtigt mit der Überlegung, welchen verantwortlich ist, sich aber bemüht, allen Sound ich kreieren will. Das sind für Kom- die größtmögliche Freiheit zu geben. ponist*innen natürlich keine neuen Fragen.
POSITIONEN 126 18 GESPRÄCH SG Eine wirklich gleichberechtigte Situa- Es gibt aber noch viele andere Faktoren, die tion zu kreieren, ist in vielerlei Hinsicht uto- sich auf die künstlerische Arbeit auswirken. pisch. Wir alle haben unsere Vorurteile und Belenish und ich sprechen beispielsweise Privilegien, selbst in einer quasi gleichberech- auch viel über Big Data. Es ist klar: Musik tigten Situation gibt es Hierarchien. Um wirk- braucht Zeit und Raum. Aber in der virtuel- lich produktiv zu werden, ist Zeit ein entschei- len Realität verändern sich die Parameter. dender Faktor, das heißt, je länger ein Kollek- Diesen Effekt haben wir in der Pandemie tiv zusammenarbeitet, desto besser. Auch beobachten können. Und er wird in der Post- sollten die Privilegien offen diskutiert werden. Covid-Welt vermutlich weiter bestehen blei- Ich bin sehr glücklich, Mitglied eines Kollek- ben. Kunst verändert sich, wenn sie auch tivs zu sein, den Apokalyptischen Tänzer*in- online rezipiert werden soll. nen, wo diese Fragen Teil der Konversation sind. Fragen nach race und gender, nach Pri- RED Richard Janssen, Sie sprachen gerade vilegien, Nationalität, Autorität und Hier- von den sechs Fragen des Soundkünstlers. archien gehören zu unserer künstlerischen Fangen wir doch einmal bei der ersten an: Praxis. Für mich als Komponistin, die aus Warum brauchen wir Musik? Warum brau- diesem superkonservativen Bereich der klas- chen wir die singende Stimme? Sie haben in sischen Musik kommt, war es eine Offen- den Inszenierungen von Susanne Kennedy barung, interdisziplinär, offen und ehrlich den Schauspieler*innen auf sehr radikale miteinander arbeiten zu können. Weise ihren unique selling point gestohlen: Die live sprechende Stimme. Bei Ihnen kom- RJ Es ist sehr wichtig, die Kunstformen nicht men die Stimmen von Band – als Playback- mit den Künstler*innen zu verwechseln. Es theater. ist nicht so sehr die Frage, ob jede Person im Probeprozess gleichberechtigt ist (am Ende RJ Die Kritik und das Publikum waren in entscheidet natürlich die Regisseur*in), son- der Tat zunächst sehr geschockt und fürchte- dern ob es die Kunstformen sind, mit denen ten nicht nur, dass wir den Schauspieler*in- im Probeprozess gearbeitet wird. Da gibt es nen ihre Stimmen klauen, sondern durch die einen Unterschied. Masken auch ihre Gesichter und Emotionen. Aber Theater ist doch nun wirklich nicht OE Tandems mit meiner Partnerin Belenish der Ort, wo man echte Emotionen zu sehen Moreno-Gil wurden zum zentralen Konzept bekommt. Wenn ich Emotionen sehen will, eines Stückes, das wir für die Weimarer Früh- gehe ich in eine Bar und fange eine Schlä- lingstage für zeitgenössische Musik kompo- gerei an. Im Theater erlebt man doch bloß niert haben. Autotune for the People, das leider die Reproduktion von Emotionen. Alles im aus gesundheitlichen Gründen nicht urauf- Theater ist artifiziell, das Licht, die Bühne … geführt werden konnte, war eine Zusammen- Warum müssen Emotionen im Theater immer arbeit von drei Ensembles, dem Ensemble ›real‹ sein? Ich finde das seltsam. Man könnte Adapter, MIET+ und Via Nova. Belenish ist doch auch sagen: Wir nehmen nicht etwas Musikwissenschaftlerin, Sängerin und Perfor- weg, sondern geben ein neues Gesicht und merin, was für Verwirrung sorgte, weil sie von eine neue Stimme. Neue Tools, mit denen man einigen Zuhörer*innen oder Journalist*innen arbeiten und spielen kann. gar nicht als Komponistin betrachtet wurde. Was sie in unserer Zusammenarbeit aber ist! RED Wie komponieren Sie? Wenn man die Hälfte des kreativen Teams jedoch unsichtbar macht, hat das musikali- RJ Wir arbeiten zwar im deutschen Sprech- sche, soziale und ökonomische Konsequenzen. theater, bezeichnen unsere Inszenierungen
EILERS, ZIMMERMANN 19 VON SOUNDSCAPE ZUR OPER aber dezidiert als Sprachtheater. Wir tau- RED Ein ähnlich totales Sound- und Video- chen ab in die Sprache. Wir wählen Leute aus, setting haben Sie, Óscar Escudero, in Ihrem Amateur*innen, Menschen, die im Theater Münchener Biennale-Stück Subnormal arbeiten, geben ihnen einen Text, den sie Europe geschaffen, in dem in einem irren zuvor nicht kannten, und lassen ihn von ihnen Tempo auf vielen Ebenen Informationen auf lesen. So entstehen pro Produktion rund 1500 das Publikum einprasseln – allerdings mit Sound-Files, mit denen ich anfange, die ein- einem Unterschied: In dem Soundscape agiert zelnen Szenen zu erarbeiten. Wenn man bei die schon erwähnte Belenish Moreno-Gil, Susanne Kennedy einen Dialog auf der Bühne die auch singt und spricht. Warum haben Sie hört, ist eines sicher: Dieser Dialog hat nie sich für diese Live-Komponente entschieden? stattgefunden. Er ist aus all diesen kleinen Sprachschnipseln komponiert. Wir nehmen OE Für mich kreieren all diese Elemente, auch Elemente auf wie Räuspern oder Nie- das Singen, Sprechen, die Bewegung, das sen oder ›Ähs‹ und ›Hms‹. Die Dialoge lösen virtuelle Setting, in dem sich die Performerin bei den Zuhörer*innen ein sehr seltsames bewegt, Kräfteverhältnisse. In einer Szene Empfinden aus. Man kann es nur schwer zeigen wir eine große Menge an Zahlen, Zif- beschreiben. Es ist so etwas wie eine mikrosko- fern, Daten. Big Data! Als würden die Algo- pierte, in die Länge gezogene Kommunika- rithmen die Performerin attackieren. Sie tion, die uns zeigt, wie seltsam eigentlich fragten vorhin, was ich momentan höre. Ich unsere Sprache und unsere Kommunikation höre Daten! Überall Daten! Zahlen, Ziffern, ist. Jeder Dialog, den Sie in einer Kennedy- Algorithmen. Meine Sorge ist, wie wir darin Produktion hören, ist also in Wirklichkeit noch das Menschliche identifizieren können. eine Sprach-Komposition. Die Frage, warum jemand singt, ist in diesem Raimi Gbadamosi und Katharina Fink in Ghost Flower von Yassine Balbzioui im Richard–Wagner–Museum in Bayreuth © Jens Wagner
POSITIONEN 126 20 GESPRÄCH Zusammenhang radikal. Es ist immer ein RED In der Oper werden Meyers Protago- Kampf um die Vorherrschaft. Was hat mehr nist*innen durch Sänger*innen repräsen- Kraft, die Bilder? Die Daten? Der mensch- tiert. Marie-Anne Kohl, Sie forschen gerade liche Körper? zu Talentshows im Fernsehen wie The Voice of Germany oder Deutschland sucht den RED Ein Kampf um Vorherrschaft existiert Superstar. Verschaffen diese Shows Menschen allerdings bereits auch unter Menschen. Sara auf direkterem Weg eine öffentliche Stimme? Glojnarić, Sie arbeiten gerade an einem großen Musiktheaterprojekt für die Oper Halle: Im AK Knifflige Frage. Ja und nein! Zunächst Stein nach dem gleichnamigen Roman von bieten diese Shows Menschen tatsächlich Clemens Meyer, der auch das Libretto verfasst einen Ort, an dem sie sich auf einer Bühne hat. Meyer gibt in seinem Buch Menschen eine zeigen können und in diesem Sinne eine Stim- Stimme, die im öffentlichen Diskurs oftmals me bekommen. Sie geben Menschen eine keine haben: Hartz-VI-Empfänger*innen, Plattform, die beispielsweise keine formale Trinker*innen, Zuhälter*innen, Sexarbeiter*- Ausbildung, aber trotzdem eine tolle Gesangs- innen. Wieso braucht es Musik und Gesang, stimme besitzen. Auch hinsichtlich migran- um dieses große Gesellschaftspanorama, das tischer und postmigrantischer Teilnehmer*- gleichzeitig ein Panorama ost- und westdeut- innen kann darüber diskutiert werden, inwie- scher Geschichte während der Wendezeit ist, fern hier eine Bühne bereitgestellt wird, die auf die Bühne zu bringen? sie andernorts häufig nicht erhalten. Diese Erzählung eines ›Möglichkeitsraums SG Das ist auch für mich eine große Frage. für alle‹ stimmt – aber eben nur bis zu einem Ich habe den Roman auf Deutsch und Kroa- gewissen Grad. Denn einen vollen Handlungs- tisch gelesen, allein das verschaffte mir zwei freiraum der Selbstrepräsentation haben die sehr unterschiedliche Perspektiven. Clemens Kandidat*innen natürlich nicht. Sie werden Meyer erzählt über eine Spanne von dreißig von Sendern und Produzent*innen in ein Jahren, also von den späten Achtzigern bis Skript hineininszeniert, sprechen somit nicht ins Jahr 2010, wie sich die ökonomischen mit ihrer ›vollen Stimme‹. Mit der Idee des Strukturen, besonders die ›Märkte‹ in Ost- ›Stimme bekommens‹ sollte man also nicht deutschland, um die Wende herum verändert zu affirmativ umgehen. Heute weiß man das und auch globalisiert haben – und zwar aus als Zuschauer*in aber auch. Es ist immer ein der Sicht von Sexarbeiter*innen aus Halle, Dazwischen. Dieses Dazwischen macht aber Leipzig, Berlin und so weiter. Mal ist das Buch auch, denke ich, einen Teil der Faszination narrativ, mal eher assoziativ. Auf Deutsch dieser Sendungen aus. hatte ich sehr viele Fragezeichen. Die kroa- tische Version war, weil sie viele Fußnoten OE Unsere Gesellschaft existiert ja derzeit enthielt, um soziokulturelle Phänomene komplett räumlich getrennt. Alle aber ha- zu erklären, nahezu eine kritische Ausgabe. ben die Möglichkeit zu performen. Nehmen Und jetzt arbeite ich mit einer sehr kompri- wir die App TikTok, mit der sich Video- und mierten Libretto-Fassung, die größtenteils Musikclips aufnehmen lassen, die für alle in Reimen verfasst ist. Es ist geradezu ver- Nutzer*innen frei einsehbar sind. Sie funk- rückt, das mit dem Roman vergleichen zu tioniert ähnlich wie eine Talentshow, aber wollen. Um ehrlich zu sein, überlege ich immer ohne Casting. Die weitverbreitete Nutzung noch, wie ich mit dem Text umgehen soll. Ein solcher Anwendungen hat virtuelle Archi- echtes work in progress. Die Lösung werde tekturen geschaffen, die mit Theatern ver- ich wahrscheinlich erst in fünf Jahren haben – gleichbar sind. Die Menschen verfügen über nachdem das Stück längst fertig ist. Gadgets, mit denen sie die Theatralisierung
EILERS, ZIMMERMANN 21 VON SOUNDSCAPE ZUR OPER ihres Selbst erweitern können, indem sie and other stories, die im Grunde eher eine nunmehr auch die musikalische Bühne Performance war. Ohne Partitur. Das Muse- erobern. Das sogenannte Reel-Format, das um war voll mit Blumen und Gerüchen. Ein auch von Instagram vor wenigen Monaten Künstler saß am Schlagzeug, Balbzioui selbst übernommen wurde, bietet Tools wie Sprach- spielte das Theremin, zwei weitere Kolleg*- bearbeitung, Zeitlupe oder Zeitraffer und vie- innen tanzten und ich habe gesungen. Wir les mehr. Ich würde die Frage »Warum singen?« waren alle keine Profis in dem, was wir in daher noch erweitern zu »Was bedeutet Per- diesem Stück taten. Wir sind Profis in ande- formance in unserer hybriden Welt?« Die ren Dingen. Ich selbst habe allerdings eine Antwort darauf ist extrem durch die Tatsache Ausbildung in Operngesang, das hat Balb- bedingt, dass ein immer größerer Teil unseres zioui inspiriert. Es sollte nach Operngesang Publikums selbst jeden Tag virtuell vor einem klingen, aber den Text, den ich singen sollte, großen Publikum auftritt. hat er mir erst fünf Minuten vor der Vorstel- lung gegeben. Diesen Abend nannte er Oper. SG Singen hat eine enorme Macht. Man Allein ein Stück an einem solchen Ort so zu sollte es mit Bedacht einsetzen. Wie kann ich betiteln, setzt Erwartungen. als Komponistin, die aus Kroatien stammt, lesbisch ist und in Deutschland lebt, all diese RED Diese Ausweitung von Genrebegriffen Einflüsse inkorporieren, um dem Publikum ist extrem wichtig, um auch dem zeitgenössi- eine neue Erfahrung zu ermöglichen – und schen Publikum klar zu machen, dass Oper nicht eine weitere Verdi-Oper mit schrägen nicht zwangsweise Plüschsitz, Orchester- Tönen zu schreiben. graben und Heldentenor bedeutet. Aber auch der Begriff des ›Musiktheaters‹, der generell AK Aber was heißt ›Oper‹? Der marokka- eher für avanciertere Formen stand, scheint nische Künstler Yassine Balbzioui hat vor sich zu wandeln. Komposition bedeutet zwei Jahren im Bayreuther Richard Wagner zunehmend, wie wir hier auch festgestellt Museum eine ›Oper‹ inszeniert, Ghost Flowers haben, mit allen Ebenen der Darstellung zu Auswahl der Düfte zu Confession Box 2016 © Sara Glojnarić
POSITIONEN 126 22 ARTIKEL komponieren – und ganz wichtig: eine sze- solche gibt es vielleicht nicht mal, vielmehr nische Arbeit fernab von ästhetischen Kon- kommen hier alle möglichen Kunstformen ventionen zu entwerfen. Sara Glojnarić, Sie zusammen. haben für Ihren Bachelor-Abschluss an der Wenn du Popmusik machst, dann machst Hochschule für Musik und Darstellende du natürlich Musik – aber du schreibst auch Künste Stuttgart unter dem Titel Confession Texte, entwirfst Plattencover und Videos, Box eine Duftausstellung kreiert. Stellen Sie denkst darüber nach, wie du dich auf der sich so das Musiktheater der Zukunft vor? Bühne präsentierst … wie im Theater. Oder im Musiktheater. Denn erst, wenn alles gleich- SG Ich habe damals dieses Format gewählt, berechtigt zusammenkommt, Performance, weil ich etwas machen wollte, in dem ich nicht Licht, Musik, Timing, die Unmittelbarkeit trainiert war. Zu der Zeit war ich gegenüber des Publikums und so weiter, entsteht die »…aber du schreibst auch Texte, entwirfst Plattencover und Videos, denkst darüber nach, wie du dich auf der Bühne präsentierst …wie im Theater. Oder im Musiktheater.« der Neuen-Musik-Szene sehr skeptisch. In Magie. Dieser Moment in der Musik oder im der Performance Art probieren Künstler*in- Theater ist für mich als Performer, wie ich nen einfach Dinge aus, kreieren eine Sound- es seit über zwanzig Jahren bin, der Grund, installation, auch wenn sie vorher in diesem warum ich nach wie vor wirklich gerne in bei- Format nie tätig waren. Auf diese Sponta- den Disziplinen arbeite. nität war ich eifersüchtig und habe mich gefragt, wieso Komponist*innen nicht ein- OE Ich fühle mich der Krise, die du beschrie- fach Installationen, Malereien, Performan- ben hast, Sara, sehr nah. Interdisziplinarität ces entwerfen. ist ein weiterer, natürlicher Schritt, um an Düfte lösen Erinnerung und Assoziatio- Projekten wie unseren zu arbeiten. Im Stu- nen aus. Das Musiktheater fand also in den dium allerdings muss man sich Fähigkeiten Köpfen der Leute statt. Gut möglich, dass sich wie etwa das Programmieren autodidaktisch in ihren Köpfen bei dem Geruch von Hubba beibringen. Wenn ich Professor wäre, würde Bubba-Kaugummi eine Serie von 250 Musik- ich den Studierenden die vielen, insbeson- theaterstücken entfaltete! Was ich sagen dere technologischen Möglichkeiten aufzei- will: Das Stück könnte als Musiktheater gen wollen! Auch die Kurator*innen müssen angesehen werden. Vielleicht ist es aber auch mutiger werden. Ich würde gerne mehr uner- Musiktheater, weil es von einer Komponistin wartete künstlerische Kollaborationen sehen, kreiert wurde. die auch finanziell besser ausgestattet wer- den. Und vor allem: Mehr Verrücktheit im AK Aus meiner Sicht als Akademikerin Umgang mit den Elementen! ❚ könnte Musiktheater eben genau das sein: eine Art Denkfigur, um Phänomene auf eine interdisziplinäre Art anschauen und beschrei- ben zu können. RJ Die Popmusik lebt Interdisziplinarität doch im Grunde vor: Die Kunstform als
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