30 JAHRE SPÄTER: RAUMENTWICKLUNG UND RAUMPLANUNG IN DEUTSCHLAND NACH 1989/90
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01/ 2 021 _ N ac h r i c h t e n d er AR L thema 33 Thomas Weith 30 Jahre später: R aumentwicklung und Raumplanung in Deutschland nach 1989/90 Ein pointierter Blick Auch für die Raumforschung gilt: Geschichte hat wieder Rechtsordnungen, das Wirtschafts- und Sozialsystem, die Konjunktur. Und dies nicht nur zur Offenlegung erschüt- Eigentumsordnung und auch Verwaltungsabläufe. „Unge- ternder brauner Vergangenheiten (zuletzt Baumgart regeltes“ wurde im Einigungsvertrag festgelegt. Dezidierte 2020). Geschichtliche Auseinandersetzungen sind not- Partnerschaften zwischen den alten und neuen Bundeslän- wendig, um längerfristige Entwicklungen, aber auch Brü- dern prägten diesen Prozess. che besser zu verstehen und die fachlichen „Erzählungen“ Die erheblichen raumstrukturellen Unterschiede zwi- einzuordnen. Im Folgenden soll auf die dreißig Jahre nach schen Ost und West mussten spätestens mit dem Bundes- dem Mauerfall von 1989/90 bis heute fokussiert werden. raumordnungsbericht 1991 (BMRBS 1991) allen bekannt Leider liegen nur wenige überblicksartige Arbeiten hierzu sein. Prägend für die neuen Länder waren: vor (v. a. Altrock/Huning/Kuder et al. 2010; Weith/Strauß 2017). Zugleich lässt sich die Vielzahl von Veröffentlichun- >> die zum Teil erheblich geringeren Siedlungsdichten, gen zu einzelnen Themen, wie z. B. kürzlich zu 100 Jahren Groß-Berlin, in diesem Rahmen nicht auswerten. Die fol- >> Siedlungsstrukturen mit entweder maroder oder exzel- genden Ausführungen basieren deshalb – ohne Anspruch lent denkmalgeschützter Innenstadtsubstanz in Kombi- auf eine geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung nation mit großflächigen Neubausiedlungen, – auf Analysen und wertenden Einschätzungen des Autors (basierend auf Weith/Strauß 2017 und ausgewählten wei- >> ein nicht existierender bzw. funktionierender Boden- teren Quellen). Sie sollen zur weiteren Reflexion der eige- und Wohnungsmarkt, nen Fachgeschichte in Deutschland anregen. Dabei werden schlaglichtartig wichtige Einflussfaktoren des räumlichen >> der hohe Anteil von oftmals international nicht wettbe- Wandels und der räumlichen Transformation (zum Begriff werbsfähiger (oder unerwünscht konkurrierender) In- Hölscher/Wittmayer/Loorbach 2018) in den Blick genom- dustrie sowie wenige Dienstleistungsangebote, men. Somit stehen zentrale Akteure, Prozesse, Logiken, Handlungsorientierungen und Ergebnisse im Mittelpunkt. >> die differierende Versorgungs- und Infrastrukturqualität, Eine gezielte theoriebasierte Analyse oder empirische Aus- wertung bleibt zukünftigen Arbeiten vorbehalten. >> großflächige agrarische Produktionsflächen sowie 1989/90: Raumplanung nach der >> die gigantischen Umweltzerstörungen einerseits sowie Planwirtschaft – und dem alten rheinischen großflächig-naturnahe Kulturlandschaften andererseits, Kapitalismus in den Worten des früheren Bundesumweltministers Spätestens ab dem Herbst und Winter 1989 prägten politi- Klaus Töpfer das „Tafelsilber der Einheit“. sche, wirtschaftliche, soziale, umweltbezogene und kultu- relle Umbrüche Europa (Prigge 2004: 42). Die jeweiligen Dies alles wurde „transformiert“, in der Hoffnung räumlichen Entwicklungen sowie deren steuernde Beein- bzw. mit dem Versprechen auf „blühende Landschaften“ flussung unterschieden sich jedoch zum Teil deutlich, nicht (Helmut Kohl). Die Folgen wirken bis heute, z. B. bei ver- nur innerhalb Europas, sondern auch mit Blick auf die bei- fehlten Standortentscheidungen beim Einzelhandel oder den deutschen Staaten. Denn „fünf neue Länder“ traten den infrastrukturellen Überkapazitäten (bspw. bei der Ab- der „alten“ Bundesrepublik bei und übernahmen somit die wasserbehandlung).
34 thema 01/ 2 021 _ N ac h r i c h t e n d er AR L melle Formen der Zusammenarbeit entwickelt (vgl. z. B. Provisorischer Regionalausschuss 1990). Und auch neue Formen der Zusammenarbeit wurden etabliert wie bspw. zwischen den Bundesländern Berlin und Brandenburg (vgl. Priebs 1996, 2017). Zugleich orientierte sich zu Beginn das Planungsgeschehen der ostdeutschen Länder mehr an den landespolitischen Blaupausen der Partnerländer als an den eigenen Problemen. Zudem lieferte die Ende der 1980er Jahre im Westen forcierte projektorientierte Landesent- wicklung, wie z. B. in Nordrhein-Westfalen durch das IBA- Motto „Projekte statt Pläne“ (Ganser 1999: 16) verdeut- licht, nur partiell Lösungsansätze für die großflächigen He- rausforderungen in den neuen Ländern. Im Ergebnis war die Raumplanung zwischen 1990 und 1992 als steuernde Instanz faktisch abwesend. Die Folge waren große, vom kommunalen Wettbewerb getriebene Fehlentwicklungen für Wohnen, Gewerbe, Handel und technische Infrastruk- turen mit hoher Persistenz (Winkel 2017; Ortmann 2017). Die dafür verantwortlichen Kommunen waren entspre- chend dem Einigungsvertrag die einzige direkt handlungs- fähige Gebietseinheit in Ostdeutschland. Auch getrieben durch die Logik der Kommunalfinanzen wurden Siedlungs- und Verkehrsflächen in bislang nie gekanntem Ausmaß neu © Thomas Weith erschlossen, aber auch – wenngleich verzögert – Innen- städte als Wohnstandorte zurückgewonnen. Die in der al- ten Bundesrepublik zum Ende der 1980er Jahre stark dis- kutierten Fragen nach stärkerer Partizipation und Umwelt- „Blühende Landschaft“ in Thüringen 2004 vorsorge spielten dabei in der ostdeutschen Planungspraxis kaum eine Rolle. In den „alten Ländern“ schlug sich der Einigungspro- Raumplanerisch-fachlich herrschte, trotz erheblicher zess einerseits für die vormals räumlich peripherisierten soziokultureller Unterschiede, zwischen Ost und West da- Regionen (z. B. Nordostbayern) durch wiedergewonnene bei ein ähnliches Grundverständnis. Weder die grundsätzli- Zentralitäten und Entwicklungsoptionen positiv nieder. Für che Notwendigkeit einer räumlichen Planung noch Wert- die Wachstumsregionen v. a. im Süden und Südwesten zeig- vorstellungen wie Disparitätenabbau, Gleichwertigkeit und ten sich jedoch andererseits schon bald kommunale Über- Versorgungsgerechtigkeit wurden beiderseits infrage ge- lastungserscheinungen, z. B. als Engpässe in der Wohn- stellt. Das Konzept der Zentralen Orte war „hüben wie drü- raumversorgung durch zugezogene ostdeutsche Arbeit- ben“ anerkannt, die Möglichkeiten zur wissenschaftlichen nehmer/innen. Entsprechenden Anpassungsbedarf gab es Analyse sowie qualifiziertes Personal standen zur Verfü- bei Plänen und Konzepten. gung (vgl. Winkel 2017; Berkner 2017), wenngleich nicht immer an den richtigen Stellen. Die reale Umsetzung eines Ernüchterung und Neuorientierung räumlichen Planungs- und Gestaltungsanspruches gestalte- Auf die Jahre des wilden Aufbruchs (im Osten) folgte Ende te sich allerdings mehr als problematisch. Bundespolitisch der 1990er Jahre eine Phase der Neuorientierung. Vom war unter der Regierung von Helmut Kohl und Hans- bundespolitischen Regierungswechsel flankiert – interpre- Dietrich Genscher kein „großer Wurf“ zu erwarten. Zwar tierbar als Ausdruck anderer gesellschaftlicher Zielvorstel- wurde mit dem Raumordnungspolitischen Orientierungs- lungen – wurde schrittweise neu justiert. Denn bei weiter- rahmen (1993) und dem Raumordnungspolitischen Hand- hin hohen Fördersummen, insbesondere für den „Aufbau lungsrahmen (1995) auf Bundesebene eine andere Art des Ost“, waren erhebliche Fehlentwicklungen erkennbar. Pa- rahmensetzenden Pläne-Machens realisiert. Räumliche rallel zum vielfachen Fehlen wirtschaftlich eigenständiger Wirkungen entfalteten jedoch die direkt investiven Fachpo- Entwicklung mit leerstehenden Industrie- und Gewerbeflä- litiken (z. B. Verkehrsprojekte Deutsche Einheit) sowie die chen und hoher Arbeitslosigkeit zeigte sich auch ein erheb- raumwirksamen sektoralen Fördermittelvergaben und Ab- licher Leerstand in den DDR-Neubaugebieten. Neben dem schreibungsmöglichkeiten, insbesondere in Kombination Umzug in die neuen Eigenheimgebiete war die massive und mit den eigentumsrechtlichen Vorgaben des Einigungsver- dauerhafte Abwanderung „Richtung Westen“ dafür mitver- trages und den Aktivitäten der Treuhand. Eine integrative antwortlich. Schrumpfungsprozesse wurden so zum eigen- Raum- und Regionalentwicklung war so nicht zu erwarten. ständigen Thema. Gleichzeitig sank durch Haushaltsdefizi- Die Landes- und Regionalplanung startete in den ost- te, forcierte Privatisierungspolitiken und Strukturreformen deutschen Bundesländern 1990 organisatorisch neu. Be- (v. a. Verwaltungsneugliederungen) der öffentliche Hand- reits in der unmittelbaren Nachwendezeit wurden infor- lungsspielraum enorm, in Ost wie West (Altrock 2017;
01/ 2 021 _ N ac h r i c h t e n d er AR L thema 35 Franzke 2017). Die Kommunen sahen sich, in Ostdeutsch- werblichen Regionalentwicklung bei Regionen der Zukunft land auch durch einigungsbedingte Sonderlasten (sog. Alt- über kooperative Ansätze bei den Städtenetzen bis hin zu schulden), nicht mehr in der Lage, die Probleme eigenstän- den stark ökologisch orientierten Sanierungs- und Entwick- dig zu bewältigen. Als Reaktion darauf entstand, zuerst im lungsgebieten (vgl. insgesamt BBR 2000: 207 f.) lässt sich Osten der Republik, später auch auf den Westen modifi- alles finden. Gleiches gilt für die europäischen INTER- ziert übertragen, mit dem Stadtumbau ein neues Stadtent- REG-Aktivitäten in der grenzüberschreitenden Zusammen- wicklungsinstrumentarium (vgl. Liebmann 2009). arbeit. Bei den wichtigen raumrelevanten Fachpolitiken Zugleich ließ sich zu Beginn der 2000er Jahre ver- blieb vieles beim Alten. Dringend notwendige Reformen stärkt der Einfluss von Zielsetzungen einer nachhaltigen wie die der EU-Agrarpolitik wurden schon 1999 nicht ange- Entwicklung beobachten. Während die Agenda 21 der Rio- packt – alles blieb wie es war. Das neue Handlungsfeld der Konferenz 1992 sich anfänglich in der deutschen Raumpla- Meeresraumordnung, entwickelt auf der Grundlage des eu- nung kaum niederschlug, fand sie in der Novellierung des ropäisch beschlossenen integrierten Küstenzonenmanage- Bundesraumordnungsgesetzes von 1997 erstmals als Leit- ments, blieb weitgehend ein fachliches Randthema. vorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung Eingang. Bei der nun schrittweisen Etablierung der formalen Das 1999 verabschiedete Europäische Raumentwicklungs- Landes- und Regionalplanung in Ostdeutschland ließen konzept EUREK betonte die europäische Zusammenarbeit sich alsbald landesspezifische Ausdifferenzierungen und und territoriale Kohäsion für eine nachhaltige Entwicklung. Neuansätze erkennen. So etablierten, vor allem auf baye- Die Weltkonferenz Urban 21 in Berlin im Jahr 2000 rückte rische Erfahrungen aufbauend, Sachsen, Sachsen-Anhalt die besondere Bedeutung der Städte in den Mittelpunkt. und Thüringen neue Regionalmanagementformen. Die Er- Diskutiert wurde über die Metropolisierung und die Ent- fahrungen der IBA Emscherpark nutzend, startete mit einer wicklung von Megacities. Staffelstabübergabe die IBA Fürst-Pückler-Land in der Lau- Wie heterogen Nachhaltigkeit jedoch hierbei inter- sitz. Gleichzeitig schritten großflächige Umweltsanierungs- pretiert werden konnte, zeigten die wenig kohärenten bun- aktivitäten, wie z. B. in der Uranbergbauregion Ronneburg, despolitischen Interpretationen über die Modellvorhaben schrittweise voran und wurden 2007 mit einer Bundesgar- der Raumordnung (MORO) des Bundes: Von einer wettbe- tenschau öffentlich präsentiert. © Thomas Weith Großflächige Sanierung Wismut – BUGA 2007
36 thema 01/ 2 021 _ N ac h r i c h t e n d er AR L © Thomas Weith Fürst-Pückler-Land in der Lausitz 2003: noch ohne Wasser unter dem Kiel Visionen und harte Realitäten zeigt sich somit ein zwiespältiges Bild. Einerseits wurde Ob dann der erneute Regierungswechsel auf Bundesebene eine Peripherisierung des ländlichsten Raums (Weiß 2002) 2005 zu erheblichen Veränderungen der Raumentwick- bis zu einem gewissen Grad (Mindeststandards) hinge- lungspolitik beigetragen hat, darf bezweifelt werden. Denn nommen. Andererseits entstand durch die schrittweise in- die von der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) tensivierte, fachpolitisch getragene Energiewende ein ver- verabschiedeten neuen Leitbilder und Handlungsstrategi- stärkter „Druck auf die Fläche“ in ländlichen Regionen für en für die Raumentwicklung 2006 wurden bereits durch die Etablierung von Windenergie und inzwischen auch von einen zweijährig vorlaufenden Diskussionsprozess vorbe- Photovoltaik, der auch neue innovative Planungsformate reitet (Aring 2005; weiterführend Hesse 2015). Sie sollten generierte. Zugleich erforderten die sich mit dem Klima- rahmensetzenden Charakter für eine zukünftig durch die wandel schrittweise einstellenden Extremwetterereignisse Föderalismusreform etablierte konkurrierende Gesetzge- eigene Handlungsroutinen in der Klimaanpassung und im bungskompetenz im Bereich der Raumordnung entfalten. Hochwasserschutz. Mit ihren drei Leitbildern schließen sie (1) an eine ökono- misch orientierte Innovationspolitik – vor allem getragen Retro als Zukunft – und Neuausrichtungen von Metropolen – an, betonen (2) zugleich die Notwendig- Für den noch jungen Zeitabschnitt seit der Bundestagswahl keit von Daseinsvorsorge und Gleichwertigkeit und sehen 2017 lassen sich zwei Entwicklungen besonders hervorhe- (3) in Umweltaspekten v. a. Ordnungsaufgaben. Dazu wur- ben. Zum einen gewann und gewinnt, nicht zuletzt ausge- de der unscharfe Begriff der räumlichen Verantwortungs- löst durch die Wahlgewinne der AfD in ländlichen Regio- gemeinschaften eingeführt. Er sollte auf die sich in den nen, die Wiederorientierung an Fragen der Gleichwertig- Ländern immer stärker zeigenden räumlichen Disparitäten keit, auch als Heimatpolitik bezeichnet, eine fachübergrei- eingehen. Dort wurde jedoch auf andere Weise darauf re- fende Aufwertung (BMI/BMEL/BMFSFJ 2019), bis hin zu agiert. Einige Bundesländer wechselten, auch aufgrund neuen Förderpolitiken (z. B. Heimat 2.0). Daraus hat sich mangelnder finanzieller Optionen, gezielt ihren Fokus und inzwischen eine breite fachliche Debatte über Gleichwer- konzentrierten ihre räumlichen Entwicklungsbemühungen tigkeit und Gerechtigkeit entwickelt (vgl. z. B. ARL-Kon- auf wenige Orte. Das Motto in Brandenburg beispielsweise gress 2020). Zum anderen wurden in den letzten Jahren lautete 2007 demnach: Von der Dezentralen Konzentration schrittweise ressortübergreifende Programme für eine in- zu Stärken stärken. Für die Entwicklung ländlicher Räume tegrierte räumliche Forschungs- und Entwicklungspro-
01/ 2 021 _ N ac h r i c h t e n d er AR L thema 37 grammatik entwickelt (z. B. Zukunftsstadt, Kommunen In- Neue Herausforderungen wie das Nebeneinander novativ, Stadt-Land-plus). Sie weisen neben der für die komplexer Wachstums- und Schrumpfungsprozesse, Mi- Raumentwicklung zentralen fachübergreifenden Perspek- grationsbewegungen inner- und außerhalb Europas, Klima- tive den Weg zu einer stärkeren Verknüpfung von wissen- anpassung, die Energie- und Mobilitätswende, die Möglich- schaftlichen Erkenntnissen und regionalem Handlungswis- keiten und Folgen der Digitalisierung und einer stärkeren sen in Form von transdisziplinären Zugängen mit soge- Resilienzorientierung, nicht nur mit Blick auf Covid-19 (vgl. nannten Reallaboransätzen auf. Dies zielt auf eine Besei- auch ARL 2021), sind dabei nicht mehr im alten Ost-West- tigung des mangelnden Ineinandergreifens von Raumfor- Schema versteh- und lösbar. Sie sind gesamtdeutsche, ei- schungserkenntnissen und steuerndem Handeln ab (vgl. gentlich europäische Themen. Zielführend ist somit eine Diller/Thaler 2017). stärkere europäische Raumentwicklung mit echter Trans- formationsperspektive. Mit dem Green Deal der EU be- Was wirkt – was bleibt – was kommt? steht die Chance zur Neuausrichtung – sie muss nur von Was haben die Aktivitäten der räumlichen Planung und Ent- allen für die Raumentwicklung (Selbst-)Verantwortlichen wicklung nun in den letzten dreißig Jahren bewirkt? Folgt aktiv aufgegriffen werden. man der Argumentation von Mäding (2017), so haben sich die Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland inzwi- schen grundsätzlich angeglichen, das Thema gleichwerti- Literatur ger Lebensverhältnisse wird gleichwohl fortbestehen. Wel- Altrock, U. (2017): Stadtplanung – neu gedacht. In: Weith, T.; Strauß, chen Beitrag die Instrumente der räumlichen Planung und C. (Hrsg.): „Im Plan oder ohne Plan?“ Raumplanung in (Ost-)Deutsch- Entwicklung zu den Veränderungen geleistet haben, lässt land seit 1989/90. Münster, 47-57. Altrock, U.; Huning, S.; Kuder, T.; Nuissl, H. (Hrsg.) (2010): Zwanzig sich jedoch nicht klar ableiten. Die Vielzahl finanzieller Jahre Planung nach der Wiedervereinigung. Berlin. = Planungsrund- Transfermechanismen in Deutschland (z. B. Finanzaus- schau 20. gleich, Sozialversicherungsleistungen und Förderpolitiken) Aring, J. (2005): Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raument- trägt – so die einhellige fachliche Meinung – erheblich zu wicklung in Deutschland. Diskussionspapier (01.09.2005). einem Ausgleich räumlicher Entwicklungen bei (Mäding https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/themen/_alt/Raumentwicklung/ RaumentwicklungDeutschland/Projekte/Leitbilder2006/Diskussions 2009, 2017). Zugleich wird mit Blick auf die Jahre nach der papaier_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (08.04.2021). „Wende“ in Ostdeutschland auch klar, welch negative Aus- ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.) wirkungen eine fehlende überörtliche räumliche Planung (2016): Daseinsvorsorge und gleichwertige Lebensverhältnisse neu und Koordinierung haben kann. Zugleich wird deutlich, denken – Perspektiven und Handlungsfelder. Hannover. = Positions- dass auf neue Herausforderungen mit neuen Lösungsan- papier aus der ARL 108. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0156-01086. sätzen geantwortet wurde, wie z. B. mit der länderübergrei- ARL – Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft fenden Gemeinsamen Landesplanung in Berlin-Branden- (Hrsg.) (2021): SARS-CoV-2-Pandemie: Was lernen wir daraus für die burg, den diversen Regionalmanagement-Ansätzen, der Raumentwicklung? Hannover. = Positionspapier aus der ARL 118. formatorientierten integrativen Regionalentwicklung (Da- https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0156-01189. nielzyk/Priebs 2017) mit IBAs und Regionalen oder dem Baumgart, S. (Hrsg.) (2020): Raumforschung zwischen Nationalsozia- Stadtumbau. So wurden innovative Lösungsansätze für lismus und Demokratie – das schwierige Erbe der Reichsarbeitsgemein- schaft für Raumforschung. Hannover. = Arbeitsberichte der ARL 29. Schrumpfungsregionen entwickelt (vgl. ARL 2016), eben- https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0156-42712. so wie neue Lösungen zur Steuerung großflächiger Wind- BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2000): Bundes- parks durch die Regionalplanung (Regionale Energiekon- raumordnungsbericht 2000. Bonn/Bad Godesberg. zepte und Vorranggebiete). Bedeutsam war hierbei der BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.) fachliche Perspektivwechsel mit der Anerkennung der Viel- (2011): Politikberatung in der Raum- und Stadtentwicklung. Bonn. = Informationen zur Raumentwicklung (7/8). falt von involvierten Akteursgruppen und ihren Wissensbe- Berkner, A. (2017): Energiewende und Regionalplanung in den Neuen ständen, widergespiegelt vor allem im Begriff der Gover- Ländern. Sachstand und Perspektiven zwischen Braunkohle, erneuer- nance, und einer weniger territorialen, sondern stärker baren Energien und Netzausbau. In: Weith, T.; Strauß, C. (Hrsg.): „Im funktional-interaktionsorientierten Perspektive auf Stadt- Plan oder ohne Plan?“ Raumplanung in (Ost-)Deutschland seit Land-Verflechtungen (vgl. z. B. Doernberg/Weith 2021). 1989/90. Münster, 137-153. Im Rückblick bleibt gleichwohl irritierend, dass zen- BMI/BMEL/BMFSFJ – Bundesministerium des Innern, Bau und Hei- mat; Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft; Bundes- trale Probleme der Raumentwicklung seit Jahrzehnten un- ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2019): Unser gelöst bleiben und sich zum Teil sogar verschärft haben. So Plan für Deutschland. ist das Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsflächen mit https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichun all seinen negativen Folgewirkungen bereits seit den 1960er gen/themen/heimat-integration/gleichwertige-lebensverhaeltnisse/ unser-plan-fuer-deutschland-langversion-kom-gl.pdf;jsessionid=5D Jahren anhaltend hoch (vgl. Umweltbundesamt 2020). Die 7397320F02FDECEDC8E0E4F327A288.2_cid295?__blob=publication Verknüpfung von räumlicher Entwicklung und Eigentums- File&v=4 (08.04.2021). strukturen (Grund und Boden) bleibt in der Praxis unbear- BMRBS – Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städ- beitet (vgl. Gerber/Hartmann/Hengstermann 2018). Und tebau (Hrsg.) (1991): Raumordnungsbericht 1991. Bonn/Bad Godes- es fehlen – wie auch dieser Artikel zeigt – weiterhin umfas- berg. sende Wirkungsanalysen im Sinne einer Evidenzkultur Danielzyk, R.; Priebs, A. (2017): Zukunft der Regionalplanung. In: Weith, T.; Strauß, C. (Hrsg.): „Im Plan oder ohne Plan?“ Raumplanung (BBSR 2011). in (Ost-)Deutschland seit 1989/90. Münster, 165-177.
38 thema 01/ 2 021 _ N ac h r i c h t e n d er AR L Diller, C.; Thaler, T. (2017): Zum Gap zwischen theoriebasierter Pla- a p l . P r o f. D r . - I n g . T h o m a s nungsforschung und Planungspraxis. Eine Betrachtung weiter Teile W e ith des deutschsprachigen planungswissenschaftlichen Outputs seit 2003. ist Leiter der Arbeitsgruppe „Co-Design of In: Raumforschung und Raumordnung 75 (1), 57-69. Change and Innovation“ am Leibniz-Zentrum Doernberg, A.; Weith, T. (2021): Urban-Rural Interrelations – A Chal- für Agrarlandschaftsforschung Müncheberg lenge for Sustainable Land Management. In: Weith, T.; Barkmann, T.; e. V. und außerplanmäßiger Professor für © Thomas Weith Gaasch, N.; Rogga, S.; Strauß, C.; Zscheischler, J. (Eds.): Sustainable Land Management in a European Context – A Co-Design Approach. Raumplanung und Umweltentwicklung am Ins- Berlin, 101-124. titut für Umweltwissenschaften und Geogra- Franzke, J. (2017): Kommunale Verwaltungs- und Gebietsreformen. phie der Universität Potsdam. Er ist Mitglied Ein Dauerbrenner. In: Weith, T.; Strauß, C. (Hrsg.): „Im Plan oder ohne der ARL und forscht aktuell zu Fragen der Plan?“ Raumplanung in (Ost-)Deutschland seit 1989/90. Münster, 95- räumlichen Planung und Regionalentwicklung, 109. zu Landmanagement und Flächenpolitik sowie Ganser, K. (1999): Nachhaltige Regionalentwicklung durch die IBA Em- zu transdisziplinären und transformativen An- scher Park. In: Kurth, D.; Scheuvens, R.; Zlonicky, P. (Hrsg.): Laborato- sätzen mit dem Fokus auf Wissen und Nor- rium Emscher Park. Dortmund, 14-18. men. Räumliche Schwerpunkte sind Europa Gerber, J.-D.; Hartmann, T.; Hengstermann, A. (2018): Instruments und Asien. of Land Policy. London. Hesse, M. (2015): Wachstum, Innovation, Metropolregionen. In: Stru- Tel. +49 (0)33432 82-124 belt, W.; Briesen, D. (Hrsg.): Raumplanung nach 1945. Frankfurt a. M./ Thomas.Weith@zalf.de New York, 355-373. Hölscher, K.; Wittmayer, J.; Loorbach, D. (2018): Transition versus transformation: What’s the difference? In: Environmental Innovation and Societal Transformations 27,1-3. Liebmann, H. (2009): Stadtumbau – städtebauliche Strategien in Ost- deutschland. In: Kühn, M.; Liebmann, H. (Hrsg.): Regenerierung schrumpfender Städte. Strategien der Politik und Planung im Schrumpfungskontext. Wiesbaden, 141-156. Mäding, H. (Hrsg.) (2009): Öffentliche Finanzströme und räumliche Entwicklung. Hannover. = Forschungs- und Sitzungsberichte der ARL 232. Mäding, H. (2017): Gleichwertige Lebensverhältnisse und Aufbau Ost. Eine Zwischenbilanz nach 25 Jahren. In: Weith, T.; Strauß, C. (Hrsg.): „Im Plan oder ohne Plan?“ Raumplanung in (Ost-)Deutschland seit 1989/90. Münster, 69-83. Ortmann, C. (2017): Die Entwicklung von Zentren. Eine persönliche Betrachtung aus Mittelthüringen. In: Weith, T.; Strauß, C. (Hrsg.): „Im Plan oder ohne Plan?“ Raumplanung in (Ost-)Deutschland seit 1989/90. Münster, 85-93. Priebs, A. (1996): Gemeinsame Landesplanung Berlin/Brandenburg – Vorbild für die Regionen Bremen und Hamburg? In: Die Öffentliche Verwaltung (13), 541-550. Priebs, A. (2017): Der Aufbau der Gemeinsamen Landesplanung Ber- lin/Brandenburg. In: Weith, T.; Strauß, C. (Hrsg.): „Im Plan oder ohne Plan?“ Raumplanung in (Ost-)Deutschland seit 1989/90. Münster, 35- 45. Prigge, W. (2004): Schrumpfungspfade. In: Oswalt, P. (Hrsg.): Schrumpfende Städte. Bd. 1: Internationale Untersuchung. Ostfildern- Ruit, 42-47. Provisorischer Regionalausschuß Planungsgruppe Potsdam (1990): Grundlagen und Zielvorstellungen für die Entwicklung der Region Ber- lin. 1. Bericht – 5/90. Potsdam. Umweltbundesamt (2020): Entwicklung der Siedlungs- und Ver- kehrsfläche. https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/ flaechensparen-boeden-landschaften-erhalten#flachenverbrauch-in- deutschland-und-strategien-zum-flachensparen (15.03.2021). Weiß, W. (2002): Der Ländlichste Raum – Regional-demographische Begründung einer Raumkategorie. In: Raumforschung und Raumord- nung 60 (3-4), 248-254. Weith, T.; Strauß, C. (2017): „Im Plan oder ohne Plan?“ Raumplanung in (Ost-)Deutschland seit 1989/90. Münster. Winkel, R. (2017): Der Zauber des Neuanfangs: Ideen und Konzepte 1990/1991. In: Weith, T.; Strauß, C. (Hrsg.): „Im Plan oder ohne Plan?“ Raumplanung in (Ost-)Deutschland seit 1989/90. Münster, 21-33.
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