4 / August 2019 Das Nuklearabkommen mit dem Iran und die Kriegsgefahr am Persischen Golf Heinz Gärtner
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4 / August 2019 Das Nuklearabkommen mit dem Iran und die Kriegsgefahr am Persischen Golf Heinz Gärtner
Das Nuklearabkommen mit dem Iran und die Kriegsgefahr am Persischen Golf Zusammenfassung Diese Kurzanalyse beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen den USA und dem Iran, insbesondere hinsichtlich des Nuklearabkommens Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA). Die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran gelten als historisch kompliziert. Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1980 sind diese besonders angespannt. Diese Anspannungen gipfelten in den Auseinanderset- zungen um das iranische Nuklearprogramm in den frühen 2000er-Jahren, jedoch kam es während der Präsidentschaft Barack Obamas zu einer historischen Annäherung, welche im 2015 unterzeichneten Nuklearabkommen JCPOA gipfelten. In diesem verpflichtet sich der Iran, sein Nuklearprogramm nur zu friedlichen Zwecken zu nutzen. Es gilt als das am besten ausgehandelte Rüstungsabkommen der Geschichte. Die Annäherung fand jedoch während der Präsidentschaft Donald Trumps ein abruptes Ende. Die USA kündigten das Nuklearabkommen auf und die Spannungen nahmen wieder zu. Doch es geht den USA nicht nur darum, das iranische Atomprogramm zu kontrollieren, sondern den Ein- fluss des Irans im Mittleren Osten zurückzudrängen. Durch die von den USA verhängten Sanktionen, die von der EU mitgetragen wurden, verschärfte sich die ökonomische Lage im Iran zusätzlich. Der Autor gibt in diesem Papier einen detaillierten Überblick über diese Entwicklungen und beschreibt Szenarien, welche eine weitere Eskalation verhindern können. Keywords: USA, Iran, Nuklearabkommen, Naher Osten, Trump Autor Univ. Prof. Dr. Heinz Gärtner ist Lektor am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Wien und der Donau-Universität-Krems. Er ist Vorsitzender des Beirates Strategie und Sicherheit der Wis- senschaftskommission des Österreichischen Bundesheeres und Forscher und Beiratsmitglied des International Institute for Peace in Wien. Bis Ende 2016 war Heinz Gärtner wissenschaftlicher Direk- tor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (oiip). Heinz Gärtner ist (gemeinsam mit Mitra Shahmoradi) Herausgeber des im Jänner 2020 bei Routledge erscheinenden Buches „Iran in the International System – Iran Between Great Powers and Great Ideas“. Der Autor absolvierte im August 2019 einen mehrwöchigen Forschungsaufenthalt im Iran. Impressum: Österreichisches Institut für Internationale Politik – oiip, 1090 Wien, Berggasse 7, www.oiip.ac.at, info@oiip.ac.at Copyright © 2019 2
Das Nuklearabkommen mit dem Iran und die Kriegsgefahr am Persischen Golf Die Politik des US-Präsidenten Donald Trump Präsidenten. Dieser wurde aber 1953 mit Hilfe im Mittleren Osten konzentriert sich auf den US-amerikanischer und britischer Nachrich- Iran. Dieser soll in der Region so weit wie tendienste gestürzt und Shah Reza Pahlavi möglich zurückgedrängt werden. Dazu dienen wieder installiert. Die USA förderten die Ent- Sanktionen, um Irans Wirtschaft zu schwä- wicklung friedlicher Nukleartechnologie. Der chen, wenn diese nicht ausreichen, werden Schah verweigerte aber die Kontrolle des Nuk- letztendlich militärische Mittel überlegt. Der learprogramms, die über den Atomaffen- US-Präsident stieg im Mai 2018 aus dem 2015 sperrvertrag von 1969 hinausging. 1979 kam in Wien von den 5 plus 1 1 angenommen Nuk- es zur iranischen Revolution und der Schah learabkommen mit dem Iran (JCPOA 2) aus. Der musste ins Exil gehen. Es folgte darauf die Iran wird als Hauptursache für einen instabilen Geiselnahme von 53 amerikanischen Bot- Mittleren Osten dämonisiert. Zwischenfälle schaftsangehörigen für 444 Tage, was die USA am Persischen Golf werden zum Anlass ge- bis heute als Ursache für die schlechten Be- nommen, den Truppenaufmarsch in der Regi- ziehungen mit dem Iran angeben. In den on zu verstärken. 1980er Jahren unterstützten die USA dann den Irak im Krieg gegen den Iran. Im Verlauf der Kriegshandlungen schossen die USA 1988 Die Beziehungen zwischen den USA ein iranisches Zivilflugzeug ab, wobei 290 und dem Iran waren nie spannungs- Passagiere getötet wurden und wofür sich die frei USA nie entschuldigt haben. Unter den Präsi- denten Clinton und Khatami gab es in den 1990er Jahren einen Annäherungsversuch des Die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran an die USA. Auch 2001 und 2003 bot der Iran waren nie frei von Spannungen. Im 19. Iran Gespräche über das Vorgehen gegen Tali- Jahrhundert war der Iran zwischen den beiden ban und Al Qaida, aber auch über das Nukle- Besatzungsmächten, dem zaristischen Russ- arprogramm an, wurde aber von US-Präsident land und dem Britischen Imperium, gefangen. George W. Bush zurückgewiesen. Dieser ver- Eine unabhängige Außen- und Wirtschaftspoli- ortete den Iran 2002 auf der „Achse des Bö- tik des Iran war kaum möglich. 1906 kam es zu sen“, die jene Staaten umfasste, die die USA einer Verfassungsrevolution, nach der der Iran nach 9/11 als feindlich ansah. Der Iran betonte sein erstes Parlament bekam; Grundrechte sein Recht auf Urananreicherung, worin die und Gewaltenteilung wurden eingeführt. 1908 USA ein geheimes Nuklearwaffenprogramm schaltete Mohammed Ali Schah auf Druck der sahen. 2007 stellten 16 US- Besatzungsmächte das Parlament aus. Der Nachrichtendienste („National Intelligence Iran suchte seit Mitte des 19. Jahrhunderts Estimate“) fest, dass der Iran nach 2003 ein Hilfe bei den USA, wurde aber enttäuscht. Die derartiges Programm nicht aktiv verfolgt habe, USA benützten den Iran, um den eigenen Ein- was von der Internationalen Atomenergiebe- fluss in der Region zu sichern und den Iran in hörde (IAEO) 2015 bestätigt wurde. Präsident Abhängigkeit zu halten. Die Iraner starteten Obama verschärfte die Sanktionen 2009 und einen weiteren Versuch, selbständige Ent- die Republikaner drängten auf Militärinter- scheidungen zu treffen und wählten 1951 vention. 2012 forderten zwei Resolutionen demokratisch Mohammad Mossadegh zum des Repräsentantenhauses, dass die „vitalen Interessen der USA“ im Iran mit Gewalt ge- 1 Die fünf ständigen Mitglieder des UN- schützt werden müssen. Im Senat fand eine Sicherheitsrates: Frankreich, Großbritannien, Russ- land, Deutschland und die USA ähnliche Resolution keine Mehrheit. Die USA 2 Joint Comprehensive Plan of Action und die EU verhängten 2012 zusätzliche Sank- 3
Das Nuklearabkommen mit dem Iran und die Kriegsgefahr am Persischen Golf tionen auf Ölexporte und die iranische Zent- denn der Iran verpflichtet sich darin, niemals ralbank. Der Iran drohte, die Straße von Hor- Nuklearwaffen zu erwerben. Die umfassenden mus zu blockieren und die USA erhöhten ihre Inspektionsvorkehrungen sind ebenfalls per- Militärpräsenz im Persischen Golf. Im Iran manent. Einige technische Beschränkungen wurden Nuklearwissenschaftler ermordet und laufen nach zehn bis dreißig Jahren ab, wie der Computerwurm „Stuxnet“ wurde von den das bei jedem Rüstungskontrollabkommen der USA und Israel in die Nuklearanlagen des Iran Fall ist. Der Iran hielt sich peinlich genau an eingeschleust. Der israelische Premier Netan- das Abkommen, was auch 15 Mal von der jahu drängte bei seinem Besuch im Washing- Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) ton 2012 auf eine Militärintervention und in Wien bestätigt wurde, die anderen Unter- sprach von einer 50 prozentigen Chance, dass zeichnerstaaten ebenso. Israel den Iran angreift. Es spitzte sich auf die Alternative Krieg oder Bombe zu. 2012 wur- US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump den Gespräche der EU 3+3 (Frankreich, Groß- kündigte bereits im Wahlkampf 2016 an, dass britannien, Deutschland und China, Russland, er das Abkommen „in Stücke reißen“ würde, mit den USA als Beobachter) mit dem Iran weil es „der schlechteste Deal überhaupt“ sei. wieder aufgenommen. 2011 gab es schon Seit der nunmehrige Präsident Trump im Mai Geheimtreffen der USA mit dem Iran im 2018 aus dem Abkommen ausstieg, steigt die Oman. Nach dem provisorischen Aktionsplan Kriegsgefahr am Persischen Golf. Die USA ver- 2014 der P 5+1 (fünf Mitglieder des Sicher- letzten mit ihrem Rückzug nicht nur das Ab- heitsrates und Deutschland), wurde am 14. kommen, sondern auch das Völkerrecht. Die- Juli 2015 das Wiener Abkommen Joint Com- ses Abkommen ist völkerrechtlich verpflich- prehensive Plan of Action (JCPOA) unterzeich- tend, da es auf einer Resolution des UN- net. Die republikanische Mehrheit im US- Sicherheitsrates (2231 von 2015) beruht. Mit Kongress wollte das Abkommen verhindern. der Aufkündigung des JCPOA setzte Trump, Es gab jedoch keine Mehrheit von 60 Senato- dem multilaterale Abkommen ohnehin ver- ren innerhalb von 60 Tagen, um das Überein- dächtig sind, nicht nur ein Wahlversprechen kommen im Rahmen des „Iran Nuclear Ag- um, sondern er löschte auch ein wichtiges reement Act“ zu Fall zu bringen. Vermächtnis seines Vorgängers Barack Obama aus. Das beste Rüstungskontrollab- kommen der Geschichte Bedingungen für eine Kapitulation Im Sommer 2015 hatte man sich in Wien auf US-Außenminister Mike Pompeo stellte im das Abkommen der fünf Mitglieder des Si- Mai 2018 dem Iran zwölf Bedingungen für cherheitsrates und Deutschland mit dem Iran Verhandlungen über ein neues Abkommen. (Joint Comprehensive Plan of Action - JCPOA) Unter anderem sollte er die Urananreicherung geeinigt, dass das Nuklearprogramm des Iran völlig einstellen, obwohl ihm durch das Ab- so beschränkte, dass es nur mehr zu friedli- kommen vier Prozent zugestanden worden chen Zwecken verwendet werden kann. Es ist waren. Der Iran müsste zudem alle seine Mili- mit 164 Seiten das am besten ausgehandelte täranlagen, nicht nur die nuklearen, für In- Rüstungskontrollabkommen der Geschichte. spektionen öffnen. Er müsste sein „Verhalten“ Im Gegensatz zu den üblichen Medienberich- in der Region insgesamt ändern und jegliche ten hat dieses Abkommen kein Ablaufdatum, Unterstützung der libanesischen Hisbollah, die in Syrien gegen den IS kämpfte, und anderer 4
Das Nuklearabkommen mit dem Iran und die Kriegsgefahr am Persischen Golf Milizen sowie sein Nuklearprogramm völlig nisches Territorium vorgedrungen. Trump und einstellen. Grundlage für diese Bedingungen Netanjahu kritisierten das JCPOA, weil es „po- war ein „playbook“ von John Bolton aus dem litisches Verhalten“ des Iran nicht berücksich- Jahre 2017, als er noch nicht Sicherheitsbera- tigt, wie es Pompeo und Bolton formuliert ter der Trump-Regierung war. Darin werden haben. Es gibt aber kein Rüstungskontrollab- die Schritte genannt, wie der Iran einge- kommen, das dieses miteinbezieht; „Verhal- schnürt werden kann. Letztlich wird darin ten“ ist eine Frage der Interpretation. Würde vorgeschlagen: „Mit Israel und anderen Aus- „Verhalten“ einbezogen, hätte es kein Rüs- gewählten werden wir die Militäroptionen tungskontrollabkommen zwischen der Sow- besprechen.“ 3 jetunion und den USA während des Ost-West- Konfliktes gegeben. Der Iran kann diese Bedingungen nicht akzep- tieren. Kein Land der Welt würde alle seine Obwohl Präsident Trump und Außenminister Militäranlagen für ausländische Untersuchun- Pompeo gelegentlich Verhandlungen ohne gen öffnen. Eine derartige Vorkehrung ist auch Vor-Bedingungen angeboten haben, so ist es in keinem Rüstungskontrollabkommen vor- wahrscheinlich, dass die Bedingungen, die die handen. Diese Forderung ist ein ferner Spiegel Administration schon im Mai 2018 gestellt des Ultimatums, das die österreichische Mo- hatte, bei Verhandlungen wieder gestellt wür- narchie an Serbien nach der Ermordung des den. Diese Bedingungen zeigen, dass es längst Thronfolgers Franz Ferdinand am Vorabend nicht mehr um Irans Nuklearprogramm geht, des Ersten Weltkriegs im Juli 1914 stellte. Es sondern um den Einfluss des Iran in der Regi- verlangte die Öffnung des gesamten serbi- on und die dadurch verursachte Einschrän- schen Territoriums für die Suche nach den kung des US-Einflusses. Die Nuklearstrategie Attentätern, die einzige Bedingung, die Serbi- der USA macht dies deutlich: en nicht akzeptierte. “Iran sieht den Einfluss der USA im Mittleren Osten als die allererste Bedrohung des irani- Zudem sieht der Iran die von den USA als schen Ziels, selbst die dominante regionale feindlich eingestufte libanesische Hisbollah Macht aufzubauen. Iran ist bestrebt, seinen und andere Milizen als zweite Linie der Ver- Einfluss über die Nachbarstaaten zu vergrö- teidigung, nachdem sein konventionelles Mili- ßern und den der USA einzuschränken. Dieses tär relativ schwach ist. Was Irans Raketenpro- Ziel bedroht die Verbündeten und Partner der gramm betrifft, argumentiert der Iran, dass er USA, und Irans Verteidigungspolitik, Strategie schon einmal nach dem Angriff des Irak in den und Streitkräftestruktur deuten auf einen Ver- 1980er Jahren ohne ausreichende Verteidi- such hin, sich einen militärischen Vorteil zu gung geblieben war. Außerdem hätten die verschaffen.“ 4 Raketen Saudi Arabiens eine größere Reich- weite als die des Iran. Irans Verteidigungsaus- Pompeos und Boltons Bedingungen haben gaben belaufen sich auf zehn Milliarden US- drei Ziele: das Nuklearprogramm des Iran zu Dollar, die von Saudi Arabien auf 80 Milliarden eliminieren, Irans Einfluss in der Region zu US-Dollar. Ebenso wäre die Terrororganisation einzudämmen und letztlich das Regime zu Islamischer Staat (IS), die schon einige An- stürzen. Für letzteres spricht auch, dass die schläge im Iran verübt hatte, wahrscheinlich ohne diese Verteidigungslinie bereits auf ira- 4 Office of the Secretary of Defense, Nuclear Pos- ture Review, February 2018. https://media.defense.gov/2018/Feb/02/2001872 3 John R. Bolton, How to Get Out of the Iran Nucle- 886/-1/-1/1/2018-NUCLEAR-POSTURE-REVIEW- ar Deal, National Review, August 28, 2017. FINAL-REPORT.PDF 5
Das Nuklearabkommen mit dem Iran und die Kriegsgefahr am Persischen Golf USA im August 2019 den iranischen Außenmi- Sanktionen um 25 Prozent, und das stagnie- nister Javad Zarif mit der Begründung mit rende Wirtschaftswachstum läge ohne Sankti- Sanktionen belegt haben, dass er im Sinne des onen bei 7-8 Prozent. Faktisch alle großen obersten Führers des Iran handle und das Unternehmen haben sich aus dem Iran zu- Gesicht dieses Regimes darstelle. Da im irani- rückgezogen, weil sie Angst vor den Sanktio- schen politischen System der oberste Führer nen haben, die die USA auf Länder verhängen, immer die letzte Instanz ist, bedeutet diese die mit den Iran Wirtschaftsbeziehungen ha- Begründung, dass die USA eben dieses politi- ben. Die europäischen Länder wollen ihr Ge- sche System in Frage stellen. Sicherheitsbera- schäft mit den USA nicht verlieren. Somit ter John Bolton hat dieses System mehrmals brach der Handel der EU mit dem Iran zu Be- als „illegitim“ bezeichnet. Alle drei Ziele kön- ginn des Jahres 2019 um 70 Prozent ein. nen letztlich nur durch Krieg erreicht werden. Die europäischen Parteien des Abkommens (Frankreich, Großbritannien, Deutschland) Zündschnur zum Krieg schufen einen Mechanismus INSTEX (Instru- ment for Supporting Trade Exchanges) zur Die Regierung Trump verhängte daraufhin Aufrechterhaltung des Handels mit dem Iran eine Reihe von neuen Sanktionen über den trotz der US-Sanktionen. Dieser musste sich Iran und verlegte immer mehr Schlachtschiffe jedoch auf humanitäre und medizinische Pro- und Truppen in den Persischen Golf, obwohl dukte beschränken. der Iran das Abkommen im Gegensatz zu den USA nicht verletzt hatte. Der Iran wird als Die europäischen Staaten sind nicht in der Hauptursache eines instabilen Mittleren Os- Lage, den Verlust, den der Iran durch die US- tens dämonisiert. Mitglieder und Berater der Sanktionen erlitt, zu kompensieren, wie der Administration trafen sich öfters mit den Iran das erwartete. Als Reaktion begann der Volksmudschahedin (MEK), einer Terrororga- Iran, die Begrenzungen im Abkommen lang- nisation, die den gewaltsamen Umsturz des sam zu überschreiten. Derartige Maßnahmen iranischen Systems zum Ziel hat, und gaben eines Partners sind im Abkommen erlaubt, ihrer Hoffnung Ausdruck, dass wirtschaftliche wenn sich andere Partner nicht daran halten Sanktionen zu inneren Aufständen führen (Artikel 26, 36). Es ist ein Paradox, dass US- würden. Präsident Trump und Israels Premierminister Netanyahu dem Iran die Verletzung des Ab- Allerdings hat die iranische Wirtschaft über kommens vorwarfen, nachdem sie es als das die 40 Jahre seit der Revolution 1979 eine „schlechteste aller Zeiten“ bezeichnet und die starke Resilienz entwickelt, sodass eine derar- USA sich daraus zurückgezogen hatten. tige Entwicklung nicht in Sicht ist. Was die innere Kaufkraft betrifft, so liegt der Iran im- Schrittweise verschärften die USA unter mer noch weltweit an 18. Stelle. 5 Sichtbar ist Trump ihre Haltung gegenüber dem Iran. Ähn- das durch relativ volle Geschäfte, Märkte und lich hatte sich die Politik von Präsident George Restaurants. 6 Anzeichen eines Aufstands sind W. auf den Irak konzentriert, was sich als nicht bemerkbar. Allerdings verlor die irani- dramatischer Fehler herausgestellt hat. Das sche Wirtschaft seit den neuerlichen US- Nuklearabkommen und das Nuklearprogramm des Iran erscheinen ebenso als Vorwand wie 5 die Existenz von Massenvernichtungswaffen https://www.indexmundi.com/g/r.aspx?t=20&v=6 5 vor der US-Intervention der USA im Irak 2003. 6 Besuch des Autors im Iran im August 2019. Mit seiner Dämonisierung Teherans hat Trump 6
Das Nuklearabkommen mit dem Iran und die Kriegsgefahr am Persischen Golf das Fundament gelegt, auf dem ein neuer der sie sich verpflichten, auf Hegemo- Krieg entstehen kann. nieansprüche in der Region zu verzich- ten. Das wäre eine gesichtswahrende Wie in allen Vorkriegszeiten häuften sich Zwi- Maßnahme, die die Gesprächsdyna- schenfälle, wie Anschläge auf Schiffe im Persi- mik ändern könnte. Dafür gibt es be- schen Golf oder deren Beschlagnahme. Derar- reits ein historisches Vorbild. Als 1972 tige Ereignisse im Golf werden zum Anlass US-Präsident Richard Nixon den Vor- genommen, den Truppenaufmarsch der USA sitzenden der Kommunistischen Partei und auch Großbritanniens in der Region zu Chinas Mao Tse Tung traf, wurde ein verstärken. Die Forderung der USA, eine Mili- derartiges Kommuniqué verabschie- tärmission zum „Schutz“ der Seewege im Per- det. Beide Seiten verzichteten darin sischen Golf aufzustellen, an der sich auch die auf hegemoniale Ansprüche in Ost- Europäer beteiligen sollen, erscheint mehr als asien. Mao wollte ohnehin die Unter- Embargo oder Blockade des Irans. Derartige stützung von kommunistischen Auf- Maßnahmen haben in der Geschichte immer ständischen reduzieren, und Nixon wieder das Kriegsrisiko erhöht, wie etwa in wollte den Rückzug der USA aus Viet- der Berlin- und der Kubakrise von 1948 und nam vorbereiten. Das Nixon-Mao Tref- 1963. Dasselbe gilt für militärische Zwischen- fen wurde zu einem der erfolgreichs- fälle, die real, hoch- oder heruntergespielt ten Gipfel der Geschichte. Ähnlich oder gar konstruiert sein können. Ein Beispiel wird für den Iran die Unterstützung für einen realen Zwischenfall ist der Angriff der Milizen in der Region eine finanzi- des US-Kriegsschiffs „Vincennes“ auf ein irani- elle Bürde. Präsident Trump hatte im sches Flugzeug im Jahr 1988. Dieser ereignete Wahlkampf ohnehin angekündigt, US- sich nach dem Eintritt der USA in den Krieg Truppen aus dem Mittleren Osten zu- zwischen Iran und Irak; letzterer wurde von rückziehen zu wollen. den USA unterstützt. Das US-Schiff befand sich • Trotz der Spannungen in der Region in iranischen Gewässern. Der Airbus 300 wur- könnte der Iran selbst konstruktive de laut Angaben der US-Navy mit einer F-14 Vorschläge machen. Um Befürchtun- verwechselt. Von den 290 Insassen überlebte gen der USA und Europas bezüglich keiner. Ein Beispiel für einen konstruierten des Nuklearprogrammes zu besänfti- Zwischenfall war der angebliche Beschuss gen, könnte der Iran anbieten, der eines amerikanischen Schlachtschiffes durch nuklearwaffenfreien Zone in Zentrala- ein nordvietnamesisches Schnellboot im Golf sien (Vertrag von Semipalatinsk) bei- von Tonkin im Jahre 1964. Es hat lediglich eine zutreten. Zentralasien ist dem Iran his- unbedeutende Auseinandersetzung einige torisch und kulturell viel näher als sei- Tage zuvor gegeben. Der Angriff war aber die ne arabischen Nachbarn, waren einige Basis für eine Resolution des US-Kongresses, zentralasiatische Länder doch teilwei- die den zehnjährigen Vietnamkrieg auslöste. se bis ins 19. Jahrhundert Teil Persi- ens. Im Gegenzug müssten die USA al- lerdings das Protokoll des Vertrages Empfehlungen ratifizieren, in dem sich Nuklearwaf- fenmächte verpflichten, Mitgliedstaa- • Um die Kriegsgefahr zwischen den ten dieser Zone nicht mit Nuklearwaf- USA und dem Iran vorerst zu mildern, fen anzugreifen oder sie zu bedrohen. könnten sich beide Seiten zu einer all- Der Iran käme damit in den Genuss gemeinen Erklärung durchringen, in 7
Das Nuklearabkommen mit dem Iran und die Kriegsgefahr am Persischen Golf dieser negativen Sicherheitsgarantien. Vertrag letztlich auch vollständig bei- Das wird umso dringlicher, als Trump treten. dem Iran mehrmals mit der völligen • Nachdem es dem Iran im JCPOA oh- Auslöschung gedroht hat. Das wäre nehin verboten ist, Nuklearwaffen zu wohl nur mit kleinen Nuklearwaffen testen, könnte er auch den Vertrag möglich, wollen die USA nicht in einen über einen umfassenden nuklearen jahrelangen konventionellen Abnüt- Teststopp (Comprehensive Nuclear zungskrieg verwickelt werden. Unter- Test Ban Treaty - CTBT) ratifizieren. zeichnet haben die USA den Vertrag von Semipalatinsk, aber nicht ratifi- Wenn man die Frage nach den mittel- und ziert. langfristigen Lerneffekten aus der Krise des • Das Raketenprogramm sollte nicht Teil Jahres 2014 stellt, und hier auch Kroatien als des JCPOA werden. Wenn der Iran be- EU-Mitgliedsland und Vergleichsgröße hinzu- fürchtet, dass er nochmals schutzlos zieht, dann sind die Unterschiede auffallend von seinen Nachbarn angegriffen stark. Die wichtigsten Lehren wurden in Kroa- werden könnte, könnte er sich aber zu tien gezogen. Kroatien verabschiedete ein regionalen Rüstungskontrollverhand- neues Gesetz zu Katastrophenschutzdiensten lungen bereit erklären. Diese würden und investierte in den Hochwasserschutz. In Anzahl und Reichweite der Raketen Bosnien und Herzegowina kam es zu Verände- der Staaten der Region einbeziehen. rungen auf der technischen Ebene. Es wurde Das betrifft auch die Raketen Saudi in die Hochwasserinfrastruktur, in aktualisier- Arabiens, die bereits eine längere te Risikobewertungen sowie verbesserte Reichweite haben als diejenigen des Frühwarnsysteme investiert. Das entschei- Iran. 7 Davon bliebe das JCPOA unbe- dende Problem der mangelnden Kommunika- rührt; es müsste nicht mit Zusätzen tion zwischen verschiedenen Verwaltungs- versehen werden. Nuklearwaffenfreie ebenen und Institutionen, insbesondere zwi- Zonen und Rüstungskontrolle sind schen den beiden ethnisch-politischen sub- letztlich die besseren Lösungen als staatlichen Einheiten, wurde jedoch gar nicht Nuklearwaffen und Krieg. verbessert. In Serbien kam es nur einge- • Der Iran könnte auch den Vertrag schränkt zu Erneuerungen. Vielmehr wurden über das Verbot von Nuklearwaffen die Überschwemmungen wie jedes andere (Treaty on the Prohibition of Nuclear politische Problem behandelt. Dadurch wurde Weapons – TPNW) unterzeichnen und die Krise politisch instrumentalisiert und in ratifizieren. Im Juni 2017 stimmten Folge auch - trotz rhetorischer Beteuerungen - 122 Mitgliedstaaten der Vereinten Na- keine substantiellen Änderungen am Krisen- tionen (UN), darunter der Iran, für den managementsystem vorgenommen. TPNW. Unter diesen waren keine Nuk- learwaffenstaaten oder ihre Verbün- Schluss deten, also kein NATO-Mitglied. Wenn der Iran, wie er versichert, keine Nuk- learwaffen anstrebt, könnte er dem US-Präsident Trump hat mit der völkerrechts- widrigen Kündigung des Nuklearabkommens mit dem Iran (JCPOA) 2018 eine Zündschnur zum Krieg gelegt. Über den Iran wurden in 7 Pieter d. Wezeman/Alexandra Kuimova, Military Folge beißende Sanktionen verhängt, obwohl Spending and Arms Imports by Iran, Saudi Arabia, Qatar and The UAE, SIPRI-Fact Sheet, May 2019. dieser das Abkommen einhielt. Der Iran er- 8
Das Nuklearabkommen mit dem Iran und die Kriegsgefahr am Persischen Golf wartete, dass die Europäer den Verlust dieser Regionale Rüstungskontrollgespräche über Sanktionen kompensieren würden, wozu diese schwere konventionelle Waffen, einschließlich nicht in der Lage sind. Der Iran begann nun, der Raketenprogramme, müssten alle regiona- die Beschränkungen im Abkommen schritt- len Mächte – und nicht nur den Iran – einbe- weise zu überschreiten, was im Abkommen ziehen. Der Beitritt vom Iran zur nuklearwaf- vorgesehen ist, wenn sich eine andere Partei fenfreien Zone in Zentralasien würde seinen nicht daran hält. Zwischenfälle im Persischen nuklearwaffenfreien Status über das JCPOA Golf können als Vorwand für weitere militäri- hinaus bestätigen. Allerdings müsste er dafür sche Maßnahmen, die über den stattfinden- von den USA die Garantie bekommen, dass er den Truppenaufmarsch hinausgehen, verwen- nicht nuklear angegriffen oder bedroht wird. det werden. Bisher hat Präsident Trump noch Eine Unterzeichnung und Ratifizierung des kein grünes Licht für einen militärischen An- Vertrags über das Verbot von Nuklearwaffen griff gegeben, obwohl er bereits mit der Aus- durch den Iran, würde außerdem seine nicht- löschung des Irans gedroht hat. Ein großer nuklearen Absichten unterstreichen und dar- Rückstand bei den Umfragen vor den US- über hinaus die Nicht-Nuklearwaffenstaaten Präsidentschaftswahlen 2020 könnte seine stärken. Ähnliches gilt für die Ratifizierung des Meinung ändern, wenn er durch einen militä- umfassenden nuklearen Teststopps. rischen Angriff die Nation hinter sich zu verei- nen hofft. Die Europäer müssten sich, wollen sie das Abkommen retten, politisch und dip- lomatisch vorbehaltlos hinter das Abkommen stellen. Die derzeitige Sprachregelung der Europäer, dass dieses „nicht perfekt“ sei, ist konterproduktiv, weil sie Trumps Kritik nur bestätigt und nicht widerlegt. Kein Abkommen ist „perfekt“! Es ist eine Fehlannahme, dass Trump die NATO mehr unterstützen wird, wenn NATO-Staaten das Abkommen kritisie- ren. Großbritannien mag sich ein besseres Freihandelsabkommen mit den USA verspre- chen, wenn sie das JCPOA nur mehr halbherzig verteidigen. Für Trump gibt es in diesem Punkt aber keine Zugeständnisse, wie er mehrmals klargestellt hat. Durch den Aufbau des Irans als gemeinsames Feindbild Israels und Saudi Arabiens, soll auch den Palästinensern die arabische Unterstützung entzogen werden. Das ist umso paradoxer als es die arabischen Staaten und nicht der Iran waren, die Israel seit seiner Existenz drei Mal angriffen. Verschiedene Vorschläge können helfen, die Spannungen abzubauen. Eine gemeinsame Hegemonieverzichtserklärung der USA und des Irans für die Golfregion könnte eine ge- sichtswahrende Gesprächsdynamik einleiten. 9
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