Afrikas Bob Marley - Norient

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Afrikas Bob Marley - Norient
Afrikas Bob Marley | norient.com                                      14 Dec 2021 21:31:07

    Afrikas Bob Marley
    by Theresa Beyer

    Das Leben als interplanetarische Liebe: Der bald 60-jährige
    Reggae-Pionier Alpha Blondy von der Elfenbeinküste bringt
    ein Live-Album heraus und tourt um den Globus. Ein Porträt.

    Bob Marley sagte mal: «Wenn Reggae irgendwann in Afrika ankommt, wird er
    in eine neue Dimension eintreten». Den Urknall dieser neuen Dimension
    durfte der jamaikanische Reggae-König, der vor 31 Jahren starb, nicht mehr
    erleben. Zwei Jahre nach seinem Tod stand Alpha Blondy mit Musikern aus
    Ghana wippend im Studio und sang «thy glory shining, bright down on me all
    the way​». Doch lang und keineswegs nur sonnig war der Weg bis Blondy vor
    diesem Mikro stand.

    Elvis der Elfenbeinküste
    Als erstes von neun Kindern wurde er 1953 als Seydou Koné in Dimbokro an
    der Elfenbeinküste geboren. Bei seiner Grossmutter aufgewachsen, zog es
    ihn mit neun Jahren zu seinem Vater nach Odjenné und zehn Jahre später
    nach Korhogo ins Internat, wo er sich der Studentenbewegung anschloss und
    seine erste Band, die Atomic Vibrations gründete – weil er ein
    Frauenschwarm war, nannten ihn seine Freunde Elvis Blondy. 1976
    beschliesst er in das Land des echten Elvis zu gehen und dessen Sprache zu
    lernen. Doch prägend waren weder seine Englischkurse an der Columbia
    University in New York, noch sein Brotjob als Kurier. Das was wirklich

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Afrikas Bob Marley - Norient
Afrikas Bob Marley | norient.com                                         14 Dec 2021 21:31:07

    einschlug war ein Konzert des jamaikanischen Reggae-Musikers Burning
    Spear im Central Park. Blondy war infiziert von der Rastafari-Philosophie,
    passte dieser Esprit doch bestens zu dem, was ihm damals seine Grossmutter
    beigebracht hatte: «Sei aufrichtig!»

    Auf dem Weg zum eigenen Sound

    Als Blondy 1980 an die Elfenbeinküste zurückkehrte musste er sich
    eingestehen, dass aus seinem grossen «American Dream» nicht viel
    geworden ist. Da stand er nun mit Dreadlocks in seinem alten Heimatdorf,
    sprach von seiner wohlüberlegten «Rastafoulosophie» und vom Ideal
    demokratischer Mitbestimmung – und wurde nur schief angesehen. Um den
    Rekulturschock zu überwinden, brauchte es den Schubs seines alten
    Schulfreundes Fulgence Kassi, der mittlerweile beim Fernsehen arbeitete und
    ihm dort ein Podium verschaffte. Und sieheda: 1983 sang er das besagte
    Album Jah Glory ein, eine der ersten Reggae-LPs des afrikanischen
    Kontinents. Bald darauf folgte Jerusalem (1986), das ihm mit mit der Würze
    von Marleys The Wailers weltweiten Erfolg einbrachte.

    Doch Blondy wollte zwar Nachfolger, aber keine Kopie seines grossen
    jamaikanischen Vorbildes sein: Mit seinem guten Riecher für talentierte
    Musiker und Arrangeure formt er sich aus Schlagzeug, Bass und E-Gitarre,
    aber auch Instrumenten wie einer guineischen Flöte, einer arabischen Oud
    oder der typisch westafrikanischen Laute Kora seine eigene Afro-Reggae
    Identität. Dass sich er und seine Band Solar System diesem Sound auch nach
    20 Millionen verkauften Alben treu geblieben sind, reflektiert das Live-Album
    Alpha Blondy Live.

    Zweifel und Hoffnung

    Auf diesem Querschnitt durch sein Schaffen ist zu hören, wie wichtig Blondy
    die politische Message ist: Er singt gegen Diktatur, gegen Militärputsche,
    gegen Beschneidung, gegen die Schikanepraxis der Polizei, gegen die harten
    Realitäten seines Kontinents und setzt dem Kummer der Welt Visionen und
    Hoffnung entgegen. Dennoch wurde sein pazifistischer Kampfgeist immer
    wieder von Phasen des Zweifelns und schweren Depressionen überschattet.
    Auch dies verarbeitet er in seinen Liedern: «Es hat mir sehr geholfen, über
    meine Wunden und den Frust zu singen» erzählt er 2011 in einem Interview
    mit Reggaenews.

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Afrikas Bob Marley | norient.com                                              14 Dec 2021 21:31:07

    God Is One
    Wohl sind es auch diese Krisen, die ihn mehr und mehr zur Religion führten.
    Doch woran glaubt ein Rastafari, der Sohn einer muslimischen Mutter und
    eines christlichen Vaters ist? Ganz einfach: an Gott. Denn für Blondy gilt
    «God is one», wie er es auf dem Album Massada (1992) auf den Punkt bringt.
    Genauso wie Landesgrenzen, hält er auch Religionsgrenzen für gefährliche
    Konstrukte und möchte die drei monotheistischen Weltreligionen
    Christentum, Islam und Judentum in einem Einheitsglauben aus Toleranz und
    Liebe verschmelzen lassen. Um dies möglichst weit zu streuen, singt er auf
    Englisch, Französisch, Arabisch, Hebräisch und seiner Muttersprache Dioula,
    besucht Kirchen genauso wie Moscheen und Synagogen und tritt keine Tour
    an, ohne eine Bibel, den Koran und den Davidsstern dabei zu haben. Dies sind
    seine Glücksbringer damit seine transkonfessionelle, «interplanetarische
    Liebe» – wie er es selbst nennt – strömen kann.

    → Published on May 10, 2012

    → Last updated on August 06, 2020

    Theresa Beyer gehört seit 2011 als Editorin, Kuratorin und Mitherausgeberin des
    Buches «Seismographic Sounds – Visions of a New World» zum Kernteam von
    Norient und beschäftigt sich mit Themen wie Queeren Musikkulturen,
    experimenteller Musik in Städten wie Belgrad oder Neu Delhi, und reflektiert in
    Vorträgen über die Chancen des multilokalen Kuratierens. Neben ihrer Norient-
    Identität ist sie Musikredaktorin bei Radio SRF 2 Kultur.

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