Aktive Lehr-Lern-Kultur - Bildungsjournal der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe 8. Jahrgang 2021 - Pädagogische Hochschule Karlsruhe

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Aktive Lehr-Lern-Kultur - Bildungsjournal der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe 8. Jahrgang 2021 - Pädagogische Hochschule Karlsruhe
Bildungsjournal der
Pädagogischen Hochschule Karlsruhe
8. Jahrgang 2021

Aktive Lehr-Lern-Kultur
Aktive Lehr-Lern-Kultur - Bildungsjournal der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe 8. Jahrgang 2021 - Pädagogische Hochschule Karlsruhe
Bildungsjournal der
                                                                                 Pädagogischen Hochschule Karlsruhe
                                                                                 8. Jahrgang 2021

Eine aktive Lehr-Lern-Kultur ist Prädikat und Markenzeichen des Studien­
angebots an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Bei der Umsetzung
hat sie in den vergangenen Jahren willkommene Unterstützung durch ein
Hochschulentwicklungsprojekt erhalten, welches im bundesweiten Qualitäts-
pakt Lehre gefördert wird. Von den Erträgen dieses Karlsruher Projekts, das
„Bildungsinitiative L2: Für eine aktive Lehr-Lern-Kultur“ heißt, berichtet die
aktuelle Ausgabe.

Einblicke in den digitalen Lehr- und Forschungsalltag während der Pandemie
geben wir in der Rubrik IM FOKUS. Daneben erinnern wir an zwei Jubiläen,
die umständehalber nicht gefeiert werden konnten. „MiniMa“, die mathema-
tische Machmit-Werkstatt, bringt seit nunmehr zehn Jahren Kita-Gruppen
und Grundschulklassen an die Hochschule. Ebenfalls in seinem zehnten Jahr
ist der erfolgreiche interdisziplinäre Masterstudiengang „Interkulturelle
Bildung, Migration und Mehrsprachigkeit“.

In der Rubrik PERSPEKTIVEN erfahren Sie mehr über die aktuellen Veröffent-
lichungen der Lehrenden. Und in der Rubrik NACHGEFRAGT sprechen wir mit
Dr. Anke Rigbers, Präsidentin des Statistischen Landesamts und zuvor Stif-
tungsvorständin der evalag, über vom Bund und Land geförderte Programme
und Projekte sowie deren Verankerung an den Hochschulen.
Aktive Lehr-Lern-Kultur - Bildungsjournal der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe 8. Jahrgang 2021 - Pädagogische Hochschule Karlsruhe
Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,
nach einer aktiven Lehr-Lern-Kultur strebt jede Bildungs-      zuletzt natürlich vor allem für die zügige Umstellung auf       Lukas Brand und Mutfried Hartmann steht der Übergang         terview mit Anke Rigbers, die als Leiterin der Evaluations-
einrichtung, und umso mehr in pandemischen Zeiten, die         digitale Veranstaltungen.                                       von einer verfahrens- und kalkülorientierten Mathematik      agentur Baden-Württemberg (evalag) inzwischen zur Prä-
zur Umstellung auf digitale Lehre zwingen. Die gegenwär-                                                                       zur „Mathematikkompetenz“. Der Übergang stellt hohe          sidentin des Statistischen Landesamts berufen wurde.
tigen Verhältnisse machen deutlich, wie wichtig – und wie      Der Beitrag „Tutorinnen und Tutoren im Zentrum der              Anforderungen und macht eine tutorielle Begleitung wün-
voraussetzungsreich – der offene, regelmäßige Austausch        Hochschulinitiative“ von Max Bauer, Maresa Coly, Johann-        schenswert. Die Anforderungen spiegeln sich auch in der      Über die Projektarbeit hinaus erfahren Sie auch in dieser
der Lehrenden und Lernenden über Studieninhalte, Stu-          Frédéric Freund, Udo Grün, Rebecca Sommer und Silke Traub       Qualifikation fürs Tutorenamt. Die fortgeschrittenen         Ausgabe Neues aus dem Lehr- und Forschungsalltag der
dienbedingungen und Prüfungsanforderungen ist, gleich          würdigt die Mitwirkung der über dreihundert Tutorinnen          Semester fungieren zunächst als „Hilfstutor(inn)en“, be­-    Hochschule. Lehrende schildern interaktive Online-For-
ob er online oder offline stattfindet.                         und Tutoren, die sich bislang für das – inzwischen bundes-      vor sie in die begleitete und in die eigenverantwortliche    mate und stellen ihre aktuellen Veröffentlichungen vor.
                                                               weit bekannte – „Karlsruher Tutorentraining“ am Lehr-           Übungsleitung wechseln.                                      Schließlich erinnern wir an zwei Jubiläen, die an der Hoch-
Eine aktive Lehr-Lern-Kultur bleibt Prädikat und Mar­          Lern-Zentrum entschieden haben. Dabei zeigt die Evalua-                                                                      schule umständehalber nicht recht gefeiert werden konn-
kenzeichen des Studienangebots an der Pädagogischen            tion deutlich, dass die Tutorinnen und Tutoren für ihre         Die Bildungsinitiative als kollegiales Projekt beschreiben   ten. „MiniMa“, die mathematische Machmit-Werkstatt,
Hochschule Karlsruhe. Bei der Umsetzung hat sie in den         Aufgaben an der Hochschule und ebenso für ihre spätere          Udo Grün, Silke Traub und Brigitte Übel gemeinsam mit        bringt seit zehn Jahren Kita-Gruppen und Grundschul­
vergangenen Jahren willkommene Unterstützung durch             Berufstätigkeit hinzugewinnen.                                  Marianne Soff in „Die Entwicklung der Hochschullehre im      klassen an die Hochschule. Ebenfalls in seinem zehnten
ein Hochschulentwicklungsprojekt erhalten, welches im                                                                          kollegialen Austausch“. Sie erinnern an die gute Tradition   Jahr ist der interdisziplinäre Masterstudiengang „Inter­
bundesweiten Qualitätspakt Lehre gefördert wird. Von den       Anne Frenzke-Shims und Kristina Matschkes Aufsatz zur           hochschuldidaktischer Arbeitsgruppen vor dem Qualitäts-      kulturelle Bildung, Migration und Mehrsprachigkeit“, der
Erträgen dieses Karlsruher Projekts, das „Bildungsinitia­-     „Qualifizierung von Tutorinnen und Tutoren im Fach              pakt, zeigen ihren Ausbau im Projektverlauf und skizzieren   sich bei Studierenden aus Nah und Fern einer ungebrochen
tive L2: Für eine aktive Lehr-Lern-Kultur“ heißt, berichtet    Deutsch“ steht dafür, wie die Idee von der aktiven Lern­        Gelingensbedingungen für die zukünftige Arbeit auf kol-      starken Nachfrage erfreut.
die aktuelle Ausgabe.                                          kultur an der Hochschule weite Kreise gezogen und Fächer        legialer Basis.
                                                               mit hohen Studierendenzahlen dazu veranlasst hat, eigene
Die Autorinnen und Autoren legen dabei einen klaren            Schulungsangebote zu entwickeln. Die Autorinnen betonen         Dass die Zusammenarbeit nicht auf Karlsruhe beschränkt
Schwerpunkt auf die Tutorienarbeit. Der Grundgedanke           die Rolle der Tutorinnen und Tutoren „zwischen den Peers        ist, dokumentiert der Gastbeitrag von Dennis Schäffer und
des Projekts ist, dass Tutorinnen und Tutoren einen bedeut-    und den Lehrenden“ und zeigen, wie es ihnen gelingen            Bettina Eller-Studzinsky: „Innovationen in die Fläche tra-
samen Beitrag zu dieser „Kultur“ des Lehrens und Lernens       kann, den Studierenden das „Grundlagenwissen Deutsch“           gen: PraxiS OWL“. Das Projekt an der Technischen Hoch-
leisten. Ihre eigenen Studienerfahrungen sind taufrisch.       näherzubringen: in der Sprachdidaktik, der Lesedidaktik         schule Ostwestfalen-Lippe ist vom Projektträger als beson-
Zugleich stehen sie den Lerngewohnheiten und Lebensver-        und der Literaturwissenschaft.                                  ders zukunftsträchtiges Angebot ausgewählt worden, wie
hältnissen der aktuellen Studierendengeneration am nächs-                                                                      das Projekt in Karlsruhe. Daraus ergab sich der Kontakt
ten. Tutorielle Veranstaltungen sind dabei um so ergiebiger,   Ein Qualifikationsangebot, welches Präsenzphasen des            und das hochschulübergreifende Gespräch zum Transfer
je mehr sie Gelegenheiten zur individuellen und gemein-        Karlsruher Tutorentrainings nutzt und um eine forschungs-       und zur Verstetigung von Lehrinnovationen.
samen Auseinandersetzung mit dem Lehrangebot schaffen.         orientierte Qualifizierung erweitert, stellen Petra Panenka,                                                                 Prof. Dr. Klaus Peter Rippe und Udo Grün
                                                               Anne Pfeifer und Olga Kunina-Habenicht vor. In „Die Bedeu-      Der Qualitätspakt Lehre läuft bald aus. Zentrale Neuerun-
Das Förderprojekt setzt deshalb auf eine gründliche, praxis­   tung von Forschungsmethoden für den Theorie-Praxis-             gen der Bildungsinitiative, deren Leitung zuletzt in den
begleitende Qualifikation der Tutorinnen und Tutoren, die      Transfer“ zeigen die Autorinnen, dass die Tutorinnen und        Händen des Prorektors für Studium und Lehre, Prof. Dr.
über zwei Semester reicht. Sie wird in mehreren „Teilpro-      Tutoren auch aus dieser erweiterten Qualifizierung nicht        Christian Gleser lag, wird die Pädagogische Hochschule
jekten“ angeboten und findet großen Zuspruch unter den         nur für die „Theorie“ lernen – und für die Begleitung junger    Karlsruhe verstetigen. Die vorliegende Ausgabe von DIALOG
Studierenden. Viele Kolleginnen und Kollegen bestärken         Studierender bei ihren ersten forschungsorientierten Arbei-     bietet darum nicht nur einen Rückblick auf eine gelungene
sie darin. Sie begleiten die Initiative auch hochschuldidak-   ten –, sondern daraus „persönlich und beruflich profitieren“.   Projektarbeit, sondern markiert gute Gelegenheiten, sich
tisch oder tragen individuell zum Projektziel bei – zum                                                                        weiter gemeinsam für eine aktive Lehr-Lern-Kultur stark
Beispiel in „Microprojekten“, in denen sie die tutorielle      Im Mittelpunkt des Beitrags „Qualifizierung von Tutorinnen      zu machen. Die Bedeutung kontinuierlicher, kollegialer
Unterstützung zur Einführung neuer Lehrformate nutzen,         und Tutoren im Fach Mathematik“ von Benedikt Mattes,            Hochschulentwicklung in der Lehre unterstreicht das In-

                                                                                                                         2     EDITORIAL                                                                                                            3
Aktive Lehr-Lern-Kultur - Bildungsjournal der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe 8. Jahrgang 2021 - Pädagogische Hochschule Karlsruhe
2    Editorial
               6    AKTIVE LEHR-LERN-KULTUR: Bildungsinitiative L2
                    Teilprojekt Tutorentraining | Teilprojekt Lernberatung

               8    Tutorinnen und Tutoren im Zentrum der
                    Hochschul­initiative
                    Teilprojekt Tutorenqualifikation Deutsch

              16    Qualifizierung von Tutorinnen und Tutoren
                    im Fach Deutsch
                    Teilprojekt Wissenschaftliches Arbeiten und Denken

              22    Die Bedeutung empirischer Forschungs­methoden
                    für den Theorie-Praxis-Transfer
                    Teilprojekt Tutorenqualifikation Mathematik

              28    Qualifizierung von Tutorinnen und Tutoren
                    im Fach Mathematik
                    Teilprojekt Hochschuldidaktik

              34    Die Entwicklung der Hochschullehre im
                    kollegialen Austausch
                    Gastbeitrag aus dem Qualitätspakt Lehre

              42    Innovationen in die Fläche tragen: PraxiS OWL
              48    IM FOKUS
              60    PERSPEKTIVEN
              72    Nachgefragt bei Dr. Anke Rigbers
         Umschlag   Impressum

                    Microprojekte
              15    Forschendes Lernen und Wissenschaftliches Arbeiten
              21    „Singlish“ – Englisch lernen mit Musik, Bewegung, Tanz & Spiel
              27    Geländearbeit im Sachunterricht
              33    Der Lernort „Sprachwerkstatt Französisch“
              41    Thematisches Tandem – ein digitales Interaktionsprojekt
              53    Karlsruhe postkolonial

Inhalt
              65    Heilkräuter in Poesie und Botanik
              67    Beyond the classroom
              69    Musikgeschichte didaktisch aufbereiten
              77    Generationenübergreifende Hybridlehre
Aktive Lehr-Lern-Kultur - Bildungsjournal der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe 8. Jahrgang 2021 - Pädagogische Hochschule Karlsruhe
AKTIVE LEHR-LERN-KULTUR
    Bildungsinitiative L2
Aktive Lehr-Lern-Kultur - Bildungsjournal der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe 8. Jahrgang 2021 - Pädagogische Hochschule Karlsruhe
Max Bauer / Maresa Coly / Johann-Frédéric Freund /
Udo Grün / Rebecca Sommer / Silke Traub

Teilprojekt Tutorentraining | Teilprojekt Lernberatung

Tutorinnen und Tutoren
im Zentrum der
Hochschul­initiative

ABSTRACT                                                          staltungen anbot. Anders als früher waren es nun aber
                                                                  vorwiegend Studierende, höhere Semester, welche die
Die Bildungsinitiative L2 stellt in Karlsruhe erstmals den Bei-   Tutorien durchführten. So lag es nahe, diese Studierenden
trag der Tutorinnen und Tutoren zur Lehre und zum Studium         auch didaktisch und methodisch für ihre Tutorienarbeit
in den Mittelpunkt eines Förderprojekts. Deren Einsatz in         zu qualifizieren, zumal an einer bildungswissenschaftli-
Begleit- und Übungsveranstaltungen, in der Lernberatung           chen Hochschule. Ein Konzept, das sich am lange bewähr-
Peer-to-Peer, für selbst- und mitgestaltete Einführungskurse,     ten Weingartener und Karlsruher „Kontaktstudium Er-
für Workshops und Lehrprojekte macht sie zu change agents         wachsenenbildung“ ausrichtet (Wahl 2006, vgl. Traub
der „Verbesserung der Studienbedingungen und der Qualität         2020), bildet deshalb seit 2008 die Basis des freiwilligen
in der Lehre“, welche sich der Qualitätspakt Lehre des BMBF       zentralen Trainings. Es wird praxisbegleitend zur Tuto-
zum Ziel gesetzt hat. Hierfür erhalten die Tutorinnen und         rentätigkeit angeboten und erstreckt sich über zwei Se-
Tutoren eine anspruchsvolle, praxisbegleitende Qualifizie-        mester. Die Teilnehmenden setzt es Schritt für Schritt in
rung, die als „Karlsruher Tutorentraining“ auch bundesweit        Stand, Tutorien fundiert zu planen und sie abwechslungs-
Beachtung findet.                                                 reich und effektiv zu gestalten.
                                                                  An dieser – im Jahr 2010 mit dem Hochschullehrpreis
For the first time in Karlsruhe, a university program with        ausgezeichneten – Grundidee hat sich seither nichts ge-
govern­ment support emphasizes tutors’ contributions to           ändert. Und doch ist vieles anders geworden in den acht
Higher Education. Through their engagement in tutorials           Jahren, in denen das Tutorentraining zum Kernstück und
and practice sessions, peer learning, self-designed and co-       Motor des bis dahin größten Förderprojekts an der Päd-
designed introductory courses, workshops and innovative           agogischen Hochschule Karlsruhe wurde.
teaching projects, tutors become change agents for the
“improvement of study conditions and of teaching quality,”
which is the goal of the “Qualitätspakt Lehre,” the federal
program funding this learning initiative. For this purpose,       DAS ZENTRUM DER HOCHSCHULINITIATIVE
the tutors receive a thorough qualification, the "Karlsruher
Tutorentraining," which is recognized nationwide.                 Die Förderung mit Bundesmitteln ermöglichte es den In-
                                                                  itiatorinnen, jede Tutorenstunde, die von Fakultäts- oder
                                                                  Institutsseite bewilligt wurde, um eine weitere Stunde
                                                                  aufzustocken. Im Gegenzug durchliefen die Tutorinnen
Die Grundidee der Karlsruher Bildungsinitiative reicht            und Tutoren die Qualifikation vollständig und konnten
noch etliche Jahre hinter den Qualitätspakt des BMBF              auch nach deren Abschluss kofinanziert werden. Auf diese
(2011-2020) zurück. Steigende Studierendenzahlen, grö-            Weise wollte man Massenvorlesungen stärker entlasten,
ßere Vorlesungen und Seminare, neue Studienmodule,                betreuungsintensive Seminare qualifiziert begleiten und
vielfältigere Lebensentwürfe und Lerngewohnheiten der             generell die Zahl der Studierenden erhöhen, die an der
Studierenden ließen auch in Karlsruhe die Zahl an Tuto-           Hochschullehre mitwirkten. Die Initiative bezog im Früh-
rien ansteigen, die man begleitend zu den Hauptveran-             jahr 2012 ein gut ausgestattetes Lehr-Lern-Zentrum und

AKTIVE LEHR-LERN-KULTUR                                                                                                  9
Aktive Lehr-Lern-Kultur - Bildungsjournal der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe 8. Jahrgang 2021 - Pädagogische Hochschule Karlsruhe
beschäftigte neue Mitarbeitende für die Trainingsleitung                             turiert war, selbst wenn man an der Kapazitätsgrenze ar-         ÜBERZEUGENDE ERGEBNISSE                                                            „Die Bildungsinitiative war für
 und die Mittelverwaltung, aber auch für die Evaluation                               beitete. Denn nur so war es möglich, dass die Tutorinnen                                                                                           mich eine echte Chance. Im
 und Öffentlichkeitsarbeit. Denn zugleich sollte das neue                             und Tutoren ihre Trainingserfahrungen als Folie für ihre         Evaluiert wurde das Karlsruher Tutorentraining fortlau-                           Tutorentraining habe ich
 Angebot dazu dienen, Lehrende und Studierende regelmä-                               eigenen Begleit- und Übungsveranstaltungen verwenden             fend mithilfe von Fragebögen, die sowohl vor als auch nach
                                                                                                                                                                                                                                         Grundlagen erworben, die ich
 ßig und dauerhaft ins Gespräch zu bringen, über „die Ver-                            konnten: für ihre individuelle Kursentwicklung, für einen        dem Training ausgegeben wurden. Die Ergebnisse der Eva-
 besserung der Studienbedingungen und der Qualität in                                 reflektierten Methodeneinsatz, aber auch für ihren Um-           luation stellen dem Qualifikationsangebot hinsichtlich der                        überall gut einsetzen konnte: als
 der Lehre“ (vgl. BLK 2010, in Wissenschaftsrat 2017) oder,                           gang mit den Studierenden („Pädagogischer Doppel­                Zufriedenheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein             Tutorin, als Referendarin, und vor allem auch
 in den Worten der Karlsruher Initiative: zugunsten einer                             decker“).                                                        exzellentes Zeugnis aus. Die Zufriedenheit spiegelt sich         jetzt als Lehrkraft und Mentorin. Damit habe ich
 „aktiven Lehr-Lern-Kultur“.                                                              Mit der starken Konzentration des Förderprojekts auf         nicht nur in der Gesamtbewertung, sondern auch in der            schon zwei Lehramtsanwärter(innen) erfolgreich
     Schon in den ersten beiden Jahren der Projektlaufzeit                            die tutorielle Lehrpraxis und mit der konsequenten Um-           Zufriedenheit mit der Struktur und dem Aufbau, den in-           ausgebildet. Gerade für die neuen Kräfte ist es
 verdreifachten sich die Teilnehmendenzahlen, so dass man                             setzung eines didaktisch-methodischen Konzepts ist die           haltlichen Schwerpunkten und der Betreuung durch die
                                                                                                                                                                                                                        wichtig, das Gestalten von Lernumgebungen zu
 bald halbjährlich eine neue „Generation“ von Tutorinnen                              Hochschulinitiative ein Sonderfall im Qualitätspakt Lehre.       Lehrenden. Auch zeigte sich in der abschließenden Bewer-
 und Tutoren in die Qualifikation aufnehmen konnte. Die                               Das Qualifikationsangebot ist als „Karlsruher Tutoren­           tung, dass die zu Beginn des Trainings durchaus hohen            beherrschen, und den Einsatz kooperativer
 Mitarbeitenden am Lehr-Lern-Zentrum hatten alle Hände                                training“ darum bundesweit bekannt. Wohl auch deshalb            Erwartungen an das Qualifizierungsprogramm erfüllt oder          Methoden. Das hilft enorm, auch beim Classroom
 voll zu tun, den Trainingsplan aus sieben – heute fünf –                             fand die erste Tagung für alle Projekte im Qualitätspakt,        gar übertroffen worden waren.                                    Management. Obwohl ich eine zarte Person bin,
 ganztägigen Präsenzphasen, Tandems, begleiteten KOPING-                              die einen Schwerpunkt auf die Tutoren- und Mentorenar-           Über die Analyse der Zufriedenheit mit dem Tutorentrai-          gibt’s bei mir selten bis keine Unterrichts-
 Gruppen, aus Videolehrproben und der Abschluss-Super-                                beit legten, an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe           ning hinaus interessierte im Zuge der Evaluation vor allem       störungen. Das liegt an den Inhalten des Tutoren-
 vision zu verwirklichen (Abb. 1). Von einem erfolgreichen                            statt – in Kooperation mit den Universitäten RWTH Aachen,        der Lern- und Kompetenzzuwachs der Teilnehmenden.
                                                                                                                                                                                                                        trainings, an seiner didaktischen Planung, und
 Training hing wesentlich ab, ob man die Teilnahme an dem                             der Freien Universität Berlin und der Technischen Hoch-          Primäres Ziel des Qualifizierungsprogramms ist es, die
 weiterhin freiwilligen Angebot stabil halten und mit der                             schule Mittelhessen. Und weil man schneller als andernorts       Kompetenzen zur Gestaltung erwachsenengerechter Lern-            an seinem Sandwich-Prinzip. Wenn ich heute
 Hochschulinitiative die erhoffte Breitenwirkung erreichen                            bereits Ergebnisse der Begleit-Evaluation vorlegen konnte,       umgebungen, zur reflektierten Planung und zum selbst-            zurückschaue, ist das Tutorentraining eine der
 konnte.                                                                              blieb man auf verschiedenen Tagungen zur Hochschulent-           gesteuerten Lernen zu erweitern. Tutorinnen und Tutoren          Veranstaltungen, die mich schon im Studium
                                                                                      wicklung und Hochschuldidaktik auch weiterhin gut im             werden damit in die Lage versetzt, an ihre Studierenden          für die Praxis weitergebracht haben.“
                                                                                      Gespräch.                                                        angepasste und optimierte Lernumgebungen zu gestalten
                       1     Lernklima               3   Koop. Methoden                   Die Auswertung am Lehr-Lern-Zentrum zeigte lange             und zu einer aktiven Lehr-Lern-Kultur an der Pädagogi-           Maren Hofmann
                                                                                      vor Abschluss der ersten Förderphase (2012-2016), dass das       schen Hochschule beizutragen. Die Ergebnisse (vgl. Abb. 2)       war Tutorin in Mathematik
     2     Kursarchitektur             Präsenzphase         4    Didakt. Planung      erweiterte Angebot von den Tutorinnen und Tutoren sehr           zeigen, dass insbesondere die selbsteingeschätzte Kompe-
                                                                                      gut angenommen wurde. Die überwältigende Mehrheit                tenz zur Gestaltung „erwachsenengerechter“ Lernumge-
                                                                                      der Teilnehmenden verstand und versteht die Bindung an           bungen und der reflektierten Planung sehr stark zunimmt.         Insgesamt belegt die Evaluation, dass die qualifizierten
                l
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                                                                                      ein klares Konzept, in das man sich sukzessive einarbeitet.      Kleine bis mittlere Effekte finden sich für die Lern- und        Tutorinnen und Tutoren ihre Kompetenzen deutlich er-
               er
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                                                                          Pr

                                                                                      Sie sieht sich deutlich besser vorbereitet auf die tutoriellen   Arbeitsstrategien des selbstgesteuerten Lernens. Keine           weitern und günstige sowie funktionale Lern- und Arbeits-
           m

                                                                            ax
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                                                                            isp
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                                                                                      Aufgaben. Den Mitstudierenden empfiehlt sie generell die         Veränderung zeigt die Dimension des zielorientierten Ler-        strategien selbstgesteuerten Lernens entwickeln. Sie brin-
                                                                             ha
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                                                              fle un
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                                                                                      Teilnahme am Training, auch mit Blick auf spätere päda-          nens. Diese ist bei denen, die sich für eine Qualifikation als   gen dadurch optimale Voraussetzungen mit, qualitativ
                                                            Re setz
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                                              Intervision
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                                                                                      gogische Aufgaben in Schule, Aus- und Weiterbildung (vgl.        Tutorin oder Tutor interessieren, bereits zu Beginn sehr         hochwertige Tutorien zu gestalten. Im Einzelnen lassen
                        s-

                                                Tandem
                                                                &

                                                                                      Traub & Grün 2018, S. 64). Dies gab den Ausschlag für die        gut ausgeprägt.                                                  sich diese Befunde im Hinblick auf die interindividuelle
                                                      KOPING
                    Sprechstunde                                                      Fortsetzung der Projektförderung bis heute wie auch für                                                                           zeitliche Stabilität und die Begutachtung individueller
                    Fo                                                                die Erweiterung der Hochschulinitiative um neue Felder                                                                            Entwicklungsverläufe weiter konkretisieren. Statistische
                       rt   lau                                     ote
                                  fe n d                        geb                   der Tutorenqualifikation und um einen eigenen hochschul-                                                                          Kennwerte zu diesen Aspekten der Evaluation stehen in-
                                           e Unterstützungsan
                                                                                      didaktischen Arbeitsbereich. Die aktuelle Evaluation zeich-                                                                       zwischen ebenfalls zur Verfügung (vgl. Bauer, Freund, Coly
                                                                                      net von diesen bemerkenswerten Ergebnissen ein noch-                                                                              & Sommer 2020).
                                                                                      mals differenzierteres Bild.
     5     Lehrversuch                                                Supervision
                              Kursentwicklung
                                                                                                      „Ich sehe das Tutorentraining
 Das Karlsruher Tutorentraining besteht heute aus fünf                                                als einen Meilenstein in meiner
 eintägigen Präsenzphasen. Durch flankierende Maßnahmen                                               Professionalisierung. Bei mir
 wie die Tandem- und KOPING-Arbeit („Kollegiale Praxis­                                               hat es sehr viel bewegt. Ich bin
 beratung in Gruppen“), die fortlaufende Intervision und                                              Schritt für Schritt weiterge-
 die abschließende Supervision wird erreicht, dass die
                                                                                      kommen zunächst im Studium, dann im Refe-
 Trainingsinhalte auch in den Tutorien wirksam werden
 können (Kursentwicklung).                                                            rendariat und schließlich im Berufsalltag –
                                                                                      schon bei der Gestaltung meiner Tutorien, und
 Das galt umso mehr, als die Kursleitenden am Zentrum                                 später bei der Leitung meiner ersten eigenen
 nicht nur einen didaktischen „Baukasten“ vermitteln oder                             Klasse. Ich finde, es wäre für jeden Studieren-
 einen „Methodenrucksack“ schnüren, sondern ein hand-                                 den wichtig, das Tutorentraining auch selbst                     Die Abbildung zeigt die Selbsteinschätzung der Tutorinnen
 lungsorientiertes, gemäßigt-konstruktivistisch ausgerich-                                                                                             und Tutoren (Kursteilnahme 2018-2020) zu zentralen Zielen
                                                                                      zu erleben.“
 tetes Konzept erfahrbar machen wollten. Dieses Konzept                                                                                                der Tutorenqualifikation, am Beginn des Trainings und an
 verlangte geradezu, dass das Schulungsangebot am Lehr-                               Vera Bühler                                                      dessen Ende. Skalierte Antworten (6 = „Trifft völlig zu“,
 Lern-Zentrum vorbildlich organisiert und didaktisch struk-                           war Tutorin und Lernberaterin                                    1 = „Trifft überhaupt nicht zu“).

                                                                                                                                              10       AKTIVE LEHR-LERN-KULTUR                                                                                               11
Aktive Lehr-Lern-Kultur - Bildungsjournal der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe 8. Jahrgang 2021 - Pädagogische Hochschule Karlsruhe
„Ich habe das LLZ als einen Ort              rinnen und Tutoren die nächsten Angebote des Lehr-Lern-       Panenka, Pfeifer & Kunina-Habenicht in diesem Heft).           DIE NACHHALTIGE WIRKUNG DER BILDUNGS-
                 erlebt, wo man nicht nur fachlich            Zentrums von und für Studierende, vom Microteaching           Auch das Zentrum für Informationstechnologie und Me-           INITIATIVE
                 enorm weiterkommen kann,                     Video in Kleingruppen („Visible“) bis hin zum zweistündi-     dien bildet eigene Tutorinnen und Tutoren aus, die das
                                                              gen Brush Up fürs Semesterpraktikum an den Schulen – der      studentische Workshop-Angebot erweitern (vgl. Weber,           Die vielseitigen Maßnahmen des Förderprojekts entfalten
                 sondern auch die Chance hat,
                                                              letzten Workshopreihe vor Beginn der Corona-Krise („Drei      Hartmann & Smajic 2020). Bei der Abstimmung und Ent-           auch über Lehre und Studium hinaus eine beträchtliche
                 sich aktiv mit Kommilitoninnen               im Mai“, „Vier im Oktober“).                                  wicklung der Angebote stehen mehrere Teilprojekte im           Wirkung. Wer als Studentin oder Student an der Bildungs-
und Kommilitonen und den Lehrenden aus-                            Im Zuge einer Kooperation mit dem Lern-Labor des         Austausch mit dem „Netzwerk Tutorienarbeit“ und unter-         initiative teilnimmt, hat die zukünftige Tätigkeit im Schul-
zutauschen, sich auch selbst immer wieder zu                  Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entschied die      stützen auch dessen Anliegen, einen bundesweiten „Tag          dienst oder an anderen Bildungseinrichtungen zumindest
hinterfragen und eigenes Handeln zu reflek-                   Projektleitung, den Studierenden der Hochschule eine qua-     der Tutorienarbeit“ an den Hochschulen zu etablieren (vgl.     ebenso sehr im Auge wie die tutoriellen Aufgaben an der
tieren. Gerade in meinem Psychologietutorium,                 lifizierte Lernberatung anzubieten. Auch sie sollte am Ende   Netzwerk 2019).                                                Hochschule. Viele behalten die tutorielle Qualifikation und
                                                              von Studierenden für Studierende organisiert werden, als          Einen letzten wichtigen Schritt, den tutoriellen Beitrag   ihre Mitwirkung am Förderprojekt in guter Erinnerung,
das vor allem von Studierenden im zweiten
                                                              „Lernberatung Peer-to-Peer“, und allen Interessierten zu-     zu einer „aktiven Lehr-Lern-Kultur“ im Studienangebot der      obwohl sie die Hochschule längst verlassen und einen Be-
Semester besucht wird, stelle ich immer wieder                verlässig über den Mittagsblock zur Verfügung stehen.         Hochschule zu verankern, stellt die Unterstützung kleiner      ruf ergriffen haben.
fest, wie sehr sie von Tutorien profitieren                   Waren Schulungsinhalte für die Lernberatung anfangs im        Lehrprojekte im Rahmen des BMBF-Förderprojekts dar (vgl.            Deutlich zeigt dies eine Mixed-Methods-Studie, welche
können. Grundlage hierfür ist natürlich eine gute             Tutorentraining enthalten, wurden sie später zu einer Zu-     Grün 2020). Kolleginnen und Kollegen führen sie gemein-        die Evaluation des Karlsruher Tutorentrainings um die Per-
Ausbildung, was dem Tutorentraining auf jeden                 satzqualifikation, die wichtige Elemente des Trainings        sam mit einer Tutorin oder einem Tutor durch. In diesen        spektive der Nachhaltigkeit erweitert. Hierbei wurde zusätz-
Fall gelingt.“                                                aufgriff und Tutorinnen und Tutoren darüber hinaus im         „Microprojekten“ verständigen sich die Beteiligten auf eine    lich zur Fragebogenerhebung vor und nach dem Training
                                                              Bereich von Lernstrategien und Gesprächsführung ausbil-       gemeinsame Konzeption und engere Abstimmung von                eine Follow Up-Untersuchung nach Abschluss des Referen-
Nicolas Feth                                                  dete (vgl. Coly 2020).                                        Haupt- und Begleitveranstaltung, um ein pädagogisches          dariats durchgeführt. Auch die Absolventinnen und Ab­-
Tutor in Psychologie und Geographie                                Zu den in der Lernberatung eingesetzten Techniken        Ziel zu verwirklichen. Kolleginnen und Kollegen können         solven­ten, die heute im Schuldienst arbeiten, stellen eine
                                                              gehörten und gehören beispielsweise Lesestrategien, Mar-      dazu auch Studierende aus den laufenden Qualifizierungen       Zunahme ihrer Kompetenz zur Gestaltung von Lernumge-
                                                              kierungstechniken und Techniken der Notation in Semi-         anfragen und erhalten in diesem Fall alle Tutorenstunden       bungen fest. Rückblickend wird das Tutorentraining als
                                                              naren. Um das Lernen zu verbessern, zu vereinfachen oder      unbürokratisch erstattet. Über dreißig Microprojekte sind      ungewöhnlich anregende Lern- und Entwicklungsgelegen-
                                                              auch zu intensivieren, arbeiten die Lernberaterinnen und      bisher entstanden. Auch als zuletzt – pandemiebedingt –        heit wahrgenommen und erfreut sich eines sehr guten Feed-
NEUE EINSATZFELDER FÜR TUTORINNEN                             Lernberater mit Mnemotechniken und kognitiven Land-           viele Lehrveranstaltungen auf eine rein videobasierte          backs durch die Teilnehmenden. Unabhängig davon, wie
UND TUTOREN                                                   karten wie Mindmaps, aber auch mit Organisations- und         Durchführung umstellen mussten, bewährte sich diese Idee       lange das Training bereits zurückliegt, beurteilt man den
                                                              Zielsetzungsstrategien, die den Studierenden dabei helfen,    der Kooperation von hauptamtlicher Lehre und tutorieller       Kompetenzzuwachs über die Zeit als stabil.
Mit der erfolgreichen Einführung des Trainings wollte man     das Lernpensum in sinnvolle kleinere „Pakete“ aufzuteilen.    Begleitung.                                                         Dass die „Ehemaligen“ bis heute vom Tutorentraining
am Lehr-Lern-Zentrum den qualifizierten Tutorinnen und        Schließlich bildet die Beziehungsgestaltung und die Ge-                                                                      profitieren und ihr professionelles Handeln maßgeblich vom
Tutoren weitere Einsatzfelder erschließen, innerhalb und      sprächsführung einen wichtigen Abschnitt der Qualifika-                                                                      Training geprägt wird, zeigen in ähnlicher Weise die Inter-
außerhalb der Hochschule, auf denen sie ihr didaktisch-       tion zur Lernberaterin oder zum Lernberater, die – wie das                                                                   views mit Lehrkräften, in denen der reflektierte, zielgerich-
methodisches Kapital nutzen konnten. Beispielsweise such-     Tutorentraining – nach der Idee des „pädagogischen Dop-                         „Als Referendarin habe ich schon             tete Einsatz von Methoden und die Fähigkeit zur Struktu-
te man früh die Kooperation mit der Badischen Landesbib­      peldeckers“ vermittelt wird. Die Tutorinnen und Tutoren                         gemerkt, dass ich im Tutoren-                rierung von Lernumgebungen besonders herausgestellt
liothek und ihrer „Bib-Werkstatt“, so dass Absolventinnen     erfahren sich also zunächst selbst in Beratungssituationen                      training in vielen Bereichen mehr            wird. Aus einer Gelegenheitsstichprobe geht hervor, dass
des Tutorentrainings dort regelmäßig Gelegenheit erhiel-      und lernen deren entscheidende Merkmale kennen, bevor                           dazugelernt habe als andere. Ich             sich die Befragten beim Berufseinstieg besser auf die Her-
ten, Workshops zum wissenschaftlichen Arbeiten anzubie-       sie darangehen, die Mitstudierenden in deren Lernprozess                                                                     ausforderungen der Lehre vorbereitet fühlen als Kolleginnen
                                                                                                                                              will es nicht Wissensvorsprung
ten. Ein Jahr später rief man die erste „Workshopreihe“ ins   zu unterstützen. Dabei kann eine Lernberatung von Stu-                                                                       und Kollegen, die das Training nicht absolviert haben. Dabei
Leben, mit der die Praktikumsphasen des Lehramtsstudi-        dierenden für Studierende eine Begegnung auf Augenhöhe        nennen. Ich habe einfach ein anderes Wissens-                  orientieren sie sich stärker an konstruktivistischen Lern-
ums ins Konzept des Förderprojekts einbezogen wurden,         ermöglichen.                                                  system. Zum Beispiel habe ich im Seminar den                   überzeugungen und setzen mehr (kooperative) Methoden
und an der Tutorinnen und Tutoren maßgeblich mitwirk-              Weil auch auf diese Weise zunehmend mehr Studie-         Advance Organizer vorgestellt und bin davon                    ein. Insgesamt zeigt sich eine anhaltende Veränderung des
ten („Fit“). Überwiegend in eigener Regie planten die Tuto-   rende für die Angebote des Förderprojekts gewonnen wer-       ausgegangen, dass alle wissen, was das ist. Und                professionellen Handelns im Sinne der Nachhaltigkeit (vgl.
                                                              den konnten – selbst, wenn sie keine tutorielle Tätigkeit     dann kannten den aber nur zwei und dem                         Sommer, Freund & Bauer 2020).
                                                              an der Hochschule wahrnahmen –, kam es im zweiten                                                                                 Naturgemäß sind die Übergänge von Tutorinnen und
                                                                                                                            Rest musste ich noch erklären, wofür man ihn
                                                              Förderabschnitt zu einer nochmaligen Diversifikation der                                                                     Tutoren in den Schuldienst sehr viel zahlreicher als dieje-
                                                              Qualifikationsmaßnahmen der Bildungsinitiative. Das           braucht. Bei meiner Tätigkeit im DenkNach-                     nigen in die Wissenschaft. Doch eine Reihe von Absolven-
                                                              Lehr-Lern-Zentrum mit dem Karlsruher Tutorentraining          Projekt am Institut für Physik und Technische                  tinnen und Absolventen der Tutorenqualifizierung arbeitet
                                                              und mit der Lernberatung steht als Trainingszentrum wei-      Bildung, bei der ich Unterrichtsmaterialien                    heute selbst an der Hochschule, in der Lehre unterschied-
                                                              terhin allen Fächern und Studiengängen offen. Nun aber        zum Thema Nachhaltigkeit entwickle, habe ich                   licher Fächer, in Förderprojekten und am Lehr-Lern-Zen­
                                                              können die „Massenfächer“ im Lehramtsstudium, Deutsch         viele Elemente umgesetzt, die ich im Tutoren-                  trum, das sowohl als Trainingsstätte für die Tutorinnen
                                                              und Mathematik, auch eigene, fachdidaktisch ausgerich-                                                                       und Tutoren als auch als Ort einer kollegial organisierten
                                                                                                                            training kennengelernt habe. Ich habe zum
                                                              tete Tutorenschulungen anbieten (vgl. Frenzke-Shim &                                                                         Hochschuldidaktik inzwischen eine feste Größe an der
                                                              Matschke sowie Mattes, Brand & Hartmann in diesem             Beispiel die Rhythmisierung von Plenums- und                   Hochschule darstellt. Zur Abschlussveranstaltung 2021 soll
                                                              Heft). Die Angebote des Förderprojekts zum wissenschaft-      Individualphasen des Sandwich-Prinzips ein-                    diese breite, vielseitige Wirkung der Bildungsinitiative noch
                                                              lichen Arbeiten sind stärker als Einführung in die quali-     gebaut und passende Methoden genutzt. Das                      einmal mit allen ihren Ergebnissen vorgestellt werden. Und
                                                              tative und quantitative Forschung ausgelegt, welche die       Spannende ist, dass mir erst jetzt bewusst auf-                wenn es dabei auch vornehmlich darum geht, wie man das
                                                              wissenschaftliche Arbeit der Studierenden zunehmend           fällt, dass ich das gemacht habe. Beim Erstellen               erfolgreiche Konzept in der Zukunft erweitert und verbrei-
                                                              prägt. Das neu gegründete Institut für bildungswissen-                                                                       tet, haben die „Ehemaligen“ des bisher größten Hochschul-
                                                                                                                            kam das eher automatisch.“
                                                              schaftliche Forschungsmethoden übernimmt heute die                                                                           entwicklungsprojekts an der Pädagogischen Hochschule
                                                              Qualifikation dieser Tutorinnen und Tutoren und organi-       Ma aike K atzarow                                              Karlsruhe selbstverständlich ihren Platz im Tagungspro-
                                                              siert ihren Einsatz in Workshops für Studierende (vgl.        war Tutorin in Technischer Bildung                             gramm. ■

                                                                                                                   12       AKTIVE LEHR-LERN-KULTUR                                                                                               13
Aktive Lehr-Lern-Kultur - Bildungsjournal der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe 8. Jahrgang 2021 - Pädagogische Hochschule Karlsruhe
MAX BAUER war Akademischer Mit-
   arbeiter am Institut für Schul- und
   Unterrichtsentwicklung und am Lehr-       LITERATUR
   Lern-Zentrum, wo er die Evaluation
   des Karlsruher Tutorentrainings           BAUER, MAX, FREUND, JOHANN-FRÉDÉRIC, COLY, MARESA
   organisiert hat. Er promoviert über die      & SOMMER, REBECCCA (2020). Das Karlsruher Tutor*in-
   Kompetenzentwicklung von Lehr-               nentraining auf dem Prüfstand: Eine Längsschnitt­
   amtsstudierenden im Rahmen ihrer             studie. In: Traub (Hrsg.), S. 63 – 81.
   schulpraktischen Studien.                 COLY, MARESA (2020). Karlsruher Peer-to-Peer Beratung           Microprojekt
						                                          und Lerncoaching. In: Traub (Hrsg.), S. 177 - 195.
    MARESA COLY ist abgeordnete
   Lehrerin am Lehr-Lern-Zentrum und
                                             FREUND, JOHANN-FRÉDÉRIC, GRÜN, UDO & TRAUB, SIL-
                                                KE (2014). Gute Lehre macht gute Lehre erfahrbar.
                                                                                                             Forschendes Lernen und
   ausgebildeter Coach. Ihre Tätigkeits-
   schwerpunkte liegen in der Durch-
   führung und Supervision des Tutoren-
                                                Tagungsbeitrag auf der Dortmund Spring School for
                                                Academic Staff Developers (DOSS). Online unter: www.
                                                ph-karlsruhe.de/campus/serviceeinrichtungen/lehr-
                                                                                                             wissenschaftliches Arbeiten
   trainings und dem Aufbau der Lern­           lern-zentrum (abgerufen am 13.9.2020).                       Dr. Eva Kleß mit Lea Sulzbacher, Franziska Wagner, Frederik Neisen
   beratung Peer-to-Peer. Daneben ist sie    GRÜN, UDO (2020). Hochschuldidaktische Anschlüsse. Das          Studiengang Pädagogik der Kindheit, Wintersemester 2019/20
   verantwortlich für das Eignungsfest­         Karlsruher Tutorentraining als Ausgangspunkt einer
   stellungsverfahren KAiAC-T.                  kollegialen Hochschuldidaktik. In: Traub (Hrsg.), S. 235
						                                          - 242.                                                                        Das propädeutische Seminar „Forschendes Lernen – Wissenschaftliches Arbeiten und Studie-
    JOHANN-FRÉDÉRIC FREUND arbeitet          NETZWERK TUTORIENARBEIT AN HOCHSCHULEN (2019).                                   ren“ verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen wird der forschenden Habitus als eine in
   heute als Realschullehrer. In der            Positionspapier Zukunft der Tutorienarbeit an Hoch-                           Alltag und Schule wenig praktizierte Haltung angebahnt, zum anderen werden die Methoden
   Bildungsinitiative war er unter anderem      schulen. Online unter www.tutorienarbeit.de/pdf/                              des wissenschaftlichen Arbeitens erlernt. Im Wintersemester 2019/20 wurde das regelmäßig
   für die Organisation des Lehr-Lern-          Flyer/Zukunft_der_Tutorienarbeit_an_Hochschulen_                              stattfindende Seminar als Mikroprojekt durch Tutorinnen und einen Tutor unterstützt.
   Zentrums, für das Karlsruher Tutoren-        Positionspapier_15052018.pdf (abgerufen am 13.9.2020).
   training, für das tutorielle Workshop-    SOMMER, REBECCA, FREUND, JOHANN-FRÉDÉRIC & BAUER,                                Doch wie kommt man einem forschenden Habitus auf die Spur? „Der forschende Habitus als
   Angebot und für die Netzwerkarbeit           MAX (2020). Nachhaltigkeit des Karlsruher Tutor*innen-                        professionelle Schlüsselkompetenz bedeutet, sich fragend und neugierig dem „Fremden“ und
   zuständig.                                   trainings: Eine Mixed-Methods-Untersuchung. In:                               auch dem fraglos Funktionierenden zu nähern“ (vgl. Nentwig-Gesemann 2007, S. 20). Dem
						                                          Traub (Hrsg.), S. 82-104.                                                     „Fremden“ begegneten die Studierenden, indem sie sich für eine Stunde einem Thema wid-
    UDO GRÜN ist in der Hochschul-           TRAUB, SILKE (Hrsg.) (2020). Tutor*innentraining: fun-                           meten, dass für sie unbekannt war: Zur Auswahl standen Ballett, „Fischertechnik“ oder Kal-
   didaktik und Öffentlichkeitsarbeit des       diert konzipiert – erfolgreich durchgeführt. Baltmanns­                       ligraphie. Der nächste Schritt war „das Erfahrene mit bereits gemachten Erfahrungen […]
   Lehr-Lern-Zentrums tätig. An der             weiler: Schneider Hohengehren.                                                systematisch wie auch kreativ zu vergleichen, sich in ein kritisches und reflexives Verhältnis
   Hochschule lehrt er zu Bildungstheorie,   TRAUB, SILKE & GRÜN, UDO (2018). Tutorien als Brücke                             zu sich selbst und der sozialen Situation [zu] setzen“ (ebd.). Durch eine anschließende syste-
   Lehrerprofessionalität, Wissens- und         zu einem wirksamen Selbststudium. In: Schmohr,                                matische (Selbst-)Reflexion konnten die Studierenden ihr bestehendes Wissen, ihre Strategi-
   Bildungsmanagement.                          Martina, Müller, Kristina & Philipp, Julia (Hrsg.) (2018).                    en und Emotionen in Verbindung zum Selbstbild bringen und so über das eigene Lernen re-
                                                Gelingende Lehre: erkennen, entwickeln, etablieren.                           flektieren sowie metakognitive Kompetenzen aufbauen, die bei der Anbahnung eines
                                                Bielefeld: W. Bertelsmann, S. 53-72.                                          forschenden Habitus hilfreich sind.
						                                       WAHL, DIETHELM (2006, 3. Aufl. 2013). Lernumgebungen
    REBECCA SOMMER war Akademische              erfolgreich gestalten. Bad Heilbrunn (Obb.): Klinkhardt.                      Das weitaus umfangreichere Thema des Seminars umfasste die Einführung in die Methoden
   Mitarbeiterin am Lehr-Lern-Zentrum        WEBER, STEFAN, HARTMANN, MUTFRIED & SMAJIC, ENES                                 des wissenschaftlichen Arbeitens. Neben der Auseinandersetzung im Seminar wurde in Tan-
   der Pädagogischen Hochschule                 (2020). Tutor*innenqualifikation im Bereich digitaler                         dems geübt. Jeweils zwei Studierende wählten einen für sie interessanten Grundbegriff der
   Karlsruhe und ist heute im Vorberei-         Medienbildung. In: Traub (Hrsg.), S. 159-174.                                 Pädagogik und recherchierten dazu in der Bibliothek. Die Aufgabe war, drei Definitionen des
   tungsdienst. Ihre Tätigkeitsschwer-       WISSENSCHAFTSRAT (2017): Strategien für die Hochschul-                           Begriffs zu finden und diese zu vergleichen. Welche Gemeinsamkeiten, Unterschiede und
   punkte lagen in der Evaluation des           lehre. Positionspapier. Halle (Saale). Online unter: www.                     Besonderheiten gab es? Die Ergebnisse mit der jeweiligen richtigen Zitation (direkte und in-
   Karlsruher Tutorentrainings und in der       wissenschaftsrat.de/download/archiv/6190-17.pdf (ab-                          direkte Zitate) sprachlich korrekt und stilistisch angemessen zu formulieren und mit einem
   Unterrichtsforschung.                        gerufen am 13.9.2020).                                                        Literaturverzeichnis zu versehen, war eine herausfordernde Übung. Hinzu kam eine reflexive
						                                                                                                                        Aufgabe, in der die Studierenden analysierten, welche der Definitionen sie als hilfreich emp-
    PROF. DR. SILKE TRAUB lehrt und                                                                                           fanden und inwieweit das etwas mit ihrer Person (Vorwissen, Einstellung) zu tun hat. Die
   forscht am Institut für Schul- und                                                                                         eingereichten und von Tutorinnen und Tutoren korrigierten Aufgaben wurden zeitnah in einem
   Unterrichtsentwicklung der Pädago­                                                                                         persönlichen Feedbackgespräch besprochen. Die niederschwellige Peer-Rückmeldung wurde
   gischen Hochschule Karlsruhe. Sie                                                                                          von den Studierenden als bereichernd und lernunterstützend geschätzt.
   leitet das Zentrum für Schulpraktische
   Ausbildung und das Lehr-Lern-Zentrum                                                                                       Die durch das Tutorentraining des Lehr-Lern-Zentrums qualifizierten Tutorinnen berieten 45
   der Hochschule. Sie ist Initiatorin des                                                                                    Tandemgruppen. Ohne die tutorielle Unterstützung (sowohl bei der Sequenz des forschenden
   Karlsruher Tutorentrainings.                                                                                               Habitus als auch bei der Tandemarbeit) wären beide praktischen Übungen nicht umsetzbar.
                                                                                                                              Wünschenswert ist, dass auch zukünftig Studierende punktuell von einer solchen intensiven
                                                                                                                              tutoriellen Betreuung profitieren können.

                                                                                                                              Leseempfehlung:
                                                                                                                              NENTWIG-GESEMANN, IRIS (2007). Forschende Haltung. Professionelle Schlüsselkompetenz
                                                                                                                              von FrühpädagogInnen. Sozial Extra 5/6., S. 20-22. Download unter https://link.springer.com/
                                                                                                                              content/pdf/10.1007/s12054-007-0054-9.pdf . (Stand 15.09.2020).

                                                                                                     14
Aktive Lehr-Lern-Kultur - Bildungsjournal der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe 8. Jahrgang 2021 - Pädagogische Hochschule Karlsruhe
Anne Frenzke-Shim / Kristina Matschke

Teilprojekt Tutorenqualifikation Deutsch

Qualifizierung von
Tutorinnen und Tutoren
im Fach Deutsch
ABSTRACT                                                            erfahrener“ als die adressierte Zielgruppe, aber noch „nah
                                                                    dran“ […]“ (Rohr, den Ouden & Rottlaender 2016, S.107). In
In diesem Beitrag stellen wir vor, wie das Fach Deutsch mit         ihren Tutorien müssen sie dieses Wissen jedoch nicht nur
der Herausforderung umgeht, Studierende zu Tutorinnen               abrufen, sondern es auch vermitteln können. Die pädago-
und Tutoren auszubilden und sie über die Ausbildung hinaus          gischen und didaktischen Konzeptionen, auf die sie dafür
zu betreuen. Ziel ist, dass sie auf diese Weise zu einer „aktiven   zurückgreifen, können zu einem großen Teil eng mit In-
Lehr-Lern-Kultur“ an der Pädagogischen Hochschule Karls­            halten und Methoden, die Teil des Lehramtsstudiums im
ruhe beitragen. Wir gehen dabei der Frage nach, wie auf             Fach Deutsch der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe
inhaltlicher, methodischer und sprachlicher Ebene ein ex-           sind, verknüpft werden. An dieser Stelle setzt die fachbe-
pliziter Fachbezug in der Qualifizierung hergestellt werden         zogene Tutor(inn)enqualifizierung an, deren Entwicklung
kann.                                                               im Rahmen der „Bildungsinitiative L²“ durch das Bundes-
                                                                    ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert
In this paper, we present the main aspects of how the faculty       wird und die wir im Folgenden vorstellen.
of German Language and Literature prepares students to
become peer tutors and how we support them during tutor-
ing in order to enable them to contribute to an active culture                       „Mir hat die Tutorenqualifikation
of learning and teaching at the Pädagogische Hochschule                              sehr viel Spaß bereitet. Sie ist
Karlsruhe. Our purpose is to illustrate how subject relevance                        sehr interaktiv, so haben wir viele
can be established in the qualification process on the level                         Methoden, die wir kennengelernt
of content, methodology and language.                                                haben, auch direkt angewendet
                                                                    und ausprobiert. Im Hinblick auf den Berufs-
                                                                    alltag als Lehrkraft ist die Qualfikation sowie die
„Wie funktioniert nochmal das topologische Feldermodell             Arbeit als Tutorin definitiv total hilfreich.“
und wozu brauche ich das überhaupt als zukünftige
                                                                    Theresa Reinhardt
Deutschlehrkraft?“, „Was mache ich mit Goethe in der                Tutorin zu „Einführung in die Literaturwissenschaft“
Grundschule?“ oder auch „Was kommt in der Klausur
dran?“. Mit solchen Fragen werden die Tutorinnen und Tu-
toren des Faches Deutsch in den von ihnen begleiteten
Tutorien konfrontiert – als Ansprechpartnerinnen und
-partner für organisatorische und fachliche Fragen über             DAS KONZEPT
das hinaus, für das die Dozentinnen und Dozenten des
Faches zur Verfügung stehen. Es handelt sich hierbei um             Für das fachbezogene Qualifizierungskonzept haben wir
Fragen, die Peers gestellt werden. Dabei geht es nicht nur,         sechs Bausteine entwickelt. In diesen eignen sich die zu-
aber vor allem um Grundlagenwissen, das kondensiert in              künftigen Tutorinnen und Tutoren Kompetenzen an, die
den Einführungsveranstaltungen des Faches Deutsch be-               sie dazu befähigen, ihre Rolle umzusetzen – eine Rolle, die
sprochen und in Klausuren abgefragt wird. Diese Veran-              irgendwo zwischen ihren Peers und den Lehrenden des
staltungen haben die Tutorinnen und Tutoren selbst vor              Faches angesiedelt ist. Der Fachbezug wird dabei entweder
nicht allzu langer Zeit besucht, die Klausuren geschrieben.         durch konkrete Beispiele und Anwendungszusammenhän-
Die Tutorinnen und Tutoren sind also „in der entsprechen-           ge aus den zu vermittelnden Fachinhalten oder durch fach-
den Thematik (hier: der Fachthematik) in der Regel „etwas           spezifische Methoden und Modelle hergestellt.

AKTIVE LEHR-LERN-KULTUR                                                                                                   17
• In Baustein 1 „Lernpsychologische Grundlagen“ be-             Semester erstreckt. Unterstützt werden sie dabei nicht      Eine weitere positive Rückmeldung aus Gesprächen mit            aus Kritikphase, Phantasiephase und Verwirklichungspha-
  schäftigen sich die Tutorinnen und Tutoren vertieft           nur von den Ausbildenden, sondern auch von den Do-          den Tutorinnen und Tutoren bezieht sich auf deren Be-           se bestehende Methode, die auf die interaktive Entwick-
  mit lerntheoretischen Ansätzen und lernpsychologi-            zentinnen und Dozenten, deren Veranstaltungen sie           rufsziel: Viele konnten in der Qualifizierung Angeeignetes      lung von Lösungsansätzen bei bestehenden Problemen
  schen Erkenntnissen (z.B. Reinmann & Mandl 2001;              mit ihren Tutorien jeweils begleiten. Tutorinnen und        nicht nur in ihren Tutorien, sondern auch im Integrierten       und Fragestellungen zielt. Mit Blick auf die Online-Durch-
  Wahl 2013; Wygotski 1981). Ziel ist, dass sie auf dieser      Tutoren, die ähnlichen Veranstaltungen zugeordnet           Semesterpraktikum nutzen. Sie bewerten daher die Aus-           führung der Tutorien wurde in der Kritikphase von allen
  Basis begründet didaktische und methodische Ent-              sind, schließen sich zudem für die Vorbereitung und         bildung als hilfreich für ihre zukünftige Tätigkeit als Lehr-   Tutorinnen und Tutoren insbesondere die ungewohnte
  scheidungen treffen können. So bewerten sie zum Bei-          die Nachbesprechung ihrer Tutorien zusammen.                kraft. Beobachtungen in der Supervision (Baustein 4) und        Kommunikationssituation als Herausforderung benannt:
  spiel mögliche Einsatzbereiche der Methode „Advance                                                                       die Evaluationsergebnisse lassen vermuten, dass die Tuto-       Der fehlende Blickkontakt mit den Tutees und die teils nur
  Organizer“ (Ausubel 1960) in einem Tutorium in Hin-                                                                       rinnen und Tutoren sich mit dem „Lehrenden“-Anteil ihrer        wenigen verbalen Rückmeldungen wurden als belastend
  blick auf den Lernprozess der Tutees, die Teilnehmerin-                                                                   Rolle identifizieren und das vermutlich stärker als mit dem     und verunsichernd beschrieben; es sei manchmal wie „Re-
  nen und Teilnehmer des Tutoriums.                                                     Praktium                            „Peer“-Anteil: Auch bei kleinen Gruppengrößen halten sie        den gegen eine Wand“. Im Rückgriff auf vorherige Ausbil-
• Im Baustein 2 „Fachspezifische Tutorien planen“ lernen                                                                    meist an lehrkraftzentrierten Unterrichtsinteraktionen          dungsinhalte entwickelten und erprobten die Tutorinnen
  die Tutorinnen und Tutoren Werkzeuge kennen, die sie                                                                      und entsprechenden Sitzordnungen in Reihen vor dem              und Tutoren – als Expertinnen und Experten für ihre Tu-
  bei der Aufbereitung von fachwissenschaftlichen Inhal-            Supervision
                                                                                                           Lern-            Pult fest, anstatt an einem großen Gruppentisch Gespräche       torien – anschließend gemeinsam individuelle Lösungs-
                                                                                                      psychologische
  ten unterstützen. Dazu gehören zum Beispiel kognitive            und Intervision
                                                                                                         Grundlagen         mit den Tutees als Peer zu führen. Auch empfinden sie es        ansätze. Dabei trugen vor allem die Reflexion der eigenen
  Taxonomien wie die von Bloom (1972). Blooms Taxono-                                                                       teilweise als Gesichtsverlust, wenn sie Fragen der Tutees,      Rolle und die Anpassung von Gesprächsstrategien und
  mie kann dafür genutzt werden, Lernziele zu formulie-                                aktive                               die vertiefte Kenntnisse des Themas erfordern, nicht be-        kommunikativen Settings an die bestehenden Online-
  ren oder zu analysieren. Dafür ordnen Bloom und seine                              Lehr-Lern-                             antworten können. Daher haben wir verstärkt darauf ge-          Gegebenheiten (Baustein 3) wesentlich zu mehr Zufrieden-
  Kollegen kognitive Ziele in folgende aufeinander auf-                                Kultur                               achtet, dies bei der Reflexion der Tutor(inn)enrolle in Bau-    heit bei ihnen bei.
  bauende Stufen ein: Wissen, Verstehen, Anwenden, Ana-                                                    Fach-
                                                                                                                            stein 3 zu thematisieren und die Tutorinnen und Tutoren
  lyse, Synthese und Evaluation. Den jeweiligen kogniti-              Praxis-                           spezifische         auch in ihrer Rolle als Peers der Tutees zu stärken: Sie sind                     „Durch die Tätigkeit als Tutorin
                                                                    werkstätten                           Tutorien
  ven Zielen können sogenannte Operatoren zugeordnet                                                                        eben (nur) „etwas erfahrener“, aber noch „nah dran“ (s.o.).
                                                                                                          planen                                                                                              bekommt man einen Einblick in
  werden. Gemeint sind damit Verben, die auf Handlun-                                                                       Das müssen sie als etwas erkennen, dass letztendlich zur
  gen mit deutlichem Fachbezug verweisen. Für den                                                                           „Verbesserung der Studienbedingungen und der Qualität
                                                                                                                                                                                                              die „andere Seite“ des Lehrens
  Deutschunterricht sind das beispielsweise „formulie-
                                                                                       Gesprächs-
                                                                                        führung                             in der Lehre“ (QPL) im Fach Deutsch beiträgt. Denn nur sie                        und Lernens: Der Job bereitet
  ren“, „diskutieren“ oder „erörtern“ (MKJS BW 2016). Aus-                                                                  können dies leisten.                                                              einen darauf vor, eigenverant-
  gehend von den Lerninhalten werden die Tutorinnen                                                                                                                                         wortlich zu arbeiten, vor fremden Menschengrup-
  und Tutoren darin geschult, die gängigen fachspezifi-      Abb.1: Aktive Lehr-Lern-Kultur                                                                                                 pen zu sprechen und spontan auf Unterrichts-
  schen Operatoren adäquat bei der Formulierung von
                                                                                                                                                                                            situationen und -probleme einzugehen. Das ist
  Lernzielen zu verwenden.
                                                                                                                                                                                            am Anfang eine Herausforderung, insgesamt
• Der Baustein 3 „Gesprächsführung“ dient vor allem der                        „Das Projekt L² hat mir sehr
  Vorbereitung auf die Rolle einer Tutorin / eines Tutors.                                                                                                                                  aber richtig hilfreich für den späteren Beruf als
                                                                              dabei geholfen, Einblicke in die
  Diese ist insofern nicht so einfach zu erfüllen, als die                                                                                                                                  Lehrerin. Vor allem die Möglichkeit des Aus-
                                                                              Unterrichtsgestaltung und
  Tutorinnen und Tutoren zwischen ihren Peers und den                                                                                                                                       tauschs mit DozentInnen und anderen Tutor­
  Dozierenden stehen. Ziel dieses Bausteins ist, dass sich
                                                                              -vorbereitung zu erlangen. Auch
                                                                                                                                                                                            Innen ist dabei eine große Hilfe.“
  die Tutorinnen und Tutoren moderierende und ge-                             das Leiten eines Tutoriums war
  sichtswahrende Strategien für die Interaktion mit ihren    in diesem Sinne äußerst hilfreich, vor allem, da                                                                               Anna Madeleine Ganco Elsner
  Tutees aneignen. Thema ist hier z.B. der Umgang mit        es mir viel Selbstbewusstsein in Bezug auf meine                                                                               Tutorin zu „Einführung in die Sprachdidaktik“
  Fragen, auf die man die Antwort nicht kennt (z.B. „Was     eigene Lehre gegeben hat. Und obwohl ich
  kommt in der Klausur dran?“), aber auch mit Störungen.
                                                             Deutsch nur als Nebenfach studiere, habe ich
• Baustein 4 „Intervision und Supervision“ begleitet Bau-
  stein 6, in dessen Rahmen die Tutorinnen und Tutoren
                                                             durch das Tutorium sehr umfangreiche                                                                                           AUSBLICK
  ein Praktikum absolvieren. Für Baustein 4 finden sich      fachwissenschaftliche und fachdidaktische                      TUTORIEN IM „CORONA-SEMESTER“
  zum einen zwei Tutorinnen und Tutoren zusammen,            Kenntnisse erlangt. “                                                                                                          Mit der „Bildungsinitiative L²“ soll langfristig und nach-
  die sich gegenseitig bei Unterrichtsbesuchen beobach-                                                                     Im Sommersemester 2020 musste die gesamte Hochschul-            haltig zur Verbesserung der Studienbedingungen und der
                                                             Noa Nolting
  ten und in Reflexionsgesprächen beraten (Intervision;                                                                     lehre kurzfristig auf Online-Lehre umgestellt werden. Für       Qualität der Hochschullehre beigetragen werden. Für die
                                                             Tutorin zu „Einführung in die Lesedidaktik“
  Kühl & Schäfer 2020). Zum anderen werden die Tuto-                                                                        die Tutorien wurde die von der Hochschule angebotene            Qualifizierung von Tutorinnen und Tutoren im Fach
  rinnen und Tutoren von den Ausbildenden besucht und                                                                       internetbasierte Arbeitsumgebung Stud.IP genutzt. Sie           Deutsch an der Pädagogischen Hochschule bedeutet dies
  beraten (Supervision).                                                                                                    fanden in Form von wöchentlich stattfindenden synchro-          zweierlei: Neben grundlegenden didaktisch-methodischen
• Baustein 5 ist thematisch offen. In „Praxiswerkstätten“                                                                   nen Online-Treffen statt, in denen die zuvor asynchron von      Kenntnissen erachten wir auch fachspezifische Aspekte in-
  werden aktuelle Fragen, Probleme oder weiterführende       EVALUATION DES QUALIFIZIERUNGS-                                den Tutees bearbeiteten Aufgaben besprochen und disku-          haltlicher, methodischer und sprachlicher Natur als wesent-
  Interessen der Tutorinnen und Tutoren aufbereitet und      KONZEPTS                                                       tiert wurden. Bei der Konzeption und Durchführung dieser        liche Bestandteile eines Qualifizierungskonzepts. Diese
  besprochen. Bisher wurden die Themenbereiche Mate-                                                                        Online-Tutorien wurden die Tutorinnen und Tutoren –             Fachspezifik soll zukünftig durch den regelmäßigen, struk-
  rialgestaltung, Zeitmanagement, aktivierende Metho-        Die Evaluation des Qualifizierungskonzepts hat gezeigt,        über deren Ausbildung hinaus – von uns intensiv begleitet       turierten und problemzentrierten Austausch erfahrener
  den (Baustein 2 ergänzend), Formulierung von Aufga-        dass die Tutorinnen und Tutoren insbesondere die Ausei-        und unterstützt. Neben regelmäßigen individuellen Bera-         und neuer Tutorinnen und Tutoren sichergestellt werden.
  benstellungen und die Gestaltung von Erklärprozessen       nandersetzung mit ihrer Rolle als Tutorin bzw. Tutor, das      tungsgesprächen haben wir anknüpfend an die Bausteine           Zur Verstetigung inhaltlicher Aspekte erstellen wir mit den
  diskutiert.                                                Üben von Lernzielformulierungen an konkreten Beispielen        4 („Intervision und Supervision“) und 5 („Praxiswerkstät-       aktuell tätigen Tutorinnen und Tutoren zudem eine lehr-
• Baustein 6 umfasst ein Praktikum. Dafür führen die         aus dem Fach und die Reflexion und Diskussion von Me-          ten“) des Qualifizierungskonzepts mit allen Tutorinnen          veranstaltungsspezifische Material- und Aufgabensamm-
  Tutorinnen und Tutoren ein Tutorium durch, dass sich       thoden in fachbezogenen Anwendungsszenarien als wert-          und Tutoren online eine Zukunftswerkstatt (Jungk & Mül-         lung, die als Grundlage für die zukünftige Arbeit in den
  mit zwölf Sitzungen à 45 Minuten über fast das ganze       voll empfunden haben.                                          lert 1989) durchgeführt. Hierbei handelt es sich um eine        Tutorien fungieren wird. ■

                                                                                                                       18   AKTIVE LEHR-LERN-KULTUR                                                                                              19
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