Forum 1/2.17 Das Magazin der Hochschule Mainz
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Forum 1/2.17 Das Magazin der Hochschule Mainz http://forum.hs-mainz.de Ausgabe: 1/2.17 INTERNATIONAL MOTYF Festival Im Fokus: Die Zukunft von Schrift in Bewegung Arrival City Welche Anforderungen muss eine Stadt heute erfüllen, um Ankunftsstadt zu sein? Social Condenser Neue Formen des Wohnens 40 Jahre BIS-Studium Der Fachbereich Wirtschaft feiert sein Erfolgsmodell
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, als lebendiger Teil der Gesellschaft sind Hochschulen immer auch Seismographen sozialer Entwicklungen und Umbrüche. Vor nunmehr 40 Jahren hat der Fachbereich Wirtschaft als erster in Deutschland einen Studiengang etabliert, der den Nerv der Zeit traf und sofort auf große Resonanz gestoßen ist – heute ist das Berufsintegrierende Studium, das es Berufstätigen ermöglicht, Studium und Beruf zu verbinden, ein Erfolgs- modell, das ein Netzwerk von über 600 Kooperationen mit Unternehmen generiert und bundesweit viele Nachahmer gefunden hat. Seit im Jahr 2015 Millionen von Menschen auf der Suche nach Sicherheit, Arbeit und Zukunft nach Europa flüchteten, erleben wir die größte Völkerwanderung der Geschichte. In dem Projekt „Arrival City“ haben sich Architekturstudierende der Hoch- schule Mainz während dreier Semester mit der Frage auseinandergesetzt, welche Anfor- derungen eine Stadt erfüllen muss, um eine „Ankunftsstadt“ zu sein und dabei auch das Zusammenspiel von Architektur, Städtebau und Politik in den Blick genommen. Neue Formen des Wohnens als Antwort auf veränderte Lebensmuster und die zuneh- mende Konzentration der Bevölkerung in der Metropolregion standen im Zentrum des Projekts „Social Condenser“, mit dem sich Bacheloranden der Fachrichtung Architektur im vergangenen Wintersemester befassten. Dabei ging es nicht zuletzt darum, das Span- nungsverhältnis zwischen dem kollektiven Raum und dem gerade noch notwendigen individuellen Rückzugsraum auszuloten. Einen Blick zurück nach vorn wirft das Veranstaltungsprogramm der international renommierten Wissenschaftlerin Mary Pepchinski, die in diesem Wintersemester die Klara Marie Faßbinder-Gastprofessur für Frauen- und Geschlechterforschung an der Hochschule Mainz innehat. In Vorträgen, Seminaren und Workshops wird sich die Architektin und Kunsthistorikerin mit der Geschichte und den Perspektiven der Gender- forschung beschäftigen, insbesondere mit der Relevanz dieses Gegenstandes für die technischen und praktischen Fächer wie Ingenieurwesen, Architektur und Wirtschaft. Im Fokus steht dabei auch Lucy Hillebrand, die das erste weibliche Mitglied des Werk- bunds gewesen ist und als progressive Architektin wegweisende Bauten konzipiert und umgesetzt hat. Unter dem Motto „MOVING TYPES – Gutenberg goes Media“ schließlich befasste sich das 3. Internationale MOTYF-Festival mit der Frage nach der Zukunft von Schrift in Bewegung. Die Veranstaltung, die von einer Medienkunstausstellung, einem Symposium, Lyrikevents und Performances flankiert wurde, hat sich mittlerweile als feste Marke eta- bliert und rund 250 Interessierte aus dem In- und Ausland in die Gutenberg-Stadt gelockt. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre Prof. Dr.-Ing. Gerhard Muth Präsident der Hochschule Mainz
Forum 1/2.17: Inhalt Forum 18: Zero Day. From Coldwar to Codewar 32: Tunnelflieger 48: Motion Bank 04: INTERNATIONAL MOTYF Festival Jana Kocher – Cyberwar ist längst kein fiktives Science-Fiction- Florian Jenett – Seit einem Jahr ist das Forschungsprojekt Szenario mehr. Im Mai 2017 kam es zum größten Hacker- „Motion Bank“ an der Hochschule Mainz angesiedelt. Zusam- angriff der Geschichte. Zehntausende Windows-Computer men mit Partnern weltweit widmet es sich der digitalen Er- weltweit wurden von einem Erpressungstrojaner infiziert. Die fassung, Aufbereitung und Vermittlung von zeitgenössischem Auswirkungen waren enorm. Eine interaktive Website, die im Tanz. Ziel ist es, Grundlagen für die Dokumentation und Ver- Rahmen einer Bachelorarbeit entwickelt wurde, soll zur Auf- mittlung des immateriellen Kulturerbes Tanz zu schaffen. klärung beitragen. Interview 20: Happy birthday FUTURA 52: „Keine E-Mails mehr nach Feierabend.“ Tribute to a Typeface – translations 5 Symposium Fast ein Viertel der Arbeitnehmer arbeitet in einem Tempo, Karen Knoll – Die Futura war die Schrift der Moderne. Welche das sich langfristig nicht durchhalten lässt, ein Fünftel leidet Innovationskraft von ihr ausging und wie zeitgenössische an Erschöpfung, Lustlosigkeit und Schlafstörungen. Markus Pretnar – Studierende des Masterstudiengangs „Kom- Bettina Augustin sprach mit Prof. Dr. Norbert Rohleder über Grafik- und Typedesigner heute mit ihr umgehen, war Thema Anja Stöffler – Über 250 Gäste aus dem In- und Ausland kamen munikation im Raum“ haben sich der Umgestaltung eines tristen, Ursachen und Risikofaktoren für ein Burn-out. eines Symposiums, das in einer Kooperation des Instituts zum 3. Internationalen MOTYF-Festival 2016 an den Rhein. unterirdischen Verbindungsgangs in der Mainzer Universitäts- Designlabor Gutenberg der Hochschule Mainz mit dem Unter dem Motto „MOVING TYPES – Gutenberg goes Media“ medizin angenommen. Ein vom Bett des Kindes an die Decke Personalien Gutenberg-Museum ein internationales Publikum anzog. standen multimediale Inszenierungen von Schriften und Buch- projizierter Papierflieger soll künftig junge Patienten auf dem staben in zunehmend konvergierenden Medien im Mittelpunkt Weg zur OP begleiten. 56: Prof. Dr. Regina Stephan der Veranstaltung. Ziel war es, der Frage nach der Zukunft von Schrift in Bewegung nachzugehen und die interaktiven, ver- 24: Bei schlechtem Wetter helfen gute Texte 57: Dr. Valérie Schüller netzten und mobilen Gestaltungsparameter im Spannungs- Nadja Mayer – Es gibt nichts Besseres für Kommunikations- 36: 40 Jahre BIS-Studium 58: Prof. Dr. Stephan Mai feld von Technik, Gestaltung und Information auszuloten. designerinnen und -designer, als hautnah zu erleben, wie die Der Fachbereich Wirtschaft feiert sein Erfolgsmodell 59: Prof. Dr. Benjamin von Wolf-Zdekauer selbst ausgedachten Dinge in der Welt funktionieren. Ein Kurs Therese Bartusch, Kathrin Huber – Als der erste berufsintegrie- 60: Prof. Torsten Schrade des 1. Semesters hatte die Gelegenheit dazu. 12: Zeitgemäßer Auftritt rende Studiengang 1977 startete, rechnete niemand mit dem 61: Prof. Dr. Piotr Kurocyński heutigen Erfolg. Seit 40 Jahren kooperiert der Fachbereich 62: Prof. Urs Löffelhardt Anett Mehler-Bicher und Isabell Müller beantworten Fragen zur Wirtschaft mit Unternehmen und Institutionen und gibt damit neuen Homepage der Hochschule Mainz, die Anfang Mai 2017 26: No Selfies! 63: Prof. Dr. Martin Graßnick Berufstätigen die Chance, Beruf und Studium zu verbinden. online gegangen ist. Stefan Enders – Das 64: Prof. Dr. Mary Pepchinski Genre des Selbst- Aus den Fachbereichen porträts ist seit Kleine Nachrichten 40: Im Tandem zum Erfolg Jahrhunderten eine 14: Social Condenser. Neue Formen des Wohnens wichtige Ausdrucks- Susanne Rank – Das Cross-Mentoring-Programm für Alumni des 66-71: Ausstellung Park Babelsberg / Qualifizie- form, in der Male- Fachbereichs Wirtschaft ging in die 3. Runde. rungskolleg / MOTYF E-Book / Plakatwettbewerb Kerstin Molter – Die Abnahme der Bevölkerung und die zu- rei wie in der Foto- nehmende Überalterung der Gesellschaft führen zu einer Kon- grafie. Während Hochschule Mainz international „Lebenswelt Hochschule“ / Designinitiative / zentration der Bevölkerung in der Metropolregion. Fehlende sich das Handy- Ausstellung Perspektiven im Städtebau / Kurzfilm Arbeitsplätze, fehlende öffentliche Einrichtungen und Versor- Selfie im Reprodu- 44: Arrival City „Infiziert“ / Robolab eingeweiht / Internationales gung feuern die Attraktivität des städtischen Raums an und zieren narzissti- lösen eine Preisspirale im Wohnungsmarkt aus. Neue Formen Eléna Hinsch, Regina Stephan – Rund ein Drittel der Weltbevöl- Bienenwettfliegen scher Stereotypen des Wohnens standen im Zentrum eines Projekts, mit dem sich kerung ist zur Zeit im Aufbruch. Ausgelöst durch Kriege und erschöpft, ist das die Bacheloranden der Fachrichtung Architektur befassten. wirtschaftliche Perspektivlosigkeit verlassen Menschen ihre künstlerische Heimat und suchen nach gefährlicher Flucht zunächst nur 72: Impressum Selbstporträt eine eines: eine Ankunft. Doch welche Anforderungen muss eine Form der Ausein- Stadt erfüllen, um eine Ankunftsstadt zu sein? andersetzung, die einen Erkenntnis- 73: Autorinnen / Autoren prozess ermöglicht. 2 FORUM 1/2.17 FORUM 1/2.17 3
FORUM INTERNATIONAL MOTYF FESTIVAL 2016 GEGENWART UND PERSPEKTIVEN DYNAMISCHER SCHRIFT TEXT: ANJA STÖFFLER FOTOS: KATHARINA DUBNO, MARTINA PIPPRICH, TIM RIZZO, PILAR CELMA SERRANO Am 24. November 2016 wurde in Mainz das internationale MOTYF Festival „Moving Types – Gutenberg goes Media“ mit Gästen aus mehr als 13 Ländern im Gutenberg-Museum eröff- net. Mit der erweiterten Nutzung von Medientechnik und der Entstehung virtueller und augmentierter Realität entsteht eine neue Faszination für Schrift, deren Konzept bisher überwiegend statisch war. Die Thematik wurde aus künstlerischen, historischen, wissen- schaftlichen und technischen Blickwinkeln betrachtet. Im Rahmen des Festivals setzten in der Medienausstellung „Akademos. A Place for Poets and Philosophers“ internationale Nachwuchskünstler ihre Arbeiten audiovisuell in Szene. Zu sehen waren Poetryclips, Projektionen und interaktive Installationen. Darüber hinaus flankierten das Festival ein Symposium mit über zehn internationalen Referenten, Work- shops sowie künstlerische Lyrikevents in Zusammenarbeit mit dem Künstlerhaus Eden- koben, der Akademie der Wissenschaften und der Literatur als auch Performances der Schauspielschule Mainz. MOTYF ist eine gemeinsame Marke von Moving Types, dem z zg – Zentrum Zeitbasierte Gestaltung der beiden Hochschulen Mainz (Prof. Anja Stöffler) und Schwäbisch Gmünd (Prof. Ralf Dringenberg) sowie dem polnischen Kooperationspartner PJATK – Polish Japanese Academy of Information Technology (Prof. Ewa Satalecka) in Warschau. Die Organisation des Festivals verantwortete Prof. Anja Stöffler mit dem Team Manfred Liedtke, Esther Rosskopf und Uwe Zentgraf vom Institut für Mediengestaltung in Mainz. Foto rechts: Großprojektion National Audiovisual Institute, Warschau Foto folgende Seite: Blick in die Ausstellung „Akademos. A Place for Poets and Philosophers“ 4 FORUM 1/2.17 FORUM 1/2.17 5
FORUM FORUM 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer un- terschiedliche Workshops von Kalligrafie über Motiongraphics bis hin zu Virtual Reality-Anwendungen an. Lyrikabende: Schnittstelle zwischen Literatur und medialer Inszenierung „MOTYF steht für Interaktion, Avantgarde, Design, Kultur, Sprache und Schrift, Dialog und Forschung. MOTYF ist aktuell, aber viel mehr noch verbindet MOTYF die Ge- schichte des geschriebenen, gedruckten und digitalen Wortes mit Zukunftsperspek- tiven, Wissenschaft und gegenwärtigen Strömungen“, so eröffnete Staatssekretär Prof. Dr. Salvatore Barbaro das begleitende Lyrikevent „Anthropozän“ im Dezember Dr. Markus Dömer, Carlsen Verlag ¬ „LeYo! Static books, digitally enhanced“ 2016. Das „Anthropozän“, das menschlich neu Gemachte, der Einfluss des Menschen auf seine Umwelt, ist ein Zeitalter. Doch wie der Mensch die Welt nach seinen Vor- stellungen formt, nutzt er auch die Schrift, um seinen Vorstellungen Ausdruck zu ver- leihen. In Kooperation mit dem Künstler- haus Edenkoben und seinem künstlerischen Leiter Hans Thill und den beiden Stipendia- ten Rike Scheffler und Manuel Niedermeier wurde ein Lyrikabend der besonderen Art Lyrikabend „Anthropozän“ im Gutenberg-Museum mit der Autorin Rike Scheffler veranstaltet. Im Rahmen eines Semesterkurses entstan- Mit Labs und Lyrics die Zukunft durch- lungsfunktion zu einem interpersonalen auf. Die Tagung war auf diese Art und Weise den Live-Projektionen aus dem Studiengang buchstabiert Akteur: in der Fläche, im Raum, in der Zeit eine Art Labor und Think Tank über dyna- Mediendesign an der Hochschule Mainz mit Unter dem Motto „MOVING TYPES – Guten- und in sich selbst organisierenden Netz- mische Schrift, die unter Einbeziehung Lennie Faust, Katharina Jorendt, Jonathan berg goes Media“ standen multimediale strukturen. neuer Medientechniken Gestaltung ver- Kaiser, Noemi Kelemen, Selin Koca, Holger Inszenierungen von Schriften und Buchstaben ändert und somit Kommunikation erwei- Müller, Felix Schuster und Yvonne Simon. ZDF Hotspot „Viewing the Future: vr.zdf.de“ in zunehmend konvergierenden Medien im Internationale namhafte Referenten des tert. Schrift kann auf einzigartige Art un- Die Studierenden erarbeiteten in enger Zu- Mittelpunkt. Das Festival förderte und er- Design- und Medienbereichs aus Belgien, sere Aufmerksamkeit lenken, Atmosphären sammenarbeit mit den Autoren das Konzept möglichte den internationalen Austausch Deutschland, England, Finnland, Holland, schaffen und erweitert somit den uns be- für den Abend. Gemeinsam konnte ein neu- von Medien- und Kreativschaffenden, ins- Irland, Neuseeland, Polen, der Schweiz und kannten Schriftraum um ein mehrere Sinne artiges Programm entwickelt werden, in dem besondere Gestaltern und Designern, Pro- den USA trafen sich im Mainzer Gutenberg- berührendes Erlebnis. die Texte der Autoren akzentuiert gestaltet grammierern, Publizisten sowie Verlagsver- Museum, um über das Phänomen und die und bewegt wurden. Dies geschah sowohl tretern aus allen Bereichen dynamischer Zukunft von Schrift in Bewegung zu disku- Workshopwoche „Future Type Lab“ mit animierter Schrift und Grafiken, filmi- Medientexte, Schriften und Schriftkultur. tieren. Zwei Tage lang wurde auf dem Sym- Das Symposium wurde umrahmt von akti- schen Inszenierungen wie auch Zuspielun- Ziel war es, zum einen der Frage nach der posium „Gutenberg goes Media“ die Materie ven Programmelementen wie einer beson- gen in Echtzeit über neuere Softwareanwen- Zukunft von Schrift in Bewegung nachzu- buchstäblich durchbuchstabiert: von A wie ders hervorzuhebenden Medienkunstaus- dungen wie V4 und resolume. Sprache und gehen, zum anderen die interaktiven, ver- „aktueller Stand der Dinge“ bis Z wie „Zu- stellung sowie mehreren künstlerischen Bild ergaben somit in Echtzeit ein Gesamt- netzten und mobilen Gestaltungsparameter kunft und Möglichkeiten“. Beiträgen der Schauspielschule Mainz, die kunstwerk. Das Projekt wurde zudem unter- im Spannungsfeld von Technik, Gestaltung während des Symposiums und am Eröff- stützt von Norbert Seemayer, Sina Meyer . und Information auszuloten. Die Möglich- Medienprofis wie Mike Meiré von M2 Meiré nungsabend stattfanden. Insgesamt ist und Seweryn Zelazny. Die künstlerische keiten hybrider Publikationen in schrift- und Meiré oder der neuseeländische Story- MOTYF 2016 mehr als ein exklusives Wissen- Leitung übernahmen Prof. Anja Stöffler orientierten Medien sowie zukünftige An- telling-Spezialist Brian Lucid demonstrier- schaftscluster, sondern verfolgte auch nach- (Gesamtleitung) und Hans Thill (Text). Im wendungen im Zeitalter des „Internet der ten, welche Gestaltungslösungen virtuell, haltige Aspekte für unsere Medien- und Februar 2018 wird die filmische Dokumen- Dinge“ wurden aufgezeigt und diskutiert. digital und installativ möglich sind – und Kommunikationsdesign-Studierenden und tation mit anschließender Diskussion im Schrift ist und wird zusehends omnipräsent zeigten dabei nicht selten völlig neue Ideen interessierte Teilnehmer. Die Workshop- Rahmen der Landeskinder-Veranstaltung Pre-Show in Warschau: Großprojektion National Audiovisual Institute, und wandelt sich von ihrer reinen Vermitt- und Ansätze für künftige Gestaltung(en) woche „Future Type Lab“ bot für mehr als im Künstlerhaus Edenkoben gezeigt. Warschau 8 FORUM 1/2.17 FORUM 1/2.17 9
FORUM FORUM Die Reihe der Abendveranstaltungen wurde in Kooperation mit der Akademie der Wissen- schaften und der Literatur Mainz mit einer weiteren Lyrikperformance abgerundet. Mit dem Titel „Gesänge des Funkturms“, einem Sprechkonzert der Berliner Schrift- stellerin und Poetin Ulrike Almut Sandig mit dem Dichter, Musiker und Kulturakti- visten Grigory Semenchuk aus der Ukraine, erhielt Walther Ruttmans Filmklassiker „Berlin ¬ Die Sinfonie der Großstadt“ (1927) einen ganz eigenen Soundtrack. Sandigs Sprechgesang und Semenchuks treibende Bässe transportierten den projizierten Film in die Gegenwart einer Großstadt, die nicht zu- letzt eines ist: Magnet der menschlichen Art Festivalleitung und Kuratoren ¬ und ihrer sonderbaren Eigenschaft, von der Prof. Ralf Dringenberg, Prof. Ewa Satalecka, Prof. Anja Stöffler Zukunft zu träumen. Die Veranstaltung fand in den Räumlichkeiten der Akademie statt. Medienkunstausstellung „Akademos. A Place for Poets and Philosophers” Ein Herzstück des Festivals war auch die über mehrere Monate im Gutenberg-Museum zu sehende Medienkunstausstellung „Akade- mos. A Place for Poets and Philosophers“. Nachwuchsgestalter aus aller Welt waren Ergebnis aus dem Workshop „Disruptive Text“ von Prof. Dr. Hilary Kenna (IRE) und Prof. Adam Cooke (UK) eingeladen, bekannte und weniger bekannte Literatur mit ebenfalls multimedialen und installativen Formaten zu verbildlichen und Gestaltung. Diese sind der Schlüssel der Mainz besucht, die aufgrund ihres großen Er- der Zusage der kommenden MOTYF Festival- (neu) in Szene zu setzen. Akademos wurde Präsentation. Die Exponate waren geordnet folges bis Ende März 2017 verlängert wurde. Ausrichtung 2018 in Dublin mit Prof. Dr. zum Namenspaten einer Idee von Diskurs, von einfachen bis hin zu komplexen Ver- Hilary Kenna, die die Veranstaltungsreihe an Lehre und dem Austausch zwischen Dis- schränkungen von Schrift und Bild mit flie- Darüber hinaus wurden die Bewegtbildar- der Faculty of Film, Art & Creative Techno- ziplinen und Menschen. Die Bewegtbild- ßenden Grenzen. Besucher konnten sowohl beiten der Ausstellung im Anschluss an die logies am IADT Dun Laoghaire Institute of gestalter wurden zu Interpreten, die die eine virtuelle Schriftraumerfahrung machen – Kuratierung durch Prof. Ralf Dringenberg, Art Design and Technology in Dublin in Ko- Virtual Reality Installation „Panta Rhei“, Institut für Mediengestaltung, Texte der Autoren als Ausgangspunkt für in der VR-Anwendung „Panta Rhei“ –, oder Prof. Ewa Satalecka und Prof. Anja Stöffler operation mit dem Mainboard durchführen Prof. Anja Stöffler und Team die eigenen künstlerischen Arbeiten – linear sich Poesie erschaukeln mit dem interakti- in einer ersten Version im September 2016 wird. Das 4. MOTYF Festival findet vom oder interaktiv – verwendeten. Herausge- ven Kunstwerk „Poetryswing“. erstmalig in Warschau gezeigt. Die Veran- 31. Oktober bis 4. November 2018 statt. kommen ist eine abwechslungsreiche, in- staltung wurde im Rahmenprogramm der novative und zeitgemäße Ausstellung, die Die Ausstellung zeigte wunderbare Darstel- internationalen ATypI Konferenz (Inter- Infos unter: modernste Medientechnik mit vergangener, lungen unter dem Gedanken von Akademos national Typography Association) aufge- http://www.motyf-festival.com aber auch zeitgenössischer Lyrik und Poesie und bietet, nach einem Zitat von Hannah führt. Mit einer Projektion an die Fassade Facebook, Twitter: MOTYF verknüpft. Es wurden Satzfragmente, Zitate Arendt, neuen Raum für das „Denken ohne des National Audiovisual Instituts (NiNA) http://www.moving-types.com berühmter Persönlichkeiten oder ganze Geländer“. Junge Nachwuchskünstler zeig- gelang eine erfolgreiche Vorabpremiere der Gedichte aufgegriffen und mit kreativen ten die Auseinandersetzung mit der Thema- Ausstellung in Warschau. Die Veranstaltung Das deutsche eBook zu MOTYF 2016 mit Gestaltungsmitteln den Besuchern gezeigt. tik und es wurde deutlich, wie divers und wurde zu einem eindrucksvollen Erlebnis, ausgewählten Texten zum Symposium, zur Ausgewählt wurden 70 internationale Ar- mannigfaltig ein solcher Diskurs und das da auch hier die Vielfalt der Arbeiten in ih- Ausstellung und zu den Events sowie mit zu- beiten, die u.a. Werke von Platon, Hannah Denken an sich sein kann. Umso erfreulicher, rer Thematik und Inszenierung sichtbar sätzlichen wissenschaftlichen und vor allem Arendt oder Johnny Tillotson in Bild, Schrift dass mit Akademos nach Platons Vorbild wurde. künstlerischen Beiträgen steht unter http:// und Ton interpretierten. Neben der einfa- ein Ort geschaffen werden konnte, an dem www.zeitbasierte-gestaltung.de/publikation/ chen Darstellung auf Bildschirmen erwei- ein Austausch zwischen Autor und Gestalter, MOTYF 2016 in Mainz bedeutete auch eine zum Download bereit. Neben Texten und terten und bereicherten interaktive Kunst- zwischen Besucher und Medienarbeiter weitere Internationalisierung: Weitere neue Abbildungen sind zahlreiche, eigens für werke und Installationen die Ausstellung. und zwischen Animationskünstlern, Filme- Partner in Dublin, in Neuseeland und in diese Publikation erstellte Videos ent- Um dies alles plastisch werden zu lassen, machern, Sprechern und Komponisten er- Katowice konnten gewonnen werden. Auch halten. Blick in die Ausstellung im Gutenberg-Museum war die Ausstellung im Gutenberg-Museum möglicht wurde. Zahlreiche Besucher haben die deutsch-polnische Kooperation wird gegliedert in acht Themengebiete formaler die Ausstellung im Gutenberg-Museum in weiter ausgebaut. Dies zeigt sich auch in 10 FORUM 1/2.17 FORUM 1/2.17 11
FORUM FORUM Informationen rund um die Hochschule sionell; auch mpm hat für einige Features Mainz, angefangen mit den vier Top-News bzw. Funktionen Neuland beschritten. Dies und Events bis hin zu aktuellen Projekten betrifft z.B. das automatisch generierte und Informationsseiten der Serviceeinrich- Personenverzeichnis. Da immer wieder Ver- tungen. Die Kachel zur Bewerbung ist fest besserungsvorschläge genannt bzw. neue positioniert. Zusätzliche Filterfunktionen Features benötigt werden sowie im Herbst ermöglichen den Nutzern, das Informa- eine Umstellung auf die neueste Typo3- tionsangebot auf ihre Bedürfnisse genau Version geplant ist, ist die Zusammenarbeit abzustimmen. So sehen beispielsweise Stu- mit dem Relaunch nicht beendet. dieninteressierte weiter oben auf der Start- seite das Studienangebot der Hochschule, Wird die neue Homepage häufiger oder während wiederum Studierende an dieser anders frequentiert als die bisherige? Stelle die Serviceseiten der Hochschule Gibt es hierzu schon erste Erkenntnisse? Der neue Webauftritt rückt das Medium angezeigt bekommen. Durch die Nutzung Hierzu liegen noch keine fundierten Er- Bild stärker in den Mittelpunkt weiterer Filter wie der Auswahl der Fach- kenntnisse vor. Die Eruierung einer an- bereiche lässt sich das Informationsangebot deren Nutzung ist auch relativ schwierig, der Startseite noch genauer eingrenzen. da die neue Website anders gestaltet und aufgebaut ist. Wie funktioniert die Suchmaschine, die in die Website eingebunden ist? Sind alle Wann wird die englische Fassung der Texte in der Suchmaschine indiziert? Website zur Verfügung stehen? Als Suchmaschine wird Typo3 Solr einge- Es ist geplant, die englische Seite im Winter- setzt. Dies ermöglicht eine schnelle Suche semester 2017/18 freizuschalten. Zu diesem in wenigen Millisekunden sowie viele Zeitpunkt sind nach derzeitiger Planung nützliche Suchfunktionen. So können wichtige Inhalte der Studiengänge und auch Suchergebnisse zusätzlich nach verschiede- des Bewerbungsprozesses übersetzt, so dass Eine starke Zielgruppenorientierung gehört zu den Merkmalen des neuen Internetauftritts. Der Student Life Cycle spiegelt sich in der Menüstruktur wider nen Facetten, wie Events, News, Personen eine sinnvolle Nutzung der englischen Seite oder Seiteninhalten, eingegrenzt werden. möglich ist. Startseite mit News- und Event-„Kacheln“ Ebenso bietet die Suche eine Autovervoll- ständigung der Suchbegriffe an. Dabei Welches sind die nächsten Schritte zur ZEITGEMÄSSER AUFTRITT werden alle Texte, die sich auf der Website der Hochschule befinden, in den Sucher- Optimierung der Homepage? Technisch wird im Herbst eine Umstellung gebnissen miteinbezogen. auf die neuste Typo3-Version erfolgen. Mit Die neue Homepage der Hochschule Mainz. dieser neuen Version wird eine komfortable Das Internet ist ein Medium, in das ständig Möglichkeit eines Workflow-Konzepts ge- Acht Fragen an Prof. Dr. Anett Mehler-Bicher sowie Isabell Müller neue Texte eingestellt werden. Sollen geben. Das bedeutet, dass weitere Personen auch die Bilder fortlaufend aktualisiert als Redakteure arbeiten können, ihre Än- TEXT: ANETT MEHLER-BICHER, ISABELL MÜLLER, BETTINA AUGUSTIN FOTOS: HOCHSCHULE MAINZ werden? Wer ist zuständig für die Bilder, derungen aber einem dezidierten Freiga- die auf der Website zu sehen sind? beprozess durch die Internetbeauftragten Seit Anfang Mai 2017 ist der neue Worin liegen die wesentlichen Unter- Endgeräte mittels Responsive Design, eine Unser neuer Webauftritt rückt das Medium unterliegen werden. Internet-Auftritt der Hochschule Mainz schiede zwischen dem alten und dem starke Zielgruppenorientierung sowie eine Bild viel stärker in den Mittelpunkt, als dies online. Eine erste Umfrage unter Studie- neuen Internet-Auftritt und was waren Reduktion der Menüpunkte waren wesent- der alte Webauftritt der Hochschule tat. Das Thema Kachelverdichtung und -priori- renden und Beschäftigten ergab, dass das die Ziele des Relaunchs? liche Anforderungen. Ein weiterer Unter- Somit ist es noch entscheidender, die Bilder – sierung wird uns auch weiterhin beschäfti- Design der neuen Website größtenteils Der frühere Auftritt war 2007/2008 ent- schied besteht in der prozessorientierten insbesondere die großformatigen Header- gen. Auch soll zeitnah die Möglichkeit von als ansprechend und modern angesehen wickelt worden, ging zum Wintersemester Ausrichtung des neuen Auftritts; der Student bilder – aktuell zu halten. Neue Bilder Doppelkacheln gegeben sein, um bestimm- wird, wobei immer wieder auch die sehr 2008/09 online und unterstützte den da- Life Cycle spiegelt sich in der neuen Menü- entstehen zumeist in Zusammenarbeit mit te Events oder News noch stärker hervorzu- guten Fotografien hervorgehoben werden. maligen Stand der Technologie. Aufgrund struktur entsprechend wider. Neu ist z.B. Fotografen und werden von den Internet- heben. Kritisch beurteilt wird vor allem die der Historie früherer Internetauftritte der die Möglichkeit, für jeden Studiengang zu- beauftragten der Fachbereiche und der Startseite, die mit ihrer „Kachel“-Struktur Hochschule Mainz lag der Fokus auf einer gehörige Services, Projekte sowie aktuelle zentralen Verwaltung für die Website aus- Geplant ist auch, durch ein veränderte von vielen als ungewohnt und teils un- organisationszentrierten Darstellung. Ereignisse über einen spezifischen, abon- gesucht und online gestellt. AJAX-Integration benutzerfreundliche Ef- übersichtlich empfunden wird. Die nierbaren Kalender bereitzustellen. fekte bei der Nutzung von Overlays wie z.B. „Forum“-Redaktion sprach mit Prof. Dr. Durch das Voranschreiten der Technologie Wie verlief die Zusammenarbeit mit der fade-in und fade-out zu erreichen; AJAX ist Anett Mehler-Bicher und Isabell Müller und die starke Verbreitung mobiler Endge- Nach welchen Kriterien werden die Medienagentur mpm? Ist eine Fortset- hierbei notwendig, um HTML-Seiten ohne über den Relaunch und weitere geplante räte war der frühere Auftritt technologisch Informationen, die auf der Startseite zung geplant? erneutes Laden verändern zu können. Schritte. veraltet und bedurfte einer grundlegenden erscheinen, ausgewählt und priorisiert? Die Zusammenarbeit mit der Medienagen- Überarbeitung. Die Unterstützung mobiler Die Startseite präsentiert alle wichtigen tur mpm verlief und verläuft sehr profes- 12 FORUM 1/2.17 FORUM 1/2.17 13
AUS DEN FACHBEREICHEN AUS DEN FACHBEREICHEN Auf der Suche nach einer geeigneten Wohn- form sollte in der Bachelor-Thesis die Haus- kommune der Ausgangspunkt des kollektiven Wohnens sein. Das Spannungsfeld zwischen dem kollektiven Raum und dem gerade noch notwendigen individuellen Rückzugsraum prägt die Kommune als kollektive Lebens- form. Narkomfin und Kraftwerk 2 als Vorbilder Vorbilder wie das „Narkomfin“-Gebäude, ein von dem führenden russischen Konst- ruktivisten Moisei Ginzburg entwickeltes sozial-utopisches Haus aus dem Jahr 1926, drücken exemplarisch die Träume vom sozialistischen Zusammenleben aus. „Das konstruktivistische Bauwerk nimmt die nach 1918 europaweit ausstrahlende Diskussion um Möglichkeiten der Rationalisierung des Modell Maike Schönenberger Wohnungsbaus und der Emanzipation von der Hausarbeit auf, wie sie die Moderne der 1920/30er Jahre ähnlich auch in den großen Städten Deutschlands oder Holland führte.“ (Das Narkomfin-Kommunehaus in Moskau, 1928-2012, Johannes Cramer und Anke Zalivako). Der Wohnblock „Narkomfin“ für Mitarbeiter des Kommissariats für Finanzen Die „Kalkbreite“ war eines der Ziele einer dreitägigen Exkursion nach Zürich, bei der die Bacheloranden Wohnmodelle besichtigten, die das kollektive Leben fördern bot Dachgärten und Gemeinschaftsküche, Kindertagesstätte, Sporthalle und Wasch- küche – nur schlafen sollten die Bewohner SOCIAL CONDENSER noch allein. Adrian Streichs „Kraftwerk 2“ (2008-2011) bietet neben den Wohnge- meinschafts-Clustern kollektive Angebote wie eine mehrgeschossige Veranda, die der Neue Formen des Wohnens Architektur den Namen „terrasse commune“ verliehen hat und die alle Wohneinheiten TEXT: KERSTIN MOLTER FOTOS: KERSTIN MOLTER, JANA GREGORCZYK miteinander verbindet. Im Wintersemester 2016/17 widmeten Preisspirale im Wohnungsmarkt aus. Ver- Möglicherweise besteht in den gemein- Die Architektur als Beziehung zwischen dem sich die Bacheloranden der Fachrichtung ändernde Lebensmuster bestimmen da- schaftlichen Wohnformen auch das Potential physisch gebauten Raum und dem Raum, in Modell Maximiliana Seeger (†) Architektur der Aufgabe, ein gemein- rüber hinaus die zeitgenössische Gesell- einer Erneuerung der Wohnkultur, vergleich- dem sich soziale Beziehungen konstituieren, schaftliches Wohnprojekt in Mainz auf schaft. Das traditionelle Familienmodell bar mit den Wohnungsbauprogrammen des war zentrales Thema der Thesis. Im unmit- einem Grundstück zwischen Zahlbacher des Wohnens ist nur eines neben einer Neuen Bauens (1910-1930) im vergangenen telbaren Nebeneinander war das Verhältnis Steig und der Unteren Zahlbacherstraße Vielfalt differenzierter Wohnformen, Jahrhundert. Das soziale Ziel des Neuen von privatem Rückzugsraum und kollekti- in unmittelbarer Nähe zu den Römer- die auf Faktoren wie Überalterung und Bauens war es, gute Wohnbedingungen mit vem Raum sensibel auszuloten. steinen zu entwickeln. Die Aufgabe hatte die hohe Anzahl der Single-Haushalte guter Belichtung und Belüftung für alle ich vor dem Kontext der gegenwärtigen reagieren. Menschen herzustellen. Möglich wurde die Architektur beeinflusst das soziale gesellschaftlichen Bedingungen gestellt. Umsetzung dieses Ziels durch die industriel- Verhalten Faktoren wie die Abnahme der Bevöl- Die Kommune als kollektive Lebensform le Rationalisierung und Typisierung. Die neue Alltagskultur findet ihren Ausdruck kerung und die zunehmende Überal- Vor diesem Hintergrund kann der Bedarf an im Verhältnis, wieviel individueller Raum terung der Gesellschaft begründen die bezahlbaren Wohnungen heute nicht mehr Jede Wohnkultur reflektiert die Bedingun- aufgegeben werden kann, ohne die individu- Konzentration der Bevölkerung in der gedeckt werden. Alternative Wohnformen gen ihrer Gesellschaft. Ein Bedürfnis der elle Freiheit einzuschränken. Eine wichtige Metropolregion. Fehlende Arbeitsplätze, wie gemeinschaftliches Wohneigentum oder heutigen Zeit ist es sicherlich, das gewinn- Rolle in dem Projekt kommt den (Wohn-) fehlende öffentliche Einrichtungen und Wohnungsgenossenschaften verlangen nach orientierte Kalkül des Wohnungsbaus zu Zwischenräumen zu. Rem Koolhaas, eine der Versorgung feuern die Attraktivität des Umsetzung, um diesem Defizit entgegenzu- überwinden und neue soziale Konstrukte des wichtigsten zeitgenössischen Positionen in der städtischen Raums an und lösen eine wirken. Zusammenlebens zu entwickeln. Architektur-Welt, versteht Räume, die ver- 14 FORUM 1/2.17 FORUM 1/2.17 15
AUS DEN FACHBEREICHEN AUS DEN FACHBEREICHEN schiedene Aktivitäten fördern, die zunächst nicht gedacht waren, als „sozialen Konden- sator“ . Der „soziale Kondensator“ hat die Kraft, das soziale Verhalten zu beeinflussen – mit dem Ziel, wahrgenommene soziale Hie- rarchien zu durchbrechen und einen sozial gleichberechtigten Raum zu schaffen. Die Vorgabe für das Bachelor-Projekt war ein Mix aus Wohneinheiten für Singles oder Paare (40 % des zu konzipierenden Wohn- raums), Alleinerziehende mit Kind (15 %), aktive Senioren (25 %) sowie für Familien (20 %). Auf dieser Basis entwickelten die Bacheloranden Wohnszenarien, die das Mit- einanderleben der Generationen begünsti- gen und das gemeinschaftliche Leben sowie die gegenseitige Unterstützung und die Ver- Modell Isabella Spielmann ¬ ausgezeichnet mit dem Gutenberg-Stipendium folgung gemeinsamer Ziele ermöglichen der Stadt Mainz sollen. In Mainz sind ca. 80 % aller Haushalte Ein- bis Zweipersonenhaushalte. Impulse zum Thema sammelten die Stu- dierenden auf einer dreitägigen Exkursion nach Zürich. Hier wurden Projekte wie die sogenannte „Kalkbreite“, „Kraftwerk2“, das Husiker Areal und das Zwicky Areal Süd besichtigt. Alle Projekte sind stark durch gemeinschaftliches Leben geprägt. Zum „Kalkbreite“ Zürich ¬ in einem Wohngemeinschafts-Cluster gruppieren sich mehrere einzelne Wohneinheiten um einen gemeinschaftlichen Bereich einen bieten sie besondere Wohntypen wie das sogenannte „Clusterwohnen“, zum anderen Gemeinschaftseinrichtungen, die das kollektive Leben fördern. In einem Wohngemeinschafts-Cluster gruppieren sich mehrere einzelne Wohneinheiten um einen gemeinschaftlichen Bereich. Die Wohnein- die Ausstellung stark besucht. Junge wie Dem Bachelor-Absolventen Alexander Neu- heiten sind ausgestattet mit Sanitärzelle ältere Bürgerinnen und Bürger diskutierten kirch war es besonders wichtig, Lebensraum und Teeküche sowie ein bis zwei Zimmern. begeistert über die Beiträge der Absolven- zu schaffen, der gegenseitige Unterstützung, Sie dienen als private Rückzugsräume. Alle tinnen und Absolventen, deren Werk so Aufgabenteilung und die Verfolgung gemein- Modell Christian Michel Bewohnerinnen und Bewohner teilen sich mitten in die Gesellschaft getragen wurde. samer Ziele ermöglicht. Alle Raumebenen, eine große Küche mit Ess- und Wohnbereich Der Absolventin Isabella Spielmann war es vom Städtebau bis zum Innenraum, differen- und Arbeitsnische. ein wichtiges Anliegen, dass das Miteinander zierte er in seinem Entwurf nach den kon- der Bewohner im Vordergrund steht: „Ziel textuellen Anforderungen und verlieh sei- Ausstellung im Rathaus ist es also, so viel Austausch und Kommuni- nem architektonischen Anspruch Ausdruck: Im Anschluss an die Bachelor-Präsentation kation wie möglich unter den Bewohnern „Die Raumhöhen der Gemeinschaftsräume wurden die Projekte im Februar/März 2017 zu erzeugen, wofür entsprechend Raum zur mit Küche und Wohnzimmer werden höher im Mainzer Rathaus ausgestellt. Bau- und Verfügung gestellt werden muss. Anderer- ausgebildet als die der Individualbereiche. Kulturdezernentin Marianne Grosse hob in seits muss jeder Bewohner die Möglichkeit Somit entstehen unterschiedliche Atmo- ihrem Grußwort den Wert der Abschluss- haben, sich jederzeit in seinen privaten Indi- sphären, und der Gemeinschaft wird mehr Projekte hervor: „Uns ist es besonders vidualraum zurückziehen zu können. Denn Raum gegeben. Es entstehen interessante wichtig, dem Wandel der Wünsche gerecht Gemeinschaft kann nur dann funktionieren, Wohnungen mit besonderer Lebensqualität.“ zu werden. Daher nehmen wir sehr viel von wenn alle Bewohner frei wählen können, Sein Projekt wurde mit dem zweiten Preis den Arbeiten der Studentinnen und Studen- wann und wie stark sie sich in das Kollektiv des Baugewerbes Rheinland-Pfalz ausge- ten mit – sie zeigen neue Wege auf, die wir einbringen wollen.“ Ihr Projekt wurde im zeichnet. gerne mitgehen.“ Vor dem Hintergrund Folgenden mit dem Gutenberg-Stipendium des hohen Wohnraumbedarfs in Mainz war der Stadt Mainz ausgezeichnet. 16 FORUM 1/2.17 FORUM 1/2.17 17
AUS DEN FACHBEREICHEN AUS DEN FACHBEREICHEN Das Thema ist daher von höchster politischer Die inhaltliche Grundstruktur der Internet- und gesellschaftlicher Relevanz, da die Cyber- seite orientiert sich an diesen vier Fragen. angriffsmöglichkeiten das Potenzial beinhal- Die Ergebnisse der eigenen Recherchear- ten, die weltweiten staatlichen Machtkon- beiten werden diesen Themenblöcken zuge- stellationen zu verändern. Es gibt demnach ordnet. Unter dem Titel „Virtual Warfare“ wichtige Gründe dafür, dass die Bevölkerung werden eine Definition von Cyberwar und über die veränderte Gefahrenlage informiert die Erläuterung der spezifischen Cyberwar- wird. Durch die technische Komplexität und Bedingungen vorgestellt. Im Block „Real Abstraktheit der Auswirkungen solcher An- Impacts“ werden die Auswirkungen der griffe ist es dem Laien kaum möglich, einen Parallelwelt auf die reale Welt sowie die sich Einblick in diese Thematik zu gewinnen. dadurch ergebenden Verwundbarkeiten der Infolgedessen gestaltet es sich für die Mehr- Systeme dargestellt. Unter „Current Attacks“ heit der Laien sehr diffzil, sich eine Meinung werden bekanntgewordene Cyber-Attacken Preisträgerin Jana Kocher mit Prof. Dr. über die Gefahrenlage zu bilden, da sich der letzten Jahre dargestellt. Der vierte Block Gerhard Muth, Prof. Anna-Lisa Schönecker reißerische Übertreibungen der öffentlichen „Potential Threats“ beschäftigt sich mit den und Richard Patzke (v.l.n.r.) Medien und komplexe technische Berichte Auswirkungen auf das Machtgefüge der welt- der IT-Experten gegenüberstehen. weiten Staatengemeinschaft. Eine Herausforderung dieser Arbeit war es, In kurzen Videopassagen aus dem Interview, zunächst Ordnung in die Vielfalt und Breite das ich mit dem Experten Sandro Gaycken der Informationen zu diesem Thema zu brin- geführt habe, werden weitere Einzelthemen gen. Dem Nutzer soll ein einfacher und über- erläutert. Zitate von verschiedenen Experten sichtlicher Einblick in die Thematik geboten illustrieren den aktuellen Diskussionsstand werden, der gleichzeitig den Zugang zu vertie- und belegen zusätzlich die Kernaussagen. fenden Informationen ermöglicht. Dabei soll Schließlich werden einzelne Vertiefungs- durch ein attraktives gestalterisches Konzept themen durch Icons symbolisiert, über die die Lust geweckt werden, sich mit diesem dann der Zugang zu weiteren inhaltlichen abstrakten Thema auseinanderzusetzen. Vertiefungen hergestellt werden kann. Es Was ist „Cyberwar“? Für den Laien ist es diffizil, sich eine Meinung über die Gefahrenlage zu bilden, da sich reißerische Übertreibungen der öffentlichen bleibt dem User überlassen, inwieweit er Das Konzept der Arbeit, in die auch Grafiken Medien und komplexe technische Berichte der IT-Experten gegenüberstehen Mit einer interaktiven Internetplattform die einzelnen Themen inhaltlich vertiefen und Interviews integriert sind lassen sich die genannten Ziele hervorragend möchte. umsetzen. Die Hemmschwelle, sich mit die- sem abstrakten Thema zu befassen, ist hier Ich bin davon überzeugt, dass die militäri- deutlich geringer als bei umfassenden Buch- sche Nutzung von Cyber-Attacken das poli- ZERO DAY veröffentlichungen. Eine interaktive User- tische Weltbild der Zukunft verändern wird. Führung erlaubt es dem Benutzer, je nach Das große finanzielle Engagement der Militär- Vorkenntnis und Interesse, zu unterschied- apparate für defensive wie auch offensive lichen Vertiefungsgraden der Informationen Cyber-Strategien ist ein Beleg für deren From Coldwar to Codewar vorzudringen. Und schließlich erfordert die Bedeutung. Wir sollten diese Debatte nicht hoch dynamische Entwicklung des Themen- den Militärs und Fachexperten überlassen. TEXT UND FOTOS: JANA KOCHER komplexes ein schnelles und aktuelles Kom- Ich hoffe, dass meine Internetplattform dazu munikationsmedium. beiträgt, dass sich mehr Menschen diese Cyberwar ist längst kein fiktives Im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeit „Zero Neue Gefahrenlage Veränderung bewusst machen und sich dafür „Science-Fiction-Szenario“ mehr. Die Day“ hat Jana Kocher eine interaktive Durch die zunehmende Anzahl an Cyber- Verwundbarkeit der Systeme einsetzen, dass die Politik und die Wirtschaft Bedrohung ist aktueller denn je zuvor. Website zum Thema Cyberwar entwi- angriffen, ausgeführt durch Hacker aus Die inhaltliche Konzeption habe ich streng geeignete Gegenmaßnahmen ergreift. Die interaktive Userführung der Website Erst im Mai diesen Jahres kam es zum ckelt, die zur Aufklärung beitragen soll. aller Welt, wird der Begriff „Cyberwar“ von an den Anforderungen meiner Zielgruppe erlaubt unterschiedliche Vertiefungsgrade größten Hackerangriff der Geschichte. Neben Texten, Grafiken und einer inter- Medien und IT-Experten immer häufiger ausgerichtet. Ausgangspunkt waren typische „Wir müssen jetzt nicht überreagieren. Aber Zehntausende Windows-Computer welt- aktiven Weltkarte finden sich dort auch als reale Gefahr verstanden. Dabei wird in Fragestellungen aus der Zielgruppe. Inhalt- wir sollten reagieren. Sachgemäß. Angemes- weit wurden von einem Erpressungstro- Video-Interviews mit ausgewiesenen den Medien der Begriff „Cyberwar“ zumeist lich ließen sich diese alle zu vier Hauptfrage- sen. Und bald.“ – Sandro Gaycken, 2013. janer namens „Wanny Cry“ infiziert. Die Experten, die Auskunft über Gefähr- unkritisch für jede Art von Cyberangriff blöcken ordnen: Auswirkungen waren enorm. Betroffen dungspotenziale geben. verwendet, wohingegen die Experten von Für die Realisierung der Website werden zur waren der Logistiker FedEx in den USA, Cyberwar reden, wenn staatliche Akteure Cyberwar – was ist das eigentlich? Zeit noch Fördermittel gesucht. das britische Gesundheitssystem sowie Im Herbst 2016 wurde die Arbeit, die beteiligt sind. Tatsächlich bereiten sich die Bin ich überhaupt betroffen? Ich nutze das alle Krankenhäuser. In Deutschland war im Studiengang Kommunikationsdesign Militärs vieler Staaten mit defensiven und Internet doch kaum. die Bahn betroffen, Anzeigetafeln blieben entstanden ist, mit dem Preis des Hoch- offensiven Strategien auf diese neue virtuelle Ist das nicht alles Science-Fiction? leer, Ticketautomaten waren lahmgelegt. schulrats ausgezeichnet. Gefahrenlage vor. Welches Land ist am stärksten gefährdet? 18 FORUM 1/2.17 FORUM 1/2.17 19
AUS DEN FACHBEREICHEN AUS DEN FACHBEREICHEN Professorinnen haben in den zurückliegenden Jahren gemeinsam mit der Direktorin des Gutenberg-Museums, Dr. Annette Lud- wig, nach intensiven Recherchen und dem glücklichen Fund verschollener Dokumente entscheidende Forschungslücken schließen können. Bis zum frühen Abend folgten neun weitere Vorträge von internationalen Theoretikerinnen und Theoretikern, Designerinnen und Designern. Ihre jeweiligen Ehrungen zum 90. Geburtstag der Schrift Futura fallen in den insgesamt 10 Redebeiträgen so vielseitig aus wie der Einsatz der Schrift selbst. I love Futura Mit ihren Recherchen zur Futura haben Prof. Dr. Isabel Naegele (links) Aus Barcelona war der Grafikdesigner Pere und Prof. Dr. Petra Eisele Forschungslücken geschlossen Alvaro von der Agentur Bisdixit angereist. Seine Leidenschaft für die Futura bezeuge bereits sein Artikel in der Publikation „I love Futura“, wies er das Publikum gleich zu Beginn seines Vortrags mit dem wort- spielerischen Titel „FUTURA IS NOW“ hin, um dann den entscheidenden Grund für Futura – eine Schrift, die Weltkarriere gemacht und sogar auf dem Mond ihre Spuren hinterlassen hat grafische Qualität dieser Schrift ausgerech- net im Rückgriff auf geometrische Formen der römischen Letter zu finden. Die Konzen- HAPPY BIRTHDAY FUTURA tration auf diese klaren, geometrischen Formen ermögliche gerade für Leitsysteme auf Flughäfen, aber auch auf Plakaten eine ideale Lesbarkeit. Während Alvaro in seinem Tribute to a Typerface – translations 5 Symposium Vortrag außerdem noch die Einfachheit, die Wirtschaftlichkeit, den starken Charakter TEXT: KAREN KNOLL FOTOS: VIKTOR HÜBNER und die Einzigartigkeit der Futura betonte, kritisierten André Gröger und Susanne „Futura is now“ – so lautete das Credo des Grafikdesigners Pere Alvaro Alles war in Silber und Pastell getaucht. buchstäblichen „Aufstieg“ erfuhr die Bereits am Vorabend wurde im Foyer der Kehrer von der Agentur I LIKE BIRDS in aus Barcelona Die Konferenz zur Hommage an die Schrift Schrift mit der ersten Mondlandung Hochschule die Ausstellung „Tribute to Hamburg an der Futura gerade die daraus Futura zitierte sowohl in ihrem Erschei- 1969: Die Astronauten der Apollo 11 hin- Paul“ von der Fachrichtungsleiterin Prof. Dr. resultierende Beliebigkeit. Die Eigenschaft nungsbild als auch mit ihrer Kulisse die terließen auf dem Mond eine Plakette, Petra Eisele und Wolfgang Hartmann (Bauer der Futura, anpassungsfähig zu sein, mache Pastelltöne und das futuristisch-metalli- auf der eine in Futura gesetzte Botschaft Types, Barcelona) eröffnet; zudem wurde die sie eben auch wenig individuell. So würde die sche Silber der zwanziger und beginnen- über die friedliche Absicht ihrer Mission gleichnamige Publikation mit 22 visuellen Futura immer dann verwendet, wenn sonst den dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. informierte. Statements international bekannter Design- nichts mehr gehe und man den Einsatz einer Studios und Designer vorgestellt. anderen Schrift nicht wagen wolle. Damit Entworfen wurde diese berühmteste Die Schrift der Moderne habe sie in ihren Augen eben keine starke deutsche Groteskschrift ab 1924 von Die Futura war die Schrift der Moderne. Kolleginnen, Kollegen, Studierende und Identität. dem Münchner Maler und Buchgestalter Welche Innovationskraft von ihr in ihrer Schriftinteressierte aus dem gesamten Paul Renner; 1927 von der Bauer'schen Entstehungszeit, aber auch weit darüber hin- Bundesgebiet sowie dem Ausland waren an- Renner und Tschichold Giesserei in Frankfurt veröffentlicht, aus ausging und wie zeitgenössische Grafik- gereist und füllten die Aula der Hochschule Dem konträren subjektiven Empfinden der wurde die Futura schnell ein Welterfolg. und Type-Designer heute mit ihr umgehen, Mainz bis auf den letzten Platz. Prof. Dr. Petra Grafiker setzte der in Reading lehrende Mit ihr avancierte ihr Urheber zu einem war Thema des Symposiums „FUTURA – Eisele und Prof. Dr. Isabel Naegele eröffneten Schriftdesigner und Designhistoriker Chris- der bekanntesten Schriftgestalter seiner Tribute to a Typeface“, das in Kooperation die Konferenz mit einer Einführung, in der topher Burke mit seinem Vortrag „Paul Zeit. Ende der 1960er machte die Futura des Instituts Designlabor Gutenberg der sie die Ergebnisse ihres Forschungsprojekts Renner – the man behind Futura“ einen mit Stanley Kubrick sogar Filmkarriere, Hochschule Mainz mit dem Gutenberg- zur Futura vom Entwurfsprozess der einzelnen gelungenen Einblick in das Leben und Werk als sie der amerikanische Regisseur für Museum am 4. November 2016 im Rahmen Lettern bis hin zur sukzessiven Publikation der des Typographen entgegen. Die Zuhörer er- Die Konzentration auf klare, geometrische Formen trägt zur hervorragenden seine Filmplakate wählte. Ihren ganz der Reihe „translations“ stattfand. ganzen Schriftfamilie vorstellten – die beiden fuhren, wie detailbesessen Renner gearbeitet Lesbarkeit der Futura bei 20 FORUM 1/2.17 FORUM 1/2.17 21
AUS DEN FACHBEREICHEN AUS DEN FACHBEREICHEN hat. Seine 1917 verfassten typographischen Regeln stießen sogar bei den Druckereien zunächst auf Unverständnis. Besonderes Augenmerk richtete Burke auf das als ambi- valent zu beschreibende Arbeitsverhältnis zwischen Renner und seinem jüngeren Kollegen Jan Tschichold. Tschichold, von Renner an die Meisterschule für Deutsch- lands Buchdrucker geholt, arbeitete unter dem Eindruck der Formensprache des Bau- hauses an der Gestaltung einer zeitgemäßen, serifenlosen Schrift für die Industriegesell- schaft. Dabei begriff er die Futura durchaus als richtungsweisend. Als er jedoch schließ- lich seine Interpretation einer serifenlosen Grotesk, die seinem Ideal einer modernen Schrift entsprach, an eine französische Stefanie Barth und Carina Frey, die Herausgeberinnen des französischen Schriftgießerei sandte, musste er erfahren: Magazins „double“, nutzen die Futura als Corporate Schrift Die „Zukünftige“ war schon da! Nur kurz zuvor war die Futura in Frankreich unter Vertrag genommen worden. Der Beitrag der international arbeitenden Art-Direktorinnen Stefanie Barth und Carina Frey „An example of image and typography – double magazine and other projects in fashion and design“ katapultierte Die Innovationskraft der Futura und die Frage, wie zeitgenössische Grafik- und Type-Designer heute mit ihr umgehen, war Thema des Symposiums die Zuhörer und Zuhörerinnen aus der Ge- schichte in eine glamouröse Gegenwart der Futura. Als Herausgeberinnen des französi- begründete die Designerin mit dem prägen- grafischen Büros der Stadt Frankfurt tätig zeitgemäße 7/24-Fortsetzung? Und so konnte schen Lifestyle-Magazins „double“ nutzen den Einfluss der Schrift in den 1920er Jahren und damit für das neue Corporate Design man parallel zur Laufzeit der Ausstellung sie die Futura als Corporate Schrift und kom- im Kontext des „Neuen Frankfurt“, aber der Stadt verantwortlich war. Zusammen mit „FUTURA. DIE SCHRIFT.“ im Gutenberg- binieren ihre strengen, geometrischen For- auch mit dem aktuellen Erscheinungsbild seiner jüngeren Schwester Grete, einer Foto- Museum auf der partizipativen Bildplattform men mit Serifenschriften und hochwertigen der Stadt Frankfurt, das bis heute die Futura grafin, konzipierte und gestaltete Leistikow „type-trap“ Futura-Fundstücke hochladen. Magazinfotografien, um so ein experimen- als Hausschrift verwendet. Eine bedeutungs- die Zeitschrift „Das Neue Frankfurt“, eine Konzipiert und realisiert haben die Social telles Editorial Design zu entwickeln. volle Schrift also, die für ein Stadtmuseum, Publikation, die in ihrem klaren, luftigen Media-Plattform die Absolventen des Master- das die Geschichte der Stadt spiegele, ideal Auftritt die gestalterische Position der Futura studiengangs Gutenberg Intermedia Sarah Das Neue Frankfurt sei, resümierte die Grafikdesignerin. aufnahm und einer größeren Öffentlichkeit Schmidt und Christian Weber. Bis Redakti- Der niederländische Designer Albert-Jan Pool verfolgte die Spuren des Für den Typedesigner Jakob Runge aus zugänglich machte. onsschluss verzeichnete die Plattform 2000 „grotesken einäugigen a“ bis in die Römerzeit München wiederum ist die Futura eine Der Futura im Kontext des Modernisierungs- Spots weltweit und wurde mittlerweile mit wichtige Basis für die Entwicklung seiner und Gestaltungsprojekts „Das Neue Frank- Am Ende des Symposiums zeigte der nieder- dem Designpreis Rheinland-Pfalz 2016 aus- eigenen Schriften, u. a. der Schrift „Lenbach furt“ widmete sich dann ausführlich Dr. ländische Designer Albert-Jan Pool in seinem gezeichnet. Die erfolgreiche Weltreise der Grotesk“, die er, wie der Name verrät, für Klaus Klemp, Kurator für Design am Mu- epischen Vortrag eindrucksvoll, dass sich die Futura geht also auch auf digitaler Ebene das Erscheinungsbild der Städtischen Galerie seum Angewandte Kunst in Frankfurt und Spuren des „grotesken einäugigen a“ bis in weiter. in München, das Lenbachhaus, entworfen Professor für Designtheorie und -geschichte die Römerzeit 400 v. Chr. zurückverfolgen hat. Auch im Vortrag von Nicole Ammon an der HfG Offenbach. Klemp legte in lassen. Doch dieses so gestaltete „a“ mochte Mehrfach ausgezeichnet wurde auch die 520 vom Frankfurter Designbüro Gardeners seinem Vortrag „Hans Leistikow und der noch so häufig wiederholt die Alphabete der Seiten starke Publikation „FUTURA. DIE zeigte sich, was sich bereits bei Pere Alvaro Versuch eines Corporate Design für das Geschichte durchstreifen, erst die „Kooperati- SCHRIFT.“ (Gestaltung: Isabel Naegele und andeutete, dass die Futura eine Schrift ist, Neue Frankfurt“ nicht nur die zahlreichen on“ mit der Futura machte aus ihm das mar- Stephanie Kaplan), die begleitend zur gleich- die gerne für und von Kulturinstitutionen Verbindungen der Schrift mit dem Stadt- kante, bewunderte, doppelstöckige „a“. Aha! namigen Ausstellung im Gutenberg-Museum verwendet wird, ob als Original oder in bild Frankfurts dar, sondern berichtete in erschienen ist. Der Type Directors Club New Formvariationen. So greift das Designbüro seinem kurzweiligen Vortrag auch von den Die Weltreise geht weiter York prämierte das Werk mit dem „Certifi- beim typographischen Gesamtkonzept für zwischenmenschlichen Beziehungen des Die Konferenz endete am frühen Abend. cate of Typographic Excellence“. Beim Eu- den Neubau des Historischen Museums illustren gesellschaftlichen Umfeldes um Doch was wäre eine Auseinandersetzung mit ropean Design Award 2017 in Porto wurde Frankfurt auf die Futura und frühe Alternate- den Architekten Hans Leistikow, der unter einer Schrift, die vor 90 Jahren ganz visionär das Buch in der Katagorie „Publications” mit Formen der Kleinbuchstaben zurück. Dies dem Stadtbaurat Ernst May als Leiter des war, ohne die unter heutigen Bedingungen „Gold” ausgezeichnet. 22 FORUM 1/2.17 FORUM 1/2.17 23
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