Akzeptanz der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Medizinische Fachangestellte
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MEDIZIN Originalarbeit Akzeptanz der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Medizinische Fachangestellte Ergebnisse einer repräsentativen Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Charline Jedro, Christine Holmberg, Florian Tille, Jonas Widmann, Alice Schneider, Judith Stumm, Susanne Döpfmer, Adelheid Kuhlmey, Susanne Schnitzer D ie Übertragung ärztlicher Tätigkeiten (ÜT) an Zusammenfassung nichtärztliches Personal aus verschiedenen an- deren spezialisierten Berufsgruppen ist im an- Hintergrund: Die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten (ÜT) an Medizinische Fachan- gelsächsischen oder skandinavischen Raum gängige gestellte (MFA) ist eine Option, um in Deutschland trotz des zunehmenden Ärzte- Praxis (1, 2). In Deutschland werden bisher lediglich mangels eine adäquate Versorgung sicherzustellen. Ziel dieser Studie war es, die eng definierte ärztliche Aufgaben überwiegend an Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Medizinische Fachangestellte (MFA) delegiert MFA zu untersuchen. (eKasten) (3, 4). Obwohl das Konzept der Übertra- Methode: Anhand eines deutschlandweiten, repräsentativen Telefonsurveys wurden gung bestimmter ärztlicher Tätigkeiten bereits seit 6 105 Personen ab 18 Jahren nach ihrer Bereitschaft befragt, sich in der Arztpraxis 1975 existiert (5), wurden Voraussetzungen und dele- von einer speziell dafür ausgebildeten MFA versorgen zu lassen. Die Ergebnisse gationsfähige Leistungen erst 2013 definiert (6). Die wurden bivariat (Χ²-Test, Mann-Whitney-U-Test) und multivariabel (logistische Re- Delegation setzt die Aufsicht des weisungsbefugten gression) auf Zusammenhänge mit soziodemografischen Merkmalen überprüft. Arztes voraus. Er hat eine Auswahl-, Anleitungs- und Überwachungspflicht (5). Die Verantwortung bleibt Ergebnis: Bei einer kleineren Erkrankung wären 67,2 % der Befragten mit einer ÜT vollständig bei ihm. an MFA einverstanden, bei einer chronischen Erkrankung würden 51,8 % die ÜT an Die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an MFA MFA akzeptieren. Eine ablehnende Haltung war insbesondere mit einem hohen Al- gilt als eine praktikable Lösungsstrategie, um den ter, dem Wohnsitz in der Region Westdeutschland und einer nichtdeutschen Staats- Folgen des demografischen Wandels sowie des Ärz- angehörigkeit assoziiert. Beispielsweise lehnten Nicht-Deutsche im Vergleich zu temangels insbesondere in ländlichen Regionen ent- Deutschen sowohl bei einer kleineren Erkrankung (Odds Ratio [OR]: 2,96; gegenzuwirken. Es sollen damit Strukturen geschaf- 95-%-Konfidenzintervall: [2,28; 3,85]) als auch bei einer chronischen Erkrankung (OR: 1,61; [1,24; 2,10]) die ÜT an MFA häufiger ab. fen werden, die es ermöglichen, die Versorgungsqua- lität beizubehalten und gleichzeitig die Ärzte zu ent- Schlussfolgerung: Es sind weitere Studien nötig, in denen die Motive für die Ableh- lasten (2, 7, 8). nung einer ÜT an MFA untersucht werden, um die Erfolgschancen einer deutsch- In den letzten Jahren gab es in Deutschland ver- landweiten Einführung eines einheitlichen Delegationsmodells abschätzen und die- schiedene Weiterbildungsmodelle für MFA, die sie zu ses erfolgreich umsetzen zu können. einer Übernahme von delegationsfähigen Tätigkeiten speziell qualifizieren und zur Ausübung spezifischer Zitierweise Tätigkeiten befähigen (7, 9). Bei der Evaluation die- Jedro C, Holmberg C, Tille F, et al.: The acceptability of task-shifting from doctors ser Projekte wurde die Sicht der beteiligten Ärzte, der to allied health professionals—results from a representative telephone survey MFA und der Patienten auf die angebotene Delegati- of members of the National Association of Statutory Health Insurance Physicians. on untersucht (7, 9–18). Insgesamt zeigen die Ergeb- Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 583–90. DOI: 10.3238/arztebl.2020.0583 nisse eine hohe Akzeptanz aller Beteiligten (15, 18, 19). Über die Einstellung der Allgemeinbevölkerung, unabhängig von bereits gemachten Erfahrungen, ist dagegegen kaum etwas bekannt. Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Für Deutschland liegen derzeit Ergebnisse aus Berlin: M.Sc.PH Charline Jedro, Dr. rer. medic. Florian Tille, B.Sc. Jonas Widmann, Prof. Dr. phil. zwei Befragungen vor: Die rein deskriptive Untersu- Adelheid Kuhlmey, PD Dr. rer. medic. Susanne Schnitzer chung von Höppner auf Grundlage einer bevölke- Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Brandenburg an der Havel: Prof. Dr. phil. Christine Holmberg rungsrepräsentativen Befragung aus 2007 zeigt, dass Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Berlin: Dr. rer. medic. Florian Tille rund die Hälfte der Befragten bereit war, bei leichten Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft, Forschergruppe Erkrankungen (beispielsweise bei Erkältungen, Ma- Molekulare Epidemiologie, Berlin: B.Sc. Jonas Widmann gen-Darm-Problemen oder Kopfschmerzen) eine Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Biometrie, Berlin: Dipl.-Biomath. Alice Schneider speziell weitergebildete Fachkraft anstelle des Arztes Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin: MPH Judith Stumm, aufzusuchen (20). Daten eines bundesweiten Surveys Dr. med. Susanne Döpfmer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020 583
MEDIZIN TABELLE 1 re, kann erst durch nähere Erkenntnisse zur Akzep- tanz der Bevölkerung gegenüber der ÜT abgeschätzt Soziodemografische Basisdaten werden. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, diesen n % Aspekt anhand der folgenden spezifischen Fragestel- lungen zu untersuchen: gesamt 6 105 ● Welche Bevölkerungsgruppen lehnen eine ÜT an Geschlecht MFA im Falle einer kleineren Erkrankung ab? männlich 2 875 47,1 weiblich 3 230 52,9 ● Welche Bevölkerungsgruppen lehnen eine ÜT an MFA im Falle einer chronischen Erkrankung ab? Altersgruppe 18–34 Jahre 1 178 19,3 35–49 Jahre 1 477 24,2 Methode 50–64 Jahre 1 637 26,8 Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde die 65–80+ Jahre 1 812 29,7 deutschsprachige Wohnbevölkerung ab einem Alter Bildungsstatus (höchster Abschluss) von 18 Jahren im Zeitraum vom 15. 5. bis 27. 6. 2017 Haupt-/Realschulabschluss 4 008 65,6 Abitur/(Fach-) Hochschulreife 863 14,1 telefonisch interviewt. Die gewichtete Stichprobe ist Universität/Fachhochschule 1 111 18,2 repräsentativ für diese Gruppe und umfasst 6 105 Per- sonen (Tabelle 1). Für die ebenfalls befragte Gruppe Erwerbsstatus Vollzeit 2 395 39,2 der deutschsprachigen Personen mit einer nichtdeut- Teilzeit/Kurzarbeit 898 14,7 schen Staatsangehörigkeit ist die Repräsentativität in Ausbildung 269 4,4 eingeschränkt (eMethodenteil). Die Studienteilnehmer Rente 1 999 32,7 arbeitslos 106 1,7 wurden gefragt, ob sie bereit wären, sich zum einen nicht erwerbstätig/Zivildienst/Mutterschutz 352 5,8 bei einer kleineren und zum anderen bei einer chroni- Region schen Erkrankung in der Arztpraxis von einer speziell Westdeutschland (inklusive Berlin West) 5 036 82,5 dafür ausgebildeten MFA versorgen zu lassen, auch Ostdeutschland (inklusive Berlin Ost) 1 069 17,5 ohne dass es dabei zu einem Arzt-Patienten-Kontakt Staatsangehörigkeit kommt (eMethodenteil). deutsch 5 814 95,2 andere 291 4,8 Ergebnisse Gemeindegröße Bereitschaft für eine Versorgung durch MFA ländlich (< 5 000 Einwohner) 1 787 29,3 Kleinstadt (< 20 000 Einwohner) 1 263 20,7 bei kleineren Erkrankungen Mittelstadt (< 100 000 Einwohner) 1 177 19,3 Zwei Drittel der Befragten (67,2 %; 95-%-Konfidenz- Großstadt (>100 000 Einwohner) 1 381 22,6 intervall [66,02; 68,38]) wären bereit, sich von einer chronische Erkrankung MFA bei kleineren Erkrankungen versorgen zu lassen, ja 3 015 49,4 27 % wären nicht einverstanden und 1,5 % gaben an, nein 3 040 49,8 bereits Erfahrungen mit der Versorgung durch eine subjektiver Gesundheitszustand MFA gemacht zu haben (21). In den bivariaten Analy- ausgezeichnet 848 13,9 sehr gut 1 355 22,2 sen waren die Geschlechtszugehörigkeit, das Alter, gut 2 607 42,7 der Bildungsstand, der Erwerbsstatus, die Region, die weniger gut 959 15,7 Staatsangehörigkeit und der subjektive Gesundheits- schlecht 281 4,6 zustand signifikant mit der Bereitschaft für eine Ver- Krankenversicherung sorgung durch eine MFA assoziiert (Grafik 1). So gesetzlich 5 266 86,3 privat 772 12,6 lehnten beispielsweise Personen ohne deutsche Staats- keine Krankenversicherung 8 0,1 bürgerschaft (im Folgenden kurz „Nicht-Deutsche“ sonstige 33 0,5 genannt) im Vergleich zu deutschen Staatsbürgern die ÜT nahezu doppelt so häufig ab. Ältere Befragte ab 65 Differenz der Summen zu 6 105 = keine Angabe Jahren waren im Vergleich zu den 18–34-Jährigen sig- nifikant häufiger nicht bereit, die ÜT an MFA zu ak- zeptieren (Grafik 1). Multivariabel überprüft konnten folgende Zusam- 2017 sprechen für eine größere Bereitschaft, sich bei menhänge bestätigt werden: Nicht-Deutsche (Odds kleineren Erkrankungen von einer MFA versorgen zu Ratio [OR]: 2,96; [2,28; 3,85]), über 65-Jährige (OR: lassen, als bei chronischen Erkrankungen (21). In der 1,87; [1,37; 2,55]), Frauen (OR 1,53; [1,34; 1,74]), in KBV-Befragung wurde hierbei erstmals explizit er- Westdeutschland lebende (OR: 1,26; [1,07; 1,48]) und fragt, ob die ÜT an eine speziell geschulte MFA, oh- Personen mit einem subjektiv schlechten Gesund- ne direkten Kontakt mit dem Arzt, akzeptiert werden heitszustand (OR: 1,37; [1,16; 1,63]) lehnten die ÜT würde. Bisher liegen die Ergebnisse des KBV-Sur- häufiger ab als Personen der jeweiligen Referenzgrup- veys nur in deskriptiver Form und ohne Einbettung in pe, wie sie in Tabelle 2 definiert wird. Die bildungs- die Studienlage vor (21). Inwieweit eine Ausweitung spezifischen Zusammenhänge sowie die Assoziation beziehungsweise flächendeckende Einführung von mit dem Erwerbsstatus waren in den multivariablen Delegationsmodellen in Deutschland erfolgreich wä- Analysen nicht mehr vorhanden. 584 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020
GRAFIK 1 Geschlecht Alter/Jahre Bildung Erwerbsstatus Region Nationalität Gemeindegröße chronische subjektive Kranken- Erkrankung Gesundheit versicherung (p < 0,001) (p < 0,001) (p = 0,003) (p < 0,001) (p = 0,005) (p < 0,001) (p = 0,183) (p = 0,190) (p < 0,001) (p = 0,512) 60 51,1 50 31,1 40 33,2 33,8 33,0 32,4 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020 31,5 27,9 29,3 28,6 28,7 29,5 28,4 29,2 28,8 28,7 29,0 26,8 28,1 26,1 27,0 25,9 27,3 30 24,3 24,6 24,5 24,5 Prozent 22,8 19,6 20,9 20 10 0 Mä Fra 18 35 50 65 Ha Ab Un Vo Te Au Re arb nic We Os De an ja ne se gu sc ge nn ue –3 –4 –6 + up itu ive llze ilze sb nte ei ht st t in hr t hle se priva er n 4 9 4 t-/R r/F rs i t i t ild tsl er uts der ch e 00 20 0 100 100 0 gu ch tzl t un os we 00 00 00 0 0 t t i ch ea ach ität/ lsc ho Fa g r bs hu chs chh tät le ch oc ig ulr hs eif ch e ule Nicht bereit, sich bei kleineren Erkrankungen von einer Medizinischen Fachangestellten (MFA) versorgen zu lassen in % (Fehlerbalken zeigen 95-%-Konfidenzintervalle) 585 MEDIZIN
MEDIZIN Bereitschaft für eine Versorgung durch MFA Ein Vergleich der Studie von Höppner mit Daten aus bei chronischen Erkrankungen 2007 und der vorliegenden Befragung aus 2017 zeigt, Bei einer chronischen Erkrankung wären 51,8 % dass sich der Anteil der Befürworter einer ÜT an nicht- [50,55; 53,05] der Befragten bereit und 38,7 % nicht medizinisches Personal im Zeitverlauf von zehn Jahren bereit, einer ÜT an MFA zuzustimmen. Der Anteil der deutlich erhöht hat. Während in der Studie von Höpp- Befragten, die angaben, sich bereits bei ihrer chroni- ner 51 % der Befragten bereit waren, bei kleineren Er- schen Erkrankung von einer MFA versorgen zu lassen, krankungen speziell weitergebildete MFA anstelle ei- lag bei 1,3 % (21). Die bivariate Betrachtung der sozio- nes Arztes aufzusuchen, waren es in der vorliegenden demografischen Charakteristika ergab, dass folgende Untersuchung bereits 67 %. Bei chronischen Erkran- Faktoren signifikant mit der Akzeptanz einer ÜT an kungen hat sich der Anteil der Befürworter einer ÜT an MFA assoziiert waren (Grafik 2): MFA mehr als verdoppelt: 2007 konnten sich 20 % der ● Geschlechtszugehörigkeit Befragten die Versorgung durch speziell weitergebilde- ● Alter te MFA im Falle einer chronischen Erkrankung vorstel- ● Bildungsabschluss len (20), im KBV-Survey von 2017 waren es bereits ● Erwerbsstatus 52 %. ● Region In der Studie von Höppner waren Männer gegenüber ● Staatsangehörigkeit der ÜT an MFA kritischer eingestellt als Frauen, wo- ● subjektive Gesundheitszustand hingegen im KBV-Survey mehr Frauen als Männer die ● chronische Erkrankung. ÜT ablehnten. Die Frage, ob sich diese Ergebnisse auf Ähnlich wie bei der Frage nach der ÜT bei kleineren eine veränderte Einstellung zwischen den Geschlech- Erkrankungen waren auch hier die Älteren kritischer tern oder auf methodische Differenzen (Telefonsurvey als die Jüngeren, und Nicht-Deutsche lehnten die Aus- versus schriftliche Befragung; bi- und multivariable übung ärztlicher Tätigkeiten durch eine MFA häufiger versus deskriptive Analysen) zurückführen lässt, kann ab als Deutsche. Formal niedrig Gebildete (Haupt- oder an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Eine frühere Realschulabschluss) waren häufiger kritisch gegenüber eigene Studie zu den am häufigsten hervorgebrachten einer ÜT an MFA eingestellt als formal höher Gebilde- Beschwerden von Patienten im deutschen Gesundheits- te. Unter den Befragten, die bereits eine chronische Er- system zeigt jedoch, dass Frauen verschiedene Aspekte krankung hatten, fand sich häufiger eine ablehnende der Gesundheitsversorgung kritischer bewerten als Haltung gegenüber der ÜT an MFA (Grafik 2). Der Zu- Männer. Anhand einer quantitativen Inhaltsanalyse sammenhang zwischen der Akzeptanz einer ÜT an wurden hier 13 505 Beschwerdebriefe untersucht, die MFA und Alter, Staatsangehörigkeit, Region und Bil- im Zeitraum von 2004–2007 an die Patientenbeauftrag- dungsstatus blieb auch nach multivariabler Prüfung be- te der Bundesregierung gerichtet worden waren. Die stehen. Personen, die über 65 Jahre alt waren (OR: Resultate veranschaulichen, dass Frauen einzelne Be- 1,64; [1,24; 2,18]), nichtdeutsche Befragte (OR: 1,61; reiche der gesundheitlichen Versorgung, wie die Ver- [1,24; 2,10]), in Westdeutschland Lebende (OR: 1,21; ordnung von medizinischen Leistungen oder die Bezie- [1,04; 1,40)]) und formal niedrig Gebildete (OR: 1,20; hung zum Arzt, signifikant häufiger kritisieren als [1,04; 1,39]) lehnten die ÜT an MFA im Vergleich zur Männer (25). Analog der Studie Höppners waren auch jeweiligen Referenzgruppe signifikant häufiger ab (Ta- in der vorliegenden Untersuchung formal niedrig gebil- belle 2). dete Gruppen (Haupt- oder Realschulabschluss) gegen- über der ÜT an MFA kritischer eingestellt als formal Diskussion höher gebildete Gruppen. Nach multivariabler Über- Die Ergebnisse zeigen eine überwiegend positive Sicht prüfung lehnten formal niedrig Gebildete die ÜT an der Bevölkerung auf die ÜT an MFA. Zwei Drittel der MFA jedoch nur noch im Fall einer chronischen Er- Befragten würden sich bei kleineren und etwas mehr krankung signifikant häufiger ab als formal höher Ge- als die Hälfte bei chronischen Erkrankungen von einer bildete. Die Akzeptanz einer ÜT an MFA im Fall einer MFA versorgen lassen, ohne dass es dabei zu einem kleineren Erkrankung war hingegen nicht mehr signifi- Arzt-Patienten-Kontakt kommt. Diese Resultate lassen kant mit dem Bildungsstand assoziiert. sich nur schwer mit internationalen Studien verglei- Die weiteren stratifizierten Auswertungen der vorlie- chen, da sich das Versorgungs- und Ausbildungssystem genden Arbeit zeigen, dass insbesondere Nicht-Deut- in Deutschland stark von dem anderer Länder unter- sche, in Westdeutschland lebende Menschen und über scheidet. Im angelsächsischen oder skandinavischen 65-Jährige signifikant häufiger die ÜT an MFA ablehn- Raum beispielsweise ist schon seit Jahrzehnten eine ten im Vergleich zur jeweiligen Referenzgruppe. Mög- starke Einbindung nichtärztlicher Gesundheitsberufe in liche Gründe hierfür könnten kultur- und altersabhängi- der medizinischen Versorgung üblich (22, 23). In ge Einstellungen und Präferenzen gegenüber der Arzt- Deutschland wurden bisher – ausgenommen in der Stu- Patienten-Beziehung sein. Verschiedene Studien aus die von Höppner et al. (2008) (20) – nur Personen be- Deutschland fanden eine eher paternalistisch geprägte fragt, die einer ärztlichen Delegation bereits zuge- Sichtweise zum Arzt-Patienten-Verhältnis bei Patienten stimmt hatten (1, 14, 15, 18, 19, 24). Die Studien ver- mit türkischem Migrationshintergrund (26) und bei rus- deutlichen, dass diese Patienten die Delegation über- sischsprachigen Migranten (27, 28). Es ist plausibel, wiegend positiv bewerteten (1, 24). dass die ÜT an nichtärztliche Gesundheitsberufe umso 586 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020
MEDIZIN TABELLE 2 Multivariable Regressionen zur Ablehnung von ÜT an MFA (= nicht bereit, sich von einer MFA versorgen zu lassen) kleinere Erkrankungen chronische Erkrankungen OR 95-%-KI Signifikanz OR 95-%-KI Signifikanz Geschlecht männlich Ref Ref weiblich 1,53 [1,34; 1,74] p < 0,001 1,06 [0,94; 1,19] p = 0,378 Altersgruppe 18–34 Jahre Ref Ref 35–49 Jahre 1,45 [1,18; 1,78] p < 0,001 0,94 [0,78; 1,13] p = 0,501 50–64 Jahre 1,46 [1,18; 1,80] p < 0,001 1,08 [0,89; 1,30] p = 0,433 65–80+ Jahre 1,87 [1,37; 2,55] p < 0,001 1,64 [1,24; 2,18] p = 0,001 Bildungsstatus (höchster Abschluss) Haupt-/Realschulabschluss 1,14 [0,97; 1,34] p = 0,106 1,20 [1,04; 1,39] p = 0,015 Abitur/(Fach-)Hochschulreife 1,01 [0,81; 1,26] p = 0,905 0,86 [0,71; 1,06] p = 0,163 Universitäts-/Fachhochschulabschluss Ref Ref Erwerbsstatus Vollzeit 1,11 [0,84; 1,45] p = 0,466 0,94 [0,73; 1,20] p = 0,617 Teilzeit/Kurzarbeit 1,32 [0,99; 1,75] p = 0,059 0,96 [0,74; 1,26] p = 0,801 in Ausbildung 1,07 [0,70; 1,62] p = 0,763 1,10 [0,77; 1,57] p = 0,599 Rente 1,02 [0,72; 1,45] p = 0,888 0,93 [0,68; 1,29] p = 0,678 arbeitslos 1,26 [0,76; 2,09] p = 0,363 0,84 [0,52; 1,37] p = 0,483 nicht erwerbstätig/Zivildienst/Mutterschutz Ref Ref Region Westdeutschland (inklusive Westberlin) 1,26 [1,07; 1,48] p = 0,005 1,21 [1,04; 1,40] p = 0,011 Ostdeutschland (inklusive Ostberlin) Ref Ref Staatsangehörigkeit deutsch Ref Ref andere 2,96 [2,28; 3,85] p < 0,001 1,61 [1,24; 2,10] p < 0,001 chronische Erkrankung / / / ja 0,98 [0,87; 1,12] p = 0,746 nein Ref subjektiver Gesundheitszustand ausgezeichnet/sehr gut Ref Ref gut 1,15 [1,00; 1,33] p = 0,046 1,10 [0,96; 1,25] p = 0,159 weniger gut/schlecht 1,37 [1,16; 1,63] p < 0,001 1,13 [0,95; 1,33] p = 0,165 KI, Konfidenzintervall; OR, Odds Ratio; Ref, Referenzkategorie; ÜT, Übertragung ärztlicher Tätigkeiten; MFA, Medizinische Fachangestellte kritischer gesehen wird, je stärker das Bild einer tradi- untersucht haben. Hier zeigte sich ebenfalls eine über- tionell-paternalistischen Arzt-Patienten-Beziehung ver- wiegend positive Einstellung der Befragten (32–34). innerlicht ist. Die ablehnende Haltung Älterer gegen- Erfahrungen aus anderen Ländern deuten auf einen über der ÜT an MFA deckt sich mit den Ergebnissen globalen Trend weg von der Delegation einzelner Tä- der Studie von Höppner (20). Auch hier ist als Grund tigkeiten hin zu mehr kooperativer Teamarbeit, der je- eine eher paternalistisch geprägte Arzt-Patienten-Be- doch aufgrund traditioneller Rollenkonzepte, rechtli- ziehung denkbar (29). Ein Erklärungsansatz für die po- cher Rahmenbedingungen und der bestehenden Vergü- sitive Haltung der in Ostdeutschland lebenden Men- tungssysteme in Deutschland derzeit noch aufgehalten schen wäre, dass es in der ehemaligen Deutschen De- wird (35). mokratischen Republik (DDR) seit Anfang der 1950er Hinsichtlich der Frage nach Wirkung und Evidenz Jahre Gemeindeschwestern gab, die weitgehend die Pa- von Delegationsmodellen in der primärärztlichen Ver- tientenversorgung in ländlichen Regionen sicherstell- sorgung weist ein systematisches Review auf positive ten und mithilfe des AGnES-Modellprojektes wieder Effekte in Bezug auf Patientenzufriedenheit sowie Hos- 2005 eingeführt wurden (18, 30, 31). Menschen, die in pitalisierungs- und Mortalitätsraten hin (36). Vor die- der DDR lebten, sind demnach vermutlich mit der De- sem Hintergrund sowie auf Basis unserer hier präsen- legation ärztlicher Tätigkeiten an MFA vertrauter und tierten Ergebnisse erscheint es vielversprechend, künf- die allgemeine Akzeptanz der ÜT an MFA fiel bei ihnen tig die ÜT an MFA voranzutreiben. Denkbar wäre etwa in der vorliegenden Untersuchung daher höher aus. ein bundesweit einheitliches Delegationsmodell zu ent- Während in unserer Studie der Fokus auf die Hal- wickeln, das es erlaubt, die Behandlung von Patienten tung der Allgemeinbevölkerung zur ÜT gerichtet war, mit geringfügigeren Erkrankungen an MFA zu übertra- gibt es auch Studien aus Deutschland, die die Sicht der gen. Die Inhalte der Tätigkeiten könnten in einem inter- Allgemeinmediziner oder der MFA auf die Delegation professionellen Workshop erarbeitet werden, wie er in Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020 587
588 MEDIZIN GRAFIK 2 Geschlecht Alter/Jahre Bildung Erwerbsstatus Region Nationalität Gemeindegröße chronische subjektive Kranken- Erkrankung Gesundheit versicherung (p = 0,035) (p < 0,001) (p = 0,001) (p < 0,001) (p = 0,037) (p = 0,016) (p = 0,668) (p = 0,017) (p < 0,001) (p = 0,837) 60 49,3 51,2 49,5 50 45,9 37,0 41,4 44,6 43,6 43,5 41,8 43,5 39,1 42,8 41,8 42,8 41,0 42,3 40,7 39,7 39,6 39,1 41,8 40,6 40,4 38,7 38,0 37,4 37,6 38,3 40 33,8 30 Prozent 20 10 0 Mä Fra 18 35 50 65 Ha Ab Un Vo Te Au Re arb nic We Os De an ja ne se gu sc ge nn ue –3 –4 –6 + up itu ive llze ilze sb nte ei ht st t in hr t hle se p ri va er n 4 9 4 t-/R r/F rs i t i t ild tsl er uts der ch e 00 20 0 100 100 0 gu ch tzl t un os we 00 00 00 0 0 t t i ch ea ach ität/ lsc ho Fa g r bs hu chs chh tät le ch oc ig ulr hs eif ch e ule Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020 Nicht bereit, sich bei einer chronischen Erkrankung von einer Medizinischen Fachangestellte (MFA) versorgen zu lassen in % (Fehlerbalken zeigen 95-%-Konfidenzintervalle)
MEDIZIN der Studie von Egidi et al. vorgestellt wird. Hier entwi- ckelten Ärzte und MFAs gemeinsam beispielhafte Be- Kernaussagen handlungspfade für vier Beratungsanlässe (grippaler Infekt, Magen-Darm-Infekt, Zeckenbiss, Wunsch nach ● Die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten (ÜT) an Medizinische Fachangestellte (MFA) Rezept), die zuvor bei einer Punktabfrage als „banal“ ist eine Möglichkeit, den Folgen des demografischen Wandels sowie des Ärzteman- klassifiziert wurden (34). gels insbesondere in ländlichen Regionen entgegenzuwirken und Ärztinnen und Ärzte zu entlasten. Limitationen ● Die Akzeptanz der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an MFA durch die Allgemein- Bei der KBV-Versichertenbefragung handelte es sich bevölkerung wurde anhand einer deutschlandweiten repräsentativen Befragung der um eine Querschnittstudie, daher konnten designbe- Kassenärztlichen Bundesvereinigung untersucht. dingt nur aktuelle Einstellungen ermittelt und keine ● Zwei Drittel (67,2 %) der Bevölkerung würden sich bei kleineren Erkrankungen und tiefergehenden Motive beforscht werden. rund die Hälfte (51,8 %) bei chronischen Erkrankungen von einer speziell dafür aus- Eine weitere Einschränkung ist, dass mithilfe die- gebildeten MFA versorgen lassen, ohne dass es dabei zu einem Arzt-Patienten- ser Studie lediglich die generelle Bereitschaft der Be- Kontakt kommt. völkerung gegenüber der ÜT an MFA eruiert, aber nicht näher zwischen der Delegation und Substitution ● Die Akzeptanz der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an MFA hängt insbesondere ärztlicher Leistungen differenziert wurde. Die Fragen mit dem Alter, der Region (Ost-Westdeutschland) und der Staatsangehörigkeit zu- erfassten lediglich, ob die Probanden ihre Zustim- sammen. mung zur Versorgung durch eine MFA ohne weiteren ● In weiteren Studien sollten klinische Effekte, Machbarkeit und Akzeptanz eines De- Arzt-Patienten-Kontakt geben würden. Es wurde legationsmodells untersucht werden, das die Behandlung bei geringfügigen Erkran- nicht geklärt, ob die MFA den Arzt konsultieren, das kungen, wie zum Beispiel bei Erkältungskrankheiten, durch MFA erlaubt. heißt auf seine Weisung handeln, und der Arzt die Aufsicht und Verantwortung behalten würde. Es bleibt deshalb unklar, ob sich die Zustimmung der Befragten zur Versorgung durch eine MFA nur auf den Fall bezieht, dass die letztendliche Aufsicht und Resümee Verantwortung dem Arzt obliegt (Delegation) oder In der Bevölkerung besteht eine hohe Bereitschaft, auch darauf, dass die MFA selbstständig, ohne Auf- einer ÜT an andere nichtärztliche Berufsgruppen zu- sicht und in eigener Verantwortung Patienten behan- zustimmen und sich beispielsweise von MFA versor- delt (Substitution) (5). Zur Klärung diese Frage sind gen zu lassen. Vor diesem Hintergrund erscheint es weitere Studien erforderlich. lohnenswert, ein bundesweit einheitliches Delegati- Die Erhebung wurde telefonisch und grundsätzlich onsmodell zu entwickeln, das es erlaubt, die Behand- nur mit Personen durchgeführt, die über einen Fest- lung von Patienten mit geringfügigeren Erkrankun- netzanschluss verfügen (21, 37). Damit wurden eher gen, wie zum Beispiel Erkältungskrankheiten, an ältere als jüngere Personen erreicht (38). Zudem geht MFA zu übertragen. Ein solches Modell könnte hin- eine telefonische Befragung mit einem hohen Grad an sichtlich Machbarkeit, Akzeptanz und Outcome in ei- Standardisierung einher. Es wurde beispielsweise ner Pilotstudie getestet werden. Dabei empfiehlt es nicht definiert, was unter „kleineren Erkrankungen“ sich, die Resultate der vorliegenden Studie zu be- zu verstehen ist oder welche Tätigkeiten von speziell rücksichtigen. dafür ausgebildeten MFA bei kleineren oder chroni- Insbesondere die Gründe für die ablehnende Hal- schen Erkrankungen in der Arztpraxis ohne Arzt-Pa- tung gegenüber der ÜT an MFA von älteren Befragten, tienten-Kontakt übernommen werden würden. Nicht-Deutschen sowie formal niedrig Gebildeten Eine weitere Limitation besteht darin, dass für die sollten weiter erforscht werden, sodass diese Erkennt- Teilnahme an der KBV-Befragung genügend Deutsch- nisse in die Aus- und Weiterbildung des Gesundheits- kenntnisse erforderlich waren, sodass die Einstellung personals einfließen können. zur ÜT an MFA von Nicht-Deutschen ohne Deutsch- kenntnisse unklar bleibt. Da die vorliegenden Ergebnis- Finanzierung se zeigen, dass vor allem Nicht-Deutsche einer ÜT an Die Arbeit ist Teil des Projekts NAVICARE, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderschwerpunkts MFA kritisch gegenüberstehen, wäre es empfehlens- Strukturaufbau in der Versorgungsforschung (Förderkennzeichen wert, die Erhebungsinstrumente der KBV-Surveys künf- 01GY1601) gefördert wird. tig mehrsprachig und migrationssensibel zu gestalten. Interessenkonflikt In der vorliegenden Studie war es möglich, regio- Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht. nale Analysen anhand der Gemeindegröße und der Ost-West-Zugehörigkeit durchzuführen. Für künftige Manuskriptdaten eingereicht: 24. 9. 2019, revidierte Fassung angenommen: 18. 2. 2020 Studien wäre die Verknüpfung der Daten mit struktu- rellen Kennzahlen, beispielsweise zur Beschäfti- Literatur gungs- oder Arbeitslosenquote, zu überdenken, um ei- 1. Ruggeri M, Drago C, Moramarco V, et al.: New professional roles and patient satisfaction: Evidence from a European survey along three nen regionalen Index generieren (39, 40) und somit clinical pathways. Health Policy 2018; 122: 1078–84. noch aussagekräftigere regionale Ergebnisse erzielen 2. Kleinke S: Delegation ärztlicher Leistungen. J Asthet Chir 2016; 9: zu können. 44–6. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020 589
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Krull B: Delegation ärztlicher Leistungen an nicht ärztliches Personal: ences of Russian speaking migrants in primary care consultations. Möglichkeiten und Grenzen. Dtsch Arztebl 2015; 112: [2]. Dtsch Arztebl 2014; 111: 871–6. 6. Kassenärztliche Bundesvereinigung: Vereinbarung über die Delegati- 29. Kassenärztliche Bundesvereinigung: Versichertenbefragung der Kas- on ärztlicher Leistungen an nicht-ärztliches Personal. Dtsch Arztebl senärztlichen Bundesvereinigung 2013. www.kbv.de/media/sp/ Int 2013; 110: A-1757. KBV_Tabellenband_2013_gesamt.pdf (last accessed on 8 August 7. Mergenthal K, Leifermann M, Beyer M, Gerlach FM, Guthlin C: Dele- 2019). gation hausärztlicher Tätigkeiten an qualifiziertes medizinisches 30. Korzilius H, Rabbata S: Gemeindeschwestern: Geheimwaffe gegen Fachpersonal in Deutschland – eine Übersicht. Gesundheitswesen Überlastung und Unterversorgung. Dtsch Arztebl 2006; 103: 2015; 78: e62–8. A-2926-28. 8. Robert Koch-Institut: Gesundheit in Deutschland. 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MEDIZIN Zusatzmaterial zu: Akzeptanz der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Medizinische Fachangestellte Ergebnisse einer repräsentativen Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Charline Jedro, Christine Holmberg, Florian Tille, Jonas Widmann, Alice Schneider, Judith Stumm, Susanne Döpfmer, Adelheid Kuhlmey, Susanne Schnitzer Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 583–90. DOI: 10.3238/arztebl.2020.0583 eKASTEN Beispielkatalog allgemeiner delegierbarer ärztlicher Tätigkeiten* ● Administrative Tätigkeiten, zum Beipiel – Datenerfassung und Dokumentation von Untersuchungsergebnissen und Therapieerfolgen – Unterstützung des Arztes bei der Erstellung von schriftlichen Mitteilungen und Gutachten ● Anamnesevorbereitung – standardisierte Erhebung der Anamnese ● Aufklärung/Aufklärungsvorbereitung – Unterstützung bei Vermittlung und Erläuterung standardisierter Informati- onsmaterialien ● Früherkennungsleistungen – bei Erwachsenen: Laboratoriumsuntersuchungen (Untersuchung auf Blut im Stuhl) im Rahmen der Krebsfrüherkennungsuntersuchung ● Hausbesuche ● Injektionen – Intramuskulär und subkutan (auch Impfungen) ● Labordiagnostik – Allgemeine Laborleistungen (zum Beispiel Blutzuckermessung) – Technische Aufarbeitung und Beurteilung von Untersuchungsmaterial ● Unterstützende Maßnahmen zur Diagnostik/Überwachung – Blutentnahme (kapillär und venös) – (Langzeit-)Blutdruckmessung – (Langzeit-)EKG – Lungenfunktionstest/Spirografie – Pulsoxymetrie – Blutgasanalysen – Weitere Vitalparameter ● Wundversorgung/Verbandswechsel *Kassenärztliche Bundesvereinigung: Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nicht-ärztliches Personal. Dtsch Arztebl Int 2013; 110: A-1757 / B-549 / C-525. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020 | Zusatzmaterial I
MEDIZIN eMETHODENTEIL Details zum Studiendesign der Versichertenbefragung und zur Methodik der Untersuchung Studiendesign Vertreter der KBV, der Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld Mann- heim (FGW) und des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabili- tationswissenschaft der Charité Berlin entwickelten einen Fragebogen zu unterschiedlichen Themen der ambulanten Gesundheitsversorgung. Zwi- schen dem 15. Mai und dem 27. Juni 2017 wurde die deutschsprachige Wohnbevölkerung in Privathaushalten ab 18 Jahren zu diesen Inhalten telefonisch interviewt. Die Ziehung der Stichprobe erfolgte durch die FGW. Die FGW ist ein Full-Service-Institut für quantitative Umfragen in den Bereichen der Sozial- und Marktforschung (www.forschungsgruppe. de/ueber_die_Forschungsgruppe/FGW_Telefonfeld_GmbH/). Die Interviews der Befragung im Jahr 2017 wurden von 230 Intervie- werinnen und Interviewern durchgeführt. Für die Stichprobe wurde eine regional geschichtete und zweifach gestufte Zufallsauswahl vorgenom- men. Zunächst wurden Haushalte ausgewählt, dann eine Person eines je- den Haushalts. Für die Haushaltsstichprobe in der ersten Auswahlstufe wurden die Telefonnummern aus der Gesamtheit der amtlichen Telefon- bucheinträge zufällig ausgewählt. Um auch die Haushalte zu erfassen, die über einen Festnetzanschluss verfügten, aber nicht im amtlichen Te- lefonbucheingetragen waren, wurden die letzten drei Ziffern der jeweili- gen Telefonnummer per Randomized-Last-Digit-Verfahren durch drei zufällig generierte Endziffern ersetzt. In der zweiten Auswahlstufe wur- de zufällig aus den Mitgliedern jedes Haushalts diejenige Person ausge- wählt, die von allen zur Grundgesamtheit gehörenden Haushaltsmitglie- dern als letzte Geburtstag hatte („last-birthday-Methode“). Um eine möglichst hohe Ausschöpfungsquote zu erreichen, erfolgen bis zu fünf- zehn Versuche an unterschiedlichen Tagen und zu unterschiedlichen Uhr- zeiten, um einen zufällig ausgewählten Haushalt zu kontaktieren. Die Stichprobe wurde gewichtet. Zunächst wurden die designbeding- ten Unterschiede (Zahl der Festnetznummern für Telefongespräche im Haushalt, Anzahl der Zielpersonen im Haushalt) in den Auswahlwahr- scheinlichkeiten korrigiert. Damit wird zum einen berücksichtigt, dass Haushalte eine von der Anzahl der Festnetznummern abhängige Chance haben, erreicht zu werden. Zum anderen ist die Chance einer Person, für die Befragung ausgewählt zu werden, abhängig von der Anzahl der Ziel- personen im Haushalt. In einem zweiten Schritt erfolgte eine Korrektur der Ausfälle durch Anpassung der Strukturen der Stichprobe an die Strukturen der Grundgesamtheit. Die entsprechenden Sollverteilungen (Verteilungen in der Grundgesamtheit) für Geschlecht, Alter und Bildung sind der amtlichen Statistik und dem Mikrozensus entnommen. Da für deutschsprachige Ausländer keine amtliche Statistik für Geschlecht, Al- ter und Bildung vorliegt, wurde ihnen das Designgewicht zugewiesen. Die gewichtete Stichprobe ist unter Berücksichtigung der wahrschein- lichkeitstheoretischen Grundlagen repräsentativ für die deutsche Wohn- bevölkerung ab 18 Jahren. Für die ebenfalls befragte Gruppe der deutschsprachigen Ausländer gilt eine eingeschränkte Repräsentativität, weil diese Gruppe als Grundgesamtheit in den amtlichen Statistiken nicht klar abgrenzbar ist. Die Fallzahl beträgt gewichtet und ungewichtet 6 105 Fälle II Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020 | Zusatzmaterial
MEDIZIN Messung der Zielvariablen Die Akzeptanz der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Medizinische Fachangestellte wurde anhand der folgenden zwei Fragen ermittelt: ● 1. „Wären Sie bereit, sich bei kleineren Erkrankungen in der Arztpra- xis von einer speziell dafür ausgebildeten Arzthelferin versorgen zu lassen, auch ohne dass es dabei zu einem Arztkontakt kommt oder wären Sie dazu nicht bereit?“ (Antwortoptionen: wäre dazu bereit, nicht bereit, mache ich bereits, keine Angabe). ● 2. „Und wenn es um die Behandlung einer chronischen Erkrankung in einer Arztpraxis geht, zum Beispiel bei Diabetes, Bluthochdruck oder Asthma, wären Sie dann bereit, sich von einer speziell dafür ausgebildeten Arzthelferin versorgen zu lassen, auch ohne dass es dabei zu einem Arzt- kontakt kommt oder nicht?“ (wäre dazu bereit, nicht bereit, mache ich be- reits, keine Angabe). Für die multivariaten Berechnungen wurden die Ant- wortkategorien jeweils dichotomisiert (0: bereit/mache ich bereits, 1: nicht bereit). Soziodemografische Determinanten Geschlecht, Alter, Bildungsabschluss, Erwerbsstatus, Region, Staatsange- hörigkeit, Gemeindegröße und Art der Krankenversicherung gingen als un- abhängige Variablen in die Analysen ein. Unter der Annahme, dass gesund- heitsbezogene Merkmale die Bereitschaft zur medizinischen Versorgung durch die MFA beeinflussen können, wurden zusätzlich der subjektive Ge- sundheitszustand sowie die Frage nach einer chronischen Erkrankung in die Modelle aufgenommen. Die Operationalisierung (Skalierung) der ein- zelnen Variablen ist in Tabelle 1 der Printausgabe dargestellt. Statistische Analysen Mögliche Gruppenunterschiede zwischen den nominal skalierten Variablen (Geschlecht, Erwerbstätigkeit, Region, Staatsangehörigkeit, chronische Er- krankung) wurden anhand des X²-Tests und zwischen den ordinal skalier- ten Variablen (Alter, Bildung, subjektiver Gesundheitszustand) anhand des Mann-Whitney-U-Tests überprüft. Der Ausschluss fehlender Werte erfolg- te listenweise. Um überprüfen zu können, ob die signifikanten Unterschie- de der bivariaten Gruppenvergleiche auch unter Kontrolle weiterer Merk- male bestehen bleiben, wurden multivariable, binär logistische Analysen angewandt. Die Fragen zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Medizi- nische Fachangestellte bildeten hierbei die abhängigen Variablen, wobei je- weils die Odds Ratios (OR) und 95-%-Konfidenzintervalle (KI) für die ab- lehnende Haltung (nicht bereit) berechnet wurden. Als unabhängige Varia- blen gingen jene soziodemografischen Variablen in die Analysen ein, die sich in den bivariaten Analysen als statistisch signifikant erwiesen. Die sta- tistischen Auswertungen erfolgten mittels SPSS Version 25.0. Das Signifi- kanzniveau wurde auf 5 % festgelegt. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020 | Zusatzmaterial III
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