Akzeptanz der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Medizinische Fachangestellte

 
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MEDIZIN

Originalarbeit

Akzeptanz der Übertragung ärztlicher
Tätigkeiten an Medizinische Fachangestellte
Ergebnisse einer repräsentativen Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Charline Jedro, Christine Holmberg, Florian Tille, Jonas Widmann, Alice Schneider, Judith Stumm,
Susanne Döpfmer, Adelheid Kuhlmey, Susanne Schnitzer

                                                                                                              D
                                                                                                                     ie Übertragung ärztlicher Tätigkeiten (ÜT) an
Zusammenfassung                                                                                                      nichtärztliches Personal aus verschiedenen an-
                                                                                                                     deren spezialisierten Berufsgruppen ist im an-
Hintergrund: Die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten (ÜT) an Medizinische Fachan-
                                                                                                              gelsächsischen oder skandinavischen Raum gängige
gestellte (MFA) ist eine Option, um in Deutschland trotz des zunehmenden Ärzte-
                                                                                                              Praxis (1, 2). In Deutschland werden bisher lediglich
mangels eine adäquate Versorgung sicherzustellen. Ziel dieser Studie war es, die
                                                                                                              eng definierte ärztliche Aufgaben überwiegend an
Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an
                                                                                                              Medizinische Fachangestellte (MFA) delegiert
MFA zu untersuchen.
                                                                                                              (eKasten) (3, 4). Obwohl das Konzept der Übertra-
Methode: Anhand eines deutschlandweiten, repräsentativen Telefonsurveys wurden                                gung bestimmter ärztlicher Tätigkeiten bereits seit
6 105 Personen ab 18 Jahren nach ihrer Bereitschaft befragt, sich in der Arztpraxis                           1975 existiert (5), wurden Voraussetzungen und dele-
von einer speziell dafür ausgebildeten MFA versorgen zu lassen. Die Ergebnisse                                gationsfähige Leistungen erst 2013 definiert (6). Die
wurden bivariat (Χ²-Test, Mann-Whitney-U-Test) und multivariabel (logistische Re-                             Delegation setzt die Aufsicht des weisungsbefugten
gression) auf Zusammenhänge mit soziodemografischen Merkmalen überprüft.                                      Arztes voraus. Er hat eine Auswahl-, Anleitungs- und
                                                                                                              Überwachungspflicht (5). Die Verantwortung bleibt
Ergebnis: Bei einer kleineren Erkrankung wären 67,2 % der Befragten mit einer ÜT
                                                                                                              vollständig bei ihm.
an MFA einverstanden, bei einer chronischen Erkrankung würden 51,8 % die ÜT an
                                                                                                                 Die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an MFA
MFA akzeptieren. Eine ablehnende Haltung war insbesondere mit einem hohen Al-
                                                                                                              gilt als eine praktikable Lösungsstrategie, um den
ter, dem Wohnsitz in der Region Westdeutschland und einer nichtdeutschen Staats-
                                                                                                              Folgen des demografischen Wandels sowie des Ärz-
angehörigkeit assoziiert. Beispielsweise lehnten Nicht-Deutsche im Vergleich zu
                                                                                                              temangels insbesondere in ländlichen Regionen ent-
Deutschen sowohl bei einer kleineren Erkrankung (Odds Ratio [OR]: 2,96;
                                                                                                              gegenzuwirken. Es sollen damit Strukturen geschaf-
95-%-Konfidenzintervall: [2,28; 3,85]) als auch bei einer chronischen Erkrankung
(OR: 1,61; [1,24; 2,10]) die ÜT an MFA häufiger ab.                                                           fen werden, die es ermöglichen, die Versorgungsqua-
                                                                                                              lität beizubehalten und gleichzeitig die Ärzte zu ent-
Schlussfolgerung: Es sind weitere Studien nötig, in denen die Motive für die Ableh-                           lasten (2, 7, 8).
nung einer ÜT an MFA untersucht werden, um die Erfolgschancen einer deutsch-                                     In den letzten Jahren gab es in Deutschland ver-
landweiten Einführung eines einheitlichen Delegationsmodells abschätzen und die-                              schiedene Weiterbildungsmodelle für MFA, die sie zu
ses erfolgreich umsetzen zu können.                                                                           einer Übernahme von delegationsfähigen Tätigkeiten
                                                                                                              speziell qualifizieren und zur Ausübung spezifischer
Zitierweise
                                                                                                              Tätigkeiten befähigen (7, 9). Bei der Evaluation die-
Jedro C, Holmberg C, Tille F, et al.: The acceptability of task-shifting from doctors
                                                                                                              ser Projekte wurde die Sicht der beteiligten Ärzte, der
to allied health professionals—results from a representative telephone survey
                                                                                                              MFA und der Patienten auf die angebotene Delegati-
of members of the National Association of Statutory Health Insurance Physicians.
                                                                                                              on untersucht (7, 9–18). Insgesamt zeigen die Ergeb-
Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 583–90. DOI: 10.3238/arztebl.2020.0583
                                                                                                              nisse eine hohe Akzeptanz aller Beteiligten (15, 18,
                                                                                                              19). Über die Einstellung der Allgemeinbevölkerung,
                                                                                                              unabhängig von bereits gemachten Erfahrungen, ist
                                                                                                              dagegegen kaum etwas bekannt.
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft,      Für Deutschland liegen derzeit Ergebnisse aus
Berlin: M.Sc.PH Charline Jedro, Dr. rer. medic. Florian Tille, B.Sc. Jonas Widmann, Prof. Dr. phil.           zwei Befragungen vor: Die rein deskriptive Untersu-
Adelheid Kuhlmey, PD Dr. rer. medic. Susanne Schnitzer
                                                                                                              chung von Höppner auf Grundlage einer bevölke-
Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie,
Brandenburg an der Havel: Prof. Dr. phil. Christine Holmberg                                                  rungsrepräsentativen Befragung aus 2007 zeigt, dass
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Berlin: Dr. rer. medic. Florian Tille                                rund die Hälfte der Befragten bereit war, bei leichten
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft, Forschergruppe
                                                                                                              Erkrankungen (beispielsweise bei Erkältungen, Ma-
Molekulare Epidemiologie, Berlin: B.Sc. Jonas Widmann                                                         gen-Darm-Problemen oder Kopfschmerzen) eine
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Biometrie, Berlin: Dipl.-Biomath. Alice Schneider          speziell weitergebildete Fachkraft anstelle des Arztes
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin: MPH Judith Stumm,                aufzusuchen (20). Daten eines bundesweiten Surveys
Dr. med. Susanne Döpfmer                                                                                      der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020                                                                                                    583
MEDIZIN

   TABELLE 1                                                                     re, kann erst durch nähere Erkenntnisse zur Akzep-
                                                                                 tanz der Bevölkerung gegenüber der ÜT abgeschätzt
   Soziodemografische Basisdaten                                                 werden. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, diesen
                                                           n         %           Aspekt anhand der folgenden spezifischen Fragestel-
                                                                                 lungen zu untersuchen:
     gesamt                                              6 105
                                                                                   ● Welche Bevölkerungsgruppen lehnen eine ÜT an
     Geschlecht                                                                       MFA im Falle einer kleineren Erkrankung ab?
       männlich                                          2 875      47,1
       weiblich                                          3 230      52,9           ● Welche Bevölkerungsgruppen lehnen eine ÜT an
                                                                                      MFA im Falle einer chronischen Erkrankung ab?
     Altersgruppe
       18–34 Jahre                                       1 178      19,3
       35–49 Jahre                                       1 477      24,2         Methode
       50–64 Jahre                                       1 637      26,8         Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde die
       65–80+ Jahre                                      1 812      29,7
                                                                                 deutschsprachige Wohnbevölkerung ab einem Alter
     Bildungsstatus (höchster Abschluss)                                         von 18 Jahren im Zeitraum vom 15. 5. bis 27. 6. 2017
       Haupt-/Realschulabschluss                         4 008      65,6
       Abitur/(Fach-) Hochschulreife                       863      14,1
                                                                                 telefonisch interviewt. Die gewichtete Stichprobe ist
       Universität/Fachhochschule                        1 111      18,2         repräsentativ für diese Gruppe und umfasst 6 105 Per-
                                                                                 sonen (Tabelle 1). Für die ebenfalls befragte Gruppe
     Erwerbsstatus
       Vollzeit                                          2 395      39,2         der deutschsprachigen Personen mit einer nichtdeut-
       Teilzeit/Kurzarbeit                                 898      14,7         schen Staatsangehörigkeit ist die Repräsentativität
       in Ausbildung                                       269       4,4         eingeschränkt (eMethodenteil). Die Studienteilnehmer
       Rente                                             1 999      32,7
       arbeitslos                                          106       1,7         wurden gefragt, ob sie bereit wären, sich zum einen
       nicht erwerbstätig/Zivildienst/Mutterschutz         352       5,8         bei einer kleineren und zum anderen bei einer chroni-
     Region                                                                      schen Erkrankung in der Arztpraxis von einer speziell
       Westdeutschland (inklusive Berlin West)           5 036      82,5         dafür ausgebildeten MFA versorgen zu lassen, auch
       Ostdeutschland (inklusive Berlin Ost)             1 069      17,5         ohne dass es dabei zu einem Arzt-Patienten-Kontakt
     Staatsangehörigkeit                                                         kommt (eMethodenteil).
       deutsch                                           5 814      95,2
       andere                                              291       4,8
                                                                                 Ergebnisse
     Gemeindegröße                                                               Bereitschaft für eine Versorgung durch MFA
       ländlich (< 5 000 Einwohner)                      1 787      29,3
       Kleinstadt (< 20 000 Einwohner)                   1 263      20,7         bei kleineren Erkrankungen
       Mittelstadt (< 100 000 Einwohner)                 1 177      19,3         Zwei Drittel der Befragten (67,2 %; 95-%-Konfidenz-
       Großstadt (>100 000 Einwohner)                    1 381      22,6         intervall [66,02; 68,38]) wären bereit, sich von einer
     chronische Erkrankung                                                       MFA bei kleineren Erkrankungen versorgen zu lassen,
       ja                                                3 015      49,4         27 % wären nicht einverstanden und 1,5 % gaben an,
       nein                                              3 040      49,8
                                                                                 bereits Erfahrungen mit der Versorgung durch eine
     subjektiver Gesundheitszustand                                              MFA gemacht zu haben (21). In den bivariaten Analy-
       ausgezeichnet                                       848      13,9
       sehr gut                                          1 355      22,2         sen waren die Geschlechtszugehörigkeit, das Alter,
       gut                                               2 607      42,7         der Bildungsstand, der Erwerbsstatus, die Region, die
       weniger gut                                         959      15,7         Staatsangehörigkeit und der subjektive Gesundheits-
       schlecht                                            281       4,6
                                                                                 zustand signifikant mit der Bereitschaft für eine Ver-
     Krankenversicherung                                                         sorgung durch eine MFA assoziiert (Grafik 1). So
       gesetzlich                                        5 266      86,3
       privat                                              772      12,6         lehnten beispielsweise Personen ohne deutsche Staats-
       keine Krankenversicherung                             8       0,1         bürgerschaft (im Folgenden kurz „Nicht-Deutsche“
       sonstige                                             33       0,5         genannt) im Vergleich zu deutschen Staatsbürgern die
                                                                                 ÜT nahezu doppelt so häufig ab. Ältere Befragte ab 65
Differenz der Summen zu 6 105 = keine Angabe                                     Jahren waren im Vergleich zu den 18–34-Jährigen sig-
                                                                                 nifikant häufiger nicht bereit, die ÜT an MFA zu ak-
                                                                                 zeptieren (Grafik 1).
                                                                                    Multivariabel überprüft konnten folgende Zusam-
                         2017 sprechen für eine größere Bereitschaft, sich bei   menhänge bestätigt werden: Nicht-Deutsche (Odds
                         kleineren Erkrankungen von einer MFA versorgen zu       Ratio [OR]: 2,96; [2,28; 3,85]), über 65-Jährige (OR:
                         lassen, als bei chronischen Erkrankungen (21). In der   1,87; [1,37; 2,55]), Frauen (OR 1,53; [1,34; 1,74]), in
                         KBV-Befragung wurde hierbei erstmals explizit er-       Westdeutschland lebende (OR: 1,26; [1,07; 1,48]) und
                         fragt, ob die ÜT an eine speziell geschulte MFA, oh-    Personen mit einem subjektiv schlechten Gesund-
                         ne direkten Kontakt mit dem Arzt, akzeptiert werden     heitszustand (OR: 1,37; [1,16; 1,63]) lehnten die ÜT
                         würde. Bisher liegen die Ergebnisse des KBV-Sur-        häufiger ab als Personen der jeweiligen Referenzgrup-
                         veys nur in deskriptiver Form und ohne Einbettung in    pe, wie sie in Tabelle 2 definiert wird. Die bildungs-
                         die Studienlage vor (21). Inwieweit eine Ausweitung     spezifischen Zusammenhänge sowie die Assoziation
                         beziehungsweise flächendeckende Einführung von          mit dem Erwerbsstatus waren in den multivariablen
                         Delegationsmodellen in Deutschland erfolgreich wä-      Analysen nicht mehr vorhanden.

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GRAFIK 1

                                                                                  Geschlecht           Alter/Jahre             Bildung                      Erwerbsstatus                     Region       Nationalität    Gemeindegröße            chronische      subjektive                              Kranken-
                                                                                                                                                                                                                                                    Erkrankung      Gesundheit                            versicherung
                                                                                  (p < 0,001)          (p < 0,001)           (p = 0,003)                         (p < 0,001)                 (p = 0,005)   (p < 0,001)           (p = 0,183)         (p = 0,190)    (p < 0,001)                            (p = 0,512)

                                                                             60                                                                                                                                    51,1

                                                                             50

                                                                                                                                                                               31,1
                                                                             40
                                                                                                                                                          33,2                                                                                                                        33,8
                                                                                         33,0                        32,4

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020
                                                                                                                                                                        31,5          27,9                                                                                                                          29,3
                                                                                                       28,6 28,7            29,5                                                                                                        28,4 29,2    28,8                     28,7
                                                                                                                                                                                             29,0                                26,8                                                                      28,1
                                                                                                                                          26,1                                                              27,0          25,9                              27,3
                                                                             30                                                    24,3                                                             24,6
                                                                                                                                                   24,5                                                                                                            24,5

                                                                   Prozent
                                                                                  22,8                                                                           19,6
                                                                                                20,9

                                                                             20

                                                                             10

                                                                              0
                                                                                   Mä Fra       18 35 50 65                 Ha Ab Un               Vo Te Au Re arb nic                      We Os           De an                    ja ne        se          gu     sc                    ge
                                                                                     nn ue        –3 –4 –6 +                  up itu ive              llze ilze sb nte ei ht                     st t                                                       in          hr        t        hle                   se priva
                                                                                       er n         4  9  4                     t-/R r/F rs               i t   i t ild      tsl er                           uts der
                                                                                                                                                                                                                 ch e          00 20 0 100 100
                                                                                                                                                                                                                                 0                                           gu                  ch                tzl t
                                                                                                                                                                        un      os we                                                 00 00 00
                                                                                                                                                                                                                                            0  0                                t                     t               i ch
                                                                                                                                    ea ach ität/
                                                                                                                                      lsc ho Fa                            g          r bs
                                                                                                                                         hu chs chh                                        tät
                                                                                                                                           le  ch oc                                           ig
                                                                                                                                                 ulr hs
                                                                                                                                                    eif ch
                                                                                                                                                       e      ule

                                                                Nicht bereit, sich bei kleineren Erkrankungen von einer Medizinischen Fachangestellten (MFA) versorgen zu lassen in % (Fehlerbalken zeigen 95-%-Konfidenzintervalle)

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                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             MEDIZIN
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          Bereitschaft für eine Versorgung durch MFA                    Ein Vergleich der Studie von Höppner mit Daten aus
          bei chronischen Erkrankungen                               2007 und der vorliegenden Befragung aus 2017 zeigt,
          Bei einer chronischen Erkrankung wären 51,8 %              dass sich der Anteil der Befürworter einer ÜT an nicht-
          [50,55; 53,05] der Befragten bereit und 38,7 % nicht       medizinisches Personal im Zeitverlauf von zehn Jahren
          bereit, einer ÜT an MFA zuzustimmen. Der Anteil der        deutlich erhöht hat. Während in der Studie von Höpp-
          Befragten, die angaben, sich bereits bei ihrer chroni-     ner 51 % der Befragten bereit waren, bei kleineren Er-
          schen Erkrankung von einer MFA versorgen zu lassen,        krankungen speziell weitergebildete MFA anstelle ei-
          lag bei 1,3 % (21). Die bivariate Betrachtung der sozio-   nes Arztes aufzusuchen, waren es in der vorliegenden
          demografischen Charakteristika ergab, dass folgende        Untersuchung bereits 67 %. Bei chronischen Erkran-
          Faktoren signifikant mit der Akzeptanz einer ÜT an         kungen hat sich der Anteil der Befürworter einer ÜT an
          MFA assoziiert waren (Grafik 2):                           MFA mehr als verdoppelt: 2007 konnten sich 20 % der
             ● Geschlechtszugehörigkeit                              Befragten die Versorgung durch speziell weitergebilde-
             ● Alter                                                 te MFA im Falle einer chronischen Erkrankung vorstel-
             ● Bildungsabschluss                                     len (20), im KBV-Survey von 2017 waren es bereits
             ● Erwerbsstatus                                         52 %.
             ● Region                                                   In der Studie von Höppner waren Männer gegenüber
             ● Staatsangehörigkeit                                   der ÜT an MFA kritischer eingestellt als Frauen, wo-
             ● subjektive Gesundheitszustand                         hingegen im KBV-Survey mehr Frauen als Männer die
             ● chronische Erkrankung.                                ÜT ablehnten. Die Frage, ob sich diese Ergebnisse auf
             Ähnlich wie bei der Frage nach der ÜT bei kleineren     eine veränderte Einstellung zwischen den Geschlech-
          Erkrankungen waren auch hier die Älteren kritischer        tern oder auf methodische Differenzen (Telefonsurvey
          als die Jüngeren, und Nicht-Deutsche lehnten die Aus-      versus schriftliche Befragung; bi- und multivariable
          übung ärztlicher Tätigkeiten durch eine MFA häufiger       versus deskriptive Analysen) zurückführen lässt, kann
          ab als Deutsche. Formal niedrig Gebildete (Haupt- oder     an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Eine frühere
          Realschulabschluss) waren häufiger kritisch gegenüber      eigene Studie zu den am häufigsten hervorgebrachten
          einer ÜT an MFA eingestellt als formal höher Gebilde-      Beschwerden von Patienten im deutschen Gesundheits-
          te. Unter den Befragten, die bereits eine chronische Er-   system zeigt jedoch, dass Frauen verschiedene Aspekte
          krankung hatten, fand sich häufiger eine ablehnende        der Gesundheitsversorgung kritischer bewerten als
          Haltung gegenüber der ÜT an MFA (Grafik 2). Der Zu-        Männer. Anhand einer quantitativen Inhaltsanalyse
          sammenhang zwischen der Akzeptanz einer ÜT an              wurden hier 13 505 Beschwerdebriefe untersucht, die
          MFA und Alter, Staatsangehörigkeit, Region und Bil-        im Zeitraum von 2004–2007 an die Patientenbeauftrag-
          dungsstatus blieb auch nach multivariabler Prüfung be-     te der Bundesregierung gerichtet worden waren. Die
          stehen. Personen, die über 65 Jahre alt waren (OR:         Resultate veranschaulichen, dass Frauen einzelne Be-
          1,64; [1,24; 2,18]), nichtdeutsche Befragte (OR: 1,61;     reiche der gesundheitlichen Versorgung, wie die Ver-
          [1,24; 2,10]), in Westdeutschland Lebende (OR: 1,21;       ordnung von medizinischen Leistungen oder die Bezie-
          [1,04; 1,40)]) und formal niedrig Gebildete (OR: 1,20;     hung zum Arzt, signifikant häufiger kritisieren als
          [1,04; 1,39]) lehnten die ÜT an MFA im Vergleich zur       Männer (25). Analog der Studie Höppners waren auch
          jeweiligen Referenzgruppe signifikant häufiger ab (Ta-     in der vorliegenden Untersuchung formal niedrig gebil-
          belle 2).                                                  dete Gruppen (Haupt- oder Realschulabschluss) gegen-
                                                                     über der ÜT an MFA kritischer eingestellt als formal
          Diskussion                                                 höher gebildete Gruppen. Nach multivariabler Über-
          Die Ergebnisse zeigen eine überwiegend positive Sicht      prüfung lehnten formal niedrig Gebildete die ÜT an
          der Bevölkerung auf die ÜT an MFA. Zwei Drittel der        MFA jedoch nur noch im Fall einer chronischen Er-
          Befragten würden sich bei kleineren und etwas mehr         krankung signifikant häufiger ab als formal höher Ge-
          als die Hälfte bei chronischen Erkrankungen von einer      bildete. Die Akzeptanz einer ÜT an MFA im Fall einer
          MFA versorgen lassen, ohne dass es dabei zu einem          kleineren Erkrankung war hingegen nicht mehr signifi-
          Arzt-Patienten-Kontakt kommt. Diese Resultate lassen       kant mit dem Bildungsstand assoziiert.
          sich nur schwer mit internationalen Studien verglei-          Die weiteren stratifizierten Auswertungen der vorlie-
          chen, da sich das Versorgungs- und Ausbildungssystem       genden Arbeit zeigen, dass insbesondere Nicht-Deut-
          in Deutschland stark von dem anderer Länder unter-         sche, in Westdeutschland lebende Menschen und über
          scheidet. Im angelsächsischen oder skandinavischen         65-Jährige signifikant häufiger die ÜT an MFA ablehn-
          Raum beispielsweise ist schon seit Jahrzehnten eine        ten im Vergleich zur jeweiligen Referenzgruppe. Mög-
          starke Einbindung nichtärztlicher Gesundheitsberufe in     liche Gründe hierfür könnten kultur- und altersabhängi-
          der medizinischen Versorgung üblich (22, 23). In           ge Einstellungen und Präferenzen gegenüber der Arzt-
          Deutschland wurden bisher – ausgenommen in der Stu-        Patienten-Beziehung sein. Verschiedene Studien aus
          die von Höppner et al. (2008) (20) – nur Personen be-      Deutschland fanden eine eher paternalistisch geprägte
          fragt, die einer ärztlichen Delegation bereits zuge-       Sichtweise zum Arzt-Patienten-Verhältnis bei Patienten
          stimmt hatten (1, 14, 15, 18, 19, 24). Die Studien ver-    mit türkischem Migrationshintergrund (26) und bei rus-
          deutlichen, dass diese Patienten die Delegation über-      sischsprachigen Migranten (27, 28). Es ist plausibel,
          wiegend positiv bewerteten (1, 24).                        dass die ÜT an nichtärztliche Gesundheitsberufe umso

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   TABELLE 2

   Multivariable Regressionen zur Ablehnung von ÜT an MFA (= nicht bereit, sich von einer MFA versorgen zu lassen)

                                                                       kleinere Erkrankungen                            chronische Erkrankungen
                                                                OR           95-%-KI         Signifikanz          OR          95-%-KI       Signifikanz
     Geschlecht
       männlich                                                 Ref                                              Ref
       weiblich                                                 1,53       [1,34; 1,74]       p < 0,001          1,06        [0,94; 1,19]    p = 0,378
     Altersgruppe
       18–34 Jahre                                              Ref                                              Ref
       35–49 Jahre                                              1,45       [1,18; 1,78]       p < 0,001          0,94        [0,78; 1,13]    p = 0,501
       50–64 Jahre                                              1,46       [1,18; 1,80]       p < 0,001          1,08        [0,89; 1,30]    p = 0,433
       65–80+ Jahre                                             1,87       [1,37; 2,55]       p < 0,001          1,64        [1,24; 2,18]    p = 0,001
     Bildungsstatus (höchster Abschluss)
       Haupt-/Realschulabschluss                                1,14       [0,97; 1,34]       p = 0,106          1,20        [1,04; 1,39]    p = 0,015
       Abitur/(Fach-)Hochschulreife                             1,01       [0,81; 1,26]       p = 0,905          0,86        [0,71; 1,06]    p = 0,163
       Universitäts-/Fachhochschulabschluss                     Ref                                              Ref
     Erwerbsstatus
       Vollzeit                                                 1,11       [0,84; 1,45]       p = 0,466          0,94        [0,73; 1,20]    p = 0,617
       Teilzeit/Kurzarbeit                                      1,32       [0,99; 1,75]       p = 0,059          0,96        [0,74; 1,26]    p = 0,801
       in Ausbildung                                            1,07       [0,70; 1,62]       p = 0,763          1,10        [0,77; 1,57]    p = 0,599
       Rente                                                    1,02       [0,72; 1,45]       p = 0,888          0,93        [0,68; 1,29]    p = 0,678
       arbeitslos                                               1,26       [0,76; 2,09]       p = 0,363          0,84        [0,52; 1,37]    p = 0,483
       nicht erwerbstätig/Zivildienst/Mutterschutz              Ref                                              Ref
     Region
       Westdeutschland (inklusive Westberlin)                   1,26       [1,07; 1,48]       p = 0,005          1,21        [1,04; 1,40]    p = 0,011
       Ostdeutschland (inklusive Ostberlin)                     Ref                                              Ref
     Staatsangehörigkeit
       deutsch                                                  Ref                                              Ref
       andere                                                   2,96       [2,28; 3,85]       p < 0,001          1,61        [1,24; 2,10]    p < 0,001
     chronische Erkrankung                                        /              /                 /
       ja                                                                                                        0,98        [0,87; 1,12]    p = 0,746
       nein                                                                                                      Ref
     subjektiver Gesundheitszustand
       ausgezeichnet/sehr gut                                   Ref                                              Ref
       gut                                                      1,15       [1,00; 1,33]       p = 0,046          1,10        [0,96; 1,25]    p = 0,159
       weniger gut/schlecht                                     1,37       [1,16; 1,63]       p < 0,001          1,13        [0,95; 1,33]    p = 0,165

KI, Konfidenzintervall; OR, Odds Ratio; Ref, Referenzkategorie; ÜT, Übertragung ärztlicher Tätigkeiten; MFA, Medizinische Fachangestellte

kritischer gesehen wird, je stärker das Bild einer tradi-                            untersucht haben. Hier zeigte sich ebenfalls eine über-
tionell-paternalistischen Arzt-Patienten-Beziehung ver-                              wiegend positive Einstellung der Befragten (32–34).
innerlicht ist. Die ablehnende Haltung Älterer gegen-                                   Erfahrungen aus anderen Ländern deuten auf einen
über der ÜT an MFA deckt sich mit den Ergebnissen                                    globalen Trend weg von der Delegation einzelner Tä-
der Studie von Höppner (20). Auch hier ist als Grund                                 tigkeiten hin zu mehr kooperativer Teamarbeit, der je-
eine eher paternalistisch geprägte Arzt-Patienten-Be-                                doch aufgrund traditioneller Rollenkonzepte, rechtli-
ziehung denkbar (29). Ein Erklärungsansatz für die po-                               cher Rahmenbedingungen und der bestehenden Vergü-
sitive Haltung der in Ostdeutschland lebenden Men-                                   tungssysteme in Deutschland derzeit noch aufgehalten
schen wäre, dass es in der ehemaligen Deutschen De-                                  wird (35).
mokratischen Republik (DDR) seit Anfang der 1950er                                      Hinsichtlich der Frage nach Wirkung und Evidenz
Jahre Gemeindeschwestern gab, die weitgehend die Pa-                                 von Delegationsmodellen in der primärärztlichen Ver-
tientenversorgung in ländlichen Regionen sicherstell-                                sorgung weist ein systematisches Review auf positive
ten und mithilfe des AGnES-Modellprojektes wieder                                    Effekte in Bezug auf Patientenzufriedenheit sowie Hos-
2005 eingeführt wurden (18, 30, 31). Menschen, die in                                pitalisierungs- und Mortalitätsraten hin (36). Vor die-
der DDR lebten, sind demnach vermutlich mit der De-                                  sem Hintergrund sowie auf Basis unserer hier präsen-
legation ärztlicher Tätigkeiten an MFA vertrauter und                                tierten Ergebnisse erscheint es vielversprechend, künf-
die allgemeine Akzeptanz der ÜT an MFA fiel bei ihnen                                tig die ÜT an MFA voranzutreiben. Denkbar wäre etwa
in der vorliegenden Untersuchung daher höher aus.                                    ein bundesweit einheitliches Delegationsmodell zu ent-
   Während in unserer Studie der Fokus auf die Hal-                                  wickeln, das es erlaubt, die Behandlung von Patienten
tung der Allgemeinbevölkerung zur ÜT gerichtet war,                                  mit geringfügigeren Erkrankungen an MFA zu übertra-
gibt es auch Studien aus Deutschland, die die Sicht der                              gen. Die Inhalte der Tätigkeiten könnten in einem inter-
Allgemeinmediziner oder der MFA auf die Delegation                                   professionellen Workshop erarbeitet werden, wie er in

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020                                                                                                 587
588
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          MEDIZIN

                                                                  GRAFIK 2

                                                                                  Geschlecht        Alter/Jahre              Bildung                      Erwerbsstatus                   Region       Nationalität    Gemeindegröße              chronische      subjektive                            Kranken-
                                                                                                                                                                                                                                                  Erkrankung      Gesundheit                          versicherung
                                                                                  (p = 0,035)       (p < 0,001)             (p = 0,001)                        (p < 0,001)               (p = 0,037)   (p = 0,016)           (p = 0,668)           (p = 0,017)    (p < 0,001)                          (p = 0,837)

                                                                             60
                                                                                                                                                                                                               49,3
                                                                                                                   51,2
                                                                                                                                                                      49,5
                                                                             50                                                                                                                                                                                                     45,9
                                                                                                                                                                             37,0 41,4
                                                                                                                          44,6                                                                                                                     43,6                     43,5                                41,8
                                                                                         43,5                                                                  39,1                                                          42,8 41,8
                                                                                                                                                                                         42,8                                              41,0                                                        42,3
                                                                                  40,7                      39,7                                        39,6                                    39,1    41,8          40,6                                40,4
                                                                                                                                        38,7
                                                                                                38,0 37,4
                                                                                                                                                 37,6                                                                                                            38,3
                                                                             40                                                  33,8

                                                                             30

                                                                   Prozent
                                                                             20

                                                                             10

                                                                              0
                                                                                   Mä Fra       18 35 50 65               Ha Ab Un               Vo Te Au Re arb nic                      We Os         De an                     ja     ne     se          gu     sc                  ge
                                                                                     nn ue        –3 –4 –6 +                up itu ive              llze ilze sb nte ei ht                     st t                                                         in        hr        t        hle                 se p ri va
                                                                                       er n         4  9  4                   t-/R r/F rs               i t   i t ild      tsl er                         uts der
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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020
                                                                Nicht bereit, sich bei einer chronischen Erkrankung von einer Medizinischen Fachangestellte (MFA) versorgen zu lassen in % (Fehlerbalken zeigen 95-%-Konfidenzintervalle)
MEDIZIN

der Studie von Egidi et al. vorgestellt wird. Hier entwi-
ckelten Ärzte und MFAs gemeinsam beispielhafte Be-              Kernaussagen
handlungspfade für vier Beratungsanlässe (grippaler
Infekt, Magen-Darm-Infekt, Zeckenbiss, Wunsch nach              ● Die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten (ÜT) an Medizinische Fachangestellte (MFA)
Rezept), die zuvor bei einer Punktabfrage als „banal“              ist eine Möglichkeit, den Folgen des demografischen Wandels sowie des Ärzteman-
klassifiziert wurden (34).                                         gels insbesondere in ländlichen Regionen entgegenzuwirken und Ärztinnen und
                                                                   Ärzte zu entlasten.
Limitationen                                                    ● Die Akzeptanz der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an MFA durch die Allgemein-
Bei der KBV-Versichertenbefragung handelte es sich                 bevölkerung wurde anhand einer deutschlandweiten repräsentativen Befragung der
um eine Querschnittstudie, daher konnten designbe-                 Kassenärztlichen Bundesvereinigung untersucht.
dingt nur aktuelle Einstellungen ermittelt und keine
                                                                ● Zwei Drittel (67,2 %) der Bevölkerung würden sich bei kleineren Erkrankungen und
tiefergehenden Motive beforscht werden.
                                                                   rund die Hälfte (51,8 %) bei chronischen Erkrankungen von einer speziell dafür aus-
   Eine weitere Einschränkung ist, dass mithilfe die-
                                                                   gebildeten MFA versorgen lassen, ohne dass es dabei zu einem Arzt-Patienten-
ser Studie lediglich die generelle Bereitschaft der Be-
                                                                   Kontakt kommt.
völkerung gegenüber der ÜT an MFA eruiert, aber
nicht näher zwischen der Delegation und Substitution            ● Die Akzeptanz der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an MFA hängt insbesondere
ärztlicher Leistungen differenziert wurde. Die Fragen              mit dem Alter, der Region (Ost-Westdeutschland) und der Staatsangehörigkeit zu-
erfassten lediglich, ob die Probanden ihre Zustim-                 sammen.
mung zur Versorgung durch eine MFA ohne weiteren                ● In weiteren Studien sollten klinische Effekte, Machbarkeit und Akzeptanz eines De-
Arzt-Patienten-Kontakt geben würden. Es wurde                      legationsmodells untersucht werden, das die Behandlung bei geringfügigen Erkran-
nicht geklärt, ob die MFA den Arzt konsultieren, das               kungen, wie zum Beispiel bei Erkältungskrankheiten, durch MFA erlaubt.
heißt auf seine Weisung handeln, und der Arzt die
Aufsicht und Verantwortung behalten würde. Es
bleibt deshalb unklar, ob sich die Zustimmung der
Befragten zur Versorgung durch eine MFA nur auf
den Fall bezieht, dass die letztendliche Aufsicht und           Resümee
Verantwortung dem Arzt obliegt (Delegation) oder                In der Bevölkerung besteht eine hohe Bereitschaft,
auch darauf, dass die MFA selbstständig, ohne Auf-              einer ÜT an andere nichtärztliche Berufsgruppen zu-
sicht und in eigener Verantwortung Patienten behan-             zustimmen und sich beispielsweise von MFA versor-
delt (Substitution) (5). Zur Klärung diese Frage sind           gen zu lassen. Vor diesem Hintergrund erscheint es
weitere Studien erforderlich.                                   lohnenswert, ein bundesweit einheitliches Delegati-
   Die Erhebung wurde telefonisch und grundsätzlich             onsmodell zu entwickeln, das es erlaubt, die Behand-
nur mit Personen durchgeführt, die über einen Fest-             lung von Patienten mit geringfügigeren Erkrankun-
netzanschluss verfügen (21, 37). Damit wurden eher              gen, wie zum Beispiel Erkältungskrankheiten, an
ältere als jüngere Personen erreicht (38). Zudem geht           MFA zu übertragen. Ein solches Modell könnte hin-
eine telefonische Befragung mit einem hohen Grad an             sichtlich Machbarkeit, Akzeptanz und Outcome in ei-
Standardisierung einher. Es wurde beispielsweise                ner Pilotstudie getestet werden. Dabei empfiehlt es
nicht definiert, was unter „kleineren Erkrankungen“             sich, die Resultate der vorliegenden Studie zu be-
zu verstehen ist oder welche Tätigkeiten von speziell           rücksichtigen.
dafür ausgebildeten MFA bei kleineren oder chroni-                 Insbesondere die Gründe für die ablehnende Hal-
schen Erkrankungen in der Arztpraxis ohne Arzt-Pa-              tung gegenüber der ÜT an MFA von älteren Befragten,
tienten-Kontakt übernommen werden würden.                       Nicht-Deutschen sowie formal niedrig Gebildeten
   Eine weitere Limitation besteht darin, dass für die          sollten weiter erforscht werden, sodass diese Erkennt-
Teilnahme an der KBV-Befragung genügend Deutsch-                nisse in die Aus- und Weiterbildung des Gesundheits-
kenntnisse erforderlich waren, sodass die Einstellung           personals einfließen können.
zur ÜT an MFA von Nicht-Deutschen ohne Deutsch-
kenntnisse unklar bleibt. Da die vorliegenden Ergebnis-         Finanzierung
se zeigen, dass vor allem Nicht-Deutsche einer ÜT an            Die Arbeit ist Teil des Projekts NAVICARE, das vom Bundesministerium
                                                                für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderschwerpunkts
MFA kritisch gegenüberstehen, wäre es empfehlens-               Strukturaufbau in der Versorgungsforschung (Förderkennzeichen
wert, die Erhebungsinstrumente der KBV-Surveys künf-            01GY1601) gefördert wird.
tig mehrsprachig und migrationssensibel zu gestalten.
                                                                Interessenkonflikt
   In der vorliegenden Studie war es möglich, regio-            Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
nale Analysen anhand der Gemeindegröße und der
Ost-West-Zugehörigkeit durchzuführen. Für künftige              Manuskriptdaten
                                                                eingereicht: 24. 9. 2019, revidierte Fassung angenommen: 18. 2. 2020
Studien wäre die Verknüpfung der Daten mit struktu-
rellen Kennzahlen, beispielsweise zur Beschäfti-                Literatur
gungs- oder Arbeitslosenquote, zu überdenken, um ei-             1. Ruggeri M, Drago C, Moramarco V, et al.: New professional roles
                                                                    and patient satisfaction: Evidence from a European survey along three
nen regionalen Index generieren (39, 40) und somit                  clinical pathways. Health Policy 2018; 122: 1078–84.
noch aussagekräftigere regionale Ergebnisse erzielen             2. Kleinke S: Delegation ärztlicher Leistungen. J Asthet Chir 2016; 9:
zu können.                                                          44–6.

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MEDIZIN

 3. Maier CB, Batenburg R, Birch S, Zander B, Elliott R, Busse R: Health        26. Uslu S, Natanzon I, Joos S: The image of general practitioners from
    workforce planning: which countries include nurse practitioners and             the perspective of patients with and without a Turkish migration back-
    physician assistants and to what effect? Health Policy 2018; 122:               ground—a qualitative study. Gesundheitswesen 2014; 76: 366–74.
    1085–92.                                                                    27. Ries Z, Frank F, Bermejo I, et al.: Auf dem Weg zu kultursensitiven
 4. Harries L, Tangermann U, Amelung VE: Arztentlastende Konzepte in                Patienteninformationsmaterialien: Ergebnisse einer Fokusgruppenun-
    schwer zu versorgenden Regionen in Deutschland: Ein Vergleich mit               tersuchung. Psychother Psych Med 2018; 68: 242–9.
    England und den Niederlanden. GuS 2015; 69: 66–73.                          28. Bachmann V, Völkner M, Bösner S, Donner-Banzhoff N: The experi-
 5. Krull B: Delegation ärztlicher Leistungen an nicht ärztliches Personal:         ences of Russian speaking migrants in primary care consultations.
    Möglichkeiten und Grenzen. Dtsch Arztebl 2015; 112: [2].                        Dtsch Arztebl 2014; 111: 871–6.
 6. Kassenärztliche Bundesvereinigung: Vereinbarung über die Delegati-          29. Kassenärztliche Bundesvereinigung: Versichertenbefragung der Kas-
    on ärztlicher Leistungen an nicht-ärztliches Personal. Dtsch Arztebl            senärztlichen Bundesvereinigung 2013. www.kbv.de/media/sp/
    Int 2013; 110: A-1757.                                                          KBV_Tabellenband_2013_gesamt.pdf (last accessed on 8 August
 7. Mergenthal K, Leifermann M, Beyer M, Gerlach FM, Guthlin C: Dele-               2019).
    gation hausärztlicher Tätigkeiten an qualifiziertes medizinisches           30. Korzilius H, Rabbata S: Gemeindeschwestern: Geheimwaffe gegen
    Fachpersonal in Deutschland – eine Übersicht. Gesundheitswesen                  Überlastung und Unterversorgung. Dtsch Arztebl 2006; 103:
    2015; 78: e62–8.                                                                A-2926-28.
 8. Robert Koch-Institut: Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsbe-             31. van den Berg N, Meinke C, Heymann R, et al.: AGnES:
    richterstattung des Bundes. Gemeinsam getragen von RKI und De-                  Correspondenz: AGnES–supporting general practitioners with qualified
    statis. Berlin: RKI 2015.                                                       medical practice personnel—model project evaluation regarding
 9. Mergenthal K, Güthlin C: Umsetzung von Delegationskonzepten –                   quality and acceptance: support for general practitioners is uncertain.
    So klappt es in der Hausarztpraxis. Management von Gesundheits-                 Dtsch Arztebl Int 2009; 106: 3–9.
    regionen IV. Wiesbaden: Springer Fachmedien 2018; 89–100.                   32. Goetz K, Kornitzky A, Mahnkopf J, Steinhauser J: At the dawn of dele-
10. Kalitzkus V, Schluckebier I, Wilm S: AGnES, EVA, VerAH und Co –                 gation? Experiences and attitudes of general practitioners in Germa-
    Wer kann den Hausarzt unterstützen und wie? Experten diskutieren                ny—a questionnaire survey. BMC Fam Pract 2017; 18: 102.
    die Zukunft der Medizinischen Fachangestellten in der hausärztli-           33. Stumm J, Thierbach C, Peter L, et al.: Coordination of care for multi-
    chen Versorgung. Z Allgemeinmed 2009; 85: 403–5.                                morbid patients from the perspective of general practitioners—a quali-
11. Dini L, Gisbert Miralles J, Heintze C: Delegation in der Hausarztpra-           tative study. BMC Fam Pract 2019; 20: 160.
    xis: Ergebnisse einer Befragung von Hausärztinnen und Hausärzten            34. Egidi G, Bülders S, Diederichs-Egidi H, Mergenthal K: Könnte das
    in Nordrhein-Westfalen. Bochum: Landeszentrum Gesundheit 2018.                  nicht auch die MFA erledigen? Bericht über einen interprofessionellen
12. Mergenthal K, Beyer M, Guthlin C, Gerlach FM: Evaluation des VERAH-             Workshop. Z Allg Med 2015; 91.
    Einsatzes in der Hausarztzentrierten Versorgung in Baden-Württem-           35. Freund T, Everett C, Griffiths P, Hudon C, Naccarella L, Laurant M:
    berg. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes 2013; 107: 386–93.                        Skill mix, roles and remuneration in the primary care workforce: who
13. Schmiedhofer MH, Brandner S, Kuhlmey A: Delegation ärztlicher                   are the healthcare professionals in the primary care teams across the
    Leistungen an nichtärztliche Fachkräfte: Der Versorgungsansatz                  world? Int J Nurs Stud 2015; 52: 727–43.
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14. Schüler G, Weber I, Löttgen M, Klaes L, Andreßen C: Neue Tätig-                 analysis. BMC Health Serv Res 2014; 14: 214.
    keitsprofile für Arzthelferinnen und medizinische Fachangestellte           37. Tille F, Rottger J, Gibis B, Busse R, Kuhlmey A, Schnitzer S: Patients’
    (MFA) in der Versorgung älterer Menschen. Bonn, Bad Segeberg:                   perceptions of health system responsiveness in ambulatory care in
    Bundesärztekammer 2011.                                                         Germany. Patient Educ Couns 2019; 102: 162–71.
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    bewerten und akzeptieren Patienten die Betreuung durch Medizini-                Handy. www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-
    sche Fachangestellte in der Hausarztpraxis? Ergebnisse einer Pa-                Woche/2016/PD16_42_p002.html (last accessed on 29 March 2020)
    tienten-Befragung in der HzV in Baden-Württemberg. Gesundheits-             39. Bauer H, Maier W: GIMD 2010 – Ein Update des „German Index of
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    German GPs‘ willingness to expand roles of physician assistants:                in der Gesundheit – Entwicklung eines sozioökonomischen Deprivati-
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17. Dini L, Sarganas G, Heintze C, Braun V: Home visit delegation               Anschrift für die Verfasser
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18. Van den Berg N, Meinke C, Heymann R, et al.: AGnES: supporting              Virchowweg 22, 10117 Berlin
    general practitioners with qualified medical practice personnel: model
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19. Schüler G: Neue Tätigkeitsprofile für Arzthelferinnen und medizini-         task-shifting from doctors to allied health professionals—results from
    sche Fachangestellte (MFA) in der Versorgung älterer Menschen               a representative telephone survey of members of the National Association
    (Projekt im Rahmen der Förderinitiative zur Versorgungsforschung            of Statutory Health Insurance Physicians. 117: 583–90.
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20. Höppner K: Neue Aufgabenverteilung zwischen Gesundheitsberufen
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    Gesundheitsmonitor. Gütersloh: BertelsmanStiftung 2008; 250–69.              www.aerzteblatt-international.de
21. Kassenärztliche Bundesvereinigung: Versichertenbefragung der Kas-
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22. Hutchinson L, Marks T, Pittilo M: The physician assistant: would the
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23. Caldow J, Bond C, Ryan M, et al.: Treatment of minor illness in prima-
    ry care: a national survey of patient satisfaction, attitudes and prefer-      Die Präsenz in allen wichtigen Datenbanken
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24. Kuhlmann E, Groenewegen PP, Bond C, Burau V, Hunter DJ: Prima-                 Alle wissenschaftlichen Artikel im Deutschen Ärzteblatt
    ry care workforce development in Europe: An overview of health sys-
    tem responses and stakeholder views. Health Policy 2018; 122:                  sind durch ihre Publikation in der englischen Ausgabe
    1055–62.                                                                       Deutsches Ärzteblatt International in Medline gelistet und
25. Schnitzer S, Kuhlmey A, Adolph H, Holzhausen J, Schenk L: Com-                 darüber hinaus in 15 weiteren Datenbanken vertreten.
    plaints as indicators of health care shortcomings: which groups of pa-
    tients are affected? Int J Qual Health Care 2012; 24: 476–82.

590                                                                                                                Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020
MEDIZIN

Zusatzmaterial zu:

Akzeptanz der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten
an Medizinische Fachangestellte
Ergebnisse einer repräsentativen Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Charline Jedro, Christine Holmberg, Florian Tille, Jonas Widmann, Alice Schneider, Judith Stumm,
Susanne Döpfmer, Adelheid Kuhlmey, Susanne Schnitzer
Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 583–90. DOI: 10.3238/arztebl.2020.0583

   eKASTEN

   Beispielkatalog allgemeiner delegierbarer ärztlicher
   Tätigkeiten*
   ● Administrative Tätigkeiten, zum Beipiel
      – Datenerfassung und Dokumentation von Untersuchungsergebnissen und
        Therapieerfolgen
      – Unterstützung des Arztes bei der Erstellung von schriftlichen Mitteilungen
        und Gutachten
   ● Anamnesevorbereitung
      – standardisierte Erhebung der Anamnese
   ● Aufklärung/Aufklärungsvorbereitung
      – Unterstützung bei Vermittlung und Erläuterung standardisierter Informati-
        onsmaterialien
   ● Früherkennungsleistungen
      – bei Erwachsenen: Laboratoriumsuntersuchungen (Untersuchung auf Blut
        im Stuhl) im Rahmen der Krebsfrüherkennungsuntersuchung
   ● Hausbesuche
   ● Injektionen
      – Intramuskulär und subkutan (auch Impfungen)
   ● Labordiagnostik
      – Allgemeine Laborleistungen (zum Beispiel Blutzuckermessung)
      – Technische Aufarbeitung und Beurteilung von Untersuchungsmaterial
   ● Unterstützende Maßnahmen zur Diagnostik/Überwachung
      –   Blutentnahme (kapillär und venös)
      –   (Langzeit-)Blutdruckmessung
      –   (Langzeit-)EKG
      –   Lungenfunktionstest/Spirografie
      –   Pulsoxymetrie
      –   Blutgasanalysen
      –   Weitere Vitalparameter
   ● Wundversorgung/Verbandswechsel
   *Kassenärztliche Bundesvereinigung: Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an
   nicht-ärztliches Personal. Dtsch Arztebl Int 2013; 110: A-1757 / B-549 / C-525.

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020 | Zusatzmaterial                           I
MEDIZIN

eMETHODENTEIL

Details zum Studiendesign der Versichertenbefragung
und zur Methodik der Untersuchung

Studiendesign
Vertreter der KBV, der Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld Mann-
heim (FGW) und des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabili-
tationswissenschaft der Charité Berlin entwickelten einen Fragebogen zu
unterschiedlichen Themen der ambulanten Gesundheitsversorgung. Zwi-
schen dem 15. Mai und dem 27. Juni 2017 wurde die deutschsprachige
Wohnbevölkerung in Privathaushalten ab 18 Jahren zu diesen Inhalten
telefonisch interviewt. Die Ziehung der Stichprobe erfolgte durch die
FGW. Die FGW ist ein Full-Service-Institut für quantitative Umfragen in
den Bereichen der Sozial- und Marktforschung (www.forschungsgruppe.
de/ueber_die_Forschungsgruppe/FGW_Telefonfeld_GmbH/).
   Die Interviews der Befragung im Jahr 2017 wurden von 230 Intervie-
werinnen und Interviewern durchgeführt. Für die Stichprobe wurde eine
regional geschichtete und zweifach gestufte Zufallsauswahl vorgenom-
men. Zunächst wurden Haushalte ausgewählt, dann eine Person eines je-
den Haushalts. Für die Haushaltsstichprobe in der ersten Auswahlstufe
wurden die Telefonnummern aus der Gesamtheit der amtlichen Telefon-
bucheinträge zufällig ausgewählt. Um auch die Haushalte zu erfassen,
die über einen Festnetzanschluss verfügten, aber nicht im amtlichen Te-
lefonbucheingetragen waren, wurden die letzten drei Ziffern der jeweili-
gen Telefonnummer per Randomized-Last-Digit-Verfahren durch drei
zufällig generierte Endziffern ersetzt. In der zweiten Auswahlstufe wur-
de zufällig aus den Mitgliedern jedes Haushalts diejenige Person ausge-
wählt, die von allen zur Grundgesamtheit gehörenden Haushaltsmitglie-
dern als letzte Geburtstag hatte („last-birthday-Methode“). Um eine
möglichst hohe Ausschöpfungsquote zu erreichen, erfolgen bis zu fünf-
zehn Versuche an unterschiedlichen Tagen und zu unterschiedlichen Uhr-
zeiten, um einen zufällig ausgewählten Haushalt zu kontaktieren.
   Die Stichprobe wurde gewichtet. Zunächst wurden die designbeding-
ten Unterschiede (Zahl der Festnetznummern für Telefongespräche im
Haushalt, Anzahl der Zielpersonen im Haushalt) in den Auswahlwahr-
scheinlichkeiten korrigiert. Damit wird zum einen berücksichtigt, dass
Haushalte eine von der Anzahl der Festnetznummern abhängige Chance
haben, erreicht zu werden. Zum anderen ist die Chance einer Person, für
die Befragung ausgewählt zu werden, abhängig von der Anzahl der Ziel-
personen im Haushalt. In einem zweiten Schritt erfolgte eine Korrektur
der Ausfälle durch Anpassung der Strukturen der Stichprobe an die
Strukturen der Grundgesamtheit. Die entsprechenden Sollverteilungen
(Verteilungen in der Grundgesamtheit) für Geschlecht, Alter und Bildung
sind der amtlichen Statistik und dem Mikrozensus entnommen. Da für
deutschsprachige Ausländer keine amtliche Statistik für Geschlecht, Al-
ter und Bildung vorliegt, wurde ihnen das Designgewicht zugewiesen.
   Die gewichtete Stichprobe ist unter Berücksichtigung der wahrschein-
lichkeitstheoretischen Grundlagen repräsentativ für die deutsche Wohn-
bevölkerung ab 18 Jahren. Für die ebenfalls befragte Gruppe der
deutschsprachigen Ausländer gilt eine eingeschränkte Repräsentativität,
weil diese Gruppe als Grundgesamtheit in den amtlichen Statistiken
nicht klar abgrenzbar ist. Die Fallzahl beträgt gewichtet und ungewichtet
6 105 Fälle

II                                                                   Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020 | Zusatzmaterial
MEDIZIN

                        Messung der Zielvariablen
                        Die Akzeptanz der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Medizinische
                        Fachangestellte wurde anhand der folgenden zwei Fragen ermittelt:
                          ● 1. „Wären Sie bereit, sich bei kleineren Erkrankungen in der Arztpra-
                        xis von einer speziell dafür ausgebildeten Arzthelferin versorgen zu lassen,
                        auch ohne dass es dabei zu einem Arztkontakt kommt oder wären Sie dazu
                        nicht bereit?“ (Antwortoptionen: wäre dazu bereit, nicht bereit, mache ich
                        bereits, keine Angabe).
                          ● 2. „Und wenn es um die Behandlung einer chronischen Erkrankung in
                        einer Arztpraxis geht, zum Beispiel bei Diabetes, Bluthochdruck oder
                        Asthma, wären Sie dann bereit, sich von einer speziell dafür ausgebildeten
                        Arzthelferin versorgen zu lassen, auch ohne dass es dabei zu einem Arzt-
                        kontakt kommt oder nicht?“ (wäre dazu bereit, nicht bereit, mache ich be-
                        reits, keine Angabe). Für die multivariaten Berechnungen wurden die Ant-
                        wortkategorien jeweils dichotomisiert (0: bereit/mache ich bereits, 1: nicht
                        bereit).

                        Soziodemografische Determinanten
                        Geschlecht, Alter, Bildungsabschluss, Erwerbsstatus, Region, Staatsange-
                        hörigkeit, Gemeindegröße und Art der Krankenversicherung gingen als un-
                        abhängige Variablen in die Analysen ein. Unter der Annahme, dass gesund-
                        heitsbezogene Merkmale die Bereitschaft zur medizinischen Versorgung
                        durch die MFA beeinflussen können, wurden zusätzlich der subjektive Ge-
                        sundheitszustand sowie die Frage nach einer chronischen Erkrankung in
                        die Modelle aufgenommen. Die Operationalisierung (Skalierung) der ein-
                        zelnen Variablen ist in Tabelle 1 der Printausgabe dargestellt.

                        Statistische Analysen
                        Mögliche Gruppenunterschiede zwischen den nominal skalierten Variablen
                        (Geschlecht, Erwerbstätigkeit, Region, Staatsangehörigkeit, chronische Er-
                        krankung) wurden anhand des X²-Tests und zwischen den ordinal skalier-
                        ten Variablen (Alter, Bildung, subjektiver Gesundheitszustand) anhand des
                        Mann-Whitney-U-Tests überprüft. Der Ausschluss fehlender Werte erfolg-
                        te listenweise. Um überprüfen zu können, ob die signifikanten Unterschie-
                        de der bivariaten Gruppenvergleiche auch unter Kontrolle weiterer Merk-
                        male bestehen bleiben, wurden multivariable, binär logistische Analysen
                        angewandt. Die Fragen zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Medizi-
                        nische Fachangestellte bildeten hierbei die abhängigen Variablen, wobei je-
                        weils die Odds Ratios (OR) und 95-%-Konfidenzintervalle (KI) für die ab-
                        lehnende Haltung (nicht bereit) berechnet wurden. Als unabhängige Varia-
                        blen gingen jene soziodemografischen Variablen in die Analysen ein, die
                        sich in den bivariaten Analysen als statistisch signifikant erwiesen. Die sta-
                        tistischen Auswertungen erfolgten mittels SPSS Version 25.0. Das Signifi-
                        kanzniveau wurde auf 5 % festgelegt.

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 35–36 | 31. August 2020 | Zusatzmaterial                                III
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