Piet Mondrian - Freunde der Nationalgalerie

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Piet Mondrian - Freunde der Nationalgalerie
1968

Piet Mondrian
Piet Mondrian - Freunde der Nationalgalerie
1968                    1968
Piet Mondrian   Piet Mondrian
Piet Mondrian - Freunde der Nationalgalerie
Zur Eröffnung der Neuen
                                                                                                              Nationalgalerie am
                                                                                                              15. September 1968 sprach
                                                                                                              Museumsdirektor Werner
                                                                                                              Haftmann. Zu den Gästen
                                                                                                              gehörte Dirk Lohan (vorne
                                                                                                              links).

        Für die Ausstellung „Piet
        Mondrian“ wurde nur der
        hintere Teil der Halle
        genutzt. Im Vordergrund
        steht eine Skulptur
        von Hans Arp aus der
                                                                                                                                                        Werner Haftmann dirigierte
        Sammlung.
                                                                                                                                                        die Hängung der Gemälde von
                                                                                                                                                        Piet Mondrian.

         Werner Haftmann, der erste Direk-     ich dabei, dass Stellwände nur stabil wären,    Hauptsächlich war mein Einwand aber ein
tor der Neuen Nationalgalerie, besuchte        wenn sie auf breiten Füßen stünden oder         architektonisch-ästhetischer, denn diese
Ludwig Mies van der Rohe in Chicago und        in regelmäßigen Abständen rechtwinklige         Hängung war in dem ganz neuen Mies-Bau
erklärte ihm bei dieser Gelegenheit, dass      Ecken herstellten. Keine dieser Möglichkei-     unpassend. Leider haben Werner Haftmann
er Piet Mondrian zur Eröffnung des Muse-       ten gefiel uns aus architektonischen Grün-      und ich uns am Tage vor der offiziellen Eröff-
ums zeigen wolle. Er meinte, der abstrakte     den und so kamen wir auf den Gedanken,          nung ziemlich stark gestritten, weil wir sehr
Holländer wäre doch eine gute Verbindung       Wände von der Decke zu hängen. Diese Idee       gegenteilige Meinungen zu diesem Thema
mit der modernen Architektur des Gebäu-        passte auch sehr gut zu der oft von Mies        hatten. Zum Glück haben wir beide uns am
des. Da ich an diesem Gespräch teilnahm,       zitierten Bemerkung, dass die große Halle       nächsten Tag beruhigt und konnten unsere
kann ich mich heute noch daran erinnern,       wie eine Bühne zu verstehen sei, auf der        Eröffnungsansprachen ohne Ärger absol-
wie Mies ihm erwiderte, dass er dankbar        Inszenierungen von Kunst stattfinden soll-      vieren. Viele der Bilder hingen übrigens
für den kunsthistorischen Bezug sei, die       ten. Mit dem Wort „Inszenierung“ meinte         schließlich parallel an den Hängewänden.
Mondrian-Bilder aber, alle recht kleine For-   er Kunstausstellungen, die für jede Kunst       Ich bedauere sehr, dass Mies niemals die
mate, ein architektonisches Problem auf-       neue Bühnenbilder (set designs) entwer-         vielen großartigen Ausstellungen in seinem
werfen würden: nämlich wie diese klei-         fen würden. Es ist interessant, im vorliegen-   Kunsttempel erleben konnte. Ich persönlich
nen Bilder in der großen Halle ausgestellt     den Bildband zu sehen, wie man in Berlin        bin aber überzeugt davon, dass er glück-
werden könnten. Mies erklärte Werner           nach anfänglichen Schwierigkeiten mit           lich und zufrieden gewesen wäre, weil viele
Haftmann, dass er bei dieser Halle haupt-      dieser Idee letztlich wunderbare, kreative      der Ausstellungen genau die künstlerischen
sächlich an großformatige Gemälde und          Kunstinszenierungen entwickelt hat.             Inszenierungen auf seiner Bühne waren, die
Skulpturen gedacht habe, zum Beispiel          Aus diesen Überlegungen entwarf ich ein         er sich vorgestellt hatte.
von Jackson Pollock und vielen Künstlern       hängendes Wandsystem, das auf modularen
der 1950er und 1960er Jahre. Im weiteren       Elementen aufgebaut war und nicht nur län-      Dirk Lohan, Architekt und Enkel von Ludwig Mies
Gespräch entwickelten wir mehrere Gedan-       gere, sondern auch höhere Wände möglich         van der Rohe, Projektleiter für den Bau der Neuen
                                                                                               Nationalgalerie von 1967 bis 1968
ken für eine angemessene Mondrian-Aus-         machte. Die Fotos der Mondrian-Ausstel-
stellungsmethodik. Sehr schnell war uns        lung zeigen sehr deutlich die erzielte Auf-
allen klar, dass der große Raum der Halle      teilung des großen Raumes. Als ich ein paar
aufgegliedert und durch Stellwände in klei-    Tage vor der Eröffnung nach Berlin kam, lei-
nere „Räume“ geteilt werden müsste, die        der ohne Mies, der nicht mehr reisen konnte,
die Bilder in ihrer Bedeutung nicht redu-      entdeckte ich ein neues Problem. Die Kura-
zierten.                                       toren hatten die Mondrians nicht flach an
Nach diesem Gespräch habe ich dann ange-       die Wände gehängt, sondern schräg nach
fangen, mich mit einer solchen Ausstellung     vorn gekippt, um Reflexionen auf den Ver-
zu befassen und ein passendes Wandsys-         glasungen der meisten Bilder zu vermeiden.
tem zu entwickeln. Da wir im Büro ein gro-     Das war natürlich nicht in unserem Sinne,
ßes, sehr schönes Modell der Halle gebaut      zumal diese Hängung ein weiteres Prob-
hatten, konnte ich alle möglichen Raumauf-     lem am Abend kreierte, weil nun die oberen                                                          10                                         1968
teilungen inszenieren. Sehr schnell erkannte   Rahmen Schatten auf die Gemälde warfen.                                                             11                                 Piet Mondrian
Piet Mondrian - Freunde der Nationalgalerie
Die Erstpräsentation der
                       Sammlung im Untergeschoss
                       zeigte Werke von Francis
                       Bacon und Henry Moore neben
                       solchen ganz junger Künstler
                       wie Gernot Bubenik.

     Zur heiteren Eröffnungs-
     feier kamen 1.200 geladene
     Gäste. Direktorengattin
     Roswitha Haftmann und
     Kunstmäzen Siegfried Poppe
     tanzten zu Dixie-Klängen
     im Skulpturengarten.

12                                                                                 1968
13                                                    Eröffnung der Neuen Nationalgalerie
Piet Mondrian - Freunde der Nationalgalerie
1969

Andy Warhol /
Sammlung 1968 – Karl Ströher

                                                                                         Der Blick über das
                                                                                         damals noch kaum
                                                                                         bebaute Kulturforum
                                                                                         reichte bis zur
                                                                                         Berliner Mauer.

Von Anfang an experimen-
tierte Werner Haftmann
mit freien kuratorischen
Setzungen in der oberen
Halle. Hier vereinte er                                    Die rund 500 „Brillo Boxes“
die Sammlung Karl Ströher                                  von Andy Warhol im Hinter-
mit der Warhol-Retrospek-                                  grund waren die originalen
tive. Die Filzstapel                                       Verpackungskartons, die
von Joseph Beuys trafen                                    nach der Ausstellung ver-
auf Malerei von Roy                                        nichtet werden mussten.
Lichtenstein.                                              Noch Jahre später geister-
                                                           ten einige davon als
                                                           Pack- und Nutzmaterial
                                                           durch das Museum.

                            Sogar die mit engli-
                            scher Eiche vertäfelten
                            Garderoben wurden als
                            Hängeflächen verwendet.

                                                      14
                                                      15
Piet Mondrian - Freunde der Nationalgalerie
1969                                                                              1969
Andy Warhol / Sammlung 1968 – Karl Ströher   Andy Warhol / Sammlung 1968 – Karl Ströher
Piet Mondrian - Freunde der Nationalgalerie
1970

Matta

        Die teilweise über sieben Meter
        langen Bilder von Roberto Matta
        waren spektakulär inszeniert
        worden. Ihre diagonale Ausrich-
        tung bildete in der Mitte einen
        weiten, dynamischen Platz. Unter
        einigen Bildwänden konnten die
        Besucher hindurchlaufen, andere
        standen direkt auf dem Boden.
        Um die Werkchronologie zu ver-
        vollständigen, hingen kleinere
        und mittlere Formate entlang
        der Fenster.

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                                           21
Piet Mondrian - Freunde der Nationalgalerie
1970 / 1972

Jazz in the Garden
Piet Mondrian - Freunde der Nationalgalerie
Die heute legendäre
                                                      Konzertreihe „Jazz in the
                                                      Garden“ war von Anfang an
                                                      eine Publikumsattraktion.
                                                      Aus sicherheitstechnischen
                                                      Gründen blieb das Museum
                                                      geschlossen, die Besucher
                                                      traten durch das Tor im
                                                      Skulpturengarten ein.

                          Das Jarrett-Trio tourte
                          1972 durch Deutschland.
                          Am Flügel: Keith Jarrett.

1970 / 1972          24                                                                   1970 / 1972
Jazz in the Garden   25                                                            Jazz in the Garden
Piet Mondrian - Freunde der Nationalgalerie
1972

J. M. W. Turner
Gemälde, Aquarelle
                                   Für die umfangreiche
                                   Turner-Ausstellung wurden
                                   Werke der klassischen
                                   Moderne in andere Samm-
                                   lungsräume umgehängt, die
                                   Nachkriegsmoderne war in
                                   der oberen Halle zu sehen.

Die Hängung der Bilder
war auf einen Dialog mit
Werken des 19. Jahrhunderts
aus der Sammlung angelegt.

                              38
                              39
1987 / 1988

Alberto Giacometti
Ein besonderes Statement
                                                                                stellte das Figurenensemble
                                                                                in der Weite der oberen
                                                                                Halle dar – vereinzelte
                                                                                Erscheinungen menschlicher
                                                                                Existenz.

                                                   Im Grafischen Kabinett       Der bis dato umfassendste
                                                   wurde die Serie der großen   Überblick über das Werk
                                                   „Stehenden“ gezeigt.         Giacomettis in Deutsch-
                                                   Eine derartige Dichte der    land umfasste 280 Skulptu-
                                                   Präsentation wäre heute      ren, Zeichnungen, Gemälde
                                                   aufgrund der hohen Versi-    und Druckgrafiken mit
                                                   cherungswerte nicht mehr     Leihgaben der Giacometti-
                                                   möglich.                     Stiftung sowie aus
                                                                                öffentlichen und privaten
                                                                                Sammlungen.

                     Neben Skulpturen wie „Vier
                     Frauen auf einem Sockel“,
                     1950, wurden auch zahlrei-
                     che Gemälde und Zeichnungen
                     ausgestellt.

1987 / 1988                                                               134                          1987 / 1988
Alberto Giacometti                                                        135                   Alberto Giacometti
2001

Jenny Holzer
Besondere Strahlkraft
                                                                                                           entwickelten die Arbeiten
                                                                                                           in der Nacht, wenn sich
                                                                                                           die Buchstaben durch
                                                                                                           Spiegelungen in den
                                                                                                           Stadtraum einschrieben.
               Neben der LED-Licht-
               installation, die speziell
               für die Halle entwickelt
               worden war, projizierte
               Jenny Holzer in der Eröff-
               nungswoche ihre ebenso
               poetischen wie politischen
               Texte auf öffentliche
               Gebäude in Berlin.

                                                                              Viele Besucher ließen sich
                                                                              auf dem Boden nieder,
                                            Die US-amerikanische              um die an der Decke rasch
                                            Konzeptkünstlerin kam als         vorbeiflutenden Texte
                                            Stipendiatin der American         zu lesen.
                                            Academy für ein Jahr nach
                                            Berlin. Während dieser
                                            Zeit entwickelte sie das
                                            Projekt für die Neue
                                            Nationalgalerie.

2001                                                                    194                                                                   2001
Jenny Holzer                                                            195                                                            Jenny Holzer
2004

Das MoMA in Berlin
Meisterwerke aus dem
Museum of Modern Art,
New York
Woher haben wir – der Vorstand        Wir beauftragten eine Umfrage in Berlin:
in engem Schulterschluss mit dem Kura-          „Was verstehen Sie unter MoMA?“. Vielleicht
torium des Vereins der Freunde der Natio-       fünf Prozent gaben die richtige Antwort, fünf
nalgalerie – eigentlich den Mut genommen,       Prozent meinten, das könnte „Morgenma-
die MoMA-Ausstellung 2004 zu realisieren?       gazin“ heißen, das war alles. Mutig beschloss
Am Anfang: Ein Gespräch mit dem Direktor        der Vorstand deshalb die Beauftragung der
des Museum of Modern Art, Glenn Lowry,          Werbeagentur MetaDesign und bewilligte
in Schöneberg in einer Mondnacht, vor           eine Million Euro. André Odier und Katharina
einer Kneipe sitzend und redend mit dem         von Chlebowski, die die Geschäftsstelle
Ziel, einen streitigen Fall einvernehmlich zu   des Vereins leiten, reisten durch die Welt,
lösen, das war schnell erreicht. Dann begann    um einen fabelhaften, viel Geld einspielen-
der Traum: während der – durch Umbau            den Museumsshop (wie es ihn vorher und
bedingten – siebenmonatigen Schließung          nachher nie in Berlin gegeben hat) zu reali-
des MoMA dessen Highlights nach Berlin          sieren. Jan Oelmann, der engagierte Schatz-
zu holen. Bald stimmte der Vorstand, ange-      meister, hat das Risiko unseres kalkulierten
feuert vom (General-) Direktor Peter-Klaus      Abenteuers uneingeschränkt mitgetragen.
Schuster, dem kühnen Plan zu, das Board         Eine dem Verein zugeordnete GmbH hat
des MoMA sagte „ja“, die geforderte „loan       „special events“ veranstaltet und viel Geld
fee“ bewilligte der Verein. Damit waren die     eingespielt. Die gezeigten Werke, die fast
unkonventionellen Verhandlungen beendet.        1,2 Millionen Besucher bewunderten, alles
„Das MoMA in Berlin“ soll kommen! Nach-         Highlights des 20. Jahrhunderts: bis 1945
dem das MoMA eine Liste der möglichen           ausschließlich europäische Kunst (mit Aus-
Arbeiten für Berlin vorgelegt hatte, begann     nahme von Hopper), ab 1945 ausschließ-
ein längeres Hin und Her über die Werkaus-      lich nordamerikanische Kunst mit Aus-
wahl, an der in Berlin neben Peter-Klaus        nahme des RAF-Zyklus von Gerhard Richter.
Schuster auch Angela Schneider intensiv         Die Ausstellung bleibt ein Höhepunkt in der
beteiligt war. Wir kämpften in schönster        Geschichte des Vereins und der National-
Harmonie mit der in New York die Ausstel-       galerie.
lung betreuenden Jennifer Russell um jedes
Bild, jede Skulptur. „Es muss das Beste sein,   Peter Raue, 1977 bis 2008 Vorsitzender des Vereins der
                                                Freunde der Nationalgalerie
was nach Berlin kommt“, war unser Bitten,
auch Newmans unvergleichlich großartige
Skulptur „Broken Obelisk“, Rodins grandio-
ser „Balzac“, der Rousseau, die Picassos
und Matisse.
Gleich im ersten Raum:
„Der Badende“, um 1885,
von Paul Cézanne und
„Sternennacht“, 1889,
von Vincent van Gogh.
Die meisten Werke der
Ausstellung hatten ihren
Auftritt im Unterge-
schoss; dafür musste
die eigene Sammlung ins
Depot gebracht werden.

                                                      „Der Tanz I“, 1909, von
                           Dem 15-teiligen Zyklus     Henri Matisse und „Seerosen“,
                           zum „18. Oktober 1977“     um 1920, von Claude Monet
                           (RAF-Zyklus) von Gerhard   gehörten für das Publikum
                           Richter wurde ein          zu den beliebtesten Bildern
                           eigener Raum gewidmet.     unter den mehr als zwei-
                                                      hundert Meisterwerken der
                                                      Ausstellung. Viele Arbeiten
                                                      konnten im Untergeschoss
                                                      eine besondere Ausstrahlung
                                                      erzeugen, weil Mies van
                                                      der Rohe bei der Planung
                                                      der Neuen Nationalgalerie
                                                      die Sammlung des MoMA
                                                      zum Vorbild genommen hatte.

                                                                                                  2004
                                                                                      Das MoMA in Berlin
2009 / 2010

Bilderträume
Die Sammlung Ulla
und Heiner Pietzsch
Mit der Ausstellung präsentierten wir einen
                                                                 Blick und Gegenblick: Das
                                                                                                                                                großen Teil unserer Sammlung erstmals öffentlich in
                                                                 Fenster neben einem der                                                        Berlin. Gemeinsam sammeln wir seit über fünfzig Jahren
                                                                 Hauptwerke der Sammlung,                                                       Kunst, insbesondere Arbeiten des europäischen Surre-
                                                                 einem Porträt von Max
                                                                 Ernst, öffnete sich in den                                                     alismus und des Abstrakten Expressionismus der New
                                                                 Gartensaal.                                                                    York School, darunter Werke von Max Ernst, Joan Miró,
                                                                                                                                                René Magritte, Barnett Newman, Jackson Pollock und
                                                                                                                                                Mark Rothko. Dabei leitet uns weniger der Wunsch nach
                                                                                                                                                kunsthistorischer Vollständigkeit als eigene Vorlieben.
                                                                                                                                                Die Ausstellung spiegelte unsere wesentlichen Samm-
                                                                                                                                                lungsschwerpunkte wider und verdeutlichte die Ver-
                                                                                                                                                knüpfungen der Werke untereinander. Darüber hinaus
                                                                                                                                                nahm „Bilderträume“ sogar Bezug auf die Präsentations-
                                                                                                                                                weise der Sammlung in unserem eigenen Haus mit vie-
                                                                                                                                                len reizvollen Ein- und Durchblicken. Zu unserer großen
                                                                                                                                                Freude reagierten die Museumsbesucher mit Neugierde
                                                                                                                                                und Begeisterung auf die Ausstellung unserer Werke.

                                                                                                                                                Ulla und Heiner Pietzsch, Kunstsammler

                                                                                                    Zur Sammlung gehören
                                                                                                    auch surrealistische
                                                                                                    Zeitschriften.

               Im lichten Gartensaal
               stand das „Wüstendenkmal“,
               1941, von André Masson.

                                                                                                                           Das Gemälde von Francis
                                                                                                                           Bacon war ausgeliehen
                                                                                                                           und kam erst verspätet
                                                                                                                           in die Ausstellung.

                                            Für die frühe, beidseitig
                                            bemalte Papierarbeit
                                            „Omen“, um 1946, von Mark
                                            Rothko wurde eine eigene
                                            Wand gebaut.

2009 / 2010                                                                                   252                                                                                             2009 / 2010
Bilderträume                                                                                  253                                                                                            Bilderträume
Im ersten Ausstellungsraum
                                            wie auch im Katalog erschie-
                                            nen die Werke vor schwarzem
                                                                           Links die originale Glas-
                                            Hintergrund, um die poeti-
                                                                           wand von Mies, daneben
                                            sche, mystische Dimension
                                                                           die für die Ausstellung
                                            dieser Kunst zu verstärken.
                                                                           entworfene Trennwand.

                                                                                     Darf man das? Direkt beim ersten      dadurch setzt ein sich gegenseitig heraus-    notiert hatte und in dem sich ein zarter Calder
                                                                           Mal? Die „Bilderträume“ waren unser ers-        forderndes Ineinandergreifen von Vorstel-     in windloser Stille dreht. Surrealismus und
                                                                           tes Projekt für die Neue Nationalgalerie. Wir   lung und Erfahrung ein, dieser sich verwan-   Abstrakter Expressionismus tanzen mitein-
                                                                           haben lange darüber nachgedacht, haben          delnde Taumel des Déjà-vu. Ich gehe durch     ander. Eigenartig, wie mir der glasbewehrte
                                                                           abgewogen, gerätselt und gesprochen –           das in einen schwarzen Horizont gebettete     Blick in meine nahe Zukunft den Weg dorthin
                                                                           und es dann einfach gemacht: Wir haben          Traumland von Max Ernst, vorbei an seinen     physisch versperrt und ihn zugleich gedank-
                                                                           diese eleganten, raumhoch verglasten und        Wächtergruppen aus Gips und Bronze, ich       lich öffnet. Mir bleiben nur die Umkehr, das
                                                                           mit Doppeltüren versehenen Holzrahmen,          schaue auf die aus einem sonnigen Paradies    Wissen und ein vorläufiges Vergessen. Da, im
                                                                           mit denen Mies van der Rohe im Souterrain       herabgestiegenen Fragmente ebendieser         nächsten Raum, ein weiteres Schaufenster,
                                                                           der Neuen Nationalgalerie die Bereiche          Wächter und passiere eine Schleuse aus        das, diesmal über Eck gebaut, Ein- und Aus-
                                                                           Foyer, Prolog und Epilog so wunderbar von-      raumhohen Schaufenstern, das eine Fens-       blicke in Überblendung gewährt. Duchamps
                                                                           einander getrennt und durchlässig gemacht       ter rosa ausgeschlagen (mit Hans Bellmer),    „Boîte-en-valise“ präsentiert sich darin
                                                                           hat, als Schaufenster nachgebaut und damit      das andere blau (mit Alexander Calder). In    ebenso delikat wie gleichgültig mit einer
                                                                           dem Ausstellungsparcours durch die „Bil-        den Auslagen sich bewegend: Betrachter,       mir unbekannten Betrachterin, die auf der
                                                                           derträume“ eine unbedingte Richtung und         meinesgleichen. Ich folge dem Parcours,       Gegenseite des Fensterwinkels mein Ver-
                                                                           undeutliche Verwirrung zugleich gegeben.        vorbei am Bildnis eines beunruhigt trop-      gnügen zu teilen scheint und der ich – um
               Im Eckschaufenster befand
               sich die „Boîte-en-valise“                                  Es ging uns nicht darum, Mies zu imitie-        fenden jungen Mannes (erneut von Max          seriös zu bleiben – Komplizenschaft bei dem
               von Marcel Duchamp.                                         ren. Nein, viel schlimmer: Blasphemie und       Ernst), und biege um die Ecke in surreales    wechselseitigen Spiel unserer Augen und
                                                                           Missbrauch im Dienste der Kunst! Pietzsch,      Rosa, erlebe mich im Schaufenster mit Bell-   Gesten unterstellen muss. Ich werde ihr wohl
                                                                           das verdiente Sammlerpaar, ermutigte mit        mers chromglänzender „Puppe“, ich schaue      folgen, unbemerkt und leicht wie ein Mobile,
                                                                           freundlichen Augen. „Machen Sie mal, junger     durch die Glasscheibe hindurch und zurück     wir sehen uns im blauen Raum …
                                                                           Mann, dem Mies hätte das gefallen …“            auf meinesgleichen – genau dorthin, von wo
                                                                           Die räumliche Inszenierung einer perfekten      aus ich zuvor auf ebendiese geschaut hatte.   Meyer Voggenreiter, Ausstellungsgestalter
                                                                           Schleife durch die wiederholende Anwen-         Ein puppenhafter Schauder erfasst mich. In
                                                                           dung des Gegebenen – der großen Glas-           spiegelglasiger Ferne lockt der blaue Raum,
                                                                           scheiben. Nichts Neues also, aber gerade        den ich eingangs im linken Augenwinkel

2009 / 2010                                                         254                                                                                                                                               2009 / 2010
Bilderträume                                                        255                                                                                                                                              Bilderträume
2009 / 2010

Thomas Demand
Nationalgalerie
Die Ausstellung entstand ganz        „deutsche“ Arbeiten von Thomas Demand           herangewagt hatte, was man „das Natio-
im intensiven Dialog mit Thomas Demand,        in der Ausstellung zu konzentrieren. Dieser     nale“ nennen könnte. Botho Strauß schrieb
den ich seit vielen Jahren kenne. Am Anfang    Fokus wäre jedoch falsch verstanden und zu      für jedes Werk in der Ausstellung einen Text,
unserer Überlegungen, wie man sein inzwi-      eng gedacht, wenn man ihn nur als Zusam-        der das Bild nicht erklärte, sondern vielmehr
schen so großes künstlerisches Werk zeigen     menstellung jener Werke des Künstlers ver-      weitere Schichtungen hinzufügte.
und welche Auswahl man treffen könnte,         stünde, die sich mit gesellschaftlichen und     Für die offene Glashalle entwickelte Thomas
stand der Bau selbst, die Architekturikone     politischen Ereignissen beschäftigen. Am        Demand gemeinsam mit dem Londoner
von Mies. Dabei setzten wir uns nicht nur      Beispiel von Deutschland ging es sehr viel      Architekturbüro Caruso St. John ein an das
eingehend mit der Raumwirkung der offenen      genereller um die Frage, ob und inwiefern       Raster der Architektur angelehntes Display
Halle und den hier verwendeten Materialien     sich ein nationales Selbstverständnis in Bil-   aus Vorhängen. Die Idee, den Raum mit Vor-
auseinander, etwa dem Eichenholz, dem          dern konzentriert und kondensiert und über      hängen zu gliedern, lässt sich dabei als Wei-
Granitboden oder den ursprünglich vor-         solche Bilder erinnert und mitgeteilt wird.     terentwicklung der schwebenden Wände
handenen Vorhängen. Wir sprachen insbe-        Gibt es eine Nationalgalerie im Sinne einer     sehen, die das Büro von Mies van der Rohe
sondere über die eminente Bedeutung des        Bildwelt, die nationenbedingte Eigenheiten,     eigens für das Gebäude entworfen hatte.
Gebäudes für die Geschichte West-Berlins       eine auf staatlicher Zugehörigkeit begrün-      Anders als bei der Mondrian-Ausstellung
oder im größeren Sinne Westdeutschlands.       dete Mentalität zu verkörpern vermag? Mit       1968 bildeten die bodenlangen Vorhänge
Die Neue Nationalgalerie ist ja ein symboli-   Sicherheit waren dies Fragen, die die Aus-      in der Halle ganze Raumkompartimente aus.
scher Bau, mit dem die Nachkriegsgesell-       stellung „Nationalgalerie“ mehr aufwarf, als    In dieser bewusst konstruierten und gleich-
schaft an die Bauhaus-Tradition anknüpfte,     dass sie sie beantwortet hätte. Es sollten      zeitig höchst anspielungsreichen Ausstel-
auch im Sinne einer „Wiedergutmachung“         Anregungen für die Besucher sein, sich auf      lungsarchitektur setzte sich das Modellhafte
nach den Gräueltaten der Nazis, und mit dem    eigene Assoziationen, Erinnerungen und          und Inszenatorische in Thomas Demands
sich viele Hoffnungen verbanden. Zufälliger-   Stimmungsbilder einzulassen.                    Arbeiten fort. Eine weitere Ebene des Pro-
weise sollte die Demand-Ausstellung ausge-     Thomas Demands Arbeiten wurden in der           jektes waren Gespräche in der Ausstellung
rechnet im Jubiläumsjahr der Gründung der      Ausstellung durch Bildlegenden von Botho        zwischen Wissenschaftlern, Künstlern und
Bundesrepublik Deutschland vor sechzig         Strauß begleitet, jenem Autor also, der schon   Politikern über Aspekte der deutschen Kul-
Jahren und zum zwanzigjährigen Jubiläum        einmal als „Orpheus in der Bundesrepublik“      tur und Gesellschaft. Diese Dialoge standen
des Mauerfalls stattfinden. Aus diesen ver-    bezeichnet worden war und der sich auf          jeweils unter dem Titel „How German is it?“.
schiedenen Aspekten heraus entwickelten        notwendig umstrittene Weise immer wieder
wir schließlich das Konzept, uns ganz auf      an den schwierigen Themenkreis dessen           Udo Kittelmann, Direktor der Nationalgalerie

                                   Um die Arbeiten von Thomas
                                   Demand vor Stoff zu präsentieren,
                                   mussten zwischen die Vorhänge
                                   Holzwände zur Befestigung gebaut
                                   werden.

2009 / 2010                                                                                                                                    258
Thomas Demand                                                                                                                                  259
Die literarischen Beiträge
                                         von Botho Strauß wurden
                                         mit den dafür entworfenen
                                         Vitrinen zu einem eigen-
                                         ständigen Raumelement.

           „How German is it?“ Eine
           Vortragsreihe mit namhaften
           internationalen Rednern
           stellte während der
           Ausstellung erneut die
           Frage nach der deutschen
           Identität.

2009 / 2010
Thomas Demand
2010 / 2011

Moderne Zeiten
Die Sammlung 1900 –1945

                                 Als „Schattengalerie“
                                 wurden beispielhaft einige
                                 Werke integriert, die
                                 die Nationalgalerie durch
                                 die Aktion „Entartete
                                 Kunst“ 1937 eingebüßt
                                 hatte. Sie waren als
                                 schwarz-weiße Fotorepro­
                                 duktionen in Original-
                                 größe zu sehen, etwa an
                                 der Kirchner-Wand.

Die Porträtgalerie mit
angedeutetem Kamin erin-
nerte an die vormoderne
Salonhängung.

                           266
                           267
Unter dem Raumtitel
                                                                                                             „Stützen der Gesellschaft“
                                                                                                             wurde politische und
                                                                                                             sozialkritische Kunst der
                                                                                                             Weimarer Republik gezeigt.
                                                                                                             Neben Werken von George
                                                                                                             Grosz und Otto Dix konnten
                                                                                                             auch Gemälde von Ludwig
                                                                                                             Meidner, Heinrich Ehmsen
                                                                                                             und Josef Scharl ausge-
                                                                                                             stellt werden.

         Unter dem von Charlie Chaplins berühmtem Film       über Potsdam“ von 1930 konnten wir während der
entliehenen Titel „Moderne Zeiten“ begann im Frühjahr        Laufzeit eine Neuerwerbung vorstellen und in die Schau
2010 die erste von drei großen, chronologisch anein-         integrieren. Künstler wie Oskar Fischer und Curt Querner
ander anschließenden Sammlungspräsentationen, die            hatten dem Kommunismus nahe gestanden, ihre Werke
jeweils das gesamte Untergeschoss der Neuen National-        waren in der DDR gesammelt, nach der Wiedervereini-
                                                                                                                                                Erstmals traten alle
galerie füllten. In den Jahren zuvor waren dort meist Son-   gung jedoch in die Depots verbannt worden. Durch ihre                              zehn der Nationalgalerie
derausstellungen zu sehen gewesen, und wenn dazwi-           Aufnahme in die Sammlungspräsentation wollten wir                                  gehörenden Skulpturen von
schen die eigene Sammlung gezeigt wurde, dann nur in         auch den politischen Charakter des Nationalgalerie-                                Rudolf Belling zusammen
                                                                                                                                                auf und veranschaulichten
einem kleinen Ausschnitt der Bestände. Nach seinem           Bestandes deutlich hervorheben.                                                    die stilistische Band-
Amtsantritt als Nationalgalerie-Direktor traf Udo Kittel-    Um die Vielfalt der Moderne zu vermitteln, konzipierten                            breite dieses Bildhauers.
mann die programmatische Entscheidung, das Unter-            wir einen Wechsel thematisch, stilgeschichtlich und
geschoss dauerhaft der Sammlung zu widmen. Durch             künstlermonografisch ausgerichteter Räume. Diese
die Dreiteilung der Präsentation konnten wir neben dem       waren nicht mit politischen oder kunsthistorischen
Kanon der „Highlights“ auch viele unbekanntere, aber         Begriffen benannt, sondern jeweils nach dem Titel
gleichermaßen bedeutende Werke vorstellen. Außerdem          eines in ihnen enthaltenen Kunstwerks, etwa „Brüder
wollten wir demonstrieren, dass die Sammlung die zur         zur Sonne, zur Freiheit“. Unterschiedliche Wandfarben
Verfügung stehende Fläche gleich mehrfach füllt und          akzentuierten inhaltliche Aspekte und Grundstimmun-
daher dringend einen Erweiterungsbau benötigt.               gen. Es gab eine für Sammlungspräsentationen erstaun-
Kuratorisch wurden die drei Sammlungspräsentationen          lich große, positive Resonanz in der Presse und beim
„Moderne Zeiten“, „Der geteilte Himmel“ und „Auswei-         Publikum. Die erstmals ausschließliche Konzentration                               Als permanenter Gast
tung der Kampfzone“ gemeinsam von Udo Kittelmann,            auf die klassische Moderne war dafür ebenso wichtig wie                            bespielte das Kupferstich-
Joachim Jäger und mir erarbeitet. Den Ausgangspunkt          die Tatsache, dass wir die Zeit des Nationalsozialismus                            kabinett einen Raum mit
                                                                                                                                                wechselnden Präsentationen
bildeten ausführliche Depot-Rundgänge, bei denen wir         nicht ausgeklammert hatten.                                                        von Arbeiten auf Papier.
Entdeckungen machten und intensiv diskutierten. Dabei                                                                                           Damit wurde auch an die
hatten wir beispielsweise zu dem 1919 entstandenen,          Dieter Scholz, Kurator für klassische Moderne                                      Sammlung der Zeichnungen
                                                             in der Neuen Nationalgalerie                                                       erinnert, die bis 1986
expressiven Gemälde „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“                                                                                            zur Nationalgalerie gehört
von Oskar Fischer durchaus unterschiedliche Ansichten,                                                                                          hatte.
nahmen es aber in die Präsentation auf. Auch den bisher
weniger beachteten Realismus versuchten wir neu zu                                                                                        268                                   2010 / 2011
bewerten, und mit Lotte Lasersteins Hauptwerk „Abend                                                                                      269                                Moderne Zeiten
2014

Otto Piene
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2014              2014
Otto Piene   Otto Piene
An einem der heißesten Tage des
                                                                                                  Jahres begann bereits morgens
                                                                                                  die Befüllung der Heliumschläuche
                                                                                                  für das Sky Art Event.

                                                          Für Otto Piene, den Licht- und          bis in die späte Nacht, möglichst bei freiem    löste uns Stephan Landwehr mit zwei kleinen
                                                ZERO-Künstler, der seit 1974 am MIT               Eintritt, zu erleben. Diese Aufhebung des       Bars, die er in den Garderoben einrichtete
                                                (Massachusetts Institute of Technology in         normalen Betriebs begeisterte Otto Piene,       und an denen Cocktails angeboten wur-
                                                Cambridge, USA) ein eigenes Künstlerins-          der darauf verwies, dass die ZERO-Künstler      den. Fraglich, bei allem Aufwand, schien uns
                                                titut leitete, waren Prozesse immer wichti-       die Regularien der Museen schon immer für       jedoch, ob jenseits einzelner Nachtschwär-
                                                ger als einzelne Ergebnisse. Kunst, sagte         zu engstirnig gehalten hätten. Klar war uns     mer überhaupt jemand kommen würde? Wir
             Tausende Zuschauer kamen
             zu Ehren von Otto Piene.           er oft, bestehe „im Wagnis und im Experi-         jedoch auch: Wegen der Dimensionen der          rechneten mit maximal fünfzig Menschen
                                                ment“. Unsere Treffen in Berlin, zu denen         Halle konnten die Dias nicht mit der histo-     pro Nacht. Doch es kam anders. Otto Piene
                                                der damals bereits weit über achtzigjährige       rischen Kodak-Technik projiziert werden,        konnte die parallel in der Deutschen Bank
                                                Künstler mehrmals im Jahr von Boston aus          die um 1964 vor allem wegen der endlos          KunstHalle stattfindende Ausstellung zu
                                                anreiste, waren aus seiner Sicht bereits Teil     laufenden Rundkarusselle Furore gemacht         Werken aus seiner ZERO-Zeit noch selbst
                                                seiner künstlerischen Arbeit. Für die Halle       hatte. Es mussten also digitale Versionen       eröffnen. Auch in der folgenden Nacht, bei
                                                hatte Otto Piene zunächst vorgeschlagen,          verwendet werden, die für die alten Dias        der Preview der Dia-Performance, nahm
                                                große aufblasbare Skulpturen, sogenannte          bereits vorlagen. Der Fotograf Michael          er im Rollstuhl den Applaus der Gäste ent-
                                                Inflatables, zu zeigen. Zeitgleich hatte er die   Wesely half uns dabei, die neu hinzugekom-      gegen. Am nächsten Mittag jedoch, im Taxi
                                                alten Farben seiner frühen Glasdias wieder-       menen Dias ebenfalls zu digitalisieren. Test-   vom Museum ins Hotel, verstarb der Künst-
                                                entdeckt, mit denen er erneut zu arbeiten         projektionen, nachts in der menschenleeren      ler gänzlich überraschend. Das für das erste
                                                begann. So entstanden malerische, viel-           K. O.-Götz-Ausstellung, zu denen Otto Piene     Wochenende nach der Eröffnung geplante
                                                farbige neue Dias. Parallel lernten wir Otto      eigens anreiste, überzeugten und halfen uns     Sky Art Event wollten wir zunächst absagen,
                                                Pienes alte Glasdias aus den 1960er Jahren        bei der Entwicklung einer räumlichen Dra-       es fand dann aber, auf vehementes Zureden
                                                kennen, die sich hauptsächlich im Besitz          maturgie. Hinzu trat das akustische Element.    aller Piene-Vertrauten, wie geplant statt.
                                                der Kunsthalle Bremen, aber teilweise             Neben den Dias haben sich in Bremen und         Mit dem Aufblasen der ersten Luftkörper
                                                auch bei dem Künstler zu Hause befanden.          auch in der ZERO foundation in Düsseldorf       wurde bereits morgens begonnen, tatkräf-
                                                Diese begeisterten uns mit ihrer spirituellen     Tonband-Aufzeichnungen einer historischen       tig unterstützt vom Technischen Hilfswerk
                                                Energie und Leuchtkraft. Recherchen über          Piene-Performance erhalten, die wir auslei-     und zahlreichen Künstler-Assistenten. Die
                                                frühe Dia-Performances von Piene in Bonn,         hen konnten. Streng nach dem Takt dieses        Hauptaktion vollzog sich vom Nachmittag
                                                Düsseldorf und New York bestärkten uns            Tonbandes wurden die Beamer program-            bis in die Nacht. 10.000 Menschen kamen,
             Otto Piene, zwei Tage
             vor seinem Sky Art Event           schließlich darin, ein Revival zu wagen: eine     miert. Lange Diskussionen ergaben sich zu       um dem stundenlangen, äußerst langsamem
             auf dem Dach, zeigte sich          Re-Inszenierung der Dia-Performances der          der Frage, ob man das „Klick“-Geräusch der      Schwebe-Prozess der Stoff-Skulpturen bei-
             begeistert von den idealen         1960er Jahre. Von Anfang an war dabei klar:       alten Diakarussells nachahmen sollte oder       zuwohnen. Es war ein denkwürdiger Abend.
             Ausgangsbedingungen. Neben
             ihm seine Freunde Günter           Die große Halle musste dunkel sein. Ganz          gerade nicht. Wir entschieden uns dage-
             Thorn und John Powell.             aus pragmatischem Denken beschlossen              gen. Statt Beschriftungen, die im Nachtbe-      Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie
                                                wir, die Öffnungszeiten umzudrehen. Tags-         trieb des Museums sinnlos gewesen wären,
2014                                      298   über sollte in der Halle nichts geschehen;        wurde eine Zeitung mit zentralen Texten                                                                2014
Otto Piene                                299   die Performances wären aber von 22 Uhr            von Piene entwickelt. Die Versorgungsfrage                                                        Otto Piene
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