Was ist eine Depression? Fragen und Antworten Eine Information der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)

 
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Handbuch Psych. Gesundheit

Was ist eine Depression? Fragen und Antworten
Eine Information der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie
und Nervenheilkunde (DGPPN)

Eine Depression ist eine psychische Erkrankung, die sich in zahlreichen Beschwerden
äußern kann. Eine anhaltende gedrückte Stimmung, eine Hemmung von Antrieb und
Denken, Interessenverlust sowie vielfältige körperliche Symptome, die von Schlaflosigkeit
über Appetitstörungen bis hin zu Schmerzzuständen reichen, sind mögliche Anzeichen einer
Depression. Die Mehrheit der Betroffenen hegt früher oder später Suizidgedanken, 10 bis
15% aller Patienten mit wiederkehrenden depressiven Phasen sterben durch Suizid.

Häufigkeit
In Deutschland leiden schätzungsweise 5% der Bevölkerung, d.h. etwa 4 Millionen
Menschen, aktuell an einer Depression. Pro Jahr erkranken etwa 1 bis 2 Personen von 100
neu. Depressive Episoden kommen in jedem Lebensalter vor, der Erkrankungsgipfel liegt
zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Nach aktuellen Studien erkranken viele Patienten
aber bereits im Alter von 16 bis 20 Jahren erstmals. Die Wahrscheinlichkeit im Laufe des
Lebens eine Depression zu entwickeln, beträgt zwischen 7 und 18%. Frauen sind etwa
doppelt so häufig wie Männer betroffen. Bei etwa einem Drittel der Fälle nimmt die
Depression einen chronischen Verlauf.
Viele der Betroffenen suchen allerdings keinen Arzt auf, sei es aus Unwissenheit,
Verdrängung oder aus Schamgefühl. Häufig werden aber auch Depressionen aufgrund ihres
vielfältigen Erscheinungsbildes vom Hausarzt nicht erkannt. Es gehört neben medizinischem
Fachwissen viel psychiatrische Erfahrung dazu, um eine Depression schnell und sicher zu
diagnostizieren.
Wird einmal die richtige Diagnose gestellt, ist die Lage alles andere als aussichtslos. In den
letzten Jahrzehnten hat sich hinsichtlich der Therapie einiges getan und mehr als 80% der
Erkrankten kann geholfen werden. Deswegen ist es umso wichtiger, dass die
Allgemeinbevölkerung für dieses Thema sensibilisiert und aufgeklärt wird: Denn eine
Depression kann jeden treffen, unabhängig von Alter, Geschlecht und sozialem Status.

Was können die Ursachen von Depressionen sein?

Eine Depression entsteht in der Regel aus dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren.
Welche Rolle erbliche, neurobiologische und umweltbedingte Faktoren spielen, ist individuell
unterschiedlich und im Einzelfall nicht leicht zu beantworten. Eine genetische Veranlagung,
Störungen des Gehirnstoffwechsels sowie bestimmte lebensgeschichtliche, psychosoziale,
interpersonelle und Persönlichkeits-Faktoren können alleine oder in Kombination
entscheidend zu einer depressiven Erkrankung beitragen.

Genetische Veranlagung
Eine erbliche Vorbelastung trägt nach dem heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu
der Entstehung einer Depression wesentlich bei. Denn Depressionen treten familiär gehäuft
auf. Sind Verwandte ersten Grades betroffen, liegt die Gefahr, selbst eine Depression zu
entwickeln, bei etwa 15%. Bei eineiigen Zwillingen steigert sich das Risiko, dass beide an
einer Depression erkranken auf mindestens 50%. Dies belegt, dass ein genetischer Faktor
vorhanden sein muss. Genetische Faktoren können darüber hinaus die Empfindlichkeit
(Vulnerabilität) gegenüber psychosozialen Belastungen erhöhen.

Stoffwechsel- und Funktionsstörungen im Gehirn
Viele Untersuchungen deuten darauf hin, dass Depressionen u.a. durch eine
Stoffwechselstörung im Gehirn hervorgerufen werden. Dabei scheinen bestimmte
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Überträgersubstanzen (so genannte Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin, Noradrenalin,
Acetylcholin, Gamma-Aminobuttersäure) aus dem Gleichgewicht geraten zu sein.
Depressive Patienten weisen im Vergleich zu Gesunden oft eine erniedrigte Konzentration
dieser Botenstoffe auf, wobei das Ausmaß der betroffenen Neurotransmitter-Systeme
individuell unterschiedlich sein kann. Diese Annahme wird durch den generellen
Wirkmechanismus einer bestimmten Medikamentengruppe, den so genannten
„Antidepressiva“ gestützt. Diese Wirkstoffe sorgen für eine Erhöhung bestimmter Botenstoffe
im neuronalen System und helfen, die Symptome einer Depression zu mindern bzw. sie zu
unterdrücken. Antidepressiva sind jedoch nicht bei allen Patienten wirksam, vermutlich gibt
es individuelle Unterschiede in der Ausprägung der Neurotransmitter-Störungen.

Lebensgeschichtliche und Persönlichkeits-Faktoren
Ein weiterer Faktor, der zur Entstehung einer Depression beitragen kann, beruht auf einer
fehlgeleiteten Entwicklung in der Kindheit. Auch der frühe Verlust eines Elternteils, eine
Störung der Mutter-Kind-Beziehung sowie das Fehlen eines Selbstwertgefühls seit frühester
Kindheit können zu einer besonderen Verletzlichkeit gegenüber Enttäuschungen führen.
Unzureichend verarbeitete Verlusterlebnisse bzw. Traumata (z.B. sexueller Missbrauch,
Erlebnis von Katastrophen) können bei erneuten Krisensituationen (z.B. Trennung vom
Partner) den Ausbruch einer Depression fördern.
Ein ängstlich-überfürsorglicher Erziehungsstil und eine daraus resultierende „erlernte
Hilflosigkeit“ sowie mangelnde Stressbewältigungsmöglichkeiten der Betroffenen können ein
Risikofaktor für die Entwicklung einer Depression sein. Dabei können diese Faktoren
allerdings nicht nur Ursache, sondern auch Resultat der Erkrankung eines
Familienmitgliedes sein. So kann ein überbehütender Umgang dadurch erklärt werden, dass
Eltern frühzeitig die psychische Verletzlichkeit und Erkrankungsbereitschaft des Kindes
wahrnehmen und entsprechend schützend reagieren.

Interpersoneller und psychosozialer Kontext
Bei vielen Depressionen tritt die Erkrankung nach kritischen, belastenden oder negativen
Ereignissen auf, z.B. dem Verlust eines Partners bzw. Angehörigen oder Probleme mit
nahen Bezugspersonen, Scheidung/Trennung etc. oder einfach nur Veränderungen der
gewohnten Lebensweise wie z.B. durch Berentung. Es ist nachgewiesen, dass belastende
Lebensereignisse zu neurobiologischen Reaktionen wie z.B. vermehrter Ausschüttung des
Stresshormons Cortisol führen, welches auch bei Depression in erhöhter Konzentration im
Blut gefunden wird. Häufig spielen auch körperliche Erkrankungen (z.B. chronische
Schmerzen, Krebs-, Herz-Kreislauf- und Demenz-Erkrankungen) und bestimmte
Medikamente bei der Auslösung einer Depression eine Rolle.

Wie bemerke ich eine Depression?

Vorboten einer möglichen Depression
Einer Depression gehen oft unspezifische Frühsymptome voraus, d.h. Anzeichen, die auch
auf verschiedene andere Erkrankungen hinweisen könnten. Diese möglichen Frühsymptome
können ohne Anlass oder als Reaktion auf belastende Ereignisse auftreten und sich langsam
über Wochen oder Monate, seltener über Nacht oder mehrere Tage, zu einer depressiven
Phase ausweiten. Mögliche erste Anzeichen sind:

   •   Schlafstörungen;
   •   Schmerzen (z.B. unspezifische Kopf- oder Bauchschmerzen);
   •   ständige Müdigkeit, Energiemangel;
   •   nachlassendes sexuelles Interesse;
   •   Reizbarkeit, Angst;
   •   zunehmende Lustlosigkeit, Apathie;
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   •   missmutige Stimmungslage;
   •   Appetitlosigkeit.

Wenn die Depression akut ist
Die meisten depressiven Patienten können ihre Beschwerden anfangs nicht einordnen und
sind sich nicht bewusst, dass es sich um eine seelische Störung handelt. Eher glauben sie,
sich nicht genug anzustrengen oder zusammenzureißen. Oftmals gehen sie zu Beginn einer
depressiven Phase mit uncharakteristischen Symptomen wie Müdigkeit,
Konzentrationsstörungen, schlechter Laune etc. zum Arzt. Einige Betroffenen schildern ihre
Gemütslage meist als Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Apathie. Andere Patienten
fühlen sich in depressiven Episoden deprimiert, innerlich leer oder auch gefühllos, unfähig in
gewohnter, normaler Weise auf freudige oder bedrückende Ereignisse zu reagieren.
Betroffene verlieren ihren Antrieb sowie ihr Interesse und ihre Freude am Leben, sind
ständig müde. Ihr Alltag ist geprägt von Energie- und Lustlosigkeit. Typisch ist, dass sich die
Betroffenen zu allem zwingen müssen – anfangs nur zu aufwändigeren und ungeliebten,
später aber auch zu leichteren und angenehmen Tätigkeiten. Sie verfolgen keine Ziele mehr
und vernachlässigen ihre Familie, den Beruf und sogar alltägliche Verrichtungen wie
Nahrungsaufnahme und Hygiene.

Die Heftigkeit der Symptome schwankt meistens während des Tages. Weiter können
frühmorgendliches Erwachen sowie ein morgendliches Stimmungstief und eine deutlich
verminderte sexuelle Lust (Libidoverlust) auftreten. Vielfach wird eine Gewichtsabnahme
aufgrund der Appetitlosigkeit beobachtet.
Bei 70 bis 80% der Patienten tritt die Depression in Verbindung mit Angstgefühlen, zum Teil
bis hin zu einer behandlungsdürftigen Angststörung auf. Bei etwa 15% der depressiven
Patienten kommt es zu psychotischen Anzeichen wie Wahnideen (psychotische, „wahnhafte“
Depression).
Die Hemmung des Antriebs kann sich auch im äußerlichen Erscheinungsbild mit einer
Verlangsamung der Reaktionen, Bewegungen und Sprache bemerkbar machen, Mimik und
Gestik sind starr. Im Extremfall können Betroffene nur unter großer Mühe reden oder sich
bewegen. Auch das Denken und die Auffassungsgabe sind gehemmt: Kreativität,
Konzentrations- und Merkfähigfähigkeit schwinden. Im Extremfall so weit, dass fälschlicher
Weise eine Hirnabbauerkrankung vermutet wird.
Als körperliche Beschwerden können im Rahmen einer Depression z.B. Schmerzen,
Druckgefühle auf der Brust oder Atembeschwerden auftreten – in manchen Fällen können
diese sogar im Vordergrund stehen.
Generell können auch Phasen der Hormonumstellung, insbesondere bei Frauen z.B. nach
einer Geburt oder in der Menopause von depressiven Störungen begleitet werden.

Wie kann sich eine Depression auswirken?
Depressive Patienten, die sich nicht in Therapie begeben, befinden sich schnell in einem
Teufelskreis. Die Symptome einer depressiven Störung belasten die ganze Familie,
Partnerschaft und auch Freundschaften. Häufig kommt es zusätzlich zu Problemen am
Arbeitsplatz. Diese krankheitsbedingten sozialen Beeinträchtigungen sind erheblich und
scheinen bei vielen Patienten auch nach Abklingen der depressiven Symptome anzuhalten.
Als Folge neigen depressive Patienten zu Missbrauch von Alkohol, Medikamenten oder
Drogen.

Hohes Suizid-Risiko
Die schlimmste Auswirkung einer Depression ist der Suizid. 10 bis 15% aller Patienten mit
wiederkehrenden depressiven Phasen, die deshalb mindestens 1 Mal stationär behandelt
werden musstensterben durch Suizid. Besonders gefährdet sind Personen, die in
belastenden psychosozialen Verhältnissen leben, etwa geschieden sind oder alleine leben,
Alkohol oder Drogen missbrauchen, außerdem Betroffene im fortgeschrittenen Alter und
solche die schon Suizidversuche hinter sich haben. Wenn Ängste, Panikattacken oder
Schlafstörungen gleichzeitig das depressive Störungsbild mitbestimmen ist ebenfalls hohe
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Vorsicht geboten. Die Patienten bringen sich meist am Anfang oder am Ende einer Episode,
wenn die Stimmung schon gedrückt, aber der Antrieb noch oder schon wieder vorhanden ist,
um.

Besonderheiten bei älteren Menschen
Bei den über 65-Jährigen ist die Altersdepression die häufigste psychische Erkrankung.
Paradox erscheint, dass die Gemütserkrankung nur bei rund 10% der Betroffenen
diagnostiziert wird und noch weniger von ihnen eine adäquate Behandlung erhalten. Das
Diagnoseproblem besteht unter anderem darin, dass sich das Krankheitsbild oft mit anderen
alterstypischen Krankheiten wie z.B. der Demenz überlappt.
Auslöser, im Alter an einer Depression zu erkranken, finden sich oft im Gesundheitszustand
des Betroffenen. Ständige Schmerzen, nachlassende Herz- und Gehirnleistung oder
Bewegungseinschränkung können die Lebensqualität so stark beeinträchtigen, dass eine
Depression ausbrechen kann. Auch soziale Probleme wie Isolation, Tod oder Krankheit des
Partners, Umzug in eine Pflegeeinrichtung stellen Risikofaktoren dar.
Die Symptome der Depression im Alter sind denen der jüngeren Generation sehr ähnlich,
nur entwickeln sie sich eher schleichend und werden oft von körperlichen Beschwerden
verdeckt. Dies erschwert die Diagnosestellung enorm. Bei der Behandlung ist auf das Alter
und die Verfassung des Patienten Rücksicht zu nehmen. In der Regel lässt sich die
Depression auch hier erfolgreich therapieren. Allerdings ist zu beachten, dass Stoffwechsel
und Organe des älteren Menschen die entsprechenden Medikamente im Vergleich zu
jüngeren schlechter vertragen, weswegen bei der Auswahl der Medikamente die
Verträglichkeit im Vordergrund steht.
Ein weiterer Unterschied zu jüngeren Patienten besteht in dem viel höheren Risiko eines
Rückfalls auch bei einer erfolgreich therapierten Depression. Deshalb wird bei älteren
Menschen mit wiederkehrenden Depressionen empfohlen, die letzte wirksame und
nebenwirkungsärmere Medikation zur Rezidivprophylaxe (Wiedererkrankungs-Vorbeugung)
lebenslang beizubehalten.

Untersuchungsmethoden

Basis für die Diagnosestellung ist eine umfangreiche psychische Befunderhebung, die ein
ausführliches Arzt-Patienten-Gespräch u.a. zu Belastungssituationen in jüngster Zeit
beinhaltet. Hilfreich ist auch der zusätzliche Einsatz von standardisierten Fragebögen. Im
Idealfall werden auch Angehörige in die Befragung einbezogen, wenn der Betroffene
einverstanden ist (außer in Notfällen). Wichtig für den Arzt ist es auch, neben den aktuellen
Beschwerden Vorerkrankungen zu kennen, die in der Vergangenheit aufgetreten sind.
Schließlich muss geklärt werden, ob eine familiäre Belastung vorliegt.
Grundlage der Diagnosestellung sind weltweit einheitliche Standards zu Symptomen und
Schweregraden.

Ausschluss körperlicher Ursachen
Für eine sichere Diagnose muss der Betroffene auch körperlich – neurologisch und
internistisch - untersucht werden, um organische Krankheiten mit ähnlicher Symptomatik
ausschließen zu können. Hierzu gehören z.B. Hirntumore, Morbus Parkinson, Multiple
Sklerose, Hirnhautentzündung, Epilepsie, Migräne, Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen
oder Störungen der Nebennierenfunktion. Bei älteren Patienten ist ein Ausschluss einer
Demenz -Erkrankung wichtig.
Routinemäßig kommen Blut-Untersuchungen (Schilddrüsen-, Leber- und Nierenwerte) und
apparative Verfahren wie z.B. eine Elektrokardiografie (EKG), eine Ableitung der Hirnströme
(EEG) und eventuell auch eine Computertomografie oder eine Kernspintomografie des
Kopfes zum Einsatz. Insbesondere beim erstmaligen Auftreten einer depressiven
Erkrankung ist es wichtig, körperliche Ursachen der Depression auszuschließen. Darüber
hinaus klärt der Arzt ab, dass nicht bestimmte Medikamente wie etwa manche Herz-
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Kreislauf-Medikamente, Steroidhormone (z.B. Cortison), Antibiotika und Zytostatika oder
Suchtstoffe wie Alkohol die depressiven Störungen verursachen.

Abgrenzung von anderen psychischen Erkrankungen
Für die Behandlung wichtig ist es, Depressionen gegenüber anderen psychischen
Krankheitsbildern wie der Schizophrenie oder Angststörung abzugrenzen. Denn Angst- und
Depressionszustände treten z.B. häufig zusammen auf.
Auch gilt es abzuklären, dass die Depression nicht im Rahmen einer bipolaren Störung
(„manisch-depressive Erkrankung“) auftritt, bei der es neben depressiven Phasen auch zu
Phasen übersteigerter („manischer“) Stimmung kommt. Etwa ein Fünftel der Patienten mit
der Diagnose „unipolare Depression“ durchläuft innerhalb der folgenden Jahre eine Manie
und erfüllt dann die Diagnose einer bipolaren Störung, die anders als eine „reine“ Depression
behandelt wird.
Die frühe Diagnose ist für einen positiven Verlauf der depressiven Erkrankung sehr wichtig.
Je weniger Krankheitsepisoden bis zum Beginn einer entsprechenden Therapie
stattgefunden haben, desto besser ist die langfristige Prognose. Außerdem kann durch einen
frühen Behandlungsbeginn vermieden werden, dass es zu weiteren negativen
gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen kommt.

Therapiekonzepte / Behandlungsphasen

Die Symptome von depressiven Episoden lassen sich mit modernen Behandlungsmethoden
oft beheben oder zumindest lindern und die Lebensqualität der Betroffenen damit
entscheidend verbessern. Trotzdem bleibt den Betroffenen eine lebenslange gesteigerte
Neigung, depressive Symptome zu entwickeln, deren Ursachen sich bisher nicht heilen
lassen. Jede depressive Episode erhöht das Risiko für eine weitere Episode und das
Absetzen der Behandlung steigert die Wahrscheinlichkeit für eine solche Entwicklung.
Wesentliche Grundlage der Behandlung mittelschwerer bis schwerer Depressionen ist der
Einsatz antidepressiver Medikamente, die Durchführung einer Psychotherapie oder die
Kombination beider Maßnahmen. Bei leichten und mittelschweren depressiven Phasen ist
Psychotherapie ebenso wirksam wie Medikamente. Psychotherapie benötigt allerdings mehr
Zeit als ein Antidepressivum, bis die Wirkung eintritt. Bei leichten Depressionen können auch
alleine unterstützende ärztliche Gespräche (Clinical Management) wirksam sein. Bei
schweren depressiven Episoden (und bei Dysthymien, d.h. leichteren, jedoch chronischen
Depressionen) ist nach heutigen Erkenntnissen eine Kombinationstherapie wirksamer als
Psychotherapie alleine
Ob eine ambulante Behandlung möglich oder ein stationärer Aufenthalt nötig ist, ist u.a. von
der Art und der Schwere der Depression sowie vom individuellen Suizidrisiko abhängig. Bei
einer psychotischen Depression ist eine Klinikeinweisung z.B. meist unumgänglich. Das
gleiche gilt für eine massive, die Krankheit aufrechterhaltende häusliche Konfliktsituation
oder die Erfolglosigkeit ambulanter Therapieversuche. Die Behandlung der depressiven
Erkrankung ist je nachdem, in welcher Phase der Erkrankung der Betroffene sich befindet,
unterschiedlichen Zielen unterworfen:

1. Akuttherapie
Die Akuttherapie sollte beginnen sobald eine akute Krankheitsphase auftritt. Sie wird so
lange fortgesetzt bis sich die akuten Symptome der Depression deutlich gebessert haben,
sie dauert daher in der Regel vier bis acht Wochen an. Die Aufklärung über die Erkrankung
und das geplante Therapiekonzept sowie über die mögliche Notwendigkeit der Einnahme
von Medikamenten stehen während der Akuttherapie im Mittelpunkt. Wenn möglich, sollten
Bezugspersonen des Patienten zu dem psychoedukativen Gespräch miteinbezogen werden.
Neben dieser so genannten Psychoedukation spielt auch der Kontakt zu Ihrem Arzt in dieser
Phase eine ganz wichtige Rolle – er steht Ihnen für alle Fragen zur Verfügung und macht
Ihnen Mut, die Behandlung fortzusetzen und die evtl. verordneten Medikamente regelmäßig
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einzunehmen. Dabei sollten Betroffene wissen, dass die Wirkung antidepressiver
Medikamente oft erst nach einigen Tagen bis Wochen eintritt.

2. Erhaltungstherapie
Die Erhaltungstherapie (continuation) schließt sich an die Akuttherapie an und soll den
Zustand des Betroffenen so weit stabilisieren, dass es nicht zu einem direkten Rückfall
kommt. In der Regel dauert diese Phase ca. 6-8 Monate. Unter einem Rückfall versteht man
das Wiederauftreten von Krankheitsanzeichen bevor es zur wirklichen Genesung gekommen
ist. Kommt es zu erneuten Symptomen nach einer Wiederherstellung des ursprünglichen
Gesundheitszustandes, sprechen Ärzte von einer Wiedererkrankung. Ziel der
Erhaltungstherapie ist es, diesen stabilen Zustand die nächsten sechs Monate zu halten, da
es in dieser Phase auch unter ansonsten alltäglicher Belastung leichter wieder zu einer
Verschlechterung kommt. Wichtig ist es dafür, mögliche Warnzeichen für einen Rückfall
frühzeitig zu erkennen und Mechanismen zur Abwendung zu kennen. Ein vertrauensvolles
Arzt-Patienten-Verhältnis bildet die Basis einer erfolgreichen Therapie.

3. Wiedererkrankungs-Verhütung (Rezidivprophylaxe)
Die Vorbeugung einer Wiedererkrankung beginnt, sobald sich die Stimmungslage des
Betroffenen wieder längerfristig normalisiert hat. Sie soll, insbesondere bei Patienten, die
bereits mehr als 2 Erkrankungsphasen durchlebt haben, langfristig verhindern, dass es zu
einer erneuten akuten Krankheitsepisode kommt. Wie lange diese so genannte
Rezidivprophylaxe durchgeführt wird, hängt u.a. von der Anzahl und Schwere der
depressiven Episoden ab. Generell sollte die verordnete Therapie des Arztes nicht
selbstständig abgesetzt werden und ein geregelter Ruhe/Aktivitätsrhythmus im Alltag erreicht
und aufrechterhalten werden. Bei einer drohenden Wiedererkrankung sollten in der
Psychoedukation erlernte Frühinterventionsmaßnahmen greifen.
Die Einbeziehung des Partners und von Familienangehörigen spielt in der Therapie
depressiver Erkrankungen häufig eine große Rolle. Die Angehörigen sollten über das
Erscheinungsbild, die Behandlungsmöglichkeiten und die Prognose der Erkrankung
eingehend informiert werden (Psychoedukation). Denn nur mit einem fundierten Wissen
können sie den Patienten unterstützen, zur Fortsetzung der Behandlung motivieren und zum
Schutz vor Rückfällen beitragen.

Medikamentöse Therapie

Viele Erkrankungen werden durch die auf die Psyche wirkenden Medikamente erst
behandelbar, indem sie u.a. eine Basis für eine psychotherapeutische Behandlung und eine
Soziotherapie schaffen. Oft wird nur durch die Gabe von so genannten Psychopharmaka
eine ambulante Behandlung der Patienten möglich – mit dem Ziel, dass diese sich schneller
wieder in Gesellschaft und Beruf einfinden können.
Für die Behandlung einer Depression kommen so genannte Antidepressiva zum Einsatz.
Unter der Bezeichnung „Antidepressiva“ wird eine Gruppe von Medikamenten
zusammengefasst, die bei depressiven Erkrankungen die Stimmung aufhellen und den
Antrieb normalisieren. Dementsprechend verringern sie auch die typischen körperlichen
Symptome (z.B. Kopf- und Rückenschmerzen, Schlafstörungen und Magen-Darm-
Beschwerden), die eine Depression zur Folge hat.
Der Wirkung der Antidepressiva beruht darauf, dass sie den Stoff-wechsel der körpereigenen
Neurotransmitter Serotonin und/oder Noradrenalin (Botenstoffe, die wichtig sind bei der
Übertragung von Nervenimpulsen) im Gehirn, der bei Depression gestört zu sein scheint,
wieder ausgleichen. Man unterscheidet zwischen selektiven Serotonin-
Wiederaufnahmehemmern (SSRI), selektiven Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern
(SNRI), dualen selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SSNRI),
noradrenergen und spezifisch serotonergen Antidepressiva (NaSSA),
Monoaminoxidasehemmern (MAO-Hemmer) sowie tri- und tetrazyklischen Antidepressiva.
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Weitere Informationen zur Wirkweise der einzelnen Antidepressiva finden Sie im Kapitel
Therapieformen / Medikamentöse Therapie.
Ihre Wirkung entfalten Antidepressiva meist erst nach 2-3 Wochen. Wenn die Symptome
abklingen, müssen die Medikamente in der Regel noch weiter eingenommen werden. Sie
sollten auf keinen Fall eigenmächtig abgesetzt werden, da dadurch die Gefahr eines
Rückfalls bzw. einer Wiedererkrankung besteht. Antidepressiva machen auch bei längerer
Einnahme nicht abhängig!
Bei leichten depressiven Störungen kommen auch pflanzliche Alternativen wie Johanniskraut
zum Einsatz. Aber auch hier ist mit Nebenwirkungen wie erhöhte Lichtempfindlichkeit oder
Veränderungen der Blutspiegel anderer einzunehmender Medikamente zu rechnen. Liegen
Begleitsymptome wie z.B. Schlafstörungen, starke Angst oder Nervosität vor, wird der Arzt
evtl. entsprechend weitere Medikamente verordnen.

Psychotherapeutische Verfahren

Psychotherapeutische Verfahren gehen heutzutage gezielt auf die Erfordernisse des
jeweiligen Krankheitsbildes ein, d.h. viele Psychotherapieformen sind nicht allgemeingültig,
sondern störungsspezifisch auf die Erkrankung zugeschnitten. Das Ziel der meisten
psychotherapeutischen Verfahren mit kommunikativen und/oder übenden Techniken besteht
darin, dem Patienten Strategien zur Bewältigung von inneren und/oder
zwischenmenschlichen Konflikten aufzuzeigen, ihm Handlungskompetenz zu vermitteln und
sein Selbstvertrauen aufzubauen. Wichtig ist es auch, dem Betroffenen zu verdeutlichen,
dass es sich um eine Erkrankung – ohne sein Verschulden - handelt. Im Wesentlichen
kommen fünf verschiedene Formen der Psychotherapie bei depressiven Patienten zum
Einsatz:

Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie entstand in den 50er Jahren und basiert auf Erkenntnissen der
modernen Lerntheorie. Positive Konsequenzen oder verstärkende Faktoren wie Lob und
Zuwendung erhöhen demnach die Häufigkeit bestimmter Aktivitäten; negative Folgen, etwa
eine Bestrafung, mindern ein Verhalten. Depressive Störungen werden als Resultat eines
Verlustes an positiven Verstärkern, insbesondere für aktives soziales Verhalten, angesehen -
ausgelöst etwa durch Partnerkonflikte oder Probleme am Arbeitsplatz.
Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass jedes Verhalten erlernt, aufrechterhalten, aber
auch wieder verlernt werden kann. Unter „Verhalten“ versteht sie heutzutage nicht nur die
von außen beobachtbaren Verhaltensschritte und nachweisbaren körperlichen Reaktionen.
Vielmehr gehört dazu auch das nicht unmittelbar beobacht- und nachweisbare Verhalten
etwa Gefühle, Gedanken, Motive und Bewertungen. Psychische Störungen werden als
fehlerhaft erlerntes Verhalten in Anpassung an äußere und innere Reize gesehen und nicht,
wie etwa in der Psychoanalyse, als Symptom eines unbewussten Konflikts. Bei der
Verhaltenstherapie geht es darum, „falsch“ Gelerntes umzulernen oder bisher Nicht-
Gelerntes zu erlernen. Der Patient wird motiviert, aktive positive Verhaltensweisen
aufzubauen.
Zu Beginn der Therapie versucht der Psychotherapeut, mithilfe der Verhaltensanalyse die
Verhaltensmuster des Patienten zu verstehen. Es geht ihm darum herauszufinden, welche
Bedingungen bestimmte Reaktionen des Patienten verursachen oder aufrechterhalten und
wie die Lerngeschichte unerwünschter Verhaltensweisen aussieht: Wie wird reagiert, was
sind die Folgen, welche Konsequenzen hat das Verhalten? Anschließend werden die
Behandlungsziele detailliert definiert, die Behandlungsprinzipien und ein genauer
Behandlungsplan festgelegt. Die aktive, übende Mitarbeit des Patienten ist für die
Verhaltenstherapie erforderlich. Die Verhaltenstherapie kann einzeln oder kombiniert, z.B.
mit der kognitiven Therapie oder Entspannungstechniken wie der progressiven
Muskelrelaxation, angewendet werden.
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Kognitive Verhaltenstherapie
Die Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapie für die Behandlung depressiver
Störungen ist bisher am besten untersucht und am eindeutigsten nachgewiesen.
Ausgangspunkt dieser Behandlung ist die Annahme, dass Depressionen mit negativen,
selbstabwertenden Wahrnehmungs- und Denkmustern zusammenhängen. Diese erlernten
realitätsfremden, unlogischen oder verzerrten Muster können das Denken, die Gefühlswelt
und das Verhalten betreffen.
Bei der Therapie soll der Patient zunächst lernen, sich selbst zu beobachten und dann seine
Denk- und Verhaltensmuster umzubewerten, etwa indem er sich bewusst distanziert, etwas
positiv umdeutet oder ein Problem als Herausforderung sieht. Der Patient erkennt seine
eigenen Denk- und Verhaltensweisen als "hausgemachtes Problem", nicht als unumstößliche
Realität. Er entwickelt eine vermehrte Selbstkontrolle in Situationen, die normalerweise von
depressionstypischen Gedankengängen besetzt sind.

Erfolgt die kognitive Therapie in Kombination mit einer Verhaltentherapie stellen folgende
Aspekte die Schwerpunkte dieser so genannten kognitiven Verhaltenstherapie dar:

   •   Eingehen eines Arbeitsbündnisses zwischen Patient und Therapeut;
   •   Definition der Schlüsselprobleme;
   •   Aufbau von entlastenden , positiven Aktivitäten und den Abbau von belastenden,
       negativen Aktivitäten - Entwickeln von Ideen, wie dies im Alltag umzusetzen ist, z.B.
       häufige Pausen, Entspannungsübungen, kleine Belohnungen, Ablehnung von
       überfordernden Arbeitsgängen;
   •   Verhaltensänderung in alltäglichen Situationen / Wiederaufnahme von Kontakten - in
       Rollenspielen übt der Patient, mit spezifischen alltäglichen Problemen umzugehen
       (z.B. Durchsetzen in Konfliktsituationen), die eigenen Interessen wahrzunehmen und
       seine Kontaktfähigkeit wiederherzustellen bzw. aufzubauen;
   •   Vorstellung eines alternativen Denk- und Wahrnehmungsmodell, Planung von
       praktischen Aktivitäten und deren Umsetzung, z.B. konkrete Wochenplanung;
   •   Umgang mit Rückschlägen sowie vorbeugende Interventionen.

Interpersonelle Therapie (IPT)
Auch die Wirksamkeit der interpersonellen („zwischenmenschlichen“) Therapie (IPT) bei
depressiven Patienten, gerade für betroffene ältere Menschen, ist in wissenschaftlichen
Untersuchungen gut belegt worden. Ihr Ausgangspunkt ist die Annahme, dass depressive
Episoden stets in einem zwischenmenschlichen und psychosozialen Kontext auftreten. Im
Mittelpunkt der therapeutischen Gespräche stehen die Beziehungen des Patienten zu seinen
Mitmenschen, die in einem Zusammenhang zur aktuellen depressiven Episode stehen.
Basis der IPT bilden wissenschaftliche Untersuchungen, die gezeigt haben, dass
Depressionen mit folgenden vier Bereichen in Verbindung stehen:

   •   Verlust von geliebten Menschen und Trauer,
   •   zwischenmenschliche Konflikte,
   •   soziale Rollenveränderungen/Abschluss von Lebensabschnitten,
   •   Kontaktschwierigkeiten/soziale Isolierung.

Aus diesen vier Bereichen werden meist ein bis zwei Themen ausgewählt, die den größten
Beitrag zur depressiven Episode lieferten. Ist Trauer ein zentrales Thema, weil z.B. der
Lebenspartner verstorben ist, wird der Ausdruck von Trauer gefördert, Interessen und neue
Beziehungen werden aufgebaut. Stehen interpersonelle Konflikte im Mittelpunkt, sollen diese
zunächst erkannt, Erwartungen definiert und mit Hilfe von Kommunikationsstrategien mit der
Bezugsperson diskutiert werden. Bei einem problematischen Rollenwechsel, z.B. von der
Berufstätigkeit in die Berentung, ist es von Bedeutung, den Verlust der alten Rolle
anzunehmen und zu betrauern, die neue Rolle positiv zu sehen und das Selbstwertgefühl
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wiederherzustellen. Leidet ein Patient unter Kontaktproblemen, wird er beim Eingehen von
Beziehungen unterstützt. Der Psychotherapeut ermuntert den Patienten stets zum Ausdruck
seiner Gefühle und Gedanken. Neue oder schwierige Situationen werden in diesem
Zusammenhang im Rollenspiel geübt.

Tiefenpsychologisch orientierte bzw. psychodynamische Psychotherapie
Die tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie nimmt an, dass die Erkrankung auf einem
unbewussten inneren Konflikt beruht, der durch negative oder unangenehme Erfahrungen
oder Erlebnisse in der individuellen Geschichte/Kindheit entstanden ist. Der Psychotherapeut
versucht daher, diesen Konflikt bewusst zu machen. Durch das wiederholte Erinnern und
Durchleben dieser Erfahrungen sollen Symptome aufgelöst und die Depression geheilt
werden.
Wissenschaftlich abgesichert ist die Wirksamkeit einer tiefenpsychologisch orientierten
Kurzzeittherapie bei leichten bis mittelschweren Depressionen. Zur Wirksamkeit der
tiefenpsychologisch orientierten bzw. psychoanalytischen Langzeittherapien (über 80
Stunden) liegen bisher keine wissenschaftliche Belege im Rahmen randomisierter,
kontrollierter Studien vor.

Gesprächspsychotherapie
Die Gesprächspsychotherapie nach Carl R. Rogers geht davon aus, dass jeder Mensch
bestimmte Vorstellungen von sich hat und wie er sein möchte, also ein Selbstbild besitzt.
Psychische Störungen und ein negatives Selbstbild entstehen, wenn Menschen Akzeptanz
und emotionale Zuwendung nur unter bestimmten Bedingungen, etwa brav zu sein, erfahren.
Der Mensch an sich strebe nach der Auffassung Rogers außerdem nach
Selbstverwirklichung und Wachstum. Psychische Störungen bedeuten deshalb auch eine
Unterdrückung dieser Wachstumsbedürfnisse. Inhaltlich konzentriert sich die
Gesprächsführung darauf, dass der Patient lernt, seine Gedanken und Gefühle in Worte zu
fassen, sie auf diese Weise ins Bewusstsein zu bringen und seine eigenen Bedürfnisse
wahrzunehmen.
Daher wird besonders darauf geachtet, dass die Patienten ihren Behandler als zugewandt,
wertschätzend, einfühlsam und echt erleben. Bei positivem Erfolg mit dem Therapeuten wird
das für den Genesungsprozess als zentral erachtet.

Gruppentherapien
Gruppentherapien haben sich vor allem bei Trauerreaktionen oder bei depressiven
Störungen in Folge chronischer körperlicher Erkrankungen bewährt. Der
Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen und das Bewusstsein „ich bin nicht allein“
motiviert Patienten zum Durchhalten der Therapie. Leider werden Gruppentherapie im
ambulanten Bereich von Niedergelassenen selten angeboten.

Spezielle nicht-medikamentöse Therapieformen

Wachtherapie (Schlafentzug)
Nach einer vollständig durchwachten Nacht oder nach Wachbleiben in der 2. Nachthälfte,
etwa ab 1.00 Uhr, zeigen viele der depressiven Patienten – allerdings meist nur
vorübergehend - eine deutliche Besserung der Symptome. Besonders Patienten mit
melancholischer Depression, mit starken Tagesschwankungen und bei Depressionen im
Rahmen einer bipolaren Störung sprechen auf eine Schlafentzugstherapie an. Eine an den
Schlafentzug anschließende Vorverlagerung der Schlafphasen, die dann stufenweise wieder
zurückverlagert wird, oder wiederholte Schlafentzüge in der 2. Nachthälfte können vor einem
möglichen Rückfall schützen.

Elektrokrampftherapie (EKT)
Die Elektrokrampftherapie wird bei schweren Störungen angewendet, wenn eine
medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung keine Besserung bringen bzw. nicht
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möglich sind. Bei der EKT wird im Gehirn unter Vollnarkose mit Hilfe von Strom ein
Krampfanfall ausgelöst, doch kommt es nicht zu einem Krampf der Muskulatur. Als Folge
schüttet das Gehirn vermehrt die Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin und Serotonin
aus. Diese Botenstoffe spielen bei der Stimmungsstabilisierung eine wichtige Rolle. Die
Methode ist auch bei Patienten effektiv, die auf andere Verfahren, wie Antidepressiva und
Psychotherapie sich nicht gebessert haben.

Lichttherapie
Lichttherapie kann bei saisonalen Depressionen wie der Winterdepression die Symptome
innerhalb weniger Wochen deutlich lindern. Der Arzt verordnet bei Bedarf eine Lichttherapie
mittels 10.000 Lux-Lampe für eine Stunde pro Tag. Die Krankenkassen übernehmen die
Kosten hierfür bisher nicht. Eine solche Lichttherapie-Lampe kostet für den Eigenbedarf ca.
1.000 Euro. Auch bei nicht-saisonaler Depression gibt es Hinweise, dass die Lichttherapie
mit 10.000 Lux für eine Stunde täglich die Wirkung von Antidepressiva verbessern kann.

Verlauf und Heilungschancen

Etwa die Hälfte aller Patienten erkranken in ihrem Leben an einer Depression. Bei den
anderen 50% gilt, dass bei etwa zwei Dritteln die Phasen der Erkrankung abgegrenzt sind
durch Episoden völliger Gesundheit von unterschiedlicher Dauer. Bei einem Drittel der
Betroffenen tritt jedoch lediglich eine teilweise Besserung ein. Die meisten depressiven
Episoden bilden sich – insbesondere bei entsprechender Behandlung - innerhalb weniger
Monate zurück, 15 % der Fälle weisen jedoch eine Dauer von mindestens 12 Monaten auf.
Aber auch in diesem Fall ist eine Heilung möglich.
Ungünstig auf die Prognose wirken sich z.B. Substanzmissbrauch (Alkohol, andere Drogen),
Ess-Störungen, begleitende Angst- und Zwangsstörungen sowie chronische Verläufe aus.

Informationen für Angehörige

Depressive Störungen und auch die teilweise damit verbundenen körperlichen Schmerzen
sind eine ernst zu nehmende Erkrankung. Die Angehörigen sollten akezeptieren, dass der
Betroffene wirklich krank ist. Resignation ist unangebracht, Depressionen sind heute gut
therapierbar. Depressive Patienten sollten unbedingt in Behandlung. Meist stößt diese
Tatsache bei den Betroffenen auf Widerstand. Sie glauben nicht an eine Krankheit, halten
einen Arztbesuch oder die Behandlung durch einen Psychologen für sinnlos. Angehörige
sollten durch Unterstützung und Mitgefühl den Betroffenen zu einer Behandlung bewegen.
Hausarzt bzw. ggf. Psychiater/Nervenarzt beraten umfassend über das Krankheitsbild. Vor
allem, wenn man sich selbst mit der Situation überfordert fühlt, überlastet und erschöpft ist,
kann der Austausch mit anderen Angehörigen depressiv Erkrankter in Angehörigengruppen
sehr hilfreich sein. Angehörige sollten sich nicht scheuen, Hilfe für sich selbst anzunehmen.

Es hat keinen Sinn, einem depressiven Menschen zu raten, abzuschalten und für ein paar
Tage zu verreisen, denn eine fremde Umgebung verunsichert den Patienten meist
zusätzlich. Man sollte dem Depressiven auch nicht raten, "sich zusammenzunehmen" - ein
depressiver Mensch kann diese Forderung nicht erfüllen, denn eine Depression hat nichts
mit mangelnder Willensstärke zu tun. Dieser Ratschlag verstärkt möglicherweise sogar seine
Schuldgefühle. Gleiches gilt für ständige Versuche der Aufmunterung. Dagegen sollten
Angehörige die Erkrankten immer dann unterstützen, wenn sie Eigeninitiative zeigen.
Folgendes sollte man beherzigen:

   •   Akzeptieren Sie die Depression als Erkrankung!
   •   Ziehen Sie den Arzt zu Rate!
   •   Machen Sie dem Betroffenen keine Vorwürfe!
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   •   Seien Sie zurückhaltend mit gut gemeinten Ratschlägen wie z.B. „Dir geht es doch
       gut, du hast doch gar keinen Grund!“
   •   Bleiben Sie geduldig! Ermutigen und aktivieren Sie!
   •   Nehmen Sie Suiziddrohungen ernst!
   •   Aktivieren Sie ihn zu schrittweise körperlicher Aktivität, denn depressionsbedingte
       Inaktivität kann zu einem massive Trainingsdefizit führen.

Die Autoren
Prof. Dr. med. Mathias Berger, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie und
Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg i. Br. und langjähriges Mitglied im Vorstand der
DGPPN
Dr. med. Christa Roth-Sackenheim, niedergelassene Psychiaterin und Psychotherapeutin,
Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP), im Vorstand der DGPPN Beauftragte
für die Gremien der ärztlichen Selbstverwaltung.

Weitere Informationen
Fritz Hohagen und Thomas Nesseler (Hrsg.): Wenn Geist und Seele streiken. Handbuch Psychische
Gesundheit. Mit einem Vorwort von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Gebundenes Buch,
368 Seiten. ISBN 978-3-517-08221-9. Südwest Verlag, München 2006. Preis: 29,95 Euro.
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