AKZEPTANZ NEUER TECHNOLOGIEN. AUSWIRKUNGEN DER FEAR OF MISSING OUT AUF UNTERNEHMERINNEN - JKU ePUB
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Eingereicht von Markus Reiter AKZEPTANZ NEUER Angefertigt am Institute of Innovation TECHNOLOGIEN. Management Beurteiler / Beurteilerin AUSWIRKUNGEN DER Univ.-Prof. Dr. Matthias Fink FEAR OF MISSING OUT Mitbetreuung Dipl.-Ing. Mag. Dr. Johannes Gartner M.A. AUF Mai 2020 UNTERNEHMERINNEN Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science im Masterstudium Mangement and applied economics JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Masterarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Ort, Datum: Eidenberg, 03.05.2020 Unterschrift: 11. Mai 2020 2/41
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ...........................................................................................................4 2. Aufbau der Arbeit ...............................................................................................5 3. Motivation ..........................................................................................................6 4. Problembeschreibung ........................................................................................6 5. Lösungsansatz der Masterarbeit ........................................................................6 6. Additive Fertigung – eine Begriffsbestimmung ...................................................7 6.1. Definition der Prozesse ...............................................................................8 7. Akzeptanz neuer Technologien..........................................................................9 7.1. Unternehmen und Innovation ......................................................................9 7.2. Technology Acceptance Model ...................................................................12 7.3. Technology Acceptance Model 2 ................................................................13 7.4. Technology Acceptance Model 3 ................................................................14 8. Fear of Missing Out .........................................................................................16 8.1. Fear of Missing Out – Stand der Literatur .................................................17 9. Modell .............................................................................................................20 9.1. Formulierung der Hypothesen ..................................................................22 9.2. Datenanalyse ...........................................................................................26 10. Ergebnisse ......................................................................................................28 10.1. Interpretation der Ergebnisse ....................................................................32 11. Resümee.........................................................................................................34 11. Mai 2020 3/41
1. Einleitung Additive Manufacturing, auf Deutsch additive Fertigung, leitet eine neue Ära in der Produktion ein. Umgangssprachlich wird diese moderne Fabrikationsweise auch mit dem Begriff „3D-Druck“ umschrieben. Aus technischen Gesichtspunkten ist jedoch nicht genau dasselbe gemeint. Potentielle sowie zukünftige NutzerInnen und Firmen erhoffen sich dadurch mehr Effektivität. Egal ob Automobil-Prototypen, fertig gestellte Spielzeugwaren oder medizinische und voll funktionsfähige Prothesen: Mit der additiven Fertigung soll man in Zukunft jedes Material in den jeweils angestrebten Zustand bringen können – ein Wunschgedanke jedes Unternehmers/jeder Unternehmerin. Die additive Fertigung strukturiert den Arbeitsalltag erheblich um. Wichtige Bauteile können im Bereich der Produktion variantenreicher sowie flexibler hergestellt werden. Die Technologie der additiven Fertigung könnte vielen Betrieben bei der Erzeugung ihrer Produkte entscheidende Arbeit abnehmen. Generell liegen die Vorteile der additiven Fertigung in den Bereichen der Wirtschaftlichkeit und der Geschwindigkeit. Die Technologie erzeugt aufgrund der reduzierten Notwendigkeit an teuren Formen geringe Fixkosten. Es werden etwa keine kostenintensiven Werkzeuge, Formen oder Stanzen benötigt. Damit ist die additive Fertigung gerade für kleine Produktionsauflagen besonders kosteneffizient. Die aktuelle Forschung sieht hier die Chance für Unternehmen, die additive Fertigung gewinnbringend in ihren Produktionsprozess einzubauen, indem sie eben jene kundenspezifischen und individuellen Aufträge wirtschaftlich effizient erfüllen. Darüber hinaus kann man sich im Bereich von Nischenmärkten bedienen. Die Effizienz der additiven Fertigung zeigt sich auch beim Materialverbrauch. Vergleicht man diese neuartige Technologie mit traditionellen subtraktiven Methoden wie Schneidemaschinen, welche Kunststoffe und andere Materialien mit einer abtragenden Technologie in die gewünschte Form bringen, fällt auf, dass durch die additive Fertigung wesentlich geringere Mengen an Abfall entstehen. Ein weiterer Grund, warum die additive Fertigung in den kommenden Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen wird, ist deren Fähigkeit des Additive Manufacturing. Hierbei können Designs via computerbasierter Vorlagen einfach und effizient verbreitet werden. Sogenannte „Baupläne“ sind im Internet rasch und unkompliziert zu erwerben und daher kann die Herstellung auch sehr leicht ausgelagert werden (Berman 2012, 157). Verglichen mit der herkömmlichen Art der Produktion, hat die additive Fertigung dahingehend einen Vorteil, dass sie einen flexibleren Herstellungsprozess ermöglicht. Während dieser Sachverhalt in der Theorie als nachgewiesen gilt, wird die Zukunft zeigen, ob in der Praxis tatsächlich von einem Vorteil gesprochen werden kann. Gemeint ist hier die Möglichkeit der dezentralen Fabrikation von Bauteilen. Nicht nur die verringerte Abhängigkeit von zentralen 11. Mai 2020 4/41
Produktionsstätten, sondern auch die geringere Notwendigkeit von Transport, Logistik und Lagerung sind eindeutige Vorzüge der additiven Fertigung. Durch den Umstand, dass sich die Zeit zwischen der Produktion und dem Verkauf entscheidend reduziert, ergeben sich niedrigere Umweltbelastungen. Die Komponentenfertigung ist ebenfalls eine wichtige Eigenschaft des Additive Manufacturing. Mithilfe des vorgefertigten Designs können spezielle Charakteristika von Bauteilen vorab geplant werden (Attaran 2017, 681-682). Die Freiheit in der Gestaltung der Bauteile sowie die Möglichkeit, komplexe Herstellungsprozesse mithilfe der additiven Fertigung einfach auszuführen, zählen außerdem zu den Vorzügen des Additive Manufacturing. Der Grundstein wird hierbei schon bei der Erstellung des computerbasierten Bauplans gelegt. Dadurch entstehen geringere Kosten und reduzierte Aufwände durch eventuelle Nachbearbeitung der Fabrikation (Gao et al. 2015, 67). 2. Aufbau der Arbeit Im ersten Teil dieser Masterarbeit wird ein Überblick über den aktuellen Stand der einschlägigen Literatur gegeben. Es werden Definitionen und Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der additiven Fertigung erläutert. Darüber hinaus werden die unterschiedlichen Formen und Techniken genau erklärt. Anschließend wird eine Brücke zur sogenannten Fear of Missing Out (FOMO) geschlagen. Diese beschreibt die Angst, etwas zu verpassen. Es wird ergründet, was die Theorie der FOMO bedeutet und warum sie auch im Kontext der Akzeptanz neuer Technologien eine wichtige Rolle spielt. An diesen theoretischen Part schließt sich der Forschungsteil an, bei dem durchgeführte Experteninterviews mit UnternehmerInnen und wirtschaftlichen EntscheidungsträgerInnen sowie die Auswertung der erfassten Daten im Zentrum stehen. Dabei liegt der Fokus auf der Beschreibung der Population sowie auf der Analyse der Daten zur Fear of Missing Out. Im Speziellen wird hier die FOMO auf einer individuellen Ebene und mithilfe dreier demographischer Variablen untersucht. Die Angst, etwas zu verpassen, wird in Bezug auf das Alter, das Geschlecht und die Ausbildung der UnternehmerInnen analysiert. Die übergeordnete Forschungsfrage, die jene drei Dimensionen vereint und im Verlauf dieser Arbeit beantwortet werden soll, lautet: „Welchen Einfluss haben demographische Merkmale wie das Alter, das Geschlecht und die Ausbildung von EntscheidungsträgerInnen in Unternehmen auf die Fear of Missing Out?“ Nach der Besprechung der Ergebnisse werden die Implikationen und zukünftigen Auswirkungen diskutiert. Hierbei geht es neben den Folgen für die Forschung und Praxis auch um die Handlungsfelder für die Politik. 11. Mai 2020 5/41
3. Motivation Die vorliegende Masterarbeit soll eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis im Bereich der additiven Fertigung herstellen. Sie soll des Weiteren einen umfassenden Überblick über die Möglichkeiten der additiven Fertigung geben und eine Art der Überprüfung in den einzelnen Unternehmen mithilfe des gesammelten Datensets ermöglichen. Entscheidend hierbei ist der Zusammenhang zwischen der additiven Fertigung und der sogenannten Fear of Missing Out. In der bestehenden Literatur wird die FOMO meist in Bezug auf Jugendliche und deren Smartphone- Nutzung erforscht. In der vorliegenden Arbeit wird die Fear of Missing Out nun vor einem anderen Hintergrund analysiert. Inwiefern ist die FOMO in den österreichischen Unternehmen präsent und welche Rolle spielen dabei die demographischen Variablen Alter, Geschlecht und Ausbildung? 4. Problembeschreibung Die Fear of Missing Out ist in der Psychologie als eines der wichtigsten Phänomene bekannt, um Internet-, Mobiltelefon- oder Computersucht zu beschreiben. Vor allem im Bereich von Standard- Laborexperimenten und längeren Online-Umfragen hat sie sich als äußerst hilfreich erwiesen (Riordan et al. 2018, 2). Es gibt zahlreiche Studien darüber (Franchina et al. (2018), Alt (2015), Wegmann et al. (2017), Przybylski et al. (2013), …), welche Gesellschaftsschichten, welches Geschlecht und welche Altersgruppen am häufigsten davon betroffen sind. Die Angst, etwas zu verpassen, kann aber auch im Zusammenhang mit neuen Technologien auftreten. Die FOMO bezeichnet hierbei die Angst, neue Entwicklungen in der Branche wie in diesem Fall die additive Fertigung zu verpassen und nicht auf dem neuesten Stand der Technologie zu sein. Es war eine Herausforderung beim Verfassen der vorliegenden Arbeit, dass Daten und Erkenntnisse von anderen wissenschaftlichen Arbeiten zur Fear of Missing Out nicht zur Gänze mit den nun gewonnenen Daten vergleichbar waren. In gewisser Weise ist es also ein Novum, dass die FOMO in einem wirtschaftlichen sowie unternehmerischen Kontext betrachtet wird. 5. Lösungsansatz der Masterarbeit Die vorliegende Masterarbeit soll klären, inwiefern UnternehmerInnen psychischen Belastungen durch neue Technologien unterliegen. Die Beantwortung wird mithilfe eines repräsentativen Datensets und einer Stichprobe von 523 ausgefüllten Fragebögen durch österreichische UnternehmerInnen sowie betriebsinterne EntscheidungsträgerInnen erfolgen. Auf individueller Ebene, nämlich auf jener der Befragten selbst, soll der Grad der Fear of Missing Out gemessen 11. Mai 2020 6/41
werden. Die Ergebnisse werden auf drei unterschiedlichen Ebenen (Alter, Geschlecht und Ausbildung) dargestellt. Ein speziell konzipierter Fragebogen soll die Verbindung zwischen der FOMO in Bezug auf Social Media und jener Angst im Hinblick auf neue Technologien herstellen. Dieser wurde auf Basis der Fear of Missing Out Skala von Andrew Przybylski (2013) erstellt. Darüber hinaus wurde das Technology Acceptance Model 3 als Grundlage herangezogen und in die Umfrage integriert. Dieser speziell auf die UnternehmerInnen und EntscheidungsträgerInnen eines Betriebs abgestimmte Fragebogen soll die oben genannte Forschungsfrage zufriedenstellend beantworten. 6. Additive Fertigung – eine Begriffsbestimmung Die additive Fertigung beziehungsweise das additive Fertigungsverfahren bezeichnen den schichtweisen Aufbau von Bauteilen. Eben jene werden durch Auf- oder Aneinanderfügen automatisiert hergestellt. Oftmals wird die additive Fertigung mit dem 3D-Druck gleichgesetzt. Während der 3D-Druck aber eine spezielle Technologie der additiven Fertigung beschreibt, bezeichnet die additive Fertigung vielmehr ein übergeordnetes Produktionsparadigma. Hierbei wird nicht die formende oder abtragende Fertigungsmethode verwendet, bei der ein Werkstück aus einem festen Block hergestellt wird und am Ende das Produkt als gewünschtes Ergebnis übrig bleibt. Die additive Fertigung zeichnet sich vielmehr durch eine effizientere Vorgangsweise aus: Auf Basis einer computerbasierten 3D-Vorlage werden Bauteile Schicht für Schicht als feines Pulver aufgetragen. Das finale Produkt entspricht im optimalen Fall exakt der am Computer designten Vorlage. Verschiedenste Materialien können für die Herstellung verwendet werden. Während Kunststoff, Metalle, Keramiken und Verbundwerkstoffe in der Produktionsindustrie bereits verarbeitet werden, könnte die additive Fertigung etwa auch die Verwendung von Nahrungsmitteln oder sogar lebenden Zellen ermöglichen (Gebhardt 2016, 3). Die englische Übersetzung der additiven Fertigung lautet Additive Manufacturing. In den ISO/ASTM Standards der USA lässt sich folgende Definition finden: “Additive manufacturing is a process of joining materials to make objects from 3D model data, usually layer upon layer, as opposed to subtractive manufacturing methodologies (ASTM International 2012, 2).” Dass die additive Fertigung und der 3D-Druck nicht dasselbe beschreiben, zeigt die Tatsache, dass es sich beim 3D-Druck eigentlich nur um ein bestimmtes Verfahren, nämlich um jenes des „Binder Jettings“ handelt. In den ISO/ASTM Standards ist der 3D-Druck wie folgt festgehalten: 11. Mai 2020 7/41
“3D Printing is the fabrication of objects through the deposition of a material using a print head, nozzle, or another printer technology (ASTM International 2012, 1).” 6.1. Definition der Prozesse Die additive Fertigung als Überbegriff beschreibt viele unterschiedliche Methoden. Das Drucken von 3D-Bauteilen kann diverse Formen annehmen und unterschiedliche Arbeitsschritte beinhalten. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die Unterschiede zwischen den einzelnen Prozessen gegeben werden. Bestimmten technischen Details kommt hierbei nur eine untergeordnete Rolle zu. Lange Zeit fehlte in der Industrie der additiven Fertigung eine klare Strukturierung hinsichtlich der Gruppierung von Technologien des Additive Manufacturing. Dies hatte Unstimmigkeiten sowohl in technischer als auch in nichttechnischer Hinsicht zur Folge. Logische Konsequenzen waren Schwierigkeiten in der Informationskommunikation und in der Ausbildung. Nachfolgende Prozesse brachten aber schließlich die notwendige Klarheit in Bezug auf die Verwendung von unterschiedlichen Maschinen und Techniken mit sich. Binder Jetting: Darunter versteht man den additiven Herstellungsprozess, bei dem ein flüssiges Bindemittel selektiv eingesetzt wird. Das Ergebnis soll ein Verbinden von Pulvermaterialien sein. Direct Energy Deposition: Bei dieser Art des additiven Herstellungsprozesses werden pulverförmige Materialien durch eine Düse auf eine Plattform gesprüht. Danach werden mittels Wärmeenergie eben jene Teile auf der Oberfläche geschmolzen. Material Extrusion: Hierbei wird das zu verwendende Material durch eine Öffnung oder eine sogenannte Düse abgegeben. Material Jetting: Unter diesem Begriff ist ein additiver Herstellungsprozess gemeint, bei dem Tropfen von einem Baumaterial abgeschieden werden. Powder Bed Fusion: Auch bei diesem additiven Herstellungsprozess wird wie bei Binder Jetting mit Wärmeenergie gearbeitet. Hier wird eine Hitzequelle wie ein Laser genutzt, um Teile eines Pulverbetts zu verschmelzen. Sheet Lamination: Hier werden einzelne Bahnen aus dem jeweils relevanten Material zu einem Objekt verbunden und überschüssige Teile maschinell abgetrennt. Vat Photopolymerization: Dieser Prozess beschreibt eine additive Herstellungsart, in der ein flüssiges Photopolymer zum Einsatz kommt. Dieses wird in einem Kessel mit Hilfe von Lichtaktivierung polymerisiert (ASTM International 2012, 1). 11. Mai 2020 8/41
7. Akzeptanz neuer Technologien Eine neue und moderne Technologie in ein Unternehmen zu integrieren, erfordert ein hohes Maß an technischem und wirtschaftlichem Know-how. Während es in vielen Betrieben verabsäumt wird, sich im Laufe der Zeit zu modernisieren, finden andere Unternehmen moderne und innovative Lösungen für wirtschaftliche und technische Herausforderungen. Wichtig ist hierbei der Unterschied zwischen den Begriffen der Technology Adoption und der Technology Acceptance. Während erstgenannter Terminus von Geoffrey Moore (1991) geprägt wurde, wurde das Technology Acceptance Model von Fred Davis (1985) entwickelt. Im Laufe der Zeit wurde dieses von anderen WissenschaftlerInnen um das Technology Acceptance Model 2 (TAM 2) sowie das Technology Acceptance Model 3 (TAM3) erweitert. Im ersten Unterpunkt dieses Teilabschnittes werden verschiedene Unternehmenstypen und die Einstellung der betriebsinternen EntscheidungsträgerInnen zu innovativen Ideen im Zentrum stehen. Dabei wird dem Begriff des „Crossing-the-Chasm“ eine interessante Rolle zukommen. Danach wird näher auf die Technology Acceptance eingegangen. 7.1. Unternehmen und Innovation Bereits 1991 entwickelte Geoffrey Moore mit seinem Werk „Crossing the Chasm“ Kategorien, anhand deren er Unternehmen bezüglich ihrer Innovationsfreudigkeit bewertete. Hier geht es nicht um kreatives Denken in einem Betrieb und nicht darum, wie viel Innovation vom Unternehmen geschaffen wird. Moore (1991) stellt das Technology Adoption Model vor und beschreibt damit, in welchem Ausmaß neue Technologien von Betrieben angenommen werden. Alternativ kann folgende Fragestellung formuliert werden: Unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen sind Firmen dazu bereit, Technologien und Konzepte zu adaptieren? Geoffrey Moore (1991) listet fünf unterschiedliche Unternehmenstypen auf. Innovators: Sie sind die ersten Unternehmen, welche mit der Umsetzung von neuen Technologien zwar ein sehr hohes Risiko eingehen, aber im Bereich der Innovation dadurch die Vorreiterstellung einnehmen können. Diese Betriebe berufen sich nicht auf Erfolgszahlen oder andere Referenzen, welche einen Fortschritt durch die Innovation versprechen, sondern vertrauen auf ihre Technologie-Affinität im Unternehmen. Die Geschäftsführung zeichnet sich somit durch einen hohen Grad an Offenheit und Risikofreudigkeit aus (Moore 1991, 9). 11. Mai 2020 9/41
Early Adopters: Wie die Innovators sind auch diese Unternehmen gegenüber neuen Arbeitsmethoden durchaus offen. Sie versuchen, sich durch Evaluierung der genutzten Werkzeuge am Markt schon frühzeitig einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Es geht darum, eventuell vielversprechende Tools, welche noch nicht von der Masse der Unternehmen verwendet werden, zu testen und in den Arbeitsalltag einzubauen. Sie verfolgen damit das Ziel, ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen. Man will ein Werkzeug temporär vor allen anderen Mitbewerbern, und noch bevor es das Prädikat Massenphänomen erlangt, nutzen (Moore 1991, 9). Early Majority: Frei übersetzt ist diese Gruppe von Unternehmen die „frühe Mehrheit“. Sie zeichnet sich anders als die beiden vorangegangenen Kategorien weniger durch eine starke Risikofreudigkeit, sondern vielmehr durch rationales Denken aus. Betriebe, welche diesem Unternehmenstyp angehören, handeln pragmatisch, scannen den Markt nach bereits erfolgreichen Tools und Werkzeugen und wägen ab, ob diese neuen Technologien auch ihrem Unternehmen Vorteile einbringen können. Es ist essentiell, zum richtigen Zeitpunkt die geeignete Investition zu tätigen, um Probleme zu lösen und Prozesse zu optimieren (Moore 1991, 9). Late Majority: Dieser Unternehmenstyp wagt zwar noch Innovationen, klammert dabei aber das Risiko und die Möglichkeit des Scheiterns vollkommen aus. Bei der „späten Mehrheit“ handelt es sich größtenteils um kulturell konservativ geprägte Betriebe, welche, bevor sie eine innovative Technologie in das Unternehmen integrieren, eben jene nachweislich auf deren Nützlichkeit testen. Wichtig hierbei sind wirtschaftliche Kennzahlen wie der ROI (Return on Investment), welcher zeigt, ob die getätigte Investition finanzielle Vor- oder Nachteile mit sich bringt. Die Geschäftsführung zeichnet sich nur selten durch Innovationsfreudigkeit aus. Neue Technologien werden nicht in den Betrieb eingegliedert, weil das Management von den Ideen überzeugt ist, sondern weil man den Anschluss an die Konkurrenz im Markt nicht verlieren will (Moore 1991, 9). Laggards: Unternehmen, welche in diese Kategorie fallen, besitzen keine Technologie-Affinität. Sie akzeptieren neue Innovationen erst dann, wenn es zu spät ist, am Markt konkurrenzfähig zu sein. Aus diesem Grund wird ihre Strategie auch „Technologieeinführung als Schadensbegrenzung“ bezeichnet. Diese Betriebe sind in gewisser Weise Nachzügler, da sie die moderne Technologie erst dann in das Unternehmen eingliedern, wenn keine Wettbewerbsvorteile mehr zu erlangen sind. Eine konservative, ängstliche sowie skeptische Geschäftsführung ist oftmals charakteristisch für solche Unternehmen. Technologien, welche sich am Markt bereits als erfolgreich und zugleich 11. Mai 2020 10/41
risikoarm herausgestellt haben, werden ignoriert und weiterhin nicht als vorteilhaft angesehen. Erst zu dem Zeitpunkt, in dem andere, innovativere Unternehmen einen klaren Wettbewerbsvorteil haben und der Kostendruck des eigenen Betriebs ansteigt, wird in eine modernere Technologie investiert (Moore 1991, 9-10). Das Crossing-the-Chasm-Modell von Geoffrey Moore (1991) veranschaulicht, in welchem Stadium der Innovationsfreudigkeit sich ein Unternehmen während der Einführung einer neuen Technologie befindet. Meidet die Geschäftsführung neue Arbeitsweisen und das damit einhergehende Risiko, so findet sich das jeweilige Unternehmen in der Kategorie Early Majority, Late Majority oder sogar Laggards wieder. Entscheidet sich der Betrieb aber bereits frühzeitig für das Eingliedern moderner Techniken, kann er sich zu den Innovators oder den Early Adopters zählen. Crossing the Chasm bedeutet, dass man bildlich frühzeitig die Überquerung des Abgrunds schafft. Jene Unternehmen, welche zu skeptisch oder ängstlich agieren, werden in Sachen Innovation einen Wettbewerbsnachteil haben. Laut Geoffrey Moore (1991) sind die beiden größten Gruppen die Early Majority und die Late Majority. In diesen Kategorien befinden sich jeweils in etwa 34% aller Unternehmen am Markt. Die übrigen 32% teilen sich folgendermaßen auf: 16% entfallen auf die Leggards, 13,5% auf die Early Adopters und knapp 2,5% auf die Innovators (Moore 1991, 10). Abbildung 1: „Crossing the Chasm“ Quelle: Moore, G. A. (1991). Crossing the Chasm. Marketing and Selling High-Tech Products to Mainstream Customers (Revised Edition). Ort o.A.: perfect bound 11. Mai 2020 11/41
7.2. Technology Acceptance Model Das Technology Acceptance Model, auf Deutsch Technologieakzeptanzmodell, wurde von Fred D. Davis im Jahr 1985 in seiner Dissertation entwickelt. Der Verfasser nutzte die Terminologie als Anpassung der Theory of Reasoned Action und wollte damit ursprünglich die Nutzerakzeptanz von Informationstechnologien veranschaulichen (Davis 1985, 2). Am Beginn des Modells stehen externe Variablen. Danach entscheiden zwei unterschiedliche Kategorien darüber, ob eine Technologie akzeptiert wird oder nicht. Während auf der einen Seite der wahrgenommene Nutzen („Perceived Usefulness“) steht, befindet sich auf der anderen Seite die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit („Perceived Ease of Use“). Die Perceived Usefulness beschreibt die subjektive Einschätzung einer Person, ob die Verwendung einer bestimmten Technologie zu einer Verbesserung ihrer Arbeitsleistung beiträgt. Die Perceived Ease of Use ist eine Maßeinheit für den Aufwand, mit dem ein Individuum eine neue Technologie nutzen kann. Diese beiden Dimensionen bewertet der/die NutzerIn und aus der Summe der Ergebnisse ergibt sich die persönliche Einstellung zur jeweiligen Technologie. Die angesprochenen externen Variablen, welche ausschlaggebend für die beiden genannten Kategorien sind, sind beispielsweise Kostenvorteile, Qualitätsunterschiede, Hilfe- oder Supportsysteme. Während Kostenvorteile und Qualitätsunterschiede einen positiven Einfluss auf den wahrgenommenen Nutzen haben, wirken sich Hilfe- oder Supportsysteme auf die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit aus (Karla/Rehder 2010, 24-25). Davis unterscheidet wie auch bei der Theory of Reasoned Action zwischen der Einstellung zur Nutzung, der Intention zur Nutzung und der Nutzung selbst. Während alle genannten Dimensionen sich in positiver Weise gegenseitig beeinflussen, hat die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit eine zusätzliche positive Korrelation mit dem wahrgenommenen Nutzen: Gelingt die Nutzung der Technologie mit einem geringeren Aufwand, erreicht das Individuum mit demselben Aufwand wie bei einer vergleichbaren Technologie einen größeren Nutzen. Aus diesem Grund hat die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit einen direkten Einfluss auf die Einstellung und somit auch auf die Intention zur Nutzung. Aufgrund der Verständlichkeit und Reliabilität des Technology Acceptance Model (TAM) wird es besonders bei der Untersuchung von Technologienutzung im Bereich der Informationssysteme als sehr hilfreich empfunden (Karla/Rehder 2010, 24-25). 11. Mai 2020 12/41
Abbildung 2: „Technology Acceptance Model“ Quelle: Karla, J. & Rehder, E. (2010). Adaption des Technology Acceptance Model für den Onlinevertrieb von Versicherungsprodukten. In Engelien, M. & Meißner, K. (Hrsg.), GeNeMe 10. Gemeinschaften in neuen Medien (S. 21-37). Dresden 7.3. Technology Acceptance Model 2 Das Technology Acceptance Model wurde im Jahr 2000 von Venkatesh und Davis weiterentwickelt und einige Variablen wurden neu hinzugefügt. Das erweiterte Model nannte man Technology Acceptance Model 2 (TAM 2). Jene Eingangsvariablen, welche im ursprünglichen Modell noch unter External Variables, einer eher undefinierbaren Terminologie, zusammengefasst wurden, bestehen nun aus unterschiedlichen Gruppen. Auf der einen Seite befassen sich die Autoren mit dem sozialen Einfluss (Social Influence), auf der anderen Seite werden Variablen der Übergruppe der kognitiven Prozesse (Cognitive Instrumental Process) zugeordnet. Der soziale Einfluss besteht aus den Variablen Subjective Norm, Image und Voluntariness. Später wurde eine neue Variable definiert, welche ebenfalls Einfluss auf die angesprochene Übergruppe hat. Dabei handelt es sich um die Erfahrung (Experience) (Davis/ Venkatesh 2000, 190-191). Die subjektive Norm, die als „der wahrgenommene soziale Druck, ein Verhalten auszuführen oder nicht auszuführen“, definiert wird, hat einen direkten Einfluss auf die Intention to Use. Darüber hinaus liegt auch eine Korrelation mit dem Image, das als „Grad des Einflusses der Nutzung einer Technologie auf den Status der Person“ definiert ist, vor. Während zwischen Subjective Norm und Image eine positive Korrelation besteht, hat das Image wiederum einen positiven Effekt auf Perceived Usefulness. Die Variable Erfahrung (Experience) hat im Modell TAM2 eine abmildernde Wirkung. Sowohl der Einfluss von Subjective Norm auf Intention to Use als auch jener von Subjective Norm auf Perceived Usefulness wird mittels Experience gemildert. Die zweite Gruppe, nämlich jene der kognitiven Prozesse, wird durch die Jobrelevanz (Job Relevance), die Outputqualität (Output Quality) und die Ergebnisklarheit (Result Demonstrability) gebildet. Die Jobrelevanz sagt aus, ob sich die Aneignung der jeweiligen Technologie positiv auf die Arbeit des Individuums auswirken wird. Sie hat einen positiven Einfluss auf die Perceived Usefulness und 11. Mai 2020 13/41
wird als quantitatives Maß angesehen. Output Quality hat wiederum einen qualitativen Charakter und eine positive Auswirkung auf die Perceived Usefulness. Steigert sich durch die neue Technologie nun die Arbeitsqualität sowie die Leistung innerhalb des Unternehmens, kann mithilfe der Result Demonstrability gezeigt werden, inwiefern jene positive Entwicklung auf die Technologie zurückzuführen ist. Result Demonstrability hat also auch einen positiven Einfluss auf die Perceived Usefulness, da der/die NutzerIn die Technologie aufmerksamer wahrnimmt, wenn das System merklich die Verbesserung der Leistung bewirkte (Davis/ Venkatesh 2000, 188-192). Abbildung 3: „Technology Acceptance Model 2“ Quelle: Davis, F. D. & Venkatesh, V. (2000). A Theoretical Extension of the Technology Acceptance Model: Four Longitudinal Field Studies. Management Science, 46(2), 186–204. 7.4. Technology Acceptance Model 3 Im Jahr 2008 wurde das Technology Acceptance Model von Venkatesh und Bala in ihrem Werk „Technology Acceptance Model 3 and a Research Agenda on Interventions“ noch einmal weiterentwickelt. Von den Autoren werden drei unterschiedliche Beziehungen vorgeschlagen, welche in den bisherigen Varianten des Technology Acceptance Models unerwähnt blieben. Venkatesh und Bala (2008) sind der Meinung, dass die Variable Experience den Einfluss von wahrgenommener Benutzerfreundlichkeit auf wahrgenommenen Nutzen, von Computerangst auf wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit und von wahrgenommener Benutzerfreundlichkeit auf Verhaltensabsicht (Behavioral Intention to Use) mindert (Venkatesh/Bala 2008, 9). 11. Mai 2020 14/41
Darüber hinaus sind sich die Autoren einig, dass die Determinanten der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit die wahrgenommene Nützlichkeit nicht beeinflussen. Venkatesh und Bala (2008) beschreiben diesen Umstand wie folgt: „Die Wahrnehmung der Kontrolle (über ein System), des Vergnügens oder der Verspieltheit in Bezug auf ein System sowie die Besorgnis über die Fähigkeit, ein System zu nutzen, bilden keine Grundlage für die Wahrnehmung der instrumentellen Vorteile der Nutzung eines Systems. Zum Beispiel garantiert die Kontrolle über die Verwendung eines Systems nicht, dass das System die Arbeitsleistung verbessert. In ähnlicher Weise bedeutet ein höheres Maß an Computerspielerei (computer playfulness) oder Freude an der Verwendung eines Systems nicht, dass das System einer Person hilft, effektiver zu werden. Wir gehen daher davon aus, dass die Determinanten der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit keinen Einfluss auf die wahrgenommene Nützlichkeit haben“ (Venkatesh/Bala 2008, 9). Abbildung 4: „Technology Acceptance Model 3“ Quelle: Venkatesh, V., & Bala, H. (2008). Technology Acceptance Model 3 and a Research Agenda on Interventions. Decision Sciences, 39(2), 273–315 11. Mai 2020 15/41
8. Fear of Missing Out Der Begriff Fear of Missing Out (die Angst, etwas zu verpassen) wurde das erste Mal in einem Online-Wörterbuch für englische Slangwörter, dem „Urban Dictionary“, verwendet. Abgekürzt wird der Ausdruck mit FOMO. Oft wird die Fear of Missing Out auch als beklemmendes Gefühl eines Individuums, eine Gelegenheit oder ein Event zu verpassen, interpretiert. Sie führt dazu, dass betroffene Personen ständig befürchten, einen sozialen Austausch mit anderen oder ein lohnendes Ereignis mit FreundInnen oder Bekannten zu verpassen. Diese Angst wird oftmals durch den Gebrauch sozialer Medien ausgelöst: Auf Instagram, Facebook, Twitter oder anderen Social-Networking Seiten werden Posts über gewisse Ereignisse veröffentlicht. Ein Individuum, das von der Fear of Missing Out betroffen ist und derartige Beiträge regelmäßig sieht, kann in diesem Fall eine potentielle Angst, etwas zu verpassen, empfinden (Dossey 2014,1). Ein Psychologe namens Andrew Przybylski von der University of Essex und KollegInnen der University of California sowie der University of Rochester führten eine empirische Studie zur FOMO durch und kamen auf folgende Ergebnisse: Die Fear of Missing Out ist eine Art unbewusste Triebkraft. Diese verleitet die Betroffenen dazu, sich mit sozialen Medien zu beschäftigen und das virtuelle Ich in dieser Welt zu entfalten. Gerade junge Menschen insbesondere junge Männer sind die Hauptrisikogruppe für eine Entwicklung einer FOMO. Betroffene Individuen erfahren unter anderem ein geringes Gefühl an Befriedigung und sind meist mit der eigenen Lebenssituation unzufrieden. Auch im Straßenverkehr spielt die FOMO eine zentrale Rolle. Sie verleitet Menschen oft dazu, während der Autofahrt Nachrichten oder Inhalte am Smartphone zu lesen. Durch eine derartige Ablenkung stellen sie ein Risiko im Straßenverkehr dar. SchülerInnen und StudentInnen, die sich während des Unterrichts mit sozialen Medien beschäftigen, leiden ebenfalls häufig an einer FOMO. Die Angst, eine soziale Interaktion, eine Information oder eine Gelegenheit zum Austausch zu verpassen, ist aber nicht nur in Bezug auf Social-Networking Seiten zu verstehen. Die FOMO ist kein neues Phänomen. Sie wurde auch bereits vor der Erfindung sozialer Medien in unterschiedlichen Lebensbereichen beobachtet (Dossey 2014, 1-2). Przybylski, Murayama, DeHaan und Gladwell entwarfen 2013 in ihrem Werk “Motivational, emotional, and behavioral correlates of fear of missing out. Computers in Human Behavior” sogar eine sogenannte Fear of Missing Out Scale. Hierbei handelt es sich um eine Skala, anhand der getestet werden kann, ob man von der Angst, etwas zu verpassen, betroffen ist. TeilnehmerInnen können die unterschiedlichen Statements mittels einer sogenannten Likelihood-Skala 11. Mai 2020 16/41
beantworten, die von „überhaupt nicht zutreffend für mich“ bis hin zu „genau zutreffend für mich“ reicht. Die einzelnen Aussagen sind für die von FOMO betroffenen Individuen passend und laut Przybylski ein zuverlässiger Gradmesser: 1. Ich fürchte, dass andere mehr lohnende Erfahrungen machen als ich. 2. Ich fürchte, dass meine Freunde mehr lohnende Erfahrungen machen als ich. 3. Ich mache mir Sorgen, wenn ich erfahre, dass meine Freunde ohne mich Spaß haben. 4. Ich werde unruhig/ängstlich, wenn ich nicht weiß, was meine Freunde vorhaben. 5. Es ist mir wichtig, meine Freunde „in Witzen“ zu verstehen. 6. Manchmal frage ich mich, ob ich zu viel Zeit damit verbringe, auf dem Laufenden zu bleiben. 7. Es stört mich, wenn ich die Gelegenheit versäume, mich mit Freunden zu treffen. 8. Wenn es mir gut geht, ist es für mich wichtig, die Details online zu teilen (z.B.: Status aktualisieren). 9. Es stört mich, wenn ich ein geplantes Zusammensein verpasse. 10. Wenn ich in den Urlaub fahre, verfolge ich weiterhin, was meine Freunde tun (Przybylski et al. 2013, 1847). 8.1. Fear of Missing Out – Stand der Literatur Wie bereits erwähnt, gibt es sowohl in der Psychologie als auch in der Wirtschaftswissenschaft viele unterschiedliche Studien, die sich mit der Ausprägung, der Entstehung sowie der Intensität von FOMO beschäftigen. Im folgenden Abschnitt sollen eben jene Studien den Stand der heutigen Literatur darstellen, welche einen ähnlichen Ansatz zur Erklärung der FOMO heranziehen wie das in dieser Arbeit behandelte Modell. Das Alter, das Geschlecht und die Ausbildung sind vielen WissenschaftlerInnen bereits früh als Erklärungsvariablen für die Angst, etwas zu verpassen, aufgefallen. Franchina et al. (2018) veröffentlichten im Jahr 2018 beispielsweise in ihrem Werk „Fear of Missing Out as a Predictor of Problematic Social Media Use and Phubbing Behavior among Flemish Adolescents” eine Studie über den Zusammenhang zwischen der FOMO und der Nutzung von Social Media in der Flämischen Region. Dabei verwendeten sie die Kontrollvariablen Alter, Geschlecht und schulische Ausbildung. Die Autoren kamen zum Ergebnis, dass Frauen eine größere FOMO als ihre männlichen Kollegen vorweisen. Jedoch waren das Alter und der schulische Ausbildungsweg in der Erklärung der FOMO nicht signifikant (Franchina et al. 2018, 11). 11. Mai 2020 17/41
In Bezug auf das Alter zeigt sich in vielen unterschiedlichen Studien, dass gerade Jugendliche enorm anfällig sind, eine FOMO zu entwickeln. Ursula Oberst et al. (2016) setzten sich in ihrer Studie das Ziel, die Verbindung zwischen psychopathologischen Symptomen und negativen Auswirkungen von Social-Networking-Seiten (SNS) anhand der Fear of Missing Out zu verstehen. Das Ergebnis war eindeutig: Besonders jüngere Erwachsene entwickeln eher eine Fear of Missing Out als ältere. Darüber hinaus tritt eine gefährliche Wirkungskette bei Jugendlichen in Gang. Psychopathologische Symptome wie Depressionen oder Angstzustände sind in vielen Fällen der Auslöser für das Entstehen einer FOMO. Die AutorInnen fanden außerdem heraus, dass das Risiko hierfür bei weiblichen Jugendlichen noch viel stärker ausgeprägt ist als bei männlichen. Oberst et al. (2016) halten darüber hinaus fest, dass das Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung von vielen Eltern falsch gedeutet wird. Nicht die Fear of Missing Out ist der Trigger für psychopathologische Symptome, sondern eben jene bedingen negative Konsequenzen der Nutzung von Internetanwendungen und sozialen Netzwerken. Aus diesem Grund empfehlen die AutorInnen zuerst die Behandlung der Auslöser wie etwa Depressionen oder Angstzustände. Damit kann eine fehlerhafte Nutzung der Social-Networking-Seiten vorgebeugt werden. Besonders Jugendliche, welche von der Fear of Missing Out betroffen sind, fühlen sich gezwungen, auf SNS aktiv zu sein, um mit Gleichaltrigen in Kontakt zu stehen. Jenes Verhalten darf als problematische Verwendung mobiler Geräte bezeichnet werden. Ein Lösungsvorschlag, der von den AutorInnen angeführt wird, ist die Stärkung des Selbstwertgefühls sowie die Förderung der Jugendlichen in der Entwicklung ihrer sozialen Kompetenzen (Oberst et al. 2016, 54-58). Die Angst, etwas zu verpassen, wirkt also als Vermittler zwischen den Defiziten an psychologischen Bedürfnissen und dem Engagement in sozialen Medien. Jene Personen mit geringerer Befriedigung von sozialen und psychologischen Grundbedürfnissen wie Kompetenz, Autonomie und Verbundenheit mit anderen weisen höhere Werte in der Fear of Missing Out auf als andere (Alt 2015, 112). Wegmann et al. (2017) führten eine weitere Studie durch, um eine Störung der Internet- Kommunikation bei den befragten Personen zu erklären. Die AutorInnen stellten anhand einer Stichprobe von 270 TeilnehmerInnen ein Strukturgleichungsmodell auf, um die Wechselwirkung zwischen problematischer Internetnutzung, psychopathologischer Symptome und der FOMO zu analysieren. Das Ergebnis war bereits bekannt: Psychopathologische Symptome lösen bei den ProbandInnen die Erwartung aus, durch Kommunikationsanwendungen aus dem Internet die Probleme des Alltags verdrängen zu können. Darüber hinaus sind eben jene Symptome wiederum ein Trigger für erhöhte FOMO-Werte bei der Nutzung von SNS. Die genannte Erwartung sowie die Fear of Missing Out sind in der Folge zwei Variablen, welche zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Internet-Communication-Disorder (ICD) beitragen. Wegmann et al. (2017) kommen jedoch bei der Einbeziehung der Variablen Alter und Geschlecht auf ein anderes Ergebnis als die zuvor genannten AutorInnen: Sowohl das Geschlecht als auch das Alter haben 11. Mai 2020 18/41
keine direkte Beziehung zu den Variablen des Modells. In sämtlichen Fällen bestehen keine Auswirkungen auf die Zielvariable. Diese Studie gliedert sich in jene Untersuchungen ein, welche darlegen, dass männliche wie weibliche BenutzerInnen das gleiche Risiko für die Entwicklung eines Suchtverhaltens aufweisen. Die AutorInnen schließen die Diskussion mit dem klaren Statement, dass demographische Variablen wie in dieser Studie das Alter, das Geschlecht und die Sprache für die Entstehung von ICD-Symptomen nicht ausschlaggebend sind (Wegmann et al. 2017, 40-41). Przybylski et al. (2013) fanden in ihrer Studie Beweise dafür, dass das Alter sehr wohl eine große Rolle für die Entwicklung der Fear of Missing Out spielt. In ihrem Werk “Motivational, emotional, and behavioral correlates of fear of missing out” wurde anhand einfacher Steigungsanalysen festgestellt, dass jüngere TeilnehmerInnen die höchsten FOMO-Werte aufweisen. In Bezug auf eventuelle Differenzen in der Kategorie Geschlecht konnten die AutorInnen nur genderspezifische Unterschiede bei jüngeren TeilnehmerInnen der Befragung feststellen. Przybylski et al. (2013) fanden heraus, dass jüngere Männer, nämlich jene mit einem Alter unter dem Mittelwert der Stichprobe, einen höheren Fear of Missing Out Wert haben als die weiblichen Befragten. Bei älteren TeilnehmerInnen konnte jedoch kein geschlechtsspezifischer Unterschied ausgemacht werden (Przybylski et al. 2013, 1844). Abschließend weisen die AutorInnen noch einmal auf die Tatsache hin, dass sich der Wert der FOMO sowohl mit dem Alter als auch mit dem Geschlecht ändern kann. Individuelle demographische Charakteristika sind demnach Variablen, welche eine deutliche Auswirkung auf den Wert der FOMO haben. Aus diesem Grund sind Przybylski et al. (2013) der Ansicht, dass ein größerer Pool an individuellen Persönlichkeitsmerkmalen wie zum Beispiel die Big-5 im Zusammenhang mit der Angst, etwas zu verpassen, untersucht werden sollte (Przybylski et al. 2013, 1847). Eine andere Studie aus dem Jahr 2016 beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Jugendlichen und dem Verlangen, akzeptiert zu werden beziehungsweise einer Gruppe anzugehören. Beyens, Frison und Eggermont (2016) untersuchten 402 Jugendliche in Bezug auf ihre Angst, etwas zu verpassen. Die AutorInnen kamen zu dem Entschluss, dass die FOMO eine zentrale Rolle im Leben junger Erwachsener spielt. 33,7% der befragten Jugendlichen stimmten Aussagen zu, die auf das Bedürfnis nach Zugehörigkeit abzielten. Darüber hinaus waren es 4,7% der TeilnehmerInnen, welche die Statements über das Bedürfnis nach Beliebtheit bejahten. In etwa jeder zehnte Jugendliche (8,8%) stimmte den Aussagen über FOMO zu. Außerdem berichteten 9,3% der Jugendlichen von Stress bis extremem Stress, wenn sie nicht Kontakt zu deren FreundInnen auf Facebook aufnehmen können. Beyens, Frison und Eggermont (2016) fanden einen negativen Zusammenhang zwischen dem Alter der TeilnehmerInnen und deren Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Beliebtheit heraus. Dieses Verlangen nach Anerkennung wird etwa mit zunehmendem Alter geringer. Geschlechtsspezifische Unterschiede wurden dahingehend 11. Mai 2020 19/41
wahrgenommen, dass weibliche Teilnehmerinnen ein höheres Maß an Zugehörigkeitsbedürfnis, an Stress und an FOMO aufwiesen. Diese Aspekte verstärkten sich, wenn weibliche TeilnehmerInnen der Auffassung waren, dass sie auf SNS nicht beliebt seien. Abschließend wurden starke positive Beziehungen zwischen dem Bedürfnis der Jugendlichen nach Popularität und Zugehörigkeit sowie der FOMO und dem wahrgenommenen Stress aufgrund mangelnder Beliebtheit im Internet festgestellt (Beyens/ Frison/Eggermont 2016, 13-14). Das Zusammenspiel zwischen der Akzeptanz, der Nutzung sowie der Bewältigung neuer Technologien und der Fear of Missing Out erforschten Hadlington und Scase (2018). Die erhobenen Daten zeigen, dass Personen, die erhöhte Werte im Bereich der FOMO sowie der Internetsucht und des Neurotizismus aufweisen, mit höherer Wahrscheinlichkeit eine negative Reaktion auf Fehler in digitalen Technologien zeigen. In weiterer Folge haben sie eher Probleme bei der Behebung dieser (Hadlington und Scase 2018, 12). Neben dem eben genannten Zusammenhang fanden die Autoren auch eine gefährliche Entwicklung in Bezug auf den Straßenverkehr heraus. Personen mit einer größeren FOMO sind eher dazu verleitet, Textnachrichten oder E-Mails während des Fahrens zu lesen. Demnach sind diese Individuen bereit, aufgrund ihrer Fear of Missing Out ein höheres Risiko durch eine geminderte Aufmerksamkeit im Straßenverkehr einzugehen (Hadlington und Scase 2018, 5). 9. Modell Der Stand der Literatur zeigt, dass man sich bei der Analyse der Fear of Missing Out hauptsächlich auf die Interpretation und Erklärung der Internet- und Social-Media-Sucht konzentriert. In den meisten Studien wird das Hauptaugenmerk auf Social-Networking-Sites (SNS) wie Facebook, Instagram oder Snapchat gelegt. Darüber hinaus sind psychopathologische Symptome wie Depressionen oder Angstzustände oft der Auslöser für FOMO oder für Internet-Communication- Disorder (ICD). In der aktuellen Literatur lässt sich jedoch keine Studie über das Auftreten der FOMO bei GeschäftsführerInnen sowie UnternehmerInnen finden. In diesem Kontext darf man die Fear of Missing Out jedoch nicht vor dem Hintergrund von Social Media oder Facebook- FreundInnen betrachten, sondern im Zusammenhang mit der Wirtschaftsbranche und den jeweiligen KonkurrentInnen. Die FOMO zielt hier nicht auf die Angst ab, dass einem Individuum bestimmte Events oder Ereignisse entgehen, sondern eher auf die Angst, eine Chance oder eine Gelegenheit im wirtschaftlichen Kontext beziehungsweise eine neuartige Technologie zu verpassen. Aus diesem Grund wurden die einzelnen Items der Fear of Missing Out und demnach auch der FOMO-Skala leicht adaptiert. Folgende Statements wurden also von den TeilehmerInnen der Umfrage auf einer Skala von „1 – Stimme völlig zu“ bis „7 – Stimme gar nicht zu“ bearbeitet: 11. Mai 2020 20/41
- Ich befürchte, dass andere Unternehmen in meiner Branche zufriedener sind mit dem Einsatz neuer Technologien. - Ich befürchte, dass befreundete Unternehmen zufriedener sind mit dem Einsatz neuer Technologien. - Es beunruhigt mich, wenn ich sehe, dass andere Unternehmen in meiner Branche zufriedener sind mit dem Einsatz neuer Technologien als mein Unternehmen. - Es besorgt mich, wenn ich nicht weiß, auf welche Technologien andere Unternehmen in meiner Branche setzen. - Es ist für mich wichtig, das Insiderwissen anderer Unternehmen in meiner Branche über neue Technologien zu verstehen. - Manchmal frage ich mich, ob ich zu viel Zeit damit verbringe, am neuesten Stand zu bleiben. - Es belastet mich, wenn ich eine Chance versäume, andere Personen aus meiner Branche zu treffen. - Wenn es gut läuft, erzähle ich gerne anderen über die von uns eingesetzten Technologien. - Es belastet mich, wenn ich ein geplantes Treffen mit anderen Personen aus meiner Branche versäume. - Wenn ich auf Urlaub bin, verfolge ich weiterhin die Tätigkeiten meiner Branche. Aus den Items dieser Aussagen wurden im Folgenden Durchschnittswerte für jeden/jede UnternehmerIn einzeln berechnet. Ergibt sich am Ende ein Wert in der Nähe von 1, so haben die TeilnehmerInnen den Großteil der Statements mit „Stimme völlig zu“ beantwortet. Dieser Umstand würde für einen niedrigen Value in der Auswertung, jedoch aber für einen hohen FOMO-Wert sprechen. Stellt sich der Durchschnittswert sehr nahe bei 7 ein, so weisen die Befragten einen niedrigen FOMO-Wert auf, da sie die meisten Items mit „Stimme gar nicht zu“ beantworteten. Dieser Gruppe von TeilnehmerInnen könnte man eine niedrige Angst, etwas zu verpassen, attestieren. Als abhängige Variable wird in diesem Modell nun die Durchschnittsgröße aller FOMO-Werte errechnet. Diese wird anschließend mit den unabhängigen demographischen Variablen, nämlich Alter, Geschlecht und Ausbildung, korreliert. Daraus ergibt sich ein einfaches Regressionsmodell, das zeigt, welchen Einfluss die drei genannten Größen auf die Zielvariable Fear of Missing Out haben. Steigt oder fällt der FOMO-Wert, wenn sich das Alter, das Geschlecht oder das Niveau der Ausbildung verändert? In welchem Ausmaß und in welcher Intensität ist die Angst, etwas zu verpassen, von den jeweiligen unabhängigen Variablen abhängig? 11. Mai 2020 21/41
Abbildung 5: „Regressionsmodell“ Quelle: eigene Abbildung Die Auswirkungen der drei unabhängigen Variablen werden eigenständig in drei unterschiedlichen Hypothesen getestet. Während in Hypothese A der Effekt des Alters auf die Fear of Missing Out analysiert wird, wird in Hypothese B die Auswirkung des Geschlechts auf den FOMO-Wert geklärt. Schließlich wird in Hypothese C der Zusammenhang zwischen Ausbildung und der Angst, etwas zu verpassen, verdeutlicht. 9.1. Formulierung der Hypothesen Das Hauptaugenmerk der quantitativen Auswertung wird auf die Analyse der Fear of Missing Out gelegt. Die Angst, etwas zu verpassen, soll hier auf Unternehmen und auf deren Branchen ausgeweitet werden. Gemeint ist die Angst, einen Trend in der Branche oder eine neue Produktionsweise – beispielhaft zu nennen ist hier eben die additive Fertigung – zu verpassen. Darüber hinaus geht es darum, ob Konkurrenz-Unternehmen zufriedener sind mit dem Einsatz und der Akzeptanz neuer Technologien. Aus den zehn Statements der Unterkategorie FOMO des Fragebogens, bei denen UnternehmerInnen auf einer Skala von „Stimme völlig zu“ bis „Stimme gar nicht zu“ die jeweils zutreffende Antwort ankreuzen mussten, kann ein Gesamtwert errechnet werden. Dieser wird durch die Anzahl der Statements aus der FOMO-Fragenbatterie dividiert, wodurch man einen Durchschnittswert erhält, welcher angibt, wie hoch die FOMO bei den einzelnen UnternehmerInnen ist. Ein Wert, der nahe bei 1 liegt, deutet auf eine hohe Angst, etwas zu verpassen, hin. Je mehr der Wert steigt, desto geringer ist die Fear of Missing Out (Maximalwert: 7). 11. Mai 2020 22/41
Die übergeordnete Forschungsfrage soll klären, inwiefern die Fear of Missing Out bei UnternehmerInnen gegeben ist. Ziel ist es, individuelle Charakteristika einer jeden Teilnehmerin/eines jeden Teilnehmers dahingehend zu analysieren, ob jene Werte Auswirkungen auf die FOMO haben. Die Forschungsfrage lautet daher: „Welchen Einfluss haben demographische Merkmale von EntscheidungsträgerInnen in Unternehmen wie das Alter, das Geschlecht und die Ausbildung auf die Fear of Missing Out?“ Was den Einfluss des Alters betrifft, kommt die Literatur zu keinem eindeutigen Ergebnis. Eine Tendenz lässt sich jedoch feststellen. Je jünger die TeilnehmerInnen der einzelnen Studien sind, desto höher ist die FOMO bei den befragten Personen. Besonders Jugendliche sind aufgrund von Social-Media-Aktivitäten und problematischer Smartphone-Nutzung häufig von der Fear of Missing Out betroffen. Beyens/Frison/Eggermont (2016), Przybylski et al. (2013) und Oberst et al. (2016) sind einer ähnlichen Meinung: Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Alter und dem FOMO-Wert einer Person und dieser lässt sich wie folgt in Hypothese A formulieren. Hypothese A: Tendenziell jüngere UnternehmerInnen haben eine höhere Angst, etwas zu verpassen, als ältere. Je niedriger also das Alter des/der Befragten ist, desto höher ist der durchschnittliche Wert aus den Statements der Fear of Missing Out. Konsequenterweise müsste diese Behauptung auch für den gegenteiligen Fall gelten. Dies würde bedeuten: je höher das Alter einer Person, desto niedriger die Angst, etwas zu verpassen. Ein Grund für diese Annahme könnte sein, dass ältere UnternehmerInnen auf ihr langjähriges Unternehmenskonzept und auf ihre Erfahrung vertrauen. Sie verfolgen nicht mehr mit letzter Konsequenz die Entwicklungen ihrer Branche, haben eine Stammkundschaft und ein zufriedenstellendes Geschäftsmodell. Auf der anderen Seite sind jüngere UnternehmerInnen immer auf der Suche nach dem neuesten Trend, wollen keine Gelegenheit verpassen und vergleichen sich aus diesem Grund häufiger mit den KonkurrentInnen. Einen Beleg hierfür findet man bei Chang et al. (2013), welche herausgefunden haben, dass sich ein konservativer Ansatz der Geschäftsführung negativ auf die Anzahl der Patente und Patentzitate auswirkt. Darüber hinaus behindert dies das Innovationsdenken im Unternehmen und führt zu einem geringeren Ausgabenniveau im Bereich Forschung und Entwicklung (Chang et al. 2013, 32). Ein weiterer Grund für einen niedrigeren FOMO-Wert bei älteren GeschäftsführerInnen könnte sein, dass sich bei ihnen nach vielen Jahren des Erfolgs eine Zufriedenheit einstellt. Jüngere UnternehmerInnen legen den Fokus hingegen verstärkt auf Trends, neue Technologien und Ideen aus der Branche. Folglich entwickelt sich bei ihnen eher eine höhere FOMO als bei älteren UnternehmerInnen. Zacher und Griffin (2015) behandelten dieses Phänomen in einer Studie, in der sie das Alter der TeilnehmerInnen mit deren Jobzufriedenheit verglichen. Als Ergebnis stellte sich eine positive Beziehung zwischen der beruflichen Anpassungsfähigkeit und der Arbeitszufriedenheit bei älteren TeilnehmerInnen heraus. Gleichzeitig bezeichnen die 11. Mai 2020 23/41
AutorInnen aber die berufliche Anpassungsfähigkeit als eine wichtige psychosoziale Ressource von jüngeren Personen (Zacher/Griffin 2015, 232-234). Bezüglich der Geschlechterfrage sind sich WissenschaftlerInnen uneinig. Es herrscht kein klarer Konsens darüber, ob und in welcher Form das Geschlecht den Wert der Fear of Missing Out beeinflusst. Während Beyens/Frison/Eggermont (2016) wie bereits erwähnt klar der Meinung sind, dass die FOMO meist bei weiblichen Personen auftritt, stellen andere ExpertInnen den genau gegenteiligen Trend fest. Wegmann et al. (2017) erkannten wiederum gar keine Beziehung zwischen der Entwicklung sowie dem Bestehen von FOMO-Symptomen und dem Geschlecht. Für Przybylski et al. (2013) sind es die Buben beziehungsweise die jungen Männer, welche die höchste Angst haben, etwas zu verpassen. Die Literatur lässt somit keinen eindeutigen Schluss zu, in welcher Art und Weise ein Zusammenhang zwischen Gender und Fear of Misssing Out besteht. Aus diesem Grund lässt sich folgende Hypothese für das vorliegende Modell formulieren. Hypothese B: Es gibt keinen geschlechtsspezifischen Unterschied bei der Analyse der Fear of Missing Out bei UnternehmerInnen. Mark und Smith (2018) bestätigen diese These, indem sie verschiedene psychische Probleme und Schwierigkeiten in Bezug auf die Geschlechterzugehörigkeit untersuchten. Neben Depressionen, kognitiven Schwierigkeiten und psychosomatischen Symptomen untersuchten die beiden Autoren auch Angstzustände. Das Geschlecht wurde als kein signifikanter Prädiktor für eine psychisch bedingte Variable erkannt. In keiner der aufgestellten Regressionen war Gender ein ausschlaggebender Faktor für die Entwicklung psychischer Probleme. Einzig und allein die Bewältigungsmuster unterscheiden sich zwischen den Geschlechtern. Diese Studie besagt, dass sowohl Frauen als auch Männer gleichermaßen Angstzuständen ausgesetzt sind. Zwar wird dabei nicht direkt auf die Fear of Missing Out eingegangen, jedoch sind die Angst selbst beziehungsweise das Entwickeln eines Angstzustandes als guter Prädiktor für die FOMO anzusehen (Mark/Smith 2018, 11). Eine Studie von JWT Intelligence aus dem Jahr 2012 kommt zu einem anderen Ergebnis. Hier wird sehr wohl ein Unterschied im Geschlecht in Bezug auf das Auftreten der Fear of Missing Out ausgemacht. Obwohl Frauen den stärkeren Drang verspüren, Inhalte auf Social-Media-Kanälen zu posten, und demnach in diesem Zusammenhang ein höheres Mitteilungsbedürfnis haben, weisen die Männer bei dieser Studie einen höheren FOMO-Wert auf. In dieser Umfrage mit 768 Erwachsenen und 60 Jugendlichen aus den USA gaben 38% der Männer an, dass sie sich ausgeschlossen fühlen, wenn sie auf Social Media Inhalte von Erlebnissen Gleichaltriger sehen. Nur 26% der weiblichen Teilnehmerinnen bestätigten dieses Empfinden in der Umfrage. Auch in Bezug auf den Umstand, dass Gleichaltrige Informationen früher erfahren als man selbst, sind 11. Mai 2020 24/41
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