Alkohol am Arbeitsplatz Eine Praxishilfe für Führungskräfte - Deutsche ...
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Hinweis an unsere Leserinnen und Leser: Frauen und Männer sollen sich von unseren Veröffentlichungen gleichermaßen ange- sprochen fühlen. In Texten der DHS werden die weibliche und die männliche Sprachform verwendet. Zugunsten besserer Lesbarkeit kann abweichend nur eine Sprachform verwendet werden. Wir danken für Ihr Verständnis. 2
Inhaltsverzeichnis Einleitung 3 1 Alkohol am Arbeitsplatz als Thema auf der Ebene der Organisation/des Unternehmens 4 Prävention, Gesundheitsförderung und Arbeitssicherheit 4 Integration in die Organisationsstrukturen: Betriebliches Suchtprogramm 6 Rechtliche Anforderungen an Interventionsleitfäden 7 2 Ebene der Führungskraft: Praxishilfe/Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten 9 2.1 Problematischer Alkoholkonsum und Folgen für den Arbeitsplatz 10 Auffälligkeiten am Arbeitsplatz erkennen 10 Grundlagen für Gespräche mit auffälligen Mitarbeitern 12 Diese Fehler sollten unbedingt vermieden werden 14 Die Gesprächsformen und mögliche Abfolge der Mitarbeitergespräche 15 Das Fürsorgegespräch 16 Das Klärungsgespräch 18 Der Stufenplan 20 Wiedereingliederung im Betrieb 27 Arten der Behandlung 27 Das Betriebliche Eingliederungsmanagement 28 Fortgesetzte oder erneute Auffälligkeiten nach einer Therapie 29 2.2 Akute Gefährdung/akuter Rauschzustand 30 Alkoholeinfluss erkennen 31 Die Möglichkeit eines Gegenbeweises 31 Vorsichtsmaßnahme: Entfernung vom Arbeitsplatz 31 3 Informationen und Literatur 34 2
Einleitung Alkoholkonsum ist in Deutschland so verbreitet und Daher richtet sich diese Broschüre insbesondere akzeptiert, dass er für viele Menschen in allen mög- an verantwortliche Führungskräfte. Sie enthält In- lichen Lebensbereichen als normal empfunden wird. formationen und praktische Handlungshilfen zum Obwohl sich das Gesundheitsbewusstsein in den Erkennen von riskantem Konsumverhalten und vergangenen Jahren im Allgemeinen spürbar ver- dem Umgang mit betroffenen Mitarbeiterinnen und bessert hat, werden die Gefährdungen für Gesund- Mitarbeitern. Konkrete Hinweise zur Ansprache und heit und Sicherheit durch Alkoholeinfluss bei der Abfolge von gestuften Interventionsgesprächen sind Arbeit noch immer deutlich unterschätzt. Untersu- aus erprobten und erfolgreichen Programmen abge- chungen in Unternehmen wie auch in der Bevölke- leitet und berücksichtigen rechtliche Rahmenbedin- rung zeigen, dass zehn Prozent der Mitarbeitenden gungen sowie Standards betrieblicher Programme riskant konsumieren, bis zu 5% eine Abhängigkeit zur Suchtprävention und Suchthilfe. aufweisen. Alkoholprobleme sind häufige Ursache bei Fehlzeiten, Leistungseinbußen und Arbeitsunfäl- Alle erforderlichen Handlungsabläufe, denen sich len im Betrieb. Führungskräfte stellen sollten, werden in dieser Praxishilfe modellhaft vorgestellt. Die aufgeführten Für Betroffene kann ein fortschreitender Krank- Vorgehensweisen sind praxisnah umsetzbar und heitsverlauf in eine Abhängigkeit führen. Neben basieren auf bewährten beruflichen Erfahrungen. der Unfallverhütung begründet auch dieser Zusam- menhang entschiedenes Handeln durch den Arbeit- Vorrangig wird in dieser Broschüre der Konsum geber, denn die Gesundheit der Mitarbeiterinnen von Alkohol thematisiert, da Alkohol mit großem und Mitarbeiter wird in Zeiten des Demografischen Abstand häufiger konsumiert wird und seine Ver- Wandels und Fachkräftemangels zur wichtigen Un- breitung und Akzeptanz zu einer Unterschätzung ternehmensressource. Erfolgreiche Programme vieler mit dem Konsum verbundener Gefahren führt. und Angebote der Gesundheitsförderung dienen In weiten Teilen eignen sich die aufgeführten Hilfen nicht nur der Vorbeugung von Produktivitätsverlus- und Materialien gleichermaßen bei riskantem Kon- ten – eine verantwortliche, nachhaltige und gesund- sum anderer reaktions- und wahrnehmungsverän- heitsbewusste Personalpolitik wird auch zum Wett- dernder Substanzen und illegaler „Rauschmittel“. bewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten. Zudem sind die hier exemplarisch vorgestellten Prinzipien und Konzepte grundsätzlich auf Betriebe Vor diesem Hintergrund benötigen Personalverant- und Unternehmenseinheiten aller Größenordnungen wortliche – z. B. Abteilungsleiter/-in oder Meister – und Branchen anwendbar. Handlungssicherheit im Umgang mit Mitarbeiterin- nen und Mitarbeitern, deren Alkoholkonsum bereits Die Inhalte dieser Broschüre richten sich an Perso- spürbare Auswirkungen auf die Arbeit haben. nen mit Personalverantwortung, die letztendlich in der Pflicht stehen, bei Gefährdungen einzuschreiten Auf sie kommt in dieser Frage eine wichtige Schlüs- und Gespräche mit Betroffenen zu führen. Sie erset- selfunktion im Unternehmen zu. Viel hängt von ihren zen nicht die erforderliche Aufklärung aller Mitarbei- Kenntnissen zur konkreten Ansprache und im Um- terinnen und Mitarbeiter über die Gefahren riskanten gang mit einem auffällig Alkohol konsumierenden oder gefährlichen Suchtmittelkonsums. Mitarbeitenden ab. Führungskräfte verfügen in ihrer Position über gute Möglichkeiten, Betroffene früh- zeitig auf ihr Verhalten hinzuweisen und können rechtzeitig eingreifen, um fehlerhaftes Arbeiten und/oder Erkrankungen zu vermeiden. 3
1 Alkohol am Arbeitsplatz als Thema auf der Ebene der Organisation/des Unternehmens Prävention, Gesundheitsförderung und Arbeitssicherheit Grundsätzlich haben Unternehmen ein eigenes Inte- Die Unfallverhütung ist Teil der Arbeitssicherheit, aus resse daran, Gesundheitsgefahren bei der Arbeit zu der sich sowohl für Arbeitgebende wie auch Arbeit- reduzieren. Immer stärker setzt sich die Sichtweise nehmende rechtliche Pflichten ergeben. Auf Grund- durch, dass die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und lage von § 15 SGB VII (7. Sozialgesetzbuch) erlassen Mitarbeiter eine wertvolle Ressource ist. Ihre Er- die Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzli- haltung ist für Beschäftigte wie auch für das Unter- chen Unfallversicherung Vorschriften für Sicherheit nehmen von hohem Wert und Nutzen. Unternehmen und Gesundheit bei der Arbeit. investieren daher in Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und gehen dabei über die Nach der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze rechtlichen Verpflichtungen des Arbeitsschutzes und der Prävention“ (DGUV Vorschrift 1) sind Arbeitge- der Unfallverhütung hinaus. bende nach dem § 7 dazu verpflichtet, darauf zu achten, dass Arbeitsaufgaben nicht Personen aufge- Mit dem gesetzlichen Arbeitsschutz und Vorschriften tragen werden, die erkennbar nicht in der Lage sind, zur Unfallverhütung hat die Gesetzgebung zunächst diese ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen. Rahmenbedingungen geschaffen, nach denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ihrerseits Fürsorgepflicht ausgestaltet werden kann. Arbeits- dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass durch ihr schutz bezeichnet Maßnahmen in Unternehmen, die Verhalten keine Gefährdungen für sich oder andere dem Schutz der Beschäftigten vor arbeitsbedingten entstehen. Konkret wird in § 15 DGUV Vorschrift 1 Sicherheits- und Gesundheitsgefährdungen dienen. vorgeschrieben, dass sie sich durch den Konsum von Durch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) von 1996 Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln sind Arbeitgebende dazu verpflichtet, gesundheit- nicht in einen Zustand versetzen dürfen, durch den liche Gefährdungen am Arbeitsplatz abzubauen und sie sich selbst oder andere gefährden können. Auch die Ursachen möglichst an der Quelle zu beseitigen. die Einnahme von Medikamenten ohne medizinische Auch Maßnahmen zur Vermeidung von Arbeitsun- Indikation kann zu einer Gefährdung führen. fällen und Verringerung ihrer Folgen zählt zu ihren Pflichten. 4 Alkohol am Arbeitsplatz als Thema auf der Ebene der Organisation/des Unternehmens
Arbeitssicherheit ist nicht nur bei der Vorbeugung und Prävention ein relevantes Thema, sie spielt auch im Rahmen der betrieblichen Intervention eine Rolle. Führungskräfte bzw. die direkten Vorgesetzten sind verpflichtet zu handeln, wenn eine Gefährdung der Arbeitssicherheit vorliegt. Bei äußerlichen Anzei- chen, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter unter Einfluss berauschender Mittel steht oder die Reaktion und Wahrnehmung durch Medikamente beeinträchtigt sein könnten, muss die/der Vorge- setzte entscheiden, ob die betroffene Person ohne Gefahr für sich und andere arbeiten kann oder auf dem Arbeitsweg gefährdet ist. Die Entscheidung wird von der/dem Vorgesetzten Konkrete Hinweise zum Erkennung von aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung und alkoholbezogenen Auffälligkeiten, nütz- dem „Beweis des ersten Anscheins“ bei der betrof- liche Tipps für die Ansprache von betrof- fenen Person getroffen. Dies ist für die Einschätzung fenen Mitarbeitenden, Empfehlungen für der Gefährdung ausreichend, ein Test ist nicht er- die Gesprächsvorbereitung und Gesprächs- forderlich. Es kommt zentral darauf an, ob die Füh- führung sowie Muster und Leitfäden ein- rungskraft im Verhalten der beschäftigten Person zelner Gespräche bilden den Hauptteil eine Auffälligkeit bemerkt. Sofern diese an der ge- dieser Praxishilfe. Führungskräfte finden fahrlosen Ausübung der Tätigkeit zweifeln lassen, ist diese Informationen ab Seite 9. ein bestimmtes Einschreiten nicht nur gerechtfertigt sondern erforderlich. Dabei ist der/die Vorgesetzte auch angehalten, Hinweisen aus dem Kreis der Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter nachzugehen und sich ein eigenes Bild zu machen. Alkohol am Arbeitsplatz als Thema auf der Ebene der Organisation/des Unternehmens 5
Integration in die Organisationsstrukturen: Betriebliches Suchtprogramm Die Ansprache von Auffälligkeiten und für Inter- ventionsgespräche sollte im Betrieb verbindlich geregelt sein. Diese Bestimmungen sind im Ideal- fall eingebettet in ein betriebliches Suchtprogramm – häufig auch betriebliches Suchtpräventionspro- gramm genannt. Es umfasst als Gesamtkonzept die Aktivitäten, Maßnahmen und Regelungen im Betrieb, die der Vorbeugung von Suchterkrankungen dienen, Angebote der Beratung und Hilfe organi- sieren und auch das Vorgehen der Intervention bei Auffälligkeiten bestimmen. Weiterhin gehören die Koordination (also das Abstimmen der Vorgänge und Handlungen) und die Weiterentwicklung des Programmes selbst hinzu. In welchem Umfang die Maßnahmen durchgeführt werden und welche An- gebote es im Einzelnen gibt, hängt von der Betriebs- größe und den eingesetzten Ressourcen (Betriebs- und Geldmittel, Personal, Zeit) ab. Die Verankerung eines Betrieblichen Suchtpro- gramms in den Unternehmens- bzw. Organisations- strukturen wird in der Praxis sehr unterschiedlich gehandhabt und ist auf die konkreten Gegebenheiten zugeschnitten. In der Regel ist eine Steuerungs- gruppe verantwortlich, an der die Unternehmens- Durch eine Betriebs- bzw. Dienstverein- führung und weitere Personen beteiligt sind. In barung Sucht kann ein eindeutiger und Abhängigkeit der gegebenen Strukturen können verbindlicher Rahmen für das Betriebliche u. a. die Personalabteilung und der Betriebs- bzw. Suchtprogramm geschaffen werden. Sie Personalrat beteiligt sein, Sozial-/Suchtberaterinnen wird von der Unternehmens- bzw. Geschäfts- und -berater, Betriebsärztin bzw. Betriebsarzt oder stellenleitung mit der jeweiligen Personal- Ärztlicher Dienst, Schwerbehindertenvertretung, vertretung ausgehandelt und schriftlich Sicherheitsfachkraft. Dem Steuerungsgremium festgehalten. obliegt die Koordination des Betrieblichen Sucht Anwendungsbereiche, die eine Ansprache programmes und zugehöriger Maßnahmen. von Betroffenen durch Vorgesetzte regeln Im Rahmen des betrieblichen Suchtprogrammes sowie weitergehende Informationen über werden rechtliche Grundlagen durch betriebliche Betriebliche Suchtprogramme und Muster- Vereinbarungen präzisiert. Solche schriftlichen beispiele für weitere Anwendungsbereiche Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen sind auf die der Betriebs-/Dienstvereinbarungen finden Anforderungen und den Bedarf des Betriebes zuge- Sie unter www.sucht-am-arbeitsplatz.de schnitten. Durch die schriftliche Vereinbarung wird eine Grundlage geschaffen, die verbindliche Vorge- hensweisen für verschiedene Regelungsbereiche schafft. Arbeitgebender wie auch Arbeitnehmender erlangen so Klarheit und Sicherheit, welche Hand- lungsabfolgen z. B. bei einer Intervention zum Einsatz kommen, aber auch darüber, welche Beratungsange- bote gemacht werden. 6 Alkohol am Arbeitsplatz als Thema auf der Ebene der Organisation/des Unternehmens
Rechtliche Anforderungen an Interventionsleitfäden Verbindliche Interventionsleitfäden im Betrieb müs- Wenn festgestellte Auffälligkeiten eindeutig mit dem sen rechtlichen Anforderungen entsprechen. Es Gebrauch von Substanzen oder suchtbedingtem handelt sich um gesundheitsbezogene Gespräche Verhalten in Verbindung stehen, sollte immer eine durch Personalverantwortliche. Bei Anlässen der Intervention nach dem Stufenplan (S. 20) erfolgen. betrieblichen Intervention, sowie bei Hilfsangeboten, Auflagen und Sanktionen in Verbindung mit Stufen- Während der Intervention nach dem Stufenplan aus- gesprächen ist der Vorrang übergeordneter Rechte gesprochene Aufforderungen, eine Beratungsstelle wie der Kündigungsschutz und der Persönlichkeits- oder Therapieeinrichtung aufzusuchen, müssen als schutz zu beachten. Eine Intervention bei Auffällig- Hilfeangebot zu erkennen sein. Die Aufforderung keiten am Arbeitsplatz durch Personalverantwort- kann in fortgeschrittenen Gesprächen des Stufen- liche kann nur erfolgen, wenn eine Vernachlässigung plans auch mit Nachdruck empfohlen werden, die arbeitsvertraglicher oder dienstrechtlicher Pflichten Nichtannahme des Hilfsangebots ist nach geltendem vorliegt oder konkret absehbar ist, Störungen im Recht aber disziplinarisch nicht zu beanstanden. Arbeitsablauf und/oder im Arbeitsumfeld verursacht Arbeitsrechtliche Konsequenzen werden durch das werden oder davon auszugehen ist, dass arbeitsbe- Ablehnen von Angeboten nicht gerechtfertigt. Aller- dingte Faktoren mit verursachend sein könnten bei dings können fortgesetzte Verstöße gegen arbeits- der Entstehung der Probleme, die den Auffälligkeiten vertragliche Pflichten sanktioniert werden. zugrunde liegen.1 1 Vgl. „Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen“, zu finden unter: http://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Arbeitsfeld_Arbeitsplatz/Qualitaetsstandards_DHS_2011.pdf Alkohol am Arbeitsplatz als Thema auf der Ebene der Organisation/des Unternehmens 7
In Deutschland gilt das Recht auf freie Arzt- und Da übergeordnete Rechtsvorschriften wie der Kün- Behandlungswahl. Eine mit Sanktionen verbundene digungsschutz immer berücksichtigt werden müs- Auflage von betrieblicher Seite, eine vorgegebene sen, können ein Interventionskonzept wie der Stufen- Beratung oder Therapie aufzusuchen ist rechtlich plan oder Betriebs- und Dienstvereinbarungen nie- nicht zulässig. mals eigens zu einer Kündigung führen. Nach dem Kündigungsschutzrecht ist immer die Angemessen- Der Arbeitgebende bzw. betriebsinterne Suchtbera- heit im Einzelfall zu prüfen. Das bedeutet, dass es tungsstellen haben auch keinen Anspruch über einen auch auf der letzten Stufe des Stufenplans bei weite- Nachweis für das Aufsuchen einer Beratungsstelle. ren zusätzlichen Verstößen gegen Vertragspflichten Allerdings können Mitarbeitende im Sinne einer Un- nicht automatisch zu einer Kündigung kommt. Es ist terweisung nach § 12 ArbSchG verbindlich aufgefor- stets ein Kündigungsverfahren einzuleiten. dert werden, sich zur Abwendung gesundheitlicher Gefährdungen durch interne Beratungskräfte oder Ansprechpersonen über Risiken des Substanzkon- sums oder suchtbedingten Verhaltens sowie Bera- tungsangebote informieren zu lassen. Die Gespräche nach einem Interventionsleitfaden unterliegen dem besonderen Persönlichkeits- und Vertrauensschutz. Die Teilnahme weiterer Personen ist nur mit Einverständnis der/des Arbeitnehmenden möglich. Das können Betriebs-/Personalräte sein, Schwerbehindertenvertretung oder Gleichstellungs- beauftragte. Es gilt auch für interne oder externe Betriebliche Vorgehensweisen, die den Beratungspersonen in der Sucht- oder Sozialbera- Umgang mit betroffenen Mitarbeiterinnen tung, ausgenommen sie vertreten den Arbeitgeber. und Mitarbeitern verbindlich regeln und in Auch Vertrauenspersonen der/des Arbeitnehmenden einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung können durch diesen/diese hinzugezogen werden. festgelegt werden, müssen die rechtlichen Anforderungen z. B. des Arbeitsrechts und Da der Stufenplan nach dem Muster der DHS ab dem dem Persönlichkeitsschutz entsprechen. dritten Gespräch eine intensive Fallbegleitung vor- Die DHS empfiehlt grundlegend, dass Unter- sieht und im Konzept der Intervention die Teilnahme nehmen zur Absicherung ihrer Vereinbarung weiterer Personen vorsieht, muss also immer ein rechtliche Expertise hinzuziehen. Einverständnis der/des Arbeitnehmenden vorliegen. Auch Kontakte während einer stationären Therapie sind nur mit Einverständnis der betroffenen Person zulässig. 8 Alkohol am Arbeitsplatz als Thema auf der Ebene der Organisation/des Unternehmens
2 Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten Wird eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter am gesundheitsorientierter Personalführung gerecht Arbeitsplatz auffällig, sind Führungskräfte aufge- zu werden. Suchtmittelgebrauch oder Suchtver- fordert, möglichst frühzeitig zu handeln und ein- halten sind sensible Themen, die nicht vermieden, zuschreiten, also zu intervenieren. Im Vordergrund sondern von Personalverantwortlichen aktiv ange- steht dabei zunächst, in den Gesprächen eine Rück- gangen werden müssen. Intervention heißt auch: meldung der wahrgenommenen Probleme am das richtige Maß zwischen Hilfe und Sanktionierung Arbeitsplatz zu geben, aber auch Klarheit über die für den betroffenen Beschäftigten zu finden. Auffälligkeiten zu erlangen und dem Betroffenen Unterstützung anzubieten. In den folgenden Abschnitten werden Praxishilfen beschrieben, wie Auffälligkeiten durch Personal- Interventionskonzepte und Leitfäden unterstützen verantwortliche wahrgenommen und eingeordnet Führungskräfte, sich auf solche Gespräche vorzu- werden können und wie die Vorbereitung und Durch- bereiten. Ebenfalls zeigen sie auf, wie man planvoll, führung von Interventionsgesprächen gelingt. gezielt und strukturiert handelt, um den Ansprüchen Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten 9
Problematischer Alkoholkonsum und folgen für den Arbeitsplatz Auffälligkeiten am Arbeitsplatz erkennen Personalführung erfordert ein hohes Maß an Sen- 2.1 Dennoch ist es wichtig, Führungskräfte für eine sibilität für die Wahrnehmung und Bewertung von Reihe an Auffälligkeiten bei Ihren Mitarbeiterinnen Veränderungen bei jeder/jedem einzelnen Mitarbei- und Mitarbeitern zu sensibilisieren, die möglicher- tenden. Direkte Vorgesetzte stehen in der Regel in weise mit einem problematischen Alkoholkonsum engem Kontakt zu ihren Mitarbeiterinnen und Mitar- in Verbindung stehen. Die Auswirkungen solcher beitern. Daher können sie Veränderungen, Auffällig- Auffälligkeiten auf die Ausübung und Qualität der keiten und etwaige Fehlverhaltensweisen frühzeitig Arbeit, auf Kolleginnen und Kollegen, auf das Be- bemerken. triebsklima und die Außendarstellung gegenüber Kunden und Geschäftspartnerinnen und -partnern Es gilt stets zu bedenken, dass jede/jeder Mitarbei- können das Handeln der Führungskraft erfordern. tende Sorgen oder Probleme sowohl im beruflichen als auch im privaten Lebensbereich hat und mal Je mehr der folgenden Anzeichen bei einer Mitarbei- guter und mal schlechter Stimmung sein kann. Ver- terin oder einem Mitarbeiter in ihrem bzw. seinem haltensänderungen und Leistungsschwankungen Arbeits- und Sozialverhalten sowie in ihrem bzw. müssen nicht zwangsläufig auf ein Alkoholproblem seinem äußeren Erscheinungsbild festzustellen sind, hinweisen, sondern können ganz andere Ursachen desto eindeutiger könnte ein gefährliches oder gar haben. Deshalb werden erste Gespräche nach einer riskantes Konsumverhalten vorliegen. Auffälligkeit häufig mit dem Ziel geführt, in einem konstruktiven und klärenden Gespräch möglichen Nicht alle Auffälligkeiten müssen zugleich auftreten Ursachen auf den Grund zu gehen und ggf. gemein- und können zudem individuell ganz unterschiedlich sam nach Lösungen zu suchen. ausfallen. Insbesondere solche Vorkommnisse, die nicht eindeutig im Zusammenhang mit Alkoholkon- sum stehen, können ihre Ursachen ganz woanders Grundsätzlich gehört es nicht zu den Aufgaben haben. Insofern dienen erste Ansprachen wahrge- einer Führungskraft – und auch sonst keinem nommen Probleme häufiger der Klärung oder dem Funktionsträger im Unternehmen – klinische Ausdruck der Sorge. Diagnosen von Alkoholmissbrauch oder einer Alkoholabhängigkeit zu stellen. Das Anwenden Sollten jedoch (gehäuft) Anzeichen für ein erhöhtes komplexer Diagnoseinstrumente, welche me- Konsumverhalten bei einer Mitarbeiterin oder einem dizinische, soziale und psychologische Aspekte Mitarbeiter festgestellt werden und das Verhalten zu berücksichtigen ist Bestandteil der professio- konkreten Problemen am Arbeitsplatz führen, wird in nellen Suchthilfe und -behandlung, nicht aber der Regel mit dem ersten Gespräch einer gestuften der betrieblichen Intervention. Intervention begonnen. 10 Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten
Merkmale bei Verdacht auf ein riskantes Konsumverhalten Verändertes Arbeitsverhalten Körperliche Veränderungen XX Häufige kurze nicht arbeitsbedingte XX Aufgedunsenes Aussehen mit geröteter Abwesenheit vom Arbeitsplatz, Pausen- Gesichtshaut, glasige Augen überziehung, Unpünktlichkeit usw. XX Zittern der Hände, Schweißausbrüche XX Häufige Kurzerkrankungen/Fehltage ohne ärztlichen Nachweis XX Vernachlässigung äußerer Erscheinung (mangelnde Körperpflege/nachlässige XX Kurzfristige Kurzurlaube, Gleitzeitnahme Kleidung) oder übermäßig geschminkt ohne Voranmeldung und betontes Achten auf äußeres Er- scheinungsbild XX Sich wiederholende/unglaubwürdige Erklärungen/Entschuldigungen durch XX Gleichgewichtsstörungen oder Dritte überkontrolliertes Gehen XX (zunehmende) Unzuverlässigkeit, XX Artikulationsschwierigkeiten nachlassender Arbeitseinsatz, (z. B. Lallen), verlängerte Reaktionszeit nachlassende Arbeitsleistung Veränderte Trinkgewohnheiten XX Starke, oft unerklärliche Leistungs- schwankungen des Arbeitsverhaltens XX Alkoholkonsum bei (unpassenden) und der Arbeitsqualität, vermehrte Trinkgelegenheiten, Alibi für auffälliges quantitative und qualitative Mängel Trinkverhalten und Fehler XX Viel Alkohol bei feierlichen Anlässen, XX Konzentrationsstörungen „Aus-dem-Rahmen-Fallen“ XX Vermeidung von Kontakten mit XX Hastiges Trinken, „heimliches“ Trinken, Vorgesetzten Anlegen versteckter Alkoholdepots Persönlichkeitsveränderungen XX Häufige Alkoholfahne und/oder Ver- such, diese mit Mundwasser, viel Rasier- XX (Extreme) Stimmungsschwankungen wasser, Kaugummi o. Ä. zu überdecken im Umgang mit Kollegen, Kunden und Vorgesetzten (apathisch, nervös, reizbar, XX Demonstrative Vermeidung von Alkohol nicht ansprechbar oder gesprächig, oder Tarnung mit Softdrinks gesellig) XX Überreaktion auf tatsächliche oder ver- meintliche Kritik oder überangepasst XX Zunehmender Rückzug von Kollegen, Isolation Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten 11
Grundlagen für Gespräche mit auffälligen Mitarbeitern Auf die Wahrnehmung folgen der Entschluss zu Handeln und die Vorbereitung von Gesprächen mit betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- tern. Grundsätzlich ist es ratsam, die wahrge- nommenen Vorkommnisse zu dokumentieren. 1. Rahmenbedingungen Der Vorfall oder wahrgenommene Auffälligkeiten sollte/sollten von der Führungskraft aus eigener XX Abgeschlossenen Besprechungsraum Sicht beschrieben und mit Datum belegt sein. organisieren Diese angefertigten Notizen können in den Ge- sprächen zur Sachlichkeit und Verbindlichkeit XX Informationen zum Hilfe- und beitragen, wie auch zur Absicherung der ange- Beratungsangebot sammeln sprochenen Anlässe. XX Ausreichend Zeit einplanen An diesem Musterleitfaden können sich Füh- XX Grundregeln der Gesprächsführung – rungskräfte bei der Vorbereitung, Durchführung wenn nötig – aktualisieren und Nachbereitung von Gesprächen mit auffäl- ligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern orien- 2. Gesprächsvorbereitung tieren. XX Fakten/beobachtete Auffälligkeiten im Hinblick auf Arbeitsleistung, Sozial- verhalten sowie Anwesenheit konkret zusammentragen XX Prüfen, inwieweit Zusammenhang mit riskantem Alkoholkonsum besteht XX Schriftlichen Gesprächsleitfaden anlegen (persönliches Ziel, Erwartung zu Verhaltensänderung, Folgetermin, Ansprechpersonen) XX Rollenverteilung klären: angenehme, aber sachliche Gesprächsatmosphäre herstellen XX Störungsquellen wie Telefon ausschalten bzw. umleiten 12 Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten
3. Eingangskontakt 5. Hilfeangebot unterbreiten XX Freundlich mit Namen begrüßen, Platz XX Unterstützung anbieten, um Veränderung anbieten und kurz das Gespräch einleiten der Situation herbeizuführen, ggf. mit Hilfe weiterer Personen XX Vertraulichkeit zusichern XX Konkrete interne oder externe Beratungs- XX Aufklärung darüber, was schriftlich angebote vorschlagen fixiert wird und wer ggf. Kenntnis vom Gespräch erhält XX Hinweis darauf, dass die/der Mitarbeitende selbst darüber entscheidet, ob er/sie diese XX Zeitrahmen festlegen Angebote annimmt XX Anlass, Art und Ziel des Gesprächs klären 6. Erwartung an zukünftiges Verhalten (Fürsorge-, Klärungs- oder Stufenplange und Vereinbarungen spräch. Beim ersten Stufengespräch wird dem/der Mitarbeitenden der Stufenplan XX Mitarbeitendenverantwortung betonen ausgehändigt und erläutert.) und Erwartungen an künftiges Arbeits- und Sozialverhalten konkret äußern XX Gemeinsames Interesse herausstellen XX Konkrete Zielvereinbarung und weitere 4. Problemerörterung Schritte bestimmen XX Auffälliges Verhalten sachlich und konkret XX Gegebenenfalls weitere Konsequenzen benennen (auf Arbeitsaspekt beschränken) verdeutlichen, wenn keine Änderung erfolgt, XX Im Interventionsgespräch: Zusammenhang und Auswirkungen des Fehlverhaltens auf zwischen Auffälligkeiten und riskantem Unternehmensinteressen betonen Konsum herstellen XX Termin für Rückmeldegespräch vereinbaren XX Sorge um die Person und die weitere 7. Gesprächsbeendigung und Nachbereitung Entwicklung ausdrücken XX Positive Erwartung äußern XX Betroffenen Mitarbeitenden Gelegenheit geben, Stellung zu beziehen XX Bei protokollierten Interventionsgesprächen: Protokollnotiz aushändigen und ggf. ab- XX Gegebenenfalls nachfragen, aber Diskussion zeichnen lassen und Ablenkung vom Thema vermeiden XX Gesprächsablauf reflektieren und Schluss- folgerungen ziehen Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten 13
Diese Fehler sollten unbedingt vermieden werden Führungskräfte sind Betroffenen und Dritten gegen- XX Medizinische Tipps geben. Auch Tipps zu über verpflichtet, problematischen Alkoholkonsum Behandlungsansätzen oder Therapieinhalten im Betrieb anzusprechen. Dennoch ist dies immer gehören nicht in ein Gespräch zwischen Vor- ein heikles Thema und nicht selten wird die Anspra- gesetzter/Vorgesetztem und Betroffener/Be- che vermieden oder lange hinausgezögert. Dabei troffenem. Selbst gut gemeinte medizinische kann diese Vermeidungshaltung dazu beitragen, Ratschläge können, wenn sie nicht von Fach- dass sich anfängliche Probleme verfestigen und leuten kommen, ein Abwehrverhalten bei Be- zu einer chronischen Erkrankung entwickeln. Durch troffenen auslösen. Führen Sie sich vor Augen, eine frühzeitige Ansprache, gerade auch am Arbeits- dass Betroffene sich immer freiwillig in Be- platz, besteht eine Möglichkeit, diese Entwicklung handlung begeben, man kann niemanden abzuwenden. dazu zwingen! Keinesfalls sollte problematischer Konsum wis- XX Vorwürfe, Drohungen, Belehrungen, sentlich gedeckt und entstehendes Fehlverhalten Bewertungen, Unterstellungen, Anweisungen. anderweitig ausgeglichen werden. Durch diese Im Gespräch sind diese Ansagen und Wertungen Unterlassungshaltung wird ein Krankheitsverlauf nicht hilfreich. Mit solchen Gesprächsansätzen schlimmstenfalls sogar gefördert. Denn für Betrof- vermitteln Sie nicht den Eindruck, dass Sie ge- fene entsteht ein „Schonraum“ innerhalb des Unter- meinsame Ziele verfolgen. nehmens, der zu keiner Verhaltensänderung Anlass gibt. Weder Betroffenen, noch dem Unternehmen XX Panik; „Sie werden abhängig, es wird alles wäre dadurch geholfen. Denn die Gefahren eines immer schlimmer“. Wahrscheinlich wissen Sie Unfalls am Arbeitsplatz sowie weiterer wirtschaftli- nicht genau, wie verfestigt und vorangeschritten cher Schäden durch längere Ausfälle und Minder- die Alkoholprobleme der oder des Betroffenen leistungen der Arbeitskraft bestehen fort oder stei- wirklich sind. Sprechen Sie sachlich nur über gen an. Wenn Führungskräfte nicht konsequent ein- das, was Ihnen auffällt, was Sie beobachten und greifen, besteht das Risiko, dass sich nicht nur der was Ihnen Sorgen macht und immer in Bezug Zustand der oder des Betroffenen verschlechtert, zur Arbeitsleistung stehen muss. sondern auch das kollegiale Umfeld zusätzlich be- XX Bei akuten Gefährdungen: wegschauen und lastet wird. schweigen. Wenn Sie eine akute Alkoholwirkung bemerken und die betroffene Person Ihrem Ur- teil nach nicht in der Lage ist, ihre Arbeitsauf- Neben der Vermeidungshaltung gibt es auch in gaben ohne Gefährdung für sich oder Dritte aus- der Ansprache selbst einige Fehler, die vermieden zuüben, sind Sie zum Einschreiten verpflichtet. werden sollten: Denn Alkoholeinfluss bedeutet für jeden Arbeits- platz und Arbeitsweg eine erhöhte Unfallgefahr. XX Diagnosen stellen. Medizinische Diagnosen stellen Ärzte und andere Fachleute außerhalb XX Der falsche Zeitpunkt. Das Gespräch ist wahr- des Unternehmens. Im Betrieb sind weder die scheinlich weder für Sie noch für Angespro- Vorgesetzten, noch die Personalabteilung, die chene angenehm und unbeschwert. Von Be- Kolleginnen und Kollegen oder sonstige Perso- troffenen wird es schnell als Kritik aufgefasst. nen ausreichen qualifiziert, um eine Abhängig- Um hervorzuheben, dass es bei der Ansprache keit oder einen Missbrauch zu diagnostizieren. um den Zusammenhang mit der Ausübung Sprechen Sie stattdessen den riskanten Konsum der Arbeit geht, sind Zeitpunkte wie kurz vor und mögliche Gefährdung an. Feierabend oder dem Wochenende besser zu vermeiden. 14 Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten
Die Gesprächsformen und mögliche Abfolge der Mitarbeitergespräche Vorfälle / Auffälliges Verhalten Akute Alkohol- Pflichtverletzung Intoxikation Störung des Betriebsklimas während der oder -ablaufs Arbeitszeit Keine akute Alkohol-Intoxikation Kein offensichtlicher Offensichtlicher Mitarbeiter Zusammenhang Zusammenhang auf eigene Kosten mit Alkohol mit Alkoholkonsum vom Arbeitsplatz entfernen Fürsorgegespräch Führungskraft trägt Klärungs- Stufen- gespräch plan die Verantwortung vor allem bei dafür, dass Mitar- wiederholten beiter sicher nach Keine erneuten Erneute Vorfällen Hause kommt Vorfälle Vorfälle Kein offensichtlicher Offensichtlicher Ergebnis: Ergebnis: Rückmelde- Stufen- Zusammenhang Zusammenhang Alkohol ist Alkohol gespräch plan mit Alkohol mit Alkoholkonsum nicht Ursache ist Ursache Keine erneuten Keine erneuten Erneute Klärungsgespräch Stufen- Vorfälle Vorfälle Vorfälle plan (Zusammenhang mit Alkohol) Ggf. für andere passende Rückmelde- Stufen- Unterstützung gespräch plan sorgen Quelle: Eigene Darstellung, DHS 2019 Je nach Anlass und Ausgangssituation sehen Kon- Steht ein Zusammenhang mit problematischem zepte betrieblicher Ansprache Gesprächsformen vor, Alkoholkonsum außer Zweifel, wird in der Regel das die einem gestuften Interventionsplan vorangestellt erste Gespräch des Stufenplans eingeleitet. Die ein- werden können. Insbesondere, wenn bei Auffälligkei- zelnen Stufengespräche dienen einer schrittweisen ten (noch) kein Zusammenhang zu Suchtproblemen Intervention. erkennbar ist, so werden die Gesprächsformen „Für- sorgegespräch“ und „Klärungsgespräch“ angewandt. Bei akutem Alkoholeinfluss und Gefährdung der Arbeitssicherheit ist unmittelbar zu handeln. Wie mit solchen Situationen handlungssicher umge- gangen werden kann, wird in dieser Broschüre ab Seite 30 beschrieben. Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten 15
Das Fürsorgegespräch Das Fürsorgegespräch ist ein Mitarbeitergespräch, Gespräch lenken, d. h. auch, sich nicht auf Diskus- bei dem Auffälligkeiten am Arbeitsplatz themati- sionen einzulassen. Es geht darum, die Kontrolle siert werden, die zu Störungen im Arbeitsablauf über das Gespräch zu halten, die Ziele vor Augen und -umfeld führen können. Grundsätzliches Ziel zu haben und sich nicht auf Ablenkungen einzu- des Gespräches ist, die Sorge über die Vorfälle zum lassen. Eine weitere Grundregel für den Gesprächs- Ausdruck zu bringen und Hilfe anzubieten. führenden ist auch, in „Ich-Form“ zu sprechen und „Man“-Formulierungen zu vermeiden. Schuldzu- Anlass für ein Fürsorgegespräch weisungen und Vorwürfe sind in jedem Fall zu Anlass, ein Fürsorgegespräch zu führen ist, dass unterlassen. eine Führungskraft persönliche, gesundheitliche oder soziale Probleme bei einer/einem Mitarbei- Das Fürsorgegespräch ist vertraulich zu behandeln. tenden wahrgenommen hat. Ein Zusammenhang Es hat keinen Disziplinarcharakter, schriftliche Auf- mit Alkoholkonsum ist (noch) nicht erkennbar. Bisher zeichnungen sind nicht erforderlich. ist noch keine Pflichtverletzung eingetreten, diese wird aber als wahrscheinlich angesehen, wenn das Inhalte Verhalten fortgesetzt wird. In einem Fürsorgegespräch wird die/der betroffene Mitarbeiter von einem Personalverantwortlichen Ziel des Fürsorgegespräches darauf angesprochen, dass Probleme aus dem per- Das Ziel des Fürsorgegespräches ist, Beschäftigten sönlichen, gesundheitlichen oder sozialen Bereich zu signalisieren, dass sie Unterstützung vom Un- im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung sichtbar ternehmen und der Führungskraft erhalten. Wenn geworden sind. Die wahrgenommenen Verände- Probleme im persönlichen, gesundheitlichen oder rungen werden konkret benannt. Gleichzeitig wird sozialen Bereich sichtbar geworden sind, wird in abgeklärt, ob die/der betroffene Mitarbeitende eine diesem vertraulichen Gespräch eine Rückspiegelung Unterstützung wünscht. der wahrgenommenen Auffälligkeiten vorgenommen und es werden sachgerechte Hilfeangebote gemacht. Entsprechende Hinweise auf Unterstützung (z. B. auf betriebsinterne Beratungsangebote und externe Zur gesundheitsorientierten Personalführung gehört Beratungsdienste) erfolgen durch den Personalver- es, eine Verfestigung von Problemen vorzubeugen, antwortlichen. Andererseits werden Betroffene auch indem Unterstützung seitens der Führungskraft eingeladen, selber Lösungsvorschläge zu entwickeln angeboten wird. Das Fürsorgegespräch ist ein ge- und darzustellen. eigneter Rahmen, um Sorge zum Ausdruck über die gefährdete Arbeitsleistung zu bringen und Hilfe Vereinbarung eines Termins für ein Folgegespräch anzubieten. in ca. 2-4 Wochen. Ein solches Rückmeldegespräch fördert auf beiden Seiten die Verbindlichkeit die Es liegt in der Entscheidung der/des Betroffenen weitere Entwicklung im Blick zu behalten. selbst, ob sie/er die Gründe für etwaige Probleme darlegen möchte. Führungskräfte müssen im Für- Vorbereitung sorgegespräch auch akzeptieren, wenn sich Mit- Der Personalverantwortliche sammelt die Auffällig- arbeiter verschlossen halten und Hilfeangebote keiten, die Anlass zur Sorge geben und die angespro- zurückweisen. chen werden sollen. Hinzu kommt die Einstimmung auf die betroffene Person. Welche spezifischen Reak- Gesprächsführung tionen auf die fürsorgliche Ansprache sind denkbar? Zu den grundsätzlichen Regeln der Gesprächs- Wie ist mit den zu erwartenden Emotionen oder der führung gehört es, ein gutes Gesprächsklima zu Gesprächsabwehr umzugehen? Das Fürsorgege- schaffen. Für Personalverantwortliche ist wichtig, spräch ist vor allem getragen von geäußerter Sorge erkennen zu lassen, dass sie sich um die/den Mit- in Bezug auf die Arbeitsleistung und -sicherheit, dem arbeitenden Sorgen machen. Sie müssen dieses Zuhören und dem Angebot von Unterstützung. 16 Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten
Gesprächsleitfaden für das Fürsorgegespräch Das Fürsorgegespräch Inhalt des Gesprächs: Beteiligte: XX Persönlichen Eindruck ansprechen, dass Beschäftigte/r, unmittelbare/r Vorgesetzte/r der/die Beschäftigte Probleme hat, die auch am Arbeitsplatz sichtbar werden; Das Fürsorgegespräch ist ein Mitarbeiter- gespräch bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz, XX Wahrgenommene Veränderungen/Auffällig- die zu Störungen im Arbeitsablauf und -umfeld keiten konkret benennen; führen (können). Ziel ist es, den einzelnen Be- schäftigten frühzeitig zu signalisieren, dass sie XX Frage danach, ob der/die Beschäftigte Unterstützung vonseiten der/des Arbeitgeben- Unterstützung wünscht und wenn ja, den bzw. des/der Vorgesetzten erwarten können, in welcher Form; wenn sie dies wünschen. Das Gespräch beugt XX Hinweise auf der Verfestigung einer Problemsituation und einer unpassenden Bewältigung durch Sucht- A ) innerbetriebliche Hilfeangebote: z. B. mittelgebrauch vor. Es ist nicht Bestandteil des soziale Ansprechpersonen, Mitarbeiterbe- Stufenplans und hat keinen disziplinierenden ratung, betriebsärztlicher Dienst, betrieb- Charakter, sondern dient ausschließlich der liches Eingliederungsmanagement u. a. Rückspiegelung der wahrgenommenen Verän- B ) externe Hilfemöglichkeiten: Fachbera- derungen und der Übermittlung eines sachge- tung, Coaching, Therapieangebote, Ärztin/ rechten Hilfeangebots. Arzt u. a. Hat eine Beschäftigte/ein Beschäftigter per- XX Vereinbarung eines Rückmeldegesprächs sönliche, gesundheitliche oder soziale Prob- in 2-4 Wochen. leme, die am Arbeitsplatz sichtbar werden und bei Fortsetzung des Verhaltens die Ver- nachlässigung arbeitsvertraglicher Pflichten erwarten lassen, führt der/die unmittelbare Vorgesetzte mit der betroffenen Person ein vertrauliches Gespräch. Im Gespräch wird allein die Fürsorge zum Ausdruck gebracht und soziale Unterstützung angeboten. Quelle: Wienemann, Elisabeth; Schumann, Günter (2011): Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Ein Leitfaden für die Praxis. S.124 Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten 17
Das Klärungsgespräch Das Klärungsgespräch dient dem Abklären Inhalte von Gründen bei wiederholtem Vernachlässigen Im Klärungsgespräch benennt die Führungskraft die von arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen konkreten Vorfälle bzw. Auffälligkeiten und spricht Pflichten. Noch ist nicht geklärt, ob die Auffällig- Datum und Ort des beobachteten Vorfalls und des- keiten im Verhalten mit Alkoholkonsum oder sen unmittelbare und mittelbare Auswirkungen an. Suchtverhalten zusammenhängen. Auch die Besorgnis über wahrgenommene Probleme zur Arbeitsleistung der beschäftigten Person wird Anlass für ein Klärungsgespräch zum Ausdruck gebracht. Die Führungskraft erläutert, Wiederholt sind arbeitsvertragliche oder dienst- dass aus dem Verhalten eine Vernachlässigung der rechtliche Pflichten vernachlässigt worden und auf- Pflichten bzw. eine Störung des Arbeitszusammen- gefallen. Die Gründe für die Auffälligkeiten können hanges entsteht. Es werden die konkreten Erwartun- Probleme im persönlichen, sozialen oder gesund- gen der Führungskraft an das weitere Arbeitsverhal- heitlichen Bereich sein, sie können möglicherweise ten genannt. mit Alkoholkonsum oder Suchtverhalten zusam- menhängen. Zur Vereinbarung konkreter Schritte gehört das An- gebot von Unterstützung mit Hinweisen auf innerbe- Ziel des Klärungsgespräches triebliche oder externe Beratungsmöglichkeiten und Ziel des Klärungsgespräches ist es, eine Rückmel- Hilfeangebote. Es wird auch ein Rückmeldegespräch dung zu den Auffälligkeiten zu geben, Hintergründe vereinbart, das ca. 4-6 Wochen nach dem Klärungs- für die Auffälligkeiten sollen abgeklärt werden. gespräch stattfinden soll. Darin findet ein Austausch Außerdem werden Erwartungen an das zukünftige über die Entwicklung des Verhaltens statt. Verhalten benannt und konkrete Schritte verein- bart, damit es nicht zu weiteren Auffälligkeiten Kommt es nach dem Klärungsgespräch nicht zu kommt. Durch die Führungskraft werden auch Be- weiteren Auffälligkeiten, so wird dies im Rückmelde- ratungs- und Unterstützungsangebote aufgezeigt, gespräch mitgeteilt und die positive Verhaltensän- die der/dem auffällig gewordenen Mitarbeitenden derung wird bestätigt. Kommt es dagegen erneut von Unternehmensseite gemacht werden können. zu Vorfällen in Verbindung mit Alkohol, werden Gespräche über wahrgenommene Probleme zur Gesprächsführung Arbeitsleistung anhand des Interventionsleitfaden Zu den grundsätzlichen Regeln der Gesprächsfüh- „Stufenplan“ durchgeführt. rung gehört es, ein gutes Gesprächsklima zu schaf- fen. Auch beim Klärungsgespräch ist es wichtig, dass Vorbereitung Führungskräfte erkennen lassen, dass sie sich um Die Führungskraft wird in dem Gespräch die Vorfälle die/den Mitarbeitenden Sorgen machen und Unter- konkret ansprechen. Zur Vorbereitung ist es sinnvoll, stützung anbieten. Es handelt sich um ein vertrau- sich die einzelnen Auffälligkeiten der/des Arbeitneh- liches Gespräch, welches aber dokumentiert wird. menden und die direkten bzw. indirekten Folgen der Die Führungskraft fertigt eine Gesprächsnotiz an, Pflichtverletzungen sowie die Erwartungen an das die auch der/dem Beschäftigten ausgehändigt wird. zukünftige Verhalten schriftlich zu notieren. Schon im Vorfeld des Gespräches kann sich die Führungskraft mit Fachkräften (z. B. kollegiale Ansprechpersonen für Suchtfragen im Betrieb) dazu beraten, was z. B. Gegenstand der „Klärung“ sein soll, worin mögliche Ursachen für die wieder- holten Pflichtverletzungen liegen, was an Unter- stützung angeboten wird und welche weiteren Schritte anstehen. 18 Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten
Gesprächsleitfaden für das Klärungsgespräch Das Klärungsgespräch Inhalt des Gesprächs: Beteiligte: XX Benennen konkreter Fakten, Beschäftigte/r, unmittelbare/r Vorgesetzte/r Zeit, Ort, Vorfall, Beteiligte; Das Klärungsgespräch setzt die (wiederholte) XX Besorgnis ausdrücken, dass der/die Vernachlässigung arbeitsvertraglicher Pflichten Beschäftigte Probleme hat, die sich oder Störungen im Arbeitsablauf und -umfeld auf das Arbeitsverhalten auswirken voraus. Diese werden in Zusammenhang mit und/oder Störungen am Arbeitsplatz gesundheitlichen oder sozialen Problemen verursachen; des/der Beschäftigten gebracht, bei denen Suchtmittelgebrauch oder suchtbedingtes Ver- XX Wahrgenommene Veränderungen/ halten nicht ausgeschlossen ist, dieses aber Auffälligkeiten konkret benennen; von der Führungskraft nicht eindeutig zugeord- XX Aufzeigen der Erwartungen des/der net werden kann. Ziel des Klärungsgesprächs Vorgesetzten an das weitere Arbeits- ist es, eine Rückmeldung zu den Auffälligkeiten verhalten; zukünftiges Verhalten zu geben, die Erwartungen an das zukünftige präzise beschreiben; Verhalten zu benennen und konkrete Schritte zu vereinbaren sowie Beratungs- und Unter- XX Hinweise auf stützungsangebote aufzuzeigen. Das Klärungs- A ) innerbetriebliche Hilfeangebote: gespräch ist nicht Bestandteil des Stufenplans, z. B. soziale bzw. kollegiale Ansprechperson kann diesem aber vorausgehen. für Suchtfragen, Mitarbeitendenberatung, Bei Vernachlässigung arbeitsvertraglicher betriebsärztlicher Dienst, betriebliches Pflichten in Verbindung mit persönlichen, Eingliederungsmanagement u. a. gesundheitlichen oder sozialen Problemen B ) externe Hilfemöglichkeiten: Fach- eines/einer Beschäftigten hat die/der un- beratung, Coaching, Therapieangebote, mittelbare Vorgesetzte mit diesem/dieser Ärztin/Arzt u. a.; ein Gespräch zu führen. XX Konkrete Vereinbarung weiterer Schritte; XX Festlegen eines weiteren Gesprächs, um über die weitere Entwicklung des Verhaltens Rückmeldung zu geben (Rückmeldegespräch) in ca. 6-8 Wochen. Der/die Vorgesetzte fertigt eine Gesprächs- notiz zu dem Gespräch an, die dem/der Be- schäftigten ausgehändigt wird. Quelle: Wienemann, Elisabeth; Schumann, Günter (2011): Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Ein Leitfaden für die Praxis. S.124 Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten 19 Der Stufenplan Der Stufenplan ist ein Interventionsleitfaden, der eine Abfolge von fünf Stufengesprächen vorsieht. Voraussetzung ist ein Verstoß gegen arbeitsver- tragliche bzw. dienstrechtliche Pflichten oder deren Vernachlässigung im Zusammenhang mit Alkohol- konsum oder suchtbedingtem Verhalten. Anlass für die Intervention mit Stufengesprächen Anlass für die Einleitung der Intervention mit Stufen- gesprächen ist immer, dass bei Auffälligkeiten von Beschäftigten am Arbeitsplatz Hinweise auf riskan- ten Alkoholgebrauch oder suchtbedingtes Verhalten Mögliche Reaktionen von Angesprochenen: vorliegen. „Auffälligkeiten“ bedeutet auch in diesem Zusammenhang, dass ein Verstoß gegen arbeitsver- XX Aggressives Verhalten: „Das ist glatte tragliche bzw. dienstrechtliche Pflichten oder deren Verleumdung, das muss ich mir von Vernachlässigung stattgefunden hat. Ihnen nicht bieten lassen.“ Ziele der Intervention XX Mitleiderweckendes Verhalten: „Meine Die Stufengespräche dienen nicht nur dem allgemei- Schwierigkeiten liegen im privaten Bereich. nen Ausdruck einer Sorge (vgl. Fürsorgegespräch) Da habe ich sehr zu kämpfen ...“ oder dem Abklären von Gründen (vgl. Klärungsge- XX Gleichgültiges Verhalten: „Das ist mir egal, spräch). Es geht der Führungskraft darum, der/dem wenn Sie meinen ...“ Beschäftigten mitzuteilen, dass beobachtete Pflicht- verletzungen mutmaßlich im Zusammenhang mit XX Erpresserisches Verhalten: „Ich kann Ihnen Alkohol- bzw. Substanzproblemen stehen. da auch einiges auftischen, was Sie interes- sieren wird“ oder „Wenn Sie mir auch noch Ziel der Interventionskette ist es, die Erfüllung der zusetzen, tue ich mir was an!“ Pflichten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsver- trag bzw. dem Dienstvertrag wiederherzustellen. XX Einsichtiges Verhalten, aber ohne Bereit- Der/dem Beschäftigten wird konkrete Unterstützung schaft, professionelle Hilfe anzunehmen: angeboten und sie/er wird auf externe Hilfeange- „Sie haben Recht, ich muss mich ändern, bote aufmerksam gemacht. Im Durchlauf mehrerer aber eine Suchtberatung brauche ich nicht!“ Stufen wird eine Rückmeldung auf positive Verhal- tensänderungen gegeben und diese wird gewürdigt. Es ist aber auch vorgesehen, Sanktionen einzuleiten, sofern Pflichtverletzungen erneut vorkommen. Vorbereitung und Gesprächsführung Generell ist es schwierig, Menschen mit Sucht- problemen auf ihren Substanzkonsum, bzw. auf Abwehrverhalten sollte sachlich betrachtet werden. ihr Suchtverhalten anzusprechen. Es ist daher er- Betroffene sind eventuell nicht in der Lage, anders forderlich, dass sich Gesprächsführende auf jedes auf Kritik zu reagieren. Wichtig ist es, in das Gespräch einzelne Gespräch vorbereiten. Die Betroffenen sachgerecht und verbindlich zu führen und den roten reagieren mit sehr unterschiedlichem Verhalten, Faden beizubehalten. Es ist hilfreich, die einzelnen wenn sie auf ihren riskanten oder gar schädlichen Gespräche schriftlich vorzubereiten und sich dafür Konsum und damit verbundenes Fehlverhalten an den Leitfäden ab Seite 22 in dieser Broschüre zu angesprochen werden. orientieren. 20 Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten
Gesprächsabfolge und Inhalte der Interventionsgespräche Nach dem 1. Gespräch wird beobachtet, ob eine posi- Auch nach den jeweiligen Stufen 2 bis 4 wird nach tive Verhaltensänderung dazu geführt hat, dass die diesem Muster verfahren. Kommt es nach dem arbeitsvertraglichen bzw. dienstrechtlichen Pflichten 4. Stufengespräch weiterhin zu Auffälligkeiten, so erfüllt werden. Bei positiver Änderung sind keine ar- werden im 5. Gespräch letztmalig Unterstützungen beitsrechtlichen Konsequenzen einzuleiten, sie sollte und Hilfeangebote unterbreitet. Eine Weigerung der dienstrechtlich gewürdigt werden. Nach sechs bis Aufnahme einer Therapie hat zur Folge, dass ein acht Wochen wird ein Rückmeldegespräch durchge- Kündigungsverfahren eingeleitet wird bzw. diszipli- führt. narrechtliche Entscheidungen herbeigeführt werden. Bei erneuter Vernachlässigung von Pflichten und/oder Störungen am Arbeitsplatz wird das 2. Gespräch des Stufenplans eingeleitet. Ablauf Stufenplan 1. Intervention Keine Rückmeldegespräch, Erneute erneuten (ggf. nur vorläufig) Vorfälle Vorfälle Ende der Intervention 2. Intervention 3. Intervention 4. Intervention 5. Intervention Einleitung eines ggf. Wiedereinstellung nach Kündigungsverfahrens erfolgreicher Therapie Quelle: Eigene Darstellung, DHS 2019 Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten 21 1. Gespräch Einstieg in den Stufenplan Beteiligte: XX Aufzeigen der Erwartungen der/des Vorge- Beschäftigte/r, unmittelbare/r Vorgesetzte/r setzten an das zukünftige Arbeitsverhalten; Bei Vernachlässigung arbeitsvertraglicher XX Aufforderung sich über Risiken und Gefähr- Pflichten, die im Zusammenhang mit dem dungen durch das Verhalten sowie über Gebrauch von Suchtmitteln oder mit sucht- Möglichkeiten diesen zukünftig vorzubeugen bedingtem Verhalten stehen, hat die/der un- oder entgegen zu wirken von der Ansprech- mittelbare Vorgesetzte – ggf. nach vorheriger person für Suchtfragen und/oder von einer fachlicher Beratung – mit der betroffenen externen Fachberatung (Adresse) im Sinne Person ein Gespräch zu führen. Das Gespräch der Unterweisung nach § 12 Arbeitsschutz- umfasst folgende Inhalte: gesetz informieren zu lassen und einen Nachweis dafür beizubringen; XX Benennen konkreter Fakten, Zeit, Ort, Vorfall, Beteiligte; XX Konkrete Vereinbarung der weiteren Schritte; XX Besorgnis ausdrücken, dass die/der Be- XX Vereinbarung eines Rückmeldegesprächs schäftigte Probleme hat, die sich auf das in ca. 4-6 Wochen und Hinweis auf die Arbeits- und Leistungsverhalten aus- Beobachtung der weiteren Entwicklung des wirken und/oder Störungen am Arbeits- Verhaltens in nächster Zeit. platz verursachen; Das Gespräch bleibt vertraulich und hat keine XX Ansprechen des riskanten Suchtmittel- personellen Konsequenzen. Die/der Vorgesetzte konsums oder des suchtbedingten Ver- notiert sich Datum und Ergebnis des Gesprächs. haltens und dass ein Zusammenhang zu den Problemen am Arbeitsplatz gesehen wird; XX Hinweis auf den Stufenplan und das Vorgehen bei weiteren Auffälligkeiten (aushändigen eines Exemplars des Stu- fenplans an die/den Beschäftigte/n); Rückmeldegespräch Das Rückmeldegespräch findet statt, sofern (regelmäßig) wiederholt. Ziel des Gesprächs nach einem Stufengespräch eine positive Ver- ist es eine Rückmeldung über die Einhaltung änderung eingetreten ist und keine weiteren der Absprachen sowie über die als positiv Auffälligkeiten sichtbar geworden sind. Je nach wahrgenommenen Veränderungen zu geben. Lage des Einzelfalls wird es in einem sinnvollen Abstand nach dem Interventionsgespräch an- Bei erneuter Auffälligkeit wird dagegen gesetzt und ggf. in einem bestimmten Zeitraum das nächste Stufengespräch eingeleitet. 22 Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten 2. Gespräch Beteiligte: XX Benennen der neuen Fakten und Beschäftigte/r Bezugnahme auf den Inhalt des vorangegangenen Gesprächs; Unmittelbare/r Vorgesetzte/r, nächst höhere/r Vorgesetzte/r bzw. Personalabteilung XX Zusammenhang zu Suchtmittelgebrauch oder suchtbedingtem Verhalten erneut Personalvertretung, bei Schwerbehinderten aufzeigen; zusätzlich die Schwerbehindertenvertretung werden zum Gespräch geladen. Mit Zustim- XX Hinweis auf innerbetriebliche Unterstüt- mung der betroffenen Person nehmen sie zungsangebote (Ansprechperson für Sucht- am Gespräch teil. fragen/Mitarbeitendenberatung/Betriebs- arzt), ggf. externe Beratungsmöglichkeiten Auf Wunsch der/des Beschäftigten auch die (Fachstellen/Suchtberatung,); Ansprechperson für Suchtfragen/Mitarbei- tendenberatung. XX Aufforderung, sich von der zuständigen Fachkraft/Ansprechperson über Risiken Kommt es erneut zu Vernachlässigung der des Verhaltens sowie gesundheitliche arbeitsvertraglichen Pflichten und /oder zu Gefährdungen und wie diese möglichst Störungen am Arbeitsplatz, verbunden mit zu vemeiden sind informieren zu lassen Auffälligkeiten, die in Zusammenhang ge- und dies (im Sinne einer Unterweisung sehen werden mit Suchtmittelkonsum oder nach § 12 Arbeitsschutzgesetz) schriftlich suchtbedingtem Verhalten, so ist von den zu belegen; zuständigen Vorgesetzten – nach vorheriger fachlicher Beratung – ein Personalgespräch XX Empfehlung zur Hilfe und Vermeidung mit folgendem Inhalt zu führen: weiterer Gefährdung fachliche Beratung aufzusuchen; (1) XX Ankündigung von Konsequenzen bei weiteren Auffälligkeiten; Hinweis auf Stufenplan; XX Vereinbarung eines Rückmeldegesprächs in spätestens 4-6 Wochen. Beobachtung der weiteren Entwicklung des Verhaltens durch die/den Vorgesetzte/n. Das Gespräch wird schriftlich festgehalten und die Gesprächsnotiz der Personalabteilung zugeleitet. (1) Falls die Aufnahme von Beratung als Aufforderung formuliert wird und ein Nachweis darüber erbracht werden soll, sind die gesetzlichen Regeln des Persönlichkeits- und Datenschutzes zu beachten. Arbeitsrechtlich kann jedoch keine Sanktionierung erfolgen, wenn Beschäftigte der Aufforderung nicht nachkommen, falls dies aus ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht unmittelbar abgeleitet werden kann. Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten 23 3. Gespräch Beteiligte: wie im zweiten Gespräch, Sofern arbeitsrechtlich die Voraussetzungen obligatorisch die Personalabteilung dafür vorliegen, wird bei Tarifbeschäftigten eine Abmahnung aus verhaltensbedingten Gründen Kommt es erneut zu Verletzungen der arbeits- ausgesprochen. Die schriftliche Abmahnung wird vertraglichen Pflichten und/oder Störungen aufgrund des Fehlverhaltens bzw. der Schlecht- am Arbeitsplatz durch Suchtmittelkonsum oder leistung erteilt. suchtbedingtes Verhalten, findet – nach Abstim- mung mit der Ansprechperson für Suchtfragen/ Personelle Konsequenzen können darüber Mitarbeitendenberatung – ein Gespräch mit hinaus sein: Individuelles Alkoholverbot zur folgenden Inhalten statt: Vermeidung von Gefährdungen u. a.. XX Benennen neuer Fakten und Bezugnahme Liegt aus Sicht der/des Beschäftigten weder auf den Inhalt der vorangegangenen eine Suchtgefährdung oder -krankheit nicht Gespräche; vor, so wird deutlich gemacht, dass weitere Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten XX Zusammenhang zum Suchtmittelgebrauch oder Störungen am Arbeitsplatz zur Kündigung oder suchtbedingtem Verhalten herstellen; bzw. disziplinarischen Konsequenzen führen XX Hinweis auf interne Unterstützungs- können. Die weiteren Schritte des Stufenplans angebote durch Ansprechperson für werden aufgezeigt. Suchtfragen/Mitarbeitendenberatung, Wenn die/der Beschäftigte darlegt, dass das Betriebsarzt; Fehlverhalten bzw. die Minderleistung auf XX Sofern noch nicht erfolgt oder länger einer Suchtproblematik beruhen könnte, wird zurückliegend: Aufforderung, sich von sie/er aufgefordert, sich in eine Suchtberatung der zuständigen Fachkraft/Ansprech- bzw. -therapie zu begeben. Hierfür wird ihr person über Risiken des Verhaltens sowie Unterstützung zugesichert. Die Ansprechper- gesundheitliche Gefährdungen und wie son für Suchtfragen bzw. ein Personalverant- diese möglichst zu vermeiden sind infor- wortlicher bekommt den Auftrag, mit Einver- mieren zu lassen und dies (im Sinne einer ständnis der/des Beschäftigten den Kontakt Unterweisung nach § 12 Arbeitsschutz- zur Beratungsstelle bzw. zur Therapieeinrich- gesetz) schriftlich zu belegen. tung zu halten. Nach Möglichkeit wird ein Case Management (Fall-Betreuung) eingerichtet. Es XX Dringende Empfehlung, zur Hilfe und Ver- erfolgt ein Hinweis auf die weiteren Schritte des meidung weiterer Gefährdung eine fachliche Stufenplans im Falle weiterhin bestehender oder Beratungsstelle aufzusuchen (Adressen neuer Auffälligkeiten. von Psychosozialen Beratungsstellen, Suchtberatungen); (1)(2) XX Vereinbarung eines Rückmeldegesprächs in spätestens 4-6 Wochen. Beobachtung der weiteren Entwicklung des Verhaltens durch die/den Vorgesetzte/n. (1) Falls dies als Aufforderung formuliert wird und ein Nachweis darüber erbracht werden soll, sind die gesetzlichen Regeln des Persönlichkeits- und Datenschutzes zu beachten. Arbeitsrechtlich kann jedoch keine Sanktionierung erfolgen, wenn Beschäftigte der Aufforderung nicht nachkommen, falls dies aus ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht unmittelbar abgeleitet werden kann. (2) Der Nachweis kann mündlich oder schriftlich, aber nur mit Einverständnis der betroffenen Person und erforderlicher Schweigepflichtsentbindung erfolgen. 24 Ebene der Führungskraft: Praxishilfe / Betriebliche Suchthilfe und Interventionsmöglichkeiten
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