Analyse der DGB-Kritik am Papier Acht Punkt für eine liberale Finanzverfassung der FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag

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Analyse der DGB-Kritik am Papier Acht Punkt für eine
liberale Finanzverfassung der FDP-Fraktion im
Niedersächsischen Landtag

Einleitung

DGB:
„Sie fordert neben einer (letztlich vorwiegend ausgabenseitig zu erreichenden)
Konsolidierung der öffentlichen Haushalte auch für eine Verschärfung der Konkurrenz
zwischen den Bundesländern.“

FDP:
Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Konsolidierung Ausgabenseitig erfolgen
muss. Im Gegenteil: Das Beispiel der Entwicklung der Finanzkraft Niedersachsens seit 2002
zeigt sehr deutlich, dass angebotsorientierte Wirtschaftspolitik (bspw. Infrastruktur,
Bürokratieabbau, Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung) zur Erhöhung der
Wirtschaftskraft und somit zur Erhöhung der Steuereinnahmen führt.

DGB:
„Würden die Vorschläge der FDP umgesetzt, wären drastische Kürzungen, konjunkturelle
Verwerfungen und eine wachsende Ungleichheit die Folge.“

FDP:
Kürzungen sind nur nötig, falls keine wachtsums- und angebotsorientierte Wirtschafts- und
Standortpolitik durchgeführt wird. Linke Verteilungspolitiker würden also sicher um
Kürzungen nicht herumkommen. Wachstumsorientierte Politik wie sie in Niedersachsen seit
2003 bestimmend ist, macht Kürzungen nur in begrenztem Maße notwendig.
Darüber hinaus gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass „konjunkturelle Verwerfungen“
zu erwarten sind. Sowohl die Schuldenbremse für Bund und Länder wie sie bereits im
Grundgesetz festgeschrieben ist, als auch unser Vorschlag sehen ausdrücklich eine
konjunkturelle Verschuldungskomponente vor (s. Art. 109 und 115 GG).
A. Volkswirtschaftliche Grundannahmen

Erste Grundannahme: Die öffentlichen Haushalte stehen vor massiven Herausforderungen,
weil eine jahrzehntelange Politik der Neuverschuldung zu hohen Schuldenständen bei Bund,
Ländern und Gemeinden geführt hat.

DGB:
„Nun stellt sich allerdings die Frage, weshalb mit Ausnahme der Jahre 2007 und 2008 die
Staatsverschuldung zugenommen hat, obwohl Deutschland und Niedersachsen über Jahre
hinweg eine extrem sparsame Ausgabenpolitik betrieben haben.“

FDP:
Es gibt eine sehr einfache wie auch unwiderlegbare Antwort auf die Frage, warum in
Deutschland und Niedersachen die Staatsverschuldung zugenommen hat: Die
Nettoneuverschuldung war sowohl in Niedersachsen als auch im Bundeshaushalt stets
positiv. Es wurde Ausgaben getätigt, deren Wert die Einnahmen überstieg. Der Befund einer
„jahrzehntelangen Politik der Neuverschuldung“ ist also korrekt.
Die triviale Erkenntnis, dass es sich um ein grundsätzliches Problem handelt, wenn
systematisch mehr ausgegeben als eingenommen wird, haben vor allem Regierungen mit
FDP-Beteiligung erreicht. Unser Papier stellt Vorschläge vor, wie diese Erkenntnis
institutionell und konstitutionell unterlegt werden kann.

Zweite Grundannahme: Sehr hohe Schuldenstände der öffentlichen Haushalte bedrohen die
Geldwertstabilität.

FDP:
Hohe Schuldenstände bei öffentlichen Haushalten sind nur dann ein Problem für die
Geldwertstabilität, wenn eine wenig unabhängige Zentralbank dem politischen Druck zur
Monetarisierung der Staatsschulden nachgibt. Die EZB darf das gemäß ihres Statuts
ausdrücklich nicht. Die öffentliche Debatte zur Lösung der europäischen Staatsschuldenkrise
bestärkt uns jedoch in unserem Misstrauen. Beispielsweise fordert der Deutsche
Gewerkschaftsbund, den europäischen Rettungsschirm mit einer Banklizenz auszustatten,
damit dieser unbegrenzt Staatsanleihen von Euro-Ländern aufkaufen kann
(http://bit.ly/zzeIJc). Dieser Vorschlag des DGB verdeutlicht beispielhaft, dass der von uns
thematisierte Zusammenhang zwischen Geldwertstabilität und Staatsverschuldung
tatsächlich relevant ist.
Die Kritik des DGB an geringen Reallohnzuwächsen an die Adresse liberaler Politik ist
ebenfalls unbegründet. Die Autonomie der Tarifpartner ist elementare Grundlage liberaler
Arbeitsmarktpolitik. Wir haben keinen Grund, die Verhandlungsergebnisse der autonomen
Tarifparteien politisch zu bewerten.
Ausgeblendet: Die Mechanismen einer modernen Kreditgeldökonomie

FDP:
Neben der detail- und kenntnisreichen Darstellung der Grundlagen der volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnung freuen wir uns über die Anerkennung seitens des DGB Niedersachsen,
dass Steuersenkungen sich positiv auf die Finanzierungssalden der privaten Haushalte
auswirken. Gleichwohl liegen der vorgebrachten Argumentation Fehler zugrunde.
Der Privatsektor muss nicht notwendigerweise einen positiven Finanzierungssaldo
aufweisen. Dies ist im sparsamen Deutschland der Fall. Die stark überschuldeten privaten
Haushalte in den USA oder etwa in Spanien belegen das Gegenteil.
Wir teilen nicht die Auffassung des DGB, dass das Ausland als Teil der volkswirtschaftlichen
Betrachtung ausfällt, weil wir rege Wirtschafts- und Finanzbeziehungen mit andern Ländern
als vorteilhaft, friedenstiftend und wohlstandsmehrend bewerten. Die Vision nationaler
Autarkie erfüllt uns mit Sorge und findet unsere volle Ablehnung.
Weiterhin wundern wir uns, dass der DGB von uns Vorschläge zum Abbau von Vermögen
erwartet. Wir gehen davon aus, dass Besitzer von Staatsanleihen nach der Tilgung der
Schuld durch den Staat das frei gewordene Kapital nicht abbauen oder vernichten sondern
erneut einer gewinnbringenden und produktiven Verwendung zuführen. Da dies jedoch
jedem Investor selbst obliegt, haben wir hierfür keine Vorschläge unterbreitet.

   B. Vorschläge des FDP-Papiers

   1. Schuldenbremse PLUS

DGB:
„Die grundsätzliche Problematik liegt allerdings darin, dass es schlicht unmöglich ist,
zwischen einer
strukturellen und einer konjunkturellen Verschuldung zu unterscheiden.“

FDP:
Wir teilen diese Einschätzung des DGB tendenziell. Aus diesem Grund basiert unser
Vorschlag für die Schuldenbremse PLUS auf der Regelung, die das Grundgesetz für die
Länder bereits vorsieht. Dort heißt es, dass die Haushalte der Länder „grundsätzlich ohne
Einnahmen aus Krediten auszugleichen“ sind (Art. 109 Abs. 3 GG). Das Grundgesetz und
auch wir beschränken die strukturelle also konjunkturunabhängige Neuverschuldung somit
auf null. Die Unterscheidung zwischen konjunkturunabhängiger und konjunkturabhängiger
Verschuldung entfällt somit.

DGB:
„Flexibles Reagieren auf geänderte Sachverhalte ist schon mit der ‚Schuldenbremse‘ kaum
mehr möglich – mit der verschärften ‚Schuldenbremse‘ à la FDP wäre es gänzlich
ausgeschlossen.“
FDP:
Wir freuen uns sehr, dass der DGB Niedersachsen, dass Anliegen der Schuldenbremse
PLUS so präzise auf den Punkt gebracht hat. Es ist gerade ein zu hohes Maß an
ausgabenpolitischer Flexibilität, welches die Schuldenstände der öffentlichen Haushalte auf
die heutigen Rekordniveaus gebracht hat. Ziel aller Schuldenbremsen – auch derjenigen, die
bereits im Grundgesetz festgeschrieben ist – ist es daher, die Flexibilität des
Haushaltsgesetzgebers und der Exekutive einzuschränken. Wir teilen daher die
Einschätzung des DGB Niedersachsen, dass unsere Vorschläge geeignet sind, der
Schuldenbremse zu mehr Wirksamkeit zu verhelfen.

   2. Festgelegter Schuldenabbauplan

DGB:
„Es liegt in der Natur von Katastrophen und Wirtschaftskrisen, dass deren Entwicklung nicht
vorhersehbar ist. Hierin gründet ein wesentliches Risiko, das durch eine halbwegs
rechtsverbindliche Schuldenabbauplanung noch verschärft würde.“

FDP:
Wir teilen die Einschätzung des DGB Niedersachsen, dass Katastrophen und
Wirtschaftskrisen sich durch ein hohes Maß an Unsicherheit bezüglich des Zeitpunkts ihres
Eintretens auszeichnen. Aus eben diesem Grund sind alle Versionen der Schuldenbremse,
die in unserem Papier eine Rolle spielen (Grundgesetz für Bund, Grundgesetz für Länder,
CDU-FDP-Vorschlag für Nds. Verfassung, Schuldenbremse PLUS), mit Ausnahmen für
Wirtschaftskrisen, Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen versehen (vgl.
etwa Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG).

   3. Mehr Steuerautonomie der Länder

DGB:
„Jedes Bundesland wäre bestrebt, durch möglichst niedrige Steuersätze zu punkten.“

FDP:
Wir freuen uns, dass der DGB unsere Einschätzung teilt, dass tatsächlicher
Steuerwettbewerb unter den Ländern geeignet ist, die Unternehmer, Handwerker, Landwirte,
Haushalte und Familien in Deutschland fair zu besteuern. Wichtig ist in diesem
Zusammenhang jedoch, dass der Steuerwettbewerb auch immer durch einen
Leistungswettbewerb gespiegelt wird. Unternehmen und Bürger werden sich, wenn sie einen
Wechsel des Bundeslandes in Erwägung ziehen, für das Beste Verhältnis aus steuerlicher
Belastung und öffentlichen Dienstleistungen entscheiden. Wir halten Wettbewerb für das
geeignete Verfahren um die bestmöglichen Ergebnisse für die Menschen zu erzielen. Wir
sehen uns in dieser Einschätzung durch das Grundgesetz und dem hohen Stellenwert, den
es der Autonomie der Länder zumisst, bestätigt.

   4. Anreizkompatible Reform des LFA

DGB:
„Es gilt, Anreizwirkungen und Solidarität miteinander zu verbinden, und genau dies ist heute
schon der Fall.“

FDP:
Diese Aussage ist schlichtweg falsch. 2011 variierte die Finanzkraft der Länder pro Kopf,
relativ zur mittleren Finanzkraft aller Länder und vor LFA zwischen 115 (Hessen) und 67
(Bremen). Nach allen Stufen des LFA, also auch nach Bundesergänzungszuweisungen,
variiert die relative Finanzausstattung pro Kopf zwischen 105 (Hessen) und knapp 97
(Bremen). Öffentlich zugängliche Daten des BMF stellen die extrem starke
Umverteilungswirkung des LFA leicht nachvollziehbar dar. Angesichts der Tatsache, dass
sich die Finanzkraft in einigen Ländern in den letzten Jahren sogar negativ entwickelt hat,
halten wir es für notwendig, die Anreizwirkung des LFA zu erhöhen – gerade damit das
Solidarsystem im Grundsatz auch in Zukunft die Akzeptanz aller Beteiligten findet.

   5. Mischfinanzierung abbauen, Transparenz stärken

DGB:
„Das Papier verschweigt aber geflissentlich, dass die Bundesregierung unter Beteiligung der
FDP vor wenigen Tagen beschlossen hat, das analog zum Schulbereich eingeführte
Kooperationsverbot im Hochschulbereich wieder aufzugehen.“

FDP:
Die unterstellte Analogie zwischen Hochschul- und Schulwesen ist in wesentlichen Punkten
nicht zutreffend. Bund und Länder haben bereits in der Vergangenheit durch die
Finanzierung von Forschung und Lehre, die ja beide in Hochschulen angesiedelt sind,
gemeinsam das Hochschulwesen finanziert. Die Lockerung des Kooperationsverbots im
Hochschulwesen ist daher nur folgerichtig. Das Schulwesen hingegen obliegt der alleinigen
Zuständigkeit der Länder. Es würde die klare Zuordnung von Verantwortung, die
Transparenz und die Möglichkeit demokratischer Kontrolle im Schulwesen nachhaltig
beeinträchtigen, wenn künftig für die Bürger unklar würde, wer für welche Vorgänge
verantwortlich zeichnet. Das Schulwesen ist ein Paradebeispiel für die Sinnhaftigkeit klarer
Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche und wir wollen dies auf andere Bereiche
ausweiten.
6. Deutschlandbonds

DGB:
„Sie lehnt eine gesamtschuldnerische Haftung von Bund und Ländern ab, da diese finanz-
und haushaltspolitischer Eigenverantwortung abträglich seien. Idee des Papiers ist es,
finanziell schwache Staaten durch höhere Zinsen zu bestrafen. Genau diese Ideologie der
Anreizwirkungen und das entsprechende politische Handeln unter anderem der
Bundesregierung haben auf europäischer Ebene überhaupt erst dazu geführt, dass die
Situation eskalieren konnte.“

FDP:
Wir teilen die Einschätzung, dass ein Mangel an gesamtschuldnerischer Haftung die
europäische Staatsschuldenkrise (mit-)verursacht und verschärft hat, ausdrücklich nicht. Das
Gegenteil ist der Fall. Exzessive Verschuldung durch Euro-Staaten war und ist die
Grundvoraussetzung für die starke Abhängigkeit der Regierungen von der Gewährung von
Krediten durch die Kapitalmärkte. Wären Regelungen wie sie jetzt im Fiskalpakt auf
europäischer Ebene vereinbart wurden oder wie wir sie in unserem Papier für die deutschen
Bundesländer vorschlagen bereits seit Entstehung der Eurozone in Kraft gewesen, hätten
einige europäische Staaten keine Schuldenberge anhäufen können und wären heute nicht
Abhängig vom Wohlwollen der Finanzmärkte (bzw. in Ermangelung dessen vom Wohlwollen
anderer Regierungen). Diese Analyse der europäischen Staatsschuldenkrise macht die
Schlussfolgerung zur Ablehnung von Deutschlandbonds (analog zur Ablehnung von
Eurobonds) zwingend.

DGB:
„Finanzmärkte sind nicht rational, sondern bisweilen extrem irrational. Ihnen zu vertrauen
und eine die Staaten disziplinierende Funktion zu übertragen, ist gefährlich und politisch
fatal.“

FDP:
Die Diskussion, ob Akteure an Finanzmärkte sich rational oder auch irrational verhalten, ist
durch die Wissenschaft und die Experten zu führen. Jedoch ist unser Papier und eine starke
und wirksame Schuldenbremse genau die richtige und logische Antwort auf die Befürchtung,
dass Finanzmärkte sich irrational verhalten könnten (die der DGB Niedersachsen
offenkundig teilt). Denn nur hohe Verschuldung führt dazu, dass sich Staaten vom Verhalten
der Finanzmarktakteure abhängig machen. Wer Finanzmärkte für irrational hält, zieht
logischerweise die Schlussfolgerung, ihnen nicht die Finanzierung des Staatshaushalts zu
überlassen.
Für Staat und Politik ist es unerheblich, ob sich Akteure an Finanzmärkten rational verhalten
oder nicht. Jede Finanzmarkttransaktion ist ein freiwilliges Vertragsverhältnis. Niemand wird
ohne seinen Willen zum Finanzmarktakteur. Auch nicht der Staat oder die Politik. Und wer
einem potenziellen Vertragspartner misstraut oder ihn für irrational hält, der willigt nicht in
den Vertrag ein. Genau das schlagen wir in unserem Papier den öffentlichen Haushalten vor:
Baut alte Schulden ab und nehmt keine neuen auf.

   7. Nichtbeistand der Gebietskörperschaften

DGB:
„Es ist daher völlig zu Recht das Risiko einer Staatspleite, das in Europa derzeit … bekämpft
werden soll. Und zwar auch und gerade durch eine Bundesregierung unter FDP-Beteiligung.“

FDP:
Diese Bemerkung deutet auf ein Missverständnis hin. Die Bundesregierung bemüht sich, das
Risiko einer Staatspleite zu verringern. Gleichzeitig bekennt sich die Bundesregierung jedoch
auch deutlich zu der ordnungspolitischen Notwendigkeit der Möglichkeit einer
Staateninsolvenz. Die Logik ist so trivial wie einleuchtend: Wer die Pleite nicht fürchten
muss, hat keinen Grund zu verantwortungsbewusstem Ver- und Haushalten. Gerade das ist
aber    das Grundanliegen          unseres    Papiers: Wir       wollen   Regierungen     und
Haushaltsgesetzgeber zu mehr haushaltspolitischer Verantwortung zwingen.
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