Anforderungen des Unionsrechts an ein deutsches Klimaschutzgesetz und dessen prozedurale Einbindung in den EU-Governance-Mechanismus
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Anforderungen des Unionsrechts an ein deutsches Klimaschutzgesetz und dessen prozedurale Einbindung in den EU-Governance- Mechanismus Prof. Dr. Sabine Schlacke Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht 5. Bucerius Energy Law Day, 7. November 2019 Auf dem steinigen Weg zu einer Klimaschutzgesetzgebung – Herausforderungen und Konzepte im internationalen Vergleich
Das „Winterpaket zur Errichtung der Europäischen Energieunion“ 2015: 2016: 5 Dimensionen der Energieunion Das Winterpaket Prof. Dr. Sabine Schlacke 2
Ziele der EU-Klima- und Energiepolitik 2021 bis 2030 - Anteil erneuerbarer Energien von mind. 32 % - Steigerung der Energieeffizienz um mind. 32,5 % - Treibhausgasreduktion gegenüber 1990: 40 % - Stromverbundgrad von 15 % Prof. Dr. Sabine Schlacke 3
Die EU Drei-Säulen-Strategie im Bereich der Treibhausgas- Treibhausgasreduktion Emissionen bis 2030 40 % Reduktion ggü 1990 NON-ETS: Gebäude, Verkehr, z.T. Landnutzung und Energiesektor, Industrie Industrie, Landwirtschaft, Forstwirtschaft Europ. Luftverkehr Abfallwirtschaft (LULUCF) KlimaschutzVO (EU) 2018/842 + Emissionshandels-RL versch. Regelungsansätze: EE- LULUCF-VO (EU) 2018/841 + 2003/87/EG, RL, Energieeffizienz-RL, CO2- versch. Regelungsansätze: z.B. Luftemissionshandels-RL Flottengrenzwerte, etc. GAP 43 % Reduktion 30 % Reduktion No-Debit-Regel gegenüber 2005 gegenüber 2005 Prof. Dr. Sabine Schlacke 4
n Ziele der Verordnung (EU) 2018/1999 über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz - Umbrella-VO - Erreichung der Klimaschutzziele PA - 5 Dimensionen der Klima- und Energieunion - Anteil erneuerbarer Energien von mind. 32 % - Steigerung der Energieeffizienz um mind. 32,5 % Prof. Dr. Sabine Schlacke 5
Steuerungsinstrumente zur Erreichung dieser Ziele Pflichten der Mitgliedstaaten: - Entwicklung von Langfriststrategien (2021-2050) >>> unverbindlich • Deutschland: (bislang) Klimaschutzplan 2050 (2016 erstellt) - Erstellung integrierter nationaler Energie- und Klimapläne (INEK/NECP, 2021-2030) - Deutschland: (bislang) Klimaschutzplan 2050 (2016 erstellt) + Fortschrittsberichterstattung Status quo Ggf. iNEK- 1. iNEK- Finaler iNEK Fortschritts- Fortschritts- 2. iNEK- Aktualisierung Entwurf 2018 2019 bericht 2023 bericht 2025 Entwurf 2028 2024 Prof. Dr. Sabine Schlacke 6
Quelle: EU-Kommission, Eva Gerhards, PPT-Folie, abrufbar unter: https://www.diw.de/documents/dokumentenarchiv/17/diw_01.c.580039.de/gerhards_bsec_05032018.pdf. 7
Steuerungsinstrumente: Zwischenfazit Zwischenfazit: => Governance-VO enthält mittel- und langfristige Berichts- und Planaufstellungspflichten Governance-VO enthält keine inhaltlichen Vorgaben wie etwa Zielsetzungen (Ambitionsniveaus) für die Mitgliedstaaten, um die Erreichung der EU-Ziele sicherzustellen Klimaschutzziele der EU müssen durch freiwillige Beiträge der Mitgliedstaaten erreicht werden! Frage: Existiert ein Mechanismus, um die Mitgliedstaaten bei zu geringen Ambitionsniveaus oder Nichterreichung der selbst gesteckten Ziele in die richtige Richtung „zu schubsen“ oder gar zu sanktionieren? Prof. Dr. Sabine Schlacke 8
Lückenschließungsmechanismus bei nicht ausreichendem Ambitionsniveau in INEK-Plänen unverbindliche Formel + ERNEUERBARE ENERGIEN unverbindliche Kommissionsempfehlungen ggü MSt („gebührend Rechnung tragen“) Ambitionsniveau INEK-Pläne schwammige Kriterien + ENERGIEEFFIZIENZ unverbindliche Kommissionsempfehlungen ggü MSt („kann“) Wenn Lücke besteht, schlägt Kommission Maßnahmen vor und übt ihre Befugnisse auf Unionsebene aus, um Lücke zu schließen. 9 Prof. Dr. Sabine Schlacke
Lückenschließungsmechanismus bei unzureichendem Fortschritt der mitgliedst. Ziele: erneuerbare Energien MSt , die einen RW EU-Zielpfad orientiert an unterschritten haben, müssen EU-Zielpfad wird nicht zusätzliche Maßnahmen 3 Referenzwerten: eingehalten treffen, um nationale Lücke zu Beginn: 2020: 20 % schließen Fortschritte 2022: 18 %; 2025: 43 %; der MSt. Referenzwerte der Union Empfehlungen; verpflichtende 2027: 65 %; werden nicht Ergreifung nationaler Maßnahmen für eingehalten, weil Lückenschließung zur Erreichung des Ende: 2030: mind. 32 % nationalen Referenzwertes Mitgliedstaaten abweichen → Vertragsverletzungsverfahren (+) Zusätzlich: KOM kann Maßnahmen vorschlagen/Befugnisse ausüben, um Lücke zum Unionsziel zu schließen, wenn nationale Zusatzmaßnahmen nicht ausreichen. 10 Prof. Dr. Sabine Schlacke
Zielpfade für den Ausbau erneuerbarer Energien Zielpfade der Mitgliedstaaten Zielpfad der Europäischen Union: mindestens 32 % EE am Bruttoendenergieverbrauch bis 2030 + + + 28x 11 Prof. Dr. Sabine Schlacke
Lückenschließungsmechanismus bei unzureichendem Fortschritt der mitgliedst. Ziele: erneuerbare Energien MSt , die einen RW EU-Zielpfad orientiert an unterschritten haben, müssen EU-Zielpfad wird nicht zusätzliche Maßnahmen 3 Referenzwerten: eingehalten treffen, um nationale Lücke zu Beginn: 2020: 20 % schließen Fortschritte 2022: 18 %; 2025: 43 %; der MSt. Referenzwerte der Union Empfehlungen; verpflichtende 2027: 65 %; werden nicht Ergreifung nationaler Maßnahmen für eingehalten, weil Lückenschließung zur Erreichung des Ende: 2030: mind. 32 % nationalen Referenzwertes Mitgliedstaaten abweichen → Vertragsverletzungsverfahren (+) Zusätzlich: KOM kann Maßnahmen vorschlagen/Befugnisse ausüben, um Lücke zum Unionsziel zu schließen, wenn nationale Zusatzmaßnahmen nicht ausreichen. 12 Prof. Dr. Sabine Schlacke
Fazit: Steuerung durch die Governance-Verordnung - Empfehlungen der KOM ggü Mitgliedstaaten: unverbindlich (MSt müssen Empfehlungen „gebührend Rechnung“ tragen) - gerichtlich durchsetzbar sind Verstöße gg. Pflichten wie Nichtvorlage eines INEK-Plans nicht durchsetzbar sind Empfehlungen der KOM; ggf. Ausn.: Nichterreichung eines mst. Referenzwerts Steuerung KOM ggü MSt ist schwach! Kompensation durch politischen oder öffentlichen Druck? (Publikation der Fortschrittberichte) Lückenschließung durch Rechtsetzung der KOM kann diese schwache Steuerung nicht kompensieren! 13 Prof. Dr. Sabine Schlacke
Handlungsoptionen: Studie Leopoldina/Acatech/Akade- mienunion 1 2 3 4 Governance-VO Finanzielle Anreize Nichtbefolgung der setzen: Governance-VO durch effektiv Governance-VO Allianzen flankieren implementieren finanzieren sanktionieren - verbindl. INEK-Plan - z.B. ESI-Fonds - Verbandsklagen - eur. CO2-Preis-Allianz - klare Ressortverantwortlkt. - bei Nichtbefolgung - int. Kohleausstiegs- - Öffentlichkeitsbet. regeln von Empfehlung keine allianz - Verknüpfung mit KSG Strukturförderung 14 Prof. Dr. Sabine Schlacke
Auf dem Weg zur Europäischen Energieunion Umsetzung in Deutschland – Status quo 31.12.2018: - Veröffentlichung des deutschen NECP-Entwurfs am 04.01.2019; Fertigstellung bis 31.12.2019 - Online-Öffentlichkeitsbeteiligung durch BMWI durchgeführt bis Anfang 08/2019 (82 Stellungnahmen) • Zielpfad Erneuerbare Energien: • Zielpfad Energieeffizienz: wird i.R.d. Energieeffizienzstrategie 2019 erarbeitet • Ecologic and Climact (European Climate Foundation): Deutschland auf Platz 26 von 28 MSt. 15 Prof. Dr. Sabine Schlacke
KSG-Entwurf Umsetzung durch KSG-Entwurf (BT-Drs. 19/14337)? Ausgangslage Gesetzesbegründung: Die Bundesrepublik wird ihre Klimaschutzziele für 2020 deutlich verfehlen: • Effort Sharing Decision 406/2009/EG + Europäische Klimaschutzverordnung: Ziele für NON-ETS- Sektoren (Verkehr, Gebäude, teile der Industrie, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft) bis 2020: 14 % bis 2020 und 38 % bis 2030 (ggü 2005) • bis 2017: Emissionsreduzierung von nur 3 % gegenüber 2005 >>> Ein Nichteinhalten der europarechtlich verbindlichen Ziele führt zu Zahlungsverpflichtungen! • Ergo: verstärkte Klimaschutzanstrengungen notwendig! Prof. Dr. Sabine Schlacke 16
Zielsetzungen des § 1 KSG-E • 2/1,5 Grad-Klimaschutzziel des PÜ einhalten • Langfristziel PÜ einzuhalten (Treibhausgasneutralität bis 2050) • Europäische Zielvorgaben einhalten • Einhaltung der nationalen Klimaschutzziele - § 3 KSG-E: schrittweise Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2030 von mind. 55 % ggü 1990, kann auch staatenübergreifend erreicht werden, vgl. § 7 KSG-E: Ankauf von Emissionszuweisungen) - Festlegung jährlicher Minderungsziele durch Vorgabe von Jahresemissionsmengen (=Budgets) für Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Sonstiges (Anl. 1) - Bei Nichterfüllung in einem Sektor: Verlagerung auf spätere Jahre, Ressortprinzip bleibt Ergo: Umbrella-Funktion ! (ähnlich EU-Governance-VO) Prof. Dr. Sabine Schlacke 17
KSG-E: Instrumente zur Einhaltung der Emissionsbudgets • Klimaschutzplan § 2 Nr. 7 KSG-E/§ 9 I KSG-E: = deutsche Langfriststrategie i.S.d. Art. 15 EU-Gov-VO und Art. 4 PÜ CO2- Preis • § 9 KSG-E: Klimaschutzprogramm • Beschluss nach jeder Fortschreibung des Klimaschutzplans (§ 9 I KSG-E) Regu- Förde- lation rungen • Aktualisierung im Falle von Zielverfehlungen INEK-Pläne werden nicht erwähnt/kein Instrument des KSG-E! Entlas- • § 10 KSG-E: Berichterstattung tungen • Jährlicher Klimaschutzbericht („Einbettung“ in Fortschrittsberichterstattung der Governance-VO) • Klimaschutzprojektionsbericht (Projektionen von Treibhausgasen) gem. Art. 18 Governance-VO • Klimaschutzprojektionsbericht ist maßgeblich für die integrierten nat. Fortschrittsberichte gem. Art. 17 Governance-VO –BMWI benötigt Zustimmung („Einvernehmen“) des BMU Prof. Dr. Sabine Schlacke 18
Fazit • Keine Erwähnung oder Integration der INEK-Pläne in KSG-E: Klimaschutzplan: BMU; Klimaschutzprogramm: BReg, INEK-Plan: BMWI • Selbst Fortschrittberichterstattung ist aufgeteilt: BMU: jährliche Klimaberichte, BReg: Klimaschutz- Projektionsbericht, BMWI: INEK-Fortschrittsbericht Festhalten am Ressortprinzip zerstört Leitgedanke der Governance-VO: Integration von Klima- und Energiepolitik Verschiedene Beteiligungsverfahren: BMWI: Online-Befragung (hausintern), BMU: Aktionsbündnis Klimaschutz für Klimaschutzplan/Lenkungskreis der Plattform Klimaschutz (weiteres Sachverständigengremium) Kontrolle? • kein Rechtsschutz! – s. § 4 I 5 KSG-E: „Subjektive Recht und klagbare Rechtspositionen werden durch oder auf Grund dieses Gesetzes nicht begründet.“ • INEK-Plan und Klimaschutzplan sind nicht SUP-pflichtig. • Klimaschutzprogramm: fakultative SUP, wenn Rahmen für UVP-pflichtiges Vorhaben (Art. 2 des Gesetzentwurfs) Prof. Dr. Sabine Schlacke 19
Handlungsoptionen: Studie Leopoldina/Acatech/Akade- mienunion 1 2 3 4 Governance-VO Finanzielle Anreize Nichtbefolgung der setzen: Governance-VO durch effektiv Governance-VO Allianzen flankieren implementieren finanzieren sanktionieren - verbindlicher INEK-Plan + Rechtsschutz (-) - klare Ressortverantwortlichkeit (-) - Öffentlichkeitsbeteiligung regeln (-) - Verknüpfung mit KSG (-) 20 Prof. Dr. Sabine Schlacke
Dezember 2018 – Stellungnahme des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) Governance für die Europäische Energieunion - Gestaltungsoptionen für die Steuerung der EU-Klima- und Energiepolitik bis 2030 Kostenlos abrufbar unter: energiesysteme-zukunft.de/publikationen/stellungnahme-energieunion/ • Schlacke/Lammers, Das Governance-System der Europäischen Energieunion, EurUP 2018, S. 424 ff. • Lammers/Römling, Das Governance-System der Europäischen Energieunion – Anforderungen an Beteiligungs- und Überprüfungsrechte, ZUR 6/2019, i.E. Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften Union der deutschen Akademien der Wissenschaften
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Sabine Schlacke sabine.schlacke@uni-muenster.de
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