Anwaltsprüfung Sommer 2022 Staats- und Verwaltungsrecht

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Anwaltsprüfung Sommer 2022 Staats- und Verwaltungsrecht
Anwaltsprüfung Sommer 2022
                     Staats- und Verwaltungsrecht

                                   4. Juni 2022

Sachverhalt
Im Frühjahr 2021 galten in der "besonderen Lage" diverse Massnahmen zur Bekämp-
fung des Coronavirus – beispielsweise die Maskenpflicht sowie Einschränkungen der
Versammlungsfreiheit. Der Bundesrat verfolgte angesichts der fragilen epidemiologi-
schen Lage eine vorsichtige "Strategie der schrittweisen Öffnung", die politisch um-
stritten war und gegen die landesweit diverse Demonstrationen stattfanden.

Für Samstag, den 17. April 2021, war auch in der Stadt Schaffhausen eine Demonst-
ration gegen die Corona-Massnahmen des Bundes geplant. Im Gegensatz zu anderen
Gemeinden hatte die Stadt die Veranstaltung ursprünglich bewilligt. Doch am Don-
nerstag, also nur gerade 48 Stunden vor der Demonstration, zog der Stadtrat die Be-
willigung wieder zurück. Es sei aufgrund von Äusserungen auf Social Media zu be-
fürchten, dass es zu Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung kommen
könnte. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass die Auflagen des Bundes
nicht eingehalten würden. Bei ähnlichen Veranstaltungen in Altdorf (UR) und Liestal
(BL) hatte ein guter Teil der Teilnehmer keine Masken getragen.

Die Schaffhauser Polizei ging davon aus, dass die Leute am 17. April 2021 nicht ein-
fach brav zu Hause bleiben würden. Bereits am Vormittag, die Coronademonstration
war auf 13.30 Uhr angesetzt gewesen, marschierte die Polizei auf und positionierte
sich an neuralgischen Punkten wie Bahnhof, Herrenacker, Fronwagplatz. Alle Zu-
fahrtswege in die Altstadt waren bewacht und im Blickfeld der Beamten. Gemäss Me-
dienberichten herrschte in der Stadt eine leicht angespannte Stimmung. Zum einen,
weil eine Eskalation wie in anderen Städten nicht ausgeschlossen werden konnte, zum
anderen, weil die Schaffhauser Polizei noch vor Beginn der Demonstration rund dreis-
sig Personen, die sich gemäss Pressesprecherin der Polizei "offensichtlich auf dem
Weg zu der unbewilligten Kundgebung befanden", weggewiesen hatte. An der unbe-
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willigten Demonstration nahmen schliesslich rund 1000 Menschen teil. Nur wenige tru-
gen eine Maske. Die Polizei griff "im Sinne der Verhältnismässigkeit" nicht ein, um "die
gewaltfreie Stimmung in der heterogenen Menschenansammlung nicht zu gefährden".

Eine der von der Polizei weggewiesenen Personen war Herr X., der sich um 12.10 Uhr
auf dem Fronwagplatz aufhielt und mit dem regional bekannten Massnahmenkritiker
K. sprach. Eine Patrouille der Polizei wies beide Personen mündlich aus der Altstadt
Schaffhausen weg. X. befolgte die Anweisungen der Polizei, war aber erzürnt und kün-
digte an, er werde sich gegen die "Behördenwillkür" zur Wehr setzen. Die Polizei küm-
merte sich nicht weiter darum, drückte X. ein "Merkblatt zur Wegweisung aus der Alt-
stadt Schaffhausen" (vgl. Beilage) in die Hand und verabschiedete sich.

X. war auch nach ein paar Tagen noch enerviert. Am 27. April 2021 mandatierte er
Rechtsanwalt Y., der sich mit Schreiben vom 7. Mai 2021 (Postaufgabe 10. Mai 2021)
an den Regierungsrat des Kantons Schaffhausen wandte und namens und im Auftrag
seines Klienten das Gesuch stellte, es solle mittels Verfügung festgestellt werden,
dass die Wegweisung vom 17. April 2021 unrechtmässig gewesen sei. Mit Schreiben
vom 20. Mai 2021 teilte der Regierungsrat Herrn X. bzw. seinem Anwalt die Einschät-
zung mit, dass die mündliche Wegweisung keinen Realakt darstelle und bat um Stel-
lungnahme, ob die Eingabe als Rekurs behandelt werden solle oder ob am Gesuch
um Erlass einer anfechtbaren Verfügung festgehalten werde. Mit Schreiben vom
25. Mai 2021 liess X. mitteilen, dass er unter diesen Umständen gegen die mündlich
ausgesprochene Wegweisung Rekurs erheben wolle. Auf diesen Rekurs trat der Re-
gierungsrat mit Beschluss vom 17. Mai 2022 nicht ein (vgl. Beilage).

Nach Erhalt dieses Beschlusses ist Herr X. wütend, und zwar sowohl auf den Regie-
rungsrat, der sein Anliegen nach einer "unglaublich langen" Verfahrensdauer mit "fa-
denscheinigen formaljuristischen Spitzfindigkeiten abgeschmettert" habe, wie auch auf
Rechtsanwalt Y., der ihn zuerst schlecht beraten und danach eine überhöhte Rech-
nung gestellt habe. Herr X. sucht daher Ihre Kanzlei auf und mandatiert Sie als seine
neue Rechtsvertretung. Er weist Sie sodann darauf hin, dass er – entgegen den Aus-
führungen in der Rekursschrift, zu denen ihm sein vormaliger Anwalt geraten habe –
durchaus an der Demonstration habe teilnehmen wollen, welche von den städtischen
Behörden zu Unrecht so kurzfristig verboten worden sei.

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Anwaltsprüfung Sommer 2022 Staats- und Verwaltungsrecht
Aufgaben:
1.   Herr X. beauftragt Sie, eine formell einwandfreie und möglichst wirksame und
     überzeugende Rechtsmittelschrift zu verfassen. Verwenden Sie dafür namentlich
     auch die beiliegenden Unterlagen. Es ist zulässig, Beweismittel zu erfinden, falls
     diese in Konnex mit dem oben beschriebenen Sachverhalt stehen.

2.   Formulieren Sie zuhanden Ihres Mandanten ein Schreiben, in dem Sie ihm die
     Prozesschancen in angemessener Kürze, übersichtlich gegliedert und gut ver-
     ständlich darlegen. Gefragt ist auch eine kurze Würdigung Ihrer wichtigsten Ar-
     gumente. Legen Sie überdies den allfälligen weiteren Rechtsweg dar.

Beilagen:
– Informationsblatt "Wegweisung aus der Altstadt Schaffhausen" (anonymisiert)
– Beschluss des Regierungsrates vom 17. Mai 2022 (anonymisiert)
– Polizeigesetz vom 21. Februar 2000 (PolG; SHR 354.100)
– Polizeiverordnung vom 23. Oktober 2012 (PolV; SHR 354.111)

                                                                                   3/3
Wegweisung aus der Altstadt Schaffhausen gemäss Art. 24e PolG i.V.m. § 26 PolV
• Die Polizei ist befugt, für die Dauer von maximal
                                            _         24 Stunden Personen von' einelT)_ Ort wegzuweisen oder fernzuhalten. ·
• . Die Identität der wegzuweisenden Person ist festzustellen und deren Personalien aufzunehmen.·.
• Der·wegzuweisenden Person wird die Wegw_eisung vor Ort mündlich eröffnet. Dabei ist die von Wegweisung umfasste
    Örtlichkeit kurz zu· umschreiben. Ebenso ist der Zeitraum des Betretungsverbotes �ekannt zu .geben.
• Wider?etzt sich eine Person der mündlich erfolgten Wegweisung oder missachtet sie·eine gegen sie bereits bestehende.
    mündliche Wegweisung, kann sie auf eine Polizeid!enststelie gebracht werden, um ihr mittels schriftlicher Verfügung unter.
   Strafandrohung von Art. 292 StGB die Wegweisung zu eröffnen(§ 26 Po IV)._
• !n jed-:m Fall kann eine Widerhandlung gegen eine mündlir.he Wegweisung mit Busse sanktioniert wercten (Art. 19 Abs. 2 EG­
   StGB; § 2 Ziff. 1 Bst. e VO-Busseneinzug).
o Widersetzt sich eine Person einer 1T1ündlich ausgesprochenen Wegweisung oder missachtet sie eine bereits bestehen.de
   mündliche Wegweisung-für die gleiche Örtlichkeit, muss sie auf eine Polizeidienststelle verbracht werden, um ihr•mittels
   einer·schriftlichen Verfügung u_nd unter Androhung der S_traffolgen vcin Art..292 StGB verboten werden, die' betreffende
   Örtlichkeit während maximal 24 Stunden zu betreten (Kostenfolge CHF 300.00).
• Im Falle einer unbelehrbaren b"zw. renitenten Person, die sich nach Aussprechen einer schriftlichen Wegweisung trotzdem
   wieder an die mit dem Betretungsverbot belegten Örtlichkeit zurückbegibt, kann es gerechtfertigt sein, diese vorläufig
   festzunehmen und zur Polizeidienststelle zu bri_ngen, um sie von weiteren Über_tretungeh abzuhalten(Art. 217 Abs. 3 Bst. c
   StPO).

Mündliche Wegweisu_ng ausgesprochen gegen:

                                             Vornarr-                              1 Geb.Dat
1 Name                                   1

Datum/ Uhrzeit der Eröffnung:

   -----
Kanton Schaffhausen
Regierungsrat

Beschluss vom [...]

Protokoll-Nr. [...]                                               Rekurs X. gegen Schaffhauser
                                                                  P9lizei betreffend Wegweisung,
                                                                  Nichteintreten

                                        In der Rekurssache

X., [Adresse]

                                                                                         Rekurrent,

vertreten durch Rec_htsanwalt lic. iur. Y.

                                                gegen

Schaffhauser Polizei, Beckenstube 1, 8201 Schaffhausen,
                                                                                   Rekursgegnerin,

                                               betreffend

                                             Wegweisung

                                             wird den Akten

                                        ·e n t n o m m e n:

1.   Die Schaffhauser Polizei wies im Zusammenhang mit einer Corqna-Demonstration in der
     Stadt Schaffh�usen den Rekurrenten am 17. April 2021 um 12.10 Uhr mittels mündlicher
     Verfügung aus der Altstadt Schaffhausen weg. Zur Orientierung erhi.elt der Rekurrent ein
     Blatt, auf dem die Folgen aufgeführt
                                    �-
                                          waren, wenn er sich . nicht
                                                                 .
                                                                      an die Wegweisung halten
     würde, und auf welchem der Bereich, aus dem er w�ggeWiesen w:ar, als Kartenausschnitt

     rot markiert war.

2.   Mit Eing_abe vom 7. Mai 2021 (Postaufgabe 10. Mai '2021; Rückseite Couvert) liess der Re- .
     kurrent beantragen, es sei mittels Verfügung festzustellen, dass seine Wegweisung vom
                         .     .                              .
     17. April 2021 unrechtmäs�ig gewesen sei (Brief vom 7. Mai 2021, S. 1).
3. Das Finanzdepartement teilte dem .Rekurrenten mit Brief vom 20. Mai 2021 mit, dieses sei

    nach vorläufiger Prüfung der Ansicht, dass die Eingabe vom 7. Mai 2021 als Rekurs zu

    behandeln                                       sei.            .   .    .       •

4. Der Vertreter des Rekurrenten teilte am 25. Mai 2021 mit, sein Mandant wolle Rekurs erhe-

    ben; Gleichentags leistete jener auch den verlangten Vorschuss von 1'000 Franken.

5. Die Schaffhauser Polizei nahm mit Eingabe vom 7. Juli 2021 Stellung und teilte mit, die.
    mündliche Wegweisung des Rekurrenten .sei gestützt auf die gemachten Beobachtungen

    und den damaligen Kenntnisstand gerechtfertigt gewesen (Rekursantwortschrift, S. 2). Ab-

    gesehen von einem Feststellungsbericht vom 6. Juli 2021, den sie dem Finanzdepartement
    einreichte, seien keine weiteren Akten vorhanden (Rekursanfwortschrift, S. 2).
                                                       l.

6. Der Rekurrent liess in der Rekut-sreplikschrift vom 28. Juli 2021 beantragen, es sei ihm

    Einsicht in die Akten des gesamten polizeilichen Einsatzes vom 17. April 2021 zu gewähren,

    soweit diese den Rekurrenten betreffen würden (Rekursreplikschrift, S. 2).

7. Die Schaffhauser Polizei teilte in ihrer Stellungnahme vom 23. August 2021 mit, es würden

    keine weiteren Akten bestehen. Es gebe zwar weitere Unterlagen zum Polizeieinsatz vom

    17. April 2021, diese wiesen aber keinen direkten Zusammenhang mit dem Rekurrenten auf
    und seien daher nicht von Relevanz.

8. Der Rekurrent beantragte am 7. September 2021 die Gewährung der Akteneinsicht oder

    eine Begründung, inwiefern ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verweigerung

    der Akteneinsicht vorliege (Stellungnahme vom 7. September 2021, S. 2). Die Schaffhauser

    Polizei liess sich dazu innert angesetzter Frist nicht vernehmen.

                                               u.

Der Regierungsrat zieht .

                                  in Erwägung:

1. Anordnungen einer unteren Verwaltungsbehörde oder eines Departements, durch welche

     über den Ausstand oder die Zustäncfigkeit entschieden oder eine Sache erledigt worden

     ist, können durch Rekurs an den Regierungsrat weitergezogen werden, sofern dieWeiter-

     zugsmöglichkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (Art. 16 Abs. 1 des Verwaltungs-
     rechtspflegegesetzes vom 20. September 1971 [VRG, SHR 172.200]). Zur Erhebung des
. Rekurses ist berechtigt, wer an der Änderung oder Aufhebung der Anordnung ein schutz­
      würdiges eigenes Interesse dartut {Art. 18 Abs. 1 VRG). Der RekÜrs ist innert 20 Tagen
      nach der Mitteilung oder, mangels einer solchen, nach . der Kenntnisnc!hme der angefoch­
      tenen Anordnung bei der Rekursinstanz schriftlich einzureichen (Art. 20 Abs. 1 VRG). Die ·
      Rekursschrift muss einen Antrag und sein.e Begründung enthalten und ist zu unterzeich­
      nen. Der angefochtene Entscheid ist beizulegen oder genau zu beze.ichnen (Art. 21 Abs. 1
      VRG).

2.    a) Das schutzwürdige Interesse gemäss Art. 18 Abs. 1 VRG setzt ein persönUches, aktu­
      elles und praktisches Interesse an der Beschwerdeführung voraus (vgl. OGE q0/2020/8
     . vom 12. Oktober 2021, S. 2/3, E. 1.2, mit Hinweis). Als Prozes�voraussetzung ist von
      Amtes wegen zu prüfen, ob der Rekurrent ungeachtet des fehlenden Aktualitätsbezugs
      ein schutzwürdiges Interesse an der Prüfung der längst dahingefallenen Wegweisungs­
     . verfügung hat. Indes hat der anwaltlich vertretene Rekurrent die diesbezüglichen legitima­
      tionsbegrühdenden
            .           Umstände
                         .
                                 zu substantiieren, zumal sie nicht ohne weiteres ersichtlich
      sind respektive tjie Legitimation zweifelhaft ist (so für das verwaltungsgerichtliche Be-
      schwerdeverfahren OGE 60/2020/8 vom 12. Oktober 2021, S. 2/3, E. 1.1, mit Hinweisen).

      b) Vom Erfordernis des aktÜelleri Rechtsschutzinteresses ist dann ausnahmsweise abzu­
      sehen und gleichwohl eine materielle: Prüfung vorzunehmen, wenn die mit dem Rekurs
      aufgeworfenen Frag.en (kumulativ) sich jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umstän­
      den wieder s{ellen könnten, wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung an ihrer Beantwor­
      tung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und werin sie im Einzelfall kaum je
      rechtz;eitig überprüft werden könnten (vgl. BGE 146 II 335 E. 1.3 S. 3·38 . f.; 142 1 135
      E. 1..3.1 S. 143; OGE 51/2020/66 vom 1. Juni 2021 E. 1.2.1, je mit Hinweisen). Auf einen
      R�kurs ist auch dan·n einzutreten, wenri ein Rekurrent in .vertretbarer Weise die Verletzung
      von Garantien der ·EMRK rügt (so für das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren
      OGE 60/2020/8 vom 12. Oktober 2021, S. 3, E. 1.2, mit Hinweis auf BGE 1471149 E. 1.2.1
     S. 52; 140 1 246 E. 2.5.1 S. 250; 139 1206 E. 1.2; 1 S. 209, je m·it we;°te�en Hinweisen).

     c) Die in Art. 24e des Polizeigesetzes vom 21. Februar 2000 (Po IG; SHR 354.100) vorge­
     sehene Wegweisung und Fernhaltung · ist auf eine Dauer von maximal 24 Stunden befris. ­
     tet.
       . Eine rechtzeitige, praktisch wirksame verwaltungsinterne oder gar gerichtliche Prüfung
     ist daher nicht möglich. Diese(Umstand erfordert für sich allein jedoch nicht, solche poli­
     zeilichen Massnahmen in jedem Fall nachträglich gerichtlich zu prüfen. Vielmehr ist jeweils
     in Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob sich die bei der
     Überprüfung der Wegweisung aufgeworfenen Fragen jederzeit in vergleichbarer Weise
     wieder stellen können und an ihrer Beantwortung im ·Rekursverfahren insbesondere im
                                                                                       3
Interesse der künftigen rechtmässigen Handhabung des polizeilichen Instruments .ein hin­
 reichendes öffentliches Interesse besteht (so für das verwaltungsgerichtliche Beschwer­
            _
 deverfahren OGE 60/2020/8 vom 12. Oktober 2021; S. 3, E. 1.3, mit Hinweis auf VGer ZH ·
 VB.2012.00272 vom 7. · Februar 2013 E. 1, VB.2012.00769 vom 24: Januar 2013 E. 1.2.2
 und VB.2009.00523 vom 3. Dezember 2009 E. 1.2.2).

   °
 d) Per Rekurrent macht g�ltend, da·s unbegründete Vertf?ilen von Wegweisungsverfüguri�
 gen sei keine Einzelfrage, sondern könne sich Jederzeit und unter gleichen oder ähnlichen
 Umständen wieder stellen. Die grundsätzliche Bedeutung $Si darin zu erblicken, dass weit­
 gehend ungek_lärt sei, wie weit die Polizei bei Wegweisungen gehen dürfe. Es sei ·leider
 oftmals so, dass unbegründete Wegweisungen aus�esprochen würden (Eingabe vom
 7. Mai 2021, S. 3, Ziff. 6).

 Mit diesen Ausführungen legt der Rekurrent nicht dar, warum der Regierungsrat seinen
 Rekurs trotz fehlendem aktuellem Rec;htsschutzinteresse behandeln soll. Es ist denn auch
. nicht ersichtlich, weshalb eine Prüfung der mündlichen Wegweisung im vorliegenden Ein­
 zelfall mit Blick
             .     auf die künftige Handhabung dieser polizeilichen Massnahme
                                                                      .
                                                                              geboten sein
 sollte. Die mündliche Wegweisung war nicht. mit einem Freiheitsentzug verbunden und
                                    .   .                                                  .
 stellte einen zeitlich und örtlich eng .begrenzten Eingriff in die Bewegungsfreiheit dar (vgl.
 Jürg Marce/ Tiefenthal, Kantonales Polizeirecht der Schweiz, Zürich 2018, § 8 N. 18,
 S. 225). Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die mündliche Wegweisung, die
        .                                                                     .
 gemäss den vorliegenden Akten keine zeitliche Befristung aufwies, vernünftigerweise nur
                                                                 _
 für die Dauer, in welcher die Corona-Demonstration vorbereitet wurde respektive stattfand,
 Geltung haben konnte, maximal aber für 24 Stunden. Aus welchem Grund der im Kanton
  Z.         Nohriende Rekurrent dara1,.1f angewiesen gewesen sein sollte, sich zwingend in
 der Altstadt
        .     Schaffhausen aufzuhalt�n, ist nicht ersichtlich. Der Rekurrent selbst. hat viel-
 mehr geltend gemacht, er habe nicht an der Cqrona-Demonstration teilnehmen wollen,
 sondern habe einen Termin ausserhalb der Schaffhauser Altstadt, an der B.-Strasse
 in Schaffhausen, um 13.30 Uhr gehabt(Eingabe vom 7. Mai 2021, S. 2, Ziff. 1, Rekurs-
. replikschrift, S. 2, . und Brief von A.             vom 19. April 2021). Dass er nach., .
                                      .                                   .

  her noch einmal die Schaffhauser Altstadt hätte aufsuchen wollen, behauptet er selbst
 nicht. Trotz der mündlichen Wegweisung, die bereits um 12.10 Uhr erfolgte, hätte der Re­
 kurrent.sein im Parkhaus Schifflände abgestelltes Auto holen können. Er hätte dann be-
 quem via Buchthaler-, Alpen-, Kessel- und Grubenstrasse an die B. Strasse           in Schaff-
 hausen fahren können, wo er pünktlich für die Besprechung mit A.
  hätte eintreffen können, ohne dass ersterer sich hätte beeilen müssen. Es ist in keiner
  Weise nachgewiesen, dass in seinem Fall eine mündliche Wegweisung jederzeit und unter

                                                                                               4
gleichen oder ähnlichen Umständen wieder erfolgen könnte, zumal nicht öder sehr kurz-
     fristig bewilligte Demonstrationen in der Altstadt Schaffhausen äusserst selten vorkom-
     men.

     Mit der am 17. April 2021 erfolgten mündlichen Wegweisung waren keine Kostenfolgen
     verbunden (vgl. Art. 24e Abs. 2 PolG), weshalb diese zur Begründung für das Eintreten
     auf den Rekurs entfallen.

     e) Auf den Rekurs ist somit nicht einzutreten. Offenbleiben muss daher, ob eine mündliche

     Wegweisung ohne dokumentierte zeitliche Umschreibung überhaupt rechtsgültig ist.

3. a) Der Rekurrertt hat die mündliche Wegweisung am 17. April 2021 erhalten. Bereits am
     27. April 2021 hat er den ihn im vorliegenden Verfahren vertretenden Rechtsanwalt man-
     datiert. Auch wenn die mündliche Wegweisung möglicherweise nicht mit einer Rechtsmit-

     telbelehrung verbunden war, wäre der Rechtsvertreter gehalten gewesen, neben den von

     ihm ursprünglich anvisierten Gesuch um Erlass einer anfechtbaren Verfügung mit Blick
    .auf die anwaltliche Sorgfaltspflicht auch einen Rekurs einzureichen und dabei die Re-

     kursfrist von 20 Tagen nach der Mitteilung der angefochtenen Anordnung zu beachten. Da
     auch mündliche Verfügungen mit Rekurs angefochten werden können und eine mündliche

     Wegweisung eine Verfügung, nicht aber einen Realakt darstellt, hatte ein Gesuch um Er-

     lass einer anfechtbaren Verfügung keine Aussicht auf Erfolg. Die Rekursfrist andererseits

     hat der Rekurrent nicht eingehalten, lief diese doch am Freitag, 7. Mai 2021 (Fristenlauf:
     Sonntag, 18. April 2021, bis Freitag, 7. Mai 2021), ab. Es fällt denn auch auf, dass die

    . Eingabe des Rekurrenten zwar das Datum vom 7. Mai 2021 trägt, effektiv aber gemäss

     dem sich auf der Rückseite des Couverts befindlichen Poststempels erst am 10. Mai 2021
     versandt wurde.

     b) Fehlt eine Rechtsmittelbelehrung, so darf daraus dem Empfänger kein Nachteil entste-
     hen. Der Rekurrent war ab 27. April 2021, mithin bereits zehn Tage vor Ablauf der Re-

     kursfrist durch einen Anwalt vertreten, dem zuzumuten war, das Verwaltungsrechtspflege-

     gesetz zu konsultieren (vgl. dazu auch BGer 5P.195/2006 vom 20. Juni 2006 i.S. X.,

     S. 5 f., E. 3.2 f., mit Hinweisen). Dies tat er auch, indem er in seiner Eingabe auf dieses

     Gesetz verwies. Er beachtete aber nicht, dass im vorliegenden Fall allein der Rekurs of-

     fenstand und dass die Rekursfrist nur 20 Tage beträgt, was mit einer Konsultatiön allein

     des Verwaltungsrechtspflegegesetzes sofort erkennbar ist. Indem der rechtskundig ver-
tretene Rekurrent die Rekurseingabe erst am 10. Mai 2021 einreichte, hielt er die Re-

     kursfrist nicht ein, so dass auch aus diesem Grund auf den Rekurs nicht einzutreten ist. In

     keiner seiner Eingaben Hat der Rekurrent ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist ge-

     stellt. Weil auf den Rekurs bereits wegen des mangelnden Rechtsschutzinteresses nicht

     einzutreten ist, muss dem Rekurrenten keine Frist angesetzt werden, sich zu seinem Frist-

     Versäumnis vernehmen zu lassen.

4. Da auf den Rekurs mangels Erfüllung aller Prozessvoraussetzungen nicht eingetreten
     werden kann, ist auch das im Rahmen des Rekurs.verfahrens erhobene Akteneinsichtsge-

     such des Rekurrenten nicht weiter zu behandeln. Dieses war kein eigenständiges Gesuch,

     für das erstinstanzlieh ohnehin die Schaffhauser Polizei zuständig gewesen wäre, sondern

     es. bildete einen Teil der Beweisofferten, womit der Rekurrent den Rekürs materiell be-

     gründen wollte. Ein Beweisverfahren findet jedoch, da auf das Rekursverfahren nicht ein-

     zutreten ist, nicht statt. Somit kann kein materieller Entscheid zum mit dem Rekursverfah-

     ren direkt zusammenhängenden Akteneinsichtsgesuch gefällt werden. Entsprechend

     kann. der Rekurrent auch nichts zu seinen Gunsten aus der einschlägigen Literatur und

   . Rechtsprechung bezüglich des Akteneinsichtsrechts ableiten (vgl. dazu allgemein Regina
     Kiener/Bernhard Rütsche/Mathias.Kuhn, Öffentliches Verfahrensrecht, 3.. Auflage, Zü-

     rich/St. Gallen 2021, S; 137, N. 626, und S. 138, N. 631, mit Hinweis, Ulrich-Häfelin/ Georg

     Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8., überarbeitete Auflage, Zürich/St.

     Gallen 2020, S. 230, Rz. 1021, mit Hinweisen). Dem Rekurrenten steht es aber frei, bei

     der Schaffhauser Polizei ein eigenständiges Akteneinsjchtsgesuch bezüglich der ihn
     selbst betreffenden Akten zu stellen.

                                                                                                    /

5. . Die Rekursinstanz auferlegt die Verfahrenskosten, bestehend aus Staatsgebühr und Bar-

     auslagen, in der Regel der unterliegenden Partei; unterliegt diese nur teilweise, so werden

   . die Verfahrenskosten ermässigt (Art 27 Abs. 1 VRG). Ausgangsgemäss sind somit die

     Kosten des Rekursverfahrens von 500 Franken dem Rekurrenten aufzuerlegen. Der Rest-

     betrag vor) 500 Franken ist ihm zurückzuerstatten. .

                                              III.

Demgemäss wird auf.Antrag des Finanzdepartementes

                                  beschlossen:

                                                                                                6
1. Auf den Rekurs wird nicht eingetreten. .

2. Die Kosten des Rekursverfahrens, bestehend aus einer Staatsgebühr von 500 Fran-

       ken, werden dem Reku.rrenten auferlegt und nach Eintritt der Rechtskraft dieses Be-

       Schlusses mit dem auf das Konto Nr. 6500 207.2130 der Finanzverwaltung geleisteten
       Vorschuss verrechnet. Der Restbetrag von 500 Franken wird ihm nach Eintritt der
       Rechtskraft. dieses Beschlusses zurückerstattet. . - .

                                                                                • ^

3. Gegen diesen Beschluss kann inne     [Rechtsmittelbelehrung]

4.      Mitteilung                                 an:            .   .   .

       - Herrn Rechtsanwalt ii   Y.
          (Einschreiben, 2 Exemplare)

        - Schaffhauser Polizei (info@shpol.ch)

        - Finanzdepartement (fd@sh.ch) .

        sowie nach Eintritt der Rechtskraft an:

           Finanzverwaltung

                                                         Der Staatsschreiber:
                                                         [Unterschrift Staatsschreiber]
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