APO: Alternative für Arbeitnehmer
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IT-Weiterbildungssystem APO: Alternative für Arbeitnehmer Mit Vorschusslorbeeren startete vor rund drei Jahren das IT-Weiterbildungssystem (ITWS). Doch das ambitionierte Projekt, das Struktur in den IT-Weiterbildungsmarkt bringen sollte, konnte die Erwar- tungen bislang nicht erfüllen. Die Stiftung Warentest hat das System untersucht, zeigt seine Vor- und Nachteile und sagt Ihnen, was Sie über das ITWS wissen sollten. Hans Weißmann vom Bundesinstitut für Be- dungs-Interessierten ermöglicht, sich stetig gruppe des ITWS – genauso: Die Teilnehmer- rufsbildung (Bibb) kennt sich aus im IT-Wei- (und sinnvoll) weiterzubilden. Und das ist in zahlen steigen und damit die Bedeutung terbildungssystem (ITWS). Der Bildungs- der schnelllebigen IT-Branche ein Muss, um des Systems auf dem IT-Weiterbildungs- experte leitet die Projektgruppe zur Evalua- am Ball zu bleiben und berufliche Perspekti- markt insgesamt. tion (Bewertung) des ITWS, die helfen soll, ven zu wahren. Schwachstellen im System zu erkennen. Mit klar definierten Berufsprofilen, Zertifizie- Neue Methode beruflichen „Das IT-Weiterbildungssystem ist der erste rungen oder öffentlich-rechtlichen Abschlüs- Lernens Versuch in Deutschland, Konzepte des Le- sen sowie einer neuen Methode beruflichen APO gilt als das Charakteristikum für Weiter- benslangen Lernens in der Weiterbildung zu Lernens, der so genannten Arbeitsprozessori- bildungen innerhalb des IT-Weiterbildungssys- etablieren“, nennt Weißmann den Grund, entierten Weiterbildung (APO), hebt sich das tems. APO steht für das Lernen anhand eines warum das ITWS vielen Bildungsexperten ITWS von anderen Qualifizierungen auf dem praktischen Qualifizierungsprojektes am eige- ans Herz gewachsen ist. IT-Weiterbildungsmarkt deutlich ab. So sind nen Arbeitsplatz (zum Ablauf von APO-Wei- Zweifellos ist das ITWS ein ambitioniertes Pro- Weiterbildungen im ITWS eine Alternative terbildungen vgl. „Schritt für Schritt zum IT- jekt: Es ist der Versuch, ein System zu etablie- zu eher praxisfernen Weiterbildungen in Se- Spezialisten“). ren, das Weiterbildung über alle Qualifikati- minarform. Inzwischen sehen das auch viele Das bietet zum Beispiel den Vorteil, dass die onsstufen hinweg strukturiert. So wird Bil- Arbeitnehmer im IT-Bereich – Hauptziel- Lernenden nach Abschluss der Weiterbil- 1
IT-Weiterbildungssystem dung nachweislich über praktisches, an- rungsmöglichkeiten im IT-Bereich – etwa zu sional“, einen mit technischem und einen wendbares Wissen verfügen. Das können sie den Industriezertifikaten oder IT-Kursen in mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund. dann im eigenen Unternehmen einbringen. Seminarform. Ihr Abschluss bewegt sich auf dem fachli- Damit unterscheiden sich APO-Weiterbil- – Im Vergleich zu anderen Qualifizierungs- chen Niveau eines Masters. dungen elementar von Qualifizierungen in formen spielen die Bildungsfirmen bei APO- Zwischen den Weiterbildungen zu den Spe- herkömmlicher Seminarform, die in der Re- Weiterbildungen eine andere Rolle. Sie ha- zialisten- und den Professional-Profilen gibt gel eher theoretisches Know how als An- ben die Aufgabe, die Lernenden vor Ort, in eine klare Trennlinie, was Abschluss und Or- wendungswissen vermitteln. ihrem Unternehmen zu unterstützen. So ganisation angeht. So werden IT-Spezialis- Aber auch die Nachteile liegen auf der stellen sie zum Beispiel Lernprozessbeglei- ten privatrechtlich bei dafür eigens einge- Hand: Eine APO-Weiterbildung dauert mit ter und bereiten die APO-Teilnehmer auf ih- richteten, unabhängigen Agenturen zertifi- einer geschätzten Dauer von 12 bis 18 Mo- re Abschlussprüfung vor. Als flankierende ziert. Grundlage für die Zertifizierung ist die naten nicht nur länger als ein herkömm- Maßnahme der jeweiligen Weiterbildung internationale Norm der Personenzertifizie- licher IT-Kurs, sie verlangt auch einen un- bieten sie auch klassische Seminare an, die rung ISO/IEC 17 024. Die Zertifizierungsstel- gleich höheren organisatorischen Aufwand Zusatzqualifikationen vermitteln. Häufig len werden von der Trägergemeinschaft für und Teilnehmer, die in der Lage sind, in ho- besuchen APO-Teilnehmer etwa Projektma- Akkreditierung zugelassen. hem Maße eigenverantwortlich zu lernen. nagement-Kurse. Rezertifizierung alle fünf Hoch gesteckte Erwartungen Profile für IT-Spezialisten Jahre fällig So ambitioniert das Konzept der APO-Wei- Und so sieht das ITWS aus, das Weiterbildun- Mit der Personenzertifizierung werden die terbildungen ist, so hoch waren zunächst gen im IT-Bereich in drei Qualifizierungsstu- in den jeweils individuell zugeschnittenen auch die Erwartungen an das ITWS, als es fen aufgliedert und von den vier öffentlich- Qualifizierungsprojekten erworbenen vor rund drei Jahren, Mitte 2002, aus der rechtlichen IT-Ausbildungsberufen bzw. ver- Handlungskompetenzen der Absolventen Taufe gehoben wurde: Es sollte den Quer- gleichbaren Kenntnissen ausgeht (siehe vergleichbar gemacht. Alle fünf Jahre ist ei- einsteigern in der IT-Branche die Möglich- Grafik des Kompetenzzentrums IT-Bildungs- ne Rezertifizierung fällig. Dann müssen die keit geben, einen Berufsabschluss zu ma- netzwerke zum ITWS): Teilnehmer nachweisen, dass sie ihr Wissen chen und die vielen ungenau definierten IT-Spezialisten: Den Anfang machen insge- auf dem neuesten Stand gehalten haben. Berufsbezeichnungen in der IT-Branche er- samt 29 Spezialistenprofile, die in 6 überge- Die Qualifizierungen zum „Operativen Pro- setzen. ordneten Profilen zusammen gefasst sind. fessional“ und zum „Strategischen Profes- Ein weiteres Ziel war, Struktur in die unüber- Die Spezialistenprofile bilden die unter- sional“ sind öffentlich-rechtlich geregelt sichtliche Aus- und Weiterbildungsland- schiedlichen Tätigkeitsfelder in der IT-Bran- und fallen unter die Fortbildungsgesetze. schaft der IT-Branche zu bringen. Dort arbei- che ab und reichen zum Beispiel vom eher Prüfungsberechtigt sind die Industrie- und ten viele IT-Fachkräfte mit unterschiedli- technisch orientierten „Security Technician“ Handelskammern (IHKs). Obwohl der Weg chen Abschlüssen: die Absolventen der vier bis zur Kundenbetreuung (etwa „IT Sales zur Zertifizierung bzw. Prüfung bei Spezia- IT-Ausbildungsberufe (zum Beispiel IT-Sys- Advisor“). Neben fachlichen Kenntnissen listen und Professionals auf dem Papier tem-Elektroniker oder IT-Fachinformatiker), sollten die IT-Spezialisten im Rahmen der gleich ist, nehmen betriebliche Projekte in Hochschulabsolventen, Fachkräfte mit so Weiterbildung auch Zusatzqualifikationen den Professional-Weiterbildungen weit we- genannten Industriezertifikaten (zum Bei- erwerben, um im Unternehmen später Füh- niger Raum ein, als dies bei den Spezialisten spiel von Firmen wie Microsoft oder Cisco) rungsaufgaben übernehmen zu können. So der Fall ist. Doch selbst für angehende Spe- oder solche mit IT-Zertifikaten von privaten sollten sie zum Beispiel nach der Weiterbil- zialisten gibt es nicht nur APO-Weiterbil- Bildungsfirmen. dung in der Lage sein, Projektteams zu lei- dungen (siehe unten). Klar zu unterschei- Heute, gut drei Jahre nach dem ITWS-Start, ten und im Projektverlauf auftretende Kon- den sind hingegen die Prüfungen, die für sind diese hoch gesteckten Erwartungen ei- flikte eigenständig zu lösen. angehende Professionals komplexer ange- ner realistischeren Einschätzung gewichen, „Operative Professionals“: Die nächste legt sind: Zu der Präsentation des betriebli- welchen Stellenwert APO-Weiterbildungen Stufe im ITWS bilden die vier Profile zum chen Projektes kommen hier noch schriftli- auf dem IT-Weiterbildungsmarkt besitzen. „Operativen Professional“. Sie sollten in der che Prüfungen und zusätzliche Themen- So kennzeichnen APO-Weiterbildungen Lage sein, Geschäftsprozesse im Unterneh- bereiche hinzu. drei Merkmale: men eigenständig zu gestalten und Auf- – Sie richten sich vornehmlich an Arbeitneh- gaben in der Mitarbeiterführung, zum Bei- Nur wenige nehmen teil mer: Da das Herzstück der Weiterbildung spiel als Abteilungsleiter, zu übernehmen. Schaut man allerdings auf die Zahl der Teil- mit dem betrieblichen Qualifizierungspro- Ihre Qualifikation ist mit einem Bachelor- nehmer, die sich bei den Prüfungs- und Zer- jekt im Unternehmen sitzt, haben es Selbst- Abschluss vergleichbar. tifizierungsstellen anmelden, wird das ei- ständige und Arbeitslose schwer, die Anfor- „Strategische Professionals“ sollten die gentliche Problem des ITWS deutlich: sein derungen an APO zu erfüllen. Fähigkeit besitzen, IT-Geschäftsfelder dau- geringer Bekanntheitsgrad. Insgesamt ha- – Damit ist der Anspruch gefallen, die ge- erhaft auf dem Markt zu positionieren und ben sich bei den beiden derzeit akkreditier- samte IT-Weiterbildungslandschaft zu ver- strategische Partnerschaften, zum Beispiel ten Zertifizierungsstellen Cert-It und gps- ändern; APO-Weiterbildungen gelten nun mit anderen Unternehmen, zu schließen. Es cert etwa 580 IT-Fachkräfte für eine Per- als Ergänzung zu vielen anderen Qualifizie- gibt zwei Profile zum „Strategischen Profes- sonenzertifizierung angemeldet. Eine Qua- 2
IT-Weiterbildungssystem lifizierung zu den vier Profilen zum „Opera- tiven Professional“ haben im ausgehenden Jahr nach Auskunft des DIHK 300 Personen absolviert. Prüfungen zum „Strategischen Professionals“ wurden noch nicht abgelegt. Verglichen mit den absoluten Zahlen, die der IT-Weiterbildungsmarkt zu bieten hat, nehmen sich diese Ergebnisse bescheiden aus: Von den rund 450 000 Qualifizierungen, die in der Weiterbildungsdatenbank „Kurs“ der Bundesagentur für Arbeit zu finden sind, haben über ein Drittel ein IT-relevantes Thema. Das ITWS spielt auf dem IT-Weiterbildungs- markt also eine eher untergeordnete Rolle. Ein Indiz dafür liefert auch unsere Unter- suchung. Wir haben die IT-Branche unter- sucht, um die Bedeutung des ITWS zu ana- lysieren und Bildungsinteressierte zu infor- mieren (siehe „So sind wir vorgegangen“). Herzstück der Untersuchung ist eine Markt- übersicht, in der die Bildungsfirmen bzw. -akteure aufgelistet werden, die Lernende während ihrer APO-Weiterbildung unter- stützen. Demnach bieten gerade einmal 20 schaft erobert hat. Schaut man allerdings et- gen für Qualifizierungen, die sich mit ähnli- bis 30 Bildungsfirmen bzw. -experten Wei- was genauer hin, gibt es durchaus Hinweise chen fachlichen Inhalten eher an traditio- terbildungsinteressierten ihre Dienste an, darauf, dass das ITWS langsam, aber sicher nellen Lehrgangskonzepten orientieren. um ein Zertifikat zum IT-Spezialisten zu er- seine Nische in der IT-Weiterbildungsland- Folge: Bei diesen Qualifizierungen ist frag- langen. (Welche Dienstleistungen genau zu schaft findet: Die Nachfrage sowohl nach lich, ob die Teilnehmer die Zulassungs- den jeweiligen Profilen offeriert werden, Spezialisten- als auch nach Professional- voraussetzungen zu einer Personenzertifi- können Sie in unserem kostenpflichtigen In- Qualifizierungen zog im auslaufenden Jahr zierung erfüllen. Andererseits nehmen das fodokument unter der Internetadresse deutlich an. offenbar einige Teilnehmer billigend in www.weiterbildungstests.de nachlesen.) Nicht eigens aufgelistet in unserer Markt- Kauf, die sich mit solchen Kursen auf eine übersicht haben wir die Leistungen einzel- Professional-Zertifizierung vorbereiten. Nachfrage zieht an ner IHKs. Zwar bieten einige Kammern APO- Hintergrund: Eine Personenzertifizierung Noch gibt es also viel zu tun, bis sich das ITWS Weiterbildungen an; einige Kammern wer- für IT-Spezialisten ist keine zwingende Vo- seinen Platz in der IT-Weiterbildungsland- ben aber unter den gleichen Bezeichnun- raussetzung für den Erwerb eines öffent- lich-rechtlichen Professional-Abschlusses. Die Zahl der IT-Fachkräfte, die bei den Bil- SO SIND WIR VORGEGANGEN dungseinrichtungen der IHKs eine Qualifi- zierung zu einem Spezialistenprofil begon- VORGEHEN: sichtigt wurden Weiterbildungen anderer nen haben, ohne sich zur Personenzertifi- Die Marktuntersuchung beruht auf einer Bildungsträger, die in ein IHK-Zertifikat zierung anzumelden, liegen nach Angaben Befragung von 38 Bildungsträgern, die er- münden. des Deutschen Industrie- und Handelskam- gänzende Bildungsmaßnahmen für die Die Anbieter wurden ab Anfang Oktober mertages (DIHK) immerhin im unteren drei- Spezialistenprofile des IT-Weiterbildungs- 2005 befragt. In die Marktübersicht fließen stelligen Bereich. systems anbieten. Die Marktübersicht be- diejenigen Fragebögen ein, die bis zum 11. inhaltet ausschließlich Weiterbildungs- November 2005 beantwortet wurden. In die Kammern standen in der Kritik dienstleistungen, die den Abschluss einer Auswertung kamen 21 Fragebögen von An- Für diese Praxis mussten sich die Kammern Personenzertifizierung gemäß ISO/IEC bietern, die zum Zeitpunkt der Erhebung vor zwei Jahren noch harsche Kritik gefallen 17024 unterstützen. Nicht eigens aufgelis- entsprechende Bildungsdienstleistungen für lassen: APO-Verfechter klagten, dass die tet wurden die Kammern, deren Spezialis- die Spezialistenprofile im Programm führen. Praxis der Kammern nicht nur für Verwir- tenweiterbildungen zum Teil dem APO- rung sorge, sondern deren Angebote auch HINWEIS: Konzept folgen, zum Teil aber auch auf tra- eine Konkurrenz zu APO-Weiterbildungen Der Test wurde mit Mitteln des Bundes- ditionelle Methoden der Wissensvermitt- darstellten. Inzwischen haben sich die Wo- ministeriums für Bildung und Forschung und lung zurückgreifen. Ebenfalls nicht berück- gen zwar geglättet, die Rolle der IHK-Kurse des Europäischen Sozialfonds gefördert. aber ist noch immer umstritten. 3
IT-Weiterbildungssystem „APO ist nicht das IT-Weiterbildungssystem, sensvermittlung die betriebliche Projekt- unterschiedlichen Konzeptionen der beiden sondern eine von mehreren Qualifizie- arbeit an erster Stelle stehe. APO-Weiterbildungen und der IHK-Qualifi- rungsmethoden, die im Rahmen dieses Sys- Die Auffassung, dass Qualifizierungen mit zierungen, so Pfisterer, erwarte aber ohne- tems in Frage kommen“, sagt auf der einen und ohne APO nicht in Konkurrenz zueinan- hin niemand, dass bei den Kammern das Seite Yorck Sievers, Leiter des Referates „IT- der stehen, kann Stephan Pfisterer, Projekt- Gleiche heraus komme wie bei einer APO- und Medien- Aus- und Weiterbildung“ des leiter des Kompetenzzentrums Bildungs- Weiterbildung. DIHK. Insofern, so Sievers, stünden die Qua- netzwerke (Kibnet), durchaus noch teilen. Insgesamt setzt der Bildungsexperte auf das lifizierungen der IHKs zum IT-Spezialisten Bei der Frage nach der Vergleichbarkeit der individuell zugeschnittene Produkt APO- und APO-Weiterbildungen nicht im Wider- beiden Qualifizierungsformen ist er aller- Weiterbildung und dass es auf dem Markt spruch oder Konkurrenz zueinander, zumal dings anderer Meinung: Für ihn gehören neben anderen Qualifizierungsformen be- auch in den IHK-Angeboten vor der Wis- APO und ITWS zusammen. Aufgrund der stehen möge. Auch in dieser Einschätzung Chronologie – Schritt für Schritt zum IT-Spezialisten Der organisatorische Aufwand für eine - oder eine mindestens vierjährige Be- zu stehen, wenn er nicht weiterkommt. APO-Weiterbildung inklusive Personen- rufspraxis im IT-Bereich Zudem steht dem Lernenden normaler- zertifizierung ist ungleich höher als oder durch Zeugnisse oder auf andere weise ein Lernprozessbegleiter zur Sei- der, sich ein herkömmliches Seminar Weise glaubhafte Qualifikationen, die te: Er ist die Person, die den Lernenden aus dem Weiterbildungsangebot he- die Zulassung rechtfertigen von der Antragstellung bis zum Ende rauszusuchen, zu buchen und daran Hat sich der Weiterbildungs-Interessier- der Weiterbildung begleitet. Lernpro- teilzunehmen. Dementsprechend wich- te für ein Berufsprofil entschieden, zessbegleiter beraten zum Beispiel bei tig ist es, sich gut beraten zu lassen, kann er die APO-Weiterbildung begin- der Planung des betrieblichen Projekts bevor man eine Entscheidung trifft. nen: Er stellt bei einer Zertifizierungs- und führen regelmäßige Reflexions- Die wichtigste Beratungsstelle für stelle einen Antrag auf Zulassung gespräche mit dem Teilnehmer. „Er ist angehende IT-Spezialisten ist das Kom- zur Zertifizierung. Die beiden derzeit grundsätzlich Ansprechpartner für alle petenzzentrum IT-Bildungsnetzwerke tätigen Zertifizierungsstellen sind Cert- außerfachlichen Problemlagen, die den (Kibnet). Kibnet unterstützt die Aus- IT und gps-cert. Nach der Antrag- Lernprozess oder den Verlauf der Wei- und Weiterbildung in der IT-Branche annahme erhält der angehende IT-Spe- terbildung behindern“, schreibt etwa durch Information und Beratung. Zum zialist ein so genanntes Template Wilfried Willker auf seiner oben ge- IT-Weiterbildungssystem (ITWS) hat (Schablone) von der Zertifizierungsstel- nannten Website. Kibnet eine kostenlose Telefon-Hotline le, die als Strukturvorgabe für die Do- Mit dem Fachberater, dem Lernpro- eingerichtet. Dort können Weiterbil- kumentation des betrieblichen Pro- zessbegleiter und dem Verantwort- dungs-Interessierte unter der Rufnum- jekts dient. lichen der Qualifizierung – in aller Re- mer 080 0/4 46 46 36 jeden Freitag von Das Qualifizierungsprojekt sollte gel dem Arbeitgeber – muss der Lerner 15 bis 17 Uhr Fragen zum ITWS stellen. dem betrieblichen Arbeitszusammen- dann im Rahmen der Projektskizze ei- Mehr steht im Internet unter www.kib- hang des Antragstellers entstammen ne „Vereinbarung zur Weiterbil- net.de. und von der Zertifizierungsstelle als dung“ abschließen. Diese sollte die Informativ ist zum Beispiel auch der In- fachlich geeignet eingestuft werden. Anforderungen an das Qualifizierungs- ternetauftritt Wilfried Willkers: Unter Hierfür muss der Stelle eine Projekt- projekt festhalten und die Rahmenbe- der Internetadresse www.willkernet.de skizze vorgelegt werden, die neben ei- dingungen, die für das Lernen notwen- hat Willker, Projektleiter bei der Deut- ner formalen und einer inhaltlichen dig sind, festschreiben. schen Telekom während der Entwick- Planung auch Angaben zum organisa- Nach der Abgabe der Dokumentation lung des ITWS, eine lesenswerte, pri- torischen Umfeld, zum Beispiel dem des betrieblichen Projektes steht die vate Informationsseite über das ITWS Arbeitsplatz, enthält. mündliche Prüfung, die aus einer ins Netz gestellt. Für die Betreuung während der Wei- Präsentation der eigenen Arbeit und Folgende Bedingungen müssen ange- terbildung müssen ein Fachberater und einem anschließenden Fachgespräch hende IT-Spezialisten nachweisen, um ein Lernprozessbegleiter gefunden und mit den Prüfern besteht. Nach der er- die Zulassungsvoraussetzungen für benannt werden. Die Unterstützung ei- folgreichen Prüfung erhält der IT-Spe- die Zertifizierung zu erfüllen: nes Fachberaters, der möglichst aus der zialist sein Zertifikat. Fünf Jahre später - einen berufsqualifizierenden Ab- eigenen Firma kommen sollte, ist eine steht dann die Rezertifizierung an, in schluss in einem Beruf des IT-Bereichs obligatorische Anforderung im Apo- der der IT-Spezialist dokumentieren - oder einen berufsqualifizierenden Konzept. Fachberater sollten das muss, dass er sich in der Zwischenzeit Abschluss in einem sonstigen Beruf fachliche Know how und die Kom- aktiv um seine Kompetenzerhaltung – und danach eine mindestens einjährige munikationsfähigkeit mitbringen, um zum Beispiel durch regelmäßige Wei- Berufspraxis im IT-Bereich den Lernenden auf Wunsch zur Seite terbildungen – bemüht hat. 4
IT-Weiterbildungssystem spiegeln sich die im Vergleich zu den Vor- einem innerbetrieblichen Qualifizierungs- ITWS“, resümiert Stephan Pfisterer und schusslorbeeren, die das System bei seinem projekt in aller Regel auf die Hilfe eines Bil- nennt Berufsprofile, die häufig im System Start bekam, realistischeren Erwartungen dungsunternehmens angewiesen. auftauchen: Absolventen der IT-Ausbil- an das System wider. Danilo Kurpiela, Mitarbeiter der Zertifizie- dungs- und Elektroberufe, IT-Fachkräfte oh- rungsstelle Cert-IT, schätzt den Anteil der ne beruflichen Abschluss sowie Hochschul- Arbeitslose sind außen vor Selbstständigen an den Prüfungsteilneh- absolventen der Informatik (siehe Interview). Realistischer werden inzwischen auch die mern auf 15 Prozent. Arbeitslose schaffen Um mehr Weiterbildungs-Interessierte und Möglichkeiten für Selbstständige und Ar- den Sprung in das System dagegen meist auch Personalchefs in den Unternehmen der beitslose eingeschätzt, in das System ein- nicht, da die Bundesagentur für Arbeit ins- IT-Branche für das ITWS zu begeistern, ist zusteigen. APO findet nun einmal im Be- besondere bei der Förderung längerfristiger neben professionellem Marketing auch eine trieb selbst statt, und deshalb sind Selbst- Kurse kräftig spart. Straffung der Systemstrukturen nötig. Um ständige und Arbeitslose auf der Suche nach „Beschäftigte sind die Hauptzielgruppe des den Sinn von APO-Weiterbildungen all- gemein verständlich zu kommunizieren, ist, da sind sich alle Beteiligten einig, eine zen- trale Beratungsstelle notwendig. Momen- tan ist noch das Gegenteil der Fall: Im Inter- Weiterbildungskosten net zum Beispiel gibt es eine Reihe von Por- talen unterschiedlichen Zuschnitts, die zum Wenig Förderung für schafft es nur eine Minderheit der Teil- ITWS beraten. Dort wird oft deutlich, dass IT-Spezialisten nehmer, ihre Weiterbildung von A bis Z das ITWS ein akademisches Projekt ist: Die Die Frage nach der Dauer und den Kos- ohne fremde Hilfe zu organisieren. In Portale machen eher den Eindruck, sich an ten einer APO-Weiterbildung zum IT- der Regel sind sie aber auf die Hilfe ei- Bildungsexperten als an Weiterbildungs-In- Spezialisten ist nicht eindeutig zu be- ner Bildungsfirma oder auch eines frei- teressierte zu wenden. antworten. Dafür sind die Qualifikatio- beruflichen Coaches angewiesen. Mo- Straffung der Strukturen meint noch etwas nen im IT-Weiterbildungssystem zu in- mentan bieten 20 bis 30 solcher Bil- anderes: Der Weiterbildungsprozess von der dividuell gestrickt: So hängen zeitliche dungsdienstleister ihre Leistungen für Anmeldung bei der Zertifizierungsstelle bis und monetäre Bedingungen zum Bei- IT-Spezialisten an (vgl. Marktübersicht). zur Erlangung des Zertifikats soll in Zukunft spiel von den Vorkenntnissen des Teil- Neben der Vorbereitung auf die Prü- weniger bürokratisch ablaufen. Die bei den nehmers, dem angestrebten Spezialis- fungen und die Weiterbildung ergän- Teilnehmern umstrittene begrenzte Dauer tenprofil und dem ausgewählten Pro- zenden Seminaren konzentrieren sie einer Personenzertifizierung bleibt nach jekt im Unternehmen ab. sich in aller Regel auf die Vermittlung Auskunft des Kibnet aber bestehen. Besser Insgesamt stehen den Weiterbildungs- eines Lernprozessbegleiters, der häufig haben es da die Professionals, deren Ab- teilnehmern maximal 24 Monate für – im Gegensatz zu den fachlichen Be- schlüsse unbegrenzt gültig sind. die Zertifizierung zur Verfügung. In gleitern – nicht aus dem eigenen Un- Attraktiver machen könnte das ITWS auch der Praxis dauern APO-Weiterbildun- ternehmen stammt. Allein die Kosten die geplante Vergleichbarkeit der ITWS- gen dem Vernehmen nach 12 bis 18 für einen Lernprozessbegleiter werden Qualifikationen mit Hochschulabschlüssen. Monate. auf 3 000 bis 4 000 Euro geschätzt. Obwohl von Anfang an vorgesehen und un- Ebenfalls schwer zu schätzen sind die Da angehende IT-Spezialisten im Ge- ter dem Motto „Vom Azubi zum Master“ Kosten einer APO-Weiterbildung. Von gensatz zu den IT-Professionals nicht beworben, hatten Absolventen des ITWS vornherein kalkulierbar sind immerhin per Meisterbafög gefördert werden bislang keinen Zugang zu Bachelor- oder die Preise der beiden Zertifizierungs- und die Bundesagentur für Arbeit ge- Masterabschlüssen. Dieser fehlende Bau- stellen Cert-IT und gps-cert. Cert-IT ver- rade bei längerfristigen Qualifizierun- stein im System soll nun in Modellprojekten langt zum Beispiel für eine Gesamtprü- gen kräftig spart, gibt es derzeit kaum mit den Universitäten Darmstadt und fung 1 000 Euro plus Mehrwertsteu- öffentliche Förderung für die Erlan- Braunschweig entwickelt werden. er; eine Wiederholung der Prüfung gung eines Spezialistenprofils. So müs- wird extra berechnet. Für die Rezertifi- sen die Weiterbildungsteilnehmer die Beurteilung zierung, die Auffrischung der Prüfung, Kosten entweder selbst tragen oder noch nicht möglich die alle fünf Jahre fällig ist, müssen 700 sich die finanzielle Unterstützung ihres Angesichts dieser Neuerungen, die in den Euro plus Mehrwertsteuer gezahlt wer- Unternehmens sichern. Selbstzahler kommenden Monaten eingeführt werden den. Die Preise der anderen Zertifizie- können sich immerhin ihre Ausgaben sollen, ist eine abschließende Beurteilung rungsstelle, gps-cert, sind nahezu über die Steuererklärung zurückholen: des ITWS kaum möglich. Sicher ist jedoch, gleich. Die vollständigen Preislisten fin- Ausgaben für eine Weiterbildung im dass das System eine lohnende Alternative den Sie auf den Websites der Zertifizie- eigenen Beruf, eine Umschulung oder für Weiterbildungs-Interessierte sein rungsstellen im Internet. für ein Zweit-, Aufbau- oder Ergän- kann: Im Hinblick auf das pädagogische Doch die Prüfung deckt noch lange zungsstudium können voll als Wer- Konzept mit seinem ganzheitlichen Ansatz nicht alle Kosten einer APO-Weiterbil- bungskosten abgesetzt werden. (Einbettung in den Betrieb, Realisierung dung ab. Nach Auskunft von Cert-IT und Dokumentation eines Projektes mit fachlicher Beratung und Lernprozessbeglei- 5
IT-Weiterbildungssystem tung sowie hohem Selbstlernanteil) ist das dungen gemacht haben, leichter fallen, ih- und die Kosten. Insofern dürften Beschäf- ITWS mit keiner anderen Weiterbildungs- ren Chef vom Sinn einer solchen Qualifizie- tigte in großen Firmen bessere Chancen ha- möglichkeit vergleichbar. rung zu überzeugen. Denn für die Unter- ben, eine Qualifizierung im ITWS zu bekom- Aufgrund des hohen organisatorischen Auf- nehmen lohnen sich APO-Weiterbildungen men. Abhängig vom Unternehmen bleiben wands dürften es Mitarbeiter in Betrieben, wohl nur, wenn mehrere Mitarbeiter sich sie allemal: Ohne das OK des (Per- die bereits Erfahrung mit APO-Weiterbil- weiterbilden. Das verringert den Aufwand sonal-)Chefs geht gar nichts im ITWS. Interview – Spürbarer Aufwärtstrend Welche der insgesamt 29 existieren- Wie sieht diese Zielgruppe Ihrer den Spezialistenprofile werden be- Erfahrung nach genau aus? sonders nachgefragt? An erster Stelle stehen die Absolventen Deutschlands Stärken liegen in den Be- der IT-Berufe und Quereinsteiger, die reichen Software, Service und Beratung, bisher noch über keinen IT-spezifischen während die Hardware-Fertigung an Abschluss verfügen. Aber die Palette ist Boden verliert. Daher werden die Profile breit gestreut: Auslerner der E-Technik- für Administratoren, Developer, Pro- Berufe gehören ebenso dazu wie Studi- jektkoordinatoren oder IT-Trainer stär- enabbrecher unterschiedlichster Fach- Stephan Pfisterer sieht das IT-Weiterbil- ker nachgefragt als Hardware-orientier- richtungen. Selbst Absolventen der In- dungssystem (ITWS) nach schleppendem te Profile, die so genannten Technicians. formatikstudiengänge bilden sich mit- Beginn auf dem richtigen Weg. Im Jahre Allerdings könnte die Nachfrage euro- unter zum IT-Spezialisten weiter, um 2005 sei, so der Projektleiter Kibnet päischer Firmen an IT-Spezialisten die methodisches und prozessorientiertes (Kompetenzzentrum IT-Bildungsnetz- Gewichte noch verlagern. Airbus hat Know how zu erwerben. Das hat auch werke) des Bitkom, die Nachfrage nach zum Beispiel konkret Interesse ange- uns überrascht, ist eigentlich aber folge- Arbeitsprozessorientierten Weiterbil- meldet. Auch Unternehmen in Mittel- richtig: Hochschulen bilden traditionell dungen (APO) stark gestiegen. und Osteuropa sind potenzielle Arbeit- eher theorieorientiert aus und vernach- Das IT-Weiterbildungssystem (ITWS) ist geber für IT-Spezialisten. lässigen den Praxis- und Projektbezug. drei Jahre nach seinem Start selbst in der Der Ansatz der Arbeitsprozessorientier- Der wird aber in den Unternehmen drin- IT-Branche nicht immer ein Begriff. ten Weiterbildung (Apo) birgt für gend gebraucht. Dementsprechend gering nehmen sich Selbstständige und Arbeitslose die Was sollte noch geschehen, um das die Teilnehmerzahlen aus. Woran liegt Schwierigkeit, ein Qualifizierungspro- ITWS besser und bekannter zu ma- das und wo sehen Sie das ITWS ge- jekt am Arbeitsplatz, also in einem Un- chen? genwärtig? ternehmen zu organisieren. Muss von Es gibt in vielen Bereichen Nachholbe- Das ITWS hat eine längere Anlaufphase dem Anspruch abgerückt werden, darf. So werden zum Beispiel voraus- gebraucht, das ist richtig. Derzeit haben ein System für Arbeitnehmer, sichtlich bis Herbst 2006 die Spezialis- wir 500 IT-Spezialisten im System. Aller- Selbstständige und Arbeitslose zu tenprofile überarbeitet. So wie es aus- dings sehen wir einen erhöhten Bedarf: schaffen? sieht, werden es dann weniger als 29 Im ausgehenden Jahr sind die Teilneh- Dieser Anspruch hat nie bestanden. Das sein. Ein ganz wichtiger Punkt ist das merzahlen erheblich gestiegen, und wir ITWS ist vor allem ein Konzept zur Per- Thema Marketing: Wir müssen die Mar- hoffen, dass wir eine Zahl von 1 000 bis sonalentwicklung, das einen Arbeits- ke „APO-IT“ und das Projekt „IT-Weiter- 1 500 Absolventen pro Jahr erreichen platz voraussetzt. Sicherlich lassen sich bildung“ klarer kommunizieren. Aber werden. Teile einer APO-Weiterbildung in einer auch dann gilt: Es wird nie so sein, dass Ein Grund für diese Anlaufphase war Laborumgebung abbilden. Aber in der man in Apo einsteigt wie in einen ge- zum Beispiel, dass die größeren Unter- IT-Branche sind zum Beispiel Budgetkür- wöhnlichen Fernlernkurs. Deshalb muss nehmen eine Zeit lang gebraucht ha- zungen, sich ändernde Kundenwünsche man marketingorientiert denken und ben, um geeignete Kandidaten für die oder technische Probleme bei der Imple- den Menschen die Vorteile des Systems Lernprozessbegleitung zu finden und mentierung einer neuen Software all- nahe bringen. Wir brauchen ein ganz diese dann auch dementsprechend zu täglich. Das sind alles Dinge, die in der griffiges Kommunikationskonzept, das schulen. Dass sich dieser Weg auszahlen klinischen Umgebung eines Seminarrau- darüber informiert, was das ITWS ist, kann, zeigt das Beispiel Deutsche Tele- mes nicht vorkommen. Uns geht es um was es bringt und was es kostet. Wir kom: Sie hat mit ihrem Weiterbildungs- nachgewiesene Handlungskompetenz. brauchen weniger bildungspolitische programm zum Lernprozessbegleiter Deshalb stehen die Beschäftigten im Fo- Grundsatzdiskussionen und mehr pro- den „Deutschen Arbeitgeberpreis für kus; sie sind die Hauptzielgruppe des duktorientiertes Denken. Bildung 2005“ erhalten. ITWS. 6
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