Burn-out in der IT-Arbeit vermeiden!
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TECHNIK + MITBESTIMMUNG ARTIKELREIHE: WOHLBEFINDEN BEI DER BÜRO- UND PC-ARBEIT – TEIL 8 Burn-out in der IT-Arbeit vermeiden! Manuel Kiper // BTQ Niedersachsen HIER LESEN SIE: ó trotz niedrigem Krankenstand ist die gesundheitliche Situation in der IT-Branche alarmierend ó Forschungsprojekte versuchen, für die besondere Belastungssituation und gesundheitsschonende Pausen- und Zeitreglements bei IT-Projekten zu sensibilisieren ó Gesundheitsförderungsprojekte sind erst in 20 % der IT-Unternehmen etabliert, können aber sehr zur Zufriedenheit und zum Unternehmenserfolg beitragen Die IT-Branche ist – trotz der „Image-Delle“ 2001 im Rahmen der Krise der „New Economy“ – eine wachstums intensive Schlüsselbranche. IT-Arbeit heißt in der Regel Projektarbeit unter Termindruck und mit widersprüch- lichen Anforderungen. Die Arbeit findet häufig mobil und beim Kunden statt. Müssen Kundenwünsche erfüllt werden, ohne dass die Bearbeiter über die nötigen Ressourcen verfügen, entstehen Probleme – auch für die Gesundheit. Erst in jüngster Zeit ergeben sich bei den IT-Beschäftigten verstärkte Wahrnehmung und Ausein andersetzungen mit diesen gesundheitlichen Belastungen und Auswirkungen. Dies hängt nicht nur mit der wachsenden Arbeitsplatzunsicherheit zusammen, sondern auch damit, dass die vormals „junge“ IT-Branche im Durchschnitt älter wird. Seit Herbst 2007 läuft deshalb das Großpro- Arbeitsunfähigkeits-(AU)-Tage sich fast hal- Immer mehr Menschen leiden an psy- jekt „Präventiver Gesundheitsschutz in der biert hat. Der Schwerpunkt des letztjähri- chischen Störungen, Depressionen, Angst- IT-Branche“. Es wird gefördert von der Euro- gen Gesundheitsreports 20082 der Techni- störungen oder psychosomatischen Erkran- päischen Union und vom Bundesministe- ker Krankenkasse (TK) behandelt vor diesem kungen. rium für Bildung und Forschung (BMBF). Hintergrund das Thema „Psychische Stö- Die Analyse der Daten aus dem ambu- Das Projekt wird durchgeführt vom rungen“. Mehr als 20 % der Erwerbsfähigen lanten ärztlichen Bereich zeigt, dass psy- Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung leiden unter Depressionen oder reagie- chische Erkrankungen deutlich häufiger und Politikberatung (RISP) an der Univer- ren auf Fehlbelastungen mit psychischen vorkommen als es die bisherigen Auswer- sität Duisburg-Essen1 in Kooperation mit Krankheiten. 2006 war deshalb jeder siebte tungen der Krankschreibungen und Arz- dem Berufsfortbildungswerk des DGB (bfw) Betroffene arbeitsunfähig, so der aktuelle neimittelrezepte vermuten ließen. Jeder Ruhr. Diverse IT-Firmen sind ebenfalls Ko Gesundheitsbericht der TK. Sechs von sie- fünfte Patient wird mit einer psychischen operationspartner. ben Betroffenen leiden zwar unter psychi Diagnose beschieden. schen Erkrankungen, nehmen dann aber Burn-out greift wohl Medikamente und gehen weiter zur Risikofaktoren Arbeit. um sich Der Gesundheitsreport 2007 der Bar- in der IT-Branche Burn-out und die Zahl von psychischen mer Ersatzkasse beziffert den Prozentsatz Ganz allgemein ist heute in der Gesund- Störungen haben seit Mitte der 90er Jahre psychischer Erkrankungen mit 14,4 % aller heitsforschung unbestritten, dass Führungs- gesamtgesellschaftlich stark zugenommen. Erkrankungen. Auch der BKK-Gesundheits- kräfte Mitverantwortung für den Kranken- Die hieraus resultierende Arbeitsunfähig- bericht aus dem ersten Quartal 20083 unter- stand im Unternehmen haben. Die Barmer keit hat sich seitdem nahezu verdoppelt, streicht, dass psychische Erkrankungen Ersatzkasse widmete diesem Umstand während die Zahl der durchschnittlichen besonders stark zugenommen haben. sogar ihren Gesundheitsreport 2007.4 16 Computer und Arbeit 10/2009 www.cua-web.de – CuA-Passwort bis 20.11.2009: „Cloud”
TECHNIK + MITBESTIMMUNG „Als hoher Risikofaktor für Burn-out auf sie unter dem bundesweiten AU-Durch- FRISCH GELESEN… Seiten der Organisation“, so auch schon schnitt von 3,3 % und erheblich unter den ältere Forschungsergebnisse5, zeigt sich AU-Raten z. B. in der Abfallwirtschaft oder ó In der September-Ausgabe der Fach- das Fehlen von Partizipationsmöglich- Altenpflege. zeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb“ keiten in der Arbeit. Beschäftigte, die an Gesundheitliche Belastungen der dreht sich alles um die im nächsten Jahr ihren Arbeitsplätzen nur geringe Möglich- Beschäftigten in der IT-Branche erfasst anstehenden Betriebsratswahlen. keiten besitzen, sich zu beteiligen und ihre dennoch systematisch auch ein Demo- Denn eine Wahl zu organisieren, ist Ideen einzubringen, haben demnach ein grafieprojekt des Instituts für Arbeit und eine besondere Herausforderung, wie 3,5-fach erhöhtes Risiko des „Ausbrennens“ Qualifikation (IAQ) an der Universität Duis- jeder Wahlvorstand und Wahlhelfer im als Beschäftigte mit großen Partizipations- burg-Essen.7 Dieses Institut untersucht seit „Superwahljahr 2009“ bestätigen kann. möglichkeiten. Jahren schon u.a. die gesundheitliche Bela- Das Schwerpunktheft liefert dazu mit Ein belastendes Sozialklima bzw. ein stung der Beschäftigten im IT-Bereich. zwölf aktuellen Fachartikeln eine solide belastendes Vorgesetztenverhalten ver- Nach Angaben der IAQ-Projektleiterin Dr. Grundlage. So beantwortet CuA-Beirats- größert das Risiko um den Faktor 1,8 bzw. Anja Gerlmaier sind hoher Arbeitsdruck und mitglied Ralf-Peter Hayen u. a. die FAQs, 1,5. Ähnlich verhält es sich mit den beiden unzureichende Erholung bei der Projektar- also die häufigsten Fragen, die sich im nächsten Merkmalen: Eine geringe sozi- beit die Ursachen dafür, dass IT-Fachleute Vorfeld so ziemlich jeder Betriebsrats- ale Unterstützung durch den Vorgesetz- häufiger als andere Berufsgruppen von wahl stellen und gibt einen Überblick ten bedeutet ein 2,3-fach, ein wenig ausge- Stress und Burn-out betroffen sind. Dem- über die wichtigsten arbeitsgericht- prägter mitarbeiterorientierter Führungsstil nach verzichten 67 % der Projektmitarbei- lichen Entscheidungen, die seit den letz- ein 2,5-fach erhöhtes Burn-out-Risiko. ter immer oder oft bei Überlast auf Pausen, ten Wahlen ergangen sind. Nach dem neuesten TK-Gesundheits- 55 % schränken für den Job ihre Freizeitakti- bericht ist eine ganze Branche besonders vitäten ein, weitere 29 % tun das zumindest ó Die Fachzeitschrift „gute Arbeit“ hat anfällig: die IT-Branche. Wer in der Informa- manchmal. Weit über dem Durchschnitt in ihrem Heft 8-9/2009 ebenfalls ein inte- tionstechnologie arbeitet, ist bis zu viermal sind sie auch von Schlafstörungen betrof- ressantes Thema des Monats: Arbeits- häufiger von psychosomatischen Beschwer- fen. schutz und Normung. Bekanntlich den betroffen als der Durchschnitt der Zudem ist Wissensarbeit besonders ist in unserem Lande alles genormt. Beschäftigten in Deutschland. alternskritisch, wenn es darum geht, ver- Von Normen hängt es zu guten Tei- Nach dem TK-Gesundheitsreport liegt schiedene Aufgaben gleichzeitig im Auge len auch ab, ob Maschinen und Geräte der Gebrauch von Antidepressiva bei IT- zu behalten, bei der Arbeit gestört zu wer- am Arbeitsplatz sicher sind. Insofern Beschäftigten um 60 % und der von Psy- den oder Termin- und Leistungsdruck aus haben Normung und Gesundheits- chopharmaka um 91 % höher als im Durch- zuhalten. Zusammengefasst aus Sicht der schutz im Betrieb sehr viel miteinan- schnitt aller Beschäftigten. Die Gesund- Arbeitsforschung des BMBF liegen die der zu tun. Es ist also wichtig, Einfluss auf heitsprobleme reichen von chronischer gesundheitlichen Risiken in der IT-Branche den Inhalt von Normen zu nehmen. Dies Müdigkeit, Nervosität, über Schlafstö- „im Belastungsdreieck von Bewegungsman- gilt vor allem auch für die noch relativ rungen bis hin zu Magenbeschwerden. gel, Fehlernährung und Stress“. 8 neue Nanotechnologie, deren Standar- 40 % der Befragten zeigten zudem eine Einen möglichen Grund für zunehmende disierung und Regelung noch ganz am Zunahme chronischer Erschöpfung. Dies gesundheitliche Probleme von IT-lern sieht Anfang steht. kann ein erstes Anzeichen für das Burnout- auch das RISP-Forschungsprojekt in der Ein weiterer Beitrag beschäftigt sich Syndrom sein. Projektarbeit der Informatiker. IT-Beschäf- mit dem Thema: Krank zur Arbeit. Er Kaum verwunderlich, denn IT-Kräfte füh- tigte würden meist in mehreren parallel lau- ergänzt sehr schön den CuA-Schwer- len sich in mehreren Bereichen unter Druck: fenden Projekten arbeiten. Dabei komme es punkt „Dunkle Wolken über der IT- kleinteilige Arbeit, das Bearbeiten mehrerer zu widersprüchlichen Arbeitsanforderun Abteilung“ in diesem Heft. Vier von fünf Projekte gleichzeitig sowie der permanente gen, die als belastend erlebt werden. Außer- Beschäftigten sind danach schon einmal Fortbildungsdruck stehen hier an erster dem bekämen immer mehr Kunden verein- krank zur Arbeit gegangen. Ein Grund Stelle. 30 % haben deshalb auch Probleme barungsgemäß einen unmittelbaren Zugriff dafür ist die Angst um den Arbeitsplatz, sich zu erholen. Repräsentative Befragun auf die IT-Mitarbeiter. Die Arbeit bei den die in der Krise zunimmt. Ausschlagge- gen zeigen, dass 72 % der IT-Beschäftigten Kunden schränke die Kommunikation mit bend sind aber auch schlechte Arbeits- unter Müdigkeit, 58 % unter Nervosität und dem Betrieb ein. Der Vorgesetzte sei meist bedingungen und mieses Führungsver- 31 % unter Magenschmerzen leiden. Im weit weg. halten. Durchschnitt der Beschäftigten sind dies Als einen weiteren möglichen Grund nur 17, 21 bzw. 11 %.6 nennt das Institut neue Managementkon- Bestellhinweis Was den Krankenstand anbelangt, ist die zepte: IT-Beschäftigte würden häufig nur Einzelexemplare der hier genannten Zeit- schriften können bestellt werden bei : IT-Branche eine der scheinbar Gesündesten. noch einzelne Module und nicht mehr Bund-Verlag – Leserservice, 60424 Frankfurt/M. , Mit einer AU-Rate von 2,75 % (2007) liegt übergreifende Prozesse bearbeiten. Zudem fon 069 795010-71, abodienste@bund-verlag.de www.cua-web.de – CuA-Passwort bis 20.11.2009: „Cloud” Computer und Arbeit 10/2009 17
TECHNIK + MITBESTIMMUNG Gesundheitsförderung. Zum Teil gibt es Anti-Stress-Tipps der IG Metall für IT-Experten bereits gute Ansätze im Gesundheitsma- ó Das Zeit-Management sollte mehr Puffer zum Erholen und persönliche Entwicklung nagement der Unternehmen. geben. Aber das heißt nicht: mehr arbeiten in kürzerer Zeit. Um diese im Sinne einer nachhaltigen ó Das richtige Verhältnis zwischen Erledigen und Aufschieben ist wichtig. So werden Gesundheitsförderung weiterzuentwickeln, Arbeitsunterbrechungen verringert. muss Gesundheitsförderung zu einem inte- ó Der Biorhythmus gibt die richtigen Arbeitszeiten vor: Konzentrieren kann man sich gralen Bestandteil der Unternehmenspo- am besten morgens zwischen neun und zwölf Uhr. Nachmittags sinkt die Leistungs- litik werden. Zwei Ansatzpunkte sollten fähigkeit auf 60 %. Ab 15 Uhr steigt sie kurzfristig wieder. Also: Den Morgen möglichst dabei im Zentrum stehen: „Schlüsselfigur nicht mit Meetings verplempern. Führungskraft“ und „Ressource Team“. ó Wenn diese Tricks nicht helfen, hilft bei Überlastung nur noch der Gang zum Chef: Denn Führungskräfte sind gesundheitlich Dafür alles auflisten, was erledigt werden muss, und wer es übernehmen könnte. besonders stark belastet – und gerade an ihnen hängt die so wichtige Führungskul- ˘ www.igmetall-itk.de tur in den Unternehmen. Und eine funk- tionierende, positiv erlebte Teamgemein- müssten sie vereinbarte Ziele bei einer trauenskultur, ist im Zuge des Kulturwan- schaft erweist sich als zentrale Ressource, stärkeren Kunden- und Marktorientierung dels der Branche unter Druck geraten. um Belastungen aufzufangen und zu kom- selbst organisiert erreichen. Immer öfter stehen Leidenserfahrungen in pensieren. Schließlich habe sich die Leistungsbeur- der Arbeit im Zentrum der Schilderungen. Tipps, wie dem Stress beizukommen ist, teilung verschärft: Dies fördere die Tendenz, Noch schlägt sich diese Tendenz nicht in gab die Arbeitspsychologin Dr. Anja Gerl- die Arbeitszeit auszuweiten und die Arbeit wachsenden Fehlzeiten nieder, doch es gibt maier vom IAQ auf der 2. Jahrestagung des zu intensivieren. Hinzu kommen nach Warnsignale: Langfristige Erkrankungen Projekts „Gesund alt werden in der IT-Wirt- Ansicht des RISP zwei neue Unsicherheiten: sind auf dem Vormarsch, besonders psy- schaft” (Präventiver Arbeits- und Gesund- “Früher galten IT-Arbeitsplätze als sicher. Das chische und psychosomatische Krankheits- heitsschutz 2020) Anfang Dezember in ist heute nicht mehr der Fall. Genauso wie bilder wie Depressionen, Burn-out oder Tin- Aachen: Die Zeit besser einteilen, Arbeit die Arbeitslosigkeit selbst ist die Angst vor nitus. Viele Beschäftigte haben die Grenzen schlauer organisieren und wenn nötig: Auf- der Arbeitslosigkeit ein eminent belasten- ihrer Belastbarkeit erreicht. gaben abgeben.10 der Faktor.“ Und: „Der demografische Wan- „Die Leistungen sinken nicht, wenn man del erreicht auch die IT-Branche – und trifft Verstärkte Gesundheits- die Überlastung wegnimmt, sondern sie dort auf eine Unternehmenskultur, die auf werden besser“, so Gerlmaier. ‚Jugendlichkeit’ eingerichtet ist. Innerhalb förderung Wolfgang Hien hat kürzlich eine Studie dieser Kultur gelten Ältere dann vielfach als Bei einem Transferworkshop Ende Novem- mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stif- ‚Low Performers’ oder ‚Auslaufmodell’“. ber 2008 in München unter dem Motto tung zum Thema Älterwerden und Gesund- Wissenschaftler aus dem Institut für „Herausforderung Gesundheitsförderung: heit in der IT-Branche11 unter 45- bis 65-jäh- Sozialwissenschaftliche Forschung Mün- Bedarfe und Practices in der IT“ 9 suchten rigen Informatikern abgeschlossen. Nach chen (ISF) haben im Forschungsprojekt Wissenschaftler aus dem ISF und dem Insti- seinen Ermittlungen sind „ältere IT-Fach- DIWA-IT zahlreiche Tiefeninterviews mit tut für Arbeit und Qualifikation in Gelsen- kräfte aktiver und agiler als ihr Ruf; anderer- Beschäftigten in der IT-Industrie sowie mit kirchen (IAQ) gemeinsam mit Unterneh- seits sind sie sich ihrer bedrohten Lage voll betrieblichen Experten geführt. mens- und Belegschaftsvertretern von SAP, bewusst.“ Sie nähmen die enormen Bela- „Sie gehen wirklich auf einem ganz Software AG und T-Systems Antworten auf stungen ihrer beruflichen Arbeit sehr viel schmalen Grat am Abgrund, psychisch, phy- die Fragen: bewusster wahr als ihre jüngeren Kollegen. sisch“ – diese Aussage eines Beschäftigten ó Wie können Unternehmen und Beschäf- Allerdings sagen nach den Erhebungen in einem IT-Unternehmen gibt den einhel- tigte rechtzeitig auf die sich abzeichnenden des Projekts DIWA-IT bereits etwa 30 % der ligen Tenor wieder: Die Belastungen haben Gefahren reagieren? IT-Beschäftigten im Durchschnittsalter von in den letzten Jahren deutlich zugenom- ó Welche Ansatzpunkte und Chancen gibt 36 Jahren, ihre Arbeit sei auf Dauer nicht men, der Stress in der Arbeit droht die leib- es für eine nachhaltige Gesundheitsförde- auszuhalten. liche und seelische Gesundheit zu untergra- rung? Wolfgang Hien plädiert aufgrund seiner ben. Unternehmen und Betriebsräte, die Untersuchungen für eine „neue Arbeitskul- Vor allem eine Tendenz bewerten die diese Gefahr frühzeitig erkannt haben tur“, ein Zulassen vermehrter Freiheitsgrade Forscher als bedenklich: Was die Beschäf- (darunter SAP, Software AG und T-Systems), und erweiterter Handlungsspielräume, das tigten oft für ausgedehnte Arbeitszeiten arbeiten gemeinsam mit den Wissenschaft- Fördern von Eigenständigkeit, Kreativität und Arbeit unter Stress- und Termindruck lern des ISF und des IAQ sowie den Beratern und neuen Wegen, Respekt vor den bio- entschädigt hat, nämlich die Teamgemein- aus dem Büro „Moderne Arbeitszeiten“ an grafischen Kompetenzen und den persön- schaft und die positive Führungs- und Ver- Konzepten zur nachhaltigen, präventiven 18 Computer und Arbeit 10/2009 www.cua-web.de – CuA-Passwort bis 20.11.2009: „Cloud”
TECHNIK + MITBESTIMMUNG lichen Besonderheiten älter werdender geschult, die Arbeit in mehreren Projekten tungen und Beanspruchungen besser zu Menschen. gleichzeitig deutlich reduziert, Ruhearbeits- bewältigen. In einem diesbezüglichen Memoran- plätze und eine Oase zur Entspannung ein- Bei SAP in Walldorf ist betriebliche dum12 haben Vertreter verschiedenster gerichtet. Mitarbeiter treffen sich jetzt zum Gesundheitsförderung breit gefächert. Forschungseinrichtungen und des BKK- Tee, gehen im Park spazieren oder machen Angeboten werden Familienservice, Bundesverbandes beklagt, dass 82 % der IT- Kurzpausen am Fußballkicker.13 24-Stunden-Kümmerer, Firmensport-Pro- Firmen über kein systematisches betrieb- Ein offensichtlich erfolgreiches Instru- gramm und eigene Fitnessräume, Gesund- liches Gesundheitsmanagement verfügen ment der Stressbewältigung wurde auf heitstage mit Krankenkassenunterstützung, und auch ein solches nicht planten. Aus der Novembertagung 2008 von DIWA-IT flexible Arbeitszeitregelung, individuelles Sicht dieser Experten fehle es „an prakti- kablen Managementstrategien für alterns- „Die Leistungen sinken nicht, gerechte Laufbahngestaltung.“ wenn man die Überlastungen wegnimmt, sondern Um Burn-out zu vermeiden, müssten IT- sie werden besser.” Unternehmen „flexible Arbeitszeiten und Tätigkeits- und Positionswechsel entlang erwerbsbiografischer Anforderung nach in München vorgestellt: Schulung an einer Coaching, Gesundheits-Checks (mit Well- Kompetenzentwicklung und Work-Life- Stressampel. Mit dieser lernen IT-Beschäf- ness-Berichten für die Mitarbeiter) und Balance vorsehen“. Mit anderen Worten: tigte, Stresssymptome wie Ohrengeräusche, andere Angebote. In jedem Stockwerk gibt je nach Kompetenz und Lebenssituation Magenschmerzen usw. in ihrer Ursächlich- es eine attraktive Pausenzone. Daneben müssten angemessene Aufgaben und Posi- keit und Wertigkeit im körperlichen Gesund- spielen Burn-out-Prävention und Work- tionen angeboten werden. heitsgeschehen einzuschätzen. Life-Balance15 eine große Rolle. Es gibt u. a. Der Betriebsrat der Infineon-Zentrale in eine interne Krisen- und Konfliktberatung, Best Practice-Ansätze in München kümmert sich z. B. seit 2008 ver- Kinderbetreuung, Eltern-Kind-Büros, indi- stärkt um das Thema „Work-Life-Balance“. viduelle Beratung zu Themen wie Elternzeit, diversen Firmen Vor kurzem wurde im Betriebsrat ein neuer Rückkehr in den Beruf, Babyplace, Elternver- Wo viel Schatten ist, ist auch irgendwo gesonderter Ausschuss gebildet, der sich ein, Vermittlung von Tagesmüttern, Haus- Licht. Eine Reihe von Firmen der IT-Bran- vorrangig mit der Vereinbarkeit von Beruf haltshilfen, Pflegepersonen, internationa- che haben die Probleme erkannt und ver- und Privatleben beschäftigt. Nach Auskunft les Familienfest, Ombudsman, Kultur- und stehen und entwickeln sich zu Leuchttür- der Interessenvertretung wurde dieser Aus- Sportinitiativen. men betrieblicher Gesundheitsförderung. schuss notwendig, weil die zunehmenden Bei SAP helfen Work-Life-Balance-Work- Bei Beiersdorf AG in Hamburg (BSS) wurde Leistungsanforderungen ohne einen adä- shops16 für Einzelpersonen, Führungskräfte im IT-Bereich seit 2001 ohne Grenzen gear- quaten Ausgleich nicht mehr bewältigt wer- und ganze Abteilungen bei der Selbstorga- beitet, so dass Arbeitszeitkonten mit bis zu den können.14 nisation und vermitteln den Teilnehmern 400 Stunden und Kreislaufzusammenbrü- Ganz besonders wichtig scheint für IT- Techniken und mentale Einstellungen, um che resultierten. Beschäftigte aber ein intelligentes Pausen- den Berufsalltag besser meistern und Stress Die Betriebsräte mussten zunächst die Management zu sein. Gerade unter starker bewältigen zu können. Dabei wird indivi- Belegschaft für den Gesundheitsschutz sen- Belastung bedeutet eine aktive Kurzpau- duell auf die persönlichen Bedürfnisse und sibilisieren. In Workshops wurden Mitarbei- sengestaltung nicht nur höhere Produkti- Lebensrhythmen der Mitarbeiter Rücksicht ter und Führungskräfte in Fragen von Stress vität, sondern hilft vor allem auch, Belas genommen. Forbit www.cua-web.de – CuA-Passwort bis 20.11.2009: „Cloud” Computer und Arbeit 10/2009 19
TECHNIK + MITBESTIMMUNG Die Arbeit an der Verbesserung der eige- akuten Fällen wie Erkrankungen des Kindes 4 www.barmer.de/barmer/web/Portale/Unterneh mensportal/Gesundheit_20im_20Unternehmen/ nen Work-Life-Balance beginnt mit der wird Rücksicht genommen: Kollegen über- GesundheitPublik/Gesundheitsreport/2007__ Bilanz der aktuellen persönlichen Situa- nehmen dann auf Zuruf die wichtigsten Gesundheitsreport,property=Data.pdf 5 Wieland/Klemens/Scherrer/Timm: Moderne IT- tion und mündet in zielgerichtete Verän- tagesaktuellen Aufgaben. Arbeitswelt gestalten - Anforderungen, Belastun derungsvorschläge, die auf Wunsch profes- Insgesamt herrscht bei ConSol ein fami- gen und Ressourcen in der IT-Branche (Veröffentli- sionell begleitet werden. Nach einem Jahr lienfreundliches Klima: Zu Sommerfest und chungen zum Betrieblichen Gesundheitsmanage- ment der TK, Bd. 4, 2004) werden die erreichten Ergebnisse mittels Weihnachtsfeier werden immer auch die 6 Latniak/Gerlmaier: Zwischen Innovation und alltäg- Feedbackbogen evaluiert. Familien eingeladen, wobei auch für die lichem Kleinkrieg - Zur Belastungssituation von IT- Beschäftigten, IAT-Report 2006-04, Gelsenkirchen Die Work-Life-Management-Seminare Kinderbetreuung gesorgt wird. 7 Projekt: „Demografischer Wandel und IT-Beschäfti- werden durch einen externen Anbieter gung (DIWA-IT)“, www.diwa-it.de; vgl. H. Uske: Wel- che gesundheitlichen Problemfelder der IT-Branche werden zurzeit diskutiert? ITG-Arbeitspapier 1/08, www.uni-due.de/~sx0172/downloads „Für IT-Beschäftigte ist es aufgrund der Arbeitssituation oft 8 Ciesinger/Klatt/Siebecke: Präventiver Arbeits- und schwierig, Freundesbeziehungen zu pflegen, Partnerbeziehungen Gesundheitsschutz in diskontinuierlichen Erwerbs- verläufen – Neue Konzepte betrieblicher und einzugehen oder Kindern gerecht zu werden.” individueller Gesundheitsprävention in der Wis- sensökonomie (pragdis), www.pragdis.de/data/gfa_ pragdis_vortrag.pdf durchgeführt. Ein „health documentation Work-Life-Balance kann aber noch viel 9 IT-Industrie: Gesundheit hängt am seidenen Faden; Transferworkshop des Projekts DIWA-IT disku- system” (hedos) unterstützt die Teilneh- mehr sein, als Arbeitszeitfreiräume zu orga- tiert Ergebnisse zur Gesundheitssituation in der IT- mer dabei, ihre Maßnahmen zu dokumen- nisieren. So können die Mitarbeiter bei Industrie, Pressemitteilung des ISF München vom 27.11.2008 tieren, auszuwerten und ihre Trainingspla- ConSol über spezielle Firmen-Mailinglisten 10 A. Gerlmaier: Gesund alt werden in der IT-Wirt- nung einzuhalten. gemeinsame sportliche Aktivitäten am Fei- schaft - neue Befunde und Handlungsbedarfe, www.zlw-ima.rwth-aachen.de/forschung/projekte/ Auf der SiFa-Tagung 2008 der Metallbe- erabend koordinieren. Die Teilnahme am starg/download/tagung_2008/Gerlmaier_Gesund_ rufsgenossenschaften VMBG in Lengfurt Münchener Firmenlauf sorgt ebenso für alt_werden_in_der_IT.pdf wurde über die Erfahrungen in einer sehr Ausgleich, wie die Aktion „Mit dem Rad zur 11 W. Hien: „Irgendwann geht es nicht mehr“ - Älter- werden und Gesundheit in der IT-Branche, VSA-Ver- autoritär geführten Softwareentwicklungs- Arbeit“. lag 2008; vgl. Nur für kurzen Einsatz programmiert, firma mit 120 Mitarbeitern berichtet: Solche Work-Life-Balance-Maßnahmen Böckler Impuls 4/2008 12 Memorandum Jahrestagung 2008 des Förder- Innerhalb von 14 Monaten hatten 21 werden immer wichtiger. schwerpunkts Präventiver Arbeits- und Gesund- Angestellte das Unternehmen verlassen, Für IT-Beschäftigte ist es aufgrund der heitsschutz „Innovationsfähigkeit stärken – Wett- bewerbsfähigkeit erhalten“, www.pragdis.de/xd/ das Betriebsklima war extrem schlecht, die Arbeitssituation oft besonders schwierig, public/content/index.html?pid=6 Arbeitsplatzbedingungen waren unzurei- Freundesbeziehungen zu pflegen, Part- 13 H.-J. Bossow: DIWA-IT Newsletter 2, 9/2008 14 www.igmetall-itk.de/index.php?article_id=980 chend, der Krankenstand lag bei 7,2 % – mit nerbeziehungen einzugehen oder Kindern 15 Weitere Informationen bei W. Bachmaier: einem extrem starken Anstieg vor allem der gerecht zu werden. Health&Diversity, w.bachmaier@sap.com Langzeiterkrankten. Mit intensivem Coa- Insofern ist es erfreulich, dass die Son- 16 Gut gerüstet für anspruchsvolle Aufgaben: Der Softwarehersteller SAP unterstützt seine Beschäf- ching und Verhaltenstraining der gesam- derauswertung des DGB-Index Gute Arbeit tigten beim Umgang mit psychomentalen Belas ten Führungsebene verbesserte sich der 200719 feststellen konnte, dass im IKT-Sek- tungen, www.inqa.de/Inqa/Navigation/Themen/ stress,did=220998.html Arbeitszufriedenheitsindex der Beschäf- tor überdurchschnittlich viele Beschäftigte 17 www.bg-metall.de/fileadmin/downloads/Tagungs- tigten innerhalb eines Jahres im Mittelwert (42 %) von betrieblichen Maßnahmen zur ergebnisse/SiFa_2008/01_Gesundheitsmanage ment_-_Vortrag_von__Herrn_Fiebig.pdf von 3,8 auf 2,6.17 Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie 18 Work-Life-Balance – Erfolgsformel für zufriedene Beim Münchner IT-Unternehmen ConSol und Beruf berichten (im Durchschnitt der und hochmotivierte Mitarbeiter bei ConSol Soft- ware, www.inqa.de/Inqa/Navigation/Gute-Praxis/ versucht man bei betrieblichen Entschei- Branchen nur 34 %). datenbank-gute-praxis,did=190786.html dungen wie Dienstreisen oder Auslandsein- 19 Die Arbeitsqualität im IKT-Sektor aus Sicht der sätzen, immer auch die individuelle private Autor Beschäftigten, Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit 2007 Situation des Mitarbeiters zu berücksichti- Dr. Manuel Kiper ist Technologie- und Arbeits schutzberater bei der BTQ Niedersachsen, Donner- gen.18 schweer Straße 84, 26123 Oldenburg, fon: 0441 82068, Flexible Arbeitszeiten und ein flexibler kiper@btq.de, www.btq.de Arbeitsort durch die Möglichkeit der Telear- Fußnoten beit sind eine wichtige Voraussetzung, um 1 www.uni-duisburg.de/Institute/RISP die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben 2 www.tk-online.de/centaurus/generator/tk- online.de/b01__bestellungen__downloads/11__ zu erleichtern. So können Eltern in Teilzeit betriebl__gesundheitsmanagement/gesundheit weiterarbeiten, Paare in der Elternzeit sich report__2008/gesundheitsreport-2008-nav.html sogar einen Arbeitsplatz teilen. Darüber 3 Seelische Krankheiten prägen das Krankheits- geschehen, BKK-Gesundheitsreport 2008: www. hinaus wird versucht, Eltern bei der Gestal- bkk.de/ps/tools/download.php?file=/bkk/psfile/ tung der Arbeitszeit und -modalitäten weit- downloaddatei/50/WEB_Gesund4925340e8b23a .pdf&name=WEB_Gesundheitsreport2008_kom gehend entgegenzukommen. Auch bei pletter%20Report.pdf&id=1103&nodeid=1103 20 Computer und Arbeit 10/2009 www.cua-web.de – CuA-Passwort bis 20.11.2009: „Cloud”
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