Arktis und Antarktis - mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten?
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FACT SHEET DAS AKTUELLE WISSEN ZUM THEMA: Arktis und Antarktis – mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten? Die Globalisierung und der Klimawandel begleiten die staatlichen Akteure rücken. Die Bedeutung der Arktis Entwicklung der Welt in den letzten Jahrzehnten. Auch zeigt sich z. B. in den Aktivitäten der Russischen Fö- die Polarregionen werden sowohl vom Klimawandel als deration in ihrer „Ausschließlichen Wirtschaftszone“ auch von der Internationalisierung der Politik und Wirt- (AWZ).3,4 Die russische Staatsduma verabschiedete im schaft erfasst. Im Folgenden wird eine Zusammenfas- März 2020 wirtschaftliche Zielsetzungen in der Arktis, sung der Entwicklung der beiden Polarregionen gegeben welche auf Industrialisierung und Nutzung der natürli- sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten dargestellt. chen Ressourcen abzielen. Auch China richtet seine na- tionalen Interessen auf den Raum der Arktis, führt mit Russland Verhandlungen über den Ausbau einer polaren Was ist der geopolitische Rahmen der Polarregio- Seidenstraße und erhofft sich von der Investition wirt- nen? schaftliche Vorteile.5 Die Formen der politischen Steuerungsmechanismen in den Polarregionen erfuhren im 20. Jahrhundert ei- nen beachtlichen Entwicklungsschub.1 Während der Ordnungsrahmen im Raum des Südpolargebietes durch Abbildung oben: Karte der minimalen Meereisausdehnung am den Antarktis-Vertrag von 1959 geregelt wurde, steht 15. September 2019 in der Arktis (links). Zum Vergleich sind die das Nordpolargebiet als einer der Hotspots der Klimaer- Langzeitmittel der minimalen Eisausdehnung im September in wärmung vor komplexeren politischen Machtkonstella- der Arktis (gelb) und maximalen Eisausdehnung im März in der tionen.1,2 Das Abschmelzen von Meereis in arktischen Arktis (rot) gezeigt. Karte der maximalen Meereisausdehnung am Gewässern ermöglicht neue Schiffsverbindungen und 26. September 2019 in der Antarktis (rechts). Zum Vergleich sind Zugang zu bisher unerschlossenen Mineral-, Öl- und die Langzeitmittel der minimalen Eisausdehnung im März in der Gasressourcen. Somit lassen die Klimaveränderungen Antarktis (rot) und maximalen Eisausdehnung im September in der die Arktis in den Fokus geostrategischer Interessen der Antarktis (gelb) gezeigt. Quelle: meereisportal.de
net und trat am 23. Juni 1961 in Kraft.7,6 Deutschland ist heute mit 54 anderen Vertragsstaaten Mitglied. Mit diesem Vertrag bleiben die Antarktis und die Meeres- gebiete südlich des 60. Breitengrades ausschließlich der friedlichen Nutzung und der internationalen Ko- operation, besonders im Bereich der wissenschaftli- chen Forschung, vorbehalten. Jegliche militärischen Handlungen und die Lagerung radioaktiven Abfalls sind verboten, die Geltendmachung von nationalen Gebiets- ansprüchen ist untersagt. Historisch betrachtet geht die Unterzeichnung des Antarktis-Vertrags auf das In- ternationale Geophysikalische Jahr von 1957 bis 1958 zurück.7 Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Staaten in der Antarktis-Forschung trieb die staatlichen Akteure zur institutionellen Ausgestaltung der interna- tionalen politischen Steuerung im Südpolargebiet an. Das Ergebnis war die Gründung des wissenschaftlichen Ausschusses für Antarktisforschung (SCAR), welcher Meereis in der Arktis. (Foto: Stefan Hendricks/AWI) die Forschungsarbeiten im Raum der Antarktis fördert. Das arktische Gegenstück, das Internationale Arktische Wissenschaftskomitee (IASC), wurde 1990 gegründet. Die Rechtsgrundlage für die Klärung der territorialen Angelegenheiten im arktischen Raum und zur Nutzung der arktischen Gewässer bildet das Seerechtsüberein- Wie relevant ist die Polarregion für die Sicherheits- kommen der Vereinten Nationen (SRÜ). Das 1982 un- politik? terzeichnete Abkommen ist ein multilateraler Vertrag und trat am 16. November 1994 in Kraft.1,6 Bis heute Das Nordpolargebiet ist Gegenstand der internationalen haben 167 Staaten den Vertrag ratifiziert, jedoch bisher Politik und besitzt hohe sicherheitspolitische Bedeu- nicht die USA. Das SRÜ teilt die Ozeane, inklusive der tung. Die Rolle der Arktis in der internationalen Sicher- arktischen Gewässer, in verschiedene Meereszonen, in heitspolitik lässt sich in den historischen Ereignissen welchen die Anrainerstaaten bestimmte Hoheitsrechte zurückverfolgen: Während des Zweiten Weltkrieges war in festgelegtem Umfang ausüben dürfen. die norwegische Stadt Narvik Schauplatz der Kämpfe um die Hegemonie im Nordatlantik.8 Die sicherheitspo- Der Arktische Rat ist das wichtigste institutionelle zwi- litische Dimension bewahrte ihre Aktualität über den schenstaatliche Forum in der Arktis-Politik. Er umfasst Zweiten Weltkrieg hinaus und war durch eine bipolare die acht Anrainerstaaten: Kanada, Königreich Däne- Ordnung zwischen den USA und der Sowjetunion ge- mark, Finnland, Island, Norwegen, Russische Föderation, prägt. Die Arktis als kürzeste Verbindung zwischen den Schweden und die Vereinigten Staaten von Amerika. Die USA und der Sowjetunion spielte in der Zeit des Kalten Vertreterorganisationen der indigenen Bevölkerungs- Krieges eine strategisch wichtige Rolle in der Abschre- gruppen sind permanent Teilnehmende. Nicht-Anrainer- ckungstaktik der beiden Mächte. Die russische Halbinsel staaten, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen Kola war Stationierungslager für circa 25 Prozent des können Beobachterstatus beantragen.1 Historisch be- sowjetischen Nuklearwaffenarsenals, während die USA trachtet geht die Entstehung des Arktischen Rates u. a. in den 1960er-Jahren Militärbasen in Grönland ausbau- auf die Murmansk-Rede 1987 von Michail Gorbatschow te.8 Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts verlagerte zurück. Das Nordpolargebiet sollte seiner Vision zufolge sich die Bedeutung der Arktis von einer sicherheitspo- als eine Zone des Friedens für die Menschheit aufrecht- litischen Arena hin zu einem Ort multilateraler Koope- erhalten werden (mehr Informationen in den Factsheets ration.9 Bis heute existiert kein multilaterales Gremium, „Governance in der Arktis “ und „Arktischer Rat “).7 das sich ausdrücklich mit Sicherheitspolitik in der Arktis befasst. Auch wenn das Risiko eines militärischen Kon- Das rechtliche Regelwerk für politische Aktivitäten der flikts in der Arktis gering ist, bringen die Klimaverände- staatlichen und nichtstaatlichen Akteure im Südpolar- rungen in der Region potentielle Konfliktgefahren mit gebiet wird durch den Antarktis-Vertrag festgelegt. Der sich.10 Vertrag wurde am 1. Dezember 1959 durch Argentinien, Australien, Belgien, Chile, Frankreich, Großbritannien, Ja- Im Gegensatz dazu konnte eine Militarisierung der Ant- pan, Neuseeland, Norwegen, Südafrika, die Sowjetunion arktis durch den Antarktisvertrag verhindert werden. In und die Vereinigten Staaten von Amerika unterzeich- den dort verankerten und geregelten gegenseitigen In-
spektionen wird streng darauf geachtet, dass keinerlei militärische Aktivitäten an den nationalen Antarktissta- tionen und Infrastrukturen stattfinden.7 „Ich blicke mit Skepsis auf die Polarregion als einen separaten Teil der politischen Ordnung. Wie sieht die Lage der arktischen indigenen Völker Meiner Ansicht nach ist die Ark- aus? tis ein Teil des internationalen Systems, der durch drei Fakto- Das Nordpolargebiet bleibt bis heute ein zentraler Le- ren beeinflusst wird: die politi- bensort für indigene Bevölkerungsgruppen. Nördlich des sche Systemebene, die geogra- Polarkreises lebt eine Population von etwa 400.000 indi- phischen Gegebenheiten und genen Einwohnern, welche sich aus mehr als 30 Völkern die Technologieentwicklung.“ zusammensetzt. Durch ihre Jahrtausende zurückreichen- Dr. Rasmus Gjedssø Bertelsen / UiT The Arctic Universi- de Besiedlungsgeschichte und ihre kulturelle Identität in ty of Norway. (Foto: Michael Morreau) der Arktis kommt den indigenen Bevölkerungsteilen hohe politische Bedeutung zu. Im Arktischen Rat genießen die indigenen Bevölkerungsgruppen einen Sonderstatus als permanente Teilnehmende.1,11,9 Weiterhin werden durch den Klimawandel Möglichkei- ten für kommerziellen Fischfang in der Arktisregion er- öffnet. Schon seit einigen Jahren beobachten Meeres- Welche sozioökonomischen Aspekte sind in den Po- biologen, dass Fische aufgrund der Ozeanerwärmung larregionen von Bedeutung? verstärkt aus dem Atlantik oder Pazifik in den Norden ziehen. Im Dezember 2017 wurde von der EU, den Küs- Unsere Welt wird zu Beginn des 21. Jahrhunderts tenanrainerstaaten sowie China, Japan und Südkorea ein durch komplexe Verflechtungen e iner g lobalisierten rechtsverbindliches Abkommen unterzeichnet, welches Wirtschaft geprägt. Dies gilt angesichts der Klimaver- kommerziellen Fischfang jenseits der „Ausschließlichen änderungen auch für die Polarregionen. Sowohl das Wirtschaftszonen“ der Arktis-Anrainerstaaten verbie- Nord- wie auch das Südpolargebiet sind Ziele von kom- tet.14 Zunächst sollen wissenschaftliche Untersuchun- merziellen Interessen seitens staatlicher Akteure und gen Klarheit darüber verschaffen, welche Auswirkungen globaler Konzerne. Den Schätzungen des geologischen die Fischerei im Nordpolarmeer mit sich bringt. Dienstes der Vereinigten Staaten (USGS) zufolge lagern 22 Prozent der noch unentdeckten Erdöl- und Erdgas- Das Südpolargebiet unterscheidet sich in wirtschaftli- vorkommen nördlich des arktischen Polarkreises.6,12 cher Hinsicht wesentlich von der Arktis. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden Wale und Robben intensiv gejagt Neue Zugangsmöglichkeiten zu den Ressourcen der Ark- bis die Bestände soweit zurückgingen, dass sich eine tis führen dazu, dass das Nordpolargebiet zunehmend in kommerzielle Nutzung nicht mehr lohnte. Um den wei- die Aufmerksamkeit der Anrainerstaaten gerät. Die Rus- teren Raubbau an der Natur zu verhindern, wurden se- sische Föderation, Norwegen und Kanada tätigen hohe parate internationale Übereinkommen unter dem Dach Investitionen in den Ausbau der technischen Infrastruk- des Antarktisvertrages verabschiedet. Zum Schutz der tur für den Abbau der Rohstoffvorkommen.5 D arüber antarktischen Robben wurde 1972 die „Convention for hinaus geraten die Unternehmen aufgrund potentieller the Conservation of Antarctic Seals“ beschlossen. Die Er- Umweltbeeinträchtigungen der polaren Ökosysteme in haltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis wird der Arktis zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit, durch die 1980 gegründete „Convention on the Conser- weshalb Öl- und Gasbohrprojekte nicht selten zurückge- vation of Antarctic Marine Living Resources“ geregelt, zogen werden. unter der Fangquoten für Krill und Fischbestände fest- gelegt werden.6 Die Internationale Walfangkommission Neben dem erleichterten Zugang zu den Rohstoffen beschloss 1987 ein Moratorium für den kommerziellen in arktischen Gewässern ermöglichen die Klimaverän- Walfang und richtete Wal-Schutzgebiete im Indischen derungen durch das Abschmelzen des Meereises neue Ozean und Südpolarmeer ein. Für die Nutzung und Aus- Schiffsrouten: d ie Nordwestpassage e ntlang der k ana- schöpfung der mineralischen Rohstoffe in der Antark- dischen Küstengewässer wie auch die Nordostpassage tis wurde in den 1980er Jahren die „Convention on the entlang der sibirischen Arktisküste.13 Die Befahrung der Regulation of Antarctic Mineral Resource Activities“ arktischen Seepassagen ist an einige rechtliche Aufla- (CRAMRA) ausgehandelt.6 Dieses Übereinkommen wur- gen gebunden, welche als sogenannter Polarcode für de jedoch von keinem Land unterzeichnet - stattdessen die Schifffahrt in polaren Gewässern gelten (mehr Infor- vollzog die internationale Staatengemeinschaft einen mationen im Factsheet „Schifffahrt in der Arktis“).6 spektakulären Richtungswechsel und beschloss 1991
Ministerkonferenz des Arktischen Rats, Kiruna, Mai 2013. (Foto: Volker Rachold) ein spezielles Umweltschutzprotokoll zum Antarktis- nahme eines MPA im antarktischen Rossmeer, das mit vertrag, das 1998 in Kraft trat. Das Protokoll enthält die über 1,5 Mio. km2 eines der größten MPAs der Welt ist.12 umfangreichsten Umweltschutzregelungen, die jemals Leider wird die notwendige einstimmige Verabschie- für eine Region der Erde in einem internationalen Über- dung weiterer MPAs, wie z. B. der von deutschen Wis- einkommen erarbeitet wurden, und ist daher noch heute senschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausgearbeite- wegweisend. Es wurde bisher von 41 Staaten ratifiziert, te MPA-Vorschlag für das Weddellmeer, in den letzten die sich verpflichten, die Antarktis als ein Naturreser- Jahren zunehmend durch eine Interessensdivergenz der vat zu belassen, das dem Frieden und der Wissenschaft CCAMLR-Mitglieder erschwert. Während viele Mitglieder gewidmet ist, und die Antarktis als solches für die künf- MPAs als ein wichtiges Mittel zum Umweltschutz und tigen Generationen zu schützen. Neben der Forschung zum besseren Management anthropogener Aktivitäten sind im Geltungsbereich des Antarktisvertrags Fischerei bewerten, sehen andere Mitglieder in diesen MPAs eine (z. B. auf Krill) und Tourismus in reglementiertem Um- Gefahr für ihre Bestrebungen, die wirtschaftliche Nut- fang erlaubt.6 Das Umweltschutzprotokoll verbietet al- zung der antarktischen Ressourcen, insbesondere der lerdings jede Tätigkeit im Zusammenhang mit minera- Fischerei, zu intensivieren. lischen Ressourcen (mit Ausnahme wissenschaftlicher Forschung). Das Umweltschutzprotokoll besitzt noch Neben MPAs können unter CCAMLR auch Gebiete, an bis 2048 Gültigkeit und kann danach erneut verhandelt denen VMEs (vulnerable marine ecosystems) gefunden werden.7 wurden, kleinräumig für die Bodenfischerei gesperrt werden. Darüber hinaus gibt es noch einige unter dem Antarktisvertrag eingerichtete Antarctic Specially Pro- Welche rechtlichen Regelungen gelten bei der Ein- tected Areas (ASPA) und Antarctic Specially Managed richtung von Meeresschutzgebieten in der Antarktis? Areas (ASMA), die neben Landflächen auch kleine, küs- tennahe marine Gebiete umfassen.17 Unter dem Begriff Meeresschutzgebiet (engl. Marine Protected Area, MPA) versteht man marine Naturschutz- zonen für die Bewahrung der natürlichen Umwelt im je- Warum erwärmt sich die Arktis schneller als die Ant- weiligen Gebiet. Für die Schaffung und Ausgestaltung arktis? von Gebieten zum Schutz der empfindlichen und einzig- artigen Biodiversität und Ökosysteme im Südpolarmeer Die polaren Regionen der Erde sind im Jahresmittel durch ist die Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeres- eine negative Strahlungs- und entsprechende Wär- schätze in der Antarktis (Commission for the Conser- mebilanz gekennzeichnet, wodurch sie überwiegend vation of Antarctic Living Marine Resources, CCAMLR) schnee- und eisbedeckt sind. Jedoch hat sich die Arktis zuständig, die Bestandteil des Antarktisvertrag-Sys- in den letzten Jahrzehnten ungefähr doppelt so schnell tems ist und derzeit 26 Mitglieder hat.15,16 CCAMLR erwärmt wie der Rest der Erde, was auch als „Arktische verabschiedete in 2009 das weltweit erste Schutzge- Verstärkung“ bezeichnet wird.23 Ursache hierfür sind u. biet auf der Hochsee in den internationalen Gewässern a. sogenannte Rückkopplungsprozesse wie die Eis-Al- südlich der Süd-Orkney Inseln. In 2016 folgte die An- bedo-Rückkopplung, die z. B. durch den Rückgang des
Übersichtstabelle zur Charakterisierung von Arktis und Antarktis Arktis Antarktis Gemeinsamkeit der Befinden sich zwischen dem Nord- bzw. Südpol und dem dazugehörigen Regionen Polarkreis Interkontinentaler Ozean, der Zentralpolarer Kontinent, der vom Gebietsbeschreibung durch die Kontinente Amerika, Eu- südlichen Ring-Ozean umgeben ist.19 ropa und Asien begrenzt wird.18 66°33‘ nördliche Breite; definiert 66°33‘ südliche Breite; definiert durch als die geografische Breite, auf die geografische Breite, auf dem die Polarkreis der die Sonne zur Sommerson- Sonne zur Wintersonnenwende 24 nenwende 24 Stunden lang nicht Stunden vollständig hinter dem Hori- untergeht.19 zont verborgen bleibt.19 Kanada, Königreich Dänemark (Grönland), Finnland, Island, Anrainerstaaten / Norwegen, Russische Föderation, Ringozean Umgebung Schweden und die Vereinigten Staaten von Amerika Jahresdurchschnitts- -18°C -49,3°C temperatur (Land)19 Maximale Mächtigkeit / 4.897 m /11,9 Mio. km² (ohne Schelf- Ausdehnung der Eis- 3.200 m / 1,71 Mio. km² eise) schilde19 Mehrjährig, Einjährig, Meereis 2 m mittlere Dicke20 0,5 bis 0,6 m mittlere Dicke20 Nicht bewohnt; Temporäre Besiedlung circa 4 Mio. Menschen, davon circa durch 1.000 – 4.000 Wissenschaftler/ Besiedlung 10 % indigene Bevölkerung21 innen an insgesamt 85 Forschungs- stationen22 12.230 bekannte Tier- und Pflanzen- 21.500 bekannte Tier- und Pflan- arten zenarten Hoher Anteil endemischer Tier- und Rund 5 % der Gefäßpflanzenarten Pflanzenarten. sind endemisch. Flora & Fauna19 An Land: 1.600 An Land: 14.000 Im Wasser: 10.630 Im Wasser: 7.600 Beispiele: Pinguine, Robben, Wale Beispiele: Eisbären, Polarfüchse Überwiegend blütenlose Pflanzen Kräuter, Moose, Flechten (Moose, Flechten, Algen)
Shackleton-Schelfeis RO S S ME E R West-Schelfeis Ross-Schelfeis Getz- Schelfeis O st an tark t is che r W est an t ar kt ische r Amery-Schelfeis E iss chil d E iss c hil d AMUND S E NM E E R Abbot-Schelfeis Ronne-Schelfeis An ta rk t i sc h e Filchner-Schelfeis H al b in s el La r s en -S c h e lf e is is lfe he -S c sen Riis er- L a r F i mbu l - S c he lf e i s W E DDE L L ME E R Bohrposition Warmes Tiefenwasser Eisschelfwasser kaltes Schelfwasser Weddellmeertiefen- und -bodenwaser Fließgeschwindigkeit in Meter pro Jahr Wie die Wärme des Ozeans das Schelfeis angreift 10 100 1000 2000 Der Eispanzer der Antarktis liegt nicht überall auf festem Boden. An den Rändern des Kontinentes schieben sich die Eismas- sen Hunderte Kilometer weit auf das Meer hinaus. Diese schwimmenden Eiszungen werden Schelfeis genannt und bremsen bisher einen schnellen Abfluss des Inlandeises ins Meer. Je wärmer es aber in der Antarktis wird, desto häufiger versagt die Schelfeisbremse. Der Grund: Es bildet sich weniger Meereis. Infolgedessen sinkt der Salzgehalt und damit die Dichte des Wassers auf dem Schelf, wodurch warme Strömungen unter die Eiszungen gelangen und sie von unten schmelzen. (Quelle: Alfred-Wegener-Institut/Martin Künsting CC-BY 4.0) arktischen Meereises in Gang gesetzt wird. Das relativ Arktis generell eine deutliche Erwärmung beobachtet dünne, schneebedeckte Meereis in der Arktis ist das wird, steigen die antarktischen Temperaturen vorrangig ganze Jahr vorhanden. Aufgrund seiner hellen Oberflä- nur in der Westantarktis und entlang der Antarktischen che und seines hohen Rückstrahlvermögens (sog. Al- Halbinsel an. Die Entwicklung der Meereissituation in bedo) reflektiert es etwa 90 Prozent der einfallenden der Antarktis verläuft ebenfalls anders als in der Arktis Sonnenstrahlen. Durch die Erwärmung der Atmosphäre und ist z. T. regional und saisonal sehr unterschiedlich. nimmt die Eisbedeckung jedoch im Sommer kontinuier- lich mit etwa 12 Prozent pro Dekade ab und der dunkle Die Atmosphäre an der Antarktischen Halbinsel hat sich Ozean reflektiert nur noch 10 Prozent der Sonnenstrah- in den letzten 50 Jahren um über 2,5° C im Durchschnitt lung. Hierdurch erwärmt sich der Ozean, was zu einem erwärmt, was u. a. zum Zerfall einiger Teile des Lar- verstärkten Schmelzen der Meereisbedeckung führt. sen-Schelfeises und zu einem Rückgang des Meereises Darüber hinaus wird durch den vermehrten Transport im Westen der Halbinsel und vor allem in der Bellings- von Feuchtigkeit und Wärme in Richtung Norden die hausen- und Amundsensee geführt hat.24 Im gesamten Wärmebilanz der Arktis beeinflusst, was ebenfalls zur Weddellmeer nimmt das Meereis im Winter leicht ab, „Arktischen Verstärkung“ beiträgt.23 aber nicht im Sommer.25,26 Wichtig ist jedoch, dass es sehr große jährliche bis dekadische Schwankungen gibt, Grundursache für das stabile, kalte Klima der Antarktis und dass gerade in jüngster Zeit vermehrt Jahre mit sehr im Gegensatz zur Arktis ist, dass es ein eisbedeckter geringer Eisbedeckung aufgetreten sind. Mögliche Ursa- Kontinent ist, der vom Rest der Welt durch einen riesigen chen für diese regionalen Unterschiede sind Änderun- Ringozean getrennt wird. Durch das hohe Rückstrahl- gen in der Zirkulation der Atmosphäre und des Ozeans, vermögen und die enorme Mächtigkeit des Eisschildes die Wärme und Feuchtigkeit in die Antarktis transpor- herrscht ein extrem kaltes und trockenes Klima, das tieren. Während die Westantarktis starke Verluste des durch ein stabiles Hochdruckgebiet darüber geprägt Inlandeises verzeichnet, ist die Ostantarktis bisher we- ist. Hierdurch sinken in der Höhe einströmende, warme niger betroffen und verzeichnet sogar in einigen Gebie- Luftmassen über dem Eisschild ab, die dabei abkühlen ten durch erhöhte Schnee-Akkumulation einen leichten und als extrem kalte Fallwinde (sog. katabatische Win- Massenzutrag.27 de) in Richtung Ozean strömen und zur Meereisproduk- tion im offenen Meerwasser beitragen.19 Während in der
Welche Rolle spielen die Arktis und Antarktis für den Welchen Beitrag liefern Arktis / Antarktis zum Meeres- Ozean? spiegelanstieg? Die Bildung von Meereis in den Polarregionen beein- Der grönländische und der antarktische Eisschild spei- flusst die temperatur- und salzgetriebene Umwälz- chern die größten Mengen an Süßwasser auf der Erde.31 bewegung des Ozeans, die unter anderem die großen Die Eismassen der Antarktis und Grönlands würden Meeresströmungen auf unserem Planeten antreiben, beim Abschmelzen zusammen einen Meeresspiegelan- den tiefen Ozean durchlüften und für den vertikalen stieg von etwa 65 m weltweit auslösen, wobei in der Transport von Stoffen in der Wassersäule verantwort- Antarktis etwa achtmal mehr Wasser gespeichert ist als lich sind (thermohaline Zirkulation). Bei der Bildung von in Grönland.32,33 Der Beitrag Grönlands zum Meeresspie- Meereis verbleibt Salzsole im Ozean, die dazu führt, dass gelanstieg belief sich im Zeitraum von 1992 bis 2018 das Oberflächenwasser immer salziger und damit dich- auf insgesamt 10,8 mm, während der Antarktische Eis- ter wird und in die Tiefe absinkt. Durch das Absinken in schild zwischen 1992 und 2017 einen Anstieg von circa den hohen Breiten fließt Oberflächenwasser aus den 7,6 mm verursachte.34,35 niedrigeren Breiten nach, was einen Transport von war- mem Wasser in Richtung der Pole erst ermöglicht. Die Die Ursachen des Eisverlustes sind jedoch in beiden He- dichten Wassermassen in den polaren Ozeanen werden misphären unterschiedlich. In Grönland findet der Mas- je nach Region Nordatlantisches Tiefenwasser oder Ant- senverlust aufgrund von Oberflächenschmelze vorran- arktisches Bodenwasser genannt und sind die Antriebs- gig in den tiefliegenden Randlagen statt und weniger quellen der thermohalinen Zirkulation. Dieses globale durch den Abfluss durch Gletscher und Eisströme, die Förderband umspannt den ganzen Globus und bewirkt direkt in den Ozean kalben oder zunächst eine schwim- unter anderem, dass der Golfstrom warmes Wasser in mende Gletscherzunge nähren. Richtung Nordeuropa schickt. Doch erst einmal gebildet, wirkt das Meereis wie ein Isolator und unterbindet so Da in der Antarktis die Oberflächentemperaturen ganz- sehr effektiv den Wärmeaustausch zwischen dem wär- jährig niedrig sind, spielt das Schmelzen an der Ober- meren Oberflächenwasser und der kalten Atmosphäre.19 fläche kaum eine Rolle. Jedoch schieben sich große Schelfeisgebiete Hunderte Kilometer weit auf das Süd- Meereis spielt auch für das Schicksal der großen ant- polarmeer hinaus und verhindern, dass die Eismassen arktischen Schelfeise eine entscheidende Rolle. Auf aus dem Inneren der Antarktis ungebremst in die tiefer dem Kontinentalschelf des südlichen Weddellmeers gelegenen Küstenregionen fließen. Das bis zu 1.600 Me- bildet sich z. B. während der Herbst- und Wintermonate ter dicke Schelfeis liegt an den Rändern der Buchten und so viel Meereis, dass die dabei freigesetzte Salzmenge stellenweise auch auf Tiefseebergen und Inseln auf, die ausreicht, die Wassermassen vor und unter dem Filch- wie Bremskeile ein Weiterrutschen verhindern. Je wär- ner-Ronne-Schelfeis in eine Barriere aus sehr salzigem mer der Ozean aber ist, desto häufiger versagen diese und etwa minus 2 Grad Celsius kaltem Wasser umzuwan- Bremsmechanismen, wie sich derzeit vor allem in der deln.28 Diese Barriere schützt bislang das Schelfeis vor Westantarktis (z. B. Amundsensee, Antarktische Halb- dem Einstrom von +0,8 Grad Celsius warmen Wasser- insel) oder am Totten-Gletscher (Ostantarktis) zeigt.36,37 massen aus dem Randstrom des Weddellwirbels. Steigt nun im Zuge des Klimawandels die Lufttemperatur über dem südlichen Weddellmeer an, was eine Abnahme der Meereisbildung zur Folge hätte, könnte diese Dichtebar- riere zusammenbrechen, warmes Wasser aus dem Rand- strom in die Schelfeiskaverne eindringen und zu einem starken Schmelzen an der Basis des Schelfeises führen.29 Hierdurch würde der Abfluss von kontinentalen Eismas- sen in den Ozean beschleunigt und folglich der Meeres- spiegel signifikant ansteigen.30 Der Krokodil-Eisfisch hat sich durch die Entwicklung von Gefrier- schutzproteinen und den Verlust des roten Blutfarbstoffes an die frostige Kälte des Südlichen Ozeans in ganz spezieller Weise ange- passt. Dadurch würde er unter einer möglichen zirkumpolaren Erwär- mung des Südlichen Ozeans besonders leiden. (Foto: Julian Gutt und Werner Dimmler, MARUM/AWI)
Wie jede Masse auf der Erde üben auch das Inlandeis der 98 % mit kilomenterdickem Inlandeis bedeckt, weswe- Antarktis und Grönlands eine gravitative Anziehungs- gen die Hauptnahrungsquelle für die meisten Tiere der kraft aus. Durch das Abschmelzen und Kalben reduziert den Kontinent vollständig umgebende Südozean ist. In sich die Eismasse, ihre Schwerkraft sinkt und das Meer- den Polarregionen leben viele Arten, die nur hier vor- wasser wird weniger stark angezogen. Infolge sinkt der kommen und perfekt an die dort herrschenden, schein- Meeresspiegel in der Nähe der Eisschilde ab. Entfernt bar lebensfeindlichen Bedingungen angepasst sind. Da von den Eisschilden steigt der Meeresspiegel dafür sich die Arktis und Teile der Antarktis doppelt so schnell überproportional an. Projektionen bei unvermindertem erwärmen wie die restliche Welt, stehen die hochspe- CO2-Anstieg bis zum Jahr 2100 sagen einen Meeresspie- zialisierten Organismen und Lebensgemeinschaften gelanstieg durch das Schmelzen Grönlands von bis zu 89 beider Regionen aber unter einem besonders hohen An- ± 51 mm voraus. Diese sind für die Antarktis durch eine passungsdruck; denn durch den Klimawandel verändern Vielzahl von Faktoren sehr unsicher, zeigen aber einen sich die grundlegenden Umweltbedingungen in den bei- möglichen Beitrag von -70 mm bis +300 mm.38,39 den Polarregionen rasant, besonders in der Arktis und der Antarktischen Halbinsel. Können die extrem spezialisierten Ökosysteme den Das birgt für die dortigen Ökosysteme, Lebensgemein- Herausforderungen durch den Klimawandel stand- schaften und Organismen das Risiko, dass sie sich nicht halten? mit der notwendigen Geschwindigkeit an den rapiden Wandel anpassen können.41 Eine der augenfälligsten Obwohl in den polaren Regionen extreme Umweltbe- und ökologisch weitreichendsten Veränderungen ist dingungen, wie Kälte, Schnee, Eis und langanhaltende das Schwinden des Meereises, wodurch Arten ausster- Dunkelheit in den Wintermonaten, herrschen, bieten sie ben können, die auf diesen besonderen, typisch pola- erstaunlich vielen Arten einen Lebensraum, vor allem ren Lebensraum angewiesen sind. Außerdem wirkt sich in den Meeren. Vergleicht man beide Polargebiete, so dieser Verlust an polarer Biodiversität nicht nur auf die gibt es zwar etliche Gemeinsamkeiten, aber noch mehr Lebenszyklen einzelner Organismen, sondern auch auf wichtige Unterschiede.40 Während die Arktis über große, die gesamten marinen Nahrungsnetze aus. Zusätzlich gletscherfreie Tundrengebiete und weitläufige Flusssys- werden sowohl die marinen als auch terrestrischen Le- teme verfügt, die im Sommer ausreichend Biomasse pro- bensräume durch die steigenden Temperaturen und die duzieren, um auch große Pflanzenfresser zu ernähren, ist daraus resultierende polwärts gerichtete Verschiebung die Landmasse der Antarktis seit vielen Millionen Jahren der Verbreitungsgrenzen von Arten und Lebensgemein- und trotz des raschen Klimawandels auch heute noch zu schaften bedroht.42,43 Danksagung Impressum: Deutsches Arktisbüro am Alfred-Wegener-Institut Für ihre Beratung bei der Erstellung des FactSheet Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung möchten wir uns ganz herzlich bedanken bei: Prof. Ras- Telegrafenberg A45 mus Bertelsen von der Arctic University in Norwegen, 14473 Potsdam Prof. Julian Gutt, Dr. Stefan Hain, Dr. Hartmut Hellmer, Prof. Dieter Piepenburg, Dr. Ingo Sasgen (alle AWI). Klimabüro für Polargebiete und Meeresspiegelanstieg und Geschäftsstelle Helmholtz-Forschungsverbund REKLIM am Alfred-Wegener-Institut Kontakt zu den AWI Experten Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung Am Handelshafen 12 Dr. Volker Rachold 27570 Bremerhaven Tel: 0331 288-2212 Redaktion: Piotr Gorszewski (Praktikant), Anna Schultze (Prak- E-Mail: volker.rachold@arctic-office.de tikantin), Volker Rachold, Renate Treffeisen, Klaus Grosfeld (alle AWI / REKLIM) Dr. Renate Treffeisen Die Quellen finden Sie unter: https://www.arctic-office.de/de/publikationen/fact-sheets/ Tel: 0471 4831 2145 E-Mail: renate.treffeisen@awi.de Stand: August 2020 Mehr Informationen unter www.arctic-office.de
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