Artemisia absinthium und seine vielfältigen - Anwendungsmöglichkeiten Diplomarbeit - unipub
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„Wermut ist für alles gut“ – Artemisia absinthium und seine vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Naturwissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von Sabine Christine Daubner am Institut für Pflanzenwissenschaften Begutachterin: Ao.Univ-Prof. Dr.phil. Maria Müller Graz, 2021
Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Personen bedanken, die mich im Laufe meines Studiums und beim Verfassen dieser Diplomarbeit begleitet haben. Zuerst will ich mich ganz herzlich bei meiner Betreuerin Ao.Univ.-Prof. Dr.phil. Maria Müller bedanken, weil Sie mich einerseits mit Ihren fachlichen Ratschlägen und formalen Hilfestellungen bestmöglich während des Schreibens der Arbeit unterstützt hat und mich andererseits auch durch Ihre fröhliche Art und zuversichtlichen Worte immer wieder aufs Neue motiviert hat. Als nächstes möchte ich meinen Eltern, Karl und Christine, ein großes Dankeschön aussprechen, vor allem für ihre allumfassende Unterstützung und der Ermöglichung dieses Studiums. Ein herzliches Dankeschön gebührt meinem Freund Robert, nicht nur für das Korrekturlesen meiner Arbeit, sondern weil er mir in allen Lebenssituationen zur Seite steht. Besonders möchte ich ihm für seine humorvolle Art und die vielen aufmunternden Worte danken, womit er mich während des Studiums und beim Schreiben dieser Arbeit immer wieder aufbaute und ermutigte. Auch meinem Bruder, Michael, und meinem Neffen, Luis, sowie meinen Freundinnen und Freunden möchte ich für die gelegentlich bitter nötige Ablenkung und die vielen schönen gemeinsamen Momente danken. II
Kurzzusammenfassung Diese Diplomarbeit handelt von Artemisia absinthium, dem echten Wermut, der als Heil- und Gewürzpflanze schon seit Jahrtausenden eingesetzt wird. Am Beginn dieser Arbeit wird auf die Kulturgeschichte der Wermutpflanze eingegangen und ihre Bedeutung in der Naturheilkunde, Bibel, Mythologie und Tradition, sowie ihre Verwendung als Gewürzzusatz in alkoholischen Getränken beschrieben. Bezüglich des letzten Punktes wird vor allem die wechselhafte Geschichte des Absinths betrachtet. Anschließend erfolgt die Darstellung der systematischen Einteilung, der Synonyme und volkstümlichen Trivialnamen, sowie der Morphologie von Artemisia absinthium. Daraufhin werden die Wermutinhaltsstoffe und die wichtigsten vorkommenden Produkte des Sekundärstoffwechsels der Pflanze und ihre Wirkungen beschrieben. Der erste Hauptteil der Arbeit widmet sich den vielfältigen Anwendungsbereichen des Wermuts, diese beinhalten die Verwendung innerhalb der Phytotherapie und die Beschreibung des pharmakologischen Wirkprofils der Pflanze. Weiters wird die Anwendung in der Veterinärmedizin, Homöopathie und Kosmetikindustrie dargestellt, sowie der Anbau im eigenen Garten und der Einsatz als biologisches Pflanzenschutzmittel beschrieben. Im zweiten Hauptteil liegt das Augenmerk auf der biologischen Aktivität des Wermuts. Hier wird der aktuelle wissenschaftliche Forschungsstand zu den bioaktiven Eigenschaften von Artemisia absinthium vorgestellt und im Hinblick auf die traditionelle Verwendung als Heilpflanze und die beschriebenen Anwendungsgebiete überprüft. III
Abstract This thesis is about Artemisia absinthium, the true wormwood, which has been used as a medicinal and spice plant for thousands of years. At the beginning of this thesis, the cultural history of wormwood is portrayed and its importance in naturopathy, bible, mythology and tradition, as well as its use as a spice additive in alcoholic beverages is described. With regard to the last point, the eventful history of absinthe is pictured. Subsequently, the systematic classification, synonyms and popular trivial names, as well as the morphology of Artemisia absinthium are presented. Thereupon the wormwood constituents and the most important, occurring products of the secondary metabolism of the plant and their effects are described. The first main part of the thesis is devoted to the various applications of wormwood, including its use in phytotherapy and the description of the pharmacological profile of the plant. Furthermore, the application in veterinary medicine, homeopathy and cosmetics industry is described, as well as the cultivation in the own garden and the use as a biological plant protection agent. The second main part focuses on the biological activity of wormwood. Here, the current state of scientific research on the bioactive properties of Artemisia absinthium is presented and reviewed with regard to its traditional use as a medicinal plant and the areas of application described. IV
Inhaltsverzeichnis Einleitung……………………………………………………………………………………….……………. 1 1. Geschichte des Wermuts .............................................................................2 1.1 Naturheilkunde ................................................................................................................. 2 1.2 Bibel .................................................................................................................................. 5 1.3 Mythologie und Tradition ................................................................................................. 5 1.4 Wermut als Additiv alkoholischer Getränke..................................................................... 7 1.4.1 Wermutwein .............................................................................................................. 7 1.4.2 Absinth ....................................................................................................................... 8 2. Artemisia absinthium ................................................................................ 14 2.1 Systematische Zuordnung .............................................................................................. 14 2.2 Synonyme ....................................................................................................................... 14 2.3 Volkstümliche Trivialnamen ........................................................................................... 14 2.4 Etymologie ...................................................................................................................... 15 2.5 Herkunft und Vorkommen ............................................................................................. 15 2.6 Morphologie ................................................................................................................... 16 3 Inhaltsstoffe von Artemisia absinthium ...................................................... 18 3.1 Phytochemische Charakterisierung ................................................................................ 18 3.2 Ätherische Öle ................................................................................................................ 20 3.2.1 Thujon ...................................................................................................................... 21 3.3 Bitterstoffe...................................................................................................................... 23 3.3.1 Sesquiterpenlactone ................................................................................................ 24 3.4 Flavonoide ...................................................................................................................... 25 3.5 Gerbstoffe ....................................................................................................................... 26 4 Anwendungsgebiete von Artemisia absinthium.......................................... 27 4.1 Phytotherapie ................................................................................................................. 27 4.1.1 Erkrankungen des Verdauungstrakts ....................................................................... 28 4.1.2 Drogenportrait Wermutkraut (Absinthii herba) ...................................................... 31 4.2 Veterinärmedizin ............................................................................................................ 34 4.3 Homöopathie .................................................................................................................. 35 V
4.4 Zusatz in Kosmetika ........................................................................................................ 36 4.5 Verwendung als Gewürz ................................................................................................. 38 4.6 Wermut im Garten und im biologischen Pflanzenschutz ............................................... 39 5. Biologische Aktivität von Artemisia absinthium......................................... 43 5.1 Appetitanregende und verdauungsfördernde Wirkung................................................. 44 5.2 Antioxidative Eigenschaften ........................................................................................... 45 5.3 Hepatoprotektive und nephroprotektive Eigenschaften ............................................... 46 5.3.1 Leberschäden ........................................................................................................... 47 5.3.2 Wirkung bei Diclofenac-induzierter Vergiftung ....................................................... 48 5.4 Entzündungshemmende Wirkung .................................................................................. 49 5.4.1 Morbus Chron........................................................................................................... 50 5.5 Wirkung gegen Geschwüre............................................................................................. 51 5.6 Neuroprotektive Wirkung............................................................................................... 52 5.6.1 Schlaganfall .............................................................................................................. 52 5.6.2 Parkinson.................................................................................................................. 53 5.7 Diabetes .......................................................................................................................... 55 5.8 Brustkrebs ....................................................................................................................... 57 5.9 Wundheilung .................................................................................................................. 59 5.10 Antibakterielle Wirkung................................................................................................ 60 5.10.1 Wermut in Kombination mit Nanopartikel ............................................................ 61 5.10.2 Wirkung gegen biofilmbildende Bakterien ............................................................ 63 5.11 Antiprotozoale Wirkung ............................................................................................... 64 5.12 Anthelminthische Aktivität ........................................................................................... 65 5.12.1 Wirkung gegen Haemonchus contortus ................................................................. 65 5.13 Insektenabweisende und insektizide Wirkung ............................................................. 68 5.13.1 Wirkung gegen Chrysomya albiceps ...................................................................... 68 5.14 Wermut als Biostimulanz.............................................................................................. 70 6. Conclusio ……………………………………………………………………………………………….. 73 Literaturverzeichnis....................................................................................... 75 Darstellungsverzeichnis ................................................................................. 83 VI
Einleitung Seit dem Altertum wird Artemisia absinthium, der echte Wermut, als Heil-, Gewürz- und Ritualpflanze eingesetzt und gehört nach wie vor zu den bekanntesten und beliebtesten aromatischen Bitterpflanzen weltweit. Der Wermut wird vor allem wegen seiner appetit- und verdauungsanregenden Wirkung geschätzt und ist zudem heute noch ein wichtiges Gewürzadditiv alkoholischer Getränke, beispielsweise im Wermutwein oder im Absinthschnaps (Johann 2018: 11,27,40,70). Am Beginn dieser Diplomarbeit wird auf die Kulturgeschichte der Wermutpflanze eingegangen und ihre Bedeutung in der Naturheilkunde, Bibel, Mythologie und Tradition, sowie ihre Verwendung als Gewürzzusatz in alkoholischen Getränken beschrieben. Bezüglich des letzten Punktes wird vor allem die wechselhafte Geschichte des Absinths betrachtet. Anschließend erfolgt die Darstellung der systematischen Einteilung, der Synonyme und volkstümlichen Trivialnamen, sowie der Morphologie von Artemisia absinthium. Daraufhin werden die Wermutinhaltsstoffe und die wichtigsten vorkommenden Produkte des Sekundärstoffwechsels der Pflanze und ihre Wirkungen beschrieben. Der erste Hauptteil der Arbeit widmet sich den vielfältigen Anwendungsbereichen des Wermuts, diese beinhalten die Verwendung innerhalb der Phytotherapie und die Beschreibung des pharmakologischen Wirkprofils der Pflanze. Weiters wird die Anwendung in der Veterinärmedizin, Homöopathie und Kosmetikindustrie dargestellt, sowie der Anbau im eigenen Garten und der Einsatz als biologisches Pflanzenschutz- und Pflanzenstärkungsmittel beschrieben. Im zweiten Hauptteil liegt das Augenmerk auf der biologischen Aktivität des Wermuts. Hier wird der aktuelle wissenschaftliche Forschungsstand zu den bioaktiven Eigenschaften von Artemisia absinthium vorgestellt und im Hinblick auf die traditionelle Verwendung als Heilpflanze und die beschriebenen Anwendungsgebiete überprüft. 1
1. Geschichte des Wermuts Innerhalb der Pflanzengattung Artemisia, welche insgesamt 300 bis 500 gesicherte Arten umfasst, gibt es aufgrund ihres breit gefächerten Anwendungsspektrums viele Arten mit umfassender kulturhistorischer Relevanz. Die Pflanzenart Artemisia absinthium, der Echte Wermut, zählt weltweit zu den beliebtesten aromatischen Bitterpflanzen. Wegen seiner Bitterstoffe ist Artemisia absinthium seit jeher eine bedeutende Heilpflanze zur Behandlung von Appetitlosigkeit und Verdauungsstörungen. Weiters kommt der Wermut in vielen Rezepten von alkoholischen Heilelixieren vor und ist darüber hinaus ein Hauptbestandteil des legendären Kultgetränks Absinth. Die thujonhaltige Pflanze wird seit jeher symbolisch mit Bitterkeit und Traurigkeit assoziiert, wovon sich die Redensart vom sogenannten „Wermutstropfens“, der in einem schönen Erlebnis oder Erfahrung eine Spur von Bitterkeit und Traurigkeit hinterlässt, ableitet (Johann 2018: 11, 70ff). 1.1 Naturheilkunde Bereits im alten Ägypten wurde der Wermut als Heilpflanze eingesetzt und fand auch Verwendung in religiösen Zeremonien (Deans und Kennedy 2002: 80). Einer der frühesten Belege für die Verwendung von Artemisia absinthium als Heilpflanze findet sich im Papyrus Ebers, einem ca. 1600 v. Chr. zu datierendem, altägyptischem Schriftstück über Heilkunde. Die im Papyrus Ebers enthaltenen medizinischen Rezepte mit Wermut (ägyptisch Saam) dienten vor allem zur Behandlung von Erkrankungen des Verdauungsapparats. Die Wermutpflanze wurde dabei häufig neben Honig oder anderen Früchten Bier, Wein oder Milch beigemischt. Beschriebene Anwendungsmöglichkeiten für die medizinischen Wermutzubereitungen sind unter anderem als Abführmittel gegen Verstopfungen und als Wurmmittel, vermutlich gegen parasitische Würmer, wie Spulwürmer (Ascaris lumbricoides) und Bandwürmer (Taenia mediocanellata). Eingesetzt wurden die medizinischen Zubereitungen auf Wermutbasis auch um Gliederschmerzen und schmerzhafte Anschwellungen, wahrscheinlich gichtischer Natur, zu lindern, sowie bei Entzündungen im Analbereich. Darüber hinaus sind beschriebene Verwendungsmöglichkeiten beispielsweise als Mittel gegen Kopfschmerzen, Pflasterauflagen zur Unterstützung der Heilung bei Schürfwunden und zur Linderung des Juckreizes, bei Zahnproblemen, sowie zur generellen Stärkung von Nerven, Muskeln, Adern in jedem Körperglied (Papyrus Ebers). 2
Plinius Secundus Gaius (23-79 n. Chr.) nennt in seinen Schriften „Naturalis historiae“ bereits verschiedene Arten von Wermut. Dabei unterscheidet er nach Herkunftsorten den santonischen (benannt nach einer Völkerschaft in Gallien), den pontischen (benannt nach der Pontus Region) und den italischen Wermut. Die Wermutpflanze erlangte bei feierlichen Anlässen des römischen Volkes Bekanntheit, etwa im Rahmen des „Latinerfests“. Der Sieger des Wettrennens mit Viergespannen erhielt einen Wermuttrank, da es als Ehre galt, Gesundheit als Belohnung zu schenken. Es handelte sich dabei wahrscheinlich um einen Wermutwein, den Plinius als „absinthítes“ bezeichnete. Die Römer wussten um die stärkende Wirkung für den Magen, weshalb auch sie schon Wein mit Wermutsaft aromatisierten oder Wermutaufgüsse und -abkochungen in Wasser herstellten. Plinius beschreibt den abgekochten und eingedickten Saft des Wermuts als äußerst heilsam: „Denn er zieht den Magen zusammen und führt die Galle ab, wirkt harntreibend, erweicht den Leib und heilt ihn in seinem Schmerz, entfernt die Eingeweidewürmer und vertreibt Appetitlosigkeit und Blähungen mit Sesel und gallischer Narde, unter Zusatz von etwas Essig.“ Außerdem fand der Wermutsaft auch Anwendung zur Behandlung von Gelbsucht, Augenkatarrhen, Angina oder frischen Wunden. Mit Essig vermischt soll er gegen giftige Pilze wirksam sein, mit Wein sogar gegen den Schierling. Weiters soll er getrunken vor der Seekrankheit bewahren und unters Kopfkissen gelegt vermag der Geruch des Wermuts den erholsamen Schlaf zu fördern. Darüber hinaus wird ihm auch eine menstruationsfördernde Wirkung nachgesagt. Eingesetzt wurde der Wermut auch zur Abwehr von Kleidermotten und verbrannt soll der aromatische Rauch auch Schnaken vertreiben (Plinius Secundus Gaius). Auch Dioskurides (54-68 n. Chr.) beschreibt die Wirkungen und Anwendungsmöglichkeiten des Wermuts sehr ausführlich, meisten in Übereinstimmung mit Plinius. In seinem Werk „De materia medica“ beschreibt Dioskurides die wärmenden, adstringierenden und verdauungsfördernden Effekte des Wermuts. Ein Aufguss auf Wermutbasis diente zur Linderung von Blähungen, Bauch- und Magenschmerzen, sowie als Heilmittel gegen Appetitlosigkeit und Gelbsucht, wenn drei Becher täglich davon getrunken werden. Der Wermutaufguss soll getrunken die Menstruation fördern, mit Essig vermischt soll er ein gutes Mittel gegen die Wirkung von giftigen Pilzen sein und mit Honig und Natron vermischt ergibt er die beste Salbe gegen Schlundmuskelentzündungen. Die Wermutabkochung hilft ihm zufolge bei Ohren- und Zahnschmerzen, gemischt mit Wein und als Umschlag angebracht, dient er zur Linderung von Augen-, Unterleibs-, Leber- oder Magenschmerzen. Bei den zuvor 3
genannten Symptomen wurde in Propontis und Thrakien auch der sog. „Wermuthwein“ bei Fieberfreiheit eingesetzt. Dort galt der „Wermuthwein“, vor den Mahlzeiten eingenommen, als gesundheitsförderndes Mittel. Der Wermut mit Öl vermischt wurde als Salbe eingesetzt, um Mücken fernzuhalten und in den Schränken aufgehängt, um die Kleider vor Mottenfraß zu schützen. Wird der Schreibtinte ein Wermutaufguss zugesetzt, so sollen die Schriftstücke vor Mäusefraß geschützt werden (Dioskurides Pedanios). In den Schriften „Physica“ der Äbtissin Hildegard von Bingen (12. Jahrhundert) finden sich vielseitige, medizinische Anwendungsmöglichkeiten des Wermuts. Hildegard von Bingen sieht den Wermut als ein wichtiges Mittel, um Erschöpfungszustände zu meistern. Das Auftragen von warmem Wermutwein auf Kopf und Nacken soll Kopfschmerzen lindern. Wermutsaft gemischt mit Olivenöl und auf die Brust aufgetragen hilft gegen Husten, darüber hinaus auch bei Flankenschmerzen. Eine Salbe, bestehend aus Wermutsaft vermischt mit Hirschtalg und - mark, soll gegen Gicht helfen. Gegen Nierenleiden und für eine gute Verdauung wird die Einnahme von frisch gepresstem Saft der Wermutpflanze, versetzt mit Honigwein, täglich für den Zeitraum von Mai bis Oktober empfohlen. Dieses Getränk, alle drei Tage eingenommen, wird auch zur Verbesserung der körperlichen Gesamtkonstitution angeraten. Ausführlich beschrieben wird, wie mittels eines Kräutersuds auf Wermutbasis ins Ohr eingedrungene Würmer vertrieben werden können. Der aufsteigende Dampf wird dabei mithilfe eines Schilfrohres ins Ohr geleitet. Ein mit Wermut und Eisenkraut gekochter Wein soll getrunken gegen Zahnschmerzen helfen, zusätzlich wird empfohlen, die noch heißen Kräuter in ein Tuch zu gegeben und auf den Kiefer aufzulegen, um die Schmerzen auch von außen zu lindern. Wichtig festzuhalten wäre hier noch, dass manche Erkrankungen nicht deckungsgleich mit modernen Diagnosen sind. Hildegard von Bingen versteht beispielsweise unter der Gicht ein multidimensionales Leiden, dass mit heftigen Schmerzen in Gelenken und Weichteilen einhergeht, aber auch teilweise mit Lähmungen oder Bewusstseinsveränderungen verbunden sein kann. Mit Fieber ist bei ihr nicht eine erhöhte Körpertemperatur gemeint, sondern „dass der Mensch teilnahmslos ist und nach Luft ringt und langsam ist und Ekel vor Essen hat!“ (Hildegard von Bingen). In der europäischen Volksmedizin wurde Wermut als ein wichtiges gynäkologisches Mittel eingesetzt. Wermuttee galt als hilfreiches Mittel, um Menstruationsbeschwerden zu lindern und wurde darüber hinaus Müttern zum Abstillen empfohlen, weil die Muttermilch dadurch 4
bitter werden sollte. Ebenfalls wurde ein sehr starker Wermuttee als Abtreibungsmittel eingesetzt. Wermuttee diente aber auch zur Stärkung des Magens und der Verdauung, sowie zur Blutreinigung. In der Volksmedizin wurde er auch verabreicht bei Appetitlosigkeit, Ödemen, Gelbsucht, Leberleiden, Durchfall, Spulwürmern und gegen Depressionen. Äußerlich aufgetragen soll Wermutöl bei Husten und Bronchitis helfen und eine Einreibung mit Wermuttee oder -saft soll bei Milbenbissen, Insektenstichen, sowie bei Ohrensausen und Augenentzündungen wirksam sein. Wermutwein wird bei Appetitlosigkeit eingesetzt und vor allem zur Stärkung älterer Personen empfohlen (Achmüller 2012: 66). 1.2 Bibel Der Wermut findet in der Bibel mehrmalige Erwähnung und wird dort wegen seines bitteren Geschmacks sinnbildlich für Leid und Unrecht verwendet (Kogler 2008: 589). Im Alten Testament schreibt der Prophet Amos: „Weh denen, die das Recht in bitteren Wermut verwandeln / und die Gerechtigkeit zu Boden schlagen!“ (Am 5, 7) und „Rennen denn Pferde über die Felsen / oder pflügt man mit Ochsen das Meer? Ihr aber habt das Recht in Gift verwandelt / und die Frucht der Gerechtigkeit in bitteren Wermut.“ (Am 7, 12). Ein weiteres Beispiel befindet sich im neuen Testament in der „Offenbarung des Johannes“. Bei der Beschreibung der Apokalypse verwendet Johannes den Wermut als Metapher für Zerstörung und Bitterkeit. Nachdem der dritte Engel die Posaune bläst, fällt ein Stern vom Himmel und es steht geschrieben: „Der Name des Sterns ist Absinth – Wermut –. Ein Drittel des Wassers wurde Absinth und viele Menschen starben durch das Wasser, weil es bitter geworden war.“ (Off 8, 11) (Bibel 2017). 1.3 Mythologie und Tradition Im Altertum waren unter dem Namen Artemisia, der sich von der Göttin Artemis ableitet, vor allem der Wermut, der Beifuß und andere verwandte Arten bekannt. Das griechische Wort artemisia, bedeutet übersetzt „Unversehrtheit“ und verweist auf die Keuschheit der Göttin. Im alten Griechenland wurde die Artemis als Schutzgöttin der Jungfrauen verehrt. Im Frühjahr zur Zeit des Vollmondes wurden in Lakonien ekstatische Artemisfeste zu ihren Ehren abgehalten. Dabei wurden Wermut und Beifuß verspeist, welche symbolisch für die Gottheit standen (Rätsch 2018: 71). 5
Die Gottheit Artemis hat jedoch viele Attribute und wurde auch als Göttin der Fruchtbarkeit, der Geburt, der Frauen, der Jagd und des Mondes verehrt. Zu den bekanntesten Gleichsetzungen der Göttin gehören die römische Diana und die altägyptische Isis. Neben dem Echten Wermut (Artemisia absinthium) gehörte auch Weißer Wermut (Artemisia herba-alba) und Estragon (Artemisia dracunculus) zu den heiligen Pflanzen der Isis (Johann 2018: 24-27). Bei religiösen Feierlichkeiten trugen die Priester der Isis einen Wermutzweig vor sich her (Plinius Secundus Gaius). Als Räucherpflanze ist der Wermut vor allem als Zutat von apotropäischen Schutzräucherungen bekannt geworden. Die Pflanze wurde eingesetzt, um vor Dämonen, Krankheitsgeistern und unheilbringenden Phänomenen zu schützen. Außerdem wurden Wermuträucherungen für spirituelle Praktiken verwendet, beispielsweise im Rahmen von Mediationen oder heidnischen Raunachtsritualen, um Ahnen- und Geisterkontakt herzustellen. Darüber hinaus wurde Wermut auch als Kraft- und Trostspender bei seelischen Leiden geräuchert. Das Wirkprofil soll dabei erhellende, euphorisierende, reinigende und schützende Facetten umfassen. Der Rauch selbst duftet würzig und aromatisch (Johann 2018: 76). Der Trivialname Wiegenkraut von Artemisia absinthium bezieht sich auf eine alte Tradition. Man legte Wermutkraut in die Betten von kleinen Kindern. Dem Volksglauben nach begünstigt diese Praxis einerseits einen gesunden und erholsamen Schlaf und andererseits soll die Pflanze das Kind vor Geistern, Schadzaubern, Alpträumen oder Wesen die Neugeborene vertauschen schützen. Eine weitere volkstümliche Anwendung des Wermuts ist das Tragen einer sogenannten „Kräutermütze“. Zur Behandlung von Kopfschmerzen wurde der Wermut mit weiteren aromatischen Kräutern, beispielsweise Lavendel, in ein Säckchen gegeben und über Nacht unter einer Mütze getragen (Johann 2018: 76). 6
1.4 Wermut als Additiv alkoholischer Getränke Wie bereits erwähnt, wurde der Wermut schon nachweislich bei den alten Ägyptern, Römern und Griechen, sowie im frühmittelalterlichen Europa als ein aromatischer und verdauungsanregender Zusatz von Wein und Bier verwendet (Johann 2018: 40). Auch im alten China wurden alkoholische Gebräue aus Reis, Honig, oder Weintrauben hergestellt und mit Zusätzen von diversen Pflanzen versehen. Diese Kräuterweine hatten im alten China soziale, religiöse und medizinische Relevanz. In Gräbern der Elite der Shang und der westlichen Zhou- Dynastien wurden verschlossene Bronzegefäßen entdeckt, die noch flüssige Rückstände von fermentierten Getreide- und Obstweinen enthielten. Analysen ergaben, dass die fermentierten Gebräue mit diversen, aromatischen Kräutern vermengt wurden, darunter auch Pflanzen der Gattung Artemisia (Artemisia annua und Artemisia argyi) (McGovern et al. 2004). 1.4.1 Wermutwein Per gesetzlicher Definition ist der Wermutwein ein „aromatisierter Wein“ mit einem Alkoholgehalt zwischen 14,5 Vol.-%. und 22,0 Vol.-%. Alkohol. Die Bezeichnung „aromatisierter Wein“ wird meistens durch die Begriffe „Kräuterwein“, „Wein-Aperitif“, „Wermutwein“ oder „Wermut“ ersetzt. Offensichtlicher Namensgeber für den Wermutwein ist der Wermut (Artemisia absinthium), der aufgrund seiner aromatischen Bitterstoffe für den charakteristischen Geschmack des Kräuterweins prägend ist. Ein weiterer entscheidender Aspekt für die Aromatik des Wermutweins ist der dafür verwendete Grundwein, dessen Anteil mindestens 75 % beträgt. Üblich ist auch der Zusatz von Alkohol (z.B. reines Ethanol) und Zucker (z.B. Sacharose, Traubensaftkonzentrat) in unterschiedlichen Mengen. Weiters dürfen nur natürliche Aromastoffe und -extrakte zugesetzt werden. Im Gegensatz zu industriell hergestelltem Wermutwein werden bei handwerklich gefertigten Produkten üblicherweise Kräuterextrakte verwendet, welche als Hauptkomponenten verschiedene Artemisa-Arten beinhalten. Um dem Wermutwein die gewünschte Aromatik und Bitternote zu verleihen, werden oft alkoholische Auszüge aus den Kräutermischungen mittels Mazeration (Kaltauszug), Digeration (Heißauszug) oder Perkolation (langsames Durchsickern des Lösungsmittels) gewonnen und dem Wein zugesetzt (Gölles und Gölles 2018: 59f, 108f). 7
1.4.2 Absinth „After the first glass, you see things as you wish they were. After the second, you see things as they are not. Finally, you see things as they really are, which is the most horrible thing in the world.“ Oscar Wilde Absinth ist eine meist grüngefärbte Spirituose mit einem relativ hohen Alkoholgehalt, der üblicherweise zwischen 45 Vol.-% und 80 Vol.-% liegt, vereinzelt kommen auch Werte von bis zu 90 Vol.-% vor. Auch hier ist der Wermut (Artemisia absinthium) namensgebend, sowie die unerlässliche und elementare Komponente, die der Spirituose nicht nur sein Wesen, sondern auch seine charakteristische, herbe Bitterkeit verleiht (Johann 2018: 41f; Gölles und Gölles 2018: 111). 1.4.2.1 Geschichte des Absinths Die Erfindung des Absinths wird auf die Zeit um 1750 datiert und geht möglicherweise auf den französischen Arzt Pierre Ordinaire zurück, der das „elixir d'absinthe“ für Heilzwecke kreiert haben soll. Diese Theorie ist wissenschaftlich jedoch nicht erwiesen (Johann 2018: 40). Gesichert ist, dass 1769 die Schwestern Henriod in der französischen Schweiz (Neuchatel) mittels einer Zeitungsannonce für „Bon Extrait d'Absinthe“ warben (Hein et al. 2001). Im Jahre 1797 erwarb der Geschäftsmann Daniel-Henri Dubied die zugehörige Rezeptur von den Schwestern und eröffnete noch im selben Jahr in der Schweiz die erste Absinthdestillerie. Mit seinem Schwiegersohn Henri-Louis Pernod errichtete er eine Spirituosenfabrik im französischen Pontarlier, die im Jahre 1805 ihre Produktion aufnahm und damit die industrielle Erzeugung von größeren Absinthmengen ermöglichte. Aufgrund der ständig steigenden Nachfrage im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden weitere Destillerien in Frankreich und der Schweiz errichtet, wodurch sich der Wermutanbau zu einer der wichtigsten Einnahmequellen im Val-de-Traver entwickelte (Johann 2018: 40). Der kommerzielle Durchbruch des Absinths kam mit dem französischen Algerienfeldzug (Hein et al. 2001). Wermuthaltige alkoholische Getränke wurden im Algerienkrieg (1844 - 1847) an die Soldaten zur Prophylaxe von diversen Krankheiten, wie Malaria und Wurmbefall, sowie zur Steigerung der Kampfmoral ausgeschenkt. Die Bitterspirituose Absinth gewann durch die heimkehrenden Soldaten zunehmend an Popularität (Lachenmeier et al. 2004). Infolge dessen 8
fand der Absinth eine weite Verbreitung vor allem in den aufblühenden Großstädten, sowie in den französischen Kolonien (z.B. Indochina, Tahiti) oder in frankophilen Städten (z.B. Prag, New Orleans) (Hein et al. 2001). Während der Jahrhundertwende kam es nochmals zum verstärkten Anstieg der Absinthproduktion. Statt Branntwein verwendeten die Destillerien vermehrt billigen Industriealkohol, was die Bitterspirituose für alle Bevölkerungsschichten erschwinglich machte, während zur gleichen Zeit die Weinpreise, aufgrund von wiederholten Ernteausfällen, stiegen (Hein et al. 2001). 1905 existierten in Pontarlier bereits 25 Destillerien mit einer Jahresproduktion von 10 Millionen Litern Absinth (Lachenmeier et al. 2004). Der mittlerweile auch als grüne Fee („Fée verte“) bezeichnete Absinth zählte in Europa zu den populärsten Spirituosen, wobei sich der Schwerpunkt des Absinthkonsums eindeutig auf Frankreich konzentrierte (Lachenmeier et al. 2004). Dort wurde der späte Nachmittag auch inoffiziell als „die grüne Stunde“ („l'heure Verte“) bezeichnet. Angestellte und Arbeiter strömten zu Beginn ihres Feierabends, zwischen 17 und 19 Uhr, in die zahllosen Cafés und Bars in Paris und konsumieren dort das grüne Getränk (Johann 2018: 41; Kupfer 1996: 248). Eine genaue Begründung für die Namensbezeichnung „grüne Fee“ ist nicht überliefert. Vermutlich könnte die Bezeichnung einerseits auf die grüne Farbe des Absinths zurückzuführen sein oder andererseits sich auf die psychedelische Rauchwirkung beziehen, die man als Verzauberung durch eine Fee beschreiben könnte (Rätsch 2018: 69). Der Grund dafür soll im thujonhaltigen Wermut liegen. Wegen des stark psychoaktiven Thujons wirkte der Absinth viel stärker und andersartiger als sonstige Schnapssorten (Rätsch 2002: 151). Relativ rasch avancierte der Absinth über seine ursprüngliche Nutzung als Heilmittel hinaus zu einem beliebten euphorisierenden Genuss- und Rauschmittel. Insbesondere in Künstler und Intellektuellenkreisen erfreute sich der Absinth großer Beliebtheit. Absinthtrinker werden ferner als „Absintheure“ bezeichnet. Zu berühmten Absintheuren zählen beispielsweise Henri de Toulouse-Lautrec, Paul Gauguin, Vincent van Gogh, Oscar Wilde, Ernest Hemingway, Edgar Allan Poe und Charles Baudelaire (Johann 2018: 41). Die Künstler konsumierten ihn nicht nur und nutzen ihn als Zuträger von Inspiration, sondern machten den Absinth selbst zum Gegenstand ihrer Darstellungen, da er als typisches Kennzeichen des Bohème-Milieus angesehen wurde. Zu den berühmtesten Absinthbildern gehört unter anderem L´Absinthe (1876) von Edgar Degas, dass in Darstellung 1 abgebildet ist. Auf dem Gemälde sind zwei 9
beklagenswerte Personen abgebildet, die durch den übermäßigen Alkoholkonsum gezeichnet sind und apathisch bei einem Glas Absinth an einem Wirtshaustisch sitzen. Zum einen thematisiert diese Darstellung nicht nur das ungeschönte Trinkerelend in diesem Gesellschaftsmilieu, sondern verkörpert zudem die zur damaligen Zeit vorherrschenden sozialen Ungerechtigkeiten mit denen viele Künstler zu kämpfen hatten (Kupfer 1996: 249). Darstellung 1: Edgar Degas, L´Absinthe (1876) (Hirdt 1998: 165) Auch der Maler Vincent van Gogh (1853 – 1890) setzte sich mit dem Absinth in seinen Werken auseinander und soll selbst regelrecht „absinthsüchtig“ gewesen sein. Die Gemälde von Vincent van Gogh in denen leuchtende Gelbtöne, das berühmte „Van-Gogh-Gelb“, überwiegen, vermitteln gut den Eindruck der Wahrnehmungsveränderung durch Absinth (Rätsch 2018: 69). In Briefen schreibt van Gogh häufig über seine Alkohol- und Absinthproblematik. Die Biographie des Malers wird oft als gut dokumentiertes 10
Musterbeispiel für die Wirkungen des regelmäßigen Absinthkonsums herangezogen. Symptome des Malers waren unter anderem psychopathologischer Natur, wie Halluzinationen, Stimmungsschwankungen und Bewusstseinsstörungen (Hein et al. 2001). Bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts kam der Absinth in die Kritik, als infolge des massenhaften Konsums die damit verbundenen gesundheitlichen Probleme in das Blickfeld gerieten. Als Absinthismus wurde das Syndrom des chronischen Absinthmissbrauchs bezeichnet, das in Abgrenzung zum Alkoholismus beschrieben wurde. Symptome und Folgen waren gastrointestinale Probleme, visuelle und auditorische Halluzinationen, schwere Störungen des zentralen Nervensystems mit epileptischen Krampfanfällen, erhebliche Hirnschäden und ein erhöhtes Risiko für psychiatrische Krankheiten, bis hin zu Suizid. In Frankreich wurde jedoch nicht zwischen den Wirkungen des Ethanols und den spezifischen Effekten des Absinths differenziert (Hein et al. 2001; Lachenmeier et al. 2004; Kupfer 1996: 248). Die Ursache des Absinthismus wurde später Großteiles auf die Wirkung des im Wermut enthaltenen Terpens Thujon zurückgeführt. Nach heutigem Wissenstand war der Absinthismus jedoch nichts anderes als eine Form der Alkoholabhängigkeit und das Thujon spielt dabei keine oder nur eine untergeordnete Rolle (Lachenmeier 2007). Darüber hinaus ist unklar, ob die Symptome des Absinthismus nicht anderen Ingredienzien (z.B. Schwermetallen) zuzuschreiben sind (Rätsch 2018: 69). Denn bereits im 19. Jahrhundert waren minderwertige und verfälschte Produkte bekannt. Beispielsweise wurde dem Absinth Kupfersulfat oder Kupferacetat zugesetzt, um die grüne Farbe des Chlorophylls zu verstärken. Antimonchlorid wurde hinzugefügt, um die für den Absinth typische Trübung bei Verdünnung mit Wasser zu erzeugen (Lachenmeier et al. 2004). Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden in fast ganz Europa generelle Absinthverbote verabschiedet, beispielsweise 1905 in Belgien, 1908 in der Schweiz, 1912 in den USA, 1913 in Italien und 1923 in Deutschland. In Frankreich erfolgte ein Verbot 1915 während des ersten Weltkriegs, aufgrund des Absinthmissbrauchs im französischen Militär. Daraufhin entwickelten die französischen Absinthhersteller Ersatzprodukte, die ohne Wermut auskommen, wie Pernod, Ricard oder Pastis. In einigen Ländern, beispielsweise in England, Portugal, Spanien und Tschechien wurden keine speziellen Gesetze verabschiedet, hier konnte wegen der unklaren Rechtslage der Absinth weiter produziert werden. 1988 wurde im Zuge der Europäischen Union ein Gesetz verabschiedet, sodass für alle Mitgliedsstaaten der Zusatz 11
von thujonhaltigen Pflanzen und Pflanzenteilen in alkoholischen Getränken wieder gestattet wurde. Entscheidend sind die Grenzwerte für Thujon in der fertigen Spirituose, für Bitterspirituosen wie Absinth gilt dabei ein Grenzwert von 35 mg/kg. Mittlerweile entwickelt sich Absinth wieder zum Modegetränk, das hauptsächlich über das Internet oder in den Bars der Großstädte erhältlich ist (Hein et al. 2001; Lachenmeier et al. 2004). 1.4.2.2 Absinthtrinkrituale Die damaligen Absintheure waren nicht nur von der Erscheinung, dem Geschmack und der Rauschwirkung des Absinths fasziniert, sondern auch von der Prozedur der Versüßung und Verdünnung der Bitterspirituose (Kupfer 1996: 248). Der Genuss von Absinth wird auch heute noch in Form von speziellen Trinkritualen zelebriert. Besonders üblich ist das klassische Ritual, wie es zur Zeit der Belle Époque in Frankreich durchgeführt wurde. Dazu werden Absinthgläser, ein Absinthlöffel (perforierter Löffel), Zuckerwürfel und eine Karaffe oder eine spezielle Absinthfontäne mit kaltem Wasser benötigt. Der mit Zucker bestückte Absinthlöffel wird über ein Glas mit Absinth gehalten und langsam bzw. tropfenweise mit Wasser übergossen, damit sich der Zucker vollständig auflösen kann. Das Mischungsverhältnis von Wasser und Absinth liegt dabei meist zwischen 3:1 und 5:1, ist jedoch auch von der verwendeten Sorte und der persönlichen Präferenz abhängig. Wenn Wasser zum Absinth gegeben wird, führt dies in der Regel zu einer milchfarbigen Trübung des Getränks (Opalisierung). Das Phänomen der Opalisierung einer klaren Flüssigkeit wird auch als Louche- Effekt bezeichnet (Johann 2018: 75). Der Grund für die Eintrübung liegt in der schlechten Wasserlöslichkeit der sehr lipophilen ätherischen Öle im Absinth, durch die Erhöhung des Wasseranteils kommt es zum Entmischen der Lösung (Lachenmeier et al. 2004). Darstellung 2 veranschaulicht den Louche-Effekt durch zwei Aufnahmen. Darüber hinaus ist auch eine zuckerfreie Variante des französischen Trinkrituals geläufig. Dafür eignen sich vor allem jene Absinthsorten, die über eine feine grundsüße und milde bittere Note verfügen. Beim sogenannten „Böhmischen Absinthritual“ handelt es sich nicht um die traditionelle Variante, sondern um eine moderne Erfindung der Prager Barkultur. Nach der tschechischen Tradition wird der Zuckerwürfel zuerst in Absinth getaucht und anschließend angezündet. Sobald der Würfelzucker zu tropfen beginnt wird er mit Eiswasser übergossen. Allerdings verbrennen bei dieser Methode neben dem Alkohol auch teilweise die ätherischen Öle, was sich nachteilig auf den Geschmack auswirkt (Johann 2018: 75). 12
Darstellung 2: Louche-Effekt beim Absinthtrinkritual (Arnold 1989) 1.4.2.3 Absinthherstellung und Zusammensetzung Bei der traditionellen Herstellung von Absinth werden Wermut und andere getrocknete Kräuter, wie Anis oder Fenchel, über einen bestimmten Zeitraum in Alkohol eingelegt (mazeriert). Bei der anschließenden Destillation des Mazerats werden die Bitterstoffe, die nicht in das Destillat übertreten, abgetrennt. Als Ergebnis erhält man ein klares Destillat, welches nochmals mit Wermut und anderen Kräutern versetzt wird. Dadurch wird aus den Kräutern Chlorophyll für die typische grüne Färbung herausgelöst, sowie weitere Aromastoffe extrahiert und ein milder Bittergeschmack erzeugt. Die nach traditionellen Rezepturen hergestellten Absinthe weisen meist nur eine schwach grüne Farbe auf, weil es durch Licht- und Wärmeeinwirkung zu einer leichten Denaturierung des Chlorophylls kommt. Abgesehen vom Wermut variierte die Kräuterzusammenstellung, die zur geschmacklichen Abrundung und Farbgebung verwendet wurden, sehr stark. (Lachenmeier et al. 2004). Beispiele für die in den traditionellen Rezepturen verarbeiteten Pflanzen sind unter anderem Anis (Pimpinella anisum), Sternanis (Illicium verum), Fenchel (Foeniculum vulgare), Engelwurz (Angelica archangelica), Ysop (Hyssopus officinalis) und Zimt (Cinnamomum verum) (Johann 2018: 42). 13
2. Artemisia absinthium 2.1 Systematische Zuordnung Der Wermut (Artemisia absinthium) ist eine Pflanzenart innerhalb der Pflanzengattung Artemisia und wird in die Familie der Korbblütler eingeordnet. Die systematische Zuordnung sieht folgendermaßen aus: Ordnung: Asterales (Asternartige) Familie: Asteraceae (Korbblütler) Unterfamilie: Asteroideae Tribus: Anthemideae Gattung: Artemisia Art: Artemisia absinthium L. (Johann 2018: 19, 70) 2.2 Synonyme Die Pflanzenart Artemisia absinthium L. besitzt eine Vielzahl von synonymen lateinischen Namen. Die gebräuchlicheren sind beispielweise Absinthium bipedale GILIB., Absinthium majus GARSAULT, Absinthium officinale BROT., Absinthium vulgare (LINNÉ) LAM. und Artemisia absinthia ST.-LAG. (Johann 2018: 70). 2.3 Volkstümliche Trivialnamen Neben Wermut bestehen viele synonyme volkstümliche Namen. In der deutschen Sprache findet sich beispielweise: Echter Wermut, Wermutpflanze, bitterer Beifuß, Absinth, Absinthkraut, Heilbitter, Magenkraut, Mottenstock, Wiegenkraut, Wurmkraut oder Wurmtod. In Englisch ist der gebräuchlichste Name wormwood, aber auch hier gibt es einige weitere Trivialnamen, wie vermouth, green ginger, green muse oder absinth wormwood. Beispiele für Trivialnamen in anderen Sprachen sind: Absinthe, Armoise absinthe, Herbe Sainte (französisch), Assenzio maggiore, Assenzio romana, Assenzio vero (italienisch), Absintio, Gengibre verde (grüner Ingwer), Hierba santa (heiliges Kraut) (spanisch), Absint-alsem (holländisch), Ambrosia (altgriechisch), Wamuddo (japanisch) und Saam, Somi (ägyptisch) (Johann 2018: 70; Rätsch 2018: 69). 14
2.4 Etymologie Der Gattungsname Artemisia leitet sich von der Gottheit Artemis, der griechischen Fruchtbarkeits- und Geburtsgöttin, ab. Der Artname absinthium leitet sich entweder vom griechischen apinthion, das übersetzt so viel bedeutet wie „untrinkbar“ oder von absinthos, übersetzt „unerfreulich“, ab und bezieht sich auf die in der Pflanze enthaltenen Bitterstoffe. Der deutsche Name Wermut verweist möglicherweise auf die antiparasitären Effekte der Pflanze, denn das altdeutsche Wort „Werm“ bedeutet übersetzt „Wurm“. Auch das englische Wort wormwood, ins Deutsche übersetzt „Wurmholz“, impliziert die volksmedizinische Verwendung der Pflanze als Wurmmittel (Deans und Kennedy 2002: 79; Johann 2018: 70; Szopa et al. 2020). Auch die Trivialnamen Wurmtod und Wurmkraut weisen auf den Einsatz als Anthelminthika hin. Der Ausdruck Magenkraut bezieht sich auf die volksmedizinische Verwendung als magenstärkendes Mittel. Wie bereits erwähnt, stammt die Bezeichnung Wiegenkraut von der volkstümlichen Tradition den Wermut in die Betten von Kleinkindern zu legen (Achmüller 2012: 65f; Johann 2018: 70,76). 2.5 Herkunft und Vorkommen Der Wermut kommt ursprünglich aus dem sibirischen Raum. Aufgrund seiner Nutzung als Kulturpflanze erfolgte schon relativ früh eine Verbreitung in weitere geographische Regionen. Heimisch ist er in den trockeneren Gebieten Europas (ausgenommen Nordskandinavien), Nordafrikas und Asiens (Westasien bis Ost-Sibirien, Zentralasien und Indien bis zum Kaschmir). Eingebürgert ist er aber ebenso in Nord- und Südamerika und in Neuseeland. In einigen Ländern des Mittelmeergebiets und Osteuropas gibt es größere Wermutkulturen für kulinarische und medizinische Zwecke. Als Standortbedingungen bevorzugt Artemisia absinthium sandig-schotterige, nährstoffreiche und kalkhaltige Böden und kommt besonders in trocken-warmen Lagen im Flachland, sowie in bergigen Regionen (bis 3000 Meter), vor. In der Höhenstufe von planar-collin (Ebenen- und Hügelstufe) bis montan (Bergstufe) ist die Pflanze häufiger zu finden, seltener auch in der subalpinen Höhenstufe (zwischen montan und alpin). Standorte, an denen Wermut wild wächst, sind beispielsweise mäßig-trockene Ruderalstellen, Waldschläge, trockene Weiderasen und Straßenränder (Fischer et al. 2008: 923; Johann 2018: 72; Wenigmann. 2017: 215f). 15
2.6 Morphologie Artemisia absinthium ist eine ausdauernde, krautige Pflanze mit einer Wuchshöhe von ungefähr 60 bis 120 cm (siehe Darstellung 3). In einigen Habitaten kann sie auch eine Höhe von 1,5 Meter erreichen. Die ganze Pflanze ist dicht behaart und besitzt ein mehrköpfiges, verholztes Rhizom. Die Sprossachse ist grau-filzig behaart und gerippt, mit meist fünf abgeflachten, längsverlaufenden Furchen. Die Laubblätter sind beiderseits dicht weiß-filzig und die Form der Blattspreiten ist abhängig von ihrer Position auf der Pflanze. Die grundständigen Blätter haben lange Blattstiele und sind zwei- bis dreifach fiederschnittig (siehe Darstellung 4). Im oberen Bereich sind die Blätter hingegen eher einfacher und lanzettförmig. Die Blätter von Artemisia absinthium sind von eingesenkten Öldrüsen punktiert und besitzen auch „T-Haar“ Trichome mit Schutzfunktion gegen hohe Temperaturen und länger andauernde Trockenheit. Beim Zerreiben der Blätter duften diese intensiv und aromatisch. Die nickenden, gelben Blütenkörbe sind nahezu kugelförmig (Durchmesser von 3- 4 mm) und sitzen in lockeren Rispen (siehe Darstellung 5). Die Blütenköpfe besitzen hellgelbe, weibliche Zungenblüten, sowie zwittrige Röhrenblüten und der Korbboden ist behaart (Haare ca. 1 mm lang). Die Blütenperiode in Zentraleuropa dauert von Juli bis Oktober und die gebildete Fruchtform ist eine kleine, braungraue Achäne (Fischer et al. 2008: 922; Hess et al. 2015: 504ff; Szopa et al. 2020). Darstellung 3: Artemisia absinthium (Johann 2018: 77) 16
Darstellung 4: Blatt von Artemisia absinthium (Johann 2018: 71) Darstellung 5: Blütenstände von Artemisia absinthium (Johann 2018: 71) 17
3 Inhaltsstoffe von Artemisia absinthium In den letzten Jahren war A. absinthium Gegenstand zahlreicher Studien, insbesondere zur Bestimmung der Inhaltsstoffe und ihrer biologischen Aktivität, dabei wurden vor allem verschiedene Extrakte der Pflanze und das ätherische Öl untersucht. Mithilfe phytochemischer und pharmakologischer Studien konnten einige der positiven Eigenschaften des Wermuts belegt werden (Szopa et al. 2020). In diesem Kapitel soll zunächst eine Angabe der Wermutinhaltsstoffe erfolgen, sowie eine generelle Beschreibung der wichtigsten vorkommenden Produkte des Sekundärstoffwechsels der Pflanze (ätherisches Öl, Bitterstoffe, Flavonoide, Gerbstoffe) und ihre Wirkungen. 3.1 Phytochemische Charakterisierung Artemisia absinthium enthält eine Vielzahl unterschiedlicher chemischer Komponenten, die für die biologische Aktivität verantwortlich sind. Als Hauptwirkstoffe gelten das ätherische Öl und die Bitterstoffe. Die Konzentration an ätherischem Öl in der Pflanze reicht von 0,2 % bei trockenem Klima bis zu 1,5 % bei humidem Klima. Die höchste Konzentration an ätherischem Öl wurde in den Monaten Juni und Juli festgestellt (Szopa et al. 2020). Die hauptsächlichen Sekundärmetaboliten des Wermuts sind volatile Komponenten in den Blättern und den Blüten, welche der Pflanze auch den charakteristischen, aromatischen Duft verleihen. In verschiedenen Regionen weltweit wurden die chemischen Komponenten des ätherischen Öls intensiv untersucht, sowie verschiedene Chemotypen beschrieben. Die unterschiedliche chemische Zusammensetzung der Inhaltsstoffe ist nicht nur abhängig von der Herkunft der untersuchten Wermutpflanzen, entscheidend sind auch Faktoren wie Bodenbeschaffenheit und klimatische Bedingungen am Standort, sowie die angewandten Extraktionsmethoden und Lagerbedingungen (Nguyen et al. 2018). Bei Untersuchungen des ätherischen Öls wurden über 90 Komponenten gefunden, darunter fast 40 Sesquiterpene sowie 30 Monoterpene. Die häufigsten vorkommenden Verbindungen sind unter anderem α-Thujon, β-Thujon, cis-Epoxyocimene, trans-Sabinylacetat, Sabinen, β- Myrcen, Linalool (Nguyen et al. 2018), Camphen, α-Cadinen, Guajazulen und cis- Chrysanthenylacetat. Außerdem wurde festgestellt, dass Pflanzenpopulationen welche in Gebieten über 1000 Höhenmeter wuchsen mehr α-Thujon enthielten, während in Habitaten 18
unter dieser Höhe das cis-Epoxyocimene die dominierende Komponente des ätherischen Öls war (Szopa et al. 2020). Weitere Terpene die gefunden wurden sind z.B. Thujan, Thujylalkohol, Cineol, α-Bisabolol, β-Cucurmen und Spathulenol (Prentner 2010: 238). Zudem enthalten Extrakte aus Artemisia absinthium meist höhere Konzentrationen von Verbindungen aus der Gruppe der Azulene, wie das blaue Chamazulen, Guajazulen und Dihydrochamazulen (Szopa et al. 2020). Bei den Bitterstoffen von Artemisia absinthium handelt es sich um Sesquiterpenlactone, die als Hauptkomponente das Dimere Guajanolid Absinthin (0,2 % bis 0,28 %) enthalten. Weitere Komponenten die in höheren Konzentrationen gefunden wurden, sind die Absinthin-Isomere, Anabsinthin, Anabsin, Artabsin und Absintholid. Andere Bitterstoffe die von der Pflanze isoliert wurden sind beispielsweise Artamaridinin, Artamarin, Artamarinin, Artamaridin (Szopa et al. 2020), Artanolid, Desacetylglobicin, Matricin, sowie in einigen Teilen der Wermutdroge auch Pelenolide, wie Hydroxypelenolid (Prentner 2010: 238). Die Pflanze enthält als weitere Inhaltsstoffe zahlreiche Flavonoide, beispielsweise Quercetin- und Kämpferolglykoside, sowie Artemisitin aus der Untergruppe der lipophilen Flavone (Prentner 2010: 238) und eine Vielzahl von Phenolsäuren, wie Gallussäure, Chlorogensäure, Kaffeesäure und Vanillinsäure (Szopa et al. 2020). Die Wurzeln der Pflanze enthalten Polyine wie C13-trans-Spiroketanolether, C14-trans- Spiroketanolether, sowie in geringfügigen Mengen auch trans-Dehydromatricariaester und Lignane (Prentner 2010: 238). In kleineren Mengen wurden auch andere Komponenten wie Chalkone, Cumarine, Fettsäuren, Gerbstoffe, Carotinoide und Lignane gefunden. Die Bestandteile von Wermutextrakten sind auch abhängig von den verwendeten Extraktionsmittel. Es hat sich herausgestellt, dass Auszüge mit Ethanol signifikant höhere Konzentrationen an Flavonoiden, Phenolen und Gerbstoffen enthielten im Vergleich zu Extrakten auf Wasser- oder Chloroform-Basis (Szopa et al. 2020). 19
3.2 Ätherische Öle Ätherische Öle sind lipophile, leicht flüchtige Stoffgemische, die sich durch einen charakteristischen Geruch und Geschmack auszeichnen. Bei Raumtemperatur sind sie flüssig und empfindlich gegenüber Licht- und Wärmeeinwirkung. Mit Luftsauerstoff bilden sie leicht Peroxide. Ätherische Öle sind schlecht wasserlöslich, lösen sich jedoch gut in allen lipophilen Lösungsmitteln (z.B. Chloroform, Benzol, Ethanol) (Bäumler 2010: 23, Wenigmann 2017: 48ff). Die komplexen Gemische bestehen zu ca. 90 % aus verschiedenen Terpenverbindungen, Phenylpropanderivaten (z.B. Zimtaldehyd) oder anderen Kohlenwasserstoffen. Terpenverbindungen werden ausgehend von ihrem strukturellen Aufbau noch unterteilt in Monoterpene (5-C-Atome, z.B. Menthol), Sesquiterpene (15-C-Atome, z.B. α-Curcumen), Di-, Tri-, Tetra- und Polyterpene. Die ätherischen Öle können aus weit mehr als 1.000 Bestandteilen zusammengesetzt sein, wobei das Verhältnis der einzelnen Komponenten charakteristisch für das jeweilige Pflanzenöl ist (Bäumler 2010: 23, Wenigmann 2017: 48ff). Ätherische Öle können in der gesamten Pflanze verteilt vorkommen oder nur in speziellen Pflanzenteilen lokalisiert sein. Gespeichert werden sie in speziellen Ölbehältern, beispielsweise in der Epidermis in Drüsenhaaren oder Drüsenschuppen von Blättern und Blüten oder im Inneren in Ölzellen (z.B. Zitrusfrüchte) oder in speziellen Exkretbehältern (z.B. Ölstriemen von Anisfrüchten). Aufgrund ihres starken Duftes dienen sie der Pflanze zum Anlocken oder Abwehren von Insekten, als Schutz vor Fressfeinden oder fungieren als Hemmstoff der Samenkeimung und Keimlingsentwicklung für konkurrierende Nachbarpflanzen (Bäumler 2010: 23, Wenigmann 2017: 48ff). Die lipophilen Substanzen der Öle werden leicht über die Schleimhäute aufgenommen, weshalb sie rasch im Gastrointestinaltrakt resorbiert werden. Außerdem werden sie auch perkutan (über die Haut) gut aufgenommen, sowie inhalativ über die Nase und Bronchien. Weil ätherische Öle über Chemorezeptoren den Geruchs- und Geschmackssinn anregen, sowie positive Auswirkungen auf das physische und psychische Befinden haben, finden sie auch in der Aromatherapie Verwendung (Bäumler 2010: 23, Wenigmann 2017: 48ff). Die ätherischen Öle besitzen ein sehr breit gefächertes Wirkspektrum. Bestimmte Öle zeigen antimikrobielle Aktivitäten, weil die lipophilen Bestandteile die Zellmembran durchdringen können und so in den Stoffwechsel von Mikroorganismen eingreifen. Einige Öle haben 20
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