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Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Fachausschuss der Bundesärztekammer Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V Dapagliflozin Neues Anwendungsgebiet: chronische Herzinsuffizienz Berlin, den 22. März 2021 www.akdae.de Korrespondenzadresse: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Herbert-Lewin-Platz 1 10623 Berlin
Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Dapagliflozin (nAWG chronische Herzinsuffizienz) Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frü- hen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Dapagliflozin (neues Anwendungsge- biet, chronische Herzinsuffizienz) zur IQWiG Dossierbewertung, Nr. 1065, Auftrag: A20-113, Version 1.0, Stand: 25.02.2021: https://www.g-ba.de/downloads/92-975-4195/2020-12-01_Nutzenbewertung- IQWiG_Dapagliflozin_D-613.pdf G-BA Vorgangsnummer 2020-12-01-D-613: https://www.g-ba.de/bewertungsverfahren/nutzenbewertung/615/ Stand: 22. März 2021 Seite 2 von 13
Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Dapagliflozin (nAWG chronische Herzinsuffizienz) Inhaltsverzeichnis TEIL 1: Allgemeine Aspekte ........................................................................................... 4 Einleitung .................................................................................................................. 4 Arzneimittel ............................................................................................................... 4 TEIL 2: Spezifische Aspekte ........................................................................................... 5 Fragestellung der Dossierbewertung und zweckmäßige Vergleichstherapie (ZVT) . 5 Eingeschlossene Studien ......................................................................................... 5 Studiendesign ........................................................................................................ 6 Studiendauer ......................................................................................................... 6 Behandlungsdauer ................................................................................................ 6 Studienpopulation .................................................................................................. 6 Einschlusskriterien ................................................................................................ 6 Ausschlusskriterien ............................................................................................... 6 Dosierung .............................................................................................................. 7 Primärer Endpunkt ................................................................................................ 7 Patientenrelevante sekundäre Endpunkte ............................................................ 7 Patientencharakteristika ........................................................................................ 7 Eignung der Studie zur Nutzenbewertung ................................................................ 9 Endpunkte (Dapagliflozin vs. Placebo) ..................................................................... 9 Gesamtmortalität ................................................................................................. 10 Kardiovaskuläre Mortalität ................................................................................... 10 Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz................................................... 10 Weitere Endpunkte von Interesse: ...................................................................... 10 Sicherheit ............................................................................................................ 11 Schwerwiegende UE .................................................................................. 11 Abbruch wegen UE .................................................................................... 11 Harnwegsinfektion...................................................................................... 11 Erkrankungen Geschlechtsorgane/Brustdrüse .......................................... 11 Diabetische Ketoazidose............................................................................ 11 Erkrankungen der Atemwege, des Brustraums und Mediastinums ........... 11 Symptome eines Volumenmangels ............................................................ 11 Bewertung von Effektivität und Sicherheit ........................................................... 12 Ausmaß und Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens ............................................. 12 Stand: 22. März 2021 Seite 3 von 13
Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Dapagliflozin (nAWG chronische Herzinsuffizienz) Fazit ........................................................................................................................ 13 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 13 TEIL 1: Allgemeine Aspekte Einleitung Pharmakologische Therapieansätze der Herzinsuffizienz beinhalten ACE(Angiotensin Converting Enzyme)-Hemmer, ARB (Angiotensinrezeptorblocker), Betarezeptorenblo- cker, MRA (Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten) sowie eine kombinierte RAAS- Blockade und Neprilysin-Inhibierung durch ARNI (Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhi- bitoren). Ziele der Pharmakotherapie bei Herzinsuffizienz sind insbesondere die Reduktion der Mortalität, die Prävention von Hospitalisierungen sowie die Verbesserung der körperli- chen Leistungsfähigkeit und Linderung von Beschwerden. Typische Symptome der Herzinsuffizienz sind Leistungsminderung, Dyspnoe und Flüssigkeitsretention. Zur Ein- teilung der Herzinsuffizienz in klinische Schweregrade ist die NYHA (New York Heart Association)-Klassifikation entsprechend der Symptomatik der Patienten von NYHA I (asymptomatisch) bis NYHA IV (Symptome in Ruhe) Standard (1). Arzneimittel Dapagliflozin ist ein Inhibitor des renalen Natrium(Sodium)-Glukose-Cotransporters-2 (SGLT2), der seit 2012 zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen ist. Bei Hyperglykämie bewirkt Dapagliflozin eine verstärkte renale Glukose-Ausscheidung und damit eine insulinunabhängige Blutzuckersenkung. 2020 erhielt Dapagliflozin außerdem eine Zulassung zur Behandlung erwachsener Pati- enten mit symptomatischer, chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfrak- tion. Der genaue Wirkmechanismus bei Patienten mit Herzinsuffizienz ist noch nicht ge- klärt. Diskutiert werden neben der diuretischen Wirkung auch Auswirkungen auf den My- okardstoffwechsel, auf Ionenkanäle und Adipokine sowie auf eine Myokardfibrose (Dos- sier pU Modul 4A, (2)). Stand: 22. März 2021 Seite 4 von 13
Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Dapagliflozin (nAWG chronische Herzinsuffizienz) TEIL 2: Spezifische Aspekte Fragestellung der Dossierbewertung und zweckmäßige Vergleichstherapie (ZVT) Der Zusatznutzen von Dapagliflozin wird bewertet bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit symptomatischer, chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektions- fraktion. [IQWiG Dossierbewertung, S. 9, S. 16–18] Tabelle 1: Fragestellungen der Nutzenbewertung von Dapagliflozin Indikation Zweckmäßige Vergleichstherapiea Erwachsene mit sympto- Optimierte Standardtherapie zur Behandlung der symptomatischen, chro- matischer, chronischer nischen Herzinsuffizienz und der zugrunde liegenden Erkrankungen, wie Herzinsuffizienz mit redu- z. B. Hypertonie, Herzrhythmusstörungen, koronare Herzkrankheit, Dia- zierter Ejektionsfraktion betes mellitus, Hypercholesterinämie sowie der Begleitsymptomeb a. Dargestellt ist jeweils die vom G-BA festgelegte zweckmäßige Vergleichstherapie. b. Es wird davon ausgegangen, dass die Patientinnen und Patienten in beiden Studienarmen optimal behandelt werden: Es wird eine leitliniengerechte patientenindividuelle Behandlung der Herzinsuffizienz und Grunderkrankungen bzw. Risi- kofaktoren wie Hypertonie, Herzrhythmusstörungen oder Diabetes mellitus sowie der Begleitsymptome, beispielsweise Ödeme, vorausgesetzt. Eine Anpassung der Basis-/Begleitmedikation an die jeweiligen Bedürfnisse der Patientin bzw. des Patienten sollte in beiden Studienarmen möglich sein. Die unveränderte Fortführung einer unzureichenden Therapie entspricht nicht der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Sofern keine weitere Optimierungsmöglichkeit besteht, ist zu dokumentieren und darzulegen, dass ggf. noch bestehende Therapiemöglichkeiten nicht geeignet bzw. ausgeschöpft sind. Als ZVT wird eine „leitliniengerechte patientenindividuelle Behandlung“ gefordert. Basis der Herzinsuffizienztherapie sind laut aktueller „Nationaler Versorgungsleitlinie (NVL) Herzinsuffizienz“ ACE-Hemmer bzw. bei Unverträglichkeit ARB sowie ab NYHA-Klasse II Betablocker. MRA werden empfohlen bei persistierender Symptomatik unter ACE- Hemmern/ARB und Betablockern. Zusätzlich sollen Patienten mit Zeichen einer Flüssig- keitsretention Diuretika erhalten. Für diese Basistherapie werden in der NVL Herzinsuf- fizienz starke Empfehlungen ausgesprochen. Als Eskalationstherapie wird mit abge- schwächtem Empfehlungsgrad als ARNI Sacubitril/Valsartan empfohlen „unter Berück- sichtigung der Unsicherheiten bezüglich der Langzeitverträglichkeit und des Nebenwir- kungsprofils“ (1). Aus Sicht des IQWiG beinhaltet die ZVT neben der Basistherapie auch die Therapie- eskalation von ACE-Hemmern/ARB auf ARNI. Im deutschen Versorgungskontext ist bei fortbestehender Symptomatik die Eskalation auf ARNI eine Option, erfolgt aber nicht regelhaft, was sich in den Verordnungszahlen der vergangenen Jahre deutlich wider- spiegelt. Die Umstellung auf ARNI ist aufwendig, da sie engmaschige Blutdruck- und Laborkontrollen und eine hohe Compliance des Patienten erfordert. Insbesondere Pati- enten mit hypotonen Blutdruckwerten tolerieren nur eine sehr langsame Dosissteige- rung. Aus Sicht der AkdÄ stellt die Eskalation mit ARNI eine Behandlungsoption bei fort- bestehender Symptomatik dar, gehört jedoch nicht zwingend zur „optimierten Stan- dardtherapie“ der Herzinsuffizienz. Eingeschlossene Studien Durch den pharmazeutischen Unternehmer (pU) wurde die Studie DAPA-HF vorgelegt. Der fehlende Einschluss der Studie DECLARE-TIMI 58 ist aus Sicht des IQWiG und der Stand: 22. März 2021 Seite 5 von 13
Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Dapagliflozin (nAWG chronische Herzinsuffizienz) AkdÄ vertretbar, da dort lediglich 451 der Patienten neben einem Diabetes mellitus Typ 2 eine Herzinsuffizienz hatten. Die aus DECLARE-TIMI 58 potenziell einzuschließende Subgruppe umfasst damit weniger als 10 % der Population der Studie DAPA-HF. [IQWiG Dossierbewertung, S. 10–20; Dossier pU, Modul 4A, S. 73–87] Studiendesign doppelblinde, multizentrische, randomisierte kontrollierte Studie zum Vergleich von Dapagliflozin mit Placebo im Verhältnis 1:1 Die Randomisierung erfolgte stratifiziert nach dem gleichzeitigen Vorliegen eines Diabe- tes mellitus Typ 2 (Anamnese oder HbA1c ≥ 6,5 %). Studiendauer Screening 14 ± 7 Tage Studienende nach 844 Ereignissen im primären Endpunkt Nachbeobachtung 6 Wochen Behandlungsdauer Die mittlere (mediane) Behandlungsdauer betrug im Interventionsarm 16,8 (17,8) Mo- nate und im Vergleichsarm 16,6 (17,6) Monate. Studienpopulation 4744 Patientinnen und Patienten Einschlusskriterien LVEF ≤ 40 % symptomatische Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse II–IV) NT-proBNP-Erhöhung o bei Patienten mit VHF: NT-proBNP ≥ 900 pg/ml o bei Patienten ohne VHF: NT-proBNP ≥ 600 pg/ml o bei Patienten mit Hospitalisierung aufgrund einer dekompensierten Herzinsuffizi- enz in den vorausgegangenen 12 Monaten: NT-proBNP ≥ 400 pg/ml stabile Basistherapie der Herzinsuffizienz ≥ 4 Wochen vor Studieneinschluss Ausschlusskriterien symptomatischer Hypotonus oder systolischer Blutdruck < 95 mmHg akute Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, Insult oder koronare Revaskularisation in den vorausgegangenen 12 Wochen eGFR < 30 ml/min Transaminasen > 3-fach ULN Stand: 22. März 2021 Seite 6 von 13
Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Dapagliflozin (nAWG chronische Herzinsuffizienz) Dosierung Dapagliflozin 10 mg oder Placebo einmal täglich oral als Tablette Eine Dosisreduktion auf 5 mg oder kurzzeitige Unterbrechung der Medikation war mög- lich bei einer akuten Verschlechterung der Nierenfunktion, Volumenmangel oder Hypo- tonus, wenn diese nicht durch Anpassung der Begleitmedikation behoben werden konnte. Primärer Endpunkt kombinierter Endpunkt aus „Verschlechterung der Herzinsuffizienz“ (notfallmäßige stationäre Aufnahme oder ambulante ärztliche Behandlung mit i. v. Therapie der Herzinsuffizienz) oder kardiovaskulärem Tod Patientenrelevante sekundäre Endpunkte Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Morbidität, renale Morbidität, gesundheitsbezo- gene Lebensqualität und unerwünschte Ereignisse (UE) Patientencharakteristika Ein relevanter Anteil der Patienten kommt aus Europa (ca. 45 %). Die Patientencharak- teristika zwischen den Armen sind ausgeglichen (siehe Tabelle 2). Das mittlere Alter der Patienten ist in der Studie DAPA-HF mit 66 Jahren etwas geringer als das Alter der Ziel- gruppe in der deutschen Versorgung (laut Kassendatenanalyse 71 Jahre). Frauen sind mit 23 % nur leicht unterrepräsentiert, da HFrEF (Heart Failure with reduced Ejection Fraction) häufiger Männer betrifft. Etwa ein Drittel der Patienten erhalten eine Device- Therapie (ICD/CRT). Es ist anzunehmen, dass bei deutlich mehr Patienten eine Device- Therapie entsprechend den Kriterien der NVL Herzinsuffizienz indiziert wäre (1). Insgesamt ist aus Sicht der AkdÄ für Patienten mit HFrEF und NYHA II/III eine Übertrag- barkeit der Ergebnisse auf die deutsche Versorgungssituation gegeben. Die Aussage- kraft der Studienergebnisse für Patienten mit NYHA IV ist begrenzt, da diese nur 1% der Studienpopulation ausmachten. Tabelle 2: Patientencharakteristika in der Studie DAPA-HF (Baseline) Dapagliflozin Placebo Diabetes mellitus Typ 2 42 % 42 % ischämische Ätiologie HF 55 % 57 % LVEF, MW (SD) 31 (7) 31 (7) NYHA II 68 % 67 % NYHA III 31 % 32 % Stand: 22. März 2021 Seite 7 von 13
Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Dapagliflozin (nAWG chronische Herzinsuffizienz) Dapagliflozin Placebo NYHA IV 1% 1% VHF 24 % 24 % systolischer RR, MW (SD) 122 (16) mmHg 122 (16) mmHg Herzfrequenz/min, MW (SD) (3) 72 (12) 72 (12) eGFR ≥ 60 (ml/min/1,73 m²) 59 % 59 % NT-proBNP, median 1428 pg/ml 1446 pg/ml ICD (3) 26 % 26 % CRT (3) 8% 7% eGFR: geschätzte Glomeruläre Filtrationsrate; HF: Herzinsuffizienz; LVEF: linksventrikuläre Ejektionsfraktion; MW: Mit- telwert; NYHA: New York Heart Association; RR: Blutdruck; SD: Standardabweichung; VHF: Vorhofflimmern Die Therapie der Herzinsuffizienz wurde im Studienverlauf bei knapp der Hälfte der Pa- tienten verändert (47 % unter Dapagliflozin, 50 % unter Placebo). Dabei wurden im Ver- lauf geringfügig mehr Patienten mit ARNI behandelt als zu Studienbeginn (15 % im Da- pagliflozin-Arm und 16 % im Placebo-Arm). Welche weiteren Veränderungen der Thera- pie im Verlauf der Studie vorgenommen wurden, bspw. bei den Dosierungen der ACE- Hemmer, ARB, Betablocker, MRA und Diuretika, ist den Unterlagen des pU nicht zu entnehmen. Tabelle 3: Therapie der Herzinsuffizienz in der Studie DAPA-HF (Baseline) Dapagliflozin Placebo ACE-Hemmer 56 % 56 % ARB 28 % 27 % Betablocker 96 % 96 % MRA 71 % 71 % Diuretika 93 % 94 % ARNI 11 % 11 % Digitalis (3) 19 % 19 % ACE: Angiotensin-konvertierendes Enzym; ARB: Angiotensinrezeptorblocker; ARNI: Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin- Inhibitor; MRA: Mineralokortikoidrezeptor-Antagonist Die Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 war zu Studienbeginn ausgeglichen zwischen den beiden Studienarmen. Es liegen keine Angaben vor zur Hintergrundtherapie von Stand: 22. März 2021 Seite 8 von 13
Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Dapagliflozin (nAWG chronische Herzinsuffizienz) Hypertonie, Herzrhythmusstörungen, koronarer Herzkrankheit und Hypercholesterinä- mie. Eignung der Studie zur Nutzenbewertung Laut IQWiG ist die ZVT eingeschränkt umgesetzt, da lediglich ein geringer Anteil der Patienten ARNI erhielt. Bei ca. 8 % der Patienten lagen laut pU Kontraindikationen für die Gabe eines ARNI vor (Hyperkaliämie, Hypotonie, Niereninsuffizienz). Bei der Mehr- zahl der Patienten (ca. 78 %) verweist der pU lediglich auf die bereits bestehende Be- handlung der Patienten mit einem ACE-Hemmer oder ARB, da laut finalem Protokoll der Studie vom 27. Oktober 2017 eine Behandlung mit ACE-Hemmern, ARB oder ARNI ein gleichwertiges Einschlusskriterium darstellt. [IQWiG Dossierbewertung, S. 16–18; Dossier pU, Mo- dul 4A, S. 80–81, S. 307–315] Aus Sicht der AkdÄ kann die Studie DAPA-HF nur dann zur Bewertung des Zusatznut- zens herangezogen werden, wenn die Eskalation auf ARNI kein zwingender Bestandteil einer „optimierten Standardtherapie“ ist. Die in der NVL vorgenommene Differenzierung zwischen Basistherapie (starke Empfehlung) und Eskalation auf ARNI (abgeschwächte Empfehlung) mit der Maßgabe, das Nebenwirkungsprofil von ARNI bei der Therapieent- scheidung zu berücksichtigen, spricht nach Ansicht der AkdÄ dafür, dass dem Einsatz von ARNI unter den Standardtherapieoptionen eine Sonderstellung zukommt. Diese Sonderstellung spiegelt sich auch in den vergleichsweise geringen Verordnungszahlen in der Versorgung wider. Entscheidend für die Eignung der Studie DAPA-HF zur Bewertung des Zusatznutzens ist aus Sicht der AkdÄ die insgesamt ausreichende Umsetzung der Basistherapie. Na- hezu alle Patienten erhielten in der Studie DAPA-HF eine Kombinationstherapie aus ei- nem ACE-Hemmer bzw. ARB, einem Betablocker und Diuretika, 71 % zusätzlich einen MRA. Gewisse Unsicherheiten ergeben sich dadurch, dass bei 14 % (Dapagliflozin) bzw. 15 % (Placebo) der Patienten die Gründe für die Nichtbehandlung mit einem MRA un- zureichend beschrieben sind („andere Gründe“) und keine Angaben zu den Dosierungen der Medikation vorliegen. Aufgrund der bekannten diuretischen Wirkung von Dapagliflo- zin wären insbesondere Angaben zur Dosierung der Diuretika und zu ihrer Modifikation im Studienverlauf relevant. Herzfrequenz und Blutdruck sprechen für eine bei Studien- beginn gut vorbehandelte Patientengruppe. Allerdings nehmen Körpergewicht und Blut- druck unter Placebo geringgradig, aber signifikant stärker zu als unter Dapagliflozin, was auf eine weniger intensive diuretische Therapie in der Kontrollgruppe hinweisen könnte (siehe unten). Endpunkte (Dapagliflozin vs. Placebo) Die folgenden Angaben beziehen sich auf die gesamte Studienpopulation der Studie DAPA-HF. Die Beobachtungsdauer ist für alle Endpunkte (Effektivität und Sicherheit) ähnlich und zwischen den Studienarmen ausgewogen. [IQWiG Dossierbewertung, S. 26–37, S. 58–61; Dossier pU, Modul 4A, S. 91–248] Stand: 22. März 2021 Seite 9 von 13
Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Dapagliflozin (nAWG chronische Herzinsuffizienz) Gesamtmortalität 11,6 % vs. 13,9 %; relatives Risiko (RR) 0,83 (95 % Konfidenzintervall [CI] 0,71– 0,97); p = 0,022 Es besteht eine signifikante Effektmodifikation für den Schweregrad der Herzinsuffizienz nach NYHA-Klasse (Interaktionstest: p = 0,0006) mit gegensätzlich gerichtetem Punkt- schätzer: NYHA II: 7,8 % vs. 12,0 %; RR 0,64 (95 % CI 0,51–0,80); p < 0,0001 NYHA III/IV: 19,7 % vs. 17,7 %; RR 1,12 (95 % CI 0,89–1,42); p = 0,3259 Kardiovaskuläre Mortalität 9,6 % vs. 11,5 %; RR 0,82 (95 % CI 0,69–0,98); p = 0,029 Es besteht eine signifikante Effektmodifikation für den Schweregrad der Herzinsuffizienz nach NYHA-Klasse (Interaktionstest: p = 0,0023) mit gegensätzlich gerichtetem Punkt- schätzer: NYHA II: 6,2 % vs. 9,7 %; RR 0,63 (95 % CI 0,49–0,81); p = 0,0003 NYHA III/IV: 16,6 % vs. 15,2 %; RR 1,09 (95 % CI 0,85–1,41); p = 0,4848 Es besteht zudem eine signifikante Effektmodifikation durch die Höhe der NT-proBNP- Spiegel als Marker für den Schweregrad einer Herzinsuffizienz (Interaktionstest: p = 0,0247) mit gleich gerichtetem Punktschätzer: NT-proBNP ≤ Median: 4,4 % vs. 7,4 %; RR 0,60 (95 % CI 0,42–0,84); p = 0,0027 NT-proBNP > Median: 14,8 % vs. 15,6 %; RR 0,94 (95 % CI 0,76–1,15); p = 0,5411 Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz 9,7 % vs. 13,4 %; RR 0,70 (95 % CI 0,59–0,83); p < 0,001 Es besteht keine signifikante Effektmodifikation für den Schweregrad der Herzinsuffizi- enz nach NYHA-Klasse (lediglich eine Tendenz ist erkennbar, Interaktionstest: p = 0,0773). Weitere Endpunkte von Interesse: Körpergewicht (Veränderung Baseline zu Monat 8), Mittelwert –0,88 kg vs. +0,10 kg; p < 0,001 (3) Systolischer RR (Veränderung Baseline zu Monat 8), Mittelwert –1,92 mmHg vs. –0,38 mmHg; p = 0,002 (3) Bezüglich folgender Endpunkte besteht kein statistisch signifikanter Unterschied: Myokardinfarkt Schlaganfall Stand: 22. März 2021 Seite 10 von 13
Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Dapagliflozin (nAWG chronische Herzinsuffizienz) renale Morbidität (anhaltende eGFR-Abnahme um 50 %, Nierenerkrankung im End- stadium, renaler Tod) Eine anhaltende eGFR-Abnahme um 50 % war numerisch geringfügig seltener unter Dapagliflozin (0,6 % vs. 1,0 %; p = 0,126). Bezüglich der Zeit bis zum ersten Erreichen einer Verdopplung des Serum-Kreatinin-Spiegels bestand ein statistisch signifikanter Unterschied zugunsten von Dapagliflozin (1,8 % vs. 3,2 %; RR 0,55; 95 % CI 0,38–0,80; p = 0,0014). Aufgrund der engen Interaktion zwischen Herz- und Nierenfunktion ist un- klar, ob diese Effekte auf eine nephroprotektive Wirkung hinweisen oder ob die gering- fügig verbesserte Nierenfunktion Folge der verbesserten Herzfunktion war. Für den Endpunkt Gesundheitszustand, erhoben über Patient Global Impression of Change (PGIC), Patient Global Impression of Severity (PGIS) und die visuelle Ana- logskala (VAS) des European Quality of Life Questionnaire – 5 Dimensions (EQ-5D), liegen keine verwertbaren Daten vor. Dies gilt ebenso für die Endpunktkategorie gesund- heitsbezogene Lebensqualität, erhoben über den Gesamtsummenscore (OSS) des Kan- sas City Cardiomyopathy Questionnaire (KCCQ). Es liegen durch den pU ungeklärte Diskrepanzen zwischen Rückläufen zu Monat 24 und Patientinnen und Patienten unter Risiko zu Monat 24 vor. Sicherheit Schwerwiegende UE 27,8 % vs. 30,7 %; RR 0,90 (95 % CI 0,83–0,99); p = 0,025 Abbruch wegen UE 4,7 % vs. 4,9 %; RR 0,96 (95 % CI 0,74–1,23); p = 0,733 Harnwegsinfektion 1,9 % vs. 2,0 %; RR 0,94 (95 % CI 0,62–1,41); p = 0,750 Erkrankungen Geschlechtsorgane/Brustdrüse 1,4 % vs. 1,4 %; RR 1,00 (95 % CI 0,62–1,62); p = 0,999 Diabetische Ketoazidose 3 vs. 0; RR 7,00 (95 % CI 0,36–135,44); p = 0,097 Erkrankungen der Atemwege, des Brustraums und Mediastinums 2,4 % vs. 3,7 %; RR 0,65 (95 % CI 0,47–0,90); p = 0,010 Symptome eines Volumenmangels 7,5 % vs. 6,8 %; RR 1,10 (95 % CI 0,90–1,35); p = 0,3674 Stand: 22. März 2021 Seite 11 von 13
Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Dapagliflozin (nAWG chronische Herzinsuffizienz) Bewertung von Effektivität und Sicherheit Die vorliegenden Daten zeigen keine signifikante Zunahme von UE unter Dapagliflozin. Numerisch gehäuft traten Symptome eines Volumenmangels auf (7,5 % vs. 6,8 %) sowie sehr selten Fälle einer Ketoazidose (3/2373 = 0,1 %). In der Studie DAPA-HF wurden nicht alle UE systematisch erhoben. Nichtschwerwiegende UE wurden nur dann erho- ben, wenn sie zum Therapieabbruch oder einer Dosisreduktion führten oder zu einer vom pU prädefinierten Auswahl von UE gehörten. Die UE können deshalb nicht vollstän- dig beurteilt werden. So wurden beispielsweise nichtschwere Genitalinfektionen in der Studie DAPA-HF nicht erfasst, obgleich sie in früheren Studien unter Dapagliflozin sig- nifikant gehäuft auftraten (4). Die Vorteile für Dapagliflozin bei „schweren UE“ und „Er- krankungen der Atemwege, des Brustraums und Mediastinum“ sind am ehesten mit der Reduktion von Symptomen der Herzinsuffizienz zu erklären. Dapagliflozin senkte in der Gesamtpopulation signifikant die Mortalität und die Rate an Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz. Diese Effekte waren bei Patienten ohne Diabetes mellitus Typ 2 im gleichen Ausmaß nachweisbar wie bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2. Es bestand jedoch eine signifikante Effektmodifikation der Mor- talität durch den Schweregrad der Herzinsuffizienz nach NYHA-Klasse. Während bei Patienten mit NYHA-Klasse II die Mortalität signifikant um 4,2 % reduziert wurde, fand sich bei Patienten mit NYHA-Klasse III/IV kein signifikanter Effekt, vielmehr wurde die Mortalität numerisch gegenläufig beeinflusst. Bezüglich der Rate an Hospitalisierungen zeigte sich eine signifikante Reduktion in der Gesamtgruppe, ohne dass das NYHA- Stadium einen Effektmodifikator darstellte. Aus Sicht der AkdÄ wären ebenfalls Subgrup- penanalysen zu Patienten mit Device-Therapie und mit begleitenden Klappenvitien von Interesse gewesen. Eine Subgruppenanalyse zu Patienten ohne MRA hätte Hinweise darauf geben können, ob eine unvollständig umgesetzte Basistherapie die Effekte von Dapagliflozin beeinflusst. Angaben zu diesen Subgruppen liegen nicht vor. Das Studiendesign von DAPA-HF ermöglicht keinen direkten Vergleich von Dapagliflozin und ARNI als potenzielle Alternativen bei Patienten mit HFrEF, die trotz optimierter Ba- sistherapie symptomatisch sind. Aus klinischer Sicht erscheint Dapagliflozin jedoch vor- teilhaft bei gleichzeitig vorliegendem Diabetes mellitus Typ 2 und bei Patienten mit hy- potonen Blutdruckwerten. Weitere Studien müssten neben einem direkten Vergleich von Dapagliflozin und ARNI auch klären, ob (und wenn ja in welcher Reihenfolge) eine Es- kalation mit beiden Medikamentengruppen patientenrelevante Endpunkte positiv beein- flusst. Ausmaß und Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens Das IQWiG sieht für Patientinnen und Patienten mit symptomatischer, chronischer Herz- insuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion einen Anhaltspunkt für einen nicht quantifi- zierbaren Zusatznutzen von Dapagliflozin plus optimierte Standardtherapie gegenüber der optimierten Standardtherapie. Diese Einschätzung begründet das IQWiG mit der un- vollständigen Erfassung der UE in der Studie DAPA-HF sowie den unzureichenden An- gaben zu Therapieanpassungen. Insbesondere sei unklar, welchen Einfluss die geringe Anwendung von ARNI auf die gezeigten Effekte habe. Stand: 22. März 2021 Seite 12 von 13
Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Dapagliflozin (nAWG chronische Herzinsuffizienz) Die AkdÄ bewertet den Zusatznutzen von Dapagliflozin gegenüber einer optimierten Ba- sistherapie der Herzinsuffizienz, die mindestens eine Kombination aus ACE- Hemmer/ARB mit Betablockern und MRA sowie eine suffiziente Therapie mit Diuretika beinhaltet. Sie berücksichtigt bei der Beurteilung des Ausmaßes des Zusatznutzens die signifikante Effektmodifikation der Mortalität durch den Schweregrad der Herzinsuffizi- enz nach NYHA-Klasse. Das Ausmaß des Zusatznutzens von Dapagliflozin bei Patien- ten mit NYHA-Klasse II wird als beträchtlich beurteilt, da bei diesen Patienten unter Da- pagliflozin die Gesamtmortalität signifikant um 4,2 % reduziert war. Bei Patienten mit NYHA-Klasse III/IV wurde die Mortalität hingegen nicht signifikant beeinflusst, vielmehr zeigte sich ein numerisch gegenläufiger Effekt. Eine signifikante Wirkung auf patienten- relevante Endpunkte bestand bei Patienten im NYHA-Stadium III/IV lediglich bezüglich der Hospitalisierungsrate. Die AkdÄ schätzt deshalb das Ausmaß des Zusatznutzens von Dapagliflozin bei Patienten mit NYHA-Klasse III/IV nur als gering ein. Aus Sicht der AkdÄ kann lediglich ein Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen vorliegen, da die Aussagesicherheit der Studie DAPA-HF eingeschränkt ist durch oben beschriebene Unsicherheiten bezüglich der Umsetzung der Basistherapie: Knapp 30 % der Patienten erhielten keinen MRA, davon ca. die Hälfte der Patienten aus unklaren Gründen. Außer- dem liegen keine Angaben zu den Dosierungen und der Modifikation der Begleittherapie vor. Eine individuell unzureichende Dosierung von Diuretika könnte beispielsweise die Hospitalisierungsrate mitbeeinflusst haben. [IQWiG Dossierbewertung, S. 5–8, S. 21–39] Fazit Die AkdÄ sieht einen Zusatznutzen von Dapagliflozin bei Patientinnen und Patienten mit symptomatischer, chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion (LVEF ≤ 40%), die unter einer optimierten Basistherapie der Herzinsuffizienz und der Komorbi- ditäten (Diabetes mellitus, Hypertonus etc.) weiterhin symptomatisch sind. Die optimierte Basistherapie der Herzinsuffizienz beinhaltet mindestens eine Kombination aus ACE- Hemmer/ARB mit Betablockern und MRA sowie eine suffiziente Therapie mit Diuretika. Das Ausmaß des Zusatznutzes von Dapagliflozin wird von der AkdÄ für Patienten im NYHA-Stadium II als beträchtlich, für Patienten im NYHA-Stadium III/IV als gering beur- teilt. Aufgrund der aufgeführten Einschränkungen sieht die AkdÄ als Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens für beide Patientengruppen lediglich einen Anhaltspunkt. Literaturverzeichnis 1. Nationale Versorgungsleitlinie: Chronische Herzinsuffizienz – Langfassung. 3. Auflage, Version 2. https://www.leitlinien.de/nvl/herzinsuffizienz/chronische-herzinsuffizienz/#. Ärztliches Zentrum für Quali- tät in der Medizin (ÄZQ); AWMF-Reg-Nr.: nvl-006. Oktober 2019. 2. European Medicines Agency (EMA): Forxiga® – Dapagliflozin: CHMP extension of indication variation assessment report (EPAR) (Assessment Report): https://www.ema.europa.eu/documents/variation-re- port/forxiga-h-c-2322-ws-1737-epar-assessment-report-variation_en.pdf (letzter Zugriff: 11. März 2021). Amsterdam, 26. November 2020. 3. McMurray JJV, Solomon SD, Inzucchi SE et al.: Dapagliflozin in patients with heart failure and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2019; 381: 1995-2008. 4. Zinman B, Wanner C, Lachin JM et al.: Empagliflozin, cardiovascular outcomes, and mortality in type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 2117-2128. Stand: 22. März 2021 Seite 13 von 13
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