Aus Verzicht wird Reichtum - Fastenzentrum Kirstein
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Leben und leben lassen Aus Verzicht wird Reichtum Susanne Kirstein lädt ein zu Fastenwanderwochen Hannelore Summer einen Tisch. Kerzen, kleine Vasen urlaub. Augen zu, dreißigmal kauen: mit flammenden Rosen, flammen- Zuerst rinnt der süße Apfelsaft durch M ittagsstille. Gedämpfte Son- des Weinlaub. Rote Äpfel auf kleinen den Mund, das Fruchtfleisch knackt, ne am herbstblauen Him- Tellern, dazu Obstmesser mit hellro- dann kommt die Schale zwischen mel, draußen. Drinnen rinnt tem Griff. Fastenbrechen. Wie wich- die Zähne. Und dann ist nichts mehr lautlos eine Träne über eine Wange, tig ein Apfel sein kann! Mit leisem da. Vom Apfel im Munde. Von der ein T-Shirt bekommt einen dunklen Knirschen schneiden neun Messer Fastenwoche schon: Zufriedenheit, Flecken, lautlos wandert ein Papier- die Äpfel in Schnitze. Dreißigmal tiefe innere Ruhe, Demut, Freude, taschentuch über einem Tisch von solle man jeden Bissen kauen, hat Selbstfindung, die Dankbarkeit, dass einer Hand in eine andere. Ein Blick, Susanne Kirstein empfohlen, das es mehr gibt und die Überraschung, ein Lächeln. Dankbarkeit. Sieben entlaste den Magen und den Darm. dass man mit so wenig so gut aus- Frauen und zwei Männer sitzen um Die hatten jetzt fünf Tage Erholungs- kommt. 44 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 01 . 2020
Leben und leben lassen Farbenfroh und appetitanre- bestimmte Wege oder an bestimmte nigungsprozess beim Fasten. Kirstein gend sind die Fastensuppen Orte. Abseits dieser Wege gebe es lebt in München und bietet auch in von Susanne Kirstein. im Bayerischen Wald ein großes We- München Fastenkurse an, home-fas- (Foto: Fastenzentrum Kirstein) genetz und viele schöne Plätze, wo ten im Alltag. Für die Wanderfasten- Gäste die Ruhe genießen können. woche findet sie den Bayerischen Kirstein hat lange gesucht, bis sie das Wald sehr reizvoll, so ursprünglich Seminarhaus Naturpension gefunden und ruhig, eine schöne Atmosphäre. Ihre Bekannten haben nicht verstan- hat, am Rande von Regen. Natur war Keine schreienden Reize, nur Vogel- den, dass sie Geld bezahle für einen ihr wichtig, Ruhe, dass die Gruppe zwitschern. Ab vom Schuss, aber Urlaub, in dem sie nichts zum Essen alleine ist im Haus und dass jedes doch gut erreichbar, sogar mit dem bekomme, erzählt Renate, Rentnerin Zimmer ein eigenes Bad hat. Die Zug. Sonja, die gute Fee im Haus, aus München. Nur Gemüsesuppe Sauna im Haus unterstützt den Rei- deckt den Tisch mit viel Geschick und oder Brühe, Tee und Wasser, kaum mehr als 350 oder 500 Kalorien am Tag. Aber sie habe so viel anderes bekommen. Zeit für sich. Die fürsorg- liche Aufmerksamkeit von Fasten- leiterin Susanne Kirstein. Die Wan- derungen mit den Waldführerinnen. Den Bayerischen Wald, den Wald und die offene Landschaft, die Ruhe, den Geruch, Wind im Gesicht, die Farben, die Geräusche. Feinere Sinne. Schrit- te im Laub, Gurgeln von Wasser, auf dem Weg riecht jedes Waldstück an- ders. Der Münchnerin gefällt, dass der Bayerische Wald nicht so überlau- fen ist wie ihre Hausberge. Da wird der Mangel zum Reichtum. Zur Ruhe kommen Der Tourismus sei ein wichtiger Wirt- schaftsfaktor im Bayerischen Wald, sagt Ulrike Eberl-Walter, Pressespre- cherin des Tourismusverbands Ost- bayern. Aber er müsse verträglich bleiben, da seien Ruhe und Naturer- lebnis tragende Säulen. Die Regie- rung von Niederbayern fördere seit vielen Jahren Investitionen in die Qualität, nicht in die Quantität. Ob- wohl die Zahl der Betten zurückge- he, bleibe mehr Geld in der Region, so Eberl-Walter. Der Goldsteig, die Mountainbikestrecke Transbayerwald und Angebote in Touristenzentren wie etwa Bodenmais oder dem Na- tionalpark lenken die Besucher auf Die Waldführerinnen haben Wege mit kleinen Besonderheiten aus- gesucht, wie hier eine große, alte Buche. (Foto: H. Summer) Nr.: 01 . 2020 Schöner Bayerischer Wald 45
Leben und leben lassen Die Fürsorge von Susanne Kirstein (3. v. re.) und Suppenköchin Sonja (5. v. re.) hat die Gruppe durch die Fastenwoche getragen. (Foto: H. Summer) Am ersten Tag der Fastenwoche ent- leeren die Teilnehmerinnen und Teil- nehmer mit Abführsalz ihren Darm. Die tägliche Toilette bleibt ein wich- tiges Thema, nach dem Morgenritual mit Wechselduschen und Bürsten- massage kann ein Einlauf helfen. „Fasten ist ein Reinigungsprozess“, sagt Kirstein. Überschüssige Säuren und Rückstände, die in Binde- und Fettgewebe eingelagert waren, wer- den frei. Der Körper habe zu tun, Hingabe. Suppen und Brühe bekom- das können unter anderem Überge- sie abzubauen und auszuscheiden. men eine sinnliche Bühne. „Die Su- wicht, Migräne, Gelenkschmerzen, Eine warme Wärmflasche unterstützt sanne kommt nach der Fastenwoche Neurodermitis oder Verdauungsbe- nach der Mittagsmahlzeit die Leber sehr zufrieden und erfüllt heim“, hat schwerden sein. Aber eigentlich tue bei ihrer Arbeit. ihr Mann Jan-Dirk Hansen beobach- es jedem gut, gelegentlich zu fasten, Im Stuhlkreis schaut sie den Fasten- tet. Kirstein fastet nicht, wenn sie die findet sie. Mit dem Fasten müsse den in die Augen. „Wie geht es Euch? Gruppen mit bis zu 14 Teilnehmerin- man nicht warten, bis Beschwerden Wie habt Ihr geschlafen?“ Gibt es Be- nen und Teilnehmern begleitet. Da auftreten. schwerden, die sie mit Naturheil- oder ist sie verantwortlich, da gilt ihre Auf- Mitte Oktober haben sich zwei Män- homöopathischen Mitteln lindern merksamkeit den Fastenden. ner und sechs Frauen zur Fasten- kann? Kirsteins Konzept besteht aus vier Puzzleteilen: Fasten, Homöopa- thie, Bewegen und Entschleunigen sowie Ernährungswissen, damit es „Fasten, Entschleunigung, Ruhe, wenig Reize, nach der Fastenwoche gut weiter da passiert auch in der Seele ganz viel.“ geht. Sie hat die Suppen, Brühen und Tees so zusammengestellt, dass der Körper alle wichtigen Mineralstoffe und Vitamine bekommt. Heilerde Kirstein hat Ernährungswissenschaf- woche am Stadtrand von Regen ge- lindert Sodbrennen, Chlorella-Algen ten studiert. Ihre Leidenschaft gilt troffen. Julia aus St. Michaelisdorn helfen bei der Entgiftung, die Mor- der gesunden und genussvollen bei Büsum an der Nordseeküste ist gengymnastik bringt den Kreislauf in Ernährung. Als Heilpraktikerin und zum vierten Mal dabei. Die weite Schwung. Wer will, kann nachmittags Homöopathin bringt sie Gesundheit Anreise gibt der systemischen Be- eine Massage genießen. und Ernährung zusammen. Nach raterin Distanz zu ihrem Alltag. Ihr „Man braucht Zeit, man hat Zeit“, ihrer getakteten Arbeit in einem Ver- Beruf und zwei Kinder im Vor- und sagt Franz. Bis zu seiner Rente hat lag wollte sie in einem Rhythmus le- Grundschulalter auf dem Milchvieh- er eine Spedition geleitet. In der Fas- ben, der ihr gut tut, und vermitteln, betrieb ihres Mannes fordern sie den tenwoche genießt er es, Dinge kom- wovon sie überzeugt ist. Sie findet, ganzen Tag. Tapetenwechsel von der men zu lassen und nicht reagieren zu dass Fasten ein guter Impuls ist, ein Nordseeküste in den Bayerischen müssen. Zeit haben, Landschaft ge- Neustart für Körper und Seele. „Wer Wald, vom Alltag in die Stille, von re- nießen, das ist auch das Motto der stark, gesund und jung bleiben will, gelmäßigen Mahlzeiten ins Fasten. Wanderungen am Vormittag. Mit den sei mäßig, übe den Körper, atme Kirstein empfiehlt vor dem eigentli- Waldführerinnen Angelika Böttcher, reine Luft und heile sein Weh eher chen Fasten den Verdauungsorga- Gabriele Kreuzer, Regina Kölbl und durch Fasten als durch Medikamen- nen zwei Entlastungstage zu gönnen, Rosemarie Schreiner von Pro Natio- te.“ Diesen Leitspruch hat sie sich keinen Kaffee mehr, keinen Alkohol, nalpark hat Kirstein leichte Wande- bei Hippokrates abgeschaut. „Weh“, leicht Verdauliches mit wenig Salz. rungen zusammengestellt. Nicht zu 46 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 01 . 2020
Leben und leben lassen weit sollen sie sein, die Wege leicht Versuchen, ein Reh zu töten, um es Die Stoffwechselhormone werden begehbar, höchstens 150 Höhenme- zu fressen, gehen acht schief. Aber wieder herunterreguliert, Rezepto- ter. Mal geht es am Regen entlang, es funktioniert: Auch wenn man sie ren wieder sensibler. Wenn sie keine mal nach Langdorf, Angelika Böttcher kaum sieht, Luchse sind wieder da. Energie von außen bekommen, ver- führt die Gruppe rund um die Ruine dauen die Zellen defekte Moleküle, Weißenstein. Vorbei an der Kapelle Geborgenheit in der Gruppe Fachleute nennen diesen Reinigungs- mit den Totenbrettern, einen Steig prozess Autophagie. Michalsen hat über Wurzeln hinab durch lichten Der Blick öffnet sich. Da ist sie wieder, oft beobachtet, dass auch in der See- Fichtenwald, über Wiesen, vorbei an die Ruine, wie gemalt vor dem blauen le viel passiert, wenn die Routine der Gehöften, bergauf durch einen dich- Himmel. Geschafft! Isabell freut sich, regelmäßigen Mahlzeiten durchbro- ten Fichtenwald, zu einer sonnigen dass sie sich aufgerafft hat und mit- chen wird. Sehr oft werde das positiv Lichtung, bergab zu einer uralten, gegangen ist, obwohl sie sich nach erlebt, wenn in so einer Zeit auch Le- mächtigen Buche. Auf der weißen fünf Fastentagen schwach gefühlt bensfragen aufbrechen, die beantwor- Quarzader, die der Burg ihren Namen hat. Das Gehen und die Landschaft tet werden wollen. gegeben hat, wachsen Kiefern, licht, haben ihr gut getan. In der Gruppe hat Susanne Kirstein entlässt nach der fast wie am Mittelmeer. „Eine gute sie sich geborgen gefühlt. Wanderfastenwoche andere Men- Zeit für besondere Menschen“, findet „Fasten ist die wirkungsvollste Me- schen nach Hause als die, die in Re- Böttcher. So hat sie die Wege aus- dizin, um chronische Krankheiten gen angekommen sind. Im Gepäck gesucht. Sie hat die ruhige Gruppe zu heilen“, sagte Professor Andreas haben sie viele Ernährungstipps für im Blick, ermuntert, passt auf, dass Michalsen, Professor für Klinische die ersten Tage und auch für später. niemand verloren geht. Wie es sich Naturheilkunde an der Charité Univer- Und sich selber, etwas leichter, aber ergibt, erzählt sie über Bräuche, die sitätsmedizin Berlin in der 3-Sat-Sen- mit vielen intensiven Erfahrungen und Geschichte oder die Natur im Bayeri- dung Scobel im Januar 2019. Eigent- Impulsen. n schen Wald. Leicht soll es sein. Der lich seien alle Lebewesen auf ein Luchs faste auch, sagt sie. Von zehn Leben mit Fastenzeiten eingestellt. www.fastenzentrumkirstein.de Möhren-Ingwer-Suppe Für vier Portionen Zubereitungszeit: ca. 50 Minuten 900 g Möhren 100 g Kartoffeln 20 g frische Ingwerwurzel 1 Zwiebel 2 TL Öl 1 geh. TL Kurkumapulver 0,75 l heiße Gemüsebrühe (salzfrei) 1,25 l Wasser 300 ml Möhrensaft (frisch gepresster Saft von 4 Möhren) 1–2 EL Zitronensaft frisch gemahlener schwarzer Pfeffer reichlich fein gehackte Kräuter, wie z.B. Schnittlauch oder Petersilie zum Bestreuen Zunächst Möhren putzen und ggf. mittlerer Hitze hellbraun dünsten. Hitze 15-20 Minuten weich garen. schälen. Kartoffeln schälen. Möh- Möhren, Kartoffeln und Ingwer Zitronensaft auspressen. Suppe ren und Kartoffeln in 1 Zentimeter zugeben und bei milder Hitze fünf mit einem Schneidstab oder im große Stücke schneiden. Ingwer Minuten ebenso mitdünsten. Mixer fein pürieren. Mit Zitro- dünn schälen und fein hacken. Möhren-Kartoffeln mit Kurkuma nensaft und frisch gemahlenem Zwiebeln schälen und fein würfeln. bestäuben und unterrühren. Brühe Pfeffer abschmecken. Mit reich- Öl in einem weiten Topf erhitzen, und Möhrensaft zugeben, zuge- lich frisch gehackten Kräutern Zwiebeln darin unter Rühren bei deckt aufkochen und bei mittlerer bestreuen und servieren. Nr.: 01 . 2020 Schöner Bayerischer Wald 47
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