Ausblick auf das Jahr 2019 im Öffentlichen Personenverkehr
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10 Aktuelles Ausblick auf das Jahr 2019 im Öffentlichen Personenverkehr Statements der Fachbeiratsmitglieder der Nahverkehrs-praxis über die zu erwartenden Entwicklungen in der Verkehrsbranche im Jahr 2019. Trend zurück zu mehr Urbanität, umweltfreundlicher Nahmobi- dem Rad- und Fußverkehr so- lität und Flexibilität in der Wahl des optimalen Verkehrsmittels wie dem Car- und Bikesharing Entwicklungen bei Verkehrs- kombiniert. Hierzu müssen wir systemen und Mobilitätsan- die Angebote des ÖV nachhal- geboten sind derzeit weltweit tig ausbauen, finanzieren und unter anderem gekennzeich- tariflich weiterentwickeln. net durch Stichworte wie Und wir müssen Information, MaaS (Mobility as a Service), Tarif, Vertrieb und Mehrwert- Automatisierung, Digitali- dienste in digitalen Anwen- sierung und Künstliche In- dungen zusammenführen, um José-Luis Castrillo, telligenz – zumindest, wenn Nahverkehrskunden den Zu- Vorstand Verkehrsverbund man sich in der Forschungs- gang zum ÖV zu erleichtern Rhein-Ruhr (VRR) Prof. Dr. Fritz Busch, landschaft umsieht. Dies und ihn intuitiv nutzbar zu Techn. Universität München, geht einher mit einem er- Lehrstuhl für Verkehrstechnik machen. Nicht zuletzt ist die Mobilitätswende auch eng kennbaren Wandel in der mit einer erfolgreichen Energiewende verknüpft – ob es uns Einstellung dazu, wie wir als Verkehrsteilnehmer Mobilität also gelingt, den ÖPNV nach und nach auf klimafreundliche ausüben und seitens der Städte gestaltet sehen wollen. Antriebstechnologien umzustellen. In den Kommunen fahren Ein klarer Trend ist sichtbar zurück zu mehr Urbanität, um- bereits seit vielen Jahren Hybrid-, teilweise sogar rein elekt- weltfreundlicher Nahmobilität und Flexibilität in der Wahl risch betriebene Busse. Hier benötigen wir weitere finanzielle des optimalen Verkehrsmittels, aus einer zunehmenden Viel- Mittel von Land und Bund, um die kommunalen Busflotten falt neuer Möglichkeiten. weiter auf elektrische Antriebe umstellen zu können. Und auch Auch wenn man nicht alles bedingungslos gut heißen mag, im SPNV rüsten wir nun Züge mit innovativen Antrieben aus. was sich aus den ziemlich rasanten technischen Fortschritten Die Verkehrswende ist eine Gemeinschaftsaufgabe: Die Politik (nicht nur) im Verkehrsbereich abzeichnet, so empfinde ich muss auf allen Ebenen die Mobilitätswende mutiger angehen insgesamt die Entwicklung als sehr positiv. Festzuhalten und die Verkehrsträger Bus, Bahn und Fahrrad auf Augenhöhe bleibt allerdings dabei auch, dass mit Zunahme der Möglich- mit dem Individualverkehr entwickeln. Der Öffentliche Verkehr keiten die Anforderungen an Verlässlichkeit von Mobilitäts- muss diesen Wandel aktiv mit gestalten. Und jeder Einzelne information und Zuverlässigkeit des ÖPNV-Systems insgesamt von uns kann durch sein Mobilitätsverhalten den Verkehr in weiter steigen – und für die Akzeptanz der Angebote beim der Region nachhaltig verändern. Verkehrsteilnehmer entscheidend sind. Hier bestehen sicher- lich hohe Erwartungen mit entsprechender Verantwortung bei Mehr Mut in der Politik Industrie und Verkehrsunternehmen. Die besten Konzepte Für 2019 erhoffe ich, dass und Angebote nutzen wenig, wenn sie auf Grund einer, aus die Betriebsqualität im Öffent- welchen Gründen auch immer, mangelhaften Qualität nicht lichen Personenverkehr besser angenommen werden. Damit es dazu nicht kommt, ist den wird. Die Verkehrswende ge- Beteiligten viel Erfolg in 2019 zu wünschen. lingt nur, wenn wir so zuverläs- sig und pünktlich wie möglich Verkehrswende: Eine Aufgabe für jeden von uns sind und den Fahrgast durch Der ÖPNV soll dem stetig steigenden Mobilitätsbedürf- Qualität überzeugen. Das ist Jürgen Fenske, Vorsitzender nis sowie dem Klimaschutz dienen und gleichzeitig den unsere eigene unternehmeri- des Vorstandes, Wirtschaftsstandort stärken. Gelingen kann dies nur mit einer sche Verantwortung. Aber wir Kölner Verkehrs-Betriebe Verkehrswende, die in vernetzten Lösungen den ÖPNV mit brauchen auch mehr Mut in der und VDV-Präsident i.R. Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 1/2-2019
11 Politik: Zum einen muß das Geld schneller fließen über eine ermöglichen, auf den eigenen Beschleunigung der Planungsverfahren durch eine Änderung Pkw zu verzichten. Ansätze des PBefG und zum anderen muss die Standardisierte Bewer- hierfür gibt es viele - sowohl tung für mehr kommunale Schieneninfrastruktur dringend im ÖPNV, als auch im Bereich weiterentwickelt werden. Es bleibt dabei: Die Beseitigung New Mobility. der Kapazitätsengpässe entscheidet über den Erfolg der Neue Angebote und Verkehrswende, nicht Debatten über ein 365 € Jahresticket. Offensive im ÖPNV Denn der Mobilitätsmarkt Die Mobilität der Zukunft - wächst weiter: neben laufen- Angebotsvielfalt statt Standardangebot den Erprobungen im Bereich Die Lebensqualität in unseren On Demand Shuttle wird 2019 Claudia Güsken, Städten zu steigern ist erklärtes auch MOIA in Hamburg mit Vorständin Personal und Betrieb, Ziel. Einen wesentlichen Beitrag einem Ride-Pooling-Angebot Hamburger Hochbahn AG dazu sollen smarte Mobilitäts- starten – zunächst mit bis zu konzepte leisten, die den Indi- 500 Fahrzeugen im Hamburger Stadtgebiet. Spannend für vidualverkehr reduzieren. Dabei Stadt, Verkehrsunternehmen und Kunden. ergänzen flexible Angebote, die Auch im ÖPNV wird sich zeigen, was die Angebots- sich am individuellen Bedarf des offensive bringt. Leistungsausweitungen von bis zu 50% bei Kunden orientieren, zunehmend der U-Bahn, die Umstellung auf Großraumgelenkbusse auf das ÖPNV-Standardangebot. hochfrequentierten Metrobuslinien und die Ausweitung enger Während in einigen Re- Dr. Jürgen Greschner, Takte soll die Attraktivität weiter steigern. Dafür braucht es Vorstand init SE und gionen dieser Welt private Geschäftsführer INIT GmbH natürlich qualifiziertes Personal: Wir schaffen allein 140 neue Unternehmen, sogenannte Stellen im Busbereich. Transport Network Companies, Digitale Angebote erleichtern Nutzung in Konkurrenz zu den ÖPNV-Betreibern treten, verstehen es Mit dem freien WLAN in Bussen und U-Bahnhaltestellen deutsche Verkehrsunternehmen zunehmend, diese Anbieter sowie USB-Ladebuchsen in neuen U-Bahn-Fahrzeugen und in ein regionales Gesamtangebot zu integrieren. So werden den CapaCity L steht die Basis für die Komfortsteigerung. Shared Mobility, First-Mile/Last-Mile Angebote, Ride-Pooling, Ein weiterer Schwerpunkt des kommenden Jahres: Die Ver- autonome Verkehre oder Bedarfsverkehr mit einem starken einfachung des Ticketing ohne Tarifkenntnisse. Das Check-in/ Linienverkehr zu einem intermodalen Serviceangebot vereint. Be-out-System wird einem intensiven Test unterzogen. Zudem Die Rolle der Verkehrsunternehmen umfasst dann auch die erfolgt die Umrüstung auf hochmoderne neue Fahrkartenau- eines Mobilitätsbrokers, der fremde mit eigenen Angeboten tomaten (Self-Service-Terminals). bündelt und vermarktet. 2019 erwarten die Kunden viele Verbesserungen im ge- Dazu ist es unerlässlich, die neuen Mobilitätsangebote in samten ÖPNV inklusive neuer Mobilitätsangebote. Es wird die zentralen Management-Werkzeuge der Verkehrsunterneh- sich zeigen, wie groß der Hebel für den weiteren Umstieg men einzubinden. Das bedeutet nicht zuletzt die Integration vom Auto sein wird. ins ITCS, denn nur damit wird man künftig in der Lage sein, alle Services effizient in einem System zu überwachen und Nah- und Regionalverkehr Anschlüsse zu sichern, etwa wenn Ride-Pooling-Angebote als Chancen Ausreden Ideen Zu- oder Abbringer zur Stadtbahn operieren. Unerlässlich sind „Ein Mensch mit Courage ist auch integrierte Informations-, Buchungs- und Bezahlplatt- so gut wie eine Mehrheit“. Im formen, die die neu entstehenden Reiseketten ermöglichen Nahverkehr gibt es nur selten und informativ begleiten. Mehrheiten, um in großen, Im Rahmen solcher vernetzter Architekturen können neue mutigen Schritten etwas zu Mobilitätsangebote erfolgreich in das Kerngeschäft der Ver- ändern. Also hoffen wir auf kehrsunternehmen eingebunden werden. Menschen mit Courage. Einige Beispiele, was sie angehen Nur ein starkes Angebot holt Autos von der Straße könnten: 22% der Hamburgerinnen und Hamburger nutzten laut 1. Alle reden vom Handy- Dr. Ute Jasper, BMVI-Mobilitätsstudie 2018 den ÖPNV. Gute Nachrichten, vor Ticket, manche führen es Rechtsanwältin, allem aber Ansporn zu weiteren Lösungen für Luftreinhaltung ein, - sogar mit Geo-Tracking Partnerin Sozietät und Klimaschutz. Lösungen, die es noch mehr Menschen und Check-In/Be-Out Funk- Heuking Kühn Lüer Wojtek Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 1/2-2019
12 tionen. Aber die Tarife hinken weit hinterher. Dabei wären Betreiber von Bahnen jedenfalls durch Verwendung bewährter sie die eigentliche Innovation. Elektronische Einzel- und Technologien sichergestellt werden kann – einerseits durch Dauer-Fahrkarten könnten zu bestimmten Zeiten günstiger Verwendung bereits bekannter Technologien nun in neuer angeboten werden, um die Nachfragespitzen zu entlasten. Form & Anordnung aber auch durch Kombination von Sensorik, 2. Alle reden davon, dass die Kapazitäten in den Leistungselektronik und Web-Applikationen, die ungeahnte Ballungsräumen keine höheren Nachfragen zulassen, dass Optimierungsmöglichkeiten für effizienzsteigernde und sicher- deshalb steuerfinanzierter ÖPNV unsinnig sei. Man könnte heitserhöhende Maßnahmen und Technologien ermöglichen. aber doch punktuell kostenlosen ÖPNV zulassen - in Vorstadt- Bussen, an Wochenenden, mittags und zu Tagesrandzeiten. Fit for „Mobility-as-a-Service“ (MaaS) 3. Alle reden von der maroden Infrastruktur. Kaum eine Wie Verkehrsunternehmen die Zukunft gestalten werden Regierung in Bund, Land oder Kommunen beginnt aber mit In der Stadt bewegt sich nachhaltigen Maßnahmen. Wie wäre es, Pendler-Pauschalen ein Auto statistisch mit 1,3 nur für Fahrgemeinschaften zu gewähren und mit dem Steu- Personen 45 Minuten am ergeld stattdessen jeweils Teilstrecken von Straßen- und Tag, Parkplatzsuche und Schienennetzen nachhaltig instandzuhalten? Es geht immer Stau inbegriffen. Die städ- um punktuelle Sanierung, um dann wieder auf den erneuten tische Infrastruktur ist am Verfall zu warten. Lebenszyklus-Projekte sind dringend erfor- Limit und wird auf Dauer derlich und eine gesteuerte Nutzung von knappen Gütern wie den Mobilitätsbedürfnis- Infrastruktur und sauberer Luft. sen nicht mehr gerecht Jedenfalls brauchen Nah- und Regionalverkehr neue, auch werden, feinstaubbedingte Dr. Tom Kirschbaum, radikale Ideen und mutige Menschen. Einige kenne ich. Fahrverbote sind Vorboten Gründer und Geschäftsführer gravierender regulatorischer Door2Door GmbH Aktuelle Entwicklungen im Nahverkehr – Herausforderungen Maßnahmen. Menschen, die und Chancen für Bombardier Transportation im ländlichen Raum wohnen, fühlen nicht selten „abgehängt”, Der innerstädtische ÖPNV weil der Bus nur selten fährt und Haltestellen weit entfernt boomt - der branchenübliche sind. Das eigene Auto kann wie der traditionelle Nahverkehr „Lebenszeitraum“ von ca. diese Probleme aktuell nicht lösen. Es braucht innovative, 30 Jahren ist für die ersten digitale Lösungen wie inter-modale Mobilitätsplattformen und Niederflur-Straßenbahn- app-gesteuerte Bedarfsverkehre, die mehr Vielfalt bieten und Generationen aus den 90er die Lücke zwischen Linienverkehr und Pkw schließen. Derarti- Jahren schon fast erreicht. ge attraktive Angebote können, gemeinsam mit begleitenden Fast ungeachtet von Welt- regulatorischen Maßnahmen, die Vision einer autofreien wirtschaftskrise bleiben Er- Innenstadt und lückenloser Mobilität im ländlichen Raum folg und Nachfrage im ÖPNV Realität werden lassen. Durch Pooling, also das spontane ungebrochen. Diese positive Dipl.-Ing. Alexander Ketterl, Leiter Geschäftsbereich Light Rail Teilen eines Fahrzeugs mit anderen Fahrgästen, lassen sich Grundstimmung fördert auch Bombardier Transportation GmbH nach Studien der OECD bis zu sage und schreibe 97% aller den Wettbewerb – in erster heutigen Fahrzeuge ersetzen. Linie ein Vorteil für die Betreiber. Verkehrsunternehmen werden eine entscheidende Rolle bei Für die neu auszuschreibenden Fahrzeuge müssen die In- diesem epochalen Wandel spielen, bei dem am Ende autonome frastrukturparameter der existierenden Netze erfüllt werden, Fahrzeuge unsere Mobilität in ganz neue Formen überführen aber es sollen auch möglichst alle modernen Technologien bereits an Bord sein – wiederum in einer Architektur für werden. Verkehrsunternehmen sind durch ihre traditionelle weitere 30 Jahre. Vor allem in der Elektronik ergibt sich da- und etablierte Rolle als zentraler Mobilitätsdienstleister vor bei ein Spannungsfeld durch die kürzere Produktlebenszyklen Ort unerlässlich bei dieser Veränderung. Nur eine intelligente der Bestandteile, welche bereits nach 5-7- Jahren oftmals Einbettung neuer Angebote in die bestehende Infrastruktur ein „alter Hut“ sind. Am Beispiel „WiFi für Passagiere“ wird kann hier Kannibalisierung und zusätzliches Verkehrsaufkom- klar, dass die im Fahrzeug verbauten Komponenten eigentlich men verhindern. permanent getauscht werden müssten, um mit dem Stand der Wir unterstützen Verkehrsunternehmen mit Expertise Technik mithalten zu können. Somit ergeben sich Diskrepanzen und digitalen Werkzeugen, um die Transformation aktiv zu in der Erwartungshaltung: „Operator Experience“ gegenüber voranzutreiben und nicht Dritten zu überlassen, die zu ger- „Passenger Experience“. ne Rosinen picken. Die Verkehrsunternehmen in München Zu Thema Innovation steht Bombardier Transportation und Duisburg, ebenso wie etwa die Landkreise in Hof und seit jeher auf dem Standpunkt, dass das geringste Risiko für Offenbach, gehen mit gutem Vorbild voran. Fahrgäste und Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 1/2-2019
Aktuelles 13 Fahrzeuge, die optimal zueinander passen, werden innerhalb ÖPNV auf Kurs in Richtung Elektromobilität weniger Millisekunden mithilfe einer App gepaart. Megatrends wie Urbanisie- Linienwege und Fahrpläne gibt es nicht. Die Fahrroute be- rung, Klimawandel und Digi- rechnet ein über viele Jahre von uns entwickelter Algorithmus talisierung oder die Entwick- unter Berücksichtigung weiterer Kundenbuchungen, so dass lung neuer Technologien wie die Fahrzeuge optimal ausgelastet werden. Automatisierung, Vernetzung Für 2019 gilt es, die Zeichen der Zeit zu erkennen, das und Elektromobilität verändern Thema zu besetzen und mit der Einführung neuer Angebote derzeit den ÖPNV schneller den Grundstein für einen neuen, digitalen und ganzheitlichen als je zuvor. Zudem verlangen ÖPNV zu legen. steigende Fahrgastzahlen ein attraktives und zukunftsgerich- tetes ÖPNV-Angebot. Till Oberwörder, Kein ruhiges Jahr Für den öffentlichen Per- Vor diesem Hintergrund steht Leiter Daimler Buses, Vorsitzender EvoBus GmbH sonenverkehr in Deutschland in diesem Jahr aus meiner ist ein Jahr der Wahrheit an- Sicht insbesondere die Elektromobilität im Fokus. Mit der gebrochen. Es braucht nicht Einführung der ersten vollelektrisch betriebenen Stadtbusse übertrieben viel Phantasie, sich ist eine neue Ära des ÖPNV eingeleitet. Zahlreiche Heraus- zu solch dramatischer Aussage forderungen – insbesondere auch für die Verkehrsbetriebe aufzuschwingen. Grundlage für – gehen damit einher. Für einen Tausch von Stadtbussen mit die Diagnose bilden vielmehr Verbrennungsmotor gegen vollelektrisch angetriebene Busse der aktuelle Koalitionsvertrag ist eine gründliche Vorbereitung eine maßgebliche Voraus- sowie Zitate aus dem Bundes- setzung. Das betrifft nicht nur die Anschaffung von vollelek- Christiane Leonard, trischen Bussen. Auch die Betriebsplanung, das Energie- und verkehrsministerium. Beide Hauptgeschäftsführerin, machen deutlich: Das Perso- Bundesverband Deutscher Lademanagement, die Organisation des Betriebshofs, sowie nenbeförderungsgesetz wird Omnibusunternehmer e.V. die Wartung und Instandhaltung wollen gut geplant sein. angepackt. Wenn aber ein solch Darüber hinaus sind die Förderung von Elektrobussen durch kompliziert austariertes Gefüge wie das PBefG auch nur an die öffentliche Hand, eine noch geringe Reichweite oder die einer Stelle einmal berührt wird, geht es dabei schnell gleich unterschiedliche Lebensdauer von Batteriekonzepten Themen, um das Wohl und Wehe aller Akteure im Verkehrssektor. Mit bei denen Lösungen gefragt sind. Blick auf eine Neufassung gilt es erneut, verschiedene An- Diese Herausforderungen anzugehen und damit die Zukunft sprüche miteinander in Einklang zu bringen – mit dem Ziel, des ÖPNV zu mitzugestalten, ist eine große Chance für uns alle! umweltfreundliche und verlässliche Mobilität zu sichern. Es werden also umfassende, lange und komplexe Verhandlun- Anforderungen an den ÖPNV steigen gen für alle Beteiligten im Jahr 2019. Verhandlungen, bei 2019 erwarten wir ein Jahr, denen wettbewerbsrechtliche Fragen sich zwangsläufig mit in dem die Anforderungen an technologischen, ökologischen und zum Teil auch schon den deutschen ÖPNV von vielen philosophischen Aspekten vermischen. Seiten weiter steigen werden. Als wäre eine PBefG-Novelle nicht schon einschneidend Wir beobachten in unseren genug, schwelen international gleichsam auch noch die Arbeiten, dass die Doppelbe- Verhandlungen zu den verschiedenen Teilen des EU-Mobi- lastung aus steigenden kun- litätspakets. Im Laufe des Jahres könnten in Brüssel und denseitigen und technisch Straßburg neue Eckpfeiler für den öffentlichen Verkehr in induzierten Themenstellun- Deutschland gesetzt werden – etwa wenn es um Lenk- und gen (Digitalisierung, Elektro- Ruhezeiten, den Marktzugang oder auch zusätzliche Kosten Dr. Knut Pedersen, mobilität, on demand Verkehre, Partner BSL Transportation durch eine angedrohte Maut geht. eTarife, Plattformen, ...) und Consultants GmbH & Co. KG Selten stand die Busbranche – und mit ihr der gesamte Verkehrssektor – vor einer solchen Steilwand drängender ernsthaften Problemen im Herausforderungen. 2019 wird kein ruhiges Jahr, das sich Kerngeschäft (zunehmende Fahrtenaus-fälle, schwierige satt genießen lässt. Engagement ist gefragt. Ebenso wie Mitarbeiterrekrutierung bei „gedrehten“ Arbeitsmärkten, Wachsamkeit, Aktivität und die Bereitschaft, jetzt und hier überproportional steigende Personalkosten, …) zur Siche- den anstehenden Wandel mitzugestalten. Eine zweite Chance rung der Qualität im Nahverkehr weiterhin enorme Kraftan- dafür wird es nicht geben. Mit anderen Worten: 2019 wird strengungen aller Akteure in den Unternehmen verlangen. bewegt und spannend. Ich freue mich darauf. Dies alles findet in einem durch Fahrverbote und politische Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 1/2-2019
14 Unsicherheit geprägten Umfeld statt, in dem die strategische Die Reduzierung der Ticketpreise kann hierbei ein wichtiger Orientierung und eine treffsichere Bewertung der Chancen Baustein sein. Doch es gilt in viele Bereiche zu investieren: und Risiken alles andere als leicht sind. In den Ausbau der Infrastruktur, in die Ausbildung qualifi- Das Management ist in diesen Zeiten und vor diesem zierten Fahrpersonals, in die Verbesserung des Fahrtangebots Hintergrund daher besonders gefordert, das betriebliche oder in die optimale Ausstattung der Busse und Bahnen in Tagesgeschäfts sicherzustellen und gleichzeitig überzeugende puncto Komfort. Es gilt, den motorisierten Individualverkehr langfristige Planungen und Konzepte vorzulegen, die Ruhe in Ballungsräumen einzuschränken, perspektivisch verstärkt und Ordnung in dieses sehr hektische Treiben bringen und auf autonomes Fahren zu setzen und optimierte Apps anzu- den berühmten Weitblick mit langem Atem und ruhiger Hand bieten. Der „Schub“ zur Steigerung der Attraktivität muss aus verbinden. Es gilt, das Wichtige von dem „weniger Wichtigen“ vereinten Kräften kommen. Auf eine „Schubkraft“ allein zu und das Dringlichste von dem „Nicht ganz so Dringlichen“ zu setzen wäre zu kurz gedacht – denn diese kann bei stottern- trennen – ohne wesentliche Weichenstellungen zu übersehen. dem Konjunkturmotor allzu leicht erlahmen. Diese Konzepte müssen möglichst effizient und sehr breit mit den Stakeholdern abgestimmt werden, wobei den Verkehrs- Strategische und langfristige Konzepte planern und den für die Finanzierung Zuständigen dabei eine Die aus judikativer Sicht entscheidende Rolle bei der Lösung der Zielkonflikte für die fehlenden Konzepte zum Ein- Verkehrsunternehmen zukommt. halten der Grenzwerte zur Luft- „First things first!“ ist die Devise in den Zeiten, in denen qualität werden zu weiteren alles gleichzeitig und möglichst sofort erwartet wird. Diese Fahrverboten führen und damit Erkenntnis ist sicher nicht neu, aber in diesen Zeiten beson- die Verkehrsbranche in 2019 ders wichtig – und in der Umset-zung derzeit auch besonders intensiv beschäftigen. Diese schwierig. In diesem Sinne muss Management sich wieder prognostizierte Einschränkung einmal als die „Kunst des Möglichen“ beweisen. der Mobilitätsbedürfnisse der Menschen sollte nun mit stra- „Schubkraft“ aus Martin Schmitz, tegischen und langfristig an- VDV-Geschäftsführer Technik vereinten Kräften gelegten Konzepten begegnet Angesichts einer sehr guten werden. Die im Rahmen des Programms „Saubere Luft“ be- konjunkturellen Lage sprudeln reitgestellten Gelder dienen hierbei nur einer Antriebswende bundesweit die Steuereinnahmen und sollten durch Empfehlungen aus der Nationalen Plattform – mit dem Ergebnis, dass die „Zukunft der Mobilität“ strategisch ergänzt werden. Dabei Kassen der öffentlichen Hand ak- muss eine Verlagerung von Verkehrsleistungen auf den ÖV tuell überaus üppig gefüllt sind. und den Radverkehr und das Ziel einer Drittelung des Modal In dieser finanziell durchaus Splits zwischen MIV, ÖV und Rad- und Fußverkehr erklärtes komfortablen Situation werden Ziel werden. Insbesondere bietet ein Kapazitätsausbau des nun immer wieder Stimmen SPNV im Bereich der Umland- und Pendlerverkehre ein hohes laut, die über die Möglichkeit einer deutlichen Reduzierung Dr. Alexander Pischon, CO2-Einsparpotenzial. der Ticketpreise im öffentlichen Vorsitzender der Geschäfts- Viele der in 2018 gestarteten Förderungen werden in Nahverkehr nachdenken. Ziel führung, Albtal Verkehrs- 2019 erkennbaren Einfluss nehmen. So wird die Reduktion dieser Überlegungen ist es, die Gesellschaft mbH der Trassenpreise für den SGV erstmalig richtig ihre Wirkung Attraktivität des Nahverkehrsangebots und damit die Nachfrage entfalten können und somit erste Erkenntnisse der Stärkung zu steigern. Diese „große“ Lösung ist durchaus eine Überlegung des SGV liefern können. wert. Sie greift nach meiner Einschätzung aber zu kurz – vor Ebenfalls werden die Förderprojekte im Bereich der tarif- allem, wenn man nicht in Zeiträumen von einigen Jahren, lichen Preisgestaltung (365-Euro-Ticket) sowie die Reaktion sondern von Jahrzehnten denkt. der Fahrgäste auf die zu erwartende betriebliche Qualitäts- Sobald sich die Konjunktur eines Tages wieder deutlich entwicklung in den Hauptzeiten ohne Kapazitätserweiterung abkühlen sollte, dürfte es überaus schwer werden, ein solch spannende Erkenntnisse liefern. Die Förderungen zur Beschaf- teures Modell zu finanzieren. Im ungünstigsten Fall müsste fung von E-Bussen werden durch die Inbetriebnahme größerer dann wieder an der Preisschraube gedreht werden – der E-Bus- Flotten für die Fahrgäste sichtbar und spürbar werden. kurzfristige Zugewinn an Attraktivität wäre schnell verpufft. Zu wünschen wäre noch, dass das ETCS-Programm gestartet Ich bin deshalb der Überzeugung, dass sich die Attrakti- wird und administrative Verfahren, wie die Planungsbeschleu- vität des ÖPNV besser durch ein Bündel an einzelnen Maß- nigungen, umgesetzt werden und eine positive Ausstrahlung nahmen langfristig steigern lässt. auf die Investitionsumsetzung nimmt. Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 1/2-2019
Aktuelles 15 Weiter mit Konsequenz und Nachdruck schränkungen, Dieselfahrverbote und neue Wettbewerber im Aktuell gibt es für die ÖPNV- Mobilitätsmarkt machen eine strategische Antwort auf die Branche eine ganze Reihe von neuen Herausforderungen notwendig. neuen Herausforderungen. o Neuer Stellenwert des ÖPNV muss sich in der Finanzie- Diese lassen sich entsprechend rung niederschlagen. der allseits geforderten „Ver- o Höhere Schlagzahl ist für die Umsetzung neuer Infra- kehrswende“ stichwortartig strukturen für den ÖPNV erforderlich wie folgt zusammenfassen: o Adäquate Qualität ist zwingend, um dauerhaft im Fahr- Digitalisierung, integrier- gastmarkt zu bestehen tes elektronisches Ticketing, o Eine leistungsfähige Mobilitätsplattform, die aus dem ÖPNV E-Antriebssysteme für Busse Dipl.-Ing. Ulrich Sieg, heraus alle Leistungen anbietet, muss erstellt werden. sowie On-Demand-Verkehre bis Technischer Vorstand o Vision vom einfachen Tarif muss Wirklichkeit werden, hin zum vollautomatisierten Hamburger Hochbahn i.R., beispielsweise durch eine Jahres-Flat von Euro 365,00 Fahren. Alle diese Themen ÖPNV-Beratung in ganz Deutschland. verlangen allerhöchstes Enga- Die Akteure im Nahverkehr stellen sich diesen Heraus- gement der ÖPNV-Branche. forderungen. Die Politik ist gefordert um die zugehörigen Es gibt aber auch wichtige „alte“ Themen, die für viele Rahmenbedingungen zu schaffen. ÖPNV-Unternehmen unabdingbar sind und ihnen teilwei- se „unter den Nägeln brennen“. Dazu zählen erhebliche Nahverkehr der Zukunft: sozial, nachhaltig und leistungsfähig Sanierungs- und Ertüchtigungsbedarfe der Infrastruktur des Der Nahverkehr ist der schienengebundenen Verkehrs sowie deren weiterer Ausbau. wichtigste Schlüssel für die Hierzu hat der VDV die Kampagne „Damit Deutschland vorne Mobilität der Zukunft. Er bleibt“ erfolgreich initiiert. Die Bundesregierung hat darauf positiv reagiert. Deshalb gilt es jetzt, alle erforderlichen muss komplexer werdende Maßnahmen – die oft langwierig sind – rasch auf den Weg Systeme in Städten managen zu bringen, um den steigenden Fahrgastzahlen nachhaltig und ist zentrale Schnittstelle gerecht zu werden. „Wer bei der Entscheidung über die der intelligenten Stadt. Ein zusätzlich notwendigen Investitionen in die teils veraltete gutes Nahverkehrsangebot ÖPNV-Infrastruktur zögert, der riskiert die Zukunft des ge- muss dreierlei sein: sozial, samten Systems und die Mobilität seiner Kunden“, so hat es nachhaltig und leistungsfähig. Prof. Dr. Henning Vöpel, Jürgen Fenske, ehemaliger VDV-Präsident, seinerzeit kurz auf Sozial, weil ein gutes An- Direktor und Geschäftsführer, den Punkt gebracht. gebot zwischen Zentrum und Hamburgisches Ein weiteres „allgemeines“ Thema wird die ÖPNV-Branche Peripherie von wachsenden WeltWirtschaftsInstitut künftig ebenfalls noch intensiver beschäftigen, die Gewinnung Städten den Druck von den (HWWI) und möglichst dauerhafte Bindung von geeigneten Mitarbei- Mieten nimmt, wenn die Pendelkosten sinken. Nachhaltig, tern. Hier sind sich alle einig, dies wird immer schwieriger. weil die Umweltbedingungen in Städten zum wichtigsten Aspekte der Lebensqualität werden. Und leistungsfähig, weil Politik muss Rahmenbedingen schaffen der Nahverkehr nur dann so attraktiv ist, dass er die beiden Die Verkehrswende ist für vorgenannten Ziele erfüllen kann. Erst wenn Menschen ihr die Akteure im Nahverkehr Mobilitätsverhalten ändern und auf Bus und Bahn umsteigen, die herausragende Aufgabe gelingt die soziale und ökologische Verkehrswende in Städten. der Zukunft, denn mit ei- Die ökonomische Leistungsfähigkeit des Nahverkehrs lässt nem „weiter so“ wird das sich insbesondere durch die integrierte Nutzung digitaler In- gesamte Verkehrssystem novationen sowie den Ausbau der Infrastruktur erhöhen. Sie kollabieren. schaffen ein kundenzentriertes Angebot, indem die Nutzung Mit steigenden, flexi- bequemer und flexibler wird und letztlich die Verhaltensän- blen Mobilitätsbedürfnis derung induziert. Kurzum: Der Nahverkehr wird noch mehr stehen Busse und Bahnen als bislang zur wichtigsten Infrastruktur einer Stadt und von Dipl.-Ing. Volker Sparmann, im Fokus von Politik und Regionen. Ihre Finanzierung erfolgt durch eine soziale und Vorsitzender des Vorstandes, Gesellschaft. HOLM e.V. ökologische Rendite, die in der Reduzierung von Staus und Kapazitätsengpässe auf Umweltkosten liegt. Der Ausbau des Nahverkehrs ist somit einer der Schiene, Qualitätsein- der wichtigsten Investitionsaufgaben des öffentlichen Sektors. Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 1/2-2019
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