AUSGEWÄHLTE FÄLLE DER ANLASSGESETZGEBUNG IM ÖSTERREICHISCHEN STRAFRECHT IM ZUGE DER STRAFGESETZNOVELLE - JKU ePUB

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AUSGEWÄHLTE FÄLLE
DER                                      Eingereicht von

ANLASSGESETZGEBUNG
                                         Jakob Karlinger

                                         Angefertigt am

IM ÖSTERREICHISCHEN
                                         Institut für
                                         Strafrechtswissenschaften

STRAFRECHT IM ZUGE
                                         Beurteiler / Beurteilerin
                                         Ass. Prof.in Mag.a Dr.in
                                         Ingrid Mitgutsch

DER                                      Jänner 2020

STRAFGESETZNOVELLE
2017

 Diplomarbeit
 zur Erlangung des akademischen Grades

 Magister der Rechtswissenschaften
 im Diplomstudium

 Rechtswissenschaften

                                         JOHANNES KEPLER
                                         UNIVERSITÄT LINZ
                                         Altenberger Straße 69
                                         4040 Linz, Österreich
                                         jku.at
                                         DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die
wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Ort, Datum

Linz, 20.01.2020

Unterschrift

27. Jänner 2020                               Jakob Karlinger                                 2/47
Inhaltsverzeichnis

I.    Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... 5
II.   Einleitung.............................................................................................................................. 7
III. Der Begriff „Anlassgesetzgebung“ ........................................................................................ 8
IV. § 91a ivm § 83 Abs 3 StGB................................................................................................. 10
      1.     Gesetzestexte .............................................................................................................. 10
      2.     Entstehungsgeschichte ................................................................................................ 10
      3.     Tatbestand des § 91a StGB ......................................................................................... 11
      4.     Tatbestand des § 83 Absatz 3 StGB ............................................................................ 13
      5.     Kritik............................................................................................................................. 14
             a)    Systematische Einordnung ................................................................................... 15
             b)    Einzig schützenswerte Personengruppe? ............................................................. 16
             c)    Strafdrohung ......................................................................................................... 17
      6.     Zwischenfazit und Ausblick .......................................................................................... 19
V.    § 247a StGB ....................................................................................................................... 21
      1.     Gesetzestext ................................................................................................................ 21
      2.     Entstehungsgeschichte ................................................................................................ 22
      3.     Tatbestand des § 247a StGB ....................................................................................... 23
      4.     Kritik............................................................................................................................. 28
             a)    Erforderlichkeit der Norm ...................................................................................... 29
             b)    Unbestimmtheit der Norm ..................................................................................... 31
             c)    Vorverlagerung der Strafbarkeit ............................................................................ 34
             d)    Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art 10 EMRK?..................... 35
      5.     Zwischenfazit und Ausblick .......................................................................................... 36
VI. § 218 Abs 2a StGB ............................................................................................................. 38
      1.     Gesetzestext ................................................................................................................ 38
      2.     Entstehungsgeschichte ................................................................................................ 38
      3.     Tatbestand des § 218 Abs 2a StGB ............................................................................. 39
      4.     Kritik............................................................................................................................. 41
             a)    Strafdrohung ......................................................................................................... 41
             b)    Vorsatzgrad .......................................................................................................... 43
      5.     Zwischenfazit und Ausblick .......................................................................................... 44
VII. Fazit ................................................................................................................................... 45
VIII. Literaturverzeichnis ............................................................................................................ 46

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1.    Lehrbücher................................................................................................................... 46
      2.    Kommentare ................................................................................................................ 46
      3.    Aufsätze in Zeitschriften ............................................................................................... 47
IX. Judikaturverzeichnis ........................................................................................................... 47

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I. Abkürzungsverzeichnis

aA                anderer Ansicht
Abs               Absatz
aF                alte Fassung
AI                Amnesty International
AnwBl             Anwaltsblatt
Art               Artikel
BGBl              Bundesgesetzblatt
BlgNR             Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats
BMI               Bundesministerium für Inneres
BT                Besonderer Teil des Strafgesetzbuches
bzw               beziehungsweise
Dr                Doktor/in
EGMR              Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EisBG             Eisenbahngesetz 1957
EMRK              Europäische Menschenrechtskonvention
ErläutRV          Erläuternde Anmerkungen zur Regierungsvorlage
EU                Europäische Union
f                 folgend
ff                fortfolgend
FN                Fußnote
GP                Gesetzgebungsperiode
hA                herrschende Ansicht
idgF              In der geltenden Fassung
insb              insbesondere
iSd               Im Sinne des
iVm               in Verbindung mit
JSt               Journal für Strafrecht
KflG              Kraftfahrliniengesetz
ME                Ministerialentwurf
Nr                Nummer
OGH               Oberster Gerichtshof
ÖIF               Österreichischer Integrationsfonds
OStA              Oberstaatsanwaltschaft
Pkt               Punkt
RIS               Rechtsinformationssystem des Bundes

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RIV               Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter
Rsp               Rechtsprechung
RV                Regierungsvorlage
Rz                Randziffer
SbgK              Salzburger Kommentar
SchFG             Schiffahrtsgesetz
SN                Stellungnahme
SPG               Sicherheitspolizeigesetz
StGB              Strafgesetzbuch
StPO              Strafprozessordnung
ua                unter anderem
UK                United Kingdom of Great Britian and Northern Ireland
Univ Prof         Universitätsprofessor
USA               Vereinigte Staaten von Amerika
Z                 Ziffer
zB                zum Beispiel

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II. Einleitung

Verfolgt man die Medienlandschaft in Österreich, so ist immer wieder zu erkennen, dass
gewisse Themen über einen vermeintlich nicht enden wollenden Zeitraum die Schlagzeilen des
Landes beherrschen. Handelt es sich dabei um Fälle von strafrechtlicher Relevanz, werden in
der Gesellschaft oftmals sehr schnell Stimmen laut, die ein härteres und strengeres Vorgehen
des Staates fordern. Der österreichische Gesetzgeber kommt solchen Forderungen immer
wieder nach.1 Speziell in naher Vergangenheit wurde in Änderungen des österreichischen
Strafgesetzbuches immer wieder eine bloße Reaktion auf eine allgemeine, gesellschaftliche
Empörung gesehen. 2017 gab es in Österreich eine Strafgesetznovelle,2 welche einige neue
Änderungen im StGB mit sich brachte. Mit ihr wollte man, unter anderem, auf vermehrt
auftauchende Angriffe gegenüber Lenkern und Kontrolleuren von öffentlichen Verkehrsmitteln3
oder das sehr stark zunehmende Phänomen der Staatsverweigerer4 reagieren. Zusätzlich sollte
auch im Bereich der Sexualdelikte einigen bedenklichen Entwicklungen entgegengewirkt
werden.5

Es sei vorweggenommen, dass Produkte solcher Reaktionen des Gesetzgebers auf neu
auftauchende Phänomene in der österreichischen Gesellschaft nicht immer die sachlich
vertretbarste Lösung darstellen. Zumeist sind solche Gesetzesvorhaben bereits im Rahmen
ihrer Entstehung mit starker Kritik konfrontiert und werden von Grund auf in Frage gestellt. Diese
Arbeit soll deshalb zum Ziel haben, anhand ausgewählter Fälle zu erläutern, warum und von
wem die jeweiligen Erneuerungen kritisiert werden. Darüber hinaus soll versucht werden
herauszufinden, inwieweit die Kritik berechtigt ist und wie die Entwicklung der jeweiligen
Straftatbestände im österreichischen Strafgesetzbuch in Zukunft aussehen wird.

1 Als Beispiel hierzu kann etwa die Einführung des § 218 Abs 1a StGB genannt werden. Die Rsp subsumierte vor
Einführung dieses Tatbestandes etwa ein Streicheln am Gesäß oder an den Oberschenkeln einer anderen Person
nicht unter eine sexuelle Belästigung iSd § 218 StGB (RIS--Justiz RS0095204). Nach großem medialem Aufschrei
wurde § 218 Abs 1a StGB, welcher nun diese Fälle erfasst, mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015 (BGBl I
Nr 112/2015) eingefügt.
2 Strafgesetznovelle 2017 BGBl I Nr 117/2017.
3 § 91a iVm § 83 Abs 3 StGB.
4 § 247a StGB.
5 Vor allem sexuelle Übergriffe an Frauen im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen oder das unter Jugendlichen

immer mehr auftauchende Phänomen des „Sexting“ sollten mit der Novelle bekämpft werden.

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III. Der Begriff „Anlassgesetzgebung“

Durchsucht man die juristische Fachliteratur, ist es schwer eine einheitliche und klare Definition
des Begriffes der Anlassgesetzgebung zu finden. Dies ist in gewisser Weise überraschend, da
der Begriff sowohl in juristischen Texten6 als auch in den Medien7 immer wieder verwendet wird.
Einen ausführlichen Versuch, diesen Begriff terminologisch einzuordnen, unternimmt die
österreichische Rechtsanwaltskammer in ihrem elektronisch geführtem Rechtswörterbuch.
Demnach bezeichnet Anlassgesetzgebung eine „durch Hektik geprägte, überstürzte und damit
meist unsystematische gesetzgeberische Reaktion unter dem Einfluss einer durch ein
auslösendes         Ereignis       hervorgerufenen          öffentlichen      Diskussion         und      massiver
Medienberichterstattung zu diesem Thema.“8

Auffallend ist, dass in erwähntem Rechtswörterbuch im Anschluss an die genannte Definition
sofort Kritik an einem derartigen gesetzgeberischen Vorgehen geübt wird. Dem Gesetzgeber
wird vorgeworfen, in derartigen Situationen undurchdacht zu handeln oder lediglich die
öffentliche Empörung in diesen Fällen zu befriedigen. Darüber hinaus wäre man bei einer
objektiveren und sachlicheren Betrachtung des Themas zu einer negativen Beurteilung der
jeweiligen Gesetzesänderung gekommen.9 Diese kritische Einstellung gegenüber Ergebnissen
solcher „Schnellschüsse“ des Gesetzgebers besteht jedoch nicht nur bei den Anwälten in der
Praxis, sondern zieht sich auch durch die Politik des Landes Österreich. 2015 gab es unter dem
damaligen Justizminister Univ. Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter eine Strafgesetznovelle,10 deren
Ziel es sein sollte, den Veränderungen in den Werthaltungen der Allgemeinheit, die in gewisser
Weise die Strafdrohungen des gerichtlichen Strafrechts wiederspiegeln, nicht punktuell nach Art
einer Anlassgesetzgebung entgegenzuwirken.11 Das Bemühen, zumindest im Strafrecht, einer
Anlassgesetzgebung in Zukunft aus dem Weg zu gehen, kann der Politik hier somit nicht ganz
abgesprochen werden. Dennoch erscheint die Kritik weiterhin als berechtigt, da die
Vergangenheit bereits gezeigt hat, dass solche Gesetzesänderungen, die als Reaktion auf
große öffentliche Empörung Einzug in das StGB erhielten, in weiterer Folge wieder entfernt

6 Mitgutsch, Die "Kampfhunderegelung" des § 81 Abs 1 Z 3 StGB --– ein Fall unnötiger Anlassgesetzgebung?, JSt
2005, 111;; Moser/Matejka, Justiz zeitgemäß gestalten, AnwBl 2018, 230.
7 https://www.diepresse.com/3897684/stgb--2015--weniger--haftstrafen--zu--erwarten, 2014 zuletzt abgerufen

10.12.2019;; https://www.derstandard.at/story/2000059546457/zweifel--an--strafrechtsaenderungen, 2017 zuletzt
abgerufen 10.12.2019.
8 Rechtswörterbuch der österreichischen Rechtsanwälte,

http://www.rechtsanwaelte.at/buergerservice/infocorner/rechtswoerterbuch//definition/anlassgesetzgebung/, zuletzt
abgerufen 08.12.2019.
9 Siehe FN 7.
10 Strafrechtsänderungsgesetz 2015 BGBl I Nr 112/2015.
11 ErläutRV 689 BlgNR 25. GP 1.

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wurden, da diese, wie sich in der Entwicklung nach in Kraft treten der Norm herausstellte, nur
wenig Praxisrelevanz aufwiesen.12

Zwei Jahre nach der Strafgesetznovelle 2015 erhielten mit der Strafgesetznovelle 201713 erneut
einige Straftatbestände Einzug in das StGB, die sich den Vorwurf einer Anlassgesetzgebung
gefallen lassen müssen. Somit wurden die Bemühungen und Versprechen der Novelle 2015 in
dieser Hinsicht nicht umgesetzt.14 Wenig überraschend wurde einigen der angesprochenen
Tatbestände von den verschiedensten Seiten mit harscher Kritik begegnet.

Im Folgenden werden die angesprochenen neuen Tatbestände systematisch aufgelistet.
Zunächst wird ein kurzer Blick auf den Gesetzestext und die Entstehungsgeschichte der
jeweiligen Norm geworfen. Anschließend werden die Voraussetzungen einer Strafbarkeit des
betroffenen Tatbestandes erläutert. Danach werden die Stimmen der verschiedenen Kritiker an
diesen zusammengetragen und unterteilt. Darüber hinaus soll noch eruiert werden, ob sich die
behandelten Straftatbestände im österreichischen Strafgesetzbuch in Zukunft behaupten
können.

12
   So wurde zum Beispiel die Qualifikation des § 81 Abs 1 Z 3 aF StGB, welche im Jahr 2001, aufgrund von sich
häufenden Angriffen durch Hunde auf Kinder zu dieser Zeit, ihren Einzug ins StGB erlangte (BGBl I Nr 130/2001), im
Zuge der Strafgesetznovelle 2015, mit der der Tatbestand des § 81 aF StGB grundlegend geändert wurde, entfernt.
Argumentiert wurde damit, dass die bisherige Z 3 dieser Strafnorm aufgrund mangelnder Relevanz in der Praxis
entfallen könne (ErläutRV 689 BlgNR 25. GP 7).
13 Siehe FN 2.
14 Pilnacek, Standard vom 20.06.2017, https://www.derstandard.at/story/2000059546457/zweifel--an--

strafrechtsaenderungen, zuletzt abgerufen 08.12.2019.

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IV. § 91a iVm § 83 Abs 3 StGB

1.    Gesetzestexte

Um beim Lesen der Arbeit den herausgearbeiteten Kritikpunkten folgen zu können, empfiehlt es
sich zunächst einen Blick auf die Gesetzestexte der zu behandelnden Normen zu werfen. Diese
lauten wie folgt:

                                                Körperverletzung

    § 83. (1) Wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
    (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer einen anderen am Körper mißhandelt und dadurch fahrlässig
verletzt oder an der Gesundheit schädigt.
    (3) Wer eine Körperverletzung nach Abs. 1 oder 2 an einer Person, die mit der Kontrolle der
Einhaltung der Beförderungsbedingungen oder der Lenkung eines Beförderungsmittels einer dem
öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt betraut ist, während oder wegen der Ausübung ihrer
Tätigkeit begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

       Tätlicher Angriff auf mit bestimmten Aufgaben betraute Bedienstete einer dem
                            öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt

    § 91a. (1) Wer eine Person, die mit der Kontrolle der Einhaltung der Beförderungsbedingungen
oder der Lenkung eines Beförderungsmittels einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt
betraut ist, während der Ausübung ihrer Tätigkeit tätlich angreift, ist mit Freiheitsstrafe bis zu
sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
    (2) Der Täter ist nach Abs. 1 nicht zu bestrafen, wenn die Person zu der Kontroll- oder
Lenkungstätigkeit ihrer Art nach nicht berechtigt ist oder diese gegen strafgesetzliche
Vorschriften verstößt.

2. Entstehungsgeschichte

Mit der Strafgesetznovelle 2017 wurden mit § 83 Abs 3 und § 91a StGB an zwei Stellen des
StGB Tatbestände eingefügt, die Personen, welche mit der Kontrolle der Einhaltung der
Beförderungsbedingungen oder der Lenkung eines Beförderungsmittels einer dem öffentlichen
Verkehr dienenden Anstalt betraut sind, besonders schützen sollen. Zum einen wurde mit § 83
Abs 3 StGB eine Qualifikation im Rahmen des Körperverletzungstatbestandes in § 83 StGB
geschaffen, welche mit § 84 Abs 2 StGB vergleichbar ist,15 zum anderen wurde mit § 91a StGB
eine neue Norm eingefügt, die den vorsätzlichen, tätlichen Angriff auf das in § 91a StGB
genannte Tatobjekt16 pönalisiert. Genannte Norm bildet zugleich Vorsatz-- und schlichtes
Tätigkeitsdelikt.17 Der Gesetzgeber wollte mit diesen Bestimmungen einen strafrechtlichen

15 Birklbauer/Hilf/Tipold,Strafrecht Besonderer Teil I4 § 83 Rz 25.
16 Siehe dazu Pkt IV. 3. Tatbestand des § 91a StGB.
17 B/H/T, Strafrecht BT I4 § 91a Rz 1.

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Schutz vor stetig steigender Gewaltbereitschaft gegenüber diesen Personen erreichen18 und
darauf reagieren, dass in der Vergangenheit vermehrt tätliche Übergriffe auf mit der Lenkung
oder Kontrolle betraute Personen in Massenbeförderungsmitteln vorgekommen sind.19 Die
Rechtfertigung, einen derart hohen Schutz für gerade diese Berufsgruppe zu installieren, wurde
darin gesehen, dass die von Aggressionen betroffenen Mitarbeiter in solchen Situationen
zumeist auf sich allein gestellt und weitgehend schutzlos seien. Dazu würde kommen, dass bei
Tätigkeiten in Massenbeförderungsmitteln oftmals keine Möglichkeit einer schnellen Intervention
durch Exekutivkräfte möglich wäre.20 § 91a und § 83 Abs 3 StGB traten mit 01.09.2017 in Kraft.21

3. Tatbestand des § 91a StGB

Nach § 91a StGB macht sich jemand strafbar, der eine Person, die mit der Kontrolle der
Einhaltung der Beförderungsbedingungen oder die mit der Lenkung eines Beförderungsmittels
einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt betraut ist, während der Ausübung ihrer
Tätigkeit tätlich angreift. Als Tatobjekt kommt somit eine Person in Frage, die mit der Kontrolle
der Einhaltung der Beförderungsbedingungen oder der Lenkung eines Beförderungsmittels einer
dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt betraut ist. Vereinfacht gesagt unterliegen dem
Schutzbereich dieser Norm Fahrer und Kontrolleure eines Massenverkehrsmittels.22

Um als Fahrer in den Genuss des Schutzes dieser Strafbestimmung zu kommen, ist
vorausgesetzt, dass ein Beförderungsmittel gelenkt wird. Unter dem Lenken eines
Beförderungsmittels ist die Führung und Steuerung, also die Bestimmung der Fahrtrichtung
oder der Geschwindigkeit des Beförderungsmittels zu verstehen.23 Das Lenken umfasst nicht nur
die    Inbetriebnahme      und    mit    dem     Betrieb     regelmäßig     verbundene       Tätigkeiten     des
Beförderungsmittels, sondern auch notwendige Vor-- und Nachbereitungsarbeiten des Lenkers.24
Da es auch schienen-- und seilgebundenen Verkehr gibt (Zug, Lifte, Seilbahnen), muss hier dem
Begriff des Lenkens ein weites Begriffsverständnis zugrunde gelegt werden. Es ist nicht
vorausgesetzt, dass der Lenker an Bord des Beförderungsmittels tätig wird, vielmehr reicht es
aus, wenn die Person einen Lift oder eine Seilbahn von einer Station aus bedient.25 Folgerichtig

18 ErläutRV 1621 BlgNR 25. GP 1.
19 ErläutRV 1621 BlgNR 25. GP 2.
20 Siehe FN 18.
21 BGBl I Nr 117/2017.
22 Tipold in Birklbauer/Hilf/Konopatsch/Messner/Schwaighofer/Seiler/Tipold, StGB Strafgesetzbuch Praxiskommentar

(2018) § 91a Rz 3;; B/H/T, Strafrecht BT I4 § 91a Rz 3.
23 Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch 2 (2018) § 91a Rz 20.
24 Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 91a Rz 21.
25 Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 91a Rz 20.

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können auch solche Personen als mit der Lenkung eines Beförderungsmittels iSd § 91a StGB
betraut angesehen werden.

Bei einem Kontrolleur iSd § 91a StGB handelt es sich um eine Person, die mit der Überprüfung
der Beförderungsbedingungen26 beauftragt ist. Hierbei ist zusätzlich die aktive Einflussnahme
des Kontrolleurs darauf umfasst, dass diesen Bestimmungen auch entsprochen wird.27
Schutzwürdig im Rahmen dieser Bestimmung sind die Lenker und Kontrolleure jedoch nur,
wenn der Angriff zu einem Zeitpunkt geschieht, in dem sie ihre Tätigkeiten auch tatsächlich
ausüben. Es wird ein gewisser zeitlicher Zusammenhang mit den Eigenschaften und Tätigkeiten
als Lenker und Kontrolleur verlangt.28 Erfolgt beispielsweise ein tätlicher Angriff auf einen Fahrer
während seiner kurzen Pause an einer Haltestelle, so würde man hier den erwähnten zeitlichen
Zusammenhang annehmen und eine Strafbarkeit des Täters bejahen.29

Unter einem Massenbeförderungsmittel sind Verkehrseinrichtungen zu verstehen, die
unabhängig        von   individuellen     Bedarfslagen         auf       im   Voraus    festgelegten     Strecken
Personentransporte durchführen, welche grundsätzlich von jedermann in Anspruch genommen
werden können.30 Um zu ermitteln, ob im konkreten Fall ein Unternehmen im Rahmen eines
öffentlichen Personenverkehrs tätig wird, sind die einschlägigen verwaltungsrechtlichen
Bestimmungen heranzuziehen. Aus diesen Vorschriften lassen sich grundsätzlich zwei
Charakteristika     eines     öffentlichen     Personenverkehrs           ableiten.    Zum    einen    wird   eine
                                                                   31
Beförderungspflicht      gegenüber       der    Allgemeinheit,           zum    anderen      eine   verpflichtende
Veröffentlichung eigener Beförderungsbedingungen32 für die Unternehmen normiert. Sind diese
Voraussetzungen erfüllt, so ist eine Tätigkeit im Rahmen des öffentlichen Personenverkehrs iSd
§ 91a StGB gegeben. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei einer individuellen Bereitstellung
von Personentransporten für einzelne oder für Gruppen zur Deckung eines spezifischen
Beförderungsbedarfes (zB Taxis oder die Anmietung von Bussen für Reisegruppen) nicht um die
Lenkung eines Beförderungsmittels einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt.33

26 In Österreich sind für die Erbringung von Leistungen des öffentlichen Personenverkehrs vom jeweiligen Anbieter
Beförderungsbedingungen zu erstellen, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Für den Kraftfahrlinienverkehr
werden diese gem § 46 Z 4 Kraftfahrliniengesetz BGBl I Nr 203/1999 vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und
Technologie als Verordnung erlassen.
27 Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 91a Rz 15.
28
   Tipold in B/H/K/M/S/S/T, StGB Praxiskommentar § 91a Rz 4;; Bertel/Schwaighofer/Venier, Österreichisches
Strafrecht, Besonderer Teil I14 § 91a Rz 3.
29 B/H/T, Strafrecht BT I4 § 91a Rz 4.
30 Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 91a Rz 9.
31 § 2 Eisenbahngesetz 1957 BGBl Nr 60/1957;; § 84 Abs 3 Schiffahrtsgesetz BGBl I Nr 62/1997;; § 1 Abs 1

Kraftfahrliniengesetz BGBl I Nr 203/1999.
32 §§ 22 ff EisbG;; § 84 Abs 2 SchFG;; § 32 KflG.
33 Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 91a Rz 11.

27. Jänner 2020                                        Jakob Karlinger                                        12/47
Die Tathandlung ist das tätliche Angreifen. Darunter wird eine gegen den Körper gerichtete
Tätlichkeit, die dem Opfer Schmerzen bereitet oder bereiten soll, verstanden. 34 Dabei muss es
nicht zu einer unmittelbaren Berührung zwischen Angreifer und Opfer kommen, sondern es ist
ausreichend, dass die Tätlichkeit mittelbar erfolgt.35 Somit liegt ein tätlicher Angriff auch bereits
dann vor, wenn Gegenstände nach dem Fahrer oder Kontrolleur geworfen werden.36 Die
Tätlichkeit ist bereits mit dem Angriff vollendet. Aufgrund der Ausgestaltung des § 91a StGB als
schlichtes Tätigkeitsdelikt kommt es im Rahmen dieser Bestimmung nicht auf einen
Erfolgseintritt an.37 Kommt es zu einer Verletzung und somit zu einem Erfolgseintritt so haftet
der Angreifer nach § 83 Abs 2 und 3 StGB, weil der vorsätzliche tätliche Angriff eine vorsätzliche
Misshandlung darstellt.38

Hinsichtlich der subjektiven Tatseite wird beim Täter zumindest bedingter Vorsatz auf den
tätlichen Angriff und die Eigenschaft des Opfers, dass dieses im Tatzeitpunkt ihrer Tätigkeit als
Lenker oder Kontrolleur nachkommt, verlangt.39

4. Tatbestand des § 83 Absatz 3 StGB

Die Normen des § 91a StGB und des § 83 Abs 3 StGB sind eng miteinander verbunden. Wie
oben erwähnt kommt es bei erstgenannter Norm nicht darauf an, dass ein Verletzungserfolg
eintritt. Hat der tätliche Angriff dennoch eine Körperverletzung zur Folge, so tritt § 91a StGB im
Wege einer Konsumtion gegenüber § 83 Abs 2, Abs 3 StGB zurück.40 Handelt der Täter jedoch
mit Verletzungsvorsatz, so kommt nur eine Strafbarkeit nach § 83 Abs 1, Abs 3 StGB in
Betracht.41 Grundvoraussetzung für eine Strafbarkeit nach der Qualifikation des § 83 Abs 3
StGB ist somit immer eine Körperverletzung iSd § 83 Abs 1 oder Abs 2 StGB.42

Hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale kann auf die Ausführungen zu § 91a StGB
verwiesen werden.43 Auch die Qualifikation des § 83 Abs 3 StGB verlangt als Tatobjekt eine
Person, die mit der Kontrolle der Einhaltung der Beförderungsbedingungen oder der Lenkung
eines Beförderungsmittels einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt betraut ist. Die
Kriterien, ob das Lenken eines Massenbeförderungsmittels oder die Kontrolle der Einhaltung der

34 B/S/V,  Österreichisches Strafrecht BT I14 § 91a Rz 3.
35 Tipold in B/H/K/M/S/S/T, StGB Praxiskommentar § 91a Rz 6.
36 B/S/V, Österreichisches Strafrecht BT I 14 § 91a Rz 3;; B/H/T, Strafrecht BT I4 § 91a Rz 6.
37 Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht Allgemeiner Teil15 Z 9, Rz 14.
38 Tipold in B/H/K/M/S/S/T, StGB Praxiskommentar § 91a Rz 6;; B/S/V, Österreichisches Strafrecht BT I14 § 91a Rz 3;;

B/H/T, Strafrecht BT I4 § 91a Rz 6.
39 B/H/T, Strafrecht BT I4 § 91a Rz 7;; B/S/V, Österreichisches Strafrecht BT I 14 § 91a Rz 4.
40 RIS-­Justiz RS0092960;; B/H/T, Strafrecht BT I4 § 91a Rz 6.
41 Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 91a Rz 37.
42 Burgstaller/Fabrizy in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 83 Rz 41.
43 Siehe dazu Pkt IV. 3. Tatbestand des § 91a StGB.

27. Jänner 2020                                        Jakob Karlinger                                          13/47
Beförderungsbedingungen im Rahmen einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt
erfolgen, sind dieselben. Zusätzlich muss die Tat genauso während oder wegen der Ausführung
der Tätigkeit des Lenkers oder des Kontrolleurs ausgeübt werden.

Als subjektives Erfordernis muss für eine Strafbarkeit nach § 83 Abs 3 StGB jedoch entweder
Verletzungs-- oder Misshandlungsvorsatz im Stärkegrad des dolus eventualis gegeben sein.
Zusätzlich wird auch hier der Vorsatz auf die Tätigkeit der Person als Lenker oder Kontrolleur
und den Zusammenhang dieser Eigenschaft mit der Ausführung ihrer Tätigkeit verlangt.44

5. Kritik

Der Ursprung der Strafgesetznovelle 2017 liegt, wie bei grundsätzlich den meisten
Gesetzesnovellierungen, in einem Ministerialentwurf. Ein solcher entsteht in einem Ministerium.
Bevor der Ministerrat dem Entwurf zustimmt und dieser im Rahmen einer Regierungsvorlage zur
Behandlung an den Nationalrat gelangt, durchläuft er grundsätzlich ein Begutachtungsverfahren.
Im     Rahmen        dieses      Verfahrens       wird     jeglichen        Interessensvertretungen          aus        den
unterschiedlichsten Bereichen die Möglichkeit eingeräumt, Stellungnahmen zu dem Entwurf
abzugeben. Zum Ministerialentwurf, welcher der Strafgesetznovelle 2017 zugrunde liegt, sind
mit Ende der Begutachtungsfrist am 03.04.2017 68 Stellungnahmen fristgerecht eingelangt. 45
Allein diese hohe Anzahl an Stellungnahmen lässt die Annahme zu, dass viele der
vorgeschlagenen Änderungen, die im Zuge der Novelle passieren sollten, durchaus auf
Gegenstimmen stießen. Sehr viele dieser Stellungnahmen bezogen sich auf die im
Ministerialentwurf vorgeschlagene Einfügung eines neuen § 270a StGB im 19. Abschnitt des
Besonderen Teils des StGB. Um sofort jegliche Verwirrung im Keim zu ersticken muss erwähnt
werden, dass besagter § 270a StGB im Ministerialentwurf dem Sinn nach jener Bestimmung
entsprach,46 die bereits in der dem ME folgenden Regierungsvorlage unter § 91a StGB
angeführt47 wurde. Aufgrund der starken Kritik hinsichtlich der Einordnung im StGB und der
damit einhergehenden Systemwidrigkeit wurde der Platz der Norm im StGB dementsprechend
geändert.48

Dieser Vorgang allein zeigt, dass sich ein überstürztes Vorgehen des Gesetzgebers
zwangsläufig nicht nur zu Lasten der Qualität, bezogen auf Sachlichkeit und Objektivität einer

44 B/H/T, Strafrecht BT I4 § 83 Rz 26;; B/S/V, Österreichisches Strafrecht BT I14 § 83 Rz 11;; Burgstaller/Fabrizy in
Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 83 Rz 46;; Tipold in B/H/K/M/S/S/T, StGB Praxiskommentar § 83 Rz 19.
45 ME Strafgesetznovelle 2017, 294/ME 25. GP.
46 294/ME 25. GP 2.
47 RV 1621 BlgNR 25. GP 1.
48 Siehe dazu Pkt IV. 5. a) Systematische Einordnung.

27. Jänner 2020                                           Jakob Karlinger                                               14/47
Norm auswirken kann, sondern auch und vor allem auf die Systematik eines ganzen Gesetzes.
Im Wesentlichen wurde dem Entwurf der neuen Norm in drei großen Punkten Mangelhaftigkeit
vorgeworfen. Diese betreffen die systematische Einordnung, die geschützte Personengruppe
und die Höhe der Strafdrohung der Norm.

    a)       Systematische Einordnung

Einen ersten Kritikpunkt rund um die Einführung des § 91a StGB stellte die systematische
Einordnung der Norm in das österreichische Strafgesetzbuch dar.49 Wie zuvor bereits erwähnt
sollte die Norm laut Ministerialentwurf zunächst in den 19. Abschnitt des BT eingebettet
werden.50 Es sollte ein neuer § 270a StGB mit dem Titel „Tätlicher Angriff auf ein mit der
Kontrolle oder Lenkung eines Massenbeförderungsmittels betrautes Organ“ nach § 270 StGB
eingefügt werden.51 Die Kritik bezieht sich im Wesentlichen darauf, dass im 19. Abschnitt des BT
die Delikte gegen die Staatsgewalt geregelt sind. Ein Massenbeförderungsmittel wird jedoch
keinesfalls von der Staatsgewalt betrieben. Eine Einordnung des Tatbestandes wie im ME sei
somit jedenfalls verfehlt.52 Primäres Ziel der Bestimmung sei es, die körperliche Integrität der
Lenker und Kontrolleure zu schützen und nicht die Staatsgewalt. Schließlich handle es sich bei
den genannten Personen gerade nicht um staatliche Organe, denen Hoheitsbefugnisse
zukommen oder welche Gesetze oder Verordnungen vollziehen.53 In der Regel handelt es sich
um Mitarbeiter ausgelagerter Unternehmen, die vom Staat beherrscht werden. Dies sei aber
keine Situation, die mit den anderen Delikten des 19. Abschnitts vergleichbar wäre.54 Der
Großteil der Stimmen forderte daher geschlossen die Einordnung dieser Norm in den Bereich
des StGB, in dem der Schutz der körperlichen Integrität im Vordergrund steht. 55 Sollte somit eine
derartige Norm überhaupt in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden, so müsste sie
irgendwo im Bereich der Körperverletzungsdelikte ihren Platz finden. Schließlich sei ein
übersichtliches, möglichst einfach verständliches und in seinen Wertungen konsistentes
Strafgesetzbuch ein hohes Gut.56

Die hier dargestellten Überlegungen zeigen gut, welchen Aufschrei ein überschnelles Handeln in
einem Ministerium hervorrufen kann. Wie wichtig eine solche Intervention für die Systematik des
österreichischen Strafrechts ist, zeigt sich genau anhand dieses Beispiels. Die geplante
49 Tipold, Strafgesetznovelle 2017, Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017, JSt 2017, 183.
50 Siehe dazu Pkt IV. 5. Kritik.
51 294/ME 25. GP 2.
52 Tipold, JSt 2017, 183;; Gießer 6/SN--294/ME 25. GP 8.
53 Epicenter Works, 7/SN--294/ME 25. GP 11;; OSta Innsbruck, 20/SN-­294/ME 25. GP 6;; StA Wien 59/SN--294/ME 25.

GP 6.
54 Tipold, 2/SN--294/ME 25. GP 7.
55 Tipold, 2/SN--294/ME 25. GP 8;; Epicenter Works, 7/SN--294/ME 25. GP 10 f;; Reindl--Krauskopf 47/SN--294/ME 25.

GP 7.
56 Epicenter Works, 7/SN--294/ME 25. GP 11.

27. Jänner 2020                                      Jakob Karlinger                                       15/47
Einordnung des § 270a StGB im Bereich der Delikte gegen die Staatsgewalt fand schließlich
nicht statt. Vielmehr wurde der zahlreichen Kritik entsprochen und der Schutz von Lenkern und
Kontrolleuren im Bereich der Delikte gegen Leib und Leben im ersten Abschnitt des BT, in
Gestalt der § 91a und § 83 Abs 3 StGB, eingefügt.57

    b) Einzig schützenswerte Personengruppe?

Schon bei der Betrachtung des Gesetzestextes der § 91a und § 83 Abs 3 StGB könnte man sich
die Frage stellen, warum genau die darin erwähnten Personen einem höheren Schutz im
österreichischen Strafrecht unterworfen werden.58 Genau diese Überlegung bot eine sehr breite
Angriffsfläche für weitere Kritik an den vorgesehenen Änderungen im ME. Auffallend ist vor
allem, dass aus dem Bereich der Justiz gerade vor dieser Einschränkung sehr stark und
eindringlich gewarnt wurde. Demnach würde eine Zunahme der Gewaltbereitschaft und
Aggression im öffentlichen Raum auch andere Berufsgruppen betreffen.59 Es wurde somit
speziell vor einer Überfrachtung der Strafgesetze mit anlassbezogenen Sonderstraftatbeständen
gewarnt und darauf hingewiesen, dass Gewalt und Aggression mit den bereits zur Verfügung
stehenden Straftatbeständen ausreichend bekämpft werden kann.60 Auch Vertreter der
Wissenschaft schlugen in dieselbe Kerbe.61 Durchforstet man die einzelnen Stellungnahmen
weiter, kann durchaus festgestellt werden, dass gar nicht so sehr die inhaltliche Ausgestaltung
des neuen Tatbestandes im Vordergrund der Kritik stand. Man stellte teilweise sogar
ausdrücklich außer Streit, dass die betroffene Personengruppe der Lenker und Kontrolleure im
Alltag durchaus mit Gewalt oder Aggressionen konfrontiert wäre.62 Im Vordergrund der Kritik
stand vielmehr die Sinnhaftigkeit einer derartigen Norm an sich, und zwar im Hinblick auf die
Auswirkungen, die die Schaffung eines derartigen Tatbestands mit sich bringen könnte. Man
hatte die Befürchtung, dass man durch eine derartige Änderung in gewisser Weise eine Büchse
der Pandora öffnen werde und in Zukunft damit rechnen müsse, dass viele andere
Berufsgruppen einen ähnlichen Sonderopferstatus fordern werden.63

Diese Befürchtungen bewahrheiteten sich bereits während des Gesetzgebungsprozesses. Im
selben Begutachtungsverfahren wurden von diversen Interessensvertretungen Stellungnahmen
eingebracht, die eine Begrenzung der erhöhten Opferstellung auf die in § 91a und § 83 Abs 3

57 Tipold, Strafgesetznovelle 2017 --– Die Regierungsvorlage, JSt 2017, 278.
58 Siehe dazu Pkt IV. 2. Entstehungsgeschichte.
59 OSta Innsbruck, 20/SN--294/ME 25. GP 6 mit der Bezugnahme auf Lehrpersonal, Klinikpersonal,

Handelsangestellte, Taxilenker, Briefträger oder Strom-- und Gasableser;; StA Wien 20/SN--294/ME 25. GP 6 mit
Bezugnahme auf Ärzte in Psychiatrien oder Frauen, die alleine in der Nacht die U--Bahn benützen.
60 OSta Innsbruck, 20/SN-­294/ME 25. GP 6;; OLG Graz 37/SN--294/ME 25. GP 3.
61 Tipold, JSt 2017, 183 f;; Pichler 61/SN--294/ME 25. GP 2.
62 OStA Wien 59/SN--294/ME 25. GP 5.
63 Pichler 61/SN--294/ME 25. GP 2.

27. Jänner 2020                                        Jakob Karlinger                                          16/47
StGB genannten Personengruppen in Frage stellten und ihrerseits Forderungen nach erhöhtem
Schutz durch das Strafgesetzbuch äußerten.64 Der Gesetzgeber hat sich hier offensichtlich nicht
mit       einer   möglichen    Forderung      nach     Erweiterung             dieser   Tatbestände    auf   andere
Personengruppen auseinandergesetzt und muss daher damit rechnen, auch in Zukunft mit
derartigen Anregungen verschiedenster Institutionen konfrontiert zu sein. Dies kann durchaus in
einen unendlich erscheinenden Erweiterungsprozess der jeweiligen Normen im Strafgesetzbuch
führen.

An dieser Stelle kann durchaus noch erwähnt werden, was sich aus logischem Umkehrschluss
ergibt. Natürlich werden die genannten Normen speziell von jener Seite gelobt, die in den
Genuss der jeweiligen Bestimmungen kommen. Auffallend dabei ist jedoch, dass selbst die
befürwortenden        Interessensvertretungen         zusätzlich         für    eine    weitere    Ausdehnung    des
Tatbestandes plädieren. So sollen beispielsweise vom Schutzbereich der § 91a und § 83 Abs 3
StGB,        zusätzlich   zu   den     Personen,       die    mit        der     Kontrolle   der    Einhaltung      der
Beförderungsbedingungen oder die mit der Lenkung eines Beförderungsmittels einer dem
öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt betraut sind, auch im Bahnhofbereich tätige Personen
mitumfasst werden.65

    c)     Strafdrohung

Im ME wurde für die Einführung des § 270a StGB zunächst eine Strafdrohung von bis zu zwei
Jahren vorgesehen.66 Auch hinsichtlich dieses Vorhabens hagelte es von mehreren Seiten
harsche Kritik. Ein großes Thema war erneut die Systematik, vor allem zur Frage, ob eine derart
hohe Strafdrohung im Vergleich zu anderen, vergleichbaren, bereits existierenden Normen im
StGB sachgerecht erscheint. Speziell eine Gegenüberstellung zu einer bestehenden, ähnlichen
Norm des StGB würde zu nicht zufriedenstellenden Ergebnissen führen. So ist etwa in § 91 Abs
1 StGB (Raufhandel) auch eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vorgesehen, jedoch unter
der objektiven Bedingung des Todeseintrittes des Opfers. Bei der Annahme einer
Gleichwertigkeit des tätlichen Angriffs in § 91a StGB und der tätlichen Teilnahme in § 91 Abs 1
StGB wäre es äußerst fraglich, ob eine Kontrolleurstellung des Opfers einerseits, mit dem Tod
des Opfers im Rahmen des § 91 Abs 1 andererseits, auch als gleichwertig angesehen werden
kann.67 Zudem erscheint es wenig sachgerecht, einen Schwarzfahrer, welcher in der Hitze des
Gefechts dem Kontrolleur einen Stoß verpasst, mit einer Strafdrohung von zwei Jahren

64 ÖIF, 8/SN--294/ME 25. GP 4 schlägt die Erweiterung auf Mitarbeiter des Österreichischen Integrationsfonds vor.
Ebenso unter Bezugnahme auf ihre Mitarbeiter ÖGB 22/SN--294/ME 25. GP 2 und Österreichischer
Bundesfeuerwehrverband 58/SN--294/ME 25. GP 1 f.
65 ÖBB--Holding AG 13/SN-­294/ME 25. GP 1;; vida 12/SN-­294/ME 25. GP 1 f;; BMI 44/SN--294/ME 25 GP 3.
66 ME Strafgesetznovelle 2017, 294/ME 25. GP 2 f.
67 Tipold, JSt 2017, 183;; Epicenter works 7/SN--294/ME 25. GP 9;; Ökobüro 11/SN--294/ME 25. GP 4.

27. Jänner 2020                                        Jakob Karlinger                                           17/47
Freiheitsstrafe zu konfrontieren.68 Ein solches Szenario scheint mit der Einführung des § 91a
StGB durchaus möglich zu sein. Da die geplante Norm weder den Eintritt des Todes oder einer
Verletzung, sondern lediglich einen tätlichen Angriff des Täters voraussetzt, ist die angestrebte
Strafdrohung im Vergleich zu anderen Normen, die dies fordern, schlicht zu hoch.69

Eine weitere Frage, die durch eine Erhöhung der Strafdrohung in diesem Fall aufgeworfen wird,
ist jene der Konkurrenzen. So müsste folgerichtig, aufgrund der höheren Strafdrohung des neu
vorgesehenen § 270a StGB, dieser allenfalls in Idealkonkurrenz zu § 83 StGB treten, sofern der
tätliche Angriff auf einen Lenker oder Kontrolleur eine Körperverletzung iSd § 83 StGB nach sich
zieht.70 An ein möglicherweise auftauchendes Konkurrenzproblem haben die Verfasser des ME
hier somit ebenfalls nicht gedacht.

Die Kritik hinsichtlich der Höhe einer Strafdrohung mag für einen durchschnittlichen Bürger
Österreichs nicht verständlich sein. Dies wurzelt in einem Irrglauben, welcher zur Annahme
verleitet, dass eine höhere Strafdrohung im Gegenschluss auch zu weniger Straftaten führen
müsste. Das Argument, welches dabei vorgebracht wird ist, dass ein Täter sich seine Tat, bei
einer höherer Strafdrohung, mit Sicherheit zweimal überlegen würde. Der eben beschriebene
Gedankengang ist jedoch nicht nur in der breiten Masse der Gesellschaft stark verwurzelt,
sondern treibt seit langem auch die staatlichen Versuche, Kriminalität durch Androhung von
Strafen zu unterdrücken.71 Die Kriminalpolitik geht heute noch davon aus, dass die zu
erwartende Strafe vor allem dann geeignet ist, kriminelles Handeln zu verhindern, wenn diese
härter und vor allem möglichst zeitnah ausfällt.72 Auch im Zuge des konkreten Vorhabens
sprachen sich das österreichische Finanzministerium sowie das Innenministerium ganz klar für
die geplante Novelle aus.73 Diese Denkweise muss auch den Verfassern des ME unterstellt
werden. Die Tatsache, dass die betroffenen Personen im Tatzeitpunkt eines tätlichen Angriffs
auf sich allein gestellt wären und eine rasche Intervention durch Exekutivorgane zumeist nicht
möglich sei,74 wird sich durch eine Erhöhung des Strafmaßes nicht ändern lassen. Da die
Kontrolleure und Lenker zumeist Opfer spontaner Übergriffe im Alltag werden, blieben sie auch
in Zukunft, unabhängig von einer hohen Strafdrohung, im Tatzeitpunkt auf sich alleine gestellt.75
Der Argumentation, die in der RV vorgebracht wurde, kann somit entgegengehalten werden,

68 Pichler 61/SN--294/ME 25. GP 2.
69 Reindl--Krauskopf  47/SN-­294/ME 25. GP 7;; OStA Innsbruck 20/SN--294/ME 25. GP 6.
70 OStA Wien 59/SN--294/ME 25. GP 5.
71 Kury, Zur (Nicht--)Wirkung von Sanktionen: Ergebnisse internationaler empirischer Untersuchungen, Soziale

Probleme 2013, 11;; Hirtenlehner, Differentielle Abschreckbarkeit --– Über den Stand der modernen
Abschreckungsforschung, JSt 2017, 144.
72 Hirtenlehner, JSt 2017, 145.
73 BMF, 17/SN-­294/ME 25. GP 2;; BMI, 44/SN--294/ME 25. GP 2.
74 ErläutRV 1621 BlgNR 25. GP 2.
75 Tipold, JSt 2017, 184.

27. Jänner 2020                                        Jakob Karlinger                                         18/47
dass die Lösung nicht in der Festlegung einer hohen Strafdrohung liegen kann.76 Vielmehr
sollten die Arbeitgeber der betroffenen Personen über geeignete Schutzmaßnahme nachdenken
und sich nicht auf ein Bundesgesetz verlassen.77 Dass die Erhöhung von Strafdrohungen nicht
zu einer geringeren Anzahl an Straftaten führt, entspricht darüber hinaus auch dem generellen
Tenor des Forschungsbereiches, welcher die Auswirkungen der Generalprävention auf die
Absenkung der Kriminalitätsrate untersucht.78

Das aktuelle Bild des Strafgesetzbuches zeigt auch hier, dass die angeführte Kritik mehr als nur
berechtigt ist. Bereits in der RV zur Strafgesetznovelle 2017 wurde reagiert und die Strafdrohung
von bis zu zwei Jahren über Bord geworfen.79 § 91a StGB sieht in der aktuellen Fassung eine
Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen und
somit eine deutlich niedrigere Strafdrohung gegenüber Tatbeständen, die den Eintritt des Todes
oder eine Verletzung für eine Strafbarkeit voraussetzen (§ 83 Abs 3 StGB, § 91 Abs 1 und 2
StGB), vor.

6. Zwischenfazit und Ausblick

Generell lässt sich aus den zahlreichen Stellungnahmen zum behandelten ME die Kritik an der
heutigen Norm des § 91a StGB strukturiert anhand der drei behandelten Punkte darstellen. Die
Bemängelung an der Systematik der Einfügung dieses Tatbestandes in den Bereich der Delikte
der Staatsgewalt im 19. Abschnitt des StGB wurde akzeptiert und der damit einhergehenden
Forderung der Verankerung im Bereich der Delikte gegen Leib und Leben entsprochen. Kein
Einlenken der gesetzgebenden Organe gab es bei den Anregungen hinsichtlich der Erweiterung
des Tatbestandes auf andere, ähnlich schützenswerte Personen. Das österreichische StGB
spricht im Jahr 2019 in seinem § 91a somit nur Personen, die mit der Kontrolle der Einhaltung
der Beförderungsbedingungen oder der Lenkung eines Beförderungsmittels einer dem
öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt betraut sind und Opfer eines tätlichen Angriffs werden,
eine Sonderopferrolle zu.

Abschließend wurde die Höhe der Strafdrohung von den vorgesehenen zwei Jahren auf eine
Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder einer alternativen Geldstrafe von bis zu 360
Tagessätzen herabgesetzt. Ohne dieses Einlenken der Verfasser des ME wäre es zu
unsachlichen Ergebnissen dahingehend gekommen, dass der Täter eines tätlichen Angriffs,
welcher keine Verletzung oder den Tod des Opfers herbeiführt, mit einer Strafdrohung

76 Die österreichischen Rechtsanwälte 28/SN--294/ME 25. GP 4 hier wird der ME zusätzlich als Anlassgesetzgebung
abgestempelt;; Schwaighofer/Venier 4/SN-­294/ME 25. GP 5;; Tipold, JSt 2017, 184.
77 Tipold, JSt 2017, 278.
78 Hirtenlehner, JSt 2017, 152 f;; Kury, Soziale Probleme 2013, 11, 31 ff.
79 RV 1621 BlgNR 25. GP 1.

27. Jänner 2020                                      Jakob Karlinger                                        19/47
konfrontiert wäre, die in dieser Höhe grundsätzlich nur bei Vorliegen der genannten
Voraussetzungen zur Anwendung käme. Das aufgeworfene Konkurrenzproblem80 zu § 83 StGB
konnte so auch aus der Welt geschafft werden.

Mit 01.09. 2017 trat § 91a StGB trotz der zahlreichen Gegenargumente in Kraft. Spannend
hierbei ist, dass der Oberste Gerichtshof in diesem Fall der Politik und der Gesetzgebung den
Rücken stärkt und festhält, dass zu jederzeit und sehr wohl auch im Strafrecht auf
gesellschaftspolitische Veränderungen mit neuen Gesetzen zu reagieren wäre.81 Dem Kern
dieser Aussage kann grundsätzlich beigepflichtet werden, jedoch eröffnen die Einführung von
neuen Normen wie der des § 91a StGB ein breites Betätigungsfeld für Lobbying durch andere
Interessensvertretungen.82

Etwas mehr als zwei Jahre später bestätigten sich diese Befürchtungen bereits. Mit 01.01.2020
wird § 91a StGB bereits erweitert und auf neue Berufsgruppen ausgedehnt. Ab diesem
Zeitpunkt werden in einem neuen Absatz zwei des § 91a StGB Personen, die in einem
gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf, für eine anerkannte Rettungsorganisation oder in der
Verwaltung im Bereich eines solchen Berufs, insbesondere einer Krankenanstalt, oder als Organ
der Feuerwehr tätig sind, vor tätlichen Angriffen geschützt.83 Mit dieser Änderung wurde somit
einigen Forderungen, die bereits im Begutachtungsverfahren zur Novelle 2017 eine Ausdehnung
des Tatbestandes zum Inhalt hatten,84 entsprochen. Es kann somit beobachtet werden, dass die
seinerzeit vorgezeigte Konsequenz hinsichtlich der Begrenzung auf gewisse geschützte
Personengruppen85 nicht weitergetragen wurde. Zieht man nun die Lehren daraus, kann
durchaus bezweifelt werden, ob es bei dieser einzelnen Ausdehnung des Tatbestandes bleibt.
Wird in Zukunft eine Person einer gefährdeten Berufsgruppe während ihrer Tätigkeit tätlich
angegriffen, und erreicht dieser Fall aufgrund wiederholter Berichterstattung in den zahllosen
Medien des Landes einen hohen Grad an Empörung, so kann definitiv nicht ausgeschlossen
werden, dass erneut Forderungen nach einer Erweiterung des erwähnten Tatbestandes laut
werden. Mit der Schaffung dieses Tatbestandes hat sich der Gesetzgeber, allem Anschein nach,
für die Zukunft sehr viel Arbeit aufgebürdet, und auch die Politik wird mit weiteren aufgebrachten
Interessensvertretungen verschiedenster Berufsgruppen, die einen gleichartigen Schutz
verlangen, konfrontiert sein. Dieser Tatsache müssen sich die Vertreter der gesetzgebenden
Institution und die jeweils amtierende Bundesregierung bewusst sein.

80 Siehe dazu Pkt IV. 5. c) Strafdrohung.
81 OGH,  40/SN--294/ME 25. GP 1.
82 Tipold, JSt 2017, 278.
83 Gewaltschutzgesetz 2019, BGBl I Nr 105/2019.
84 Siehe FN 62.
85 Siehe dazu Pkt IV. 1. Gesetzestexte, wo § 91a StGB idgF ausschließlich auf Personen Bezug nimmt, die mit der

Kontrolle der Einhaltung der Beförderungsbedingungen oder die mit der Lenkung eines Beförderungsmittels einer
dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt betraut sind.

27. Jänner 2020                                      Jakob Karlinger                                      20/47
V. § 247a StGB

1.    Gesetzestext

Paragraf 247a StGB wurde mit der Strafgesetznovelle 201786 in das österreichische StGB
eingefügt. Wie bereits bei § 91a StGB und § 83 Abs 3 StGB, empfiehlt es sich auch hier, zuerst
wieder einen Blick auf den Gesetzeswortlaut der Norm zu werfen, um der später behandelten
Argumentation der verschiedenen Kritiker an diesem Tatbestand folgen zu können:

                                 Staatsfeindliche Bewegung

§ 247a (1) Wer eine staatsfeindliche Bewegung gründet oder sich in einer solchen führend
betätigt, ist, wenn er oder ein anderer Teilnehmer eine ernstzunehmende Handlung ausgeführt
oder zu ihr beigetragen hat, in der sich die staatsfeindliche Ausrichtung eindeutig manifestiert,
mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

    (2) Wer an einer solchen Bewegung mit dem Vorsatz teilnimmt, dadurch die Begehung von
staatsfeindlichen Handlungen zu fördern, oder sie mit erheblichen Geldmitteln oder sonst in
erheblicher Weise unterstützt, ist unter der Bedingung des Abs. 1 mit Freiheitsstrafe bis zu einem
Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.

     (3) Eine staatsfeindliche Bewegung ist eine Gruppe vieler Menschen, die darauf ausgerichtet
ist, die Hoheitsrechte der Republik Österreich (Bund, Länder, Gemeinden oder sonstige
Selbstverwaltung) rundweg abzulehnen oder sich fortgesetzt die Ausübung solcher oder
behaupteter Hoheitsrechte selbst anzumaßen, und deren Zweck es ist, fortgesetzt auf eine Weise,
durch die sich die staatsfeindliche Ausrichtung eindeutig manifestiert, gesetzwidrig die
Vollziehung von Gesetzen, Verordnungen oder sonstigen hoheitlichen Entscheidungen der
Behörden zu verhindern oder die angemaßten oder behaupteten Hoheitsrechte durchzusetzen.

    (4) Der Täter ist nach Abs. 1 und 2 nicht zu bestrafen, wenn die Tat nach einer anderen
Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist.

    (5) Nach Abs. 1 und 2 ist nicht zu bestrafen, wer sich freiwillig und bevor die Behörde von
seinem Verschulden erfahren hat, aus der Bewegung in einer Weise zurückzieht, die eindeutig zu
erkennen gibt, dass die staatsfeindliche Ausrichtung nicht mehr unterstützt wird.

86 Siehe   FN 2.

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2. Entstehungsgeschichte

Innerhalb der österreichischen Gesellschaft hat sich in der jüngeren Vergangenheit ein immer
stärker zunehmendes, neues Phänomen manifestiert. Bereits seit Mitte des Jahres 2014
bestehen Bestrebungen einzelner Bewegungen, die Hoheitsrechte der Republik Österreich
abzulehnen.87 Der Regierungsvorlage, die der Strafgesetznovelle 2017 vorausging, kann
entnommen werden, dass in Österreich bereits eine hohe Anzahl solcher Gruppierungen
existiert. Zu deren Anhänger gehören ua Freeman, souveräne Bürger, Terranier, Reichsbürger,
Erdenmenschen, Anhänger des „One People Public Trust“ (OPPT) oder der
„Verfassungsgebenden Versammlung“ (VGV).88 Diese Verbindungen verfolgen grundsätzlich ein
einheitliches Ziel. In ihren Vorstellungen wird die Legitimation der Nationalstaaten strikt
abgelehnt,        und   es   werden     eigene     vermeintliche          Rechte   und   Befugnisse      über    die
Hoheitsbefugnisse des österreichischen Staates gestellt. Diese Bewegungen versuchen, eine
Parallelwelt zu erschaffen und dadurch den Verpflichtungen des Einzelnen, die ein
funktionierendes soziales Zusammenleben bedingen, zu entgehen. Die ablehnende Einstellung
betrifft beispielsweise die Einhaltung österreichischer Gesetze wie die Straßenverkehrsordnung,
zivilrechtliche Vorschriften und die Entrichtung von Steuern.89 In den daran anschließenden
Verfahren gegen diese Personen werden die Behörden mit unsinnigen Eingaben überhäuft, und
mithilfe diverser Tricks90 wird versucht, die Verfahren in die Länge zu ziehen oder
Gegenforderungen zu stellen.91

Aufgrund der kontinuierlich steigenden Teilnehmerzahlen92 und der Häufung von Konflikten
zwischen Anhängern dieser Verbindungen mit den Repräsentanten des abgelehnten Systems
sah sich der österreichische Gesetzgeber gezwungen, einen neuen Tatbestand ins StGB
aufzunehmen,93 um diesen Entwicklungen in der Gesellschaft entgegenzuwirken.

87 ErläutRV  1621 BlgNR 25. GP 5;; Salimi/Tipold in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum
Strafgesetzbuch § 247a Rz 2.
88 ErläutRV 1621 BlgNR 25. GP 5;; Salimi/Tipold in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, SbgK § 247a Rz 2.
89 ErläutRV 1621 BlgNR 25. GP 5;; Salimi/Tipold in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, SbgK § 247a Rz 2.
90
   Es wurde versucht, mit dem sogenannten „Malta-­Trick“ erfundene Schulden am Gerichtsstand Malta einzuklagen.
Trägt man Schulden in das Onlinehandelsregister Uniform Commercial Code (UCC) in den USA ein und lässt sich
diese Forderung auf ein dafür errichtetes Inkassounternehmen auf Malta abtreten, so lässt sich ein maltesischer
Exekutionstitel erwirken, welcher aufgrund der Zugehörigkeit Maltas zur EU theoretisch auch in einem anderen
europäischen Staat exekutierbar ist
(https://www.justiz.gv.at/home/home/presse/pressemitteilungen/pressearchiv/pressemitteilungen--2016/justizminister--
brandstetter--trifft--maltesischen--amtskollegen--in--bruessel--zu--bilateralem--gespraech--betreffend--
reichsbuerger~2c94848b582a715a0158e2f4b9561274.de.html?highlight=true, 2016 zuletzt abgerufen am
11.01.2020).
91 Adensamer, Überschießende Kriminalisierung als Gefahr für die Demokratie, Kritik an § 247a StGB

„Staatsfeindliche Bewegung“, juridikum 2017, 149;; Bachner/Foregger in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 247a Rz 1.
92 In Österreich soll es bereits über 1100 Personen geben, die sich den oben genannten oder anderen vergleichbaren

Verbindungen angeschlossen haben (ErläutRV 1621 BlgNR 25. GP 5).
93 Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil II 13 § 247a Rz 1.

27. Jänner 2020                                         Jakob Karlinger                                         22/47
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