Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik - Année politique ...

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Ausgewählte Beiträge zur
Schweizer Politik
  Suchabfrage           15.09.2019

  Thema                 Keine Einschränkung
  Schlagworte           Tabak
  Akteure               Keine Einschränkung
  Prozesstypen          Keine Einschränkung
  Datum                 01.01.1989 - 01.01.2019

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK   01.01.89 - 01.01.19
Impressum
Herausgeber
Année Politique Suisse
Institut für Politikwissenschaft
Universität Bern
Fabrikstrasse 8
CH-3012 Bern
www.anneepolitique.swiss

Beiträge von
Benteli, Marianne
Bernhard, Laurent
Bühlmann, Marc
Käppeli, Anita
Meyer, Luzius
Pasquier, Emilia
Rinderknecht, Matthias
Rohrer, Linda
Schnyder, Sébastien
Schubiger, Maximilian

Bevorzugte Zitierweise

Benteli, Marianne; Bernhard, Laurent; Bühlmann, Marc; Käppeli, Anita; Meyer, Luzius;
Pasquier, Emilia; Rinderknecht, Matthias; Rohrer, Linda; Schnyder, Sébastien;
Schubiger, Maximilian 2019. Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik: Tabak, 1989 -
2012. Bern: Année Politique Suisse, Institut für Politikwissenschaft, Universität Bern.
www.anneepolitique.swiss, abgerufen am 15.09.2019.

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.89 - 01.01.19
Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Chronik                                                                    1
    Aussenpolitik                                                                     1
           Beziehungen zur EU                                                         1
    Öffentliche Finanzen                                                              1
           Indirekte Steuern                                                          1
    Sozialpolitik                                                                     3
       Gesundheit, Sozialhilfe, Sport                                                 3
           Gesundheitspolitik                                                         3
           Suchtmittel                                                                3
           Sport                                                                     21
       Soziale Gruppen                                                               21
           Kinder- und Jugendpolitik                                                 21

Parteien, Verbände und Interessengruppen                                             22
       Parteien                                                                      22
          Grosse Parteien                                                            22
          Linke und ökologische Parteien                                             23
          Konservative und Rechte Parteien                                           24

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK   01.01.89 - 01.01.19   I
Abkürzungsverzeichnis
UNO              Organisation der Vereinten Nationen
AHV              Alters- und Hinterlassenenversicherung
BSV              Bundesamt für Sozialversicherungen
SGK-NR           Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates
BAG              Bundesamt für Gesundheit
EU               Europäische Union
EDI              Eidgenössisches Departement des Inneren
WHO              World Health Organization
BASPO            Bundesamt für Sport
SFA              Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme
KMU              Kleine und mittlere Unternehmen
FMH              Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte
EVG              Eidgenössisches Versicherungsgericht
AIDS             Acquired Immune Deficiency Syndrome
WAK-NR           Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats
EG               Europäische Gemeinschaft
VVG              Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag

ONU              Organisation des Nations unies
AVS              Assurance-vieillesse et survivants
OFAS             Office fédéral des assurances sociales
CSSS-CN          Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil
                 national
OFSP             Office fédéral de la santé publique
UE               Union européenne
DFI              Département fédéral de l'intérieur
OMS              Organisation mondiale de la Santé
OFSPO            Office fédéral du sport
ISPA             Institut suisse de prévention de l’alcoolisme et autres toxicomanies
PME              petites et moyennes entreprises
FMH              Fédération des médecins suisses
TFA              Tribunal fédéral des assurances
SIDA             Syndrome de l'immunodéficience acquise
CER-CN           Commission de l'économie et des redevances du Conseil national
CE               Communauté européenne
LCA              Loi fédérale sur le contrat d'assurance

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.89 - 01.01.19   II
Allgemeine Chronik
                     Aussenpolitik
                     Beziehungen zur EU
MOTION               Der Nationalrat hiess als erstbehandelnder Rat eine Motion Favre (fdp, NE) mit der
DATUM: 09.06.2011
ANITA KÄPPELI
                     Forderung nach Ausschluss des Tabak-Dossiers aus den Verhandlungen mit der EU im
                     Bereich der öffentlichen Gesundheit gut. 1

MOTION               La motion Favre (plr, NE) qui demande d’exclure le chapitre du tabac des négociations
DATUM: 11.09.2012
EMILIA PASQUIER
                     européennes relatives à la santé publique, a été adoptée en seconde lecture suite à une
                     modification du Conseil des Etats. 2

                     Öffentliche Finanzen
                     Indirekte Steuern
BUNDESRATSGESCHÄFT   Ende Jahr legte der Bundesrat seine Botschaft zur Änderung des Tabaksteuergesetzes
DATUM: 21.12.2007
LINDA ROHRER
                     vor. Die Steuerstruktur für Zigaretten war mit der Änderung des Bundesgesetzes über
                     die Tabakbesteuerung bereits im Jahr 1996 EU-kompatibel geworden. Dies sollte nun
                     mit der Revision auch für alle anderen Tabakwaren (z.B. Stumpen, Zigarren und
                     Schnitttabak) geschehen. Gleichzeitig sollte die Steuerbelastung leicht heraufgesetzt
                     und dem Bundesrat die Kompetenz erteilt werden, diese bei Bedarf weiter zu erhöhen.
                     Bei der leichten Steuererhöhung auf Zigarren und Zigarillos und der markanten
                     Steuererhöhung auf Feinschnitttabak standen gesundheitspolitische Ziele im
                     Vordergrund. Auf die Festlegung eines Mindestverkaufspreises für Zigaretten wurde
                     vorerst verzichtet, allerdings soll sich die Steuerbelastung in moderaten Schritten und
                     über mehrere Jahre hinaus der EU-Mindestbelastung annähern. Die Botschaft war in
                     der Vernehmlassung auf breite Zustimmung gestossen. 3

BUNDESRATSGESCHÄFT   Der Nationalrat befasste sich als Erstrat mit der Ende 2007 vom Bundesrat beantragten
DATUM: 19.12.2008
MARIANNE BENTELI
                     Änderung des Tabaksteuergesetzes. Eine Kommissionsminderheit aus der SVP
                     beantragte Rückweisung an den Bundesrat mit der Auflage, keine weitere
                     Steuerbelastung für die Konsumenten vorzusehen; deshalb sollte dem Bundesrat auch
                     die Kompetenz verweigert werden, in Eigenregie Steuererhöhungen für Tabakwaren
                     festzulegen. Das links-grüne Lager sprach sich gegen den Rückweisungsantrag aus,
                     bedauerte aber, dass die Revision nicht konsequent genug erfolge. Insbesondere
                     stünden die fiskalischen Aspekte mehr im Vordergrund als die gesundheitspolitischen;
                     auch sei die Angleichung an die Besteuerung in der EU nicht konsequent vollzogen;
                     Zigarren und Zigarillos würden weiterhin klar weniger hoch besteuert als im EU-Raum,
                     zudem gebe es Ausnahmen, etwa bei den gesundheitlich nicht weniger
                     problematischen Produkten des Schnupf- und Kautabaks. Da kein Antrag auf
                     Nichteintreten gestellt worden war, wurde dieses stillschweigend beschlossen. Der
                     Rückweisungsantrag der SVP wurde mit 106 zu 59 Stimmen klar abgelehnt, wobei sich
                     die FDP allerdings gespalten zeigte.

                     In der Detailberatung beantragte Meier-Schatz (cvp, SG) mit Unterstützung des links-
                     grünen Lagers, den Kau- und Schnupftabak bei der Besteuerung dem Feinschnitttabak
                     gleichzustellen. Sie argumentierte, wenn man es mit der Prävention und dem
                     Jugendschutz ernst meine, dürfe man keine Differenzierung nach Produkten
                     akzeptieren. Bundesrat und Kommissionsmehrheit machten demgegenüber geltend,
                     Kau- und Schnupftabak seien Nischenprodukte und würden beispielsweise im
                     Nachbarland Deutschland gar nicht besteuert, weshalb es einfach wäre, sich diese
                     Produkte im Ausland zu besorgen. Der Antrag wurde mit 85 zu 72 Stimmen abgelehnt.

                     Wie bereits in der Eintretensdebatte angekündigt, wollte die SVP die Kompetenz des
                     Bundesrates zur Vornahme von Steuererhöhungen beschneiden, indem für alle
                     Tabakprodukte die Belastung nur bis 80% der 2003 geltenden Sätze zugelassen werden
                     sollte. Bundesrätin Widmer-Schlumpf machte darauf aufmerksam, dass dieses
                     Begehren gar nicht umsetzbar wäre, da mit dieser Revision mit Ausnahme der
                     Zigaretten die gesamte Steuerstruktur verändert werde. Schelbert (gp, LU) wollte

                     ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK       01.01.89 - 01.01.19   1
hingegen, dass bei den Zigaretten die Erhöhungskompetenz um 80% des Bundesrates
                    nicht mit Stichdatum 2003 erfolgt, sondern neu ausgehend von den Steuersätzen, die
                    bei Inkraftsetzung des Gesetzes gelten. Damit würde der Bundesrat die Kompetenz
                    erhalten, den Preis der Zigarettenpäckchen in den nächsten Jahren nicht nur um 0.60
                    Fr. zu erhöhen, wie dies aufgrund der seit 2003 erst zu 50% ausgeschöpften
                    Kompetenz möglich ist, sondern um 2.30 Fr. Beide Anträge wurden recht deutlich
                    abgelehnt.

                    Mit einem Einzelantrag wollte Donzé (evp, BE) dem Bundesrat die Kompetenz erteilen,
                    einen Mindestpreis für Zigaretten festzulegen, um so genannte Lockvogel-Angebote der
                    Hersteller zu verunmöglichen, die sich insbesondere an Jugendliche richten.
                    Bundesrätin Widmer-Schlumpf plädierte dafür, den Antrag abzulehnen, da es zu einer
                    unstatthaften Einmischung in den freien Markt führen würde, worauf dieser mit 123 zu
                    40 Stimmen abgeschmettert wurde. Einzig die GP votierte geschlossen dafür, die CVP
                    mehrheitlich.

                    Um eine Grundsatzfrage ging es beim Antrag aus dem links-grünen Lager, den Anteil an
                    der Tabaksteuer, der heute der Subventionierung des inländischen Tabakanbaus dient,
                    in den Tabakpräventionsfonds umzuleiten. Der Sprecher der Minderheit bezeichnete
                    die heutige Regelung als pervers: Je rund 18 Mio Fr. jährlich flössen heute einerseits in
                    den Präventionsfonds sowie andererseits in die Unterstützung des Anbaus; das sei, als
                    würde man die Brandstifter und danach die Feuerwehr gleichzeitig finanzieren. Zudem
                    hätten die Tabakanbauer (rund 330 Betriebe in der Schweiz) eine Abnahmegarantie
                    sowie eine Zusicherung, dass man für ihre Produkte den dreifachen Welthandelspreis
                    bezahle. In den Übergangsbestimmungen des Gesetzes wollte die Minderheit den
                    Tabakanbauern während zweier Jahre die bisherigen Subventionen für eine Umstellung
                    des Betriebs zur Verfügung stellen. Der Antrag stiess auf wenig Zustimmung. Selbst die
                    sonst gesundheitspolitisch aktive CVP betonte, hier gehe es nicht um ein Präventions-,
                    sondern um ein Steuergesetz; zudem seien die Interessen der Tabakanbauer zu
                    berücksichtigen. Auch SVP und FDP machten sich für die inländische Tabakproduktion
                    stark. Weil auch der Bundesrat sehr deutlich für Ablehnung plädierte, da dies das Ende
                    des einheimischen Tabakanbaus bedeuten würde, wurde der Antrag mit 101 zu 62 zu
                    Stimmen klar verworfen. Der Entwurf wurde in der Gesamtabstimmung schliesslich mit
                    99 zu 69 Stimmen angenommen. Die SP- und die SVP-Fraktion zeigten sich allerdings
                    unzufrieden über das Gesetz.

                    Im Ständerat wurde das Eintreten nicht bestritten. Obgleich sie keine entsprechenden
                    Anträge stellten, nahmen doch drei Votantinnen die Argumente der Minderheit des
                    Nationalrats wieder auf. Forster (fdp, SG) und Diener (glp, ZH) bedauerten, dass sich der
                    Bundesrat und die Mehrheit der grossen Kammer gegen Mindestpreise für Zigaretten
                    gewehrt hätten, da in den letzten Jahren der Markt von Billigzigaretten und der Abgabe
                    von etablierten Marken zu Dumpingpreisen richtiggehend überschwemmt worden sei,
                    was eindeutig Jugendliche mit beschränkten finanziellen Mitteln anlocke; die Branche
                    versuche so, den Rückgang des Tabakkonsums auszugleichen. Fetz (sp, BS) geisselte
                    erneut die „Doppelmoral“, welche Tabakbauern und Tabakprävention im gleichen
                    Umfang subventioniere. Beim Kompetenzrahmen für die Steuererhöhungen wollte die
                    Kommission den im Nationalrat unterlegenen Antrag Schelbert (gp, LU) wieder
                    aufnehmen (+80% auf dem bei Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Preis), unterlag
                    aber mit 19 zu 18 Stimmen ganz knapp einem Antrag Hess (fdp, OW), seines Zeichens
                    Präsident der Vereinigung des Schweizerischen Tabakwarenhandels, der dafür plädierte
                    dem Nationalrat zu folgen. In der Gesamtabstimmung passierte der Entwurf mit 21 zu 1
                    Stimmen bei 5 Enthaltungen, worauf das Gesetz noch vor Ende Jahr definitiv
                    verabschiedet werden konnte. 4

MOTION              Im Berichtsjahr überwiesen beide Räte eine Motion Zanetti (sp, SO), die eine Befreiung
DATUM: 21.12.2011
LAURENT BERNHARD
                    von elektronischen Zigaretten und anderen Raucherentwöhnungshilfen von der
                    Tabaksteuer forderte. 5

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK         01.01.89 - 01.01.19   2
Sozialpolitik
                        Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
                        Gesundheitspolitik
STUDIEN / STATISTIKEN   Die erstmals vom Bundesamt für Statistik durchgeführte Schweizerische
DATUM: 28.06.1994
MARIANNE BENTELI
                        Gesundheitsbefragung zeichnete das Bild einer sich mehrheitlich gesund fühlenden
                        und gesundheitsbewussten Bevölkerung. Über 80% der Befragten schätzten ihren
                        gesundheitlichen Zustand spontan als gut bis sehr gut ein. Für fast 90% spielen
                        gesundheitliche Überlegungen eine wichtige Rolle bei ihrer Lebensgestaltung. Dennoch
                        rauchen rund 30% der Bevölkerung, und ein gleicher Anteil trinkt häufiger als zweimal
                        pro Woche Alkohol. Nur gerade jede vierte Person betätigt sich körperlich ausreichend.
                        Wie bereits frühere Untersuchungen gezeigt hatten, sind Gesundheit, Konsumverhalten
                        und Ernährungsbewusstsein stark von der sozialen Herkunft und der Bildung abhängig.
                        Je höher das Bildungsniveau ist, desto mehr wird auf eine gesunde Lebensweise
                        geachtet.     Die   Befragung  wies    auch    sprachregionale     Unterschiede     im
                        Gesundheitsbewusstsein nach. In der deutschen Schweiz ist es in 90% der Bevölkerung
                        verbreitet, in der Romandie kümmern sich nur 77% im Alltag um ein gesundes Leben.
                        Das Tessin liegt im schweizerischen Mittel. Bei den Frauen ist das
                        Gesundheitsbewusstsein mit 89% stärker ausgeprägt als bei den Männern. 6

VERWALTUNGSAKT          Der Bundesrat verlängerte Mitte Jahr seine Präventionsprogramme und setzte die Ziele
DATUM: 18.06.2008
LINDA ROHRER
                        bis 2012 fest. Unausgewogene Ernährung, zu wenig Bewegung, problematischer
                        Alkoholkonsum sowie Rauchen verursachen jährlich Kosten von rund 20 Mia Fr., die
                        mittels Präventionsmassnahmen reduziert werden können. Seine Hauptaufgabe sah der
                        Bundesrat      in    der    Koordination    zwischen     Bund,    Kantonen,     Nicht-
                        Regierungsorganisationen und anderen involvierten Kreisen, in der Sicherung einer
                        aussagekräftigen Datenlage, der Evaluation, Forschung und Definition von „Best-
                        Practices“ sowie der Information. Er umschrieb seine Ziele in Bezug auf die nationalen
                        Programme Alkohol, Ernährung und Bewegung, Tabak und HIV/Aids. Im Vorfeld hatte
                        sich eine Allianz von Wirtschaftsverbänden gebildet, die gegen Teile der
                        Präventionsmassnahmen des Bundes kämpfte. Diese Allianz umfasste 20 Verbände aus
                        der Tabak- und Alkoholbranche sowie aus dem Bereich Handel und der
                        Kommunikationsbranche.        Ebenfalls   beteiligt   waren    Economiesuisse,     der
                        Schweizerische Arbeitgeberverband und der Gewerbeverband. Diese Allianz engagierte
                        sich für eine stärkere Ausrichtung der Präventionsmassnahmen auf Eigenverantwortung
                        und Aufklärungsmassnahmen, die sich an Risikogruppen richten. Sie wandte sich gegen
                        Eingriffe in die freie Marktwirtschaft, zusätzliche Einschränkungen der persönlichen
                        Freiheit und Steuern. 7

                        Suchtmittel
VOLKSINITIATIVE         Die beiden Volksinitiativen ("Zwillingsinitiativen") "zur Veminderung der
DATUM: 11.10.1989
MARIANNE BENTELI
                        Tabakprobleme" und "zur Verminderung der Alkoholprobleme" wurden am 11. Oktober
                        mit 115 210 bzw. 110 648 Unterschriften eingereicht. Als Erfolg durften die in dieser
                        Hinsicht sensibilisierten Kreise auch den Umstand werten, dass der Nationalrat bei der
                        Beratung des neuen Radio- und Fernsehgesetzes dem bundesrätlichen Vorschlag eines
                        zwingenden Verbotes der Tabak- und Alkoholwerbung (Art. 17, Abs. 5) mit 118 zu 68
                        Stimme den Vorzug gab gegenüber der Empfehlung der Mehrheit der vorberatenden
                        Kommission, welche für eine "Kann"-Formulierung plädiert hatte. 8

BUNDESRATSGESCHÄFT      Unter anderem aus Gründen der Europaverträglichkeit im Fernsehbereich wird der
DATUM: 26.01.1990
MARIANNE BENTELI
                        Bundesrat Volk und Ständen die Ablehnung der 1989 eingereichten Zwillings-Initiativen
                        empfehlen, die ein striktes Werbeverbot für alkoholische Getränke und Tabakwaren
                        verlangen. Da er aber die Suchtprävention sehr ernst nehme, teilte Bundesrat Cotti der
                        Presse mit, werde er auf Gesetzesebene einen indirekten Gegenvorschlag ausarbeiten
                        lassen. Ein totales Verbot komme dabei aber nicht in Frage. Aufgrund dieser Vorgaben
                        war das Initiativkomitee nicht bereit, seine Begehren zurückzuziehen. 9

                        ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK      01.01.89 - 01.01.19   3
VERWALTUNGSAKT       Mit einer breit angelegten Kampagne wollen das BAG und die Verbindung der Schweizer
DATUM: 19.07.1990
MARIANNE BENTELI
                     Arzte (FMH) möglichst vielen Rauchern und Raucherinnen in der Schweiz den Ausstieg
                     aus ihrer Sucht erleichtern. National- und Ständerat nahmen Kenntnis von der Petition
                     des Raucher-Clubs, welche sich gegen derartige Präventionskampagnen wandte, gaben
                     ihr aber diskussionslos keine Folge. Einen kleinen Erfolg konnten die Raucher insofern
                     verbuchen, als das Bundesgericht in einer Versicherungsstreitfrage entschied, Nikotin
                     sei keine Droge im Rechtssinn, könne also nicht zu einer Einschränkung des
                     Versicherungsschutzes      gemäss     Art.  33    des    Bundesgesetzes   über    den
                     Versicherungsvertrag (VVG) führen. 10

BUNDESRATSGESCHÄFT   Die Grundlage für den bundesrätlichen Gegenvorschlag wird das von der kleinen
DATUM: 02.10.1990
MARIANNE BENTELI
                     Kammer als Erstrat verabschiedete revidierte Lebensmittelgesetz bieten, welches dem
                     Bundesrat die Möglichkeit gibt, Tabak- und Alkoholwerbung insbesondere zum Schutz
                     der Jugendlichen einzuschränken. Die vom Bundesrat vorgeschlagene unverbindliche
                     Kann-Formulierung war dabei allerdings recht umstritten. 11

POSTULAT             Der Nationalrat überwies ein Postulat Zwygart (evp, BE) mit dem Ziel eines vermehrten
DATUM: 22.03.1991
MARIANNE BENTELI
                     Schutzes der Jugend vor Tabakmissbrauch. Der Postulant regte insbesondere ein
                     Verbot des Verkaufs von Tabakwaren und der Verteilung von Gratismustern an
                     Jugendliche sowie Massnahmen gegen die unkontrollierte Abgabe von Tabakwaren an
                     Automaten an. 12

BUNDESRATSGESCHÄFT   Der Bundesrat will den "Zwillingsinitativen" zur Verminderung der Alkohol- und
DATUM: 18.06.1991
MARIANNE BENTELI
                     Tabakprobleme mit einem indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesebene
                     entgegentreten    und    gab   seinen     Entwurf     für   eine    Verschärfung     der
                     Werbeeinschränkungen für Tabakwaren und alkoholische Getränke im künftigen
                     Lebensmittelgesetz    und im Alkoholgesetz in die Vernehmlassung. Wegen der
                     erwiesenermassen gesundheitsschädlichen Wirkung von Raucherwaren schlug er ein
                     totales Werbeverbot für dieses Produkt in den inländischen Printmedien, auf
                     Plakatwänden und in den Kinos vor. Aus Gründen der Machbarkeit – und weil ohnehin
                     schon viele EG-Staaten ein generelles Verbot der Tabakwerbung kennen oder
                     vorbereiten – verzichtete er auf eine Ausdehnung des Geltungsbereichs auf
                     ausländische Medien. Die sachbezogene Information über Raucherwaren und
                     alkoholische Getränke in den Verkaufsstellen soll weiterhin erlaubt sein. Da Alkohol nur
                     im Abusus gesundheitsschädigend ist, kann nach Auffassung des Bundesrates die rein
                     beschreibende Alkoholwerbung in den Printmedien beibehalten werden, nicht aber die
                     allein zum Konsum animierende Reklame in den Kinos oder auf Plakaten. 13

BUNDESRATSGESCHÄFT   In der Vernehmlassung stiessen die bundesrätlichen Vorschläge auf viel Kritik. Die
DATUM: 31.07.1991
MARIANNE BENTELI
                     bürgerlichen Parteien, die Arbeitgeberorganisationen, der Gewerbeverband, die
                     betroffene Tabak- und Alkoholindustrie, die von der Werbung profitierenden Medien,
                     Agenturen und Kinos, aber auch Sportverbände und kulturelle Organisationen, welche
                     weitgehend vom Sponsoring leben, lehnten die bundesrätlichen Vorschläge zum Teil
                     ganz vehement ab. Unterstützung fand der Bundesrat hingegen bei der SP, den Grünen,
                     den    Gewerkschaften      sowie    den    Organisationen    für   Gesundheit  und
                     Konsumentenschutz. Dem Initiativkomitee ging der Gegenvorschlag hingegen zu wenig
                     weit, weshalb es beschloss, sein Begehren nicht zurückzuziehen. 14

VERWALTUNGSAKT       Bund, Kantone und private Organisationen schlossen sich zu einer Pressekampagne
DATUM: 08.09.1991
MARIANNE BENTELI
                     zusammen, mit welcher Jugendliche über die Gefahren von Alkohol und Nikotin
                     aufgeklärt werden sollten. Als erste Aktion wurde landesweit ein Jugendmagazin verteilt,
                     welches zur Lektüre und Diskussion über Tabak und Alkohol anregen und den gesunden
                     Lebensstil des Nicht-Rauchens propagieren will. 15

                     ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.89 - 01.01.19   4
STUDIEN / STATISTIKEN   Zum erstenmal in der Schweiz erstellte das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der
DATUM: 04.03.1992
MARIANNE BENTELI
                        Universität Bern im Auftrag des BAG eine epidemiologische Studie über
                        rauchenbedingte Todesfälle. Die Studie ergab, dass in der Schweiz jährlich rund 10'000
                        Raucherinnen und Raucher an den Folgen ihres Tabakkonsums sterben. Dies entspricht
                        einem Anteil von 16,6% aller Todesfälle. Das BAG erinnerte in diesem Zusammenhang
                        daran, dass Rauchen die wichtigste vermeidbare Einzelursache von Krankheit und
                        vorzeitiger Mortalität in Europa ist. 16

BUNDESRATSGESCHÄFT      Der Bundesrat beantragte dem Parlament die Ablehnung der "Zwillingsinitiativen" zur
DATUM: 09.03.1992
MARIANNE BENTELI
                        Verminderung der Alkohol- und Tabakprobleme, welche 1989 mit der Forderung nach
                        einem totalen Werbeverbot für Alkoholika und Tabakwaren eingereicht worden waren,
                        und leitete den Räten seine Botschaft für einen indirekten Gegenvorschlag auf
                        Gesetzesstufe zu. Dabei zeigte er Bereitschaft, den in der Vernehmlassung
                        vorgebrachten Bedenken der betroffenen Kreise (Industrie, Gewerbe, Medien)
                        zumindest teilweise Rechnung zu tragen und seinen ursprünglichen Vorschlag etwas zu
                        lockern. Als Erklärung für diesen partiellen Rückzieher – beispielsweise bei der
                        Tabakwerbung in den Printmedien oder beim Sponsoring – führte er an, dass neben der
                        hohen Priorität, welche dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung gebühre, auch die
                        Handels- und Gewerbefreiheit, die Rechtsgleichheit und das Informationsbedürfnis der
                        Konsumentinnen und Konsumenten berücksichtigt werden müssten.

                        Strikt verboten sein soll die Werbung am Schweizer Radio und Fernsehen, bei den
                        Lokalradios, in den Kinos und auf Plakatwänden. In allen anderen Bereichen würde die
                        Werbung bloss eingeschränkt. An den Verkaufsstellen darf informativ geworben
                        werden. Degustationen bleiben hier – mit Ausnahme der gebrannten Wasser – erlaubt,
                        hingegen dürfen keine Gratismuster von Raucherwaren mehr abgegeben werden.
                        Sachbezogene Werbung für Alkoholika und Tabak soll auch in den Printmedien mit
                        Ausnahme der Jugendzeitschriften möglich sein. Ebenfalls zugelassen bleiben das
                        Sponsoring und die Markendiversifizierung, sofern damit nicht die Förderung des
                        Verkaufs von Alkohol und Tabakwaren bezweckt wird. Das Aktionskomitee zeigte sich
                        enttäuscht vom Gegenvorschlag und beschloss, seine Initiativen nicht zurückzuziehen. 17

BUNDESRATSGESCHÄFT      Zu heftigen Wortgefechten kam es, als der Nationalrat im Rahmen der Revision des
DATUM: 18.06.1992
MARIANNE BENTELI
                        Lebensmittelgesetzes Werbeeinschränkungen für Tabak und Alkohol behandelte. Der
                        Ständerat hatte 1990 einer Kompetenznorm, wonach der Bundesrat zum Schutz der
                        Gesundheit insbesondere von Jugendlichen die Werbung für alkoholische Getränke
                        sowie für Tabak- und Raucherwaren einschränken kann, nach langer Diskussion
                        zugestimmt. Im Nationalrat versuchten Vertreter des bürgerlichen Lagers, angeführt von
                        Nationalrat Oehler (cvp, SG), Präsident des Verbandes der schweizerischen
                        Tabakindustrie, mit vielfältigen Argumenten einen völligen Verzicht auf
                        Werbebeschränkungen zu erreichen. So weit wollte der Rat nicht gehen, doch
                        schwächte er den Beschluss des Ständerates ab. Gemäss nationalrätlicher Variante
                        kann der Bundesrat die Werbung für alkoholische Getränke und für Tabakartikel nur
                        dann einschränken, wenn sie sich speziell an die Jugend richtet. Der Ständerat stimmte
                        dieser Version zu. 18

VERBANDSCHRONIK         Um den einschneidenden Forderungen der Volksinitiative den Wind aus den Segeln zu
DATUM: 09.09.1992
MARIANNE BENTELI
                        nehmen, erlegte sich der Verband Schweizerischer Zigarettenfabrikanten freiwillig
                        Einschränkungen bei der Zigarettenwerbung auf. Die Einhaltung dieses
                        "Werbekodexes", der sich in erster Linie an den Anliegen des Jugendschutzes
                        orientiert, wird von der Kommission für Lauterkeit in der Werbung kontrolliert. 19

VOLKSINITIATIVE         In der Frühjahrssession wurden die Zwillingsinitiativen für eine Verminderung der
DATUM: 02.03.1993
MARIANNE BENTELI
                        Tabakprobleme und für eine Verminderung der Alkoholprobleme, die ein völliges
                        Werbeverbot für Tabak und Alkohol verlangten, vom Ständerat, welcher das Geschäft
                        als Erstrat behandelte, klar verworfen. Die kleine Kammer erachtete den Einfluss der
                        Werbung auf das Konsumverhalten insbesondere der Jugend als nicht erwiesen und
                        betonte die negativen materiellen Auswirkungen der Initiativen auf die Werbebranche
                        und das kulturelle Sponsoring. Vergeblich appellierte Bundesrat Cotti an den Rat,
                        zumindest auf den moderateren Gegenvorschlag des Bundesrates einzutreten, welcher
                        nur die Plakat- und Kinowerbung verbieten, die informierende Werbung in den

                        ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.89 - 01.01.19   5
Printmedien und an den Verkaufsstellen sowie das Sponsoring unter gewissen Auflagen
                    jedoch zulassen wollte. Gegen die engagierten Voten von Meier (cvp, LU), Onken (sp, TG)
                    und Schiesser (fdp, GL), die sich für den Jugendschutz stark machten und an die
                    menschlichen und volkswirtschaftlichen Folgen übermässigen Alkohol- und
                    Tabakkonsums erinnerten, wurde auch dieser Vorschlag deutlich abgelehnt. Ihm warfen
                    die Gegner jeglicher Werbebeschränkung vor, nicht praktikabel zu sein und der
                    Werbebranche jährlich Aufträge in der Höhe von 100 bis 150 Mio Fr. zu entziehen. 20

VOLKSINITIATIVE     Der Nationalrat übernahm praktisch die Argumentation des Ständerates und lehnte
DATUM: 18.06.1993
MARIANNE BENTELI
                    ebenfalls sowohl die Initiativen als auch den bundesrätlichen Gegenvorschlag deutlich
                    ab. Bei der ständerätlichen Präventions-Motion setzte sich hingegen der Bundesrat
                    durch und erreichte eine Überweisung in der unverbindlichen Form des Postulates. 21

VOLKSINITIATIVE     Bei dieser Ausgangslage hatten die beiden Initiativen in der Volksabstimmung keine
DATUM: 08.09.1993
MARIANNE BENTELI
                    Chance, umso mehr als die Gegner der Initiativen — in erster Linie die Tabakindustrie
                    und die Werbung — weder Mittel noch Wege scheuten, um die Initiativen, die sie in
                    erster Linie als werbe- und arbeitsplatzfeindlich darstellten, zu Fall zu bringen. Dabei
                    fanden sie die nahezu uneingeschränkte Unterstützung der Printmedien, welche sich in
                    Zeiten ohnehin rückläufigen Inseratevolumens unmissverständlich auf die Seite ihrer
                    potenten Auftraggeber stellten. Gegen die Initiativen sprach sich aber auch ein "
                    Schweizerisches Aktionskomitee gegen unbrauchbare Werbeverbote" aus, in welchem
                    sich 150 Bundesparlamentarier und -parlamentarierinnen aus allen grösseren Parteien
                    zusammenschlossen. Dem Präsidium gehörten neben Nationalrätin Heberlein (fdp, ZH),
                    Ständerat Delalay (cvp, VS) und Nationalrätin Zölch (svp, BE) auch der Basler SP-
                    Nationalrat Hubacher an, der sich in dieser Frage gegen die Meinung seiner Partei
                    stellte. 22

GERICHTSVERFAHREN   Das Eidg. Versicherungsgericht (EVG) entschied in einem neuen Grundsatzurteil, dass
DATUM: 16.09.1993
MARIANNE BENTELI
                    sich eine Person, die durch Alkohol- oder Tabakmissbrauch zum Invaliden wird,
                    inskünftig keine IV-Rentenkürzung mehr gefallen lassen muss. Das EVG berief sich
                    dabei auf zwei internationale Abkommen, welche die Kürzung einer Invalidenrente nur
                    zulassen, wenn jemand seine Gesundheit absichtlich geschädigt hat. Nach Auffassung
                    des EVG ist äusserst fraglich, ob bei chronischem Missbrauch von Alkohol und Tabak
                    überhaupt je von absichtlichem Selbstverschulden die Rede sein kann. 23

VOLKSINITIATIVE     Volksinitiative "zur Verhinderung der Alkoholprobleme".
DATUM: 28.11.1993
MARIANNE BENTELI
                    Abstimmung vom 28. November 1993

                    Beteiligung: 44,7%
                    Nein: 1'527'165 (74,7%) / 20 6/2 Stände
                    Ja: 516'054 (25,3%) / 0 Stände

                    Parolen:
                    – Nein: FDP, CVP (4*), SVP, LP, AP, Lega; Vorort, SGV
                    – Ja: SP (3*), GP, PdA (1*), LdU (3*), EVP, EDU, SD (3*)

                    * In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

                    Volksinitiative "zur Verminderung der Tabakprobleme".
                    Abstimmung vom 28. November 1993

                    Beteiligung: 44,7%
                    Nein: 1 521 885 (74,5%) / 20 6/2 Stände
                    Ja: 521 433 (25,5%) / 0 Stände

                    Parolen:
                    – Nein: FDP, CVP (3*), SVP, LP, AP, Lega; Vorort, SGV
                    – Ja: SP (3*), GP, PdA (1*), LdU (3*), EVP, EDU, SD (3*)

                    * In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.89 - 01.01.19   6
Die einzige Überraschung des Abstimmungsresultates lag denn auch in seiner
                        Deutlichkeit. 1979 hatten sich noch 41% der Stimmenden für ein analoges
                        Volksbegehren ("Guttempler-Initiative") ausgesprochen, Basel-Stadt sogar mit mehr als
                        50%. Besonders massiv wurden die beiden Initiativen in der Westschweiz (mit
                        Ausnahme von Genf) und im Kanton Schwyz abgelehnt, wo sich über vier Fünftel der
                        Urnengängerinnen      und      Urnengänger     gegen      sie    aussprachen.     Am
                        "verbotsfreundlichsten" zeigten sich die Kantone Basel-Stadt und Zürich mit rund 33%
                        bzw. 31% Ja-Stimmen.

                        Wie die Vox-Analyse dieser Abstimmung zeigte, fanden die beiden Initiativen bei den
                        Frauen erheblich mehr Zustimmung als bei den Männern. Seit dem Beginn der Vox-
                        Analysen 1977 wurde nie eine so grosse Differenz zwischen dem Stimmverhalten der
                        Frauen und der Männer – 18% beim Tabakverbot – beobachtet. Tiefe Ja-Anteile ergaben
                        sich in der jüngsten Alterskategorie, in der Romandie und in den ländlichen Gebieten.
                        Besonders im rot-grünen Lager beeinflusste der politische Standort das
                        Stimmverhalten nur teilweise. Einzig die Gefolgschaft von LdU/EVP stimmte beiden
                        Initiativen zu, die Grünen nahmen nur die Tabakinitiative an, während die Anhänger der
                        SP mehrheitlich nicht der Parteiparole folgten. Die meistgenannten Motive zur
                        Verwerfung der Initiativen waren die Angst vor zusätzlicher Arbeitslosigkeit und die
                        Überzeugung, dass ein Verbot wirkungslos wäre bzw. durch ausländische Medien
                        umgangen würde. 24

STUDIEN / STATISTIKEN   Die Bundesämter für Statistik und Gesundheitswesen legten eine gemeinsame Studie
DATUM: 15.11.1994
MARIANNE BENTELI
                        vor, welche anhand der Verzeigungen und Verurteilungen der letzten 20 Jahre einige
                        Vorurteile über das Ausmass des Drogenkonsums in der Schweiz ausräumen konnte.
                        Entgegen den Darstellungen in den Medien - und vor allem in der Boulevardpresse - ist
                        die Zahl der Konsumenten von harten Drogen in den letzten Jahren ungefähr stabil bei
                        24 000 bis 30 000 geblieben. Die Abhängigkeit von illegalen Drogen ist deutlich
                        geringer als der Konsum von Alkohol, Tabak und Medikamenten. So gibt es
                        beispielsweise rund 30mal mehr Personen, die einmal pro Woche Alkohol konsumieren
                        als solche, die Haschisch zu sich nehmen. Auch starker Zigarettenkonsum oder die
                        tägliche Einnahme von Medikamenten sind häufiger als wöchentlicher Cannabiskonsum.
                        Die weitverbreitete Meinung, die Konsumentinnen und Konsumenten von illegalen
                        Drogen würden immer jünger, konnte ebenfalls widerlegt werden. So erhöhte sich seit
                        den siebziger Jahren das Durchschnittsalter der Verzeigten oder Verurteilten
                        kontinuierlich von 24 auf 26 Jahre. Der Anteil der Personen unter 18 Jahren hat sich
                        dagegen kaum verändert. 25

STUDIEN / STATISTIKEN   Elf- bis sechzehnjährige Schweizer Schulkinder konsumieren deutlich mehr Alkohol,
DATUM: 24.05.1995
MARIANNE BENTELI
                        Tabak und Haschisch als vor acht Jahren. Dies ging aus einer breit angelegten Studie
                        der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) hervor.
                        Insgesamt sind es zwei Prozent der Jugendlichen - hochgerechnet rund 12'000
                        Schulkinder -, die jeden Tag zum Glas greifen. Sieben Prozent der erfassten
                        Jugendlichen rauchen täglich, was gegenüber 1986 einem Anstieg um 75% entspricht.
                        Fast verdoppelt hat sich auch der Prozentsatz jener (18,4% gegenüber 10%), welche
                        mindestens einmal Cannabis konsumiert haben. 7,9% der Befragten hatten Erfahrung
                        mit Aufputschmitteln, mehr als doppelt so viele wie 1986, wobei der Trend bei den
                        männlichen Jugendlichen und in der Deutschschweiz besonders ausgeprägt ist. Die
                        Modedroge Ecstasy wurde von 1,4% der Schülerinnen und Schüler eingenommen. 26

VERWALTUNGSAKT          Der Bundesrat beschloss, bis 1999 sein Engagement im Bereich der Nikotinprävention
DATUM: 17.08.1995
MARIANNE BENTELI
                        mit jährlich 2,5 Mio Fr. zu vervierfachen. Wie Bundesrätin Dreifuss ausführte, will sich
                        der Bund vermehrt für eine kohärente Nichtraucher-Politik einsetzen, da die Schweiz in
                        diesem Bereich im Vergleich zu den Nachbarländern im Rückstand sei. Das Programm
                        des Bundesrates verfolgt drei Ziele: die Zahl neueinsteigender junger Raucherinnen und
                        Raucher soll reduziert, der Schutz gegen Passivrauchen verstärkt und die Hilfe für
                        Ausstiegswillige ausgebaut werden. 27

                        ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.89 - 01.01.19   7
VERORDNUNG / EINFACHER   Aufgrund der neuen, eurokompatibel ausgestalteten Tabakverordnung müssen bis Mitte
BUNDESBESCHLUSS
DATUM: 19.10.1996
                         1997 alle Zigarettenpackungen auf Vorder- und Rückseite in allen drei Landessprachen
MARIANNE BENTELI         darauf hinweisen, dass Rauchen die Gesundheit gefährdet. Die bisher auf der
                         Schmalseite angebrachte Warnung, dass Nikotingenuss die Gesundheit gefährden
                         könne, wird durch eine Präzisierung ersetzt, wozu Rauchen alles führen kann (Krebs,
                         Gefässkrankheiten etc.). 28

POSTULAT                 Ein Postulat Zwygart (evp, BE), welches anregt, die Tabakverordnung durch einen Artikel
DATUM: 13.12.1996
MARIANNE BENTELI
                         zu ergänzen, welcher den Verkauf von Tabakerzeugnissen an Jugendliche unter 16
                         Jahren untersagt, wurde vom Nationalrat angenommen. 29

VERWALTUNGSAKT           In der seit 1987 bestehenden Eidgenössischen Kommission für Tabakfragen, deren
DATUM: 05.05.1997
MARIANNE BENTELI
                         Amtszeit Ende 1996 auslief, spitzte sich der seit langem schwelende Konflikt zwischen
                         den Verfechtern der Prävention und den Vertretern der Tabakindustrie zu. Die
                         Arbeitsgemeinschaft gegen Tabakmissbrauch erklärte sich nicht länger dazu bereit, mit
                         den Repräsentanten der Zigarettenindustrie und der Werbebranche gemeinsam an
                         einem Tisch zu sitzen und verlangte die Auflösung des Gremiums in seiner bestehenden
                         Form. Diese Querelen verhinderten im Berichtsjahr eine Neubesetzung der
                         Kommission. 30

BERICHT                  Im Auftrag des BAG erarbeitete die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere
DATUM: 25.06.1997
MARIANNE BENTELI
                         Drogenprobleme (SFA) einen Bericht, welcher erstmals umfassend Ausmass und
                         Konsequenzen des Konsums von Alkohol, Tabak und illegalen Drogen in der Schweiz
                         aufzeigte. Referenzzeit waren die Jahre 1994 bis 1996. Der Bericht bestätigte die
                         bereits bekannte Tatsache, dass die beiden Alltagsdrogen Alkohol und Nikotin weit
                         mehr gesundheitliche Probleme, Abhängigkeiten und Kosten verursachen als die im
                         Zentrum des öffentlichen Interesses stehenden illegalen Drogen.

                         Mit einem Pro-Kopf-Konsum von 9,4 Litern reinen Alkohols im Jahr 1996 gehört die
                         Schweiz in Europa zu den Ländern, in denen am meisten getrunken wird. Rund 300'000
                         Einwohner sind alkoholabhängig. Geht man von den volkswirtschaftlichen Folgekosten
                         aus (3 Mia. Fr. pro Jahr), ist der Alkohol das gravierendste Gesundheitsproblem der
                         Schweiz. In den medizinischen Abteilungen der Akutspitäler ist bei den 30- bis
                         50jährigen Männern Alkoholismus und seine Folgeerscheinungen die häufigste
                         Diagnose. Bei den Erwachsenen ist der Gesamtverbrauch in den letzten Jahren
                         zurückgegangen, er hat dafür aber bei den Jugendlichen zugenommen: 12'000
                         Schulkinder im Alter zwischen 11 und 16 Jahren trinken laut der Studie jeden Tag
                         Alkoholhaltiges.

                         Auch beim Tabakkonsum liegt die Schweiz im europäischen Ländervergleich in den
                         vorderen Rängen. 1996 bezeichneten sich rund 30% der 15- bis 74-jährigen als Raucher
                         oder Raucherin; das sind rund 1,7 Millionen Personen. 85% von ihnen rauchten täglich,
                         700'000 mehr als 20 Zigaretten pro Tag. Wenn man annimmt, dass bei einem Konsum
                         von mehr als zehn Zigaretten pro Tag eine Abhängigkeit vorliegt, gibt es in der Schweiz
                         mehr als eine Million Nikotinsüchtige. Die Studie bezeichnete den Tabakkonsum als
                         wichtigste verhütbare Ursache für den vorzeitigen Tod. Die volkswirtschaftlichen
                         Folgekosten wurden auf 1,2 Mia Fr. pro Jahr geschätzt.

                         Mehr als 20% der Männer und 15% der Frauen im Alter zwischen 15 und 39 Jahren
                         haben mindestens einmal illegale Drogen konsumiert. Die Zahl der Heroinabhängigen ist
                         mit rund 30'000 Personen seit Jahren relativ konstant. Generell wurde ein wachsendes
                         Angebot und eine Professionalisierung des Marktes der illegalen Drogen festgestellt
                         sowie eine Verlagerung von den betäubenden (Heroin) zu den aufputschenden
                         Substanzen (Kokain, Amphetamine, Ecstasy etc.). Hier wurden die volkswirtschaftlichen
                         Gesamtkosten auf rund 1 Mia. Fr. pro Jahr geschätzt. Dabei entfiel rund die Hälfte auf
                         Polizeimassnahmen im weiteren Sinn. 31

                         ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK       01.01.89 - 01.01.19   8
STUDIEN / STATISTIKEN   Rauchen verringert die Lebenserwartung von Männern im Mittel um 2,9 Jahre, jene der
DATUM: 01.10.1997
MARIANNE BENTELI
                        Frauen um 0,7 Jahre. Zu diesem Fazit kam eine Studie des Bundesamtes für Statistik,
                        welches dafür die Todesfallstatistiken der Wohnbevölkerung der Schweiz zwischen 1988
                        und 1993 analysierte. Der Autor der Untersuchung präzisierte, dass diese Resultate als
                        Schätzungen gewertet werden müssen, da die Reduktion der Todesursache auf den
                        Faktor Tabak eine vereinfachende Hypothese darstelle. 32

VERWALTUNGSAKT          Der Bundesrat löste die Eidg. Tabakkommission endgültig auf, da sich das aus
DATUM: 19.02.1998
MARIANNE BENTELI
                        Verantwortlichen der Tabakindustrie, der Werbe- und Landwirtschaft einerseits und
                        der Gesundheitsprävention andererseits zusammengesetzte Gremium praktisch nie
                        einigen konnte. Das Mandat der Tabakkommission für die Gesundheitsprävention und -
                        promotion übernahm eine Kommission des EDI, welche inskünftig die Kontakte zu den
                        Produzenten und der Werbung pflegen wird. 33

VERWALTUNGSAKT          Angesichts dieser Zahlen kündigte BAG-Direktor Zeltner an, der Bund werde zu
DATUM: 01.03.1998
MARIANNE BENTELI
                        härteren Massnahmen bei der Tabakmissbrauchsbekämpfung greifen. Einhaken
                        möchte das BAG bei Werbung, Preis und Prävention. Obgleich das Volk 1993 die
                        sogenannten Zwillingsinitiativen, die ein totales Werbeverbot für Raucherwaren und
                        alkoholische Getränke verlangten, deutlich verworfen hat, glaubt Zeltner, dass es an der
                        Zeit ist, die ziemlich laschen Werbebeschränkungen in der Schweiz zu verschärfen.
                        Zudem beabsichtigt er, Gelder von den gut dotierten Präventionskampagnen gegen Aids
                        und Drogenkonsum abzuzweigen und in die Tabakprävention fliessen zu lassen. Sukkurs
                        erhielt das BAG durch den Beschluss des EU-Parlaments, in nächster Zukunft ein
                        allgemeines Werbeverbot für Tabakwaren zu erlassen. 34

STUDIEN / STATISTIKEN   Die Gesundheitsschäden, welche das Rauchen verursacht, kosten die Schweiz jährlich
DATUM: 21.08.1998
MARIANNE BENTELI
                        rund 10 Mia. Fr. bzw. 2,75% des Bruttoinlandprodukts. Zu diesem Fazit kam eine vom
                        BAG in Auftrag gegebene Studie. Gemäss der Untersuchung ist Zigarettenrauchen die
                        häufigste vermeidbare einzelne Todesursache, da es mehr vorzeitige Todesfälle
                        verursacht als Aids, Heroin, Kokain, Alkohol, Feuersbrünste, Autounfälle, Morde und
                        Selbstmorde zusammen. 8300 Todesfälle (6900 Männer und 1400 Frauen) können in der
                        Schweiz pro Jahr aufs Rauchen zurückgeführt werden, wobei die Todesursache in den
                        meisten Fällen Lungenkrebs ist, gefolgt von chronischen Lungen- und
                        Herzerkrankungen. Die direkten medizinischen Kosten, die 1995 daraus resultierten,
                        bezifferte die Studie auf über 1,2 Mia. Fr. Noch wesentlicher ins Gewicht fallen die
                        indirekten Kosten durch den aufgrund von Rauchererkrankungen erzeugten
                        Produktionsausfall, der (wegen Tod oder Invalidität) schweizweit pro Jahr auf rund
                        50'000 Mannjahre geschätzt wurde. Neben den direkten und indirekten Kosten des
                        Tabakkonsums wurden in der Studie auch die sogenannt immateriellen oder
                        “intangiblen” Kosten berechnet, d.h. das physische und psychische Leiden der Kranken
                        und ihrer Familien; sie sollen noch einmal rund 5 Mia. Fr. pro Jahr ausmachen. 35

MOTION                  Auch im Parlament fand das BAG Unterstützung. Mit einer Motion wollte Nationalrat
DATUM: 18.12.1998
MARIANNE BENTELI
                        Grobet (pda, GE) den Bundesrat verpflichten, die Tabakwerbung an öffentlichen Orten
                        zu verbieten und auf dem Verkauf von Zigaretten eine Abgabe zu erheben, die dazu
                        dienen sollte, eine Dauerkampagne über die Gefahren des Tabakmissbrauchs zu
                        finanzieren und den Krankenkassen Beiträge an die Kosten zu leisten, die ihnen durch
                        Krankheiten infolge von Tabakmissbrauch entstehen. Der Bundesrat zeigte sich zwar
                        durchaus offen für diese Forderungen, wollte sich im Detail aber nicht die Hände
                        binden lassen, weshalb er erfolgreich Umwandlung in ein Postulat beantragte. 36

STUDIEN / STATISTIKEN   Alle vier Jahr wird in einem internationalen Vergleich das Gesundheitsverhalten von
DATUM: 04.02.1999
MARIANNE BENTELI
                        Schulkindern erhoben. In diesem Rahmen wurden 1998 in der Schweiz 8700 11-15-
                        Jährige befragt. 17% der 14-Jährigen und 27% der 15-Jährigen gaben an, bereits
                        mindestens einmal Haschisch konsumiert zu haben. Von den 13-Jährigen rauchen heute
                        7%, bei den 15-Jährigen 25%, wovon 90% täglich. Gegenüber 1986 (dem Beginn der
                        Erhebung) erhöhte sich der Prozentsatz der Jugendlichen, die wöchentlich Alkohol
                        trinken von 8,5 auf 17,4%. Gemäss der Fachstelle für Alkohol und andere
                        Drogenprobleme (SFA) sind vor allem Veränderungen im Konsumverhalten bedenklich:
                        dort, wo es früher um Gelegenheitskonsum ging, könne heute von einem regelmässigen

                        ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.89 - 01.01.19   9
Griff zur Zigarette, zum Glas oder zum Joint gesprochen werden. 37

BUNDESRATSGESCHÄFT   Auf wenig Zustimmung stiess der Umstand, dass im Vernehmlassungsentwurf für das
DATUM: 11.05.2000
MARIANNE BENTELI
                     neue Betäubungsmittelgesetz (BetmG) erwogen wurde, auch Tabak und Alkohol diesem
                     zu unterstellen. Das federführende Bundesamt für Gesundheit (BAG) begründete dies
                     mit dem Wunsch nach einer umfassenden Suchtpolitik, die gegen jede Abhängigkeit von
                     psychoaktiven Substanzen vorgehen möchte. Ein gesamtheitlicher Ansatz sei nur
                     möglich, wenn in den Bereichen Prävention, Schadensminderung und Therapie nicht
                     mehr die Substanz, sondern die Abhängigkeit an sich im Vordergrund stehe, und nicht
                     mehr zwischen legalen und illegalen Drogen differenziert werde. Durch die
                     vorgeschlagene Neuerung erhielte der Bund eine klare gesetzliche Grundlage, die es
                     ihm erlauben würde, umfassender als bisher Präventionskampagnen gegen Alkohol- und
                     Tabakmissbrauch durchzuführen. Der Schweizerische Gewerbeverband, die
                     Tabakindustrie sowie die Werbe- und Gastronomiebranche drohten bereits mit dem
                     Referendum, falls im neuen Gesetz illegale Sucht- und legale Genussmittel gleichgestellt
                     würden. Aber auch engagierte Präventivmediziner wie der Zürcher FDP-Nationalrat
                     Gutzwiller warnten vor einer Ausdehnung des Geltungsbereichs, der die gesamte
                     Gesetzesrevision gefährden könnte. 38

KANTONALE POLITIK    Als erster Kanton nahm Genf eine äusserst restriktive Regelung der Tabak- und
DATUM: 05.10.2000
MARIANNE BENTELI
                     Alkoholwerbung an. Diese wird sowohl im öffentlichen Raum wie in privaten Räumen,
                     die von der Öffentlichkeit eingesehen werden können, verboten. Vertreter der
                     Liberalen Partei und des Gewerbes drohten mit Referendum oder
                     Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Letztere wurde im Oktober beim Bundesgericht
                     eingereicht. 39

VERWALTUNGSAKT       Anhand von vier Schlagworten skizzierte das BAG die Grundphilosophie der neuen
DATUM: 06.10.2000
MARIANNE BENTELI
                     Präventionsstrategie: Selbstverantwortung des Einzelnen, Rücksichtnahme der Raucher
                     auf die Nichtrauchenden, sachliche Information und Aufklärung seitens des Bundes
                     sowie verstärkter Jugendschutz. Für eine erfolgreiche Prävention sei wichtig, dass die
                     Massnahmen gesamthaft umgesetzt würden. Das BAG-Papier formulierte 14 Ziele, von
                     denen einige kaum bestritten sind – so etwa das Bestreben, Rauchende zum Ausstieg zu
                     motivieren oder für Jugendliche ein günstiges Umfeld, insbesondere rauchfreie Schulen
                     zu schaffen. Andere Zielsetzungen hingegen enthielten einigen Zündstoff. So strebt das
                     BAG neben Einschränkungen bei der Werbung und neuen Produktedeklarationen
                     (allfälliges Verbot von Bezeichnungen wie „mild“ und „light“) namentlich eine höhere
                     Besteuerung von Tabakprodukten analog dem in der EU geltenden Niveau an. Damit soll
                     der Präventionsetat des Bundes, der heute 5 Mio Fr. beträgt, verdreifacht werden.
                     Zudem sollen Verkaufsstellen, die Tabakwaren an Jugendliche unter 16 Jahren abgeben,
                     mit hohen Bussen bis hin zur Geschäftsschliessung bestraft werden können. (In der EU
                     sollte ab 2006 jegliche Tabakwerbung verboten sein, doch entschied der Europäische
                     Gerichtshof, die EU habe dazu nicht die gesetzliche Grundlage. Bereits ab 2002 sind
                     die Bezeichnungen „mild“, „light“ und „superlight“ in der EU nicht mehr zugelassen.
                     BAG-Direktor        Zeltner    war     Präsident      der     Expertengruppe       der
                     Weltgesundheitsorganisation WHO, welche die Vorwürfe untersuchte (und bestätigte),
                     wonach die amerikanischen Tabakkonzerne die WHO in den letzten Jahren gezielt
                     unterwandert haben, um deren Antiraucherkampagnen zu diskreditieren.)

                     In der Vernehmlassung war man sich nur gerade beim Jugendschutz einig. CVP und SVP
                     lehnten eine höhere Besteuerung ab, da dies negative soziale Auswirkungen hätte. Die
                     Pro Juventute schlug dagegen neben einer Erhöhung der Tabaksteuer die Erhebung
                     eines „Tabakzehntels“ vor, um die für die Prävention zur Verfügung stehenden Gelder
                     auf jährlich 20 Mio Fr. zu erhöhen. Eine Allianz bildeten CVP, SVP und Pro Juventute
                     hingegen in der Befürwortung des Verkaufsverbots an Jugendliche, da in dieser
                     Bevölkerungsgruppe am ehesten ein Präventionserfolg zu erzielen sei. Die Gegner eines
                     derartigen Verbots, FDP, Gewerbeverband und Tabakhandel, möchten in erster Linie
                     auf die Stärkung der Eigenverantwortung setzen. Die SP befürchtete durch ein
                     Verkaufsverbot die Ausgrenzung von jugendlichen Rauchenden oder die Bildung von
                     Schwarzmärkten. Dagegen würde die SP ein Werbeverbot insbesondere in der
                     Umgebung von Schulen begrüssen. Die bürgerlichen Parteien und die
                     Wirtschaftsverbände widersetzten sich Werbebeschränkungen und verwiesen
                     diesbezüglich auf die 1993 abgelehnten „Zwillingsinitiativen“. 40

                     ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.89 - 01.01.19   10
MOTION                  Im Nationalrat wurde eine Motion Tillmanns (sp, VD), die ein völliges Verbot der
DATUM: 15.12.2000
MARIANNE BENTELI
                        Tabakwerbung verlangte, auf Antrag des Bundesrates, welcher der internationalen
                        Entwicklung nicht vorgreifen und die Ergebnisse der Vernehmlassung zur
                        Tabakpräventionskampagne abwarten wollte, lediglich als Postulat überwiesen. 41

STUDIEN / STATISTIKEN   Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die sich seit Jahren besonders stark für die
DATUM: 15.02.2001
MARIANNE BENTELI
                        Bekämpfung der Nikotinsucht einsetzt, erhob in einer Studie schwere Vorwürfe an die
                        Adresse der Schweiz. Sie machte das massive Lobbying der Tabakindustrie dafür
                        verantwortlich, dass die Schweiz die tiefsten Tabaksteuern in Westeuropa aufweist und
                        bisher nur verhältnismässig wenig für die Prävention ausgegebene hat. (Die
                        Tabakindustrie setzt in der Schweiz jährlich rund 100 Mio Fr. für Promotion und
                        Werbung ein; für die Präventionskampagnen des Bundes standen bis 2000 lediglich 2,5
                        Mio Fr. zur Verfügung.) Das BAG wertete die Untersuchung als wichtige Unterstützung
                        für die neu anlaufende Präventionskampagne des Bundes. 42

VERWALTUNGSAKT          Unter dem Motto „Rauchen schadet“ lancierte das BAG im Mai nach dem Vorbild der
DATUM: 06.06.2001
MARIANNE BENTELI
                        „Stop     Aids“-Werbung     eine     breite    Anti-Zigaretten-Kampagne,     die    das
                        Tabakpräventionsprogramm 2001-2005 propagandistisch begleiten wird. Mit
                        anfänglich 6,3 Mio und schliesslich 10 Mio Fr. pro Jahr bis 2005 will der Bundesrat den
                        Kampf gegen den Tabakkonsum verstärken. Ziel des BAG ist nicht eine rauchfreie
                        Gesellschaft, sondern eine Senkung des Anteils der Raucher in der Bevölkerung (heute
                        rund ein Drittel) auf das europäische Mittel (ca. 25%). Erwogen wird einerseits ein
                        Abgabeverbot an Jugendliche unter 16 Jahren, eine Erhöhung des Zigarettenpreises auf
                        das Niveau der EU (ca. Fr. 5.60 pro Päckchen) sowie die Beschränkung der
                        Tabakwerbung auf die Verkaufsstellen. Der Verband Schweizer Werbung, dessen
                        Präsident Ständerat Schmid (cvp, AI) ist, unterstützte die Kampagne ausdrücklich nicht,
                        bestritt aber, Druck auf einzelne Werbefirmen ausgeübt zu haben, damit sich diese
                        nicht daran beteiligen. 43

VERWALTUNGSAKT          Unter dem Patronat von alt Bundesrat Ogi lancierten das BAG, das BASPO und Swiss
DATUM: 17.05.2002
MARIANNE BENTELI
                        Olympic die Aktion „sport.rauchfrei“. Ziel ist, dass alle 81 Schweizer Sportverbände
                        und mit ihnen die rund 27'000 angeschlossenen Vereine eine Charta unterzeichnen,
                        die sie verpflichtet, für tabakfreie Trainings- und Wettkampfgelände zu sorgen sowie
                        auf das Sponsoring durch Tabakfirmen zu verzichten. 44

GERICHTSVERFAHREN       Das im Jahr 2000 im Kanton Genf erlassene Verbot jeglicher von öffentlichem Grund
DATUM: 06.07.2002
MARIANNE BENTELI
                        aus sichtbarer Plakatwerbung für Tabak und mehr als 15-prozentige Alkoholika
                        verstösst weder gegen übergeordnetes Bundesrecht noch gegen Bestimmungen in der
                        Bundesverfassung. Dies ging aus einem Urteil des Bundesgerichtes hervor, in dem eine
                        aus Kreisen der Werbe-, Tabak- und Alkoholwirtschaft stammende staatsrechtliche
                        Beschwerde abgewiesen wurde. (Zur Lockerung des Alkoholwerbeverbots bei den
                        privaten TV-Sendern siehe hier). 45

POSTULAT                Im Rahmen der Beratungen des Tabaksteuergesetzes überwies der Nationalrat ein
DATUM: 04.10.2002
MARIANNE BENTELI
                        Postulat seiner WAK, das den Bundesrat ersucht, die Möglichkeit zu prüfen,
                        verbindliche Richtlinien zum Schutz vor dem Passivrauchen zu erlassen, beispielsweise
                        durch Einschränkungen des Rauchens im öffentlichen Raum oder durch die Einführung
                        und Ausdehnung rauchfreier Zonen. Die grosse Kammer nahm zudem ein Postulat
                        Berberat (sp, NE) (Po. 02.2347) an, das verlangt, dass in der laufenden Revision der
                        Tabakverordnung verboten wird, einzelne Zigaretten oder Packungen von weniger als 20
                        Stück Zigaretten an Jugendliche abzugeben. Berberat begründete seinen Vorstoss
                        damit, dass die Möglichkeit, sich gewissermassen probehalber eine geringe Mengen
                        Zigaretten zu beschaffen, den Einstieg in den Konsum fördere. 46

                        ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK       01.01.89 - 01.01.19   11
BUNDESRATSGESCHÄFT   Mit der letzten Revision (1995) des Tabaksteuergesetzes war dem Bundesrat die
DATUM: 02.12.2002
MARIANNE BENTELI
                     Kompetenz erteilt worden, die Tabaksteuer, deren Ertrag vollumfänglich der AHV
                     zukommt, um 50% gegenüber den damals geltenden Steuersätzen zu erhöhen. Da
                     inzwischen dieser Handlungsspielraum bis auf 10 Rappen ausgeschöpft ist, beantragte
                     der Bundesrat eine Anhebung des Erhöhungsrahmens um weitere 50%. Dies sollte ihm
                     die Möglichkeit geben, die Zigarettenpreise – wie bis anhin schrittweise – bis auf rund
                     5.50    Fr.   pro     Päckchen    anzuheben.     Im    Nationalrat    erreichte    eine
                     Kommissionsminderheit aus SP und CVP im Namen der Prävention und mit
                     Unterstützung einzelner Gesundheitspolitiker aus der FDP mit 77 zu 70 Stimmen ganz
                     knapp, dass der Erhöhungsrahmen auf 80% angehoben wurde; damit würde der
                     Bundesrat die Kompetenz erhalten, den Einzelhandelspreis mittelfristig auf 6.40 Fr.
                     anzuheben. Nicht durchsetzen konnte sich ein weiterer Antrag der SP, bereits ein Jahr
                     nach Inkrafttreten der Gesetzesrevision die Steuer von heute knapp 52% dem EU-
                     Mindestsatz von 57% anzupassen. Damit würde der Detailpreis schlagartig auf 5.60 Fr.
                     steigen. Bundesrat Villiger machte erfolgreich geltend, durch Einkauf im Ausland und
                     Schmuggel könnte dies zu enormen fiskalischen Ausfällen für die AHV führen, ohne dass
                     ein präventiver Effekt tatsächlich nachweisbar sei. Der Antrag wurde mit 82 zu 71
                     Stimmen abgelehnt, da sich mehrere CVP-Abgeordnete den Argumenten Villigers
                     anschlossen. Gegen den Willen des Bundesrates, der auf die im ordentlichen Budget für
                     die Tabakprävention vorgesehenen Mittel sowie auf die Notwendigkeit einer
                     Verfassungsänderung verwies, wurde hingegen mit 95 zu 68 Stimmen die Schaffung
                     eines Präventionsfonds beschlossen. Hersteller und Importeure sollten 2,6 Rappen pro
                     Zigarettenpäckchen abliefern müssen, was jährlich 20 Mio Fr. einbringen würde. Der
                     von den Grünen und Linken vorgeschlagene Fonds erhielt auch die Zustimmung der
                     FDP, allerdings erst, als deren Bündner Abgeordnete Bezzola den Zusatz eingebracht
                     hatte, das Bundesamt für Sport (BASPO) sei bei der Verteilung der Gelder
                     einzubeziehen.

                     Der Ständerat kehrte dann wieder auf die Linie des Bundesrates zurück. Mit 24 zu16
                     Stimmen sprach er sich für eine Anhebung des Erhöhungsrahmens um lediglich 50%
                     aus. Die Mehrheit der kleinen Kammer begründete dies damit, dass mit einem
                     einmaligen Sprung auf 80% das Mitspracherecht des Parlaments für längere Zeit
                     ausgeschaltet würde. Aus ähnlichen Gründen lehnte er (mit 17 zu 11 Stimmen) auch die
                     Schaffung eines Präventionsfonds ab. Im Namen der Kommission führte deren Sprecher
                     aus, eine Fondslösung wäre dem politischen Entscheidungsprozess praktisch entzogen;
                     ein unabhängiger Fonds unter der Aufsicht von zwei Bundesämtern (BAG und BASPO)
                     wäre ohnehin keine taugliche Organisationsform. Ein Gutachten des Bundesamtes für
                     Justiz war zudem in der Zwischenzeit zum Ergebnis gelangt, dass die Bundesverfassung
                     keine Grundlage enthält, um einen aus der Tabaksteuer finanzierten
                     Tabakpräventionsfonds zu schaffen, da Art. 112 Abs. 5 BV ganz klar sagt, dass deren
                     Reinertrag für die Deckung des Bundesbeitrages an die AHV zu verwenden ist. 47

BUNDESRATSGESCHÄFT   In der Frühjahrssession bereinigten die Räte die Differenzen beim Bundesgesetz über
DATUM: 21.03.2003
MARIANNE BENTELI
                     die Tabakbesteuerung. Umstritten war, ob dem Bundesrat die Ermächtigung zur
                     Erhöhung der Steuersätze um bis 50% oder um bis 80% erteilt und ob aus den Mitteln
                     der Tabaksteuer ein Präventionsfonds geschaffen werden soll. In der ersten Runde der
                     Differenzbereinigung hielt der Nationalrat mit 95 zu 75 Stimmen an der
                     Erhöhungskompetenz bis 80% fest, ebenso (mit 102 zu 65 Stimmen) an der Errichtung
                     eines Präventionsfonds. Der Ständerat schloss sich bei der Erhöhungskompetenz dem
                     Nationalrat an, beharrte aber, vorab aus verfassungsrechtlichen Bedenken, mit 22 zu 14
                     Stimmen auf seiner Ablehnung des Fonds. In der zweiten Runde bekräftigen beide
                     Kammern mit praktisch dem gleichen Stimmenverhältnis (101 zu 64 resp. 18 zu 16
                     Stimmen) ihre Position. In der Einigungskonferenz obsiegte die Haltung des
                     Nationalrates, worauf der Ständerat zustimmte, dass 2,6 Rappen pro Zigarettenpackung
                     den Präventionsfonds alimentieren. Von dieser Abgabe werden jährlich rund 18 Mio Fr.
                     erwartet. Die Organisation des Fonds obliegt dem BAG und dem BASPO gemeinsam. (Im
                     Rahmen des Entlastungsprogramms (BRG 03.047) hatte der Bundesrat vorgeschlagen,
                     die Mittel des BAG in den Jahren 2004-2006 um 15 Mio Fr. zu beschneiden; auf Antrag
                     der CVP, welche die Gelder lieber für die Bildung verwenden wollte, stimmte das
                     Parlament einer weiteren Kürzung um 15 Mio Fr. zu. Hauptbetroffene wird das
                     Programm zur Tabakprävention 2001-2005 sein.) 48

                     ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK       01.01.89 - 01.01.19   12
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