Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik - Année politique ...
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Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik Suchabfrage 15.09.2019 Thema Keine Einschränkung Schlagworte Tabak Akteure Keine Einschränkung Prozesstypen Keine Einschränkung Datum 01.01.1989 - 01.01.2019 ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19
Impressum Herausgeber Année Politique Suisse Institut für Politikwissenschaft Universität Bern Fabrikstrasse 8 CH-3012 Bern www.anneepolitique.swiss Beiträge von Benteli, Marianne Bernhard, Laurent Bühlmann, Marc Käppeli, Anita Meyer, Luzius Pasquier, Emilia Rinderknecht, Matthias Rohrer, Linda Schnyder, Sébastien Schubiger, Maximilian Bevorzugte Zitierweise Benteli, Marianne; Bernhard, Laurent; Bühlmann, Marc; Käppeli, Anita; Meyer, Luzius; Pasquier, Emilia; Rinderknecht, Matthias; Rohrer, Linda; Schnyder, Sébastien; Schubiger, Maximilian 2019. Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik: Tabak, 1989 - 2012. Bern: Année Politique Suisse, Institut für Politikwissenschaft, Universität Bern. www.anneepolitique.swiss, abgerufen am 15.09.2019. ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19
Inhaltsverzeichnis Allgemeine Chronik 1 Aussenpolitik 1 Beziehungen zur EU 1 Öffentliche Finanzen 1 Indirekte Steuern 1 Sozialpolitik 3 Gesundheit, Sozialhilfe, Sport 3 Gesundheitspolitik 3 Suchtmittel 3 Sport 21 Soziale Gruppen 21 Kinder- und Jugendpolitik 21 Parteien, Verbände und Interessengruppen 22 Parteien 22 Grosse Parteien 22 Linke und ökologische Parteien 23 Konservative und Rechte Parteien 24 ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 I
Abkürzungsverzeichnis UNO Organisation der Vereinten Nationen AHV Alters- und Hinterlassenenversicherung BSV Bundesamt für Sozialversicherungen SGK-NR Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates BAG Bundesamt für Gesundheit EU Europäische Union EDI Eidgenössisches Departement des Inneren WHO World Health Organization BASPO Bundesamt für Sport SFA Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme KMU Kleine und mittlere Unternehmen FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte EVG Eidgenössisches Versicherungsgericht AIDS Acquired Immune Deficiency Syndrome WAK-NR Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats EG Europäische Gemeinschaft VVG Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag ONU Organisation des Nations unies AVS Assurance-vieillesse et survivants OFAS Office fédéral des assurances sociales CSSS-CN Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil national OFSP Office fédéral de la santé publique UE Union européenne DFI Département fédéral de l'intérieur OMS Organisation mondiale de la Santé OFSPO Office fédéral du sport ISPA Institut suisse de prévention de l’alcoolisme et autres toxicomanies PME petites et moyennes entreprises FMH Fédération des médecins suisses TFA Tribunal fédéral des assurances SIDA Syndrome de l'immunodéficience acquise CER-CN Commission de l'économie et des redevances du Conseil national CE Communauté européenne LCA Loi fédérale sur le contrat d'assurance ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 II
Allgemeine Chronik Aussenpolitik Beziehungen zur EU MOTION Der Nationalrat hiess als erstbehandelnder Rat eine Motion Favre (fdp, NE) mit der DATUM: 09.06.2011 ANITA KÄPPELI Forderung nach Ausschluss des Tabak-Dossiers aus den Verhandlungen mit der EU im Bereich der öffentlichen Gesundheit gut. 1 MOTION La motion Favre (plr, NE) qui demande d’exclure le chapitre du tabac des négociations DATUM: 11.09.2012 EMILIA PASQUIER européennes relatives à la santé publique, a été adoptée en seconde lecture suite à une modification du Conseil des Etats. 2 Öffentliche Finanzen Indirekte Steuern BUNDESRATSGESCHÄFT Ende Jahr legte der Bundesrat seine Botschaft zur Änderung des Tabaksteuergesetzes DATUM: 21.12.2007 LINDA ROHRER vor. Die Steuerstruktur für Zigaretten war mit der Änderung des Bundesgesetzes über die Tabakbesteuerung bereits im Jahr 1996 EU-kompatibel geworden. Dies sollte nun mit der Revision auch für alle anderen Tabakwaren (z.B. Stumpen, Zigarren und Schnitttabak) geschehen. Gleichzeitig sollte die Steuerbelastung leicht heraufgesetzt und dem Bundesrat die Kompetenz erteilt werden, diese bei Bedarf weiter zu erhöhen. Bei der leichten Steuererhöhung auf Zigarren und Zigarillos und der markanten Steuererhöhung auf Feinschnitttabak standen gesundheitspolitische Ziele im Vordergrund. Auf die Festlegung eines Mindestverkaufspreises für Zigaretten wurde vorerst verzichtet, allerdings soll sich die Steuerbelastung in moderaten Schritten und über mehrere Jahre hinaus der EU-Mindestbelastung annähern. Die Botschaft war in der Vernehmlassung auf breite Zustimmung gestossen. 3 BUNDESRATSGESCHÄFT Der Nationalrat befasste sich als Erstrat mit der Ende 2007 vom Bundesrat beantragten DATUM: 19.12.2008 MARIANNE BENTELI Änderung des Tabaksteuergesetzes. Eine Kommissionsminderheit aus der SVP beantragte Rückweisung an den Bundesrat mit der Auflage, keine weitere Steuerbelastung für die Konsumenten vorzusehen; deshalb sollte dem Bundesrat auch die Kompetenz verweigert werden, in Eigenregie Steuererhöhungen für Tabakwaren festzulegen. Das links-grüne Lager sprach sich gegen den Rückweisungsantrag aus, bedauerte aber, dass die Revision nicht konsequent genug erfolge. Insbesondere stünden die fiskalischen Aspekte mehr im Vordergrund als die gesundheitspolitischen; auch sei die Angleichung an die Besteuerung in der EU nicht konsequent vollzogen; Zigarren und Zigarillos würden weiterhin klar weniger hoch besteuert als im EU-Raum, zudem gebe es Ausnahmen, etwa bei den gesundheitlich nicht weniger problematischen Produkten des Schnupf- und Kautabaks. Da kein Antrag auf Nichteintreten gestellt worden war, wurde dieses stillschweigend beschlossen. Der Rückweisungsantrag der SVP wurde mit 106 zu 59 Stimmen klar abgelehnt, wobei sich die FDP allerdings gespalten zeigte. In der Detailberatung beantragte Meier-Schatz (cvp, SG) mit Unterstützung des links- grünen Lagers, den Kau- und Schnupftabak bei der Besteuerung dem Feinschnitttabak gleichzustellen. Sie argumentierte, wenn man es mit der Prävention und dem Jugendschutz ernst meine, dürfe man keine Differenzierung nach Produkten akzeptieren. Bundesrat und Kommissionsmehrheit machten demgegenüber geltend, Kau- und Schnupftabak seien Nischenprodukte und würden beispielsweise im Nachbarland Deutschland gar nicht besteuert, weshalb es einfach wäre, sich diese Produkte im Ausland zu besorgen. Der Antrag wurde mit 85 zu 72 Stimmen abgelehnt. Wie bereits in der Eintretensdebatte angekündigt, wollte die SVP die Kompetenz des Bundesrates zur Vornahme von Steuererhöhungen beschneiden, indem für alle Tabakprodukte die Belastung nur bis 80% der 2003 geltenden Sätze zugelassen werden sollte. Bundesrätin Widmer-Schlumpf machte darauf aufmerksam, dass dieses Begehren gar nicht umsetzbar wäre, da mit dieser Revision mit Ausnahme der Zigaretten die gesamte Steuerstruktur verändert werde. Schelbert (gp, LU) wollte ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 1
hingegen, dass bei den Zigaretten die Erhöhungskompetenz um 80% des Bundesrates nicht mit Stichdatum 2003 erfolgt, sondern neu ausgehend von den Steuersätzen, die bei Inkraftsetzung des Gesetzes gelten. Damit würde der Bundesrat die Kompetenz erhalten, den Preis der Zigarettenpäckchen in den nächsten Jahren nicht nur um 0.60 Fr. zu erhöhen, wie dies aufgrund der seit 2003 erst zu 50% ausgeschöpften Kompetenz möglich ist, sondern um 2.30 Fr. Beide Anträge wurden recht deutlich abgelehnt. Mit einem Einzelantrag wollte Donzé (evp, BE) dem Bundesrat die Kompetenz erteilen, einen Mindestpreis für Zigaretten festzulegen, um so genannte Lockvogel-Angebote der Hersteller zu verunmöglichen, die sich insbesondere an Jugendliche richten. Bundesrätin Widmer-Schlumpf plädierte dafür, den Antrag abzulehnen, da es zu einer unstatthaften Einmischung in den freien Markt führen würde, worauf dieser mit 123 zu 40 Stimmen abgeschmettert wurde. Einzig die GP votierte geschlossen dafür, die CVP mehrheitlich. Um eine Grundsatzfrage ging es beim Antrag aus dem links-grünen Lager, den Anteil an der Tabaksteuer, der heute der Subventionierung des inländischen Tabakanbaus dient, in den Tabakpräventionsfonds umzuleiten. Der Sprecher der Minderheit bezeichnete die heutige Regelung als pervers: Je rund 18 Mio Fr. jährlich flössen heute einerseits in den Präventionsfonds sowie andererseits in die Unterstützung des Anbaus; das sei, als würde man die Brandstifter und danach die Feuerwehr gleichzeitig finanzieren. Zudem hätten die Tabakanbauer (rund 330 Betriebe in der Schweiz) eine Abnahmegarantie sowie eine Zusicherung, dass man für ihre Produkte den dreifachen Welthandelspreis bezahle. In den Übergangsbestimmungen des Gesetzes wollte die Minderheit den Tabakanbauern während zweier Jahre die bisherigen Subventionen für eine Umstellung des Betriebs zur Verfügung stellen. Der Antrag stiess auf wenig Zustimmung. Selbst die sonst gesundheitspolitisch aktive CVP betonte, hier gehe es nicht um ein Präventions-, sondern um ein Steuergesetz; zudem seien die Interessen der Tabakanbauer zu berücksichtigen. Auch SVP und FDP machten sich für die inländische Tabakproduktion stark. Weil auch der Bundesrat sehr deutlich für Ablehnung plädierte, da dies das Ende des einheimischen Tabakanbaus bedeuten würde, wurde der Antrag mit 101 zu 62 zu Stimmen klar verworfen. Der Entwurf wurde in der Gesamtabstimmung schliesslich mit 99 zu 69 Stimmen angenommen. Die SP- und die SVP-Fraktion zeigten sich allerdings unzufrieden über das Gesetz. Im Ständerat wurde das Eintreten nicht bestritten. Obgleich sie keine entsprechenden Anträge stellten, nahmen doch drei Votantinnen die Argumente der Minderheit des Nationalrats wieder auf. Forster (fdp, SG) und Diener (glp, ZH) bedauerten, dass sich der Bundesrat und die Mehrheit der grossen Kammer gegen Mindestpreise für Zigaretten gewehrt hätten, da in den letzten Jahren der Markt von Billigzigaretten und der Abgabe von etablierten Marken zu Dumpingpreisen richtiggehend überschwemmt worden sei, was eindeutig Jugendliche mit beschränkten finanziellen Mitteln anlocke; die Branche versuche so, den Rückgang des Tabakkonsums auszugleichen. Fetz (sp, BS) geisselte erneut die „Doppelmoral“, welche Tabakbauern und Tabakprävention im gleichen Umfang subventioniere. Beim Kompetenzrahmen für die Steuererhöhungen wollte die Kommission den im Nationalrat unterlegenen Antrag Schelbert (gp, LU) wieder aufnehmen (+80% auf dem bei Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Preis), unterlag aber mit 19 zu 18 Stimmen ganz knapp einem Antrag Hess (fdp, OW), seines Zeichens Präsident der Vereinigung des Schweizerischen Tabakwarenhandels, der dafür plädierte dem Nationalrat zu folgen. In der Gesamtabstimmung passierte der Entwurf mit 21 zu 1 Stimmen bei 5 Enthaltungen, worauf das Gesetz noch vor Ende Jahr definitiv verabschiedet werden konnte. 4 MOTION Im Berichtsjahr überwiesen beide Räte eine Motion Zanetti (sp, SO), die eine Befreiung DATUM: 21.12.2011 LAURENT BERNHARD von elektronischen Zigaretten und anderen Raucherentwöhnungshilfen von der Tabaksteuer forderte. 5 ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 2
Sozialpolitik Gesundheit, Sozialhilfe, Sport Gesundheitspolitik STUDIEN / STATISTIKEN Die erstmals vom Bundesamt für Statistik durchgeführte Schweizerische DATUM: 28.06.1994 MARIANNE BENTELI Gesundheitsbefragung zeichnete das Bild einer sich mehrheitlich gesund fühlenden und gesundheitsbewussten Bevölkerung. Über 80% der Befragten schätzten ihren gesundheitlichen Zustand spontan als gut bis sehr gut ein. Für fast 90% spielen gesundheitliche Überlegungen eine wichtige Rolle bei ihrer Lebensgestaltung. Dennoch rauchen rund 30% der Bevölkerung, und ein gleicher Anteil trinkt häufiger als zweimal pro Woche Alkohol. Nur gerade jede vierte Person betätigt sich körperlich ausreichend. Wie bereits frühere Untersuchungen gezeigt hatten, sind Gesundheit, Konsumverhalten und Ernährungsbewusstsein stark von der sozialen Herkunft und der Bildung abhängig. Je höher das Bildungsniveau ist, desto mehr wird auf eine gesunde Lebensweise geachtet. Die Befragung wies auch sprachregionale Unterschiede im Gesundheitsbewusstsein nach. In der deutschen Schweiz ist es in 90% der Bevölkerung verbreitet, in der Romandie kümmern sich nur 77% im Alltag um ein gesundes Leben. Das Tessin liegt im schweizerischen Mittel. Bei den Frauen ist das Gesundheitsbewusstsein mit 89% stärker ausgeprägt als bei den Männern. 6 VERWALTUNGSAKT Der Bundesrat verlängerte Mitte Jahr seine Präventionsprogramme und setzte die Ziele DATUM: 18.06.2008 LINDA ROHRER bis 2012 fest. Unausgewogene Ernährung, zu wenig Bewegung, problematischer Alkoholkonsum sowie Rauchen verursachen jährlich Kosten von rund 20 Mia Fr., die mittels Präventionsmassnahmen reduziert werden können. Seine Hauptaufgabe sah der Bundesrat in der Koordination zwischen Bund, Kantonen, Nicht- Regierungsorganisationen und anderen involvierten Kreisen, in der Sicherung einer aussagekräftigen Datenlage, der Evaluation, Forschung und Definition von „Best- Practices“ sowie der Information. Er umschrieb seine Ziele in Bezug auf die nationalen Programme Alkohol, Ernährung und Bewegung, Tabak und HIV/Aids. Im Vorfeld hatte sich eine Allianz von Wirtschaftsverbänden gebildet, die gegen Teile der Präventionsmassnahmen des Bundes kämpfte. Diese Allianz umfasste 20 Verbände aus der Tabak- und Alkoholbranche sowie aus dem Bereich Handel und der Kommunikationsbranche. Ebenfalls beteiligt waren Economiesuisse, der Schweizerische Arbeitgeberverband und der Gewerbeverband. Diese Allianz engagierte sich für eine stärkere Ausrichtung der Präventionsmassnahmen auf Eigenverantwortung und Aufklärungsmassnahmen, die sich an Risikogruppen richten. Sie wandte sich gegen Eingriffe in die freie Marktwirtschaft, zusätzliche Einschränkungen der persönlichen Freiheit und Steuern. 7 Suchtmittel VOLKSINITIATIVE Die beiden Volksinitiativen ("Zwillingsinitiativen") "zur Veminderung der DATUM: 11.10.1989 MARIANNE BENTELI Tabakprobleme" und "zur Verminderung der Alkoholprobleme" wurden am 11. Oktober mit 115 210 bzw. 110 648 Unterschriften eingereicht. Als Erfolg durften die in dieser Hinsicht sensibilisierten Kreise auch den Umstand werten, dass der Nationalrat bei der Beratung des neuen Radio- und Fernsehgesetzes dem bundesrätlichen Vorschlag eines zwingenden Verbotes der Tabak- und Alkoholwerbung (Art. 17, Abs. 5) mit 118 zu 68 Stimme den Vorzug gab gegenüber der Empfehlung der Mehrheit der vorberatenden Kommission, welche für eine "Kann"-Formulierung plädiert hatte. 8 BUNDESRATSGESCHÄFT Unter anderem aus Gründen der Europaverträglichkeit im Fernsehbereich wird der DATUM: 26.01.1990 MARIANNE BENTELI Bundesrat Volk und Ständen die Ablehnung der 1989 eingereichten Zwillings-Initiativen empfehlen, die ein striktes Werbeverbot für alkoholische Getränke und Tabakwaren verlangen. Da er aber die Suchtprävention sehr ernst nehme, teilte Bundesrat Cotti der Presse mit, werde er auf Gesetzesebene einen indirekten Gegenvorschlag ausarbeiten lassen. Ein totales Verbot komme dabei aber nicht in Frage. Aufgrund dieser Vorgaben war das Initiativkomitee nicht bereit, seine Begehren zurückzuziehen. 9 ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 3
VERWALTUNGSAKT Mit einer breit angelegten Kampagne wollen das BAG und die Verbindung der Schweizer DATUM: 19.07.1990 MARIANNE BENTELI Arzte (FMH) möglichst vielen Rauchern und Raucherinnen in der Schweiz den Ausstieg aus ihrer Sucht erleichtern. National- und Ständerat nahmen Kenntnis von der Petition des Raucher-Clubs, welche sich gegen derartige Präventionskampagnen wandte, gaben ihr aber diskussionslos keine Folge. Einen kleinen Erfolg konnten die Raucher insofern verbuchen, als das Bundesgericht in einer Versicherungsstreitfrage entschied, Nikotin sei keine Droge im Rechtssinn, könne also nicht zu einer Einschränkung des Versicherungsschutzes gemäss Art. 33 des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) führen. 10 BUNDESRATSGESCHÄFT Die Grundlage für den bundesrätlichen Gegenvorschlag wird das von der kleinen DATUM: 02.10.1990 MARIANNE BENTELI Kammer als Erstrat verabschiedete revidierte Lebensmittelgesetz bieten, welches dem Bundesrat die Möglichkeit gibt, Tabak- und Alkoholwerbung insbesondere zum Schutz der Jugendlichen einzuschränken. Die vom Bundesrat vorgeschlagene unverbindliche Kann-Formulierung war dabei allerdings recht umstritten. 11 POSTULAT Der Nationalrat überwies ein Postulat Zwygart (evp, BE) mit dem Ziel eines vermehrten DATUM: 22.03.1991 MARIANNE BENTELI Schutzes der Jugend vor Tabakmissbrauch. Der Postulant regte insbesondere ein Verbot des Verkaufs von Tabakwaren und der Verteilung von Gratismustern an Jugendliche sowie Massnahmen gegen die unkontrollierte Abgabe von Tabakwaren an Automaten an. 12 BUNDESRATSGESCHÄFT Der Bundesrat will den "Zwillingsinitativen" zur Verminderung der Alkohol- und DATUM: 18.06.1991 MARIANNE BENTELI Tabakprobleme mit einem indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesebene entgegentreten und gab seinen Entwurf für eine Verschärfung der Werbeeinschränkungen für Tabakwaren und alkoholische Getränke im künftigen Lebensmittelgesetz und im Alkoholgesetz in die Vernehmlassung. Wegen der erwiesenermassen gesundheitsschädlichen Wirkung von Raucherwaren schlug er ein totales Werbeverbot für dieses Produkt in den inländischen Printmedien, auf Plakatwänden und in den Kinos vor. Aus Gründen der Machbarkeit – und weil ohnehin schon viele EG-Staaten ein generelles Verbot der Tabakwerbung kennen oder vorbereiten – verzichtete er auf eine Ausdehnung des Geltungsbereichs auf ausländische Medien. Die sachbezogene Information über Raucherwaren und alkoholische Getränke in den Verkaufsstellen soll weiterhin erlaubt sein. Da Alkohol nur im Abusus gesundheitsschädigend ist, kann nach Auffassung des Bundesrates die rein beschreibende Alkoholwerbung in den Printmedien beibehalten werden, nicht aber die allein zum Konsum animierende Reklame in den Kinos oder auf Plakaten. 13 BUNDESRATSGESCHÄFT In der Vernehmlassung stiessen die bundesrätlichen Vorschläge auf viel Kritik. Die DATUM: 31.07.1991 MARIANNE BENTELI bürgerlichen Parteien, die Arbeitgeberorganisationen, der Gewerbeverband, die betroffene Tabak- und Alkoholindustrie, die von der Werbung profitierenden Medien, Agenturen und Kinos, aber auch Sportverbände und kulturelle Organisationen, welche weitgehend vom Sponsoring leben, lehnten die bundesrätlichen Vorschläge zum Teil ganz vehement ab. Unterstützung fand der Bundesrat hingegen bei der SP, den Grünen, den Gewerkschaften sowie den Organisationen für Gesundheit und Konsumentenschutz. Dem Initiativkomitee ging der Gegenvorschlag hingegen zu wenig weit, weshalb es beschloss, sein Begehren nicht zurückzuziehen. 14 VERWALTUNGSAKT Bund, Kantone und private Organisationen schlossen sich zu einer Pressekampagne DATUM: 08.09.1991 MARIANNE BENTELI zusammen, mit welcher Jugendliche über die Gefahren von Alkohol und Nikotin aufgeklärt werden sollten. Als erste Aktion wurde landesweit ein Jugendmagazin verteilt, welches zur Lektüre und Diskussion über Tabak und Alkohol anregen und den gesunden Lebensstil des Nicht-Rauchens propagieren will. 15 ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 4
STUDIEN / STATISTIKEN Zum erstenmal in der Schweiz erstellte das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der DATUM: 04.03.1992 MARIANNE BENTELI Universität Bern im Auftrag des BAG eine epidemiologische Studie über rauchenbedingte Todesfälle. Die Studie ergab, dass in der Schweiz jährlich rund 10'000 Raucherinnen und Raucher an den Folgen ihres Tabakkonsums sterben. Dies entspricht einem Anteil von 16,6% aller Todesfälle. Das BAG erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass Rauchen die wichtigste vermeidbare Einzelursache von Krankheit und vorzeitiger Mortalität in Europa ist. 16 BUNDESRATSGESCHÄFT Der Bundesrat beantragte dem Parlament die Ablehnung der "Zwillingsinitiativen" zur DATUM: 09.03.1992 MARIANNE BENTELI Verminderung der Alkohol- und Tabakprobleme, welche 1989 mit der Forderung nach einem totalen Werbeverbot für Alkoholika und Tabakwaren eingereicht worden waren, und leitete den Räten seine Botschaft für einen indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe zu. Dabei zeigte er Bereitschaft, den in der Vernehmlassung vorgebrachten Bedenken der betroffenen Kreise (Industrie, Gewerbe, Medien) zumindest teilweise Rechnung zu tragen und seinen ursprünglichen Vorschlag etwas zu lockern. Als Erklärung für diesen partiellen Rückzieher – beispielsweise bei der Tabakwerbung in den Printmedien oder beim Sponsoring – führte er an, dass neben der hohen Priorität, welche dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung gebühre, auch die Handels- und Gewerbefreiheit, die Rechtsgleichheit und das Informationsbedürfnis der Konsumentinnen und Konsumenten berücksichtigt werden müssten. Strikt verboten sein soll die Werbung am Schweizer Radio und Fernsehen, bei den Lokalradios, in den Kinos und auf Plakatwänden. In allen anderen Bereichen würde die Werbung bloss eingeschränkt. An den Verkaufsstellen darf informativ geworben werden. Degustationen bleiben hier – mit Ausnahme der gebrannten Wasser – erlaubt, hingegen dürfen keine Gratismuster von Raucherwaren mehr abgegeben werden. Sachbezogene Werbung für Alkoholika und Tabak soll auch in den Printmedien mit Ausnahme der Jugendzeitschriften möglich sein. Ebenfalls zugelassen bleiben das Sponsoring und die Markendiversifizierung, sofern damit nicht die Förderung des Verkaufs von Alkohol und Tabakwaren bezweckt wird. Das Aktionskomitee zeigte sich enttäuscht vom Gegenvorschlag und beschloss, seine Initiativen nicht zurückzuziehen. 17 BUNDESRATSGESCHÄFT Zu heftigen Wortgefechten kam es, als der Nationalrat im Rahmen der Revision des DATUM: 18.06.1992 MARIANNE BENTELI Lebensmittelgesetzes Werbeeinschränkungen für Tabak und Alkohol behandelte. Der Ständerat hatte 1990 einer Kompetenznorm, wonach der Bundesrat zum Schutz der Gesundheit insbesondere von Jugendlichen die Werbung für alkoholische Getränke sowie für Tabak- und Raucherwaren einschränken kann, nach langer Diskussion zugestimmt. Im Nationalrat versuchten Vertreter des bürgerlichen Lagers, angeführt von Nationalrat Oehler (cvp, SG), Präsident des Verbandes der schweizerischen Tabakindustrie, mit vielfältigen Argumenten einen völligen Verzicht auf Werbebeschränkungen zu erreichen. So weit wollte der Rat nicht gehen, doch schwächte er den Beschluss des Ständerates ab. Gemäss nationalrätlicher Variante kann der Bundesrat die Werbung für alkoholische Getränke und für Tabakartikel nur dann einschränken, wenn sie sich speziell an die Jugend richtet. Der Ständerat stimmte dieser Version zu. 18 VERBANDSCHRONIK Um den einschneidenden Forderungen der Volksinitiative den Wind aus den Segeln zu DATUM: 09.09.1992 MARIANNE BENTELI nehmen, erlegte sich der Verband Schweizerischer Zigarettenfabrikanten freiwillig Einschränkungen bei der Zigarettenwerbung auf. Die Einhaltung dieses "Werbekodexes", der sich in erster Linie an den Anliegen des Jugendschutzes orientiert, wird von der Kommission für Lauterkeit in der Werbung kontrolliert. 19 VOLKSINITIATIVE In der Frühjahrssession wurden die Zwillingsinitiativen für eine Verminderung der DATUM: 02.03.1993 MARIANNE BENTELI Tabakprobleme und für eine Verminderung der Alkoholprobleme, die ein völliges Werbeverbot für Tabak und Alkohol verlangten, vom Ständerat, welcher das Geschäft als Erstrat behandelte, klar verworfen. Die kleine Kammer erachtete den Einfluss der Werbung auf das Konsumverhalten insbesondere der Jugend als nicht erwiesen und betonte die negativen materiellen Auswirkungen der Initiativen auf die Werbebranche und das kulturelle Sponsoring. Vergeblich appellierte Bundesrat Cotti an den Rat, zumindest auf den moderateren Gegenvorschlag des Bundesrates einzutreten, welcher nur die Plakat- und Kinowerbung verbieten, die informierende Werbung in den ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 5
Printmedien und an den Verkaufsstellen sowie das Sponsoring unter gewissen Auflagen jedoch zulassen wollte. Gegen die engagierten Voten von Meier (cvp, LU), Onken (sp, TG) und Schiesser (fdp, GL), die sich für den Jugendschutz stark machten und an die menschlichen und volkswirtschaftlichen Folgen übermässigen Alkohol- und Tabakkonsums erinnerten, wurde auch dieser Vorschlag deutlich abgelehnt. Ihm warfen die Gegner jeglicher Werbebeschränkung vor, nicht praktikabel zu sein und der Werbebranche jährlich Aufträge in der Höhe von 100 bis 150 Mio Fr. zu entziehen. 20 VOLKSINITIATIVE Der Nationalrat übernahm praktisch die Argumentation des Ständerates und lehnte DATUM: 18.06.1993 MARIANNE BENTELI ebenfalls sowohl die Initiativen als auch den bundesrätlichen Gegenvorschlag deutlich ab. Bei der ständerätlichen Präventions-Motion setzte sich hingegen der Bundesrat durch und erreichte eine Überweisung in der unverbindlichen Form des Postulates. 21 VOLKSINITIATIVE Bei dieser Ausgangslage hatten die beiden Initiativen in der Volksabstimmung keine DATUM: 08.09.1993 MARIANNE BENTELI Chance, umso mehr als die Gegner der Initiativen — in erster Linie die Tabakindustrie und die Werbung — weder Mittel noch Wege scheuten, um die Initiativen, die sie in erster Linie als werbe- und arbeitsplatzfeindlich darstellten, zu Fall zu bringen. Dabei fanden sie die nahezu uneingeschränkte Unterstützung der Printmedien, welche sich in Zeiten ohnehin rückläufigen Inseratevolumens unmissverständlich auf die Seite ihrer potenten Auftraggeber stellten. Gegen die Initiativen sprach sich aber auch ein " Schweizerisches Aktionskomitee gegen unbrauchbare Werbeverbote" aus, in welchem sich 150 Bundesparlamentarier und -parlamentarierinnen aus allen grösseren Parteien zusammenschlossen. Dem Präsidium gehörten neben Nationalrätin Heberlein (fdp, ZH), Ständerat Delalay (cvp, VS) und Nationalrätin Zölch (svp, BE) auch der Basler SP- Nationalrat Hubacher an, der sich in dieser Frage gegen die Meinung seiner Partei stellte. 22 GERICHTSVERFAHREN Das Eidg. Versicherungsgericht (EVG) entschied in einem neuen Grundsatzurteil, dass DATUM: 16.09.1993 MARIANNE BENTELI sich eine Person, die durch Alkohol- oder Tabakmissbrauch zum Invaliden wird, inskünftig keine IV-Rentenkürzung mehr gefallen lassen muss. Das EVG berief sich dabei auf zwei internationale Abkommen, welche die Kürzung einer Invalidenrente nur zulassen, wenn jemand seine Gesundheit absichtlich geschädigt hat. Nach Auffassung des EVG ist äusserst fraglich, ob bei chronischem Missbrauch von Alkohol und Tabak überhaupt je von absichtlichem Selbstverschulden die Rede sein kann. 23 VOLKSINITIATIVE Volksinitiative "zur Verhinderung der Alkoholprobleme". DATUM: 28.11.1993 MARIANNE BENTELI Abstimmung vom 28. November 1993 Beteiligung: 44,7% Nein: 1'527'165 (74,7%) / 20 6/2 Stände Ja: 516'054 (25,3%) / 0 Stände Parolen: – Nein: FDP, CVP (4*), SVP, LP, AP, Lega; Vorort, SGV – Ja: SP (3*), GP, PdA (1*), LdU (3*), EVP, EDU, SD (3*) * In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen Volksinitiative "zur Verminderung der Tabakprobleme". Abstimmung vom 28. November 1993 Beteiligung: 44,7% Nein: 1 521 885 (74,5%) / 20 6/2 Stände Ja: 521 433 (25,5%) / 0 Stände Parolen: – Nein: FDP, CVP (3*), SVP, LP, AP, Lega; Vorort, SGV – Ja: SP (3*), GP, PdA (1*), LdU (3*), EVP, EDU, SD (3*) * In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 6
Die einzige Überraschung des Abstimmungsresultates lag denn auch in seiner Deutlichkeit. 1979 hatten sich noch 41% der Stimmenden für ein analoges Volksbegehren ("Guttempler-Initiative") ausgesprochen, Basel-Stadt sogar mit mehr als 50%. Besonders massiv wurden die beiden Initiativen in der Westschweiz (mit Ausnahme von Genf) und im Kanton Schwyz abgelehnt, wo sich über vier Fünftel der Urnengängerinnen und Urnengänger gegen sie aussprachen. Am "verbotsfreundlichsten" zeigten sich die Kantone Basel-Stadt und Zürich mit rund 33% bzw. 31% Ja-Stimmen. Wie die Vox-Analyse dieser Abstimmung zeigte, fanden die beiden Initiativen bei den Frauen erheblich mehr Zustimmung als bei den Männern. Seit dem Beginn der Vox- Analysen 1977 wurde nie eine so grosse Differenz zwischen dem Stimmverhalten der Frauen und der Männer – 18% beim Tabakverbot – beobachtet. Tiefe Ja-Anteile ergaben sich in der jüngsten Alterskategorie, in der Romandie und in den ländlichen Gebieten. Besonders im rot-grünen Lager beeinflusste der politische Standort das Stimmverhalten nur teilweise. Einzig die Gefolgschaft von LdU/EVP stimmte beiden Initiativen zu, die Grünen nahmen nur die Tabakinitiative an, während die Anhänger der SP mehrheitlich nicht der Parteiparole folgten. Die meistgenannten Motive zur Verwerfung der Initiativen waren die Angst vor zusätzlicher Arbeitslosigkeit und die Überzeugung, dass ein Verbot wirkungslos wäre bzw. durch ausländische Medien umgangen würde. 24 STUDIEN / STATISTIKEN Die Bundesämter für Statistik und Gesundheitswesen legten eine gemeinsame Studie DATUM: 15.11.1994 MARIANNE BENTELI vor, welche anhand der Verzeigungen und Verurteilungen der letzten 20 Jahre einige Vorurteile über das Ausmass des Drogenkonsums in der Schweiz ausräumen konnte. Entgegen den Darstellungen in den Medien - und vor allem in der Boulevardpresse - ist die Zahl der Konsumenten von harten Drogen in den letzten Jahren ungefähr stabil bei 24 000 bis 30 000 geblieben. Die Abhängigkeit von illegalen Drogen ist deutlich geringer als der Konsum von Alkohol, Tabak und Medikamenten. So gibt es beispielsweise rund 30mal mehr Personen, die einmal pro Woche Alkohol konsumieren als solche, die Haschisch zu sich nehmen. Auch starker Zigarettenkonsum oder die tägliche Einnahme von Medikamenten sind häufiger als wöchentlicher Cannabiskonsum. Die weitverbreitete Meinung, die Konsumentinnen und Konsumenten von illegalen Drogen würden immer jünger, konnte ebenfalls widerlegt werden. So erhöhte sich seit den siebziger Jahren das Durchschnittsalter der Verzeigten oder Verurteilten kontinuierlich von 24 auf 26 Jahre. Der Anteil der Personen unter 18 Jahren hat sich dagegen kaum verändert. 25 STUDIEN / STATISTIKEN Elf- bis sechzehnjährige Schweizer Schulkinder konsumieren deutlich mehr Alkohol, DATUM: 24.05.1995 MARIANNE BENTELI Tabak und Haschisch als vor acht Jahren. Dies ging aus einer breit angelegten Studie der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) hervor. Insgesamt sind es zwei Prozent der Jugendlichen - hochgerechnet rund 12'000 Schulkinder -, die jeden Tag zum Glas greifen. Sieben Prozent der erfassten Jugendlichen rauchen täglich, was gegenüber 1986 einem Anstieg um 75% entspricht. Fast verdoppelt hat sich auch der Prozentsatz jener (18,4% gegenüber 10%), welche mindestens einmal Cannabis konsumiert haben. 7,9% der Befragten hatten Erfahrung mit Aufputschmitteln, mehr als doppelt so viele wie 1986, wobei der Trend bei den männlichen Jugendlichen und in der Deutschschweiz besonders ausgeprägt ist. Die Modedroge Ecstasy wurde von 1,4% der Schülerinnen und Schüler eingenommen. 26 VERWALTUNGSAKT Der Bundesrat beschloss, bis 1999 sein Engagement im Bereich der Nikotinprävention DATUM: 17.08.1995 MARIANNE BENTELI mit jährlich 2,5 Mio Fr. zu vervierfachen. Wie Bundesrätin Dreifuss ausführte, will sich der Bund vermehrt für eine kohärente Nichtraucher-Politik einsetzen, da die Schweiz in diesem Bereich im Vergleich zu den Nachbarländern im Rückstand sei. Das Programm des Bundesrates verfolgt drei Ziele: die Zahl neueinsteigender junger Raucherinnen und Raucher soll reduziert, der Schutz gegen Passivrauchen verstärkt und die Hilfe für Ausstiegswillige ausgebaut werden. 27 ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 7
VERORDNUNG / EINFACHER Aufgrund der neuen, eurokompatibel ausgestalteten Tabakverordnung müssen bis Mitte BUNDESBESCHLUSS DATUM: 19.10.1996 1997 alle Zigarettenpackungen auf Vorder- und Rückseite in allen drei Landessprachen MARIANNE BENTELI darauf hinweisen, dass Rauchen die Gesundheit gefährdet. Die bisher auf der Schmalseite angebrachte Warnung, dass Nikotingenuss die Gesundheit gefährden könne, wird durch eine Präzisierung ersetzt, wozu Rauchen alles führen kann (Krebs, Gefässkrankheiten etc.). 28 POSTULAT Ein Postulat Zwygart (evp, BE), welches anregt, die Tabakverordnung durch einen Artikel DATUM: 13.12.1996 MARIANNE BENTELI zu ergänzen, welcher den Verkauf von Tabakerzeugnissen an Jugendliche unter 16 Jahren untersagt, wurde vom Nationalrat angenommen. 29 VERWALTUNGSAKT In der seit 1987 bestehenden Eidgenössischen Kommission für Tabakfragen, deren DATUM: 05.05.1997 MARIANNE BENTELI Amtszeit Ende 1996 auslief, spitzte sich der seit langem schwelende Konflikt zwischen den Verfechtern der Prävention und den Vertretern der Tabakindustrie zu. Die Arbeitsgemeinschaft gegen Tabakmissbrauch erklärte sich nicht länger dazu bereit, mit den Repräsentanten der Zigarettenindustrie und der Werbebranche gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und verlangte die Auflösung des Gremiums in seiner bestehenden Form. Diese Querelen verhinderten im Berichtsjahr eine Neubesetzung der Kommission. 30 BERICHT Im Auftrag des BAG erarbeitete die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere DATUM: 25.06.1997 MARIANNE BENTELI Drogenprobleme (SFA) einen Bericht, welcher erstmals umfassend Ausmass und Konsequenzen des Konsums von Alkohol, Tabak und illegalen Drogen in der Schweiz aufzeigte. Referenzzeit waren die Jahre 1994 bis 1996. Der Bericht bestätigte die bereits bekannte Tatsache, dass die beiden Alltagsdrogen Alkohol und Nikotin weit mehr gesundheitliche Probleme, Abhängigkeiten und Kosten verursachen als die im Zentrum des öffentlichen Interesses stehenden illegalen Drogen. Mit einem Pro-Kopf-Konsum von 9,4 Litern reinen Alkohols im Jahr 1996 gehört die Schweiz in Europa zu den Ländern, in denen am meisten getrunken wird. Rund 300'000 Einwohner sind alkoholabhängig. Geht man von den volkswirtschaftlichen Folgekosten aus (3 Mia. Fr. pro Jahr), ist der Alkohol das gravierendste Gesundheitsproblem der Schweiz. In den medizinischen Abteilungen der Akutspitäler ist bei den 30- bis 50jährigen Männern Alkoholismus und seine Folgeerscheinungen die häufigste Diagnose. Bei den Erwachsenen ist der Gesamtverbrauch in den letzten Jahren zurückgegangen, er hat dafür aber bei den Jugendlichen zugenommen: 12'000 Schulkinder im Alter zwischen 11 und 16 Jahren trinken laut der Studie jeden Tag Alkoholhaltiges. Auch beim Tabakkonsum liegt die Schweiz im europäischen Ländervergleich in den vorderen Rängen. 1996 bezeichneten sich rund 30% der 15- bis 74-jährigen als Raucher oder Raucherin; das sind rund 1,7 Millionen Personen. 85% von ihnen rauchten täglich, 700'000 mehr als 20 Zigaretten pro Tag. Wenn man annimmt, dass bei einem Konsum von mehr als zehn Zigaretten pro Tag eine Abhängigkeit vorliegt, gibt es in der Schweiz mehr als eine Million Nikotinsüchtige. Die Studie bezeichnete den Tabakkonsum als wichtigste verhütbare Ursache für den vorzeitigen Tod. Die volkswirtschaftlichen Folgekosten wurden auf 1,2 Mia Fr. pro Jahr geschätzt. Mehr als 20% der Männer und 15% der Frauen im Alter zwischen 15 und 39 Jahren haben mindestens einmal illegale Drogen konsumiert. Die Zahl der Heroinabhängigen ist mit rund 30'000 Personen seit Jahren relativ konstant. Generell wurde ein wachsendes Angebot und eine Professionalisierung des Marktes der illegalen Drogen festgestellt sowie eine Verlagerung von den betäubenden (Heroin) zu den aufputschenden Substanzen (Kokain, Amphetamine, Ecstasy etc.). Hier wurden die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten auf rund 1 Mia. Fr. pro Jahr geschätzt. Dabei entfiel rund die Hälfte auf Polizeimassnahmen im weiteren Sinn. 31 ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 8
STUDIEN / STATISTIKEN Rauchen verringert die Lebenserwartung von Männern im Mittel um 2,9 Jahre, jene der DATUM: 01.10.1997 MARIANNE BENTELI Frauen um 0,7 Jahre. Zu diesem Fazit kam eine Studie des Bundesamtes für Statistik, welches dafür die Todesfallstatistiken der Wohnbevölkerung der Schweiz zwischen 1988 und 1993 analysierte. Der Autor der Untersuchung präzisierte, dass diese Resultate als Schätzungen gewertet werden müssen, da die Reduktion der Todesursache auf den Faktor Tabak eine vereinfachende Hypothese darstelle. 32 VERWALTUNGSAKT Der Bundesrat löste die Eidg. Tabakkommission endgültig auf, da sich das aus DATUM: 19.02.1998 MARIANNE BENTELI Verantwortlichen der Tabakindustrie, der Werbe- und Landwirtschaft einerseits und der Gesundheitsprävention andererseits zusammengesetzte Gremium praktisch nie einigen konnte. Das Mandat der Tabakkommission für die Gesundheitsprävention und - promotion übernahm eine Kommission des EDI, welche inskünftig die Kontakte zu den Produzenten und der Werbung pflegen wird. 33 VERWALTUNGSAKT Angesichts dieser Zahlen kündigte BAG-Direktor Zeltner an, der Bund werde zu DATUM: 01.03.1998 MARIANNE BENTELI härteren Massnahmen bei der Tabakmissbrauchsbekämpfung greifen. Einhaken möchte das BAG bei Werbung, Preis und Prävention. Obgleich das Volk 1993 die sogenannten Zwillingsinitiativen, die ein totales Werbeverbot für Raucherwaren und alkoholische Getränke verlangten, deutlich verworfen hat, glaubt Zeltner, dass es an der Zeit ist, die ziemlich laschen Werbebeschränkungen in der Schweiz zu verschärfen. Zudem beabsichtigt er, Gelder von den gut dotierten Präventionskampagnen gegen Aids und Drogenkonsum abzuzweigen und in die Tabakprävention fliessen zu lassen. Sukkurs erhielt das BAG durch den Beschluss des EU-Parlaments, in nächster Zukunft ein allgemeines Werbeverbot für Tabakwaren zu erlassen. 34 STUDIEN / STATISTIKEN Die Gesundheitsschäden, welche das Rauchen verursacht, kosten die Schweiz jährlich DATUM: 21.08.1998 MARIANNE BENTELI rund 10 Mia. Fr. bzw. 2,75% des Bruttoinlandprodukts. Zu diesem Fazit kam eine vom BAG in Auftrag gegebene Studie. Gemäss der Untersuchung ist Zigarettenrauchen die häufigste vermeidbare einzelne Todesursache, da es mehr vorzeitige Todesfälle verursacht als Aids, Heroin, Kokain, Alkohol, Feuersbrünste, Autounfälle, Morde und Selbstmorde zusammen. 8300 Todesfälle (6900 Männer und 1400 Frauen) können in der Schweiz pro Jahr aufs Rauchen zurückgeführt werden, wobei die Todesursache in den meisten Fällen Lungenkrebs ist, gefolgt von chronischen Lungen- und Herzerkrankungen. Die direkten medizinischen Kosten, die 1995 daraus resultierten, bezifferte die Studie auf über 1,2 Mia. Fr. Noch wesentlicher ins Gewicht fallen die indirekten Kosten durch den aufgrund von Rauchererkrankungen erzeugten Produktionsausfall, der (wegen Tod oder Invalidität) schweizweit pro Jahr auf rund 50'000 Mannjahre geschätzt wurde. Neben den direkten und indirekten Kosten des Tabakkonsums wurden in der Studie auch die sogenannt immateriellen oder “intangiblen” Kosten berechnet, d.h. das physische und psychische Leiden der Kranken und ihrer Familien; sie sollen noch einmal rund 5 Mia. Fr. pro Jahr ausmachen. 35 MOTION Auch im Parlament fand das BAG Unterstützung. Mit einer Motion wollte Nationalrat DATUM: 18.12.1998 MARIANNE BENTELI Grobet (pda, GE) den Bundesrat verpflichten, die Tabakwerbung an öffentlichen Orten zu verbieten und auf dem Verkauf von Zigaretten eine Abgabe zu erheben, die dazu dienen sollte, eine Dauerkampagne über die Gefahren des Tabakmissbrauchs zu finanzieren und den Krankenkassen Beiträge an die Kosten zu leisten, die ihnen durch Krankheiten infolge von Tabakmissbrauch entstehen. Der Bundesrat zeigte sich zwar durchaus offen für diese Forderungen, wollte sich im Detail aber nicht die Hände binden lassen, weshalb er erfolgreich Umwandlung in ein Postulat beantragte. 36 STUDIEN / STATISTIKEN Alle vier Jahr wird in einem internationalen Vergleich das Gesundheitsverhalten von DATUM: 04.02.1999 MARIANNE BENTELI Schulkindern erhoben. In diesem Rahmen wurden 1998 in der Schweiz 8700 11-15- Jährige befragt. 17% der 14-Jährigen und 27% der 15-Jährigen gaben an, bereits mindestens einmal Haschisch konsumiert zu haben. Von den 13-Jährigen rauchen heute 7%, bei den 15-Jährigen 25%, wovon 90% täglich. Gegenüber 1986 (dem Beginn der Erhebung) erhöhte sich der Prozentsatz der Jugendlichen, die wöchentlich Alkohol trinken von 8,5 auf 17,4%. Gemäss der Fachstelle für Alkohol und andere Drogenprobleme (SFA) sind vor allem Veränderungen im Konsumverhalten bedenklich: dort, wo es früher um Gelegenheitskonsum ging, könne heute von einem regelmässigen ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 9
Griff zur Zigarette, zum Glas oder zum Joint gesprochen werden. 37 BUNDESRATSGESCHÄFT Auf wenig Zustimmung stiess der Umstand, dass im Vernehmlassungsentwurf für das DATUM: 11.05.2000 MARIANNE BENTELI neue Betäubungsmittelgesetz (BetmG) erwogen wurde, auch Tabak und Alkohol diesem zu unterstellen. Das federführende Bundesamt für Gesundheit (BAG) begründete dies mit dem Wunsch nach einer umfassenden Suchtpolitik, die gegen jede Abhängigkeit von psychoaktiven Substanzen vorgehen möchte. Ein gesamtheitlicher Ansatz sei nur möglich, wenn in den Bereichen Prävention, Schadensminderung und Therapie nicht mehr die Substanz, sondern die Abhängigkeit an sich im Vordergrund stehe, und nicht mehr zwischen legalen und illegalen Drogen differenziert werde. Durch die vorgeschlagene Neuerung erhielte der Bund eine klare gesetzliche Grundlage, die es ihm erlauben würde, umfassender als bisher Präventionskampagnen gegen Alkohol- und Tabakmissbrauch durchzuführen. Der Schweizerische Gewerbeverband, die Tabakindustrie sowie die Werbe- und Gastronomiebranche drohten bereits mit dem Referendum, falls im neuen Gesetz illegale Sucht- und legale Genussmittel gleichgestellt würden. Aber auch engagierte Präventivmediziner wie der Zürcher FDP-Nationalrat Gutzwiller warnten vor einer Ausdehnung des Geltungsbereichs, der die gesamte Gesetzesrevision gefährden könnte. 38 KANTONALE POLITIK Als erster Kanton nahm Genf eine äusserst restriktive Regelung der Tabak- und DATUM: 05.10.2000 MARIANNE BENTELI Alkoholwerbung an. Diese wird sowohl im öffentlichen Raum wie in privaten Räumen, die von der Öffentlichkeit eingesehen werden können, verboten. Vertreter der Liberalen Partei und des Gewerbes drohten mit Referendum oder Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Letztere wurde im Oktober beim Bundesgericht eingereicht. 39 VERWALTUNGSAKT Anhand von vier Schlagworten skizzierte das BAG die Grundphilosophie der neuen DATUM: 06.10.2000 MARIANNE BENTELI Präventionsstrategie: Selbstverantwortung des Einzelnen, Rücksichtnahme der Raucher auf die Nichtrauchenden, sachliche Information und Aufklärung seitens des Bundes sowie verstärkter Jugendschutz. Für eine erfolgreiche Prävention sei wichtig, dass die Massnahmen gesamthaft umgesetzt würden. Das BAG-Papier formulierte 14 Ziele, von denen einige kaum bestritten sind – so etwa das Bestreben, Rauchende zum Ausstieg zu motivieren oder für Jugendliche ein günstiges Umfeld, insbesondere rauchfreie Schulen zu schaffen. Andere Zielsetzungen hingegen enthielten einigen Zündstoff. So strebt das BAG neben Einschränkungen bei der Werbung und neuen Produktedeklarationen (allfälliges Verbot von Bezeichnungen wie „mild“ und „light“) namentlich eine höhere Besteuerung von Tabakprodukten analog dem in der EU geltenden Niveau an. Damit soll der Präventionsetat des Bundes, der heute 5 Mio Fr. beträgt, verdreifacht werden. Zudem sollen Verkaufsstellen, die Tabakwaren an Jugendliche unter 16 Jahren abgeben, mit hohen Bussen bis hin zur Geschäftsschliessung bestraft werden können. (In der EU sollte ab 2006 jegliche Tabakwerbung verboten sein, doch entschied der Europäische Gerichtshof, die EU habe dazu nicht die gesetzliche Grundlage. Bereits ab 2002 sind die Bezeichnungen „mild“, „light“ und „superlight“ in der EU nicht mehr zugelassen. BAG-Direktor Zeltner war Präsident der Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation WHO, welche die Vorwürfe untersuchte (und bestätigte), wonach die amerikanischen Tabakkonzerne die WHO in den letzten Jahren gezielt unterwandert haben, um deren Antiraucherkampagnen zu diskreditieren.) In der Vernehmlassung war man sich nur gerade beim Jugendschutz einig. CVP und SVP lehnten eine höhere Besteuerung ab, da dies negative soziale Auswirkungen hätte. Die Pro Juventute schlug dagegen neben einer Erhöhung der Tabaksteuer die Erhebung eines „Tabakzehntels“ vor, um die für die Prävention zur Verfügung stehenden Gelder auf jährlich 20 Mio Fr. zu erhöhen. Eine Allianz bildeten CVP, SVP und Pro Juventute hingegen in der Befürwortung des Verkaufsverbots an Jugendliche, da in dieser Bevölkerungsgruppe am ehesten ein Präventionserfolg zu erzielen sei. Die Gegner eines derartigen Verbots, FDP, Gewerbeverband und Tabakhandel, möchten in erster Linie auf die Stärkung der Eigenverantwortung setzen. Die SP befürchtete durch ein Verkaufsverbot die Ausgrenzung von jugendlichen Rauchenden oder die Bildung von Schwarzmärkten. Dagegen würde die SP ein Werbeverbot insbesondere in der Umgebung von Schulen begrüssen. Die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände widersetzten sich Werbebeschränkungen und verwiesen diesbezüglich auf die 1993 abgelehnten „Zwillingsinitiativen“. 40 ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 10
MOTION Im Nationalrat wurde eine Motion Tillmanns (sp, VD), die ein völliges Verbot der DATUM: 15.12.2000 MARIANNE BENTELI Tabakwerbung verlangte, auf Antrag des Bundesrates, welcher der internationalen Entwicklung nicht vorgreifen und die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Tabakpräventionskampagne abwarten wollte, lediglich als Postulat überwiesen. 41 STUDIEN / STATISTIKEN Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die sich seit Jahren besonders stark für die DATUM: 15.02.2001 MARIANNE BENTELI Bekämpfung der Nikotinsucht einsetzt, erhob in einer Studie schwere Vorwürfe an die Adresse der Schweiz. Sie machte das massive Lobbying der Tabakindustrie dafür verantwortlich, dass die Schweiz die tiefsten Tabaksteuern in Westeuropa aufweist und bisher nur verhältnismässig wenig für die Prävention ausgegebene hat. (Die Tabakindustrie setzt in der Schweiz jährlich rund 100 Mio Fr. für Promotion und Werbung ein; für die Präventionskampagnen des Bundes standen bis 2000 lediglich 2,5 Mio Fr. zur Verfügung.) Das BAG wertete die Untersuchung als wichtige Unterstützung für die neu anlaufende Präventionskampagne des Bundes. 42 VERWALTUNGSAKT Unter dem Motto „Rauchen schadet“ lancierte das BAG im Mai nach dem Vorbild der DATUM: 06.06.2001 MARIANNE BENTELI „Stop Aids“-Werbung eine breite Anti-Zigaretten-Kampagne, die das Tabakpräventionsprogramm 2001-2005 propagandistisch begleiten wird. Mit anfänglich 6,3 Mio und schliesslich 10 Mio Fr. pro Jahr bis 2005 will der Bundesrat den Kampf gegen den Tabakkonsum verstärken. Ziel des BAG ist nicht eine rauchfreie Gesellschaft, sondern eine Senkung des Anteils der Raucher in der Bevölkerung (heute rund ein Drittel) auf das europäische Mittel (ca. 25%). Erwogen wird einerseits ein Abgabeverbot an Jugendliche unter 16 Jahren, eine Erhöhung des Zigarettenpreises auf das Niveau der EU (ca. Fr. 5.60 pro Päckchen) sowie die Beschränkung der Tabakwerbung auf die Verkaufsstellen. Der Verband Schweizer Werbung, dessen Präsident Ständerat Schmid (cvp, AI) ist, unterstützte die Kampagne ausdrücklich nicht, bestritt aber, Druck auf einzelne Werbefirmen ausgeübt zu haben, damit sich diese nicht daran beteiligen. 43 VERWALTUNGSAKT Unter dem Patronat von alt Bundesrat Ogi lancierten das BAG, das BASPO und Swiss DATUM: 17.05.2002 MARIANNE BENTELI Olympic die Aktion „sport.rauchfrei“. Ziel ist, dass alle 81 Schweizer Sportverbände und mit ihnen die rund 27'000 angeschlossenen Vereine eine Charta unterzeichnen, die sie verpflichtet, für tabakfreie Trainings- und Wettkampfgelände zu sorgen sowie auf das Sponsoring durch Tabakfirmen zu verzichten. 44 GERICHTSVERFAHREN Das im Jahr 2000 im Kanton Genf erlassene Verbot jeglicher von öffentlichem Grund DATUM: 06.07.2002 MARIANNE BENTELI aus sichtbarer Plakatwerbung für Tabak und mehr als 15-prozentige Alkoholika verstösst weder gegen übergeordnetes Bundesrecht noch gegen Bestimmungen in der Bundesverfassung. Dies ging aus einem Urteil des Bundesgerichtes hervor, in dem eine aus Kreisen der Werbe-, Tabak- und Alkoholwirtschaft stammende staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen wurde. (Zur Lockerung des Alkoholwerbeverbots bei den privaten TV-Sendern siehe hier). 45 POSTULAT Im Rahmen der Beratungen des Tabaksteuergesetzes überwies der Nationalrat ein DATUM: 04.10.2002 MARIANNE BENTELI Postulat seiner WAK, das den Bundesrat ersucht, die Möglichkeit zu prüfen, verbindliche Richtlinien zum Schutz vor dem Passivrauchen zu erlassen, beispielsweise durch Einschränkungen des Rauchens im öffentlichen Raum oder durch die Einführung und Ausdehnung rauchfreier Zonen. Die grosse Kammer nahm zudem ein Postulat Berberat (sp, NE) (Po. 02.2347) an, das verlangt, dass in der laufenden Revision der Tabakverordnung verboten wird, einzelne Zigaretten oder Packungen von weniger als 20 Stück Zigaretten an Jugendliche abzugeben. Berberat begründete seinen Vorstoss damit, dass die Möglichkeit, sich gewissermassen probehalber eine geringe Mengen Zigaretten zu beschaffen, den Einstieg in den Konsum fördere. 46 ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 11
BUNDESRATSGESCHÄFT Mit der letzten Revision (1995) des Tabaksteuergesetzes war dem Bundesrat die DATUM: 02.12.2002 MARIANNE BENTELI Kompetenz erteilt worden, die Tabaksteuer, deren Ertrag vollumfänglich der AHV zukommt, um 50% gegenüber den damals geltenden Steuersätzen zu erhöhen. Da inzwischen dieser Handlungsspielraum bis auf 10 Rappen ausgeschöpft ist, beantragte der Bundesrat eine Anhebung des Erhöhungsrahmens um weitere 50%. Dies sollte ihm die Möglichkeit geben, die Zigarettenpreise – wie bis anhin schrittweise – bis auf rund 5.50 Fr. pro Päckchen anzuheben. Im Nationalrat erreichte eine Kommissionsminderheit aus SP und CVP im Namen der Prävention und mit Unterstützung einzelner Gesundheitspolitiker aus der FDP mit 77 zu 70 Stimmen ganz knapp, dass der Erhöhungsrahmen auf 80% angehoben wurde; damit würde der Bundesrat die Kompetenz erhalten, den Einzelhandelspreis mittelfristig auf 6.40 Fr. anzuheben. Nicht durchsetzen konnte sich ein weiterer Antrag der SP, bereits ein Jahr nach Inkrafttreten der Gesetzesrevision die Steuer von heute knapp 52% dem EU- Mindestsatz von 57% anzupassen. Damit würde der Detailpreis schlagartig auf 5.60 Fr. steigen. Bundesrat Villiger machte erfolgreich geltend, durch Einkauf im Ausland und Schmuggel könnte dies zu enormen fiskalischen Ausfällen für die AHV führen, ohne dass ein präventiver Effekt tatsächlich nachweisbar sei. Der Antrag wurde mit 82 zu 71 Stimmen abgelehnt, da sich mehrere CVP-Abgeordnete den Argumenten Villigers anschlossen. Gegen den Willen des Bundesrates, der auf die im ordentlichen Budget für die Tabakprävention vorgesehenen Mittel sowie auf die Notwendigkeit einer Verfassungsänderung verwies, wurde hingegen mit 95 zu 68 Stimmen die Schaffung eines Präventionsfonds beschlossen. Hersteller und Importeure sollten 2,6 Rappen pro Zigarettenpäckchen abliefern müssen, was jährlich 20 Mio Fr. einbringen würde. Der von den Grünen und Linken vorgeschlagene Fonds erhielt auch die Zustimmung der FDP, allerdings erst, als deren Bündner Abgeordnete Bezzola den Zusatz eingebracht hatte, das Bundesamt für Sport (BASPO) sei bei der Verteilung der Gelder einzubeziehen. Der Ständerat kehrte dann wieder auf die Linie des Bundesrates zurück. Mit 24 zu16 Stimmen sprach er sich für eine Anhebung des Erhöhungsrahmens um lediglich 50% aus. Die Mehrheit der kleinen Kammer begründete dies damit, dass mit einem einmaligen Sprung auf 80% das Mitspracherecht des Parlaments für längere Zeit ausgeschaltet würde. Aus ähnlichen Gründen lehnte er (mit 17 zu 11 Stimmen) auch die Schaffung eines Präventionsfonds ab. Im Namen der Kommission führte deren Sprecher aus, eine Fondslösung wäre dem politischen Entscheidungsprozess praktisch entzogen; ein unabhängiger Fonds unter der Aufsicht von zwei Bundesämtern (BAG und BASPO) wäre ohnehin keine taugliche Organisationsform. Ein Gutachten des Bundesamtes für Justiz war zudem in der Zwischenzeit zum Ergebnis gelangt, dass die Bundesverfassung keine Grundlage enthält, um einen aus der Tabaksteuer finanzierten Tabakpräventionsfonds zu schaffen, da Art. 112 Abs. 5 BV ganz klar sagt, dass deren Reinertrag für die Deckung des Bundesbeitrages an die AHV zu verwenden ist. 47 BUNDESRATSGESCHÄFT In der Frühjahrssession bereinigten die Räte die Differenzen beim Bundesgesetz über DATUM: 21.03.2003 MARIANNE BENTELI die Tabakbesteuerung. Umstritten war, ob dem Bundesrat die Ermächtigung zur Erhöhung der Steuersätze um bis 50% oder um bis 80% erteilt und ob aus den Mitteln der Tabaksteuer ein Präventionsfonds geschaffen werden soll. In der ersten Runde der Differenzbereinigung hielt der Nationalrat mit 95 zu 75 Stimmen an der Erhöhungskompetenz bis 80% fest, ebenso (mit 102 zu 65 Stimmen) an der Errichtung eines Präventionsfonds. Der Ständerat schloss sich bei der Erhöhungskompetenz dem Nationalrat an, beharrte aber, vorab aus verfassungsrechtlichen Bedenken, mit 22 zu 14 Stimmen auf seiner Ablehnung des Fonds. In der zweiten Runde bekräftigen beide Kammern mit praktisch dem gleichen Stimmenverhältnis (101 zu 64 resp. 18 zu 16 Stimmen) ihre Position. In der Einigungskonferenz obsiegte die Haltung des Nationalrates, worauf der Ständerat zustimmte, dass 2,6 Rappen pro Zigarettenpackung den Präventionsfonds alimentieren. Von dieser Abgabe werden jährlich rund 18 Mio Fr. erwartet. Die Organisation des Fonds obliegt dem BAG und dem BASPO gemeinsam. (Im Rahmen des Entlastungsprogramms (BRG 03.047) hatte der Bundesrat vorgeschlagen, die Mittel des BAG in den Jahren 2004-2006 um 15 Mio Fr. zu beschneiden; auf Antrag der CVP, welche die Gelder lieber für die Bildung verwenden wollte, stimmte das Parlament einer weiteren Kürzung um 15 Mio Fr. zu. Hauptbetroffene wird das Programm zur Tabakprävention 2001-2005 sein.) 48 ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK 01.01.89 - 01.01.19 12
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