COVID-19 Auswirkungen auf Lieferbeziehungen März 2020 - Fieldfisher
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COVID-19 Auswirkungen auf Lieferbeziehungen März 2020 Belgium | China | France | Germany | Ireland | Italy | Luxembourg | Netherlands | Spain | UK | US (Silicon Valley) | fieldfisher.com
Auswirkungen von COVID-19 auf Liefer- und Produktionsbeziehungen Einleitung Im Vordergrund der weltweiten Ausbreitung des Corona- spüren bekommen, da ein Großteil von ihnen mittlerwei- virus, das seit dem 11. Februar 2020 offiziell den Namen le seinen Sitz oder seine Produktion nach China verlagert "COVID-19" trägt, stehen zunächst die gesundheitlichen hat. Die massiven Einschränkungen des öffentlichen Le- Folgen. Mittlerweile haben sich weltweit knapp 175.000 bens führten schnell dazu, dass die Bevölkerung auch Menschen mit COVID-19 infiziert, für ca. 6.700 Menschen ihrem Arbeitsalltag nicht mehr nachgehen konnte, und endete die Infektion tödlich (Stand: 16. März 2020). Ne- letztlich keine reibungslose Produktion mehr möglich ben diesen gesundheitlichen Folgen trifft COVID-19 mitt- war. Da ähnliche Maßnahmen mittlerweile auch in Euro- lerweile nahezu die gesamte Weltwirtschaft, was auch pa ergriffen werden und Mitarbeiter insbesondere auf- bei deutschen Unternehmern rechtliche Fragestellungen grund von Schul- und Kitaschließungen nicht mehr zur immer stärker in den Fokus rückt. Ein Auslöser der sich Arbeit erscheinen können, sehen sich auch hierzulande stetig verschärfenden Situation ist in der Ausrufung der immer mehr Unternehmen mit dem Problem einer Stand- internationalen Gesundheitsnotlage durch die WHO ortschließung oder Produktionseinstellung konfrontiert. (World Health Organization) am 30. Januar 2020 zu se- Dies führt letztlich bei vielen Unternehmen zu pandemie- hen. Hinzu kamen die Teilreisewarnung für die chinesi- bedingten Lieferengpässen und -ausfällen. sche Provinz Hubei des Auswärtigen Amtes der Bundesre- publik Deutschland am 3. Februar 2020 sowie die Einfüh- Neben möglichen reiserechtlichen sowie arbeitsrechtli- rung von Reisebeschränkungen und Quarantänemaßnah- chen Folgen durch COVID-19, stehen für die in China und men durch eine fast täglich wachsende Anzahl von Staa- anderen gefährdeten Gebieten produzierenden Unter- ten. Am 11. März 2020 erklärte der Generaldirektor der nehmen vor allem die Auswirkungen auf ihre Liefer- und WHO das Infektionsgeschehen durch COVID-19 schließ- Produktionsbeziehungen im Vordergrund. Eine zentrale lich zu einer Pandemie. Rolle kommt hierbei der "Force-Majeure-Klausel" in Lie- ferverträgen zu. Viele international agierende Unternehmen haben be- reits die ersten chinesischen Quarantänemaßnahmen zu Belgium | China | France | Germany | Ireland | Italy | Luxembourg | Netherlands | Spain | UK | US (Silicon Valley) | fieldfisher.com 2
Auswirkungen von COVID-19 auf Liefer- und Produktionsbeziehungen kann damit nur die obige, von den deutschen Gerichten Was heißt "Force Majeure"? entwickelte Definition dienen. Eine Subsumtion gelingt Rechtlich gesehen bedeutet "Force Majeure" oder auch jedoch nur dann, wenn derjenige, der von dem Ereignis "Acts of God" höhere Gewalt, die von den deutschen betroffen ist und sich daher auf die Klausel berufen Gerichten wie folgt definiert wird: möchte, die einzelnen Voraussetzungen im gerichtlichen Verfahren auch beweisen kann. Das Merkmal des von Ein betriebsfremdes, von außen durch elementare außen kommenden, betriebsfremden Ereignisses dürfte Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen bei einer Pandemie eher unproblematisch nachzuweisen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht sein, bei dem Merkmal der Unvorhersehbarkeit des Fort- und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich er- gangs wird dieser Nachweis dagegen aufgrund der aktu- träglichen Mitteln auch durch die äußerste nach der Sach- ellen Entwicklungen in anderen Ländern schon schwerer lage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht ver- gelingen. Außerdem dürfen das Ereignis und die damit hütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch verbundenen Folgen mit wirtschaftlich erträglichen Mit- nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer teln bei Einhaltung der vernünftig zu erwartenden Sorg- in Kauf zu nehmen ist. Beispiele dafür sind Krieg, Terror- falt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden anschläge oder Naturkatastrophen. können. Der Betroffene muss also beweisen, dass Deck- ungskäufe nicht vorhersehbar waren und momentan Die "Force-Majeure-Klauseln" in Verträgen zielen darauf auch nicht durchgeführt werden können. Nur wenn der ab, die Folgen für die Lieferbeziehung im Falle von "Force Beweis all dieser Merkmale gelingt, ist ein von der Force- Majeure" zu regeln, beispielsweise inwieweit Verpflich- Majeure-Klausel erfasster Umstand gegeben und die im tungen noch erfüllt werden müssen, welche Mitteilungen Vertrag hierzu ausgestalteten Regelungen kommen zur gemacht werden müssen, und ob es ein Sonderkün- Geltung. digungsrecht gibt. Vielfach wird derjenige von der Leis- tungspflicht freigestellt, der von dem Ereignis betroffen ist. Gleichzeitig werden Schadensersatzverpflichtungen Verträge ohne "Force-Majeure-Klausel" gegenüber dem Vertragspartner ausgeschlossen. Der Enthält der Vertrag dagegen keine "Force-Majeure- Inhalt der Klausel muss jedoch für jeden Einzelfall Klausel", wird auf das dem Vertrag zugrundeliegende gesondert festgestellt werden. Recht und die hierin enthaltenen Regelungen zurück- gegriffen. COVID-19 als "Force Majeure"? Für die Subsumtion der durch COVID-19 ausgelösten Pan- Rechtsgrundlagen im UN-Kaufrecht demie unter den Begriff der "Force Majeure" kommt es Im UN-Kaufrecht (United Nations Convention on entscheidend darauf an, ob der Vertrag eine Contracts for the International Sale of Goods – CISG), das entsprechende "Force-Majeure-Klausel" enthält und wie bei internationalen Warenkaufverträgen zum Tragen eine solche auszulegen ist. Sofern der Vertrag keine kommen kann, wenn es von den Parteien nicht ausdrück- diesbezügliche Regelung enthält, ist das Recht desjenigen lich abbedungen wurde, ist eine Regelung zu "Force Ma- Staates entscheidend, welchem der Vertrag als solcher jeure" in Art. 79 enthalten. Es wird ausdrücklich die Be- unterliegt, und wie die entsprechende Vertragsklausel freiung der Schadensersatzpflicht geregelt, die Haftung nach diesem Recht auszulegen ist. des Lieferanten für aus höherer Gewalt (d.h. "Force Ma- jeure") resultierender Leistungsunfähigkeit entfällt. Den Vertragliche Regelung zu "Force Umstand, dass die Nichterfüllung auf ein Hindernis außer- Majeure" halb ihres eigenen Einflussbereichs zurückzuführen ist, hat dabei die Partei zu beweisen, die ihre Pflichten nicht Sofern der in Frage stehende Vertrag eine "Force erfüllen kann. Das UN-Kaufrecht sieht also in seinem Majeure-Klausel" enthält, müsste die "COVID-19 -Krise" Grundsatz – anders als das Bürgerliche Gesetzbuch für deren Geltung auch unter diese Klausel subsumiert (BGB) – eine verschuldensunabhängige Haftung des Ver- werden können. Das deutsche Recht kennt den Begriff käufers vor. Allgemein anerkannt ist, dass neben der aus- der "Force Majeure" in dieser Form nicht. Als Maßstab drücklich geregelten Befreiung von Schadensersatzpflich- für die Einordnung eines Ereignisses als "Force Majeure" ten zugleich auch die Erfüllungspflicht entfällt, sofern die Belgium | China | France | Germany | Ireland | Italy | Luxembourg | Netherlands | Spain | UK | US (Silicon Valley) | fieldfisher.com 3
Auswirkungen von COVID-19 auf Liefer- und Produktionsbeziehungen Erfüllung objektiv unmöglich ist. Produktionsstätten rein vorsorglich auf freiwilliger Basis geschlossen wurden (ohne entsprechende behördliche Die Pflicht zur Abwendung des Leistungshindernisses Verfügung). Hier käme es dann darauf an, dass der auch finanzielle Mehraufwendungen zu tragen, wird von Lieferant beweist, dass es sich um eine erforderliche Art. 79 CISG jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. Bei- Schließung handelte. Misslingt der Nachweis dieser spielsweise können alternative Transportmittel, die zwar Erforderlichkeit, können die Gläubiger des Lieferanten für den Lieferanten mit hohen finanziellen Verlusten ver- ggf. einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 ff. bunden sind, je nach Einzelfall dennoch zumutbar sein. BGB wegen des Ausbleibens oder der Verzögerung der Leistung geltend machen. Dabei kann der Schadensersatz Rechtsgrundlagen im deutschen Recht unter anderem Kosten für zusätzliche Deckungskäufe und Marketing (z.B. Druckkosten für aktualisierte Flyer) Unterliegt ein Liefervertrag ohne "Force-Majeure- umfassen, aber auch einen potenziellen Gewinnverlust Klausel" dem deutschen Recht, so ist auf die allgemeinen abdecken. gesetzlichen Regelungen zurückzugreifen. Hiernach werden Fälle von höherer Gewalt unter den Regeln der Dagegen ermöglicht die Regelung des § 313 BGB eine Unmöglichkeit nach § 275 BGB oder dem Wegfall der Vertragsanpassung, sofern sich die Umstände, die zur Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB behandelt. Grundlage des Vertrags geworden sind, schwerwiegend verändert haben. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Die Regelung des § 275 BGB schließt den Anspruch auf der verpflichteten Partei das Festhalten am Vertrag nicht Leistung aus, soweit diese für den Schuldner oder mehr zumutbar ist und die Umstände bei jedermann unmöglich ist. Der Schuldner darf die Leistung Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren. Ist eine jedoch auch verweigern, soweit sie für ihn mit Anpassung des Vertrags nicht möglich oder eine solche unzumutbarem Aufwand verbunden wäre. In diesen nicht zumutbar, kann der Vertrag beendet werden. Die Fällen entfällt die Gegenleistungspflicht (sprich: Anforderungen dabei sind jedoch sehr hoch. § 313 BGB Zahlungspflicht) des Gläubigers gemäß § 326 BGB. kann beispielsweise dann anwendbar sein, wenn Für Schadensersatzansprüche ist wiederum entschei- Produktionsmaterialien aufgrund eines dend, ob der Schuldner das Leistungshindernis schuldhaft unvorhersehbaren Ereignisses, dessen Risiko keine der herbeigeführt hat. Es gilt eine verschuldensabhängige Parteien zu tragen hat, zwar noch verfügbar, aber Haftung, bei der das Verschulden vermutet wird, und der deutlich verknappt und verteuert sind. Die Abgrenzung Schuldner beweisen muss, dass ihn gerade kein zwischen Unmöglichkeit und einem Wegfall der Verschulden trifft. Auch hier muss der Lieferant – ähnlich Geschäftsgrundlage ist im Einzelfall zwar schwierig, aber wie beim Vorliegen einer "Force-Majeure-Klausel" – im Hinblick auf die ultimative Rechtsfolge (Rücktritt/ beweisen, dass die Leistung unmöglich ist und er diese Vertragsbeendigung) wohl zumeist auch nicht relevant. Unmöglichkeit auch nicht durch etwaige Deckungskäufe hätte vermeiden können. Vorübergehende Sonderregelung für Ein Anwendungsfall von § 275 BGB kann beispielsweise Kleinstunternehmen gegeben sein, wenn der Lieferant beweisen kann, dass Im Rahmen eines COVID-Maßnahmenpaketes hat der seine Produktionsstätte aufgrund einer behördlichen Deutsche Bundestag am 25.03.2020 befristete Regelun- Anordnung geschlossen wurde. Sollte es sich in einem gen verabschiedet, welche Schuldnern, die wegen der solchen Fall nur um eine vorübergehende Unmöglichkeit COVID-19-Pandemie ihre vertraglichen Pflichten nicht handeln und die Leistung nachholbar sein, ist der erfüllen können, die Möglichkeit einräumen, die Leistung Schuldner nur für die Dauer des Leistungshindernisses einstweilen zu verweigern oder einzustellen, ohne dass von der Leistungspflicht befreit; gleiches gilt für die hieran für sie nachteilige rechtliche Folgen geknüpft wer- Gegenleistungspflicht (Zahlungspflicht) des Gläubigers. Es den. Im Einzelnen wird für viele Schuldverhältnisse ein ist dann jedoch i.d.R. möglich, sich durch Rücktritt vom Leistungsverweigerungsrecht für Verbraucher und Klein- Vertrag zu lösen (gem. § 323 BGB). stunternehmen (Unternehmen mit bis zu 10 Angestellten, Ein Schadensersatzanspruch des Abnehmers besteht in deren Jahresumsatz 2 Mio. EUR nicht überschreitet) bis der Regel nicht und allenfalls dann, wenn z.B. zum 30.06.2020 begründet, die die Ansprüche im Zusam- menhang mit Verträgen, die wesentliche Dauerschuldver- Belgium | China | France | Germany | Ireland | Italy | Luxembourg | Netherlands | Spain | UK | US (Silicon Valley) | fieldfisher.com 4
Auswirkungen von COVID-19 auf Liefer- und Produktionsbeziehungen hältnisse sind und vor dem 08.03.2020 geschlossen wur- den, derzeit wegen der Folgen der COVID-19-Pandemie nicht erfüllen können. Das Leistungsverweigerungsrecht ist ausgeschlossen, wenn seine Ausübung für den Gläubi- ger unzumutbar ist. In diesem Fall hat der Schuldner ein Kündigungsrecht. Fazit Betroffene Unternehmen sollten möglichst frühzeitig und nachweisbar mit ihren Vertragspartnern Kontakt aufneh- men, um sie über die pandemiebedingten Engpässe zu unterrichten und gegebenenfalls das weitere Vorgehen abzuklären. Es sollten insbesondere Alternativmaßnah- men hinsichtlich der Zumutbarkeit für den jeweiligen Lieferanten überprüft werden. Zudem sollten die ver- traglichen Regelungen analysiert und ausgelegt werden, um so festzustellen, welches Recht auf den entscheidenden Vertrag Anwendung findet, ob etwaige Ansprüche bestehen und ob, im Falle einer enthaltenen "Force-Majeure-Klausel", die durch COVID-19 ausgelöste Pandemie auch unter diese subsumiert werden kann. Hervorzuheben ist, dass jeder Fall einzeln zu betrachten ist und daher keine allgemein gültige Aussage getroffen werden kann. Belgium | China | France | Germany | Ireland | Italy | Luxembourg | Netherlands | Spain | UK | US (Silicon Valley) | fieldfisher.com 5
Auswirkungen von COVID-19 auf Liefer- und Produktionsbeziehungen Ihre Ansprechpartner bei unternehmerischen Fragen zu Liefer– und Produktionsbeziehungen in Zeiten von COVID-19 Dr. Stefanie Greifeneder Stephan Zimprich Sara Bandehzadeh, LL.M. Partner | München Partner | Hamburg Partner | Hamburg +49 (0)89 62030 6221 +49 40 87 88 698 391 +49 40 87 88 698 205 +49 (0)172 882 0288 +49 (0)176 187 88 939 +49 (0)173 621 7558 stefanie.greifeneder@fieldfisher.com stephan.zimprich@fieldfisher.com sara.bandehzadeh@fieldfisher.com Katharina Hundemer Anke Saßmannshausen Iris Lahner Associate I München Senior Associate I Hamburg Associate | München +49 89 620 30 6210 +49 40 87 88 698 215 +49 (0)89 62030 6203 +49 152 5790462 +49 (0)176 187 889 15 +49 (0)151 587 050 41 Katharina.Hundemer@fieldfisher.com anke.sassmannshausen@fieldfisher.com iris.lahner@fieldfisher.com Belgium | China | France | Germany | Ireland | Italy | Luxembourg | Netherlands | Spain | UK | US (Silicon Valley) | fieldfisher.com 6
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