Konjunktur BIP-Prognosen für Deutschland und die EWU angehoben - 01.07.2021 Dr. Thomas Meißner, Leiter der Abteilung Strategy Research - LBBW
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01.07.2021 Dr. Thomas Meißner, Leiter der Abteilung Strategy Research Autor: Dr. Jens-Oliver Niklasch, Senior Economist Konjunktur BIP-Prognosen für Deutschland und die EWU angehoben
Management Summary • Der Konjunkturverlauf wird im Zeichen von Pandemie und Lockdowns stark vom Auf und Ab des privaten Konsums geprägt. • Einen zusätzlichen Impuls erhält die deutsche Konjunktur durch einen kräftigen Auftragseingang aus Übersee, v.a. aus China und den USA. Frühindikatoren lassen erwarten, dass sich der Aufschwung fortsetzt, soweit die Pandemielage dem nicht entgegensteht. • Angesichts dessen erhöhen wir unsere BIP-Prognosen für Deutschland und den Euroraum BIP-Prognosen 2021 2022 Deutschland alt 2,5 4,5 neu 3,2 5,5 EWU alt 4 4,2 neu 4,5 4,8 • Abwärtsrisiken bestehen weiterhin, vor allem durch den Pandemieverlauf; hier ist das Auftreten der Corona-Delta-Variante zu nennen. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass diejenigen Experten recht behalten, die auch bei einer erneuten Zunahme der Infektionen von einer deutlich geringeren Hospitalisierungsrate ausgehen. • Materialengpässe sind ebenfalls ein Risiko dafür, dass der BIP-Zuwachs schwächer ausfällt als erwartet. Bei alledem gehen wir derzeit davon aus, dass es sich hierbei um eine vorübergehende Störung handelt. Dafür sprechen u.a. die jüngsten Kursrückgänge an den Rohstoffmärkten. Der Container-Seeverkehr scheint indes weiter störanfällig, so dass hier ein endgültiges Urteil noch nicht abgegeben werden kann. Quelle: LBBW Research 01.07.2021 BIP-Prognosen für Deutschland und die EWU angehoben 2
Konjunktur: Vom Konsum geprägt … Deutschland: BIP und Beiträge (Quartalswerte, Änderung zum Vorquartal in %, sb.) • Das Auf und Ab der Konjunktur 12% 12% in der Pandemie wird von den 10% 10% Lockdowns und den damit 8,7% verbundenen Folgen für den 8% 8% privaten Konsum geprägt. 6% 6% Gemessen daran fällt die Bedeutung der Faktoren 4% 4% Investitionen und Außenhandel 2% 2% ab. 0% 0,5% 0% 0,0% • Zur Zeit sieht es danach aus, -2% -2,0% -2% als würde der private Konsum im Kielwasser sinkender -4% -4% Inzidenzen und damit einher- -1,8% -6% -6% gehender Lockerungen deutlich zulegen, und mit ihm der BIP- -8% -8% Zuwachs. Haupt-Risiko ist eine -10% -9,7% -10% Rückkehr der Pandemie („Delta-Variante“). -12% -12% Q4 2019 Q1 2020 Q2 2020 Q3 2020 Q4 2020 Q1 2021 • Daneben erwarten wir wegen Priv. Konsum Anlageinvestition Staatl. Konsum einer guten Konjunktur in China Vorratsveränd. Nettoexporte BIP Q/Q und in den USA eine „traditio- nelle“ Konjunkturbelebung durch den Außenhandel. Quelle: Refinitiv, LBBW Research 01.07.2021 BIP-Prognosen für Deutschland und die EWU angehoben 3
Blick auf die Bruttowertschöpfung: Industrie fast wohlauf Deutschland: BIP und Beiträge (Mrd. Euro, Quartalswerte, saisonbereinigt) • Auf der Entstehungsseite 900 („Bruttowertschöpfung“) hat sich die Industrie vergleichs- 800 30 26 weise gut erholt. Die 30 29 27 Wertschöpfung lag in Q1 mit 700 155 157 185 Mrd. Euro nur noch knapp 149 24 150 151 unter dem Niveau 600 136 vom Q4/2019. Weiteres 92 87 90 86 89 Wachstum ist zu erwarten. 500 82 76 84 83 85 88 29 81 29 • Einen großen Rückstand 400 40 29 29 41 29 39 29 40 41 hat Handel und Transport 128 35 124 (112 Mrd. Euro in Q1/2020 300 118 125 112 109 ggü. 128 in Q4/2019) sowie – 200 48 38 46 55 39 vielleicht etwas überraschend – 44 das Baugewerbe (39 Mrd. ggü. 100 190 184 186 185 48 Mrd. Euro). Die übrigen 150 171 Sektoren liegen nahe an den 0 jeweiligen Vorkrisenniveaus. Q4 2019 Q1 2020 Q2 2020 Q3 2020 Q4 2020 Q1 2021 • Der Immobiliensektor (Leasing, Landw. Industrie Bau Handel u. Transport Verwaltung, Verkauf, etc.) hat IT F+V Immobilien Business-DL in der Krise zugelegt. ÖD + Gesundh. sonstig. DL Quelle: Refinitiv, LBBW Research 01.07.2021 BIP-Prognosen für Deutschland und die EWU angehoben 4
Frühindikatoren im Höhenflug ifo Geschäftsklima und Economic Sentiment (Indexstand, Monatswert, sb.) • Unbestitten positiv ist der 120 Anstieg der Frühindikatoren zu werten. Den Einbruch aus dem Frühjahr 2020 haben diese 110 längst wettgemacht. • Ein Vergleich mit der Finanz- 100 marktkrise 2008/09 zeigt über- dies, dass die Talfahrt seiner- zeit ähnlich tief hinabführte. Die 90 Erholung in der Pandemie kam jedoch deutlich schneller. 80 • Die Aussagekraft des absolu- ten Niveaus der Frühindikato- ren dürfte indes begrenzt sein. 70 Dass eine zunehmende Mehr- heit der befragten Unterneh- men (u. Verbraucher) eine Ver- besserung der Lage erwartet, 60 ist vor dem Hintergrund der 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 vorangegangenen Talfahrt we- Ifo-Geschäftsklima Deutschland EWU Economic Sentiment nig verwunderlich. Quelle: Refinitiv,, LBBW Research 01.07.2021 BIP-Prognosen für Deutschland und die EWU angehoben 5
Alle Branchen wieder in Expansion ifo Geschäftsklima: Salden der Wirtschaftszweige (Indexstand, Monatswert, sb.) • Ebenfalls positiv zu werten ist, 40 dass die Erholung an Breite gewonnen hat. Als letzter 30 Wirtschaftszweig hat auch im Handel- und Transportsektor 20 der Saldo der Geschäfts- tätigkeit ins Plus gedreht. 10 0 • Allerdings bleibt der Bereich Handel und Transport latent -10 von weiteren Lockdowns bedroht. Im Kernbereich der -20 Industrie, dem Verarbeitenden Gewerbe, dürfte dagegen -30 selbst ein vorübergehender Rückschlag das positive -40 Gesamtbild, dass sich u.a. aus -50 einer guten Auftragslage speist, nicht beeinträchtigen. -60 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Dienstleistungen Handel/Transport Verarb. Gewerbe Bau Total Quelle: Refinitiv,, LBBW Research 01.07.2021 BIP-Prognosen für Deutschland und die EWU angehoben 6
Blick nach Europa: Auch dort eine deutliche Erholung voraus Economic Sentiment EWU und G-4 (Index, Monatswerte, sb.) • Der Blick über die Grenzen 130 stimmt ebenfalls zuversichtlich. Ebenso wie in Deutschland hat auch in den anderen großen 120 Ländern der EU (Frankreich, Italien und Spanien bezeichnen 110 wir zusammen mit Deutschland als G-4) deutlich zugelegt. Bemerkenswert ist zudem, wie 100 synchron sich der Aufstieg bislang vollzogen hat. 90 • Für den Euroraum gilt dasselbe wie für Deutschland: Aller Wahrscheinlichkeit nach 80 steht in der zweiten Jahres- hälfte 2021 ein kräftiger Auf- 70 schwung an. Er wird vor allem von der Rückkehr der Konsu- menten getragen, zudem auch 60 vom Außenhandel mit den USA 2016 2017 2018 2019 2020 2021 und China. Abwärtsrisiko blei- ben neue Lockdowns beim Auf- EWU Deutschland Frankreich Italien Spanien treten neuer Corona-Varianten. Quelle: Refinitiv, LBBW Research 01.07.2021 BIP-Prognosen für Deutschland und die EWU angehoben 7
Auftragseingang: Vor allem aus dem Nicht-EU-Ausland Deutschland: Index der Neuaufträge (Monatswerte, sb.) 130 • Der Eingang der Neuaufträge ist u.E. ein deutliches Zeichen für eine anstehende kräftige 120 Konjunkturbelebung. Beinahe so schnell, wie es im Frühjahr 110 2020 abwärts gegangen war, haben sich die Aufträge in der Folge wieder erholt. Inzwischen 100 liegen sie sogar über den Niveaus von 2019. 90 • Besonders aus dem Nicht-EU- Ausland ist der Zulauf rege. 80 Dies dürfte in erster Linie auf den Aufschwung in China und 70 den USA zurückzuführen sein. 60 • Die Bestellungen aus dem Inland sind demgegenüber noch etwas zurück. 50 2019 2020 2021 Gesamt Inland Ausland EWU Nicht-EWU Quelle: Refinitiv, LBBW Research 01.07.2021 BIP-Prognosen für Deutschland und die EWU angehoben 8
Privater Konsum: Deutliche Erholungszeichen Deutschland: Konsumklima u. Kaufneigung (Indexstände, Monatswerte, sb.) • Der private Konsum dürfte sich 15 80 verbessern, sobald die Gelegenheit dazu wieder 10 vorhanden ist. 60 5 • Das Konsumklima reagierte im Umfeld der Pandemie 40 deutlich auf die jeweilige 0 Pandemie-Lage und damit verbundene Einschränkungen. -5 20 Die Kaufneigung ging 1:1 mit. Im Vergleich dazu war das -10 Konsumklima in der Finanz- 0 krise stabil und die Kauf- neigung (bei damals höherer -15 Inflation als aktuell) schwach. -20 -20 • In den kommenden Monaten dürfte sich das Konsumklima -25 -40 verbessern, die Kaufneigung 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 aber womöglich inflations- bedingt dahinter zurückbleiben. GfK Konsumklima Kaufneigung Quelle: Refinitiv, LBBW Research 01.07.2021 BIP-Prognosen für Deutschland und die EWU angehoben 9
Risiko: Materialengpässe Anteil derjenigen Unternehmen, die über Engpässe berichten (Monatswerte, sb.) • Am Horizont ist seit Jahresbe- 45 ginn ein weiteres Risiko für die Konjunktur aufgetaucht: Mate- 40 rialmangel und Lieferengpässe. 35 • Teils durch einen Nachfragesog aus den USA und China, teils 30 durch eine Häufung spezieller Ursachen (Mikrochips) sowie 25 durch Friktionen im Container- verkehr als Nachwirkungen der 20 diversen Shut-Downs klagen vor allem deutsche Unterneh- men derzeit über fehlende 15 Rohstoffe und Vorprodukte. 10 • Wir gehen derzeit davon aus, dass sich die Lage in den 5 kommenden Monaten schrittweise entspannen wird. 0 Erste Anzeichen hierfür sind Q1 2000 Q1 2003 Q1 2006 Q1 2009 Q1 2012 Q1 2015 Q1 2018 Q1 2021 Preisrückgänge an den Rohstoffmärkten. Die Störun- Deutschland Frankreich Italien gen im Container-Verkehr könnten sich indes hinziehen. Quelle: Refinitiv, LBBW Research 01.07.2021 BIP-Prognosen für Deutschland und die EWU angehoben 10
Risiko: Delta-Variante • Die Delta-Variante ist in Deutschland vermutlich bereits die Variante mit dem höchsten Anteil an den Neuinfektionen. Die Inzidenz ist bislang dennoch rückläufig, was u.E. daraus resultiert, dass die Delta-Variante bei uns zwar eine Reproduktionsrate größer Eins aufweist, die Reproduktionsraten der anderen Varianten aber so weit unterhalb von Eins liegen, dass bislang der dämpfende Effekt auf die Inzidenzen überwiegt. Wir halten es für wahrscheinlich, dass diese Konstellation im Laufe des Juli ihr Ende findet und die Inzidenzen wieder etwas steigen. Aufgrund des sehr niedrigen Inzidenzniveaus sollte die Marke von 50 aber auch im August noch nicht wieder überschritten werden. • In verschiedenen Ländern wie z.B. Großbritannien, Chile oder einigen Golf-Staaten lässt sich beobachten, dass eine hohe Impfquote nicht „automatisch“ die Infektionszahlen sinken lässt oder auf tiefem Niveau hält. • Die Ausbreitung der Delta-Variante scheint einem starken jahreszeitlichen Einfluss zu unterliegen. Angesichts dessen erwarten wir zum Herbst und Winter einen neuerlichen Anstieg der Infektionszahlen. Unsere Hoffnung – und bislang auch Erwartung – ist, dass durch das weitergehende Impfen die Anzahl der Krankenhauspatienten nicht wieder explodiert und entsprechend keine scharfen Lockdown-Maßnahmen erforderlich sein werden. Die bis dahin gemachten Erfahrungen anderer Länder wie z.B. UK dürften uns zudem bis dahin wertvolle Hinweise geben. Quelle: LBBW Research 01.07.2021 BIP-Prognosen für Deutschland und die EWU angehoben 11
Fazit: Prognosen rauf, Abwärtsrisiken bleiben • In den zurückliegenden Monaten haben sich die Konjunkturperspektiven etwas aufgehellt. Deutschland profitiert durch steigende Auftragseingänge v.a. von einer starken Belebung in China und in den USA. • Fortschritte der Impfkampagnen ermöglichen eine allmähliche Rückkehr in Richtung Normalität. Davon profitiert insbesondere der private Konsum. • Steigende Frühindikatoren lassen erwarten, dass dieser Aufwärtstrend anhält. • Angesichts dessen heben wir unsere Prognose für den BIP-Zuwachs in Deutschland an, und zwar für 2021 von 2,5% auf 3,2%, für 2022 von 4,5% auf 5,5%. Für 2022 besteht ein hoher statistischer Überhang in der Größenordnung von mehr als 3%. • Für den Euroraum heben wir unsere Prognosen aus den gleichen Gründen an, und zwar von 4,0% auf 4,5% für 2021 und von 4,2% auf 4,8% für 2022. • Auf der Downside ist das Auftreten der Delta-Mutation. Die Aussichten für den Herbst sind damit deutlich eingetrübt. Neue Lockdowns lassen sich derzeit nicht ausschließen. Materialengpässe in der Industrie sind ebenfalls ein Manko. Hierfür gehen wir von einer bloß vorübergehenden Störung aus, indes könnte sich eine Normalisierung im Container-Seeverkehr noch länger hinziehen. Quelle: LBBW Research 01.07.2021 BIP-Prognosen für Deutschland und die EWU angehoben 12
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