BANKEN IN DER JAPANISIERUNGS FALLE? - WAS DEUTSCHE INSTITUTE ÜBER DEN UMGANG MIT "LOW FOR LONG(ER)" VON JAPAN LERNEN KÖNNEN - PWC STRATEGY

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BANKEN IN DER JAPANISIERUNGS FALLE? - WAS DEUTSCHE INSTITUTE ÜBER DEN UMGANG MIT "LOW FOR LONG(ER)" VON JAPAN LERNEN KÖNNEN - PWC STRATEGY
Banken in der
Japanisie-
rungs­falle?
Was deutsche Institute
über den Umgang
mit „Low for long(er)“
von Japan lernen
können
BANKEN IN DER JAPANISIERUNGS FALLE? - WAS DEUTSCHE INSTITUTE ÜBER DEN UMGANG MIT "LOW FOR LONG(ER)" VON JAPAN LERNEN KÖNNEN - PWC STRATEGY
Kontakte
Deutschland                            Österreich                   Schweiz
Dr. Philipp Wackerbeck                 Hendrik Bremer               Andreas Pratz
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Über die Autoren
Dr. Philipp Wackerbeck ist Partner bei PwC              Dr. Sebastian Marek ist Director bei PwC
Strategy& in München und verantwortet das               Strategy& mit Dienstsitz in Stuttgart. Sein
Financial Services-Geschäft in EMEA. Der                Beratungsfokus liegt weltweit auf Kunden aus
Fokus seiner Beratungstätigkeit für führende            der Finanzbranche. Er arbeitet vorwiegend mit
Banken in Deutschland und Europa liegt                  Geschäfts- und Investmentbanken zusammen,
auf der Ent­wicklung von Marktstrategien,               um Geschäftsmodelle, Wachstumsstrategien
nachhaltigen Profitabilitätssteigerungen,               und die zugehörige Banksteuerung
effizienter Risiko- und Kapitalsteuerung                weiterzuentwickeln.
sowie großen Transformationsprogrammen.

Wir möchten uns bei Dr. Florian Balke, Dr. Benedikt Bruognolo, Clemens Bürgel, Jens-Peter Nees
und Paul Stockert für den Beitrag zu dieser Studie bedanken.

2   Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
Banken in der Japanisierungsfalle? Was deutsche
Institute über den Umgang mit „Low for long(er)“
von Japan lernen können
COVID-19 hat die Welt dramatisch durchgerüttelt und wird auf viele
Bereiche in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft einen nachhaltigen
Einfluss haben – mit teils weitreichenden Veränderungen. Staatliche
Maßnahmen, wie komplette „Lockdowns“ und Einschränkungen sozialer
Kontakte, um die Neuinfektionsrate zu senken und einer Überforderung
des Gesundheitssystems vorzubeugen, haben weite Teile der Wirtschaft
zum Erliegen gebracht. Um einen Kollaps der Wirtschaft mit Massen­
insolvenzen und extremer Arbeitslosigkeit zu verhindern, wurden auf
der ganzen Welt staatliche Hilfs- und Anreizpakete in bisher beispielloser
Höhe beschlossen. In Europa führt Deutschland die Liste der umfang­
reichsten Hilfs- und Anreizprogramme mit einem Gesamtvolumen von
ca. 13,3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP)1 an.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat mit der Bereitstellung von Liquidität und
länger­­fristiger Refinanzierung in fast unbeschränkter Höhe, einem zusätzlichen Aufkauf­
programm für Wertpapiere des privaten und öffentlichen Sektors im Volumen von bis zu
1,35 Bio. Euro sowie regulatorischen Erleichterungen den Schaden für die Bankbilanzen
bisher einschränken können und gleichzeitig die Geldpolitik wieder um neue, bisher
nicht denkbare Maßnahmen erweitert. Mit diesen Maßnahmen trägt die EZB dazu bei,
die Zinsstruktur weiter zu senken und zu glätten, mit deutlichen Auswirkungen auf
Laufzeitprämien und Vermögenswerte.

Bald sechs Jahre ist es mittlerweile her, dass die EZB eine neue Epoche in der europäischen
Bankenaufsicht einläutete und 2014 die Überwachung der Banken im Eurosystem übernahm.
Im gleichen Jahr hat die EZB auch erstmalig negative Zinsen auf ihre Einlagefazilität ein­
geführt. Der 18. Juni 2019 stellte eine besondere Zäsur für europäische Banken dar. Der
vormalige EZB-Präsident Mario Draghi erklärte im portugiesischen Sintra, dass die Leitzinsen
in der Eurozone auf absehbare Zeit niedrig bleiben oder sogar noch weiter sinken würden.
Bereits damals sprach man von „japanischen Verhältnissen“ und auch seine Nachfolgerin
Christine Lagarde, die die Auswirkungen von negativen Zinsen der EZB-Einlagefazilität
bereits als Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) als „net-positiv“2 beschrieben
hat, ließ keinen geldpolitischen Richtungswechsel erwarten.

1 Umfasst direkte staatliche Finanzierungsmaßnahmen inklusive dem am 3. Juni 2020 beschlossenen Konjunkturprogramm. Steuerliche
Hilfsprogramme und Garantien über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind in der
gezeigten Zahl nicht eingeschlossen. (Quelle: European Think Tank Bruegel).
2 Quelle: Vortrag von Christine Lagarde als Managing Director des IWF bei einem Event der Bundesbank und der Goethe-Universität Frankfurt
am 5. April 2016; https://www.imf.org/en/News/Articles/2015/09/28/04/53/sp040516.

                                                                                  Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?            1
Seit Ausbruch der COVID-19-Krise scheint die Diskussion über steigende Zinsen obsolet
geworden zu sein. Banken müssen sich wohl endgültig auf eine Realität mit dauerhaft
niedrigen Zinsen einstellen. Der Druck auf die Geschäftsmodelle, insbesondere deutscher
Banken, mit ohnehin geringer Profitabilität steigt damit weiter, zumal sich die volkswirt-
schaftlichen Rahmenbedingungen bereits vor der COVID-19-Krise eintrübten und nun
möglicherweise eine ausgedehnte Rezession droht.

Drohen deutschen Banken also mit Blick auf die andauernde Niedrigzinsphase, mit einem
erwarte­ten Anstieg notleidender Kredite im Rahmen der COVID-19-Krise und den schwierigen
makroökonomischen Bedingungen „japanische Verhältnisse“? Diese Studie untersucht,
inwiefern die Lage der Kreditinstitute in Japan und in Deutschland vergleichbar ist, was
heimische Banken von japanischen Instituten lernen können und welche Handlungsoptionen
sich für den deutschen Markt ableiten lassen. Die Relevanz dieser Frage hat Mario Draghi
bereits im Januar 2020 während des Annual Meetings der American Economic Association
betont: „Ich glaube, dass für den Euroraum ein gewisses Japanisierungsrisiko besteht, aber
es ist keineswegs eine ausgemachte Sache.“3

Hintergrund: Japan und Niedrigzinsen
Im Jahr 1990 erlebte Japan eine der schlimmsten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte, die
durch das Platzen einer Finanz- und Immobilienblase ausgelöst wurde. Danach senkte die
japanische Notenbank die Leitzinsen kontinuierlich und führte 1999 erstmals Nullzinsen ein.
Damit begann eines der größten geldpolitischen Experimente der Wirtschaftsgeschichte. Seit
die Bank of Japan (BoJ) 2016 die Leitzinsen sogar auf minus 0,1% gesenkt hat, gelten im
Land der aufgehenden Sonne Strafzinsen für Sparer. Japanische Banken müssen also schon
seit Jahrzehnten in einem Niedrigzinsumfeld (über-)leben.

Zumindest auf den ersten Blick erscheinen die Ähnlichkeiten zwischen der japanischen und
der aktuellen europäischen Situation frappierend: Als Reaktion auf negative ökonomische
Entwicklungen senkten die jeweiligen Notenbanken die Leitzinsen jahrelang – bis unter
die Nullgrenze. Der Abfall des Zinsniveaus stellt institutionelle wie private Investoren vor
strukturelle Herausforderungen und beeinflusst damit massiv deren Investitions­ent­scheidungen.
Zudem sind beide Wirtschaftsräume von einem relativ geringen Wachstum und einer
perspektivisch überalternden Gesellschaft gekennzeichnet.

Doch es bestehen ebenso strukturelle Unterschiede. Trotz niedriger Inflationsrate konnten in
Europa bisher deflationäre Phasen vermieden werden. Auch auf der Anlagenseite zeigen
sich Gegensätze, denn während die Immobilienpreise im Nachgang der „Japan-Krise“ 1990
für fast 20 Jahre strukturell und massiv fielen, war die Preisentwicklung von Immobilien in
Europa selbst während und nach der Finanzkrise sowie bisher während der COVID-19-Krise
grundsätzlich intakt.

3 Mario Draghi während des Annual Meetings der American Economic Association am 5. Januar 2020; https://www.aeaweb.org/
webcasts/2020/japanification-secular-stagnation-fiscal-monetary-policy-challenges.

2    Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
Hinzu kommt, dass selbst europäische Länder wie Griechenland mit einer Staats­ver­
schul­dung von ca. 180% des BIP Ende 2019 und einer erwarteten Verschuldungsquote
von ca. 200% am Ende von 2020 nicht annähernd an die japanische Schuldenquote
von ca. 240% Ende 2019 heranreichen.4 Damit ist Japan das am höchsten verschuldete
Industrieland der Welt. Getrieben von der wirtschaftlichen Entwicklung bestand in Japan um
die Jahrtausendwende – wie in Europa – in den Jahren nach der Finanzkrise ein massives
Problem mit notleidenden Krediten (Non-Performing Loans, NPLs). Dieses konnte in beiden
Regionen vor COVID-19 eingedämmt werden. Dennoch ist die Situation in Europa deutlich
differenzierter zu betrachten: Während das NPL-Volumen beispielsweise in Italien Ende
2019 6,7% des Bruttokreditvolumens ausmachte, lag die Quote in Deutschland laut der
Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) nur bei 1,3%. Ein flächendeckendes NPL-
Problem bestand für Europa demnach zumindest vor der COVID-19-Krise nicht. Durch
Insolvenzen von Unternehmen und Privathaushalten im weiteren Verlauf der COVID-19-Krise
ist zu erwarten, dass sich der Anteil notleidender Kredite in den Bankbilanzen zumindest
deutlich erhöhen wird.

Deutsche Banken müssen erst seit etwas mehr als fünf Jahren mit ultraniedrigen Zinsen
zurechtkommen – die größten Auswirkungen der Niedrigzinspolitik materialisierten sich in
Japan erst nach einem viel längeren Zeitraum. Europäische und deutsche Kreditinstitute
können also immer noch von den japanischen lernen.

4 Quelle: IMF Fiscal Monitor, April 2020.

                                                       Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?   3
Japanische Strategien im Umgang mit Niedrigzinsen
Angesichts der zumindest teilweise vergleichbaren Situation stellt sich die Frage, was deutsche
Banken vom japanischen Überlebenskampf in einer anhaltenden Niedrigzinsphase lernen
können. Japanischen Instituten ist es mithilfe verschiedener Maßnahmen gelungen, in einem
schwierigen Marktumfeld zu bestehen:

• Konsequenter NPL-Abbau
  Die Reduktion von NPLs war einer der wichtigsten Schritte, um die Profitabilität der
  japanischen Banken zu verbessern. Diese konnten das NPL-Niveau von über 8% in der
  Spitze bis heute auf rund 1% reduzieren und stehen damit Deutschland und Europa in
  keiner Weise nach. Selbstverständlich bestehen strukturelle Unterschiede zwischen den
  beiden Wirtschaftsräumen und insbesondere die Umsetzung einheitlicher Maßnahmen ist
  in Europa potentiell ungleich schwieriger als in Japan. Aber auch in Europa hatten Länder
  wie Italien, Griechenland oder Spanien vor der COVID-19-Krise begonnen, ihre hohen NPL-
  Quoten zu reduzieren. Dagegen wiesen deutsche Banken angesichts historisch niedriger
  Ausfallraten kein segmentübergreifendes NPL-Problem auf. Diese Ausgangssituation wird
  sich aufgrund der Krisenauswirkungen wahrscheinlich im weiteren Verlauf des Jahres
  für alle Länder verschlechtern. Für Deutschland haben wir simuliert, dass sich der Anteil
  notleidender Kredite je nach Schwere des sich realisierenden makroökonomischen
  Szenarios verdoppeln kann (siehe Abbildung 1).5 Die tatsächliche Auswirkung wird
  maßgeblich von der Länge der Rezession und der Geschwindigkeit der anschließenden
  Erholung abhängen. Deutsche sowie generell europäische Banken müssen daher einen
  fokussierten Angang für steigende NPL-Quoten finden.

5 Quelle: Strategy& „Non-performing loan management in light of COVID-19“; https://www.strategyand.pwc.com/de/de/implications-of-covid-19/
non-performing-loan-management.html. Wir analysieren dort die mögliche Entwicklung von NPL-Quoten in Deutschland in einem milden
(„V-förmige“ BIP-Kurve), schweren („U-förmige“ BIP-Kurve) und drastischen („L-förmige“ BIP-Kurve) makroökonomischen Szenario.

ABBILDUNG 1
Entwicklung NPL-Quoten

    NPL-Quote in Japan                                                         COVID-19-Einfluss auf NPL-Quoten in Deutschland

                                                                                                      Makroökonomische Szenarien
11%                                                                                                  mild            schwer           drastisch
10%                                                                                              (”V-förmig”)     (”U-förmig”)      (”L-förmig”)
    9%
                                                                                                    1,16pp
    8%                                                                                                                                                      Japan NPL-Quote
                                                                                                                                       2,62%
    7%                                                                                                               2,46%
                                                                                                   2,29%                                                    NPL-Quote (Ist
    6%                                                                                                                                                      2019/Basis-
    5%                                                                                                                                                      szenario 2020)
    4%                      Eurozone NPL-Quote (2019)                                                                                                       COVID-19-Aus-
                                                                  3,2%                                                                                      wirkung auf
    3%
                                                                                                                                                            NPL-Quoten
    2%                                                                                                                                                      abhängig vom
                                                                  1,3%           1,30%
    1%                                                                                                                                                      makroökono-
                        Deutschland NPL-Quote (2019)
    0%                                                                                                                                                      mischen Szenriao
     2000        2004        2008        2012        2016        2020             2019                               2020E

Notiz: Die linke Grafik berücksichtigt japanische City, Regional I, Regional II, Trust Banks und Long-term Credit Banks; die rechte Grafik den möglichen COVID-19-Einfluss
auf NPL-Quoten in Deutschland.
Quelle: Financial Services Agency (Japan), ECB Statistical Data Warehouse, Weltbank, Strategy& Analyse.

4     Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
• Konsolidierung und Bildung nationaler Champions
                                     Seit den 1990er-Jahren ist die Gesamtzahl der japanischen Banken deutlich gesunken und
                                     seit dem Jahr 2000 konnten japanische Institute ihre operative Kostenbasis insbesondere
                                     durch die Ausdünnung des Filialnetzes und die Reduktion der Mitarbeiterzahl fast halbieren.
                                     Auch in Deutschland und Europa sinkt die Zahl der Banken stetig, relativ gesehen sogar
                                     noch stärker als in Japan. Der wesentliche Treiber der japanischen Marktkonsolidierung ist
                                     aber im Segment der Großbanken zu suchen, der zur Herausbildung von drei dominierenden
                                     Megabanken führte – Mitsubishi UFJ Financial Group (MUFG) und Sumitomo Mitsui Banking
                                     Corporation (SMBC). Diese Banken vereinen über die Hälfte der Assets im Gesamtmarkt
                                     auf sich und nehmen somit eine klar führende Position ein (siehe Abbildung 2). Auch in
                                     Europa weisen einige Märkte wie Spanien, die Niederlande oder die nordischen Länder
                                     eine hohe Konzentration auf. In Deutschland ist eine solche Konsolidierungsbewegung
                                     zumindest bei größeren Banken bisher nicht erkennbar. Hier besitzen nicht einmal die zehn
                                     Groß- und Landesbanken zusammen einen vergleichbaren Marktanteil, sondern lediglich
                                     knapp 43% der gesamten Assets.

ABBILDUNG 2
Anteil Top-3-Banken an aggregierter Bilanzsumme japanischer Banken

                   23%
                                                           41%
                                                                                   51%

                   77%
                                                           59%                                                    Top-3-Banken
                                                                                   49%
                                                                                                                  Andere Banken (City,
                                                                                                                  Regional I, Regional II,
                                                                                                                  Trust Banks, Long-
                                                                                                                  term Credit Banks)
                   2000                                    2010                    2019

Quelle: Japanese Bankers Association, Strategy& Analyse.

                                                                                          Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?     5
• Kauf von Staatsanleihen als Ersatz für Kreditgeschäft
  Sinkende Zinsen im Kreditgeschäft – und damit auch sinkende Margen – waren nur eine
  der Herausforderungen für japanische Banken. Insbesondere um das Jahr 2000 herum
  sowie ab 2008 führten deflationäre Phasen zu einer deutlich reduzierten Kreditvergabe
  an den Privatsektor, was die Banken durch die Finanzierung der öffentlichen Hand, also
  den Kauf von Staatsanleihen, kompensierten. Im Rahmen der letzten quantitativen und
  qualitativen Lockerung der BoJ haben Banken diese offenen Risikopositionen (Exposures)
  jedoch wieder deutlich reduziert (siehe Abbildung 3). Ein (positiver) Nebeneffekt
  dieser indirekten Staatsfinanzierung war aufgrund des geringeren Risikogewichts von
  Staatsanleihen eine zumindest temporäre Verbesserung der Kapitalquoten.

ABBILDUNG 3
Wertpapierbestände japanischer Banken

                                                                                                Geldpolitik der
                                                                                Geldpolitik     quantitativen
                                               Geldpolitik                      der um-         und             QQE mit
                                               der                              fassenden       qualitativen Zinskurven-
    JPY Bio.                      Nullzins-    quantitativen                    quantitativen   Lockerung       kontrolle
                                  politik      Lockerung                        Lockerung       (QQE)           (YCC)
    300                                                                                                                     3,5%
                  Finanzkrise
                     (1997)
                                                                                                                            3,0%
    240
                                                                                                                            2,5%
                                                                                      4,5-facher
    180                                                                               Bestand im                                   Staatsanleihen
                                                                                    Vergleich zu ‘93                        2,0%
                                                                                                                                   Unternehmens-
                                                                                                                                   anleihen
                                                                                                                            1,5%
    120                                                                                                                            Aktien
                                                                                                                            1,0%   Ausländische
                                                                                                                                   Wertpapiere
    60
                                                                                                                            0,5%   Andere
                                                                                                                                   BoJ Referenzzins-
     0                                                                                                                     0,0%
                                                                                                                                   satz (Overnight)
      1993       1995   1997    1999    2001     2003      2005    2007     2009   2011   2013     2015   2017   2019   Mai 2020
                                                                                                                           -0,5%

 Platzen der Finanz-             Platzen der                         Globale
   und Immobilien-              Dotcom-Blase                       Finanzkrise
 blase (frühe 1990er)               (2000)                            (2008)

Notiz: Durchschnittliche Bestände in Bio. Yen und Leitzins der Bank of Japan.
Quelle: Bank of Japan, Strategy& Analyse.

6         Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
• Expansion der Megabanken ins Ausland
                                       Da die Vergabe von Krediten an heimische Unternehmen und Verbraucher kein ausreichen-
                                       des Ertragspotential mehr lieferte, setzten und setzen japanische Banken zunehmend auf
                                       Auslandsexpansion, vor allem im Firmenkunden- und Projektfinanzierungsgeschäft. So
                                       erwarben die Megabanken Beteiligungen an internationalen Finanzinstitutionen und bauten
                                       ihre Marktposition auch organisch aus – vor allem im Projektfinanzierungsgeschäft gehören
                                       japanische Player zu den führenden internationalen Adressen. Auch die kürzliche Beteili-
                                       gung von MUFG an einem Mobilitätsdienstleister in Südostasien verdeutlicht diesen Trend
                                       eindrücklich. In weiterentwickelten Märkten wie Asien oder den USA umfassen die interna-
                                       tionalen Expansionsvorhaben teilweise auch das Privatkundengeschäft.

                                     • Erschließung neuer Geschäftsfelder
                                       Als Kompensation für das Kreditgeschäft stärkten japanische Banken signifikant ihre
                                       Gebühren- bzw. Provisionserträge. In der Folge verdoppelte sich der Anteil der Provisionen
                                       und Gebühren am operativen Ergebnis von ca. 10% im Jahr 2000 auf 21% bis 2019
                                       (siehe Abbildung 4). Wesentliche Treiber hierfür waren das Beratungsgeschäft und der
                                       Vertrieb von Anlageprodukten, ebenso wie Partnerschaften mit Nichtbankpartnern und
                                       angepasste Gebührenmodelle für Privatkunden (beispielsweise höhere Gebühren für
                                       Bargeldabhebungen), aber auch der Ausbau des Konsumentenkreditgeschäfts (über
                                       dezidierte Tochtergesellschaften).

ABBILDUNG 4
Betriebsergebnis japanischer Banken

                   11,7
    JPY                                                          11,3
    Bio.
                                                                                                                9,7

                                                                 77%
                   83%
                                                                                                                73%

                                                                                                                                                   Zinsergebnis
                                                                                                                                                   Provisions-
                                                                 15%                                            21%                                ergebnis
                   10%
                                                                                                                                                   Anderes operatives
                    7%                                            9%                                            7%                                 Ergebnis
                   2000                                           2010                                          2019

Notiz: Berücksichtigte japanische Banken: City, Regional I, Regional II, Trust Banks, Long-term Credit Banks.
Quelle: Japanese Bankers Association, Strategy& Analyse.

                                                                                                                       Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?   7
Was das Beispiel Japans lehrt
Die genannten Reaktionen auf die massiven Auswirkungen der Geldpolitik der Zentralbank
sind nicht universell auf das heutige europäische Niedrigzinsumfeld anwendbar, da auch die
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen andere sind: Das NPL-Niveau war bis zum Beginn
der COVID-19-Pandemie deutlich geringer, die demografischen Strukturen sind intakt(er)
und auch die Inflation ist zwar niedrig, jedoch bisher nicht negativ. Zudem hat sich die
Wettbewerbssituation mittlerweile fundamental geändert. Klassische Ertragsquellen sind
unter Druck, getrieben durch die Digitalisierung und den damit einhergehenden Zerfall
klassischer Wertschöpfungsketten – im Zusammenhang mit reduzierten Wechselkosten –
sowie den Wettbewerb um Daten und neue Geschäftsmodelle mit Big- bzw. FinTechs.

Deutsche Banken sollten folglich individuelle Strategien entwickeln, um unter den neuen ­
Rahmenbedingungen überleben zu können. Der Blick gen Osten lohnt sich: Japanische
Banken mussten seit den 1990er-Jahren in einem andauernden Niedrigzins­umfeld leben –
und dennoch ist es ihnen gelungen, ihre Profitabilität seit der Finanzkrise 2007/08 gegenüber
Europa stärker zu steigern (siehe Abbildung 5, Seite 9). Die Gründe hierfür liegen zum einen
in der Verbesserung der Profitabilität japanischer Banken, zum anderen aber auch an der
drastischen Verschlechterung der Ertragssituation der Banken in Deutschland und Europa.

Die Ertragslage deutscher Banken ist auch im europäischen Vergleich wenig wettbewerbs­
fähig. Die durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität deutscher Banken war Ende 2019
nicht einmal halb so groß wie der Durchschnitt in der Eurozone.6 Aufgrund ihrer geringen
Profitabilität werden Kreditausfälle und die notwendige Risikovorsorge deutsche Banken
besonders empfindlich treffen. Die Simulation verschiedener makroökonomischer Szenarien
zur Auswirkung der COVID-19-Krise zeigt, dass in einem schweren Krisenverlauf („U-förmige“
BIP-Kurve) die harte Kernkapitalquote deutscher Banken um mehrere Prozentpunkte
abschmelzen kann. Unterstellt man eine vergleichbare Profitabilität wie in den Jahren 2018
und 2019 bräuchten deutsche Banken über neun Jahre, um ihre Kapitalpuffer aus eigener
Kraft wieder auf Vorkrisenniveau zu bringen. Neben dem Umgang mit niedrigen Zinsen muss
die nachhaltige und spürbare Steigerung der Profitabilität für deutsche Banken daher oberste
Priorität sein.

6 Laut EZB lag die durchschnittliche Rentabilität des Eigenkapitals Ende 2019 bei 5,2% für Banken in der Eurozone und bei 2,1% für
deutsche Banken.

8    Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
ABBILDUNG 5
Durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität
Durschnittliche    Eigenkapitalrentabilitätim Zeitverlauf
                                                 im Zeitverlauf

  90er und Vorkrise                                Finanzkrise                                   New Normal
  (1996–2006)                                      (2007–2009)                                   (2014–2018)

                                  14,6%

                                                                                                                                9,5%

             5,5%                                                                                                      5,4%
                                                                       3,6%      3,3%               4,4%      3,7%

                                                    -0,2%                                                                                         Eurozone
                                                             -1,8%                                                                                Deutschland
                                                                                                                                                  Japan
                      -6,2%
                                                                                                                                                  USA

Notiz: Rentabilität nach Steuern.
Quelle: Weltbank, FRED, Deutsche Bundesbank, EZB, Strategy& Analyse; Anmerkung: Daten für Japan nur bis einschließlich 2017 verfügbar.

ABBILDUNG 6
Provisionsergebnis in % des Betriebsergebnis, Cost-Income-Ratio und Loan-to-Deposit-Ratio im Zeitverlauf

           Provisionsergebnis (in
           % des Betriebsergebnis)                         Cost-Income-Ratio                             Loan-to-Deposit-Ratio

                                                                                                  101%                   98%
                                                                                                            97%
                                                     340      84         377     101
                                                                                                                                 88%
                                                                                 75%
                                                             67%        66%
                                                    62%

    29%                   31%      28%
             25%                                                                                                                                  Eurozone
                                                                                                                                                  Deutschland
                                                                                                                                                  Betriebsauf-
                                                                                                                                                  wendungen
        2010                  2019                      2010                2019                       2014                   2019                (in Mrd. EUR)

Quelle: EZB, Strategy& Analyse.

                                                                                                                     Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?   9
Im europäischen Vergleich zeigen sich jedoch einige Entwicklungspotentiale für deutsche
Banken (siehe Abbildung 6, Seite 9):

Zu geringe                         Deutsche Banken leiden insbesondere im Privatkundengeschäft
Steigerung des                     nach wie vor unter der „Gratismentalität“, also dem Angebot
Provisions­                        kostenloser Girokonten oder Begrüßungsprämien. Darüber hinaus
ergebnisses                        haben sie die Ausweitung von kostenpflichtigen Dienstleistungen
                                   sowie von Vermittlungserträgen im Fonds- und Wertpapiergeschäft
                                   nicht so konsequent adressiert wie ihre europäischen Nachbarn –
                                   der Abstand beim Anteil des Provisionsergebnisses am operativen
                                   Ergebnis steigt sogar. Im Firmenkundengeschäft scheitern viele
                                   Banken daran, ihre schwachen Margen im Kreditgeschäft durch
                                   Zusatzerträge im Kapitalmarktgeschäft, Cash Management oder
                                   Trade Finance zu kompensieren und somit ihre Kapitalkosten
                                   gesamthaft zu verdienen.

Mangelnde                          Deutsche Banken sind für eine im europäischen Ländervergleich
Kostendisziplin                    konsistent höhere Kostenquote bekannt. Diese konnten sie
                                   auch in den letzten Jahren strukturell kaum verbessern. Erzielte
                                   Einsparungen werden durch regulatorisch bedingte Auftriebe zum
                                   Teil wieder aufgebraucht. Zudem fehlen häufig der Wille und die
                                   Anreizstrukturen, um identifizierte Kostenpotentiale mit Nachdruck
                                   dauerhaft zu heben. Deutsche Institute weisen folglich immer noch
                                   eine Cost-Income-Ratio (CIR) von durchschnittlich ca. 75% auf. Um
                                   innerhalb Europas bestehen und zinsbedingt wegbrechende Erträge
                                   über den Ausbau des Bestandskundengeschäfts ausgleichen zu
                                   können, ist eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur mit einer CIR
                                   von ca. 55% unabdingbare Voraussetzung7 – ein Wert, den andere
                                   europäische Institute im Schnitt auch erreichen.

Unzureichende                      Die Zinspolitik der EZB hat zu einem Einlagenüberhang in ganz
Kreditvergabe                      Europa geführt. Deutschland ist dabei keine Ausnahme. Doch
                                   deutschen Banken gelingt es nicht, den zusätzlichen Einlagen­
                                   zustrom in ausreichendem Maße in eine profitable Kreditvergabe
                                   umzuwandeln. Das Verhältnis von Krediten zu Einlagen (Loan-to-
                                   Deposit-Ratio) ist strukturell niedriger als im europäischen Vergleich
                                   und verschlechterte sich in den letzten vier Jahren zusehends. Das
                                   Niedrigzinsniveau scheint also in Kombination mit einer geringen
                                   Kreditvergabe und der allgemeinen Schrumpfung der Bankbilanzen
                                   für einen negativen Double-Dip-Effekt auf die Ertragskraft deutscher
                                   Banken zu sorgen.

7 Strategy& Retail Banking Monitor 2019; https://www.strategyand.pwc.com/de/de/studie/getting-the-balance-right.html.

10   Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
Ausblick zum Niedrigzinsumfeld und die Implikationen auf Unternehmensbewertungen
(von Marc-Alexander Schwamborn)

Aus Sicht der Bankaktionäre stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage nach Handlungsoptionen und
langfristigen Konsequenzen für die Unternehmensbewertung. Denn in einem Umfeld niedriger Zinsen ist
zunächst einmal ein niedrigerer Diskontsatz anzuwenden.

Über die letzten zehn Jahre sind Unternehmensbewertungen durch einen kontinuierlichen konjunkturellen
Aufschwung im Zusammenspiel mit der ultralockeren Geldpolitik der EZB deutlich angestiegen; der für die
Unternehmensbewertung maßgebliche risikolose Basiszins bewegt sich derzeit mit nahezu 0% auf seinem
historisch niedrigsten Niveau und auch die Zinsstrukturkurve ist kontinuierlich flacher geworden.

Die Bewertungen und das Kurs-Buchwert-Verhältnis von Banken konnten jedoch bekanntermaßen nicht
von dieser Entwicklung profitieren. Das jeweilige Kurs-Buchwert-Verhältnis europäischer Banken ist seit
den 2000er-Jahren stetig gesunken und hat sich zudem im direkten Vergleich mit der Konkurrenz aus den
USA deutlich schwächer entwickelt. Bekannt ist, dass Kreditinstitute den erheblichen Einlagenüberhang
auf der Passivseite nicht ausreichend in werthaltige Anlagemöglichkeiten auf der Aktivseite investieren und
ebenso wenig durch Gebührenanhebungen bzw. Erschließung neuer Ertragsquellen im Provisionsgeschäft
ausgleichen konnten. Hinzu kommen höhere Gewinn- und Verlustrechnungs(GuV)-Lasten durch
Banken­­abgaben und Einlagensicherungen sowie steigende regulatorische Anforderungen an die
Kapitalausstattungen von Kreditinstituten, die zu einer höheren Kapitalbindung und damit zu einer weiteren
Erosion der Eigenkapitalrenditen führten. Kompensatorisch wirkten sich vor der COVID-19-Krise lediglich
die konjunkturbedingt (noch) sehr niedrigen Risikokosten aus.

Für die Zukunft werden weitere Belastungen in den Unternehmensbewertungen erwartet. So sorgten
politische und in der Folge konjunkturelle Unsicherheiten auf den Waren- und Kapitalmärkten immer wieder
für Unsicherheiten. Die aus den Erwartungen von Aktienanalysten ableitbaren impliziten Kapitalkosten zeigten,
dass trotz des niedrigen Zinsniveaus die Renditeerwartungen eher in einer Bandbreite von ca. 7% bis 9%
liegen. Vor diesem Hintergrund hat der Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft
des IDW Ende 2019 beschlossen, seine Empfehlung für die Marktrisikoprämie vor persönlicher Steuer auf
6% bis 8% (vorher 5,5% bis 7%) anzuheben. Bereits kurz nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie konnten
auf den Märkten extreme Volatilität und eine teilweise drastische Erhöhung von Risikoprämien beobachtet
werden. Weiterhin bestehende Unsicherheiten zum Krisenverlauf lassen hier mittel- bis langfristig keine
vollständige Entspannung erwarten. Alles zusammen dürfte zu einer zusätzlichen deutlichen Belastung der
Bewertungen bei Banken führen.

                                                                 Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?   11
12   Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
So kann deutschen Banken der Neuanfang gelingen
Ein Geheimrezept für den Umgang mit niedrigen Zinsen in Kombination mit neuen Kon­
kur­renten existiert nicht. Doch für deutsche Banken ergeben sich aus der Analyse ihrer
Marktsituation klare Handlungsfelder. Der Weg aus der COVID-19-Krise bietet hierbei eine
einmalige Chance, um auch tiefgreifende Veränderungsbedarfe am Geschäftsmodell, die
größtenteils bereits vor der Krise latent waren, anzugehen.

1.    Entwicklung einer modernen Führungsstruktur und Unternehmenskultur
Ein engagiertes Führungsteam, das die Belegschaft motiviert und für das gemeinsame Ziel
– die Veränderung – gewinnen kann, bildet die Basis für einen erfolgreichen Wandel und die
Umsetzung der identifizierten Handlungsfelder. Organisationsübergreifend benötigen Banken
zudem statt starrer Hierarchien flexible und crossfunktionale Teams sowie eine zeitgemäße
Unternehmenskultur, in der Scheitern erlaubt ist und die Ergebnisorientierung in den
Vordergrund stellt. Anstatt schlicht vermeintliche Blaupausen zu „agilen Arbeitsmethoden“
aus anderen Ländern zu übertragen, müssen deutsche Banken eigene Ansätze entwickeln,
die zur Kultur der jeweiligen Institution passen.

2.    Konsequente Erschließung bestehender und neuer Ertragsquellen
Angesichts beschränkter heimischer Ertragsmöglichkeiten sollten deutsche Banken eine
Auslandsexpansion strukturiert forcieren. Jede Auslandsstrategie muss dabei eine Port­
foliostrategie sein, um die Risiken einzelner Märkte besser ausbalancieren und gleichzeitig
die höheren Ertragspotentiale von Wachstumsmärkten wie z. B. in Schwellenländern nutzen
zu können. Weitere Erfolgsfaktoren sind robuste und effiziente zentrale Prozesse wie (KYC-)
Compliance und Riskmanagement sowie integrierte internationale Beratungsmodelle in Trade
Finance oder Projektfinanzierung. Hierzu zählen auch die Fähigkeit oder Unternehmenskultur
von Instituten, Märkte außerhalb der Heimat stringent zu steuern. Den erfolgreichsten Banken
in Europa wie Santander oder ING gelingt es so, ihre Profitabilität durch einen relevanten
Anteil an Auslandserträgen zu stützen. Zudem zeigen die Auslandsbanken in Deutschland,
dass man auch in einem Markt mit sehr intensivem Wettbewerb Geld verdienen kann.
Deutsche Banken hingegen scheuen diese Schritte häufig, weil sie in spezifischen Märkten
und Assetklassen wie der gewerblichen Immobilienfinanzierung in den USA negative
Erfahrungen gesammelt haben, und setzen oft nur auf eine Auslandsexpansion mit
bestehendem Kundenbezug. Keimzellen für eine breitere internationale Expansion können
beispielsweise Produkte aus den Wachstumsfeldern rund um Nachhaltigkeit und erneuerbare
Energien sein.

Neben den traditionellen Ertragsquellen in heimischen und ausländischen Märkten sollten
deutsche Banken prüfen, wie sich aktuell nur intern genutzte Technologien und Fähigkeiten
auch zu Dienstleistungen und Produkten für Kunden ausbauen lassen. Anstatt eigene
Kapazitäten in Datenanalyse, Handel oder Entwicklung vorzuhalten, können sich Kunden
diese Leistungen in Kombination mit Beratung durch die Banken einkaufen (und sich damit
selbst extern skalieren). Im Sinne des Platform Bankings haben viele Marktteilnehmer
bereits erste Schritte in diese Richtung unternommen und sowohl FinTechs als auch
Tech-Unternehmen in die eigene Wertschöpfungskette integriert. Dies unterstützt ebenso
interne Digitalisierungsprozesse wie auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Die
Kernfrage nach einer Monetarisierung in relevantem Umfang ist allerdings noch nicht

                                                       Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?   13
umfassend beantwortet und bleibt auch in naher Zukunft herausfordernd. Zudem verlangt
die effektive Förderung solcher geschäftsmodellübergreifenden Innovationen interdisziplinäre
Kompetenzen und Anreizstrukturen, die die klassischen P&L-Silos innerhalb von Banken
aufbrechen. Typischerweise fehlt den eigens für diesen Zweck geschaffenen (Innovations-)
Stellen der Durchgriff auf Kundenbeziehungen und Erträge.

Angesichts des relativ hohen Investitionsbedarfs in die Infrastruktur bei der Mehrheit der
Institute stehen die deutschen Banken jedoch zunächst einmal vor Kosten in Milliardenhöhe,
um sowohl das Kerngeschäft zu optimieren und sogenannte Legacy IT zu vereinfachen als
auch auf dieser Basis ihren Kunden innovative Lösungen bieten zu können. Insbesondere
mit Blick auf die neue Konkurrenz aus der FinTech- und Big-Tech-Szene herrscht somit
dringender Nachholbedarf.

3.   Senkung der strukturellen Kosten durch stärkere Skalierung
Um die im internationalen Vergleich sehr hohen Fixkosten deutscher Banken zu adressieren,
bestehen zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Skalierung durch Konsolidierung, analog zu
japanischen Banken, oder externe Skalierung, also die Nutzung von Infrastruktur gemeinsam
mit anderen Marktteilnehmern.

Die Marktentwicklung in Deutschland und die Unfähigkeit, Marktanteile und Erträge aus­
reichend zu steigern, zeigen zudem, dass Fusionen und Akquisitionen für viele Banken
unumgänglich sind. Nur so sind eine ausreichende Kostenskalierung und die Erreichung
einer kritischen Größe möglich, um die anstehenden Investitionen für Um- und Ausbau der
Infrastruktur oder Auslandsexpansionen überhaupt bewältigen zu können. Die Alternative
ist eine deutliche Fokussierung, wie sie die meisten deutschen Institute z. B. im Kapital­
markt­geschäft vornehmen müssten. Das Beispiel Japan zeigt eindrücklich, dass eine
Konsolidierung in der Spitze des Marktes relativ erfolgreiche und international relevante
Institute hervorbringen kann.

Über strategische Partnerschaften und Nutzung eines gemeinsamen Infrastrukturbetriebes
haben Banken die Möglichkeit, eine externe Skalierung vorzunehmen. Zusätzlich besteht
die Option, in verstärktem Maße Managed Services in Anspruch zu nehmen, die von sich
aus Skalierungsvorteile mitbringen. Beide Wege erhöhen die Flexibilität des gesamten
Geschäftsmodells in einem Umfeld, in dem vollintegrierte Wertschöpfungsketten zunehmend
der Vergangenheit angehören werden.

Beispielsweise bietet die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung und Verarbeitung von Firmen­
kundendaten große Potentiale, hohe und insbesondere nicht wettbewerbsrelevante Kosten
zu senken. Großbanken wenden international im Schnitt 80 Mio. Euro pro Jahr auf, um
Firmenkundendaten regelkonform zu sammeln, zu aktualisieren und weiterzugeben.8
Angesichts zunehmender regulatorischer Vorgaben sowie eines stärkeren internen
Compliance-Fokus werden diese Kosten perspektivisch weiter steigen. Würden Banken diese
Aspekte des Datenmanagements an einen gemeinschaftlich betriebenen Datenversorger
auslagern, könnten sie die Kosten für die Datenverwaltung und -pflege um 65% reduzieren
sowie die Kosten für das Onboarding neuer Firmenkunden um 50% senken. Während
nordische Banken etwa in Form der 2021 startenden „Nordic KYC Utility“ schon bald
von entsprechenden Skalenvorteilen profitieren werden, haben deutsche Institute noch
Schwierigkeiten, sich mit ihren Wettbewerbern auf einen gemeinsamen Weg zu einigen.
Dies beeinflusst die Kostensituation der deutschen Institute nachhaltig negativ.

8 Strategy& Utilities in Banking Study 2019; https://www.strategyand.pwc.com/gx/en/insights/saving-bundle-banks-data-cost.html.

14   Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
4.    Aufbau von Fähigkeiten zur aktiveren Bilanzsteuerung und zu effizientem
Kapitaleinsatz
Damit sie in Zukunft flexibler auf Marktveränderungen eingehen können, sollten Banken
stärker als heute externe Bilanz- und Finanzierungskapazitäten dazu nutzen, um
Geschäftspotentiale unabhängiger von den Grenzen der eigenen Bilanz oder Geschäfts­
strategie bedienen zu können. Ein zentraler Treiber solcher Marktveränderung wird Basel IV
sein. Die steigenden Anforderungen an risikogewichtete Aktiva (RWA) werden die
Profitabilität ganzer Geschäftsfelder, insbesondere bei Firmenkunden und Asset-Based-
Finance, angreifen. Auch wenn die Regeln erst in einigen Jahren voll anzuwenden sind,
ist ein entsprechender Vorlauf notwendig, um rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen und
die Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle zu adressieren. Dafür kann es bereits heute
beinahe zu spät sein, denn neu abgeschlossene Kreditgeschäfte werden zunehmend unter
die kommenden Regelungen fallen.

Das Ziel muss also die Flexibilisierung der eigenen Bilanzstruktur, die Reduktion des
Kapitaleinsatzes für ökonomisch weniger profitables Geschäft und damit die Schaffung
von Freiräumen in der Bilanz sein. So können Erfordernisse der Kunden flexibler adressiert
werden. Die fortschreitende Digitalisierung unterstützt diesen Prozess mit einer Reduktion
der Prozesskosten z. B. für Kapitalmarktprodukte.

Neben der Initiierung entsprechender Partnerschaften und einer Anpassung der Kriterien
für das Neugeschäft sind organisatorische Maßnahmen wie die Etablierung einer aktiven,
profitcenterbasierten Kreditportfoliosteuerung über Produktgruppen hinweg mit einem
marktbasierten Transfer Pricing der entsprechenden Portfolios notwendig. Ebenso wichtig
ist jedoch der Aufbau von Fähigkeiten, um Investments mit positivem Ergebnisbeitrag
identifizieren und steuern zu können, sowie eines Toolsets, das die strukturelle Beteiligung
externer Investoren ermöglicht.

5.    Vorsorge und konsequenter Abbau notleidender Kredite
Anders als in früheren Krisen resultiert der erwartete Anstieg notleidender Kredite im Zuge der
COVID-19-Krise primär aus einem exogenen Schock und weniger aus Bewertungsmängeln
bei der Qualität von Assets und Schuldnern. Staatliche Garantien und Konjunkturprogramme
werden deshalb nicht allen Schuldnern helfen können. Risikomanager in Banken müssen
sich daher frühzeitig auf den Umgang mit hohen NPL-Quoten vorbereiten: Der Überwachung
und Deutung von Frühwarnsignalen kommen eine besondere Rolle zu, um angemessen
auf Veränderungen reagieren zu können. Neben der Sicherstellung von ausreichend
Liquidität bedarf es einer klaren Leitlinie und Governance zum Umgang mit Warnsignalen,
um beispielsweise die Übergabe von Krediten an die Abbaueinheiten nicht zu verzögern.
Frühwarnsysteme müssen den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden, um
die wesentlichen Risikotreiber szenariobasiert und möglichst in Echtzeit analysieren zu
können. Organisatorische und kapazitative Beschränkungen gilt es frühzeitig zu identifizieren.
In Anbetracht drohender Kapitalerosion sollten notwendige Sanierungsmaßnahmen,
wie beispielsweise Portfolioverkäufe oder Kapitalerhöhungen, geplant und vorbereitet
werden, solange noch kein regulatorischer Druck zur Durchführung entsprechender
Maßnahmen besteht.

                                                         Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?   15
Die Not zur Tugend machen
Das Beispiel Japans zeigt, dass Banken auch in einer anhaltenden Niedrigzinsphase überleben
können. Ein einfaches „Copy and Paste“ der japanischen Strategien ist jedoch aufgrund der
divergierenden Marktsituation kein gangbarer Weg. Deutsche Institute können sich allerdings
auch nicht länger hinter den schwierigen Rahmenbedingungen der Niedrigzinsphase in der
Eurozone verstecken, nachdem Banken in anderen europäischen Ländern in derselben
Situation trotzdem deutlich bessere wirtschaftliche Ergebnisse erzielen. Wenn deutsche
Banken langfristig überleben wollen, ist ein sofortiges Handeln gefragt. Traditionell
gewachsene Geschäftsmodelle müssen radikal hinterfragt, neue Fähigkeiten im Hinblick
auf die Flexibilisierung des Bilanzeinsatzes etabliert und Kosten auch hinsichtlich dringend
erforderlicher Investitionen in digitale Technologien drastisch gesenkt werden. Die Nutzung
von Managed Services und der Aufbau eigener Industry Utilities sind zentrale Bausteine auf
dem Weg zu einer optimierten Skalierung. Jede Bank muss sich die Frage stellen, ob sie den
Herkulesaufgaben der kommenden Jahre allein gewachsen ist oder ob die Zeit strategischer
Partnerschaften und Fusionen angebrochen ist, um von größenbedingten Skaleneffekten
zu profitieren. Hier müssen Banken zeigen, dass sie die notwendigen Änderungen mit
Nachdruck angehen und Ergebnisse liefern können. Die COVID-19-Krise kann in diesem
Sinne der Anstoß für die notwendigen Veränderungen sein.

16   Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
Strategy&
Strategy& ist die globale Strategieberatung von PwC. Wir entwickeln individuelle
Geschäftsstrategien für weltweit führende Unternehmen. „Strategy, made real“
heißt für uns, den digitalen Wandel voranzutreiben, die Zukunft mitzugestalten
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