BANKEN IN DER JAPANISIERUNGS FALLE? - WAS DEUTSCHE INSTITUTE ÜBER DEN UMGANG MIT "LOW FOR LONG(ER)" VON JAPAN LERNEN KÖNNEN - PWC STRATEGY
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Banken in der Japanisie- rungsfalle? Was deutsche Institute über den Umgang mit „Low for long(er)“ von Japan lernen können
Kontakte Deutschland Österreich Schweiz Dr. Philipp Wackerbeck Hendrik Bremer Andreas Pratz Partner, Senior Executive Advisor, Partner, Head of PwC Strategy& Germany PwC Strategy& Austria Strategy& Switzerland +49-170-2238-659 +43-664-5152-927 +41-58-7923-111 philipp.wackerbeck hendrik.bremer andreas.pratz @strategyand.de.pwc.com @strategyand.de.pwc.com @pwc.com Dr. Sebastian Marek Director, PwC Strategy& Germany +49-170-2238-875 sebastian.marek @strategyand.de.pwc.com Marc-Alexander Schwamborn Partner, PwC Deutschland +49-175-4323-885 marc-alexander.schwamborn @pwc.com Über die Autoren Dr. Philipp Wackerbeck ist Partner bei PwC Dr. Sebastian Marek ist Director bei PwC Strategy& in München und verantwortet das Strategy& mit Dienstsitz in Stuttgart. Sein Financial Services-Geschäft in EMEA. Der Beratungsfokus liegt weltweit auf Kunden aus Fokus seiner Beratungstätigkeit für führende der Finanzbranche. Er arbeitet vorwiegend mit Banken in Deutschland und Europa liegt Geschäfts- und Investmentbanken zusammen, auf der Entwicklung von Marktstrategien, um Geschäftsmodelle, Wachstumsstrategien nachhaltigen Profitabilitätssteigerungen, und die zugehörige Banksteuerung effizienter Risiko- und Kapitalsteuerung weiterzuentwickeln. sowie großen Transformationsprogrammen. Wir möchten uns bei Dr. Florian Balke, Dr. Benedikt Bruognolo, Clemens Bürgel, Jens-Peter Nees und Paul Stockert für den Beitrag zu dieser Studie bedanken. 2 Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
Banken in der Japanisierungsfalle? Was deutsche Institute über den Umgang mit „Low for long(er)“ von Japan lernen können COVID-19 hat die Welt dramatisch durchgerüttelt und wird auf viele Bereiche in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft einen nachhaltigen Einfluss haben – mit teils weitreichenden Veränderungen. Staatliche Maßnahmen, wie komplette „Lockdowns“ und Einschränkungen sozialer Kontakte, um die Neuinfektionsrate zu senken und einer Überforderung des Gesundheitssystems vorzubeugen, haben weite Teile der Wirtschaft zum Erliegen gebracht. Um einen Kollaps der Wirtschaft mit Massen insolvenzen und extremer Arbeitslosigkeit zu verhindern, wurden auf der ganzen Welt staatliche Hilfs- und Anreizpakete in bisher beispielloser Höhe beschlossen. In Europa führt Deutschland die Liste der umfang reichsten Hilfs- und Anreizprogramme mit einem Gesamtvolumen von ca. 13,3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP)1 an. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat mit der Bereitstellung von Liquidität und längerfristiger Refinanzierung in fast unbeschränkter Höhe, einem zusätzlichen Aufkauf programm für Wertpapiere des privaten und öffentlichen Sektors im Volumen von bis zu 1,35 Bio. Euro sowie regulatorischen Erleichterungen den Schaden für die Bankbilanzen bisher einschränken können und gleichzeitig die Geldpolitik wieder um neue, bisher nicht denkbare Maßnahmen erweitert. Mit diesen Maßnahmen trägt die EZB dazu bei, die Zinsstruktur weiter zu senken und zu glätten, mit deutlichen Auswirkungen auf Laufzeitprämien und Vermögenswerte. Bald sechs Jahre ist es mittlerweile her, dass die EZB eine neue Epoche in der europäischen Bankenaufsicht einläutete und 2014 die Überwachung der Banken im Eurosystem übernahm. Im gleichen Jahr hat die EZB auch erstmalig negative Zinsen auf ihre Einlagefazilität ein geführt. Der 18. Juni 2019 stellte eine besondere Zäsur für europäische Banken dar. Der vormalige EZB-Präsident Mario Draghi erklärte im portugiesischen Sintra, dass die Leitzinsen in der Eurozone auf absehbare Zeit niedrig bleiben oder sogar noch weiter sinken würden. Bereits damals sprach man von „japanischen Verhältnissen“ und auch seine Nachfolgerin Christine Lagarde, die die Auswirkungen von negativen Zinsen der EZB-Einlagefazilität bereits als Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) als „net-positiv“2 beschrieben hat, ließ keinen geldpolitischen Richtungswechsel erwarten. 1 Umfasst direkte staatliche Finanzierungsmaßnahmen inklusive dem am 3. Juni 2020 beschlossenen Konjunkturprogramm. Steuerliche Hilfsprogramme und Garantien über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind in der gezeigten Zahl nicht eingeschlossen. (Quelle: European Think Tank Bruegel). 2 Quelle: Vortrag von Christine Lagarde als Managing Director des IWF bei einem Event der Bundesbank und der Goethe-Universität Frankfurt am 5. April 2016; https://www.imf.org/en/News/Articles/2015/09/28/04/53/sp040516. Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle? 1
Seit Ausbruch der COVID-19-Krise scheint die Diskussion über steigende Zinsen obsolet geworden zu sein. Banken müssen sich wohl endgültig auf eine Realität mit dauerhaft niedrigen Zinsen einstellen. Der Druck auf die Geschäftsmodelle, insbesondere deutscher Banken, mit ohnehin geringer Profitabilität steigt damit weiter, zumal sich die volkswirt- schaftlichen Rahmenbedingungen bereits vor der COVID-19-Krise eintrübten und nun möglicherweise eine ausgedehnte Rezession droht. Drohen deutschen Banken also mit Blick auf die andauernde Niedrigzinsphase, mit einem erwarteten Anstieg notleidender Kredite im Rahmen der COVID-19-Krise und den schwierigen makroökonomischen Bedingungen „japanische Verhältnisse“? Diese Studie untersucht, inwiefern die Lage der Kreditinstitute in Japan und in Deutschland vergleichbar ist, was heimische Banken von japanischen Instituten lernen können und welche Handlungsoptionen sich für den deutschen Markt ableiten lassen. Die Relevanz dieser Frage hat Mario Draghi bereits im Januar 2020 während des Annual Meetings der American Economic Association betont: „Ich glaube, dass für den Euroraum ein gewisses Japanisierungsrisiko besteht, aber es ist keineswegs eine ausgemachte Sache.“3 Hintergrund: Japan und Niedrigzinsen Im Jahr 1990 erlebte Japan eine der schlimmsten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte, die durch das Platzen einer Finanz- und Immobilienblase ausgelöst wurde. Danach senkte die japanische Notenbank die Leitzinsen kontinuierlich und führte 1999 erstmals Nullzinsen ein. Damit begann eines der größten geldpolitischen Experimente der Wirtschaftsgeschichte. Seit die Bank of Japan (BoJ) 2016 die Leitzinsen sogar auf minus 0,1% gesenkt hat, gelten im Land der aufgehenden Sonne Strafzinsen für Sparer. Japanische Banken müssen also schon seit Jahrzehnten in einem Niedrigzinsumfeld (über-)leben. Zumindest auf den ersten Blick erscheinen die Ähnlichkeiten zwischen der japanischen und der aktuellen europäischen Situation frappierend: Als Reaktion auf negative ökonomische Entwicklungen senkten die jeweiligen Notenbanken die Leitzinsen jahrelang – bis unter die Nullgrenze. Der Abfall des Zinsniveaus stellt institutionelle wie private Investoren vor strukturelle Herausforderungen und beeinflusst damit massiv deren Investitionsentscheidungen. Zudem sind beide Wirtschaftsräume von einem relativ geringen Wachstum und einer perspektivisch überalternden Gesellschaft gekennzeichnet. Doch es bestehen ebenso strukturelle Unterschiede. Trotz niedriger Inflationsrate konnten in Europa bisher deflationäre Phasen vermieden werden. Auch auf der Anlagenseite zeigen sich Gegensätze, denn während die Immobilienpreise im Nachgang der „Japan-Krise“ 1990 für fast 20 Jahre strukturell und massiv fielen, war die Preisentwicklung von Immobilien in Europa selbst während und nach der Finanzkrise sowie bisher während der COVID-19-Krise grundsätzlich intakt. 3 Mario Draghi während des Annual Meetings der American Economic Association am 5. Januar 2020; https://www.aeaweb.org/ webcasts/2020/japanification-secular-stagnation-fiscal-monetary-policy-challenges. 2 Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
Hinzu kommt, dass selbst europäische Länder wie Griechenland mit einer Staatsver schuldung von ca. 180% des BIP Ende 2019 und einer erwarteten Verschuldungsquote von ca. 200% am Ende von 2020 nicht annähernd an die japanische Schuldenquote von ca. 240% Ende 2019 heranreichen.4 Damit ist Japan das am höchsten verschuldete Industrieland der Welt. Getrieben von der wirtschaftlichen Entwicklung bestand in Japan um die Jahrtausendwende – wie in Europa – in den Jahren nach der Finanzkrise ein massives Problem mit notleidenden Krediten (Non-Performing Loans, NPLs). Dieses konnte in beiden Regionen vor COVID-19 eingedämmt werden. Dennoch ist die Situation in Europa deutlich differenzierter zu betrachten: Während das NPL-Volumen beispielsweise in Italien Ende 2019 6,7% des Bruttokreditvolumens ausmachte, lag die Quote in Deutschland laut der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) nur bei 1,3%. Ein flächendeckendes NPL- Problem bestand für Europa demnach zumindest vor der COVID-19-Krise nicht. Durch Insolvenzen von Unternehmen und Privathaushalten im weiteren Verlauf der COVID-19-Krise ist zu erwarten, dass sich der Anteil notleidender Kredite in den Bankbilanzen zumindest deutlich erhöhen wird. Deutsche Banken müssen erst seit etwas mehr als fünf Jahren mit ultraniedrigen Zinsen zurechtkommen – die größten Auswirkungen der Niedrigzinspolitik materialisierten sich in Japan erst nach einem viel längeren Zeitraum. Europäische und deutsche Kreditinstitute können also immer noch von den japanischen lernen. 4 Quelle: IMF Fiscal Monitor, April 2020. Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle? 3
Japanische Strategien im Umgang mit Niedrigzinsen Angesichts der zumindest teilweise vergleichbaren Situation stellt sich die Frage, was deutsche Banken vom japanischen Überlebenskampf in einer anhaltenden Niedrigzinsphase lernen können. Japanischen Instituten ist es mithilfe verschiedener Maßnahmen gelungen, in einem schwierigen Marktumfeld zu bestehen: • Konsequenter NPL-Abbau Die Reduktion von NPLs war einer der wichtigsten Schritte, um die Profitabilität der japanischen Banken zu verbessern. Diese konnten das NPL-Niveau von über 8% in der Spitze bis heute auf rund 1% reduzieren und stehen damit Deutschland und Europa in keiner Weise nach. Selbstverständlich bestehen strukturelle Unterschiede zwischen den beiden Wirtschaftsräumen und insbesondere die Umsetzung einheitlicher Maßnahmen ist in Europa potentiell ungleich schwieriger als in Japan. Aber auch in Europa hatten Länder wie Italien, Griechenland oder Spanien vor der COVID-19-Krise begonnen, ihre hohen NPL- Quoten zu reduzieren. Dagegen wiesen deutsche Banken angesichts historisch niedriger Ausfallraten kein segmentübergreifendes NPL-Problem auf. Diese Ausgangssituation wird sich aufgrund der Krisenauswirkungen wahrscheinlich im weiteren Verlauf des Jahres für alle Länder verschlechtern. Für Deutschland haben wir simuliert, dass sich der Anteil notleidender Kredite je nach Schwere des sich realisierenden makroökonomischen Szenarios verdoppeln kann (siehe Abbildung 1).5 Die tatsächliche Auswirkung wird maßgeblich von der Länge der Rezession und der Geschwindigkeit der anschließenden Erholung abhängen. Deutsche sowie generell europäische Banken müssen daher einen fokussierten Angang für steigende NPL-Quoten finden. 5 Quelle: Strategy& „Non-performing loan management in light of COVID-19“; https://www.strategyand.pwc.com/de/de/implications-of-covid-19/ non-performing-loan-management.html. Wir analysieren dort die mögliche Entwicklung von NPL-Quoten in Deutschland in einem milden („V-förmige“ BIP-Kurve), schweren („U-förmige“ BIP-Kurve) und drastischen („L-förmige“ BIP-Kurve) makroökonomischen Szenario. ABBILDUNG 1 Entwicklung NPL-Quoten NPL-Quote in Japan COVID-19-Einfluss auf NPL-Quoten in Deutschland Makroökonomische Szenarien 11% mild schwer drastisch 10% (”V-förmig”) (”U-förmig”) (”L-förmig”) 9% 1,16pp 8% Japan NPL-Quote 2,62% 7% 2,46% 2,29% NPL-Quote (Ist 6% 2019/Basis- 5% szenario 2020) 4% Eurozone NPL-Quote (2019) COVID-19-Aus- 3,2% wirkung auf 3% NPL-Quoten 2% abhängig vom 1,3% 1,30% 1% makroökono- Deutschland NPL-Quote (2019) 0% mischen Szenriao 2000 2004 2008 2012 2016 2020 2019 2020E Notiz: Die linke Grafik berücksichtigt japanische City, Regional I, Regional II, Trust Banks und Long-term Credit Banks; die rechte Grafik den möglichen COVID-19-Einfluss auf NPL-Quoten in Deutschland. Quelle: Financial Services Agency (Japan), ECB Statistical Data Warehouse, Weltbank, Strategy& Analyse. 4 Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
• Konsolidierung und Bildung nationaler Champions Seit den 1990er-Jahren ist die Gesamtzahl der japanischen Banken deutlich gesunken und seit dem Jahr 2000 konnten japanische Institute ihre operative Kostenbasis insbesondere durch die Ausdünnung des Filialnetzes und die Reduktion der Mitarbeiterzahl fast halbieren. Auch in Deutschland und Europa sinkt die Zahl der Banken stetig, relativ gesehen sogar noch stärker als in Japan. Der wesentliche Treiber der japanischen Marktkonsolidierung ist aber im Segment der Großbanken zu suchen, der zur Herausbildung von drei dominierenden Megabanken führte – Mitsubishi UFJ Financial Group (MUFG) und Sumitomo Mitsui Banking Corporation (SMBC). Diese Banken vereinen über die Hälfte der Assets im Gesamtmarkt auf sich und nehmen somit eine klar führende Position ein (siehe Abbildung 2). Auch in Europa weisen einige Märkte wie Spanien, die Niederlande oder die nordischen Länder eine hohe Konzentration auf. In Deutschland ist eine solche Konsolidierungsbewegung zumindest bei größeren Banken bisher nicht erkennbar. Hier besitzen nicht einmal die zehn Groß- und Landesbanken zusammen einen vergleichbaren Marktanteil, sondern lediglich knapp 43% der gesamten Assets. ABBILDUNG 2 Anteil Top-3-Banken an aggregierter Bilanzsumme japanischer Banken 23% 41% 51% 77% 59% Top-3-Banken 49% Andere Banken (City, Regional I, Regional II, Trust Banks, Long- term Credit Banks) 2000 2010 2019 Quelle: Japanese Bankers Association, Strategy& Analyse. Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle? 5
• Kauf von Staatsanleihen als Ersatz für Kreditgeschäft Sinkende Zinsen im Kreditgeschäft – und damit auch sinkende Margen – waren nur eine der Herausforderungen für japanische Banken. Insbesondere um das Jahr 2000 herum sowie ab 2008 führten deflationäre Phasen zu einer deutlich reduzierten Kreditvergabe an den Privatsektor, was die Banken durch die Finanzierung der öffentlichen Hand, also den Kauf von Staatsanleihen, kompensierten. Im Rahmen der letzten quantitativen und qualitativen Lockerung der BoJ haben Banken diese offenen Risikopositionen (Exposures) jedoch wieder deutlich reduziert (siehe Abbildung 3). Ein (positiver) Nebeneffekt dieser indirekten Staatsfinanzierung war aufgrund des geringeren Risikogewichts von Staatsanleihen eine zumindest temporäre Verbesserung der Kapitalquoten. ABBILDUNG 3 Wertpapierbestände japanischer Banken Geldpolitik der Geldpolitik quantitativen Geldpolitik der um- und QQE mit der fassenden qualitativen Zinskurven- JPY Bio. Nullzins- quantitativen quantitativen Lockerung kontrolle politik Lockerung Lockerung (QQE) (YCC) 300 3,5% Finanzkrise (1997) 3,0% 240 2,5% 4,5-facher 180 Bestand im Staatsanleihen Vergleich zu ‘93 2,0% Unternehmens- anleihen 1,5% 120 Aktien 1,0% Ausländische Wertpapiere 60 0,5% Andere BoJ Referenzzins- 0 0,0% satz (Overnight) 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Mai 2020 -0,5% Platzen der Finanz- Platzen der Globale und Immobilien- Dotcom-Blase Finanzkrise blase (frühe 1990er) (2000) (2008) Notiz: Durchschnittliche Bestände in Bio. Yen und Leitzins der Bank of Japan. Quelle: Bank of Japan, Strategy& Analyse. 6 Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
• Expansion der Megabanken ins Ausland Da die Vergabe von Krediten an heimische Unternehmen und Verbraucher kein ausreichen- des Ertragspotential mehr lieferte, setzten und setzen japanische Banken zunehmend auf Auslandsexpansion, vor allem im Firmenkunden- und Projektfinanzierungsgeschäft. So erwarben die Megabanken Beteiligungen an internationalen Finanzinstitutionen und bauten ihre Marktposition auch organisch aus – vor allem im Projektfinanzierungsgeschäft gehören japanische Player zu den führenden internationalen Adressen. Auch die kürzliche Beteili- gung von MUFG an einem Mobilitätsdienstleister in Südostasien verdeutlicht diesen Trend eindrücklich. In weiterentwickelten Märkten wie Asien oder den USA umfassen die interna- tionalen Expansionsvorhaben teilweise auch das Privatkundengeschäft. • Erschließung neuer Geschäftsfelder Als Kompensation für das Kreditgeschäft stärkten japanische Banken signifikant ihre Gebühren- bzw. Provisionserträge. In der Folge verdoppelte sich der Anteil der Provisionen und Gebühren am operativen Ergebnis von ca. 10% im Jahr 2000 auf 21% bis 2019 (siehe Abbildung 4). Wesentliche Treiber hierfür waren das Beratungsgeschäft und der Vertrieb von Anlageprodukten, ebenso wie Partnerschaften mit Nichtbankpartnern und angepasste Gebührenmodelle für Privatkunden (beispielsweise höhere Gebühren für Bargeldabhebungen), aber auch der Ausbau des Konsumentenkreditgeschäfts (über dezidierte Tochtergesellschaften). ABBILDUNG 4 Betriebsergebnis japanischer Banken 11,7 JPY 11,3 Bio. 9,7 77% 83% 73% Zinsergebnis Provisions- 15% 21% ergebnis 10% Anderes operatives 7% 9% 7% Ergebnis 2000 2010 2019 Notiz: Berücksichtigte japanische Banken: City, Regional I, Regional II, Trust Banks, Long-term Credit Banks. Quelle: Japanese Bankers Association, Strategy& Analyse. Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle? 7
Was das Beispiel Japans lehrt Die genannten Reaktionen auf die massiven Auswirkungen der Geldpolitik der Zentralbank sind nicht universell auf das heutige europäische Niedrigzinsumfeld anwendbar, da auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen andere sind: Das NPL-Niveau war bis zum Beginn der COVID-19-Pandemie deutlich geringer, die demografischen Strukturen sind intakt(er) und auch die Inflation ist zwar niedrig, jedoch bisher nicht negativ. Zudem hat sich die Wettbewerbssituation mittlerweile fundamental geändert. Klassische Ertragsquellen sind unter Druck, getrieben durch die Digitalisierung und den damit einhergehenden Zerfall klassischer Wertschöpfungsketten – im Zusammenhang mit reduzierten Wechselkosten – sowie den Wettbewerb um Daten und neue Geschäftsmodelle mit Big- bzw. FinTechs. Deutsche Banken sollten folglich individuelle Strategien entwickeln, um unter den neuen Rahmenbedingungen überleben zu können. Der Blick gen Osten lohnt sich: Japanische Banken mussten seit den 1990er-Jahren in einem andauernden Niedrigzinsumfeld leben – und dennoch ist es ihnen gelungen, ihre Profitabilität seit der Finanzkrise 2007/08 gegenüber Europa stärker zu steigern (siehe Abbildung 5, Seite 9). Die Gründe hierfür liegen zum einen in der Verbesserung der Profitabilität japanischer Banken, zum anderen aber auch an der drastischen Verschlechterung der Ertragssituation der Banken in Deutschland und Europa. Die Ertragslage deutscher Banken ist auch im europäischen Vergleich wenig wettbewerbs fähig. Die durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität deutscher Banken war Ende 2019 nicht einmal halb so groß wie der Durchschnitt in der Eurozone.6 Aufgrund ihrer geringen Profitabilität werden Kreditausfälle und die notwendige Risikovorsorge deutsche Banken besonders empfindlich treffen. Die Simulation verschiedener makroökonomischer Szenarien zur Auswirkung der COVID-19-Krise zeigt, dass in einem schweren Krisenverlauf („U-förmige“ BIP-Kurve) die harte Kernkapitalquote deutscher Banken um mehrere Prozentpunkte abschmelzen kann. Unterstellt man eine vergleichbare Profitabilität wie in den Jahren 2018 und 2019 bräuchten deutsche Banken über neun Jahre, um ihre Kapitalpuffer aus eigener Kraft wieder auf Vorkrisenniveau zu bringen. Neben dem Umgang mit niedrigen Zinsen muss die nachhaltige und spürbare Steigerung der Profitabilität für deutsche Banken daher oberste Priorität sein. 6 Laut EZB lag die durchschnittliche Rentabilität des Eigenkapitals Ende 2019 bei 5,2% für Banken in der Eurozone und bei 2,1% für deutsche Banken. 8 Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
ABBILDUNG 5 Durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität Durschnittliche Eigenkapitalrentabilitätim Zeitverlauf im Zeitverlauf 90er und Vorkrise Finanzkrise New Normal (1996–2006) (2007–2009) (2014–2018) 14,6% 9,5% 5,5% 5,4% 3,6% 3,3% 4,4% 3,7% -0,2% Eurozone -1,8% Deutschland Japan -6,2% USA Notiz: Rentabilität nach Steuern. Quelle: Weltbank, FRED, Deutsche Bundesbank, EZB, Strategy& Analyse; Anmerkung: Daten für Japan nur bis einschließlich 2017 verfügbar. ABBILDUNG 6 Provisionsergebnis in % des Betriebsergebnis, Cost-Income-Ratio und Loan-to-Deposit-Ratio im Zeitverlauf Provisionsergebnis (in % des Betriebsergebnis) Cost-Income-Ratio Loan-to-Deposit-Ratio 101% 98% 97% 340 84 377 101 88% 75% 67% 66% 62% 29% 31% 28% 25% Eurozone Deutschland Betriebsauf- wendungen 2010 2019 2010 2019 2014 2019 (in Mrd. EUR) Quelle: EZB, Strategy& Analyse. Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle? 9
Im europäischen Vergleich zeigen sich jedoch einige Entwicklungspotentiale für deutsche Banken (siehe Abbildung 6, Seite 9): Zu geringe Deutsche Banken leiden insbesondere im Privatkundengeschäft Steigerung des nach wie vor unter der „Gratismentalität“, also dem Angebot Provisions kostenloser Girokonten oder Begrüßungsprämien. Darüber hinaus ergebnisses haben sie die Ausweitung von kostenpflichtigen Dienstleistungen sowie von Vermittlungserträgen im Fonds- und Wertpapiergeschäft nicht so konsequent adressiert wie ihre europäischen Nachbarn – der Abstand beim Anteil des Provisionsergebnisses am operativen Ergebnis steigt sogar. Im Firmenkundengeschäft scheitern viele Banken daran, ihre schwachen Margen im Kreditgeschäft durch Zusatzerträge im Kapitalmarktgeschäft, Cash Management oder Trade Finance zu kompensieren und somit ihre Kapitalkosten gesamthaft zu verdienen. Mangelnde Deutsche Banken sind für eine im europäischen Ländervergleich Kostendisziplin konsistent höhere Kostenquote bekannt. Diese konnten sie auch in den letzten Jahren strukturell kaum verbessern. Erzielte Einsparungen werden durch regulatorisch bedingte Auftriebe zum Teil wieder aufgebraucht. Zudem fehlen häufig der Wille und die Anreizstrukturen, um identifizierte Kostenpotentiale mit Nachdruck dauerhaft zu heben. Deutsche Institute weisen folglich immer noch eine Cost-Income-Ratio (CIR) von durchschnittlich ca. 75% auf. Um innerhalb Europas bestehen und zinsbedingt wegbrechende Erträge über den Ausbau des Bestandskundengeschäfts ausgleichen zu können, ist eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur mit einer CIR von ca. 55% unabdingbare Voraussetzung7 – ein Wert, den andere europäische Institute im Schnitt auch erreichen. Unzureichende Die Zinspolitik der EZB hat zu einem Einlagenüberhang in ganz Kreditvergabe Europa geführt. Deutschland ist dabei keine Ausnahme. Doch deutschen Banken gelingt es nicht, den zusätzlichen Einlagen zustrom in ausreichendem Maße in eine profitable Kreditvergabe umzuwandeln. Das Verhältnis von Krediten zu Einlagen (Loan-to- Deposit-Ratio) ist strukturell niedriger als im europäischen Vergleich und verschlechterte sich in den letzten vier Jahren zusehends. Das Niedrigzinsniveau scheint also in Kombination mit einer geringen Kreditvergabe und der allgemeinen Schrumpfung der Bankbilanzen für einen negativen Double-Dip-Effekt auf die Ertragskraft deutscher Banken zu sorgen. 7 Strategy& Retail Banking Monitor 2019; https://www.strategyand.pwc.com/de/de/studie/getting-the-balance-right.html. 10 Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
Ausblick zum Niedrigzinsumfeld und die Implikationen auf Unternehmensbewertungen (von Marc-Alexander Schwamborn) Aus Sicht der Bankaktionäre stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage nach Handlungsoptionen und langfristigen Konsequenzen für die Unternehmensbewertung. Denn in einem Umfeld niedriger Zinsen ist zunächst einmal ein niedrigerer Diskontsatz anzuwenden. Über die letzten zehn Jahre sind Unternehmensbewertungen durch einen kontinuierlichen konjunkturellen Aufschwung im Zusammenspiel mit der ultralockeren Geldpolitik der EZB deutlich angestiegen; der für die Unternehmensbewertung maßgebliche risikolose Basiszins bewegt sich derzeit mit nahezu 0% auf seinem historisch niedrigsten Niveau und auch die Zinsstrukturkurve ist kontinuierlich flacher geworden. Die Bewertungen und das Kurs-Buchwert-Verhältnis von Banken konnten jedoch bekanntermaßen nicht von dieser Entwicklung profitieren. Das jeweilige Kurs-Buchwert-Verhältnis europäischer Banken ist seit den 2000er-Jahren stetig gesunken und hat sich zudem im direkten Vergleich mit der Konkurrenz aus den USA deutlich schwächer entwickelt. Bekannt ist, dass Kreditinstitute den erheblichen Einlagenüberhang auf der Passivseite nicht ausreichend in werthaltige Anlagemöglichkeiten auf der Aktivseite investieren und ebenso wenig durch Gebührenanhebungen bzw. Erschließung neuer Ertragsquellen im Provisionsgeschäft ausgleichen konnten. Hinzu kommen höhere Gewinn- und Verlustrechnungs(GuV)-Lasten durch Bankenabgaben und Einlagensicherungen sowie steigende regulatorische Anforderungen an die Kapitalausstattungen von Kreditinstituten, die zu einer höheren Kapitalbindung und damit zu einer weiteren Erosion der Eigenkapitalrenditen führten. Kompensatorisch wirkten sich vor der COVID-19-Krise lediglich die konjunkturbedingt (noch) sehr niedrigen Risikokosten aus. Für die Zukunft werden weitere Belastungen in den Unternehmensbewertungen erwartet. So sorgten politische und in der Folge konjunkturelle Unsicherheiten auf den Waren- und Kapitalmärkten immer wieder für Unsicherheiten. Die aus den Erwartungen von Aktienanalysten ableitbaren impliziten Kapitalkosten zeigten, dass trotz des niedrigen Zinsniveaus die Renditeerwartungen eher in einer Bandbreite von ca. 7% bis 9% liegen. Vor diesem Hintergrund hat der Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW Ende 2019 beschlossen, seine Empfehlung für die Marktrisikoprämie vor persönlicher Steuer auf 6% bis 8% (vorher 5,5% bis 7%) anzuheben. Bereits kurz nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie konnten auf den Märkten extreme Volatilität und eine teilweise drastische Erhöhung von Risikoprämien beobachtet werden. Weiterhin bestehende Unsicherheiten zum Krisenverlauf lassen hier mittel- bis langfristig keine vollständige Entspannung erwarten. Alles zusammen dürfte zu einer zusätzlichen deutlichen Belastung der Bewertungen bei Banken führen. Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle? 11
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So kann deutschen Banken der Neuanfang gelingen Ein Geheimrezept für den Umgang mit niedrigen Zinsen in Kombination mit neuen Kon kurrenten existiert nicht. Doch für deutsche Banken ergeben sich aus der Analyse ihrer Marktsituation klare Handlungsfelder. Der Weg aus der COVID-19-Krise bietet hierbei eine einmalige Chance, um auch tiefgreifende Veränderungsbedarfe am Geschäftsmodell, die größtenteils bereits vor der Krise latent waren, anzugehen. 1. Entwicklung einer modernen Führungsstruktur und Unternehmenskultur Ein engagiertes Führungsteam, das die Belegschaft motiviert und für das gemeinsame Ziel – die Veränderung – gewinnen kann, bildet die Basis für einen erfolgreichen Wandel und die Umsetzung der identifizierten Handlungsfelder. Organisationsübergreifend benötigen Banken zudem statt starrer Hierarchien flexible und crossfunktionale Teams sowie eine zeitgemäße Unternehmenskultur, in der Scheitern erlaubt ist und die Ergebnisorientierung in den Vordergrund stellt. Anstatt schlicht vermeintliche Blaupausen zu „agilen Arbeitsmethoden“ aus anderen Ländern zu übertragen, müssen deutsche Banken eigene Ansätze entwickeln, die zur Kultur der jeweiligen Institution passen. 2. Konsequente Erschließung bestehender und neuer Ertragsquellen Angesichts beschränkter heimischer Ertragsmöglichkeiten sollten deutsche Banken eine Auslandsexpansion strukturiert forcieren. Jede Auslandsstrategie muss dabei eine Port foliostrategie sein, um die Risiken einzelner Märkte besser ausbalancieren und gleichzeitig die höheren Ertragspotentiale von Wachstumsmärkten wie z. B. in Schwellenländern nutzen zu können. Weitere Erfolgsfaktoren sind robuste und effiziente zentrale Prozesse wie (KYC-) Compliance und Riskmanagement sowie integrierte internationale Beratungsmodelle in Trade Finance oder Projektfinanzierung. Hierzu zählen auch die Fähigkeit oder Unternehmenskultur von Instituten, Märkte außerhalb der Heimat stringent zu steuern. Den erfolgreichsten Banken in Europa wie Santander oder ING gelingt es so, ihre Profitabilität durch einen relevanten Anteil an Auslandserträgen zu stützen. Zudem zeigen die Auslandsbanken in Deutschland, dass man auch in einem Markt mit sehr intensivem Wettbewerb Geld verdienen kann. Deutsche Banken hingegen scheuen diese Schritte häufig, weil sie in spezifischen Märkten und Assetklassen wie der gewerblichen Immobilienfinanzierung in den USA negative Erfahrungen gesammelt haben, und setzen oft nur auf eine Auslandsexpansion mit bestehendem Kundenbezug. Keimzellen für eine breitere internationale Expansion können beispielsweise Produkte aus den Wachstumsfeldern rund um Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien sein. Neben den traditionellen Ertragsquellen in heimischen und ausländischen Märkten sollten deutsche Banken prüfen, wie sich aktuell nur intern genutzte Technologien und Fähigkeiten auch zu Dienstleistungen und Produkten für Kunden ausbauen lassen. Anstatt eigene Kapazitäten in Datenanalyse, Handel oder Entwicklung vorzuhalten, können sich Kunden diese Leistungen in Kombination mit Beratung durch die Banken einkaufen (und sich damit selbst extern skalieren). Im Sinne des Platform Bankings haben viele Marktteilnehmer bereits erste Schritte in diese Richtung unternommen und sowohl FinTechs als auch Tech-Unternehmen in die eigene Wertschöpfungskette integriert. Dies unterstützt ebenso interne Digitalisierungsprozesse wie auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Die Kernfrage nach einer Monetarisierung in relevantem Umfang ist allerdings noch nicht Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle? 13
umfassend beantwortet und bleibt auch in naher Zukunft herausfordernd. Zudem verlangt die effektive Förderung solcher geschäftsmodellübergreifenden Innovationen interdisziplinäre Kompetenzen und Anreizstrukturen, die die klassischen P&L-Silos innerhalb von Banken aufbrechen. Typischerweise fehlt den eigens für diesen Zweck geschaffenen (Innovations-) Stellen der Durchgriff auf Kundenbeziehungen und Erträge. Angesichts des relativ hohen Investitionsbedarfs in die Infrastruktur bei der Mehrheit der Institute stehen die deutschen Banken jedoch zunächst einmal vor Kosten in Milliardenhöhe, um sowohl das Kerngeschäft zu optimieren und sogenannte Legacy IT zu vereinfachen als auch auf dieser Basis ihren Kunden innovative Lösungen bieten zu können. Insbesondere mit Blick auf die neue Konkurrenz aus der FinTech- und Big-Tech-Szene herrscht somit dringender Nachholbedarf. 3. Senkung der strukturellen Kosten durch stärkere Skalierung Um die im internationalen Vergleich sehr hohen Fixkosten deutscher Banken zu adressieren, bestehen zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Skalierung durch Konsolidierung, analog zu japanischen Banken, oder externe Skalierung, also die Nutzung von Infrastruktur gemeinsam mit anderen Marktteilnehmern. Die Marktentwicklung in Deutschland und die Unfähigkeit, Marktanteile und Erträge aus reichend zu steigern, zeigen zudem, dass Fusionen und Akquisitionen für viele Banken unumgänglich sind. Nur so sind eine ausreichende Kostenskalierung und die Erreichung einer kritischen Größe möglich, um die anstehenden Investitionen für Um- und Ausbau der Infrastruktur oder Auslandsexpansionen überhaupt bewältigen zu können. Die Alternative ist eine deutliche Fokussierung, wie sie die meisten deutschen Institute z. B. im Kapital marktgeschäft vornehmen müssten. Das Beispiel Japan zeigt eindrücklich, dass eine Konsolidierung in der Spitze des Marktes relativ erfolgreiche und international relevante Institute hervorbringen kann. Über strategische Partnerschaften und Nutzung eines gemeinsamen Infrastrukturbetriebes haben Banken die Möglichkeit, eine externe Skalierung vorzunehmen. Zusätzlich besteht die Option, in verstärktem Maße Managed Services in Anspruch zu nehmen, die von sich aus Skalierungsvorteile mitbringen. Beide Wege erhöhen die Flexibilität des gesamten Geschäftsmodells in einem Umfeld, in dem vollintegrierte Wertschöpfungsketten zunehmend der Vergangenheit angehören werden. Beispielsweise bietet die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung und Verarbeitung von Firmen kundendaten große Potentiale, hohe und insbesondere nicht wettbewerbsrelevante Kosten zu senken. Großbanken wenden international im Schnitt 80 Mio. Euro pro Jahr auf, um Firmenkundendaten regelkonform zu sammeln, zu aktualisieren und weiterzugeben.8 Angesichts zunehmender regulatorischer Vorgaben sowie eines stärkeren internen Compliance-Fokus werden diese Kosten perspektivisch weiter steigen. Würden Banken diese Aspekte des Datenmanagements an einen gemeinschaftlich betriebenen Datenversorger auslagern, könnten sie die Kosten für die Datenverwaltung und -pflege um 65% reduzieren sowie die Kosten für das Onboarding neuer Firmenkunden um 50% senken. Während nordische Banken etwa in Form der 2021 startenden „Nordic KYC Utility“ schon bald von entsprechenden Skalenvorteilen profitieren werden, haben deutsche Institute noch Schwierigkeiten, sich mit ihren Wettbewerbern auf einen gemeinsamen Weg zu einigen. Dies beeinflusst die Kostensituation der deutschen Institute nachhaltig negativ. 8 Strategy& Utilities in Banking Study 2019; https://www.strategyand.pwc.com/gx/en/insights/saving-bundle-banks-data-cost.html. 14 Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
4. Aufbau von Fähigkeiten zur aktiveren Bilanzsteuerung und zu effizientem Kapitaleinsatz Damit sie in Zukunft flexibler auf Marktveränderungen eingehen können, sollten Banken stärker als heute externe Bilanz- und Finanzierungskapazitäten dazu nutzen, um Geschäftspotentiale unabhängiger von den Grenzen der eigenen Bilanz oder Geschäfts strategie bedienen zu können. Ein zentraler Treiber solcher Marktveränderung wird Basel IV sein. Die steigenden Anforderungen an risikogewichtete Aktiva (RWA) werden die Profitabilität ganzer Geschäftsfelder, insbesondere bei Firmenkunden und Asset-Based- Finance, angreifen. Auch wenn die Regeln erst in einigen Jahren voll anzuwenden sind, ist ein entsprechender Vorlauf notwendig, um rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen und die Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle zu adressieren. Dafür kann es bereits heute beinahe zu spät sein, denn neu abgeschlossene Kreditgeschäfte werden zunehmend unter die kommenden Regelungen fallen. Das Ziel muss also die Flexibilisierung der eigenen Bilanzstruktur, die Reduktion des Kapitaleinsatzes für ökonomisch weniger profitables Geschäft und damit die Schaffung von Freiräumen in der Bilanz sein. So können Erfordernisse der Kunden flexibler adressiert werden. Die fortschreitende Digitalisierung unterstützt diesen Prozess mit einer Reduktion der Prozesskosten z. B. für Kapitalmarktprodukte. Neben der Initiierung entsprechender Partnerschaften und einer Anpassung der Kriterien für das Neugeschäft sind organisatorische Maßnahmen wie die Etablierung einer aktiven, profitcenterbasierten Kreditportfoliosteuerung über Produktgruppen hinweg mit einem marktbasierten Transfer Pricing der entsprechenden Portfolios notwendig. Ebenso wichtig ist jedoch der Aufbau von Fähigkeiten, um Investments mit positivem Ergebnisbeitrag identifizieren und steuern zu können, sowie eines Toolsets, das die strukturelle Beteiligung externer Investoren ermöglicht. 5. Vorsorge und konsequenter Abbau notleidender Kredite Anders als in früheren Krisen resultiert der erwartete Anstieg notleidender Kredite im Zuge der COVID-19-Krise primär aus einem exogenen Schock und weniger aus Bewertungsmängeln bei der Qualität von Assets und Schuldnern. Staatliche Garantien und Konjunkturprogramme werden deshalb nicht allen Schuldnern helfen können. Risikomanager in Banken müssen sich daher frühzeitig auf den Umgang mit hohen NPL-Quoten vorbereiten: Der Überwachung und Deutung von Frühwarnsignalen kommen eine besondere Rolle zu, um angemessen auf Veränderungen reagieren zu können. Neben der Sicherstellung von ausreichend Liquidität bedarf es einer klaren Leitlinie und Governance zum Umgang mit Warnsignalen, um beispielsweise die Übergabe von Krediten an die Abbaueinheiten nicht zu verzögern. Frühwarnsysteme müssen den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden, um die wesentlichen Risikotreiber szenariobasiert und möglichst in Echtzeit analysieren zu können. Organisatorische und kapazitative Beschränkungen gilt es frühzeitig zu identifizieren. In Anbetracht drohender Kapitalerosion sollten notwendige Sanierungsmaßnahmen, wie beispielsweise Portfolioverkäufe oder Kapitalerhöhungen, geplant und vorbereitet werden, solange noch kein regulatorischer Druck zur Durchführung entsprechender Maßnahmen besteht. Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle? 15
Die Not zur Tugend machen Das Beispiel Japans zeigt, dass Banken auch in einer anhaltenden Niedrigzinsphase überleben können. Ein einfaches „Copy and Paste“ der japanischen Strategien ist jedoch aufgrund der divergierenden Marktsituation kein gangbarer Weg. Deutsche Institute können sich allerdings auch nicht länger hinter den schwierigen Rahmenbedingungen der Niedrigzinsphase in der Eurozone verstecken, nachdem Banken in anderen europäischen Ländern in derselben Situation trotzdem deutlich bessere wirtschaftliche Ergebnisse erzielen. Wenn deutsche Banken langfristig überleben wollen, ist ein sofortiges Handeln gefragt. Traditionell gewachsene Geschäftsmodelle müssen radikal hinterfragt, neue Fähigkeiten im Hinblick auf die Flexibilisierung des Bilanzeinsatzes etabliert und Kosten auch hinsichtlich dringend erforderlicher Investitionen in digitale Technologien drastisch gesenkt werden. Die Nutzung von Managed Services und der Aufbau eigener Industry Utilities sind zentrale Bausteine auf dem Weg zu einer optimierten Skalierung. Jede Bank muss sich die Frage stellen, ob sie den Herkulesaufgaben der kommenden Jahre allein gewachsen ist oder ob die Zeit strategischer Partnerschaften und Fusionen angebrochen ist, um von größenbedingten Skaleneffekten zu profitieren. Hier müssen Banken zeigen, dass sie die notwendigen Änderungen mit Nachdruck angehen und Ergebnisse liefern können. Die COVID-19-Krise kann in diesem Sinne der Anstoß für die notwendigen Veränderungen sein. 16 Strategy& | Banken in der Japanisierungsfalle?
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