Baustein 2a "Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen"

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Modul 2

Baustein 2a
„Lebenswelten von Kindern und
Jugendlichen”
Der Baustein Lebenswelt gibt eine erste Einführung       entgegen. Hierbei steht das einzelne Kind oder der     Stand 10.01.2019
in die Bedürfnisse und Sichtweisen von Kindern und       Jugendliche im Mittelpunkt: unabhängig von Alter,
Jugendlichen. Im ersten Teil findest du eine allge-      Behinderung, soziokultureller Herkunft, Geschlecht,
meine Übersicht über typische Entwicklungs-              Hautfarbe, sexueller Orientierung und Religion.
schritte und wichtige Themen von Kindern und
Jugendlichen. Im zweiten Teil geht es ganz spezi-        Entwicklung in der Kindheit
fisch um die Pädagogik der vier Stufen.                  Insgesamt hat sich die Entwicklung der Kindheits-
                                                         phase in den vergangenen rund 60 Jahren massiv
  	Die Lebenswelt von Kindern                           beschleunigt. Kinder sind in der Phase der Kindheit
  	Die Lebenswelt von Jugendlichen                      heute vor andere und mehr Entscheidungen
  	Inklusion in der DPSG                                gestellt. Leistungsdruck setzt Kinder zunehmend
  	Stufenpädagogik in der Wölflingsstufe                vor andere Voraussetzungen in ihrer
  	Stufenpädagogik in der Jungpfadfinderstufe           Ausbildungsbiografie.
  	Stufenpädagogik in der Pfadfinderstufe
  	Stufenpädagogik in der Roverstufe                    Grundsätzlich können Leiterinnen und Leiter davon
                                                         ausgehen, dass für Kinder ab 7 Jahren ihre Wirklich-
                                                         keit erschlossen ist. Sie haben erlernt, dass Bezie-
                                                         hungen und soziale Interaktionen in der Realität,
Die Lebenswelt von                                       aber auch in virtuellen Räumen vorkommen.
                                                         Onlineplattformen zu bestimmten Themen für eine
Kindern                                                  bestimmte Zielgruppe machen es heute leicht,
Die DPSG spricht von „Kindern“ in der Phase von 7 -      Gleichgesinnte zu finden und mit ihnen in Interak-
13 Jahren. So werden die Altersstufen der Wölflinge      tion zu treten.
und Jungpfadfinder auch als „Kinderstufen“ zusam-
mengefasst und die Pfadfinder- und Roverstufe als        Die Auseinandersetzung mit anderen hat einen
„Jugendstufe“. Hier greift die DPSG Altersdefinitio-     wesentlichen Einfluss auf die Prägung der Kinder.
nen auf, die auch mit dem Kinder- und Jugendhilfe-       Gerade hierbei steht die spielerische Auseinander-
gesetz übereinstimmen. Wobei es durchaus auch            setzung mit sich und anderen Kindern im Vorder-
gröbere Unterteilungen gibt: UNICEF definiert Kin-       grund. Das Spiel als Lernform ist auch als Methode
der als Menschen unter 18 Jahren.                        in der Wölflingsstufe aufgegriffen. Der Wechsel auf
                                                         eine weiterführende Schule stellt dann für Kinder
Auch feine Unterscheidungen sind zu finden: „frühe       eine Neuorientierung dar. Sie erschließen sich Wege
Kindheit“, „mittlere Kindheit“, „mittlere Phase der      zur und von der Schule, ihr räumlicher Bewegungs-
Adoleszenz“.                                             radius vergrößert sich. Sie lernen neue Unterrichts-
                                                         methoden kennen, müssen neue Personen wie Mit-
Es gibt eine Vielzahl von Erklärungsmodellen, die        schüler, Lehrerinnen, Mitschülerinnen und Lehrer
Kindheit und Kindsein genauer beschreiben und            kennen und einschätzen lernen. Der Leistungsdruck
definieren.                                              nimmt deutlich zu, auch die physische Anwesenheit
                                                         in der Schule ist im Rahmen von Nachmittagsange-
Diese unterscheiden sich in ihren Altersdefinitionen     boten deutlich intensiver.
als auch in der Beschreibung der Entwicklungs-
schritte, die in der Lebensphase zu bewältigen sind.     Auseinandersetzung mit dem Glauben
Eine allgemeingültige Definition von Kindsein ist        Mitglieder der DPSG sind in jedem Alter mit der
demnach schwierig und eine Abgrenzung von Kind-          Auseinandersetzung mit dem Glauben befasst. Die
sein aufgrund des Alters nicht möglich. Kinder auf-      Sakramente Kommunion und Firmung und auch die
grund ihres Alters in Kategorien zu sehen, greift zu     entsprechende Vorbereitung darauf, sind zwei
kurz und steht darüber hinaus dem pfadfinderi-           wesentliche Feiern in der Kindheitsphase. Aber
schen Prinzip des „look at the boy“/„look at the girl“   auch die eigene Glaubensauseinandersetzung im

                                                                                                                                   42
Modul 2

Rahmen von Pfadfinderveranstaltungen, Morgen-         Lebensjahren ist in der Literatur sehr uneinheitlich.
und Abendrunden und das Erleben von Spiritualität     Nach deutschem Recht gelten als Jugendliche sol-
prägen Kinder.                                        che Personen, die über 14 und unter 18 Jahren alt
                                                      sind. Mit 18 Jahren gelten junge Menschen als voll-
Leiterinnen und Leiter können durch den Umgang        jährig und sind somit rechtlich unabhängig von
mit dem eigenen Glauben wichtige Wegbegleiterin-      ihren Eltern. Diese Altersgrenze lässt sich jedoch
nen und Wegbegleiter sein.                            nicht an einzelnen biologischen, psychologischen
                                                      oder sozialen Merkmalen festmachen und begrün-
Pubertät                                              den. Soziologisch wird Jugend häufig weiter gefasst
Die wohl wesentlichste Veränderung durchlaufen        und dauert je nach Lebenssituation deutlich länger
Kinder in der Phase der Pubertät. Der Beginn der      als bis 18 Jahren.
Pubertät grenzt die Jugendphase von der Kindheit
ab. Während der Pubertät treten die bekannten kör-    In dieser Einführung in die Lebenswelt Jugendlicher
perlichen Veränderungen auf. Aber auch das „Ich“      geht es vornehmlich um Jugendliche in der Pfadfin-
rückt in den Fokus. Kinder beginnen zu erleben,       der- und Roverstufe, also um junge Menschen von
dass sie als Person Wirkung auf andere haben. Der     12 bis 20 Jahren.
Aufbau von sexueller Orientierung, das bewusste
Erleben von Mann- und Frau-Sein und die ersten        Identitätssuche
körperlichen Näherungen fallen in die Phase der       Während Kinder sich leicht in vorgegebene Rollen
Pubertät.                                             einfügen, ist die Altersgruppe der Pfadfinder und
                                                      Rover durch eine intensive Identitätssuche gekenn-
Freizeitverhalten                                     zeichnet, „in der Fragen nach den eigenen
Mit zunehmendem Alter können Kinder stärker           ethisch-moralischen, religiösen und politischen
eigene Wünsche nach Freizeitmöglichkeiten äußern      Überzeugungen sowie der anzustrebenden berufli-
und diese auch wahrnehmen. Größere Mobilität          chen und familiären Lebensführung aufgeworfen
ermöglicht einen größeren Aktionsradius, um Hob-      werden“ (Schäfers/Scherr 2005). Jugendliche der
bys nachzugehen.                                      Pfadfinder- und Roverstufe hinterfragen die
                                                      Lebensentwürfe ihrer Eltern, ihre Überzeugungen
Viel Zeit verbringen Kinder und Jugendliche mit       und Wertvorstellungen und suchen eigene Positio-
unterschiedlichen Medien, insbesondere dem Inter-     nen und Lebensziele. Dies betrifft insbesondere
net, dass auch crossmedial genutzt wird (Webradio,    auch ihre Rolle als Mann oder Frau.
TV-Sendungen, die als Podcasts geschaut werden).
                                                      Die Identitäts- und Sinnsuche ist kein in sich abge-
Werteempfinden und der Einsatz für                    schlossener Prozess, sondern zieht sich auch nach
andere                                                dem Ende der Pubertät durch das Leben junger
Kinder beginnen mit steigendem Alter auch             Erwachsener. Dabei können sich gefundene eigene
gesamtgesellschaftliche Phänomene einsortieren        Positionen immer wieder wandeln. Jugendliche
zu können. Die Möglichkeit der Beteiligung an Mit-    wählen eine Vielzahl ästhetischer Möglichkeiten,
bestimmungsprojekten der Kommunen sind Lern-          um sich und ihren Lebensstil zu inszenieren. Mit
felder für späteres Demokratieverständnis. Bereits    ihrer Kleidung, aber auch mit der Nutzung sprachli-
ab 14 Jahren können Kinder vor Ort bei Pfarrge-       cher Codes zeigen sie ihre Zugehörigkeit zu einer
meinderatswahlen wählen und so Verantwortung          bestimmten Gruppe und grenzen sich gleichzeitig
übernehmen. Aber auch durch Wahl zur Klas-            von anderen Gruppen ab.
sensprecherin oder zum Klassensprecher oder dem
Engagement in der Schülervertretung können sich       Obwohl diese Suche nach ihrem Lebensentwurf
Kinder mit Politik und Gesellschaft auseinanderset-   viele Jugendliche eint, kann man nicht von der
zen. Unrechtsempfinden prägt sich aus, die            einen Lebenswelt der Jugendlichen sprechen. Die
bewusste Einnahme von bestimmten Rollen sorgt         Heterogenität der Gruppe zeigt sich in verschiede-
für die Auseinandersetzung und Überprüfung des        nen Wertvorstellungen, Freizeitaktivitäten und
eigenen Werteverständnis.                             Lebenszielen.

                                                      Auseinandersetzung mit dem Glauben
                                                      Wie in allen Lebensbereichen hinterfragen viele
Die Lebenswelt von                                    Jugendliche auch ihre Bindung an die Kirche und
                                                      den Glauben. Die Bedeutung von Religiosität für
Jugendlichen                                          Jugendliche ist laut der Shell Jugendstudie 2010 (S.
                                                      204/205) zwar weiter auf dem Rückgang, das
Die genaue Eingrenzung von „Jugend“ nach              bedeutet allerdings nicht, dass Jugendliche nicht

                                                                                                              43
Modul 2

über dieses Thema nachdenken und an ihm interes-       einerseits den Druck auf die Schülerinnen und
siert sind. Gerade zu Beginn der Pubertät geht es      Schüler, stets gute Leistungen zu erbringen und
um Fragen wie den „Sinn des Lebens“ oder die Aus-      verringern andererseits ihre Freizeit. 28% der
einandersetzung mit Gut und Böse. 28% der katholi-     Jugendlichen erleben in ihrer Schullaufbahn min-
schen Jugendlichen geben in der Shell Studie von       destens einmal, dass ihre Versetzung gefährdet ist.
2010 an, dass sie in ihrem Glauben unsicher sind.      Für sie ist der schulische Druck besonders spürbar
Rein formell steht in den Jugendstufen die Firmung     (Shell 2010, S. 78).
oder Konfirmation an.
                                                       Auch wenn es in Deutschland theoretisch gleiche
Familie, Freunde, Partnerschaften                      Bildungschancen für alle Jugendlichen gibt, zeigt
In dieser Zeit der ständigen Neubewertung von          sich, dass der Bildungshintergrund der Eltern für
Lebensentwürfen und Wertvorstellungen streben          den schulischen Erfolg wichtiger als das tatsächli-
viele Jugendliche Sicherheit durch feste Bindungen     che Leistungsvermögen der Schülerinnen und
an. Die Bedeutung eines sicheren sozialen Netzwer-     Schüler ist – „Bildung wird sozial vererbt“ (Shell
kes aus Familie und Freunden als stabilisierendes      2010, S. 72). Dies drückt sich zum Beispiel in den
Element im Leben schätzen Jugendliche sehr hoch        Zahlen zum Abitur aus: 26% der Kinder aus der
ein.                                                   Unterschicht, aber 77% der Kinder aus der Ober-
                                                       schicht machen das Abitur (Schell, 2010).
Das Verhältnis der Jugendlichen zu ihren Eltern ver-
ändert sich von der kindlichen Abhängigkeit zu grö-    Besonders für Jugendliche im Roveralter ist die
ßerer Eigenständigkeit und Unabhängigkeit. Das         Frage der beruflichen Ausrichtung eine der Schlüs-
Erziehungsmonopol der Eltern wird nicht mehr           selfragen. Für sie ist die Wahl einer schulischen oder
automatisch akzeptiert, sondern in Frage gestellt.     betrieblichen Ausbildung oder eines Studiums die
Die Erziehung durch Eltern und Lehrerinnen und         wohl bedeutendste Entscheidung, die sie bisher
Lehrer verliert an Bedeutung, während die Fähigkei-    treffen mussten. Während die bisherigen wichtigen
ten zur Selbsterziehung immer wichtiger werden         Lebensentscheidungen z.B. im Übergang von
(Merkens 1996a, 29ff.). Die Beziehung zu den Eltern    Grundschule zur weiterführenden Schule durch die
ändert sich von einer vermehrt abhängigen zu einer     Eltern geprägt wurden, treffen die Jugendlichen
vermehrt partnerschaftlichen, auch wenn die            nun selbst eine Wahl.
Jugendlichen finanziell häufig noch bis zum Ende
ihrer Ausbildung unterstützt werden. Jugendliche       Dabei sind die Möglichkeiten der Berufswahl heute
erleben ihre Eltern auf dieser Ebene als Unterstüt-    so groß, dass es für Jugendliche eine immense Her-
zung im Alltag und vertrauensvolle Partner bei Pro-    ausforderung ist, in diesem Angebot genau den
blemen. 90% beurteilen dabei das Verhältnis zu         richtigen Weg für sich zu finden. Diese Entgrenzung
ihren Eltern mit gut oder sehr gut (Shell 2010).       der theoretischen Möglichkeiten fasst der britische
                                                       Soziologe Anthony Giddens so zusammen: „Man
Mit der emotionalen wie auch räumlichen Ablösung       hat keine Wahl, außer zu wählen.“ Vielen Jugendli-
vom Elternhaus gewinnen selbst gewählte Bezie-         chen gelingt es gut, aus dem großen Angebot an
hungen zu Gleichaltrigen weiter an Bedeutung. In       Studiengängen, Ausbildungsberufen, Möglichkei-
Freundschaften zu Gleichaltrigen können Jugendli-      ten des Engagements im In- und Ausland (wie zum
che neue Formen von Gemeinsamkeit erleben und          Beispiel FSJ, Weltwärts, Au Pair) ihren Weg zu
emotionalen Rückhalt finden. Belastbare Freund-        finden.
schaften liegen in der Werteskala der Jugendlichen     Für Jugendliche mit Hauptschulabschluss oder
an erster Stelle.                                      ohne Schulabschluss sind die Chancen auf dem
                                                       Arbeitsmarkt deutlich geringer – für sie gibt es die
Im Pfadfinder- und Roveralter machen die meisten       Wahlfreiheit daher häufig nur in der Theorie. Diese
Jugendlichen auch ihre ersten Erfahrungen mit          10 –15 % der Jugendlichen blicken deutlich pessi-
einer Partnerschaft und erleben zum ersten Mal         mistischer in die Zukunft (Shell 2010).
Sex.
                                                       Freizeit
Positionierung für die Zukunft in                      In der Freizeit sind Jugendliche am ehesten unab-
Schule, Studium und Ausbildung                         hängig von der Einflussnahme Erwachsener. Hier
Die hohe Bedeutung von Bildung für den berufli-        können sie, frei von dem Druck, den sie in der
chen Erfolg und die Teilhabe an der Gesellschaft ist   Schule erleben, ihre Zeit selbst gestalten und ihren
in den Medien sehr präsent und wird von den aller-     Interessen nachgehen.
meisten Jugendlichen daher auch nicht in Frage
gestellt. Die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit     Die Freizeit wird für Jugendliche daher häufig als
sowie der Ausbau der Ganztagsschulen erhöhen           sinnstiftendes Element wahrgenommen und ist für

                                                                                                                44
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sie dementsprechend wichtig.                               oder „einbeziehen“.
Hier zeigt sich daher auch ganz besonders deutlich
die Heterogenität der Jugend. Ob Jugendliche auf           Inklusion bedeutet, dass alle Bereiche des öffentli-
dem Land oder in der Stadt aufwachsen, sich inten-         chen und gesellschaftlichen Lebens für alle Men-
siv mit einer Jugendkulturrichtung auseinanderset-         schen gleichermaßen zugänglich sind. Im Sinne der
zen, auf das Gymnasium oder die Hauptschule                Inklusion ist es völlig normal, unterschiedlich zu
gehen, schafft ganz andere Lebensumstände.                 sein, mehr noch: Vielfalt wird positiv wahrgenom-
                                                           men. Jeder Mensch soll vollständig und gleichbe-
Das Internet ist ein selbstverständlicher Teil der         rechtigt dabei sein können ganz unabhängig von
Freizeit von Jugendlichen. 96% der Jugendlichen            persönlichen Merkmalen wie zum Beispiel Herkunft,
haben Zugang zum Netz. Im Schnitt sind sie 12,9            Religion, Behinderung oder sexueller Orientierung.
Stunden in der Woche online – wobei sich auch hier         Inklusion als Haltung bezieht sich daher grundsätz-
große Unterschiede hinsichtlich des Nutzungsver-           lich auf ALLE Menschen und wird in der DPSG auch
haltens zeigen. Einige Jugendliche nutzen das Inter-       genau so gelebt und angestrebt.
net zum einen fü Online-Spiele, andere suchen vor
allem aktuelle Informationen oder neue Angebote            In diesem Baustein geht es nun aber speziell um die
in Online-Shops (Shell 2010). Sehr viele Jugendliche       Inklusion im Hinblick auf Behinderungen. Bezogen
sind in sozialen Netzwerken wie studivz oder face-         auf diesen Bereich war 2009 ein wichtiger Meilen-
book registriert und nutzen diese zur Kommunika-           stein (auf dem Weg zur Inklusion). Da hat Deutsch-
tion. Diese Generation wird auch „Digital Natives“         land damit begonnen, die UN-Behindertenrechts-
genannt, da sie eine Welt ohne das Internet gar            konvention umzusetzen. Dieses internationale
nicht kennen und ganz natürlich mit dessen Mög-            Übereinkommen stärkt die Rechte von Menschen
lichkeiten aufgewachsen sind.                              mit Behinderung und ihre Anerkennung als gleich-
                                                           berechtigte Mitmenschen.

                                                           Das bedeutet unter anderem, dass Kinder und
Inklusion in der DPSG                                      Jugendliche mit Behinderung nun ein Recht darauf
                                                           haben, genau wie alle Anderen auf eine Regelschule
Pfadfinden für ALLE                                        zu gehen anstatt auf eine Förderschule.
Die Lebenswelt von Kindern, Jugendlichen und jun-
gen Erwachsenen wird nicht nur vom jeweiligen              Auch die Inklusion in der Schule wird dazu beitra-
Alter und Entwicklungsstand bestimmt. Auch Fakto-          gen, dass junge Menschen mit und ohne Behinde-
ren wie Krankheiten und Behinderungen beeinflus-           rung immer öfter Zeit miteinander verbringen und
sen die Lebenswelt – sowohl direkt (z.B. durch kör-        Freunde werden. Und das wiederum bedeutet, dass
perliche Einschränkungen) als auch indirekt (z.B.          eine gemeinsame Freizeitgestaltung immer alltägli-
durch gesellschaftliche Benachteiligung). In diesem        cher wird – natürlich auch beim Pfadfinden.
Abschnitt geht es darum, wie Pfadfinden für alle
möglich wird und wie wir dadurch einen Beitrag zur           	Wo fängt „Behinderung” an?
sogenannten „Inklusion“ leisten können.                      	Inklusion beginnt im Kopf
                                                             	Wichtige Schritte zur gelingenden Inklusion
Was hat Pfadfinden mit Inklusion zu                          	Weitere Informationen und Materialien
tun?
„Die Pfadfinderidee ermöglicht jungen Menschen, das
eigene Leben zu entdecken und bewusst in die Hand zu       Wo fängt „Behinderung” an?
nehmen. Menschen mit und ohne Behinderung erfah-           Von einer Behinderung spricht man, wenn bei einer
ren sich in ihrer Selbständigkeit und als wechselseitige   Person bestimmte Funktionen dauerhaft einge-
Bereicherung“                                              schränkt sind, sodass sie nicht vollständig am
(aus der Ordnung der DPSG)                                 gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Behin-
                                                           derungen können den Bewegungsapparat, die
Bei der DPSG sind alle willkommen, jeder Mensch            inneren Organe, Sinnesorgane, die geistigen Fähig-
wird in seiner Einzigartigkeit geschätzt und geför-        keiten oder die seelische Gesundheit eines Men-
dert. Zudem setzen sich Pfadfinderinnen und Pfad-          schen betreffen. Rund zehn Prozent unserer
finder gemäß der Ordnung für ein gleichwertiges            Gesamtbevölkerung haben eine Behinderung. Mög-
und gleichberechtigtes Miteinander in der Gesell-          liche Ursachen von Behinderungen sind zum einen
schaft ein.                                                genetisch vererbte oder organische Veranlagungen
                                                           sowie Komplikationen bei der Geburt. Andere
Damit bekennt sich die DPSG eindeutig zur Inklu-           Behinderungen entstehen durch Unfälle oder die
sion. Dieser Begriff kommt vom lateinischen Verb           Einwirkung von Gewalt, Giften oder Schadstoffen
„includere“, was so viel heißt wie „einschließen“
                                                                                                                  45
Modul 2

im Laufe des Lebens.
Beispiele für verschiedene Arten von Behinderun-              	Epilepsie: Eine Krankheit, bei der durch Prozesse
gen sind                                                        im Gehirn unkontrollierbare Muskelkrämpfe und
                                                                Zuckungen ausgelöst werden, sogenannte „epi-
  	Trisomie 21: Das sogenannte „Down-Syndrom“                  leptische Anfälle“. Die meisten dieser Anfälle sind
    wird genetisch vererbt. Menschen mit                        ungefährlich und hören von selbst wieder auf, es
    Down-Syndrom sind in der Regel kognitiv beein-              besteht aber ein hohes Verletzungsrisiko beim
    trächtigt, bei der Ausprägung dieser Einschrän-             Hinfallen. Epileptiker/innen müssen Sportarten
    kung gibt es allerdings große Unterschiede. Teil-           meiden, bei denen ein epileptischer Anfall sie in
    weise hat die Trisomie 21 auch physische Folgen,            Gefahr bringen würde, oder spezielle Schutz-
    zum Beispiel Seh- oder Hörstörungen. Generell               maßnahmen treffen (z.B. durch das Tragen eines
    lässt sich feststellen, dass Gesehenes von Men-             Helms).
    schen mit Down-Syndrom leichter behalten wer-             	ADHS: Die Abkürzung steht für „Aufmerksam-
    den kann als Gehörtes.                                      keitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung“. Verursacht
  	Sehbehinderung und Blindheit: Sie kann ange-                wird ADHS durch Stoffwechselstörungen im
    boren sein oder durch Unfälle oder Krankheiten              Gehirn. Menschen mit ADHS fällt es zum Beispiel
    ausgelöst werden. Blinde Menschen orientieren               schwer, sich auf eine Sache zu konzentrieren,
    und bewegen sich in gewohnter Umgebung und                  ruhig sitzenzubleiben oder ihre Gefühle im Griff
    durch Hilfsmittel wie dem Taststock meist selb-             zu behalten. Teilweise finden Betroffene (oder
    ständig. Sie können lesen, indem sie mit ihren              auch deren Lehrer und Eltern) für den Alltag
    Händen Punkte auf Papier oder einer speziellen              wirksame Strategien, um den Alltag zu meistern.
    Tastatur erspüren. Im dichten Stadtverkehr oder             Teilweise müssen aber auch Medikamente einge-
    auf kurvenreichen Wegen im Grünen ist es für                nommen werden.
    eine blinde Person aber hilfreich, wenn sie sich
    bei einer sehenden Person einhaken kann.            Die Abgrenzung zwischen Behinderung und Beein-
  	Querschnittslähmung: Sie entsteht durch eine        trächtigung ist also schwierig. Zudem ist selbst
    Schädigung des Rückenmarks, was zum Beispiel        Behinderung nicht gleich Behinderung, sondern
    die Folge eines Verkehrsunfalls sein kann. Von      wird von jedem Menschen unterschiedlich erlebt.
    der Lähmung sind teilweise nur die Beine betrof-    Kategorien wie „Beeinträchtigung“ oder „Behinde-
    fen, teilweise aber auch Arme und Beine glei-       rung“ sollten beim Pfadfinden daher keine allzu
    chermaßen. Die Lähmung und Beweglichkeit            große Rolle spielen – denn nicht die jeweilige Ein-
    kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Men-    schränkung, sondern der Mensch steht bei uns im
    schen mit einer Querschnittslähmung sind in der     Mittelpunkt. Wir schieben niemanden vorschnell
    Regel auf einen Rollstuhl angewiesen. Damit sie     aufgrund ihrer oder seiner Behinderung in eine
    sich selbständig bewegen können, sind ebene         Schublade, sondern nehmen jeden Menschen so,
    Böden und Rampen wichtig.                           wie sie oder er ist, mit individuellen Stärken und
                                                        Schwächen. Auch beim Thema Inklusion kommt es
Die Bezeichnung „Behinderung“ ist generell nur          also vor allem auf eines an: „Look at the boy“ / „Look
eine Kategorie, die in der Praxis mit einer großen      at the girl“
Bandbreite an Einschränkungen und Folgen einher-
gehen kann. Es gibt Menschen mit Beeinträchtigun-       Inklusion beginnt im Kopf
gen, die sich in ihrer Teilhabe keineswegs behindert    Auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft, in der
fühlen. Umgekehrt können Menschen, die keine            alle Menschen die gleichen Rechte und Möglichkei-
Beeinträchtigung im klassischen Sinne haben, in         ten haben, müssen an vielen Stellen Barrieren abge-
ihrem Alltag dauerhaft Barrieren erleben.               baut werden. Manchmal fehlt es an Rampen, mit
                                                        denen man Stufen überwinden kann – oder an
Zum Beispiel durch eine körperliche oder seelische      Regelschulen, die den Bedürfnissen von Kindern
Krankheit/Störung wie etwa                              mit Behinderung6 entsprechen. Viele Barrieren aber
                                                        sind unsichtbar in unseren Köpfen.
  	Asthma: Chronische Erkrankung der Atemwege.
    Mögliche Folgen sind unter anderem Husten und
    Atemnot. Asthma kann mit Medikamenten
    behandelt und dadurch meist so unter Kontrolle
    gehalten werden, dass der Alltag kaum betroffen     6
                                                            Die Abgrenzung zwischen Behinderung und Beeinträchtigung ist wie

    ist. Menschen mit Asthma müssen allerdings ihre     beschrieben schwierig und beides kann im Pfadfinderalltag vorkommen. Der

    Atmung genau beobachten und dürfen sich kör-        Vollständigkeit halber müsste man daher hier immer von beidem sprechen. Für

    perlich nicht überfordern, beispielsweise beim      eine bessere Lesbarkeit beschränkt sich der Text auf den Begriff „Behinderung“,

    Sport.                                              damit kann gleichermaßen aber auch immer eine Beeinträchtigung gemeint
                                                        sein (z.B. durch eine Krankheit).

                                                                                                                                          46
Modul 2

Es kommt zum Beispiel häufig vor, dass wir…                 „Leidmedien“ (Link am Ende des Kapitels) sind
                                                            gut geeignet. Nun soll sich jede/r ein Bild
  	das Thema Behinderung gedanklich mit einem           aussuchen, das sie/er mit dem Thema Behinderung
    Gefühl von Mitleid oder Hilflosigkeit verknüpfen.    verbindet. Reihum wird gesagt, warum man das
    Das merkt man übrigens auch in den Medien –          jeweilige Bild gewählt hat und was es einem bedeu-
    achtet mal bewusst darauf, wie über behinderte       tet. Dann könnt ihr euch folgende Fragen stellen
    Menschen geschrieben wird.                           und darüber ins Gespräch kommen: Welche Bilder
  	verunsichert sind, wie wir uns gegenüber Men-        von Behinderung haben wir in unseren Köpfen?
    schen mit Behinderung verhalten sollen.              Welche Hemmungen und Unsicherheiten können
  	ein bestimmtes Bild von Behinderung im Kopf          wir erkennen? Was könnte jeweils dahinterstecken?
    haben und daraus automatisch Schlüsse ziehen,        Gibt es vielleicht auch andere Blickwinkel und Sicht-
    wenn wir Betroffenen begegnen.                       weisen, die die Barrieren in unseren Köpfen aushe-
                                                         beln können?
Solche Phänomene entsprechen unserer menschli-
chen Natur und sind uns oft gar nicht bewusst. Und         	in Gruppenstunden die Auseinandersetzung mit
doch bestimmen sie, wie wir mit den Themen                   verschiedenen Behinderungen und Beeinträchti-
Behinderung und Inklusion umgehen, ohne dass                 gungen einbringen. Das erweitert den Horizont
wir das merken. Zum Beispiel in der U-Bahn, wenn             und ist ein wirksames Mittel gegen Hemmungen
wir uns fragen, ob wir dem blinden Mann den Weg              und Unsicherheiten. Schaut euch zum Beispiel
zur Tür zeigen sollten. Oder in dem Moment, wenn             einen Film an, in dem das Thema Behinderung
eine Mutter anruft und fragt, ob ihr behinderter             eine Rolle spielt und besprecht anschließend
Sohn in die Gruppenstunde kommen kann.                       eure Eindrücke.
                                                           	bei Aktionen mit Kindern und Jugendlichen aus-
Hemmungen, Berührungsängste und bestimmte                    probieren, wie es ist eine Aufgabe mit einer Ein-
Denkmuster lassen sich nicht ausschalten wie ein             schränkung zu bewältigen (zum Beispiel mit ver-
Computer. Es macht auch wenig Sinn, sie zu ver-              bundenen Augen oder ohne zu sprechen).
leugnen. Es ist vor allem wichtig, dass wir uns diesen       Tauscht euch danach über eure Beobachtungen
Barrieren bewusst werden, sie hinterfragen und               und Erfahrungen aus.
über den Haufen werfen, wo es uns möglich ist.             	bei Aktionen oder Gruppenstunden spezielle
Denn manche äußere Barrieren (z.B. an Häusern                Sensibilisierungsmethoden und -spiele auspro-
oder draußen in der Natur) lassen sich nur schwer            bieren. Die findet ihr unter anderem auf der
überwinden, aber die Barrieren in unseren Köpfen             DPSG-Bundeshomepage oder in der Arbeitshilfe
haben wir selbst in der Hand.                                zur Jahresaktion 2014 „nix besonderes“ (Links am
                                                             Ende des Kapitels).
Es lohnt sich also, einen Blick auf die eigenen Hem-       	Möglichkeiten schaffen, bei denen Pfadfinderin-
mungen und Berührungsängste zu werfen, egal ob               nen und Pfadfinder direkt mit Menschen mit
es im eigenen Stamm Mitglieder mit Behinderung               Behinderung in Kontakt kommen. Berührungs-
gibt oder nicht. Schließlich sind alle Pfadfinder ein        ängste lösen sich nämlich bei persönlichen
Teil der Gesellschaft und damit mitverantwortlich            Begegnungen meist ganz automatisch in Luft
für Inklusion.                                               auf. Besucht zum Beispiel mal eine Werkstatt von
                                                             Menschen mit geistiger Behinderung oder ladet
Leiterinnen und Leiter können Behinderung zum                Vertreter/innen einer Vereinigung behinderter
Thema machen, indem sie…                                     Menschen (z.B. dem Blindenbund) oder einer
                                                             inklusiven Sportgruppe ins Pfadiheim ein und
  	in der Gruppenstunde oder Leiterrunde Fragen             kommt mit ihnen ins Gespräch.
    wie diese aufwerfen: Welche Erfahrungen habt
    ihr schon mit Menschen mit Behinderung
    gehabt? Seid ihr mit dem Thema Behinderung           Wichtige Schritte zur gelingenden
    schon in Kontakt gekommen? Inwiefern prägt           Inklusion
    das vielleicht euren Blickwinkel?
  	in der Gruppenstunde oder Leiterrunde verschie-          Offenheit
    dene Bilder auslegen, die etwas mit Behinderung        	Aufnahme eines Jungen oder Mädchen mit
    zu tun haben. Darauf können beispielsweise Kin-          Behinderung in die eigene Gruppe
    der oder Jugendliche mit Behinderung abgebil-            Inklusion im Pfadfinderalltag
    det sein, berühmte Persönlichkeiten oder Para-           Fazit
    lympics-Sportler/innen. Ihr könnt auch passende
    Zitate oder Schlagzeilen aus Zeitungsartikeln
    dazulegen. Auch Kampagnen-Bilder des Projekts

                                                                                                                 47
Modul 2

Offenheit                                                                       DPSG-Bundesebene orientieren (Link am Ende die-
Leiterinnen und Leiter müssen sich zunächst die                                 ses Kapitels) oder diesen direkt verwenden und spe-
grundlegende Frage stellen:                                                     zifische Infos zu eurem Stamm ergänzen.
                                                                                   	Präsentiert euch und das Pfadfinden nicht nur an
Wie offen ist unser Stamm für Inklusion?                                             Orten (z.B. Schulen), an denen es fast ausschließ-
                                                                                     lich Kinder und Jugendliche ohne Behinderung
Wie lässt sich Inklusion in unserem Stamm                                            gibt. Überlegt auch, wie ihr Kinder und Jugendli-
umsetzen?                                                                            che mit Behinderung erreicht – beispielsweise
                                                                                     über inklusive Sportgruppen und -vereine, Inklu-
Offenheit heißt dabei für eine Leiterrunde nicht,                                    sionsschulen oder Vereine von Menschen mit
sich zu irgendetwas zu verpflichten oder immer zu                                    Behinderung.
100% allen Erwartungen gerecht zu werden (denn
das schafft niemand). Es geht darum, sich grund-                                Aufnahme eines Jungen oder Mädchen mit Behin-
sätzlich für das Pfadfinden mit und ohne Behinde-                               derung in die eigene Gruppe
rung einzusetzen. Wenn das der Fall ist, stellt sich
direkt die nächste Frage:                                                       Wenn ihr angefragt werdet, ob ein Junge oder Mäd-
                                                                                chen mit einer Behinderung in eure Gruppenstunde
Fühlen sich auch wirklich ALLE bei uns willkommen?                              kommen kann, empfiehlt es sich neben den übli-
                                                                                chen Fragen (Name, Alter usw.) zunächst folgendes
Die Frage kommt euch vielleicht komisch vor, u.a.                               zu klären:
weil das Motto der DPSG-Behindertenarbeit „nix
besonderes“ ist – Menschen mit Behinderung gehö-                                  	Welche körperlichen, geistigen oder sozialen Ein-
ren bei uns ganz selbstverständlich mit dazu. Wir                                   schränkungen liegen vor?
neigen daher dazu, Inklusion nicht groß zum Thema                                 	Welche besonderen Bedürfnisse hat das Kind
zu machen, sondern sie einfach zu leben. Und da                                     (bzw. die/der Jugendliche)?
spricht grundsätzlich natürlich nichts dagegen. Lei-                              	Was fällt ihr oder ihm jeweils im Alltag eher
der ist es aber so, dass es in unserer Gesellschaft                                 leicht, was eher schwer?
generell (noch) keine Selbstverständlichkeit ist, dass
Jugendverbände für Menschen mit Behinderung                                     Wichtig ist in dieser Situation, dass Leiterinnen und
offen sind. Wenn wir also nicht über Inklusion in der                           Leiter kein vorschnelles Urteil fällen, sondern sich
DPSG reden, kann es sein, dass Kinder und Jugendli-                             zunächst ein eigenes Bild machen. Ladet das Kind,
che mit einer Behinderung nie erfahren, dass sie bei                            die oder den Jugendlichen mit Beeinträchtigung in
uns willkommen wären. Oder dass die Eltern eines                                die Gruppenstunde ein. Solltet ihr auf Behinderun-
behinderten Kindes gar nicht auf die Idee kommen,                               gen treffen, mit denen ihr im Vorfeld noch keine
dass ihr Kind bei den Pfadfindern mitmachen                                     Erfahrung gemacht habt, dauert es vielleicht eine
könnte.                                                                         Zeit lang, bis alles rund läuft und routinierte Abläufe
Was können Leiterinnen und Leiter tun?                                          erfolgen können. Scheut euch nicht um Hilfe zu bit-
                                                                                ten, mit dem Kind zu sprechen, die Eltern einzube-
    Schreibt bei der Vorstellung eures Stammes und                             ziehen, Beratung einzuholen (z.B. Organisationen
      eurer Gruppen (egal ob auf einem Flyer oder                               der Behindertenhilfe vor Ort anfragen).
      der Homepage) doch dazu, dass bei euch alle
      willkommen sind, d.h. egal welcher Religion sie                           Vor der ersten gemeinsamen Gruppenstunde kann
      angehören, aus welchem Land sie kommen, ob                                es Sinn machen, mit den bisherigen Mitgliedern der
      sie eine Behinderung haben oder nicht. Dann                               Gruppe über den Neuankömmling zu sprechen –
      fühlen sich gleichzeitig zum Beispiel auch Men-                           zum Beispiel, wenn es um einen Jungen mit Autis-
      schen mit Flucht- und Migrationshintergrund                               mus geht, dessen Verhalten die Anderen ansonsten
      eingeladen.                                                               unter Umständen irritieren könnte.
  	Entwerft und veröffentlicht einen Flyer in „Leich-
    ter Sprache“7, um euren Stamm und das Pfadfin-                              Meist empfiehlt es sich, an diesem Punkt nochmal
    den auch Menschen mit einer geistigen                                       die Eltern einzubeziehen, die ggf. den erhöhten
Behinderung oder Lernbehinderung vorstellen zu                                  Betreuungs-/Unterstützungsaufwand gut einschät-
können. Ihr könnt euch dabei am Flyer der                                       zen können. Bevor ihr das Kind bzw. die/den
                                                                                Jugendliche/n in die Gruppe aufnehmt, ist es
7
    Leichte Sprache wird eingesetzt, um Texte für Menschen mit geistigen        sinnvoll, mit dem Kind oder der/dem Jugendlichen
Behinderungen oder Lernbehinderungen verständlicher zu machen. Sie ist aber     und/oder ihren/seinen Eltern folgende Fragen zu
auch hilfreich für Menschen, die nicht so gut Deutsch sprechen. Wichtig bei     klären:
der Leichten Sprache ist zum Beispiel, dass man nur einfache Wörter und kurze
Sätze verwendet. Das „Netzwerk Leichte Sprache“ (siehe Links) bietet einen
guten Überblick über die Regeln.

                                                                                                                                          48
Modul 2

  	Was ist im Umgang mit dem Kind (oder der/dem            	Sprecht ganz offen mit dem jeweiligen Mädchen
    Jugendlichen) zu beachten?                                oder Jungen (und ggf. auch den Eltern) über
  	Wie kann der Gruppenalltag ihren/seinen                   ihre/ seine Behinderung und deren Folgen. Auch
    Bedürfnissen entsprechend gestaltet werden?               in der Gruppe darf die Behinderung kein Tabu-
    Müssen Medikamente eingenommen werden?                    Thema sein. Fragen sind ausdrücklich erlaubt,
    Was ist in Notfällen zu tun?                              wobei persönliche Grenzen aber respektiert wer-
  	Wie sind die Eltern bei Rückfragen oder im Not-           den müssen.
    fall erreichbar?                                        	Achtet gleichzeitig darauf, dass nicht nur die
                                                              Behinderung, sondern der ganze Mensch gese-
Sprecht klar und deutlich an, wenn ihr das Gefühl             hen wird – mit seiner individuellen Persönlich-
habt, dass mehr von euch erwartet wird, als ihr leis-         keit, seinen Stärken und Schwächen.
ten könnt. Den Eltern sollte von Anfang an bewusst          	Achtet auf Augenhöhe, vermeidet Bevormun-
sein, dass ihr ehrenamtliche Leiterinnen und Leiter           dung. Das heißt konkret: Gebt einem Kind (bzw.
seid, nicht etwa Therapeuten oder speziell ausgebil-          Jugendliche/n) mit Behinderung Raum sich aus-
dete Fachkräfte der Heil- oder Sonderpädagogik.               zuprobieren. Unterstützt sie/ihn nur, wenn das
                                                              gewünscht ist. Und lasst sie/ihn selbst Entschei-
Das Leitungsteam sollte sich nach der ersten Begeg-           dungen treffen.
nung nochmal in Ruhe Gedanken machen, wie es zu             	Besprecht gemeinsam mit dem Kind (bzw.
der Neuaufnahme steht. Es ist natürlich auch ent-             Jugendliche/n) und ggf. den Eltern, wie die Teil-
scheidend, ob sich das jeweilige Kind oder die/der            nahme am Gruppenalltag, aber auch an Lagern
Jugendliche in der Gruppe wohlgefühlt hat. Fol-               und Fahrten gut gelingen kann. Es ist nicht
gende Fragen können bei der Orientierung helfen:              schlimm, wenn bei manchen Aktionen nicht alle
                                                              in gleicher Art und Weise mitmachen können,
  	Haben wir im Stamm schon Erfahrungen mit                  solange das für alle Beteiligten okay ist.
    Inklusion? Wie können wir aus unseren bisheri-          	Findet bei Herausforderungen gemeinsam krea-
    gen Erfahrungen lernen und darauf aufbauen?               tive Lösungen. Bindet dabei auch die Leiterrunde
  	Welche Herausforderungen könnten auf uns als              mit ein und fragt bei Bedarf auch externe Expert/
    Leiter/innen zukommen, wenn wir uns für die               innen wie etwa Beratungsstellen für Inklusion.
    Aufnahme entscheiden?                                   	Falls durch den Mehrbedarf an Unterstützung
  	Trauen wir uns zu, diese Herausforderungen zu             oder Betreuung zusätzliche Kosten entstehen
    bewältigen?                                               (z.B. weil ein persönlicher Assistent mit aufs
  	Haben wir die nötigen Ressourcen im Leitungs-             Lager fährt), könnt ihr spezielle Zuschüsse bean-
    team, nach wie vor allen Kindern/ Jugendlichen            tragen (siehe Links am Ende des Kapitels). Fragt
    der Gruppe gerecht zu werden?                             auch bei den Eltern des Kindes/ des Jugendli-
                                                              chen nach, ob sie noch Ideen oder Kontakte
Es muss nicht alles perfekt sein, wichtig ist, dass es        haben, die euch dabei weiterhelfen können.
für beide Seiten gut ist und keine Seite überfordert        	Reflektiert im Leitungsteam (und ggf. mit Einbin-
ist. Dabei sollte nicht nur auf das Kind oder die/den         dung der Gruppe) regelmäßig, wie es mit der
Jugendliche/n geachtet werden, auch ihr als Leiter/           Inklusion im Pfadfinderalltag läuft, und überlegt
innen und die Gruppe sollten dabei berücksichtigt             ggf. gemeinsam, was noch verbessert werden
werden. Wenn es dem Kind bzw. der/dem Jugendli-               könnte.
chen nicht gut geht oder die Gruppe gefährdet ist
(und auch die Hilfe von außen zu keiner Verände-          Fazit
rung beitragen konnte), dann kann es nötig sein, für      Wenn bei uns in der DPSG Inklusion gelebt wird, ist
die betreffende Person eine andere Freizeitmög-           das nicht nur ein Gewinn für junge Menschen mit
lichkeit zu suchen.                                       Behinderung, die dadurch Pfadfinderinnen und
                                                          Pfadfinder werden können. Es ist ein Gewinn für uns
Schlussendlich ist es wichtig, dass ihr euch als Leite-   alle, weil sich unser Horizont erweitert und Team-
rinnen und Leiter über eure Möglichkeiten, aber           work eine ganz neue Bedeutung bekommt. Ein
auch Grenzen bewusst werdet. Wenn ihr euch über-          gemeinsames Pfadfinden mit und ohne Behinde-
fordert und der Situation nicht gewachsen fühlt,          rung ist in der Praxis oft leichter als anfangs ange-
habt keine Hemmungen „Nein“ zu sagen.                     nommen. Wir müssen dafür nur unsere eigenen
                                                          Hemmungen überwinden, uns darauf einlassen und
                                                          offen aufeinander zugehen. Denn die meisten Barri-
Inklusion im Pfadfinderalltag                             eren sind in unseren Köpfen.
Als Leiterinnen und Leiter einer inklusiven Gruppe        Wenn wir es schaffen, die zu überwinden, findet
solltet ihr folgendes beachten:

                                                                                                                  49
Modul 2

sich für fast alle Fragen und Herausforderungen
eine Lösung.                                               	Kinder stärken
                                                           	Leben in Gemeinschaft
                                                           	Mitbestimmung und Mitgestaltung
Weitere Informationen und Materialien                        Sich dem Glauben nähern
Aktionsheft zur Jahresaktion „nix besonderes 14+“:
http://dpsg.de/de/aktionen/jahresaktion/jahresak-
tion-2014/downloads.html                                 Wölflingszeichen
                                                         Um diese Ziele zu erreichen, haben wir die fünf
Foto-Kampagne des Projekts „Leidmedien“: http://         Wölflingszeichen.
leidmedien.de/
                                                           	Wölflinge entdecken die Welt
Fördermöglichkeiten der Aktion Mensch (weitere             	Wölflinge halten zusammen
Förderungen gibt es über die Jugendringe, infor-           	Wölflinge sind selbstbewusst
miert euch dafür auf Bezirks- und Landesebene):            	Wölflinge mischen mit
https://www.aktion-mensch.de/projekte-engagie-             	Wölflinge begegnen Gott
ren-und-foerdern/foerderung/foerderprogramme/
kinder-und-jugendhilfe.html                              In diesen Bereichen können sich Wölflinge auspro-
                                                         bieren und Neues entdecken.
Film-Tipps zum Thema (Beispiele):
„Ziemlich beste Freunde“, „Verstehen Sie die             Strukturen und Methoden
Beliérs?“, „Vincent will Meer“, „Jenseits der Stille“,   Damit Wölflinge dieses Abenteuer bestehen kön-
„Erbsen auf halb sechs“, „Gold – Du kannst mehr als      nen, bedarf es Strukturen und Methoden zur Orien-
du denkst“                                               tierung. In unserer Ordnung haben wir folgende
                                                         Methoden und Strukturen benannt.
DPSG-Flyer in Leichter Sprache:
http://dpsg.de/de/fuer-mitglieder/logos-design/            	Entdecken
vorlagen/vorlagen-print/infofolder-vorlage-druck-          	Meute und Rudel
daten.html                                                 	Mitbestimmung und Mitgestaltung
                                                           	Pfadfindergesetz und Versprechen
Sinnesspiele und Co auf der DPSG-Seite Behinder-           	Projektmethode
tenarbeit: http://dpsg.de/de/themen/behinderten-           	Wölfi
arbeit/fuer-leitungsteams.html
                                                         Leitungsverständnis
Infos zur Leichten Sprache: http://leichtesprache.       Hierzu benötigen Wölflinge Leiterinnen und Leiter,
org/index.php/startseite/leichte-sprache/                welche sie auf ihrem Weg begleiten, leiten und
das-ist-leichte-sprache                                  beschützen. Sie leben Glaubensinhalte vor und
                                                         sind Vorbild für Wölflinge. Sie geben den Wölflin-
Mehr Informationen: http://dpsg.de/de/themen/            gen Orientierung bei ihrer Suche nach Werten und
Behindertenarbeit.html                                   ihren Platz in der Welt.

Kontakt zum Bundesarbeitskreis Behindertenarbeit:        Die Leiterinnen und Leiter übernehmen Verantwor-
behindertenarbeit@dpsg.de                                tung für den Einzelnen und die Gruppe. Sie fördern
                                                         die Stärken der Kinder und geben Verantwortung
                                                         ab. Dies gelingt nur, wenn die Gruppenleiterinnen
                                                         und Gruppenleiter in einem Team zusammenarbeiten.

Stufenpädagogik in der
                                                         Wichtig ist es, bei allem was ihr tut auf die einzelnen
Wölflingsstufe                                           Wölflinge in euren Gruppen zu schauen – look at
                                                         the boy, look at the girl. Hierzu ist es notwendig,
Ziele der Wölflingsstufe                                 einen Blick auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten der
Wölflinge sind voller Entdeckungs- und Tatendrang.       Kinder zu nehmen. Zu bemerken, wenn Kinder mit
Sie sind neugierig, kreativ und Expertinnen und          Aufgaben und Situationen überfordert sind. Aus-
Experten für ihre eigenen Belange. Daher hat sich        probieren, was euren Wölflingen Spaß macht und
die Stufe folgende Ziele gesetzt:                        sich zu vergewissern, aus welchem Lebensumfeld
                                                         die Kinder kommen. Stellt euch doch einmal ein
                                                         paar Fragen: Wie stark ist die Gemeinschaft?

                                                                                                                   50
Modul 2

Kann sich jeder Wölfling einbringen? Fühlen sich die    eigenständigen und selbstbewussten
Kinder wohl? Wo gibt es Konflikte und warum gibt        Persönlichkeiten.
es sie? Ihr könnt euch Rat und Tipps in Büchern, im
Internet, im Austausch mit anderen Leiterinnen und      b) die Verantwortung gegenüber anderen
Leitern suchen, bedenkt aber, dies immer auf eure
Gruppensituation zu übertragen. Die Bedürfnisse         Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder finden in
und Interessen der Wölflinge sind wichtig und müs-      den anderen Truppmitgliedern Gleichgesinnte. Sie
sen ernst genommen werden.                              sind in der Lage, auch die Gefühle der anderen
                                                        wahrzunehmen und lernen, auf diese Rücksicht zu
Learning by Doing                                       nehmen. Alle Mitglieder des Trupps achten sich
Ein weiterer Grundstein der Pfadfinderei ist “lear-     gegenseitig, respektieren die Meinungen und Posi-
ning by doing”. Die Meutenarbeit hält hier beson-       tionen der anderen und stehen füreinander ein.
dere Möglichkeiten bereit. Wölflinge können versu-      Darüber hinaus werfen sie einen Blick über den
chen, ausprobieren und so gemeinsame                    eigenen Tellerrand. Sie übernehmen Verantwor-
Erfahrungen sammeln. Es geht nicht wie in der           tung für ihr Umfeld und für die Gesellschaft, in der
Schule um Leistung und Wissensstoff, welcher ver-       sie leben.
mittelt werden muss. Ein sicherer und vertrauens-
voller Rahmen erleichtert Kindern das Lernen und        c) die Verantwortung gegenüber Gott
fördert sie in ihrer Entwicklung.
                                                        Mit Hilfe ihrer Leiterinnen und Leiter reflektieren
Mitbestimmung und Mitgestaltung                         Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder ihre
Wenn ihr die Kinder mit ihren Interessen, Bedürfnis-    Beziehung zu Gott. Sie beginnen, den vorgelebten
sen und Meinungen ernst nehmt, ist dies die Basis       Glauben zu hinterfragen, ihn für sich selbst zu ent-
für Mitbestimmung und Mitgestaltung. Wölflinge          decken und entwickeln ihn weiter. Jungpfadfinder-
übernehmen mehr Verantwortung für sich selber           innen und Jungpfadfinder begreifen die Welt als
und die Gemeinschaft. Dies gilt es zu fördern und zu    Gottes Schöpfung und verstehen, dass auch sie ver-
unterstützen, um sie zu mündigen Bürgerinnen und        antwortlich dafür sind, sie zu schützen.
Bürgern zu erziehen.
                                                        Die Abenteuerbereiche
                                                        Das Leben als Abenteuer begreifen. So steht es in
                                                        der Ordnung der DPSG. Wesentliche Orientierung
                                                        für Leiterinnen und Leiter bieten dazu die sechs
Stufenpädagogik in der                                  Abenteuerbereiche der Jungpfadfinderstufe
                                                        (gekürzt aus der Ordnung zusammengefasst).
Jungpfadfinderstufe
                                                        Abenteuer Ich – finde dich selbst
Ziele der Jungpfadfinderstufe
Jungen und Mädchen im Alter von 9 bis 13 Jahren         Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder lernen
sind Mitglied in der Jungpfadfinderstufe. In diesem     sich auszuprobieren und ihren Platz im Trupp zu fin-
Alter stellt das Leben ein großes Abenteuer dar. Die    den. Sie lernen aus Erfahrungen, wissen um ihr Kön-
eigene Entwicklung, das Engagement in der Gesell-       nen, mögen sich so wie sie sind und gehen ihren
schaft und die Auseinandersetzung mit dem Glau-         eigenen Weg.
ben sind die zentralen Inhalte der Stufe. Diese
Inhalte verfolgen drei Ziele, die in der Ordnung der    Abenteuer Trupp - finde Freundinnen und Freunde
DPSG formuliert sind.
                                                        Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder akzeptie-
a) die Verantwortung gegenüber sich selbst             ren andere wie sie sind, hören aufeinander, unter-
                                                        stützen sich gegenseitig und achten aufeinander.
Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder setzen           Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder machen
sich mit der eigenen Gefühlswelt, ihren Interessen,     sich gemeinsam auf den Weg.
Leidenschaften und Bedürfnissen auseinander. Sie
hinterfragen, was sie fühlen und sind in der Lage, so   Abenteuer Gesellschaft - mich dich ein
zu handeln, dass sie dabei Rücksicht auf ihre eige-
nen Gefühle nehmen. Jungpfadfinderinnen und             Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder gehen
Jungpfadfinder erkennen, was für sie wichtig ist        mit offenen Augen durch die Welt, übernehmen
und entwickeln daraufhin eigene Meinungen und           Verantwortung für sich und andere, machen sich
Positionen. Sie setzen sich mit sich selbst auseinan-   stark gegen Ungerechtigkeit und hinterlassen die
der und werden so mehr und mehr zu                      Welt besser als wir sie vorgefunden haben.

                                                                                                               51
Modul 2

Abenteuer Glaube - denk darüber nach                      Höhen und Tiefen und sind auf der Suche nach sich
                                                          selbst und der eigenen Identität. War noch in der
Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder erleben,           Jungpfadfinderstufe eher das Elternhaus der ein-
dass der Glaube an Gott ihnen gut tut, finden ihren       flussreichste Faktor, übernimmt dies zunehmend
eigenen Glauben und hinterfragen den vorgelebten          der Freundeskreis. Er spielt eine wichtige Rolle in
Glauben. Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder           der persönlichen Entwicklung der Jugendlichen
gestalten und feiern den Glauben in ihrer                 und bietet die nötige Sicherheit, die die Jugendli-
Gemeinschaft.                                             chen brauchen, um eigene Entscheidungen zu tref-
                                                          fen und sich vom Elternhaus zu lösen. Neben dem
Abenteuer Vielfalt - entdecke die Welt                    Freundeskreis spielen auch Partnerschaften eine
                                                          Rolle im Leben von Jugendlichen. Jugendliche sind
Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder sind neu-          auf der Suche nach sich selbst. Zu diesem Prozess
gierig, blicken über den Tellerrand und sind offen        gehört auch das Ausprobieren und die Identifika-
für Andere und Anderes. Sie begegnen Menschen             tion mit unterschiedlichen Jugendkulturen. Mode,
anderer Länder und Kulturen und erleben Vielfalt.         Musikgeschmack und Lebensstil wechseln, Vorbil-
                                                          der sind häufig gleich alt oder älter und stammen
Abenteuer Leben – lass es krachen                         aus dem direkten Umfeld beispielsweise aus der
                                                          Schule oder dem Freundeskreis. Auch die eigenen
Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder sind all-          Leiterinnen und Leiter werden von den Jugendli-
zeit bereit und mutig das Unmögliche auszuprobie-         chen als wichtige Vorbilder wahrgenommen. Die
ren. Sie wachsen über sich hinaus, haben Spaß und         eigenen Grenzen werden ausgetestet und mit
feiern ihre Freiheit.                                     zunehmendem Alter akzeptieren die Jugendlichen
                                                          ihre Individualität. Eine weitere wichtige Lebens-
Leitungsverständnis                                       welt, in der die Jugendlichen einen Großteil ihrer
Junge erwachsene Männer und Frauen sind als Lei-          Zeit verbringen, ist die Schule. Dabei sind sie einer-
tungsteam Teil des Jungpfadfindertrupps. Sie              seits noch mitten in ihrer schulischen Ausbildung,
begleiten Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder          gleichzeitig müssen sie sich bereits erste Gedanken
bei ihren Abenteuern und der Entwicklung des und          über ihre berufliche Zukunft machen. Dabei müssen
der Einzelnen.                                            sie zum ersten Mal Entscheidungen treffen, die sich
                                                          unmittelbar auf das weitere Leben auswirken. Auch
Leiterinnen und Leiter machen Mut und ermögli-            die Jugendlichen, die wenig oder keine Möglichkeit
chen so dem Trupp, sich neue Ziele zu setzen und          der Auseinandersetzung beziehungsweise keine
diese zu erreichen. Das Leitungsteam trägt Verant-        Berührungspunkte mit Spiritualität, Religion und
wortung, dass die Ziele und Inhalte der Jungpfad-         Kirche haben, interessieren sich für Sinnfragen. Ins-
finderstufe eingehalten werden. Hierbei nehmen            gesamt sind sie aufgeschlossen gegenüber anderen
sie die Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder als        Religionen und Konfessionen. Eine zentrale Rolle
Expertinnen und Experten ihrer eigenen Lebens-            spielen gemeinsame Werte. Digitale Medien haben
wirklichkeit wahr. Dadurch wird gewährleistet, dass       einen großen Einfluss auf die Jugendlichen. Mithilfe
das Programm von intensiven Erlebnissen und nicht         der digitalen Medien haben Jugendliche die Mög-
von Aktionismus geprägt wird.                             lichkeit, rund um die Uhr online zu sein und mit
                                                          ihren Freundinnen und Freunden in Kontakt zu tre-
Leiterinnen und Leiter setzen sich inner- und außer-      ten. Diese Freiheit birgt aber auch Risiken. Jugendli-
verbandlich für die Belange und Interessen der Kin-       che müssen lernen mit diesen Herausforderungen
der ein. Sie bieten als Vorbilder Orientierung für ihre   umzugehen.“
Gruppenmitglieder. Deshalb müssen sie sich ihrer          (Aus der Ordnung der dpsg)
pfadfinderischen Werte, ihres Glaubens und ihrer
Geschlechteridentität bewusst sein und diese im
Trupp leben. Dies heißt auch, dass sie sich selbst        Ziele der Pfadfinderstufe
immer in Entwicklung befinden.
                                                            	In der Pfadfinderstufe entwickeln sich die
                                                              Jugendlichen zunehmend zu eigenständig den-
Stufenpädagogik in der                                        kenden und handelnden Menschen.
                                                            	Sie lernen, ihr eigenes Verhalten und ihre Ent-
Pfadfinderstufe                                               scheidungen kritisch zu hinterfragen.
                                                            	Pfadfinderinnen und Pfadfinder treffen ihre Ent-
„Während der Zeit in der Pfadfinderstufe durchlau-            scheidungen bewusst und handeln danach.
fen die Jugendlichen die Pubertät mit all ihren             	Pfadfinderinnen und Pfadfinder leben in der
                                                              Gemeinschaft ihres Trupps und ihrer Runde.

                                                                                                                   52
Modul 2

    Innerhalb dieser Gruppe entwickelt sich eine            und den Trupp angehen.
    eigene Kultur mit eigenen Regeln. Der Trupp           	Groß- und Kleingruppe (Trupp und Runde) als
    handelt gemeinsam und übernimmt gemeinsam               Möglichkeit des Rückzugs und der Geborgen-
    Verantwortung für Entscheidungen, Unterneh-             heit, aber auch als Ort der Auseinandesetzung
    men und Aktionen.                                       und von Konflikten zu erfahren.
  	Pfadfinderinnen und Pfadfinder erleben sich als       	Formen der Mitbestimmung kennenlernen, z.B.
    Teil der DPSG und der weltweiten                        durch die Runden- und Truppsprecher/innen
    Pfadfinderbewegung.                                     innerhalb der Gruppe und die Vertretung im
  	Die Jugendlichen in der Pfadfinderstufe setzen          Trupprat.
    sich aktiv für andere ein und übernehmen Ver-         	Die Relevanz der eigenen Stimme verstehen,
    antwortung. Dabei werden sie nicht nur in ihrem         aber auch die der Gruppe in der Vollversamm-
    direkten Umfeld aktiv.                                  lung der Pfadfinderstufe.
  	Sie kennen demokratische Strukturen und kön-
    nen sich in allen für sie relevanten Ebenen des     Wagt es - Orientierung
    Verbandes engagieren und ihre Themen                Die Lebenswelt und die Erfahrungsfelder in der
    einbringen.                                         Pfadfinderstufe finden besonderen Ausdruck in der
  	Sie vertreten die Runde oder den Trupp in den       „Wagt es“ - Orientierung. Hier stecken die Möglich-
    Strukturen, die im Stamm und im Verband dafür       keiten, sich mit dem Trupp gemeinsam auf den Weg
    vorgesehen sind (siehe Abschnitt Methoden).         zu machen, sich persönlich weiterzuentwickeln und
  	Pfadfinderinnen und Pfadfinder verstehen, dass      Orientierung zu finden. Es geht darum, die Zeit in
    sie durch ihr Handeln Einfluss auf die Gesell-      dieser Stufe zu nutzen und "es zu wagen".
    schaft nehmen können.
  	Pfadfinderinnen und Pfadfinder setzen sich kri-     Wag es, ...
    tisch mit Spiritualität, Glaube, Kirche und ande-   ... dein Leben zu lieben!
    ren Religionen und Konfessionen auseinander.        ... nach dem Sinn deines Lebens zu suchen!
    Dadurch gelangen sie zu eigenen Positionen und      ... deinen eigenen Lebensstil zu finden!
    Überzeugungen.                                      ... deine Augen aufzumachen!
                                                        ... deine Meinung zu vertreten!
Leitungsverständnis                                     ... den nächsten Schritt zu tun!
Durch die Ziele der Stufenpädagogik und die             ... dein Leben aktiv zu gestalten!
benannten Entdeckungs- und Handlungsfelder              ... dich für die Natur einzusetzen!
innerhalb der Pfadfinderstufe ergeben sich Anfor-       ... dich für Gerechtigkeit einzusetzen!
derungen an die Leiterinnen und Leiter. Diese fin-
den im Leitungsverständnis ihren Ausdruck:              Jede einzelne Pfadfinderin und jeder einzelne Pfad-
                                                        finder findet sich und ihre/seine Lebenswelt inner-
  	Leiten im Team und als Vorbild.                     halb der Gruppe so aufgenommen, dass die Gruppe
  	Impulsgeberin/Impulsgeber und Beraterin/Bera-       ihr/ihm für die gemeinsamen Wagnisse und Pro-
    ter sein, die/der Anstöße gibt, Ideen hinterfragt   jekte den nötigen Rückhalt bietet!
    und das gemeinsame Handeln als Ziel im Auge
    behält.
  	Durch einen partnerschaftlichen Leitungsstil Teil   Stufenpädagogik in der
    der Gruppe sein und mitten im Trupp leiten. Die
    einzelne Pfadfinderin / Den einzelnen Pfadfinder    Roverstufe
    in der Gruppe im Blick behalten und mit
    einbeziehen.                                        Unterwegssein
  	Eine gemeinsame Gesprächs- und Konfliktkultur       Roverin und Rover wird man in der Regel im Alter
    entwickeln.                                         von 16, frühestens aber mit 15. Die Zugehörigkeit
  	Sich mit dem Trupp gemeinsam auf den Weg            zur Roverstufe endet mit 20 Jahren.
    machen. Dieses Leitungsverständnis mündet in
    den pfadfinderischen Methoden und den Struk-
    turen, die innerhalb der Gruppenstunden und         Ein zentrales Ziel der Arbeit in der Roverstufe ist es,
    Projekte, aber besonders auf Hikes und in Lagern    Roverinnen und Rover das „Handwerkszeug“ zu ver-
    umgesetzt werden können:                            mitteln, damit sie selbständig über ihren Lebens-
  	Unternehmen gemeinsam planen, angehen,              weg bestimmen können. In der Stufenordnung wird
    erleben, feiern und reflektieren.                   Selbstbestimmung dabei auf die Roverinnen und
  	Die Auseinandersetzung mit dem Pfadfinderge-        Rover bezogen so verstanden: „Sie sind anderen
    setz und das Versprechen als gemeinsame und         Menschen und neuen Situationen gegenüber auf-
    verbindliche Entscheidung für die Gemeinschaft      geschlossen und nehmen die Herausforderungen

                                                                                                                  53
Modul 2

des Lebens an.“. Diese Fertigkeiten wird durch das           erkennen. Roverleiterinnen und Roverleiter sind
zentrale Element des „machens“ geschult, die Ord-            daher gute Zuhörerinnen und Zuhörer und stellen
nung fasst das so zusammen „Sie wissen, wann es              viele Fragen.
an der Zeit ist anzupacken, und tun es einfach.“.
                                                             In ihrer/seiner Funktion muss die Roverleiterin oder
Die Inhalte (Schwerpunkte) der Roverstufe sollen             der Roverleiter oft zwischen Selbstverantwortlich-
ermöglichen, dass Roverinnen und Rover diese Ziele           keit der Roverrunde und klaren Vorgaben abwägen.
erreichen. Sie sind im Detail in der Ordnung der             Die Unterstützung der Roverleiterinnen und -leiter
Roverstufe beschrieben und deswegen hier nur                 für ihre Roverrunde muss daher die ganze Band-
kurz umrissen:                                               breite von aktiver Leitung bis hin zur völligen
                                                             Zurückhaltung umfassen, um situationsgerecht das
  Während der Roverzeit verändert sich viel, man             Beste für die Roverrunde und die einzelne Roverin
       bekommt mehr Rechte, aber auch neue Pflichten.        und den einzelnen Rover zu erreichen. In den meis-
       Mit Roverinnen und Rover übernehmen Verantwor-        ten Fällen geht es jedoch nicht um die Entschei-
       tung wollen wir das zum Ausdruck bringen.             dung zwischen „aktiv eingreifen“ und „passiv
  Ausprobieren und Machen spielen in der Rover-             abwarten“, sondern um etwas dazwischen. Sowohl
       zeit eine wesentliche Rolle und geben jeder und       die Kultur in der jeweiligen Roverrunde als auch die
       jedem Einzelnen die Möglichkeit sich weiterzu-        Persönlichkeit der Roverleiterinnen und -leiter
       entwickeln. Roverinnen und Rover probieren (sich)     geben den Ausschlag, an welchen Stellen, inwieweit
       aus ist die Grundlage für Projekte in der             und mit welchem Selbstverständnis die Roverrunde
       Roverrunde.                                           angeleitet oder unangeleitet ihre Ziele verfolgt.
   Auf Fahrt gehen, draußen sein und neue, span-
       nende Leute kennenlernen sind Kennzeichen             Roverleiterinnen und Roverleiter helfen den
       unserer Stufe. Für uns ist es daher logisch, Rover-   Jugendlichen, die Entwicklungsziele der Roverstufe
       innen und Rover sind unterwegs.                       zu erreichen.
    Gute Leiterinnen und Leiter sind Vorbild, geben
       Motivation und schützen Freiräume. Darum sind         Dies beinhaltet für die Roverleiterinnen und
       wir überzeugt: Roverinnen und Rover haben Leite-      Roverleiter:
       rinnen und Leiter.
     Roverzeit ist eine geniale Zeit. Die Erlebnisse der      s ie zeigen Verständnis für die Gruppenprozesse
       Roverzeit tragen wir für immer Herz. Rover sein             und das Verhalten Einzelner;
       motiviert!                                               sie unterstützen die Roverinnen und Rover
      Roverinnen und Rover pflegen ihren eigenen Stil und         methodisch;
       ihre eigene Kultur, um sich bewusst mit der Runde         sie geben nachvollziehbares Feedback;
       und der Stufe, zu der sie gehören, identifizieren          sie sind Vorbild im Denken und Tun.
       zu können.
                                                             Diese Anforderungen an die persönliche Reife und
Diese Schwerpunkte dienen zur Orientierung in der            Kompetenz der Leitungspersönlichkeit erfordern
Arbeit mit und in der Runde. Sie bilden nicht das            eine gute Ausbildung und die Bereitschaft zur konti-
komplette Spektrum der Roverarbeit ab, zeigen                nuierlichen persönlichen Weiterentwicklung.
aber worauf wir als Roverstufe Wert legen.

Leitungsverständnis
Roverleiterinnen und Roverleiter unterstützen
Jugendliche auf dem Weg ins Erwachsenendasein,
indem Sie mit ihrem eigenen Lebensentwurf eine
Orientierung geben. Sie machen den Roverinnen
und Rovern ihre auf dem Lebensweg getroffenen
Entscheidungen transparent und sind authentisch.
Sie sind sich der spirituellen Quellen in ihrem Leben
bewusst und in der Lage, für Roverinnen und Rover
Ansprechpersonen für diese Themen zu sein, um
ihnen zu helfen, ihren eigenen Weg zu finden.

Roverleiterinnen und Roverleiter übernehmen in
der Roverstufe Jugendliche, welche eine unter-
schiedlich starke Leitungsrolle gewohnt sind. Um
ihren Leitungsstil anpassen zu können ist es sehr
wichtig, dass sie den Entwicklungsstand der Gruppe
                                                                                                                    54
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