BAUWERKVERTRAG UND "COVID-19" - JKU ePUB
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Eingereicht von Ing. Daniel Klaus Angefertigt am Institut für Zivilrecht Beurteiler Mag. Dr. Simon Laimer LL.M Oktober 2020 BAUWERKVERTRAG UND „COVID-19“ Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister der Rechtswissenschaften im Diplomstudium der Rechtswissenschaften JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Perg, 12.10.2020 Daniel Klaus Sprachliche Gleichbehandlung Soweit in dieser Arbeit natürliche personenbezogene Bezeichnungen nur in weiblicher oder männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. 12. Oktober 2020 2/68
BAUWERKVERTRAG UND „COVID-19“ Inhaltsverzeichnis I. Einleitung .............................................................................................................................................. 7 A. Problemaufriss und Einführung in die Thematik ................................................................................ 7 B. Gang der Untersuchung ..................................................................................................................... 7 II. TEIL 1 – „COVID-19“ und die Auswirkungen auf den Bauwerkvertrag .......................................... 8 A. „COVID-19“ – Ausgangslage .............................................................................................................. 8 1. Überblick COVID-19 Maßnahmengesetze bzw Verordnungen ..................................................... 8 2. Auswirkungen auf die Bauwirtschaft .............................................................................................. 9 B. Die Leistungsstörung beim Bauwerkvertrag ....................................................................................11 1. Risikozuordnung beim Bauwerkvertrag........................................................................................11 a) Risikoverteilung im ABGB ........................................................................................................11 b) Risikoverteilung in der ÖNORM B 2110 ...................................................................................18 c) Zwischenfazit ............................................................................................................................24 2. Unmöglichkeit der Leistungserbringung beim Bauwerkvertrag ....................................................24 a) Ausgangspunkt .........................................................................................................................24 b) § 1447 ABGB – zufällige nachträgliche Unmöglichkeit ............................................................25 c) Pkt 7.2.1 (3) Z 1 ÖNORM B 2110 – objektive Unmöglichkeit der vertragsgemäßen Ausführung der Leistungen ..............................................................................................................27 d) § 920 ABGB – nachträgliche, vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit ..........................28 e) § 1168 (1) S1 ABGB – Unterbleiben der Werkausführung ......................................................29 f) Zwischenfazit ............................................................................................................................32 3. Verzug beim Bauwerkvertrag .......................................................................................................32 a) Abgrenzung Verzug und Unmöglichkeit ...................................................................................32 b) Verzug beim Bauwerkvertrag ...................................................................................................33 c) Verzug des Werkunternehmers im Anwendungsbereich des ABGB .......................................34 d) Verzug des Werkunternehmers im Anwendungsbereich der ÖNORM B 2110 .......................36 e) Konventionalstrafe - § 4 2.COVID-19-JuBG ............................................................................38 f) § 1168 (1) S2 ABGB – Verzögerung der Werkausführung ......................................................42 g) Annahmeverzug des Werkbestellers ........................................................................................46 h) Zwischenfazit ............................................................................................................................48 C. Störung der Geschäftsgrundlage – taugliche Anspruchsgrundlage?...............................................48 1. Ausgangspunkt .............................................................................................................................48 2. Judikatur und das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage iZh mit Werkverträgen ..49 3. Meinungen in der Literatur im Zusammenhang mit COVID-19 ....................................................51 4. Zwischenfazit ................................................................................................................................54 12. Oktober 2020 3/68
III. TEIL 2 – Rechtliche Analyse besonderer Fallkonstellationen .......................................................54 A. Fragestellung 1 – Baueinstellung durch Werkbesteller ....................................................................54 1. Ausgangspunkt .............................................................................................................................54 2. Baueinstellung durch den Werkbesteller – Abbestellung oder Annahmeverzug .........................54 a) Anordnungsrecht des Werkbestellers? ....................................................................................54 b) Abbestellung des Werkes .........................................................................................................55 c) Annahmeverzug des Werkbestellers ........................................................................................55 3. Zusätzlicher Werklohnanspruch des Werkunternehmers iSd § 1168 (1) S2 ABGB ....................56 B. Fragestellung 2 – Baueinstellung durch Werkunternehmer .............................................................56 1. Ausgangspunkt .............................................................................................................................56 2. Leistungsverweigerungsrechte des Werkunternehmers ..............................................................56 3. Schadenersatzansprüche des Werkbestellers .............................................................................58 C. Fragestellung 3 – Baustelle befindet sich in Quarantänegebiet .......................................................58 1. Ausgangspunkt .............................................................................................................................58 2. Behördlich angeordnete Gebietssperre – Anspruch des Werkunternehmers bei einem ABGB- Vertrag ..................................................................................................................................................58 3. Behördlich angeordnete Gebietssperre – Anspruch des Werkunternehmers bei einem ÖNORM B 2110 Vertrag .....................................................................................................................................60 D. Fragestellung 4 – geänderter Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan .........................................61 1. Ausgangspunkt .............................................................................................................................61 2. Aufgabe des Bauarbeiterkoordinationsgesetzes ..........................................................................61 3. Stellt die Anpassung des SiGe-Plans eine Anordnung des Werkbestellers dar? ........................62 a) Aufgaben des Baustellenkoordinators......................................................................................62 b) Aufgabe des SiGe-Plan ............................................................................................................62 c) Angepasster SiGe-Plan – Anordnung des Werkbestellers? ....................................................63 IV. Fazit .................................................................................................................................................65 Literaturverzeichnis ...................................................................................................................................66 12. Oktober 2020 4/68
Abkürzungsverzeichnis aA andere Ansicht ABGB Allgemein bürgerliches Gesetzbuch Abs Absatz AG Auftraggeber allg allgemein AN Arbeitnehmer AschG Arbeitnehmerschutzgesetz BauKG Bauarbeiterkoordinationsgesetz BGBl Bundesgesetzblatt BlgNr Beilage(n) stenographischen Protokollen des NA bzw beziehungsweise COVID-19 Corona Virus Disease 2019 CuRe Onlinezeitschrift Manz dh das heißt E Entscheidung(en) ecolex Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht EKHG Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftungsgesetz ErlRV erläuternde Regierungsvorlage etc et cetera f folgende ff fortfolgende FN Fußnote FS Festschrift gem gemäß grds grundsätzlich GP Gesetzgebungsperiode hA herrschende Ansicht HB Handbuch hL herrschende Lehre Hrsg Herausgeber Jud Judikatur idF in der Fassung idR in der Regel idZ in dem Zusammenhang iSd im Sinne der(s) iSe im Sinne eines iZh im Zusammenhang iZm im Zusammenhang mit iVm in Verbindung mit lit litera Kap Kapitel krit kritisch L Lehre Lit Literatur lt laut 12. Oktober 2020 5/68
mE meiner Einschätzung MietSlg Mietrechtliche Entscheidungen mMn meiner Meinung nach MNS Mund-Nasen-Schutz mwN mit weiteren Nachweisen NA Nationalrat Nr Nummer NZ österreichische Notariatszeitung OGH Oberster Gerichtshof ÖVI österreichischer Verband für Immobilienwirtschaft ÖZW österreichische Zeitung für Wirtschaftsrecht RIS Rechtsinformationssystem Pkt Punkt RGBl Reichsgesetzblatt Rsp Rechtsprechung Rz Randziffer S Satz SiGe-Plan Sicherheits- u Gesundheitsschutzplan sog sogenannt(e) stRsp ständige Rechtsprechung tL Teil der Lehre ua unter anderen(m) u und uU unter Umständen v von(m) vgl vergleiche WB Werkbesteller WU Werkunternehmer zB zum Beispiel Z Ziffer z zu Zak Fachzeitschrift Zivilrecht aktuell zB zum Beispiel ZVB Fachzeitschrift für Vergabe- und Bauvertragsrecht zul zuletzt zust zustimmend zw zwischen 12. Oktober 2020 6/68
I. Einleitung A. Problemaufriss und Einführung in die Thematik Die rasante Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 stellt derzeit die Gesellschaft in jeglicher Hinsicht vor große Herausforderungen. Auch in der Bauwirtschaft sind die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie infolge staatlicher Zwangsmaßnahmen zur Eindämmung des Virus merklich spürbar. Materialknappheit, nicht verfügbare Arbeitskräfte aufgrund von Quarantänemaßnahmen, die Abriegelung von ganzen Gebieten aber auch die zusätzlichen Schutzmaßnahmen zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung des Virus stellen nicht nur die einzelnen Bauunternehmer vor erhebliche Herausforderungen sondern haben auch letztlich enorme Auswirkungen auf die einzelnen Bauvorhaben. Zweck dieser Diplomarbeit ist es, anhand der gesetzlichen Grundlagen die rechtlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf den Bauwerkvertrag zu analysieren. B. Gang der Untersuchung Die gegenständliche Diplomarbeit gliedert sich zunächst in zwei Teile. Teil eins behandelt die Auswirkungen der pandemiebedingten Maßnahmen auf den Bauwerkvertrag. In Teil zwei werden besondere Fallkonstellationen im Zusammenhang mit der Pandemie näher analysiert. Im Teil eins wird zunächst ein kurzer Überblick über die COVID-19 Maßnahmengesetze bzw über die einschlägigen Verordnungen gegeben u mögliche Auswirkungen in der Bauwirtschaft werden dargestellt. Anschließend wird das Leistungsstörungsrecht bei Bauwerkverträgen näher betrachtet. Im Rahmen dessen wird zunächst die Frage geklärt, welcher Vertragspartner die Risiken der COVID-19 Pandemie grds trägt. Dabei wird ein Vergleich zw ABGB und ÖNORM B 2110 Verträgen angestellt. In weiterer Folge wird die Leistungsstörung – insbesondere die der Unmöglichkeit der Leistungserbringung aber auch des Verzugs u die daraus resultierenden Ansprüche der Vertragspartner nach ABGB u ÖNORM B 2110 – behandelt. In einem nächsten Schritt wird versucht, ob das Rechtsinstitut der Wegfall bzw Störung der Geschäftsgrundlage im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie eine taugliche Anspruchsgrundlage darstellt. Im Teil zwei werden besondere Fallkonstellationen im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie betrachtet. Insbesondere mit den Fragen, welche Rechtsfolgen ausgelöst werden, wenn der Werkbesteller oder der Werkunternehmer aufgrund COVID-19 bedingter Umstände das Bauvorhaben einstellt. Aber auch die Frage welche rechtlichen Konsequenzen sich ergeben, wenn sich der Ort der Leistungserbringung in einem Quarantänegebiet befindet. Weiters soll die Frage beantwortet werden, ob die Übermittlung eines COVID-19 bedingten geänderten 12. Oktober 2020 7/68
Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan als Anordnung des Werkbestellers zu qualifizieren ist u der Werkunternehmer Anspruch auf Mehrkosten hat. Abschließend wird angemerkt, dass sich diese Diplomarbeit mit den Auswirkungen auf den Werkvertrag beschäftigt. Arbeitsvertragsrechtliche Auswirkungen werden im Zuge dieser Diplomarbeit nicht behandelt. II. TEIL 1 – „COVID-19“ und die Auswirkungen auf den Bauwerkvertrag A. „COVID-19“ – Ausgangslage 1. Überblick COVID-19 Maßnahmengesetze bzw Verordnungen Zur Eindämmung der Ausbreitung des COVID-19 Virus hat der Gesetzgeber zu Beginn der Pandemie das COVID-19 Maßnahmengesetz1 erlassen. Mit Hilfe dessen war es den Behörden erlaubt, das Betreten von bestimmten Orten zu untersagen. Auf Basis des § 2 COVID-19- Maßnahmengesetzes hatte der zuständige Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz – per Verordnung – ein allgemeines Betretungsverbot erlassen, mit dem das Betreten öffentlicher Orte verboten wurde.2 Für berufliche Zwecke war das Betreten des öffentlichen Raumes hingegen weiterhin zulässig, sofern am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Sicherheitsabstand von einem Meter eingehalten werden konnte.3 Insofern hat diese Ausnahmebestimmung für die Durchführung von Bauvorhaben besondere Bedeutung.4 Für bereits in Ausführung befindliche Bauvorhaben hatte dies zur Folge, dass ein Weiterbetrieb von Baustellen nur dann möglich war, wenn zw den ausführenden Arbeitern ein Sicherheitsabstand von einem Meter gewährleistet werden konnte. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Einhaltung des Sicherheitsabstandes bereits bei der An- und Abreise zur beruflichen Tätigkeit gewährleistet sein musste.5 Konnte hingegen der Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden, so mussten die Baustellen eingestellt werden. In weiterer Folge wurde in Zusammenarbeit von Baugewerbe, Bauindustrie, Gewerkschaft Bau-Holz mit dem zentralen Arbeitsinspektorat eine Handlungsanleitung für den Gesundheitsschutz auf Baustellen erarbeitet. Diese Handlungsanleitung ist durch den zuständigen Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz mittels Erlass für verbindlich erklärt worden.6 Demnach ist die 1 Siehe Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID- 19-Maßnahmengesetz), BGBl I 12/2020 idF 23/2020. 2 Siehe Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z1 des Covid-19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020. 3 Siehe § 2 Z 4 der Verordnung gemäß § 2 Z1 des Covid-19-Maßnahmengesetzes. 4 Vgl. Graf/Brandstätter, Rechtliche Auswirkungen von COVID-19 auf Bauvorhaben, ZaK (7/2020) 206. 5 Gallistel/Lessiak, COVID-19 und Betrieb von Baustellen, ZVB (4/2020) 171 (173). 6 Nach Gallistel/Lessiak, ZVB (4/2020), 173. 12. Oktober 2020 8/68
Durchführung der Arbeiten auch dann zulässig, wenn die Einhaltung des Sicherheitsabstandes nicht möglich ist, jedoch durch entsprechende – in der Handlungsanleitung angeführte – Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko reduziert werden kann. Darüber hinaus sah das COVID-19 Maßnahmengesetz für die Behörden die Möglichkeit vor, gesamte Landesgebiete aber auch einzelne politische Bezirke bzw Teile davon unter Quarantäne (zB Paznauntal) zu setzen.7 Weiters durfte das österreichische Staatsgebiet nur an bestimmten Stellen überschritten werden, weshalb es bei Grenzübergangsstellen zu kilometerlangen Staus kam.8 Auch der grenzüberschreitende Personenverkehr zu sämtlichen Nachbarstaaten Österreichs wurde durch Verordnungen erheblich eingeschränkt.9 Ausländische Staatsbürger durften nur dann einreisen, sofern sie einen negativen molekularbiologischen COVID-19 Test vorweisen konnten. Dieser Test durfte nicht älter als 4 Tage sein. Ansonsten war die Einreise nach Österreich seitens der Behörden zu verweigern. Gleiches galt bei Einreise von österreichischen Staatsbürgern. Konnte kein Test vorgelegt werden, so musste dieser eine 14- tägige Heimquarantäne antreten. Lediglich der Güterverkehr wurde von diesen Bestimmungen ausgenommen.10 2. Auswirkungen auf die Bauwirtschaft Neben dem Risiko, dass die Vertragsparteien bzw dessen Gehilfen am COVID-19 Virus erkranken könnten, haben vor allem die soeben angeführten staatlichen Beschränkungen erhebliche Auswirkungen auf die einzelnen Bauvorhaben11. Für den Werkunternehmer (in der Folge „WU“) besteht die Gefahr, dass die vertraglich vereinbarten Termine aufgrund diverser Umstände (Mitarbeiter befinden sich in Quarantäne, Mitarbeiter können nicht einreisen, Lieferengpässe, Abriegelung von ganzen Gebieten etc) nicht eingehalten werden können. Darüber hinaus haben die in der Handlungsanleitung angeführten Schutzmaßnahmen erhebliche Auswirkungen auf die einzelnen Bauvorhaben, welche nachfolgend überblicksmäßig zusammengefasst werden: Gem Pkt 212 sind Desinfektionsmittel bereitzustellen, um für eine regelmäßige Desinfektion der sanitären und sozialen Einrichtungen auf der Baustelle zu sorgen. Insbesondere Tischplatten, Stühle, Armaturen und Türgriffe sind in kurzen Reinigungsintervallen zu desinfizieren. 7 Siehe § 2 Z 2 u 3 COVID-19-Maßnahmengesetz. 8 Vgl. Verordnung des Bundesministers für Inneres über die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen zur Italienischen Republik und zur Bundesrepublik, BGBl II 84/2020 idF 202/2020 bzw Verordnung des Bundesministers für Inneres über die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen zur Schweizerischen Eidgenossenschaft, zum Fürstentum Liechtenstein, zur Tschechischen Republik und zur Slowakischen Republik, BGBl II 91/2020 idF 202/2020. 9 Vgl. Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über Maßnahmen bei der Einreise aus Nachbarstaaten, BGBI II 87/2020 idF 195/2020. 10 Vgl. § 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über Maßnahmen bei der Einreise aus Nachbarstaaten, BGB II 87/2020 idF 195/2020. 11 Vgl. Rabl, Covid-19-Risiko im Vertrag, CuRe 2020/36. 12 Die nachfolgend angeführten Punkte beziehen sich auf die Handlungsanleitung v 23.03.2020. 12. Oktober 2020 9/68
Nach Pkt 3 hat der WU für eine wirksame Trennung zw Arbeits- und Aufenthaltsräumen zu sorgen. Demnach soll durch eine zeitliche Staffelung oder örtliche Entflechtung aller Beteiligten gesorgt werden, damit der nötige Sicherheitsabstand, insbesondere beim Umkleiden oder in den Pausen, eingehalten werden kann. Arbeitsverfahren sollen entsprechend den technischen Möglichkeiten so geplant werden, dass die Anzahl der gleichzeitig arbeitenden Beschäftigten möglichst gering ist. Gem Pkt 4 ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutz (MNS) im Freien verpflichtet, wenn der Sicherheitsabstand von 1 Meter nicht eingehalten werden kann. In geschlossenen Räumen, in denen der Sicherheitsabstand nicht gewährleistet werden kann, ist ein MNS oder wenn verfügbar, das Tragen von Masken der Klasse FFP 1 notwendig. In geschlossenen Räumen mit beengten Verhältnissen müssen Atemschutzmasken oder zumindest Masken der Klasse FFP 2 verwendet werden. Darüber hinaus haben diese Maßnahmen erhebliche Auswirkungen auf die Produktivität der einzelnen Beschäftigten. Nach Pkt 6 besteht eine Minimierungspflicht beim Transport der Beschäftigten zu u von der Baustelle, damit der Mindestabstand zw den einzelnen Personen gewährleistet ist. Pkt 7 sieht vor, dass Schlafräume nicht mit mehr als einer Person belegt werden dürfen. All diese Maßnahmen führen dazu, dass die jeweiligen WU mit erheblichen Mehrkosten konfrontiert sind u letztlich auch Auswirkungen auf die vertraglich vereinbarte Bauzeit haben. Aber auch für den Werkbesteller (in der Folge „WB“) besteht aufgrund der staatlichen Beschränkungen ebenfalls die Gefahr, dass die Herstellung des Werks verspätet oder unter Umständen nicht mehr ausgeführt werden kann. Aber auch eine COVID-19 bedingte finanzielle Notsituation könnte eine Gefahr für die Herstellung des Werks sein. 12. Oktober 2020 10/68
B. Die Leistungsstörung beim Bauwerkvertrag 1. Risikozuordnung beim Bauwerkvertrag a) Risikoverteilung im ABGB Für die Beantwortung der Frage der Risikozuordnung sieht die österreichische Rechtsordnung die Bestimmungen des §§ 1168, 1168a ABGB vor.13 Beim Bauwerkvertrag verpflichtet sich der WU gegenüber dem WB zur Herstellung eines Bauwerkes nach den Vorstellungen des WB gegen Entgelt.14 Der WU schuldet demnach einen bestimmten Erfolg, weshalb es sich bei einem Bauwerkvertrag um eine Erfolgsverbindlichkeit handelt.15 Das Ergebnis des WU kann sich demnach positiv iSe Erfolgs verwirklichen oder aber – aufgrund diverser Umstände – auch misslingen.16 Die Bestimmungen des §§ 1168, 1168a ABGB gehen von der Grundregel aus, dass der WU nur dann Anspruch auf das Entgelt hat, wenn er den Erfolg – nämlich die Herstellung und Ablieferung des Werkes – hergestellt hat.17 § 1168a ABGB ordnet diese Regel für den Fall an, dass das Werk aufgrund eines bloßen Zufalls – ganz oder teilweise – zugrunde geht. In § 1168 ABGB sind jedoch Ausnahmen von dieser Grundregel normiert. Wird die Ausführung des Werkes aufgrund von auf Seiten des WB liegenden Umständen verhindert, so behält der WU seinen Entgeltanspruch, sofern die weiteren Voraussetzungen, nämlich die Leistungsbereitschaft und die Anrechnung der Ersparnis des § 1168 (1) S1 ABGB, vorliegen. Weiters normiert § 1168 ABGB einen „Entschädigungsanspruch“ des WU, wenn die Herstellung des Werkes infolge von Umständen auf Seiten des WB verzögert wird. Misslingt hingegen das Werk aufgrund offenbarer Untauglichkeit vom Besteller beigestellter Stoffe oder unrichtiger Anweisungen, so behält der WU gem § 1168a S3 ABGB seinen Entgeltanspruch, sofern er den WB gewarnt hat. Liegt eine dieser drei Ausnahmetatbestände vor, so trifft dem WB die Preisgefahr. Dh, der WB muss den Werklohn bezahlen, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten.18 Entscheidend für die Preisgefahr ist, aus welchem Grund die Herstellung des Werkes unterbleibt.19 Der Gesetzgeber unterscheidet demnach zw den Umständen auf Seiten des WB u anderen Umständen. Erstere sind dem WB; zweitere dem WU zuzuordnen.20 Für die 13 Vgl. Kletečka in Kletečka /Schauer, ABGB-ON1.03 § 1168 Rz 1 ff; Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1168 ABGB Rz 1 ff.; Reiner in Schwimann/Neumayr, ABGB4 § 1168 ABGB Rz 1 ff. 14 Vgl. Weselik in Weselik/Hussian, Praxisleitfaden - Der österreichische Bauvertrag (2011) 47. 15 Vgl. Weselik, Bauvertrag 47. 16 Vgl. Müller/Goger, Der gestörte Bauablauf (2016) 29. 17 Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1168 ABGB Rz 1. 18 Müller/Goger, Bauablauf 31. 19 Reiner in Schwimann/Neumayr, ABGB4 § 1168 ABGB Rz 3. 20 Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1168 ABGB Rz 1. 12. Oktober 2020 11/68
Beurteilung eben dieser Umstände, hat die L21 u Rsp22 die sog Sphärentheorie entwickelt. Nach der Ansicht des OGH hat jeder Vertragsteil den Zufall zu tragen, der sich in seiner Sphäre ereignet.23 Entscheidend für die Risikozuordnung ist demnach die Herkunft des Hindernisses.24 Ein Verschulden der Vertragsparteien ist keine Voraussetzung.25 Liegt jedoch ein vorwerfbares Verhalten eines der beiden Parteien vor, so wird dieses jedenfalls dem schuldhaften Vertragspartner zugeordnet.26 Die Sphärentheorie geht davon aus, dass jedem Vertragspartner bestimmte Risiken zuordenbar sind.27 Diese Zuordnung richtet sich danach, welcher Vertragsteil die Möglichkeit hat, bestimmte Risiken am ehestens zu beherrschen.28 Dh, dass jene Risiken einem Vertragspartner zugeordnet werden, welche mit der Person, dem Vermögen u den Leuten des Vertragspartners verbunden sind.29 Entscheidend ist demnach, ob ein Vertragspartner eine starke Nahebeziehung zu einer potentiellen Gefahr für die Leistungserbringung hat.30 Zu beachten ist, dass es sich bei §§ 1168, 1168a ABGB um dispositives Recht handelt, weshalb die Vertragsparteien abweichende vertragliche Regelungen treffen können.31 Kletečka vertritt die Ansicht, dass die Sphärentheorie keinen eigenen Erkenntniswert hat.32 Begründet wird dies damit, dass die Sphäre nicht in der Tatsachenwirklichkeit besteht, an welche die Rechtsfolge der Risikozuweisung geknüpft werden kann.33 Folglich handelt es sich nach Kletečka bei der Beurteilung der Risikozuordnung bereits selbst um eine Rechtsfrage.34 Die Risikozuordnung muss demnach durch Vertragsauslegung geklärt werden.35 Die gesetzlichen Gefahrtragungsregeln stehen dem nicht gegenüber, da diese dispositiver Natur sind.36 Nach Ansicht Kletečka stellt eine physische Nähebeziehung einer potentiellen Gefahr für die Leistungserbringung u eine daraus abgeleitete Sphärenzuordnung bloß ein Indiz für die vertragliche Gefahrtragung dar.37 Maßgeblich ist jedoch primär die vertragliche Aufgabenverteilung.38 Fehlt hingegen eine vertragliche Risikozuordnung, so wird sekundär auf die Gefahrenbeherrschung abgestellt.39 Dies zeigt sich besonders bei der Unterlassung von 21 Krejci in Rummel, ABGB3 § 1168 Rz 4; Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB4 § 1168 Rz 1 ff.; Herrmann, Risikoüberwälzung beim Bauwerkvertrag (2018) 6.; Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 1166. 22 RIS-Justiz RS0021888 (T 4). 23 OGH 19.03.1985, 5 Ob 519/85; OGH 18.05.1998, 8 Ob 63/98t 24 RIS Justiz RS0021926 25 RIS-Jusitz RS0021829 26 Kletečka in Kletečka /Schauer, ABGB-ON1.03 § 1168 Rz 22. 27 Müller/Goger, Bauablauf 31; Hussian in Hussian/Weselik, Der österreichische Bauprozess (2009) 126. 28 Kurz, ÖNORM B2110 (2012) 311.; Müller in Müller/Stempkowski, HB Claim-Management2 229. 29 Kletečka in Kletečka /Schauer, ABGB-ON1.03 § 1168 Rz 21. 30 Müller/Goger, Bauablauf 37. 31 RIS-Justiz RS0021858 32 Kletečka in Kletečka /Schauer, ABGB-ON1.03 § 1168 Rz 4. 33 Kletečka, Die Gefahrtragung beim Bauwerkvertrag in der COVID-19-Krise, bauaktuell (3/2020) 87 (88). 34 Kletečka in Kletečka /Schauer, ABGB-ON1.03 § 1168 Rz 4. 35 Kletečka, bauaktuell (3/2020) 88. 36 Kletečka, bauaktuell (3/2020) 88. 37 Kletečka, bauaktuell (3/2020) 88. 38 Kletečka in Kletečka /Schauer, ABGB-ON1.03 § 1168 Rz 8.; so auch Hussian, Risikoverschiebung beim Bauvertrag in Gallistel/Oswald/Raab/Szkopecz/Wallner (Hrsg), FS Kropik, 41. 39 Kletečka in Kletečka /Schauer, ABGB-ON1.03 § 1168 Rz 19; so auch Hussian, FS Kropik, 41. 12. Oktober 2020 12/68
Mitwirkungsobliegenheiten des WB iSd § 1168 (2) ABGB. Ein Umstand aus der Sphäre des WB ist nur dann anzunehmen, wenn dem WB eine entsprechende Obliegenheit aus dem Vertrag trifft.40 ME lässt sich die Risikozuordnung mit Hilfe der vertraglichen Aufgabenverteilung aus § 1168a S2 ABGB ableiten. Demnach heißt es, dass derjenige den Verlust des Stoffes zu tragen hat, welcher ihn beistellt. Das impliziert, dass die Vertragsparteien im Vorfeld etwas vereinbaren müssen. Sei es, wer die Pläne zur Ausführung zur Verfügung zu stellen hat, sei es, wer den Baugrund, Vorleistungen oder die erforderlichen Materialien zur Verfügung zu stellen hat. Es bedarf einer vertraglichen Vereinbarung, weshalb mMn bei der Risikozuordnung primär auf die vertragliche Aufgabenverteilung abzustellen ist u nicht auf eine etwaige Gefahrenbeherrschung. Lt OGH gehören zur Sphäre des WB die von ihm beigestellten Stoffe, die von ihm erteilten Anweisungen und alle sonstigen der Werkherstellung – auf Seiten des WB liegenden – störenden Einflüsse.41 Als Stoff wird lt Judikatur alles darunter verstanden, aus dem oder mit dem das Werk herzustellen ist. Demnach werden zB der Baugrund42, beigestellte Pläne43 aber auch vom WB zu erbringenden Vorleistungen44 als Stoff qualifiziert. Eine Anweisung hingegen liegt dann vor, wenn der WB dem WU die Art u Weise der Zielerreichung konkret u verbindlich vorgibt.45 In diesem Zusammenhang können zB vom Besteller eingeholte Gutachten eine Anweisung darstellen.46 Unter die sonstigen störenden Einflüsse werden gem Rsp alle Handlungen oder Unterlassungen des WB oder seiner Leute, Ereignisse in der Person des Bestellers, in seiner Unternehmung oder Wirtschaft verstanden.47 Karasek führt demnach aus, dass zur Sphäre des WB alle Handlungen gehören, welche der WB dem WU schuldet.48 Daraus folgt, dass dem WB auch das Verhalten seiner Mitarbeiter aber auch jenes seiner beauftragten Unternehmen zugeordnet wird.49 Entscheidend für die Zuordnung ist, dass die eingesetzten Gehilfen auch eine vom WB gegenüber dem WU geschuldete Leistung erbringen.50 Weiters werden auch Mitwirkungsobliegenheiten im Rahmen seiner Gefahrtragung dem WB zugeordnet.51 Dazu zählen ua die zeitgerechte zur Verfügungstellung von Ausführungsunterlagen, die Koordinierung mehrerer am Bau beteiligter WU, aber auch die Einholung der erforderlichen Genehmigungen.52 40 Kletečka in Kletečka /Schauer, ABGB-ON1.03 § 1168 Rz 8. 41 RIS-Justiz RS0021934 42 OGH 19.05.2005, 2 Ob 274/04v 43 OGH 22.04.2014, 7 Ob 18/14v 44 OGH 12.02.1987, 7 Ob 689/86 45 Hussian, Bauprozess 91. 46 Hussian, FS Kropik, 40. 47 OGH 06.11.1981, 1 Ob 569/81 48 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 1171. 49 Müller/Goger, Bauablauf 37. 50 Müller/Goger, Bauablauf 37. 51 Hussian, Anspruchsverlust bei Überschreitung des Kostenvoranschlages in Hofstadler, Aktuelle Entwicklungen in Baubetrieb, Bauwirtschaft und Bauvertragsrecht (2019) 536. 52 Hussian, in Hofstadler, Aktuelle Entwicklungen in Baubetrieb, Bauwirtschaft und Bauvertragsrecht 536. 12. Oktober 2020 13/68
Darüber hinaus sind auch zufällige Ereignisse vom WB zu vertreten, sofern diese seinem Risikobereich entspringen.53 Der Gesetzgeber definiert die Umstände des WB nicht näher, weshalb die Rsp auf Basis der Sphärentheorie die Umstände des WB näher konkretisiert hat. Zusammenfassend können demnach folgende Umstände dem WB zugeordnet werden54: Beistellung richtiger Unterlagen (Pläne, Gutachten, Berechnungen)55 die Koordination der Leistungen (wenn verschiedene Unternehmer auf der Baustelle tätig sind)56 die Tauglichkeit vom WB beigestellter Stoffe (Pläne, Baugrund, Vorleistungen, Ausschreibungsunterlagen)57 Beschreibungsrisiko (genaue u eindeutige Beschreibung der geschuldeten Leistungen) vom WB erteilte Anweisungen Anordnungen des WB zeitgerechte Entscheidungen u Festlegungen des WB Bewilligungen und Genehmigungen (zB Baubewilligung)58 Haftung für Erfüllungsgehilfen des WB59 Die Sphäre des WU wird mit den Grundgedanken der Erfolgsverbindlichkeit des Werkvertrags beantwortet. Der WU schuldet dem WB einen bestimmten Erfolg. Bis zur Übergabe der geschuldeten Leistung trägt der WU alle Risiken, welche nicht der Sphäre des WB zugeordnet werden können.60 Zur Sphäre des WU werden demnach folgende Umstände zugeordnet:61 Risiken, welche den technischen Ablauf des Betriebes betreffen Risiken, welche sich aus der Zufuhr von Rohstoffen ergeben Risiken der Arbeitskräftebeschaffung Risiken bei der Verletzung der Prüf- und Warnpflicht bei offensichtlichen Mängeln vom WB beigestellter Stoffe Kalkulationsrisiko62 53 Krejci in Rummel, ABGB3 § 1168 Rz 10; Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1168 ABGB Rz 22. 54 Herrmann, Risikoüberwälzung 7. 55 OGH 19.05.2005, 6 Ob 274/04v 56 Krejci in Rummel, ABGB3 § 1168 ABGB Rz 11 57 OGH 06.10.2000, 1 Ob 144/00h 58 OGH 25.01.2005, 1 Ob 259/04a 59 Müller in Müller/Stempkowski, HB Claim-Management2 230. 60 Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II14 302 f. 61 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 1178. 62 OGH 21.10.2008, 5 Ob 211/08 b 12. Oktober 2020 14/68
Dem WU werden auch Umstände für die Vereitelung des Werkes bzw bei der Verzögerung der Werkherstellung zugeordnet, wenn diese aus dem sog „neutralen Kreis“ resultieren.63 Man spricht in diesem Zusammenhang von der sog neutralen Sphäre.64 Lt OGH werden demnach jene Umstände verstanden, welche außerhalb der Ingerenz der Vertragsteile des Werkvertrags liegen.65 Dh, jene Umstände, welche außerhalb der Einflussmöglichkeiten der Vertragsparteien liegen.66 Schon nach allgemeinen Regeln des ABGB verliert der WU dann seinen Entgeltanspruch, wenn das Werk durch Zufall vereitelt wird oder das Werk vor Übergabe durch Umstände untergeht, die nicht in der Sphäre des WB liegen.67 Lt dem OGH wird unter dem Begriff „Zufall“ alles verstanden, was nicht von einer der beiden Vertragsparteien verschuldet ist, also alles, was trotz größtmöglicher Sorgfalt nicht abgewendet werden kann.68 Daher zählen auch Leistungshindernisse zur neutralen Sphäre, welche die Allgemeinheit betreffen (zB Stromausfall, geeignetes Wetter bei Herstellung des Bauwerkes etc).69 Zu den zufälligen Ereignissen zählen ua auch die Fälle höherer Gewalt.70 Nach stRsp ist höhere Gewalt dann anzunehmen, wenn ein „außergewöhnliches Ereignis von außen einwirkt, das nicht in einer gewissen Regelmäßigkeit vorkommt bzw zu erwarten ist und selbst durch äußerste zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch in seinen Folgen unschädlich gemacht werden kann“.71 Folglich kann festgehalten werden, dass höhere Gewalt anhand von drei wesentlichen Kriterien, nämlich durch Unabwendbarkeit, Außergewöhnlichkeit u ein von außen einwirkendes Ereignis, definiert wird. In diesem Zusammenhang ist nun zu klären, ob die COVID-19 Pandemie unter diesen Tatbeständen subsumiert werden kann. Nach Karasek ist ein Ereignis unabwendbar, wenn sowohl der Eintritt als auch die daraus resultierenden Folgen nicht verhindert werden können.72 Eine absolute Unabwendbarkeit von Ereignissen ist idR selten gegeben, weshalb der OGH auf eine relative Unabwendbarkeit abstellt.73 Der Begriff „unabwendbar“ wird in der österreichischen Rechtsordnung nur in § 9 des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftungsgesetz (kurz „EKHG“) normiert. Unabwendbarkeit liegt demnach dann vor, wenn jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt eingehalten wurde. Es muss über die gewöhnliche Sorgfalt hinausgehende Aufmerksamkeit und Umsicht angewendet werden.74 Dh, dass das Ereignis auch für einen besonders sorgfältigen Menschen – 63 RIS-Justiz RS0021888 64 Herrmann, Risikoüberwälzung 7. 65 RIS-Justiz RS0021888 66 Hussian, in Hofstadler, Aktuelle Entwicklungen in Baubetrieb, Bauwirtschaft und Bauvertragsrecht 536. 67 Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB4 § 1168 Rz 2. 68 RIS-Justiz RS0027344 69 Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1168 ABGB Rz 32. 70 Laimer/Schickmair in Resch, Coroana-HB Kap 11 Rz 24. 71 OGH 19.12.2000, 1 Ob 93/00h 72 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 1188. 73 OGH 16.03.1977, 1 Ob 533/77 74 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 1188; schon im römischen Recht wurde die übergroße Sorgfalt gefordert, vgl. Hussian, Höhere Gewalt und Dispositionen am Beispiel COVID-19, bauaktuell (5/2020) 181 (181). 12. Oktober 2020 15/68
der von vorhinein gefährliche Situationen meidet – unabwendbar ist.75 Als Sorgfaltsmaßstab ist die Sorgfalt eines sachkundigen, erfahrenen Fachmannes iSd § 1299 ABGB heranzuziehen.76 Bereits bei geringfügiger Geschwindigkeitsübertretung kommt es gem § 9 EKGH zu keinem Haftungsausschluss.77 Entscheidend ist demnach, dass – trotz Einhaltung der höchstmöglichen Sorgfalt – das Ereignis mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln nicht abgewendet werden kann.78 Nach Kletečka liegt der Grund der Haftungsfreiheit darin, dass die Kalkulierbarkeit des Haftpflichtigen gewährleistet werden soll.79 Folglich ist der Ausbruch der COVID-19 Pandemie weder kalkulierbar, noch ist sie – trotz höchst möglicher Sorgfalt – abwendbar, weshalb die COVID-19 Pandemie als ein unabwendbares Ereignis eingestuft werden kann.80 Außergewöhnlichkeit liegt dann vor, wenn ein Ereignis im betroffenen Betrieb nicht in einer gewissen Regelmäßigkeit vorkommt.81 Tritt ein Ereignis, welches trotz äußerst möglicher Sorgfalt nicht abgewendet werden kann, in einer gewissen Regelmäßigkeit auf, so liegt keine Außergewöhnlichkeit vor u der betroffene Vertragspartner hat für diese Schäden einzustehen.82 Der Begriff Regelmäßigkeit impliziert sohin auch die Vorhersehbarkeit.83 Dies sind somit Ereignisse, mit welchen der WU bei typischen Bauablauf rechnen muss.84 Nach dem OGH ist für die Beurteilung der Außergewöhnlichkeit ein Betrachtungszeitraum von 30 Jahren erforderlich.85 Ein dreißigjähriges Ereignis stellt demnach die statistische Wahrscheinlichkeit dar, dass ein Ereignis einmal in 30 Jahren in dieser oder stärkerer Intensität eintritt.86 Beispielsweise hat der OGH das 200-jährige Hochwasser im Jahr 201387 aber auch das Jahrhunderthochwasser im Jahr 200588 als höhere Gewalt eingestuft. Ausgehend vom OGH festgelegten Betrachtungszeitraum würde dies im Zusammenhang mit COVID-19 bedeuten, dass keine höhere Gewalt vorliegen würde, da im Jahr 2002 der Ausbruch der Infektionskrankheit SARS erfolgte. Statistisch gesehen tritt demnach ein derartiger Ausbruch eines Virus rund alle 18 Jahre auf. Auch die Influenza tritt in regelmäßigen Abständen in Erscheinung, weshalb bei Ausbruch eben dieser – zumindest aus juristischer Sicht – nicht von einer Außergewöhnlichkeit gesprochen werden kann.89 Jedoch muss 75 Rabl/Riedler, Schuldrecht besonderer Teil3 Rz 14/43. 76 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 1188. 77 Rabl/Riedler, Schuldrecht Rz 14/43. 78 Uitz/Parsche, Coronavirus – ein Praxisleitfaden bei Unterbrechung internationaler Lieferketten, ecolex (4/2020) 273 (275). 79 Kletečka, bauaktuell (3/2020) 89. 80 So auch Hussian, bauaktuell (5/2020) 181. 81 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 1192.; 82 Kletečka, bauaktuell (3/2020) 89.; zB bei Planbarkeit von periodisch auftretenden Ereignissen liegt keine Außergewöhnlichkeit vor, vgl. Silbernagl/Raschauer, Höhere Gewalt und Privatautonomie, CuRe 2020/80. 83 Nach Hussian muss ein Ereignis unvorhersehbar und außergewöhnlich sein, damit der Fall der höheren Gewalt vorliegt. Den nur so kann eine Abgrenzung zu allgemeinen Lebensrisiken gelingen, vgl. Hussian, bauaktuell (5/2020) 182. 84 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 1193. 85 OGH 19.12.2000, 1 Ob 93/00h – im Zusammenhang mit einem Jahrhundertsturm. 86 Kropik, Die Bauabwicklung unter Einfluss von außergewöhnlichen Witterungsverhältnissen - Fristverlängerung und Mehrkosten, ZVB (6/2016) 268 (270). 87 OGH 27.5.2019, 1 Ob 66/19s. 88 OGH 10.12.2018, 7 Ob 243/08y. 89 Vgl. Uitz/Parsche, ecolex (4/2020) 275. 12. Oktober 2020 16/68
mMn differenziert werden. Jeder Virus ist für sich genommen individuell, weshalb COVID-19 nicht mit anderen Viruserkrankungen verglichen werden kann. Aus juristischer Sicht wäre zwar denkbar, COVID-19 in einem dreißigjährigen Betrachtungszeitraum einzubetten, jedoch müsste es sich bei zukünftigen Virusausbrüchen um eine nahezu ähnliche Infektionserkrankung handeln. COVID-19 stellt ein neuwertiges Virus dar. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Impfstoff gibt u die Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung noch nicht abgeschätzt werden können. Das zeigt, dass eine Vergleichbarkeit und damit verbundene Regelmäßigkeit zu anderen Infektionskrankheiten nicht gegeben ist u sohin eine Außergewöhnlichkeit bejaht werden kann. Das Hauptargument für eine Außergewöhnlichkeit liegt mE in der Intensität der weltweit – im Gegensatz zu den üblichen getätigten Maßnahmen bei Auftreten der Influenza – getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie.90 Ein von außen einwirkendes Ereignis liegt lt Karasek dann vor, wenn das Ereignis nicht in tatsächlichem Zusammenhang mit dem Betrieb des WU steht.91 Dh, dass das Ereignis nicht aus dem funktionalen Betriebsbereich einer Partei stammen darf.92 Dazu zählen ua Naturereignisse (Hochwasser, Erdbeben) aber auch Handlungen unbeteiligter Dritter (Diebstahl, Terroranschläge, staatliche Maßnahmen etc).93 COVID-19, aber auch die dadurch bedingten staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, kann sohin als ein von außen auf den Betrieb einwirkendes Ereignis eingeordnet werden.94 Als Zwischenergebnis kann sohin festgehalten werden, dass es sich bei COVID-19 um einen Fall höherer Gewalt handelt.95 Auch der OGH hat bereits den Ausbruch des SARS – Virus im Jahr 2002 – jedoch in einem anderen Zusammenhang – als höhere Gewalt eingestuft.96 Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Risiken der COVID-19 Pandemie, wie Erkrankungen von Mitarbeitern, Lieferengpässe, Gebietssperren, gesetzliche Schutzmaßnahmen zur Vermeidung der weiteren Ausbreitung des Virus, der WU trägt.97 Der WU erhält bei Vereitelung des Werks oder bei Verzögerung der Werkherstellung kein Entgelt bzw keine Aufstockung des Werklohns. Der WU trägt sohin die Preisgefahr. 90 So auch Uitz/Parsche, ecolex (4/2020) 275.; so auch Kletečka, bauaktuell (3/2020) 91. 91 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 1190. 92 Uitz/Parsche, ecolex (4/2020) 275. 93 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 1190.; Uitz/Parsche, ecolex (4/2020) 275. 94 Uitz/Parsche, ecolex (4/2020) 275. 95 So auch die hA vgl. Berlakovits/Hofer, Zivilrechtliche Auswirkungen des Coronavirus auf Bauprojekte, bauaktuell (2/2020) 66; Gallistel/Lessiak, ZVB, 175; Kletečka, bauaktuell (3/2020) 91; Uitz/Parsche, ecolex (4/2020) 275; Hussian, bauaktuell (5/2020) 182. 96 Vgl. OGH 14.06.2005 4 Ob 103/05h 97 Vgl. Berlakovits/Hofer, bauaktuell (2/2020) 66; Gallistel/Lessiak, ZVB, 175; Uitz/Parsche, ecolex (4/2020) 275; Müller/Kall, Sechs Wochen COVID-19-Maßnahmen auf Baustellen – eine Zwischenbilanz, ÖVI News (2/2020) 11 (13); Graf/Brandstätter, ZaK (7/2020) 206; aA Kletečka/W.Müller, Rechtspanorama, Die Presse v 23.03.2020 14, wonach die neutrale Sphäre zu teilen ist und die gegenseitigen vertraglichen Verpflichtungen bei höherer Gewalt iSd § 1104 ABGB ruhen. 12. Oktober 2020 17/68
Folglich lässt dies den Trugschluss zu, dass sämtliche störenden Einflüsse aus dem neutralen Bereich im Zusammenhang mit COVID-19 dem WU zugeordnet werden. Jedoch bedarf dies einer genaueren Differenzierung. Nach dem OGH werden dem WB die von ihm beigestellten Stoffe oder von ihm erteilten Anweisungen und alle sonstigen auf Seiten des WB liegenden störenden Einflüsse zugeordnet. Dabei hat auch der WB alle zufälligen Ereignisse zu vertreten, welche sich in seiner Sphäre ereignen. Stellt demnach der WB die für die Ausführung notwendigen Pläne bei u kann der von WB beauftragte Architekt die Pläne aufgrund COVID-19 bedingter Umstände nicht erstellen bzw dem WU nicht zur Verfügung stellen, so handelt es sich dabei um einen auf Seiten des WB liegenden Umstand, welcher der Sphäre des WB zugeordnet wird. Das gleiche Bild zeichnet sich, wenn die vertragliche Verpflichtung des WU von einer Vorleistung der vom WB beauftragten Dritten abhängt. Kann die Vorleistung der vom WB beauftragten Dritten aufgrund COVID-19 bedingter Umstände nicht durchgeführt werden u wird folglich die Herstellung des Werkes verzögert, so handelt es sich auch hier um einen auf Seiten des WB liegenden Umstand.98 In beiden Fällen hat der WU einen Anspruch auf zusätzlichen Werklohn. Der WB trägt demnach die Preisgefahr. b) Risikoverteilung in der ÖNORM B 2110 Die ÖNORM B 2110 als allgemeine Vertragsbestimmungen für die Durchführung von Bauleistungen muss zw den Vertragsparteien vereinbart werden, damit diese Anwendung findet. Vor allem bei öffentlichen Bauvorhaben ist es gängige Praxis, dass die ÖNORM B 2110 zw den Vertragsparteien vereinbart wird. Auch die ÖNORM B 2110 geht von der Grundregel aus, dass der WU nur dann Anspruch auf ein Entgelt hat, wenn er den geschuldeten Erfolg erfüllt hat. Dies ergibt sich aus Pkt 12.1.1 Z1 der ÖNORM B 2110. Demnach trägt der WU bis zur Übernahme die Gefahr seiner Leistungen – insbesondere die Zerstörung, Beschädigung oder Diebstahl seiner Leistungen.99 Umfasst sind demnach auch die Zerstörung, Beschädigung und Diebstahl der von WB vertragsgemäß beigestellten Stoffe. Der WU trägt die Leistungs- und Preisgefahr.100 Das Risiko des zufälligen Untergangs des Werkes wird jedoch unter Pkt 12.1.1 Z 2 der ÖNORM B 2110 zu Gunsten des WU eingeschränkt. Demnach trägt der WB das Risiko der Bauleistungen, wenn dieses durch ein unabwendbares Ereignis zerstört oder beschädigt wird und der WU alle zur Abwehr der Folgen derartiger Ereignisse notwendigen u zumutbaren Maßnahmen getroffen hat.101 98 Vgl. Graf/Brandstätter, ZaK (7/2020) 206. 99 Pkt. 12.1.1 Z1 der ÖNORM B 2110 lautet: Bis zur Übernahme trägt der AN in der Regel die Gefahr für seine Leistungen. Hierunter fallen insbesondere Zerstörung (Untergang), Beschädigung oder Diebstahl. Dies gilt auch für beigestellte Materialien, Bauteile oder sonstige Gegenstände, die der AN vertragsgemäß vom AG oder von anderen AN übernommen hat. 100 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 2038. 101 Pkt. 12.1.1 Z2 der ÖNORM B2110 lautet: Werden jedoch die Bauleistungen oder Teile hiervon oder vom AG dem AN übergebene Materialien, Bauteile oder sonstige für das Bauwerk bestimmte Gegenstände durch ein 12. Oktober 2020 18/68
Wilhelm102 stellt klar, dass die Begriffe unabwendbar u zumutbar einer Auslegung bedürfen. Unabwendbarkeit liegt vor, wenn das Ereignis trotz äußerst möglicher Sorgfalt iSd § 9 EKHG seitens des WU nicht abgewendet werden kann. Demnach steht die Unabwendbarkeit des Ereignisses im Gegensatz zu dem Begriff zumutbar, da dieser die verkehrsübliche, gewöhnliche Sorgfalt voraussetzt.103 Das würde bedeuten, dass der WU bei Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses von seiner Haftung befreit wird, wenn er für die Abwehr der Folgen bloß die gewöhnliche Sorgfalt angewendet hat.104 Dies würde keinen Sinn ergeben, weshalb Wilhelm von einem Redaktionsversehen ausgeht.105 Demnach ist mit der Formulierung „zumutbare Maßnahmen“ die äußerst möglichen Maßnahmen zu verstehen.106 Können die Folgen eines unabwendbaren Ereignisses nicht durch die äußerst mögliche Sorgfalt abgewendet werden, so behält der WU bei Beschädigung oder Zerstörung des Werkes seinen Entgeltanspruch.107 Der WB trägt sohin die Preisgefahr. Ist die Wiederherstellung der Leistung möglich, so trägt der WU die Leistungsgefahr.108 Dh, der WU muss die Leistung – gegen Vergütung der für die Wiederherstellung notwendigen Leistungen – nochmals erbringen.109 Ist hingegen die Wiederherstellung nicht möglich, so trägt der WB die Preis- und Leistungsgefahr.110 Unterbleibt die Ausführung der Leistung aufgrund von Umständen auf Seiten des WB, so kommt § 1168 (1) S1 ABGB zur Anwendung.111 Der WU behält seinen Anspruch auf Entgelt. Darüber hinaus sieht die ÖNORM B 2110 unter Pkt 7.4.5 einen Entgeltanspruch des WU vor, wenn die Leistung gemindert wird oder Teile der Leistungen entfallen. Man spricht in diesem Zusammenhang von der sog Nachteilsabgeltung. Wird demnach die Auftragssumme um mehr als 5 % unterschritten, so muss der WB dem WU diesen Nachteil – sofern dieser nicht durch neue Einheitspreise oder durch andere Entgelte abgedeckt ist – abgelten.112 Der WB trägt die Preisgefahr. Wird die Herstellung des Werkes aufgrund von Umständen auf Seiten des WB verzögert, so spricht die ÖNORM B 2110 in Pkt 3.7.2 von der sog Störung der Leistungserbringung. Eine Störung der Leistungserbringung liegt demnach vor, wenn die Ursache nicht aus der Sphäre des unabwendbares Ereignis beschädigt oder zerstört und hat der AN alle zur Abwehr der Folgen solcher Ereignisse notwendigen und zumutbaren Maßnahmen getroffen, trägt der AG die Gefahr. 102 Wilhelm, Beschädigung des Bauwerks vor Übernahme – Leistungsgefahr und Solidarhaftung mehrerer Auftragnehmer nach der ÖNORM B 2110, ecolex (9/2000), 634. 103 Wilhelm, ecolex (9/2000), 634. 104 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 2039. 105 Wilhelm, ecolex (9/2000), 634. 106 Wilhelm, ecolex (9/2000), 634; zust Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 2039. 107 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 2039. 108 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 2039. 109 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 2039. 110 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 2039. 111 OGH 21.10.2008,1Ob200/08f; Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 1533, Wenusch, ÖNORM B 21102 Pkt 7 Rz 216. 112 Wenusch, Gefahrtragung beim Werkvertrag nach der ÖNORM B 2110, ZRB (3/2013) 115 (127). 12. Oktober 2020 19/68
WU resultiert und keine Leistungsänderung113 ist. Demonstrativ werden in der ÖNORM B 2110 Pkt 3.7.2 vom Leistungsumfang114 abweichende Bodenverhältnisse, Vorleistungen, Behinderungen, welche der Sphäre des WB zugeordnet werden, angeführt. Die ÖNORM B 2110 konkretisiert zwar unter Pkt 7 die gesetzliche Regelung bei Verzögerung, welche durch Umstände auf Seiten des WB verursacht wurden.115 Jedoch stellt auch im Anwendungsbereich der ÖNORM B 2110 § 1168 (1) S2 ABGB bei Verzögerung die maßgebliche Anspruchsgrundlage dar.116 Der WB trägt demnach die Preisgefahr. Im Gegensatz zu den gesetzlichen Bestimmungen versucht die ÖNORM B 2110 unter Pkt 7.2.1 bzw Pkt 7.2.2 die Sphärentheorie näher zu konkretisieren. Gem Pkt 7.2.1 werden alle vom WB zur Verfügung gestellten Unterlagen (zB Ausschreibungs-, Ausführungsunterlagen), verzögerte Auftragserteilung, Stoffe (zB Baugrund, Materialien, Vorleistungen) und Anordnungen (zB Leistungsänderungen) der Sphäre des WB zugeordnet. Darüber hinaus werden Ereignisse dem WB zugeordnet, wenn diese 1) „die vertragsgemäße Ausführung der Leistungen objektiv unmöglich machen, oder 2) zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren und vom AN nicht in zumutbarer Weise abwendbar sind“.117 „Ist im Vertrag keine Definition der Vorhersehbarkeit von außergewöhnlichen Witterungsverhältnissen oder Naturereignissen festgelegt, gilt das 10-jährliche Ereignis als vereinbart“.118 Beide Ziffern betreffen Ereignisse aus der neutralen Sphäre.119 Nach Z 1 trägt der WB das Risiko, wenn die vertragsgemäße Ausführung der Leistungen objektiv unmöglich wird. Dass die störenden Umstände aus der Sphäre des WB stammen oder dem WB ein Verschulden trifft, ist dabei nicht Voraussetzung.120 Dazu später in Kapitel B.2. Nach Z 2 werden Ereignisse dem WB zugeordnet, wenn diese bei Vertragsabschluss weder vorhersehbar waren noch vom WU in zumutbarer Weise abwendbar sind. Vorhersehbarkeit liegt 113 Gem Pkt 3.7.1 handelt es sich bei Leistungsänderungen um Leistungsabweichungen, welche vom Auftraggeber angeordnet werden. 114 Die ÖNORM B 2110 verwendet den Begriff Leistungsumfang (oder Bau-Soll) als Synonym für den geschuldeten Erfolg. Gemäß Pkt 3.8 wird unter dem Begriff Leistungsumfang alle Leistungen des WU, welche durch den Vertrag (zB bestehend aus Leistungsverzeichnis, Plänen, Baubeschreibung etc) und den daraus abzuleitenden, objektiv zu erwartenden Umständen der Leistungserbringung festgelegt werden, verstanden. 115 Müller, Die Mehrkostenforderung – Nachweisführung, konkret oder global? in Hofstadler/Heck, 10. Grazer Baubetriebs- & Baurechtsseminar (2018) 100. 116 Müller, in Hofstadler/Heck, 10. Grazer Baubetriebs- & Baurechtsseminar 100.; Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 1293. 117 Siehe Pkt 7.2.1 ÖNORM B 2110. 118 Siehe Pkt 7.2.1 ÖNORM B 2110. 119 Kletečka, bauaktuell (3/2020) 91. 120 Kletečka, bauaktuell (3/2020), 91. 12. Oktober 2020 20/68
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