DER ,,WIDERSTAND GEGEN DIE STAATSGEWALT" ( 269 STGB) AUS SCHADENERSATZRECHT-LICHER PERSPEKTIVE

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Eingereicht von
                                        Max Jörg Zernig

                                        Angefertigt am
                                        Institut für Zivilrecht

                                        Beurteiler
                                        Univ.-Prof. Mag. Dr.
                                        Andreas Geroldinger

Der ,,Widerstand gegen                  Februar 2021

die Staatsgewalt“
(§ 269 StGB) aus
schadenersatzrecht-
licher Perspektive

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Magister der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium
der Rechtswissenschaften

                                        JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenberger Straße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        jku.at
                                        DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wört-
lich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

                                     Korça, am 08.02.2021

                                        Max Jörg Zernig

SPRACHLICHE GLEICHBEHANDLUNG
Soweit in dieser Arbeit auf natürliche Personen bezogene Bezeichnungen in männlicher Form
angeführt sind, beziehen sich diese auf Frauen und Männer in gleicher Weise.

                                                                                                  II
Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................... V
1.    Einleitung und Überblick über den Aufbau der Arbeit ............................................................ 1
1.1 Falldarstellung 1 – Urteil des Landesgerichtes Linz vom 10.07.2018 .................................... 3
1.2 Falldarstellung 2 – Urteil des OGH vom 30.8.2011 ............................................................... 4
2     Zielsetzung der gegenständlichen Arbeit .............................................................................. 5
3     § 269 StGB – Widerstand gegen die Staatsgewalt................................................................ 6
3.1 Tatsubjekt ............................................................................................................................. 7
3.2 Tatobjekt ............................................................................................................................... 7
3.3 Nötigungsmittel ..................................................................................................................... 7
4     Grundvoraussetzungen des Schadenersatzanspruches ....................................................... 9
4.1 Schadensbegriff des ABGB .................................................................................................. 9
4.1.1 Vermögensschaden ............................................................................................................ 9
4.1.2 Immaterieller Schaden ........................................................................................................ 9
4.1.3 Positiver Schaden und entgangener Gewinn .................................................................... 10
4.2 Quellen der Beschädigung.................................................................................................. 10
4.2.1 Rechtswidrigkeit................................................................................................................ 11
4.2.2 Absolut geschützte Rechtsgüter ....................................................................................... 12
4.2.3 Verletzung eines Schutzgesetzes gem § 1311 ABGB ....................................................... 12
4.3 Kausalität ............................................................................................................................ 14
4.4 Adäquanz ........................................................................................................................... 14
4.5 Verschulden........................................................................................................................ 15
5     Ersatzfähige Aufwendungen ............................................................................................... 16
5.1 Heilungskosten ................................................................................................................... 17
5.2 Verdienstentgang................................................................................................................ 18
5.3 Schmerzengeld ................................................................................................................... 21
5.4 Verunstaltungsentschädigung ............................................................................................. 22
5.4.1 Exkurs: Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz bzw Gehaltsgesetz .............................. 23
5.4.2 VfGH 15.10.2016, G 339/2015 und die Einräumung eines Rechtsanspruchs ................... 23
6     Schadenersatzrechtliche Ansprüche des Bundes ............................................................... 26
6.1 Stellung der Finanzprokuratur ............................................................................................. 26
6.2 Der Schaden des Bundes ................................................................................................... 26
7     Die Problemstellung der Drittschadensliquidation ............................................................... 29
7.1 Rechtslage in Österreich..................................................................................................... 29
7.2 Problemstellung bei der Berechnung des Lohnfortzahlungsschadens ................................ 30

                                                                                                                                             III
7.3 Handhabung des Lohnfortzahlungsschaden in der Bundesrepublik Deutschland ............... 31
8     Ansprüche des Sozialversicherungsträgers ........................................................................ 34
9     Conclusio/ Persönliche Einschätzung ................................................................................. 36
Literaturverzeichnis .................................................................................................................... VI
Abbildungsverzeichnis .............................................................................................................. VII

                                                                                                                                          IV
Abkürzungsverzeichnis

ABGB                    Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch
Abs                     Absatz
AngG                    Angestelltengesetz
BBG                     Bundesbeamtengesetz
BDG                     Beamten-Dienstrechtsgesetz
BGB                     (deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch
BGB                     (deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch
B-KUVG                  Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz
BMI                     Bundesministerium für Inneres
BVAEB                   Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisen-
                        bahnen und Bergbau
dStGB                   deutsches Strafgesetzbuch
dEFZG                   deutsches Entgeltfortzahlungsgesetz
EFZG                    Entgeltfortzahlungsgesetz
ggf                     gegebenenfalls
ggst                    gegenständliche
gem                     gemäß
hM                      herrschender Meinung
iVm                     in Verbindung mit
iwF                     in weiterer Folge
KFG                     Kraftfahrgesetz
L                       Lehre
mE                      meines Erachtens
Rsp                     Rechtsprechung
StGB                    Strafgesetzbuch
stRsp                   ständiger Rechtsprechung
StPO                    Strafprozessordnung
StRÄG                   Strafrechtsänderungsgesetz
SV                      Sozialversicherung
uA                      unter Anderem
VersVG                  Versicherungsvertragsgesetz
VfGH                    Verfassungsgerichtshof
WHG                     Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz
Z                       Ziffer

                                                                               V
1. Einleitung und Überblick über den Aufbau der Arbeit

Subjektiv gefühlt, haben sich die Nachrichten über Gewaltdelikte in den letzten Jahren gehäuft.
Beispielsweise kann hierbei an die Anschläge mit terroristischen Hintergründen der letzten Jahre
in Paris, London oder Berlin gedacht werden. Aber auch die Frauenmordserie in Österreich im
Jahr 2019 und der terroristische Amoklauf vom 02.11.2020 in Wien sind vielen Menschen noch in
schreckhafter Erinnerung. Der Schein über den Anstieg der Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung
in den letzten Jahren mag, auf den ersten Blick statistisch betrachtet, trügen.

Aus der gerichtlichen Verurteilungsstatistik geht hervor, dass die rechtskräftigen Verurteilungen
aufgrund strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben (§§ 75–95 StGB) zwischen den Jahren
2000 und 2018 um mehr als 50 Prozent zurückgegangen sind.1

                   Strafbare Handlungen gegen Leib und
                                  Leben
                              §§ 75–95 StGB
           11635

                        11185

                                     9302

                                                  6034

                                                               5835

                                                                                         5790
                                                                            5646

                                                                                                         5627

        2000          2005         2010         2015         2016         2017         2018         2019

        Abbildung 1: Übersicht über strafbare Handlungen gegen Leib und Leben seit Jahrtausendbeginn

In anderen Deliktsbereichen ist im Vergleichszeitraum jedoch eine Steigerung zu beobachten,
welche Gegenteiliges vermuten lässt. So sind beispielsweise die Verurteilungen wegen der Raub-
delikte der §§ 142 f StGB um rund 30 Prozent angestiegen. Auch Straftaten gegen Angehörige
der staatlichen Verwaltung sind von einer Steigerung betroffen. So ist auch im Bereich der straf-
baren Handlungen gegen die Staatsgewalt im 19. Abschnittes des StGB – insbesondere beim
Delikt des § 269 StGB Widerstand gegen die Staatsgewalt – eine Steigerung zu erkennen.

1   STATcube, https://statcube.at/statistik.at/ext/statcube/jsf/tableView/tableView.xhtml, 12.12.2020.
                                                                                                                1
Aus der gerichtlichen Verurteilungsstatistik aus dem Jahr 2000 gehen 500 gerichtliche Verurtei-
lungen wegen der Verwirklichung des Delikts § 269 StGB hervor. Dem steht die gerichtliche Kri-
minalstatistik aus 2019 gegenüber, welche 827 Verurteilungen aufweist. Daraus ergibt sich eine
Steigerung von rund 65 Prozent.2

                   Verurteilungen gem § 269 StGB

                                                                         888

                                                                                       878

                                                                                                       827
                                                            823
                                   821
                     683

                                               664
        500

       2000        2005          2010        2015         2016         2017         2018         2019

                           Abbildung 2: Verurteilungen gem § 269 StGB seit Jahrtausendbeginn

Der Gesetzgeber hat durch das Inkrafttreten des StRÄG 2015 versucht, dieser Entwicklung ge-
genzusteuern. Um die Zahl der strafbaren Handlungen zu reduzieren, kam es uA zu strengeren
Strafdrohungen im Bereich der Delikte gegen Leib und Leben.

Im Kalenderjahr 2018 wurden 2.403 Polizeibeamte im Zuge ihrer dienstlichen Tätigkeit verletzt.
Die Verletzungen von 1.054 Polizeibeamten waren auf die Einwirkung Dritter zurückzuführen, wo-
bei 992 leicht und 62 schwer verletzt wurden. Die Gründe für die Verletzungen lagen uA an der
Beteiligung an Verkehrsunfällen oder resultierten aus Amtshandlungen mit erhöhtem Gefahren-
potential.3

Ureigenste Aufgabe der Exekutive ist es, die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit aufrecht
zu erhalten.4 Dies bedingt für die Organe die Verpflichtung, in gefährlichen Situationen – unter
Bedachtnahme auf deren Eigensicherung – einzuschreiten, um dieser Aufgabe gerecht zu wer-
den.

Zur Beendigung derartiger gefährlicher Situationen steht den Organen der Polizei zunächst die
Ausübung von Befehlsgewalt zu. Wenn der Betroffene dieser nicht Folge leistet, steht den Beam-
ten die Zwangsgewalt als ultima ratio zur Verfügung.5

2 STATcube, https://statcube.at/statistik.at/ext/statcube/jsf/tableView/tableView.xhtml, 12.12.2020.
3 AB-BR 3362/2019
4 § 3 SPG; BGBl 566/1991.
5 § 33 SPG; BGBl 566/1991; § 93 StPO, BGBl 631/1975.
                                                                                                             2
Dass derartige Situationen oftmals Gewalt des Betroffenen gegen die einschreitenden Beamten
zur Folge haben können, soll anhand zweier Urteile des Landesgerichtes Linz erläutert werden.

1.1 Falldarstellung 1 – Urteil des Landesgerichtes Linz vom 10.07.20186

Aufgrund eines lautstarken Streites zwischen dem Angeklagten (A) und dessen Lebensgefährtin
auf offener Straße wurden zwei Polizisten auf die beiden angeführten Personen aufmerksam. A
wurde durch die Polizisten aufgefordert, dieses Verhalten einzustellen. Dieser Aufforderung kam
A nicht nach und bewegte sich von den beiden Beamten weg.

Die Beamten folgten dem A und konnten erkennen, dass dieser ein Messer im hinteren Hosen-
bund eingesteckt hatte. In weiterer Folge konnten die Beamten dem A das Messer abnehmen und
forderten diesen daraufhin auf, sich zum Zwecke einer Personendurchsuchung an eine Wand zu
begeben.

A schrie daraufhin, dass er kein Interesse an dieser Personendurchsuchung haben würde. Die
Beamten versuchten daraufhin den A zu fixieren, woraufhin dieser wild um sich schlug und sich
immer wieder aus dieser Fixierung löste. Die Polizisten erhielten Unterstützung von weiteren Po-
lizeistreifen.

Einer der Beamten kündigte dem A an, dass er Pfefferspray gegen ihn einsetzen würde, wenn
sich dieser nicht beruhigen und auf den Boden legen würde. Da A dieser Aufforderung nicht nach-
kam und sich auf einen Polizeibeamten zu bewegte, wurde gegen den A von zwei Beamten Pfef-
ferspray eingesetzt, was jedoch zu keiner Beruhigung der Lage führte.

A lief von der Örtlichkeit der Amtshandlung weg und wurde von einem Beamten zu Fuß verfolgt.
Nachdem A nach ca. 20 Metern eingeholt werden konnte, versetzte A dem Beamten einen Faust-
schlag ins Gesicht und lief abermals davon. Ein weiterer Polizeibeamter konnte den A abermals
einholen und sprühte diesem seinen Pfefferspray in die Augen, woraufhin der A diesem Polizei-
beamten einen Faustschlag versetzte, sodass dieser zu Boden ging. A flüchtete abermals.

Eine weitere Polizeibeamtin verfolgte den A und forderte diesen auf, stehen zu bleiben. Obwohl
die Beamtin diesem den Weg nicht verstellte, ging der Angeklagte auf diese los und versetzte ihr
einen wuchtigen Faustschlag ins Gesicht, woraufhin diese bewusstlos zu Boden sackte. Letztend-
lich konnte der Angeklagte von drei Polizeibeamten festgenommen werden.

Aus dieser Amtshandlung trugen die Beamten Verletzungen in Form von Zerrungen des rechten
Ring- und Mittelfingers sowie heftige Kopfschmerzen, eine Schädelprellung sowie Abschürfungen
im Gesicht und am Unterarm, eine Prellung im Bereich des Knies, Prellungen im Bereich des
Ellenbogens und Handgelenks und eine Prellung mit Abschürfung des Ellenhakens davon.

6   LG Linz 10.07.2018, 39 Hv 53/18m.
                                                                                                3
Dass die erlittenen Verletzungen der Beamten Arbeitsunfähigkeit, wenngleich von individuell un-
terschiedlicher Dauer, zur Folge haben, ist ebenso einleuchtend wie der Umstand, dass derartige
Amtshandlungen Spuren auf psychischer Ebene hinterlassen.

Der Angeklagte wurde vom Landesgericht Linz zu einer Freiheitstrafe von vier Jahren und zur
Zahlung von Teilschmerzengeld bzw Schadenersatzzahlungen gem § 369 Abs 1 StPO iVm
§ 1323 ABGB verurteilt.

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht änderte das Urteil im Strafausspruch dahinge-
hend, dass die Freiheitsstrafe auf fünfeinhalb Jahre angehoben wurde.

1.2 Falldarstellung 2 – Urteil des OGH vom 30.8.20117

Ein Polizeibeamter wollte einen Fahrzeuglenker zum Zwecke einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle
anhalten, da dieser ein auffälliges Fahrverhalten an den Tag legte. Der Beamte begab sich zum
Fahrzeug des Angeklagten (A), um die Fahrertüre des PKW zu öffnen. Daraufhin beschleunigte
A seinen PKW und entzog sich der Anhaltung, woraufhin sich der Polizeibeamte in der Folge nur
durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit begeben konnte.

Folglich kam es zu einer Verfolgungsjagd zwischen dem Polizeibeamten und dem A. A brachte
sein Fahrzeug auf einem Betriebsgelände einer Gärtnerei zum Stillstand und lief in weiterer Folge
davon. Der Polizeibeamte verfolgte den A zu Fuß und stürzte dabei über eine nicht abgesicherte
Stützmauer idH von 1,8 m. Dabei zog sich dieser eine Deckplattenimpressionsfraktur des zwölften
Brustwirbels und eine Kompressionsfraktur des ersten Lendenwirbels zu.

Wie sich im Nachhinein herausstellte, wollte sich A der Verkehrsanhaltung entziehen, da dieser
einen Blutalkoholgehalt von über 1 Promille aufwies und Angst vor einem drohenden Führer-
scheinverlust hatte.

Der A wurde wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt gem § 269 StGB
verurteilt.

Auf die schadenersatzrechtlichen Ansprüche des Beamten wird unter den ersatzfähigen Auf-
wendungen in Kapitel 5 eingegangen.

7   OGH 30.08.2011, 10 Ob 55/11b.
                                                                                                4
2      Zielsetzung der gegenständlichen Arbeit

Primäres Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung, welche schadenersatzrechtlichen Ansprüche ei-
nem verletzten Polizeibeamten durch die Straftat des § 269 StGB erwachsen können. Um ein
Grundverständnis für die Problemstellung zu entwickeln, sollen die wesentlichen Punkte dieses
Delikts – aus strafrechtlicher Betrachtung – erläutert werden (siehe dazu Kapitel 3).

In Kapitel 4 wird auf die grundlegenden Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch ein-
gegangen Dabei soll das Hauptaugenmerk auf den Bezug zur konkreten Thematik – den Wider-
stand gegen die Staatsgewalt – gelegt werden. Insbesondere liegt der Schwerpunkt auf der Be-
trachtung der ersatzfähigen Schäden, da dies im Regelfall für den unmittelbar betroffenen Beam-
ten von hohem Interesse sein wird. Ebenso soll auch das Szenario einer Verletzung aufgrund
eines Widerstandes gegen die Staatsgewalt resultierenden Arbeitsunfähigkeit begutachtet wer-
den.

Zur Veranschaulichung der Problemstellungen soll anhand des in der Falldarstellung 2 ergange-
nen Urteils des OGH auf die Ansprüche der Polizeibeamten eingegangen werden; siehe dazu
Kapitel 5.

Da neben dem Polizeibeamten auch der Bund als dessen Dienstgeber durch die Straftat des
§ 269 StGB beeinträchtigt ist, wird insbesondere auf die Problematik des Lohnfortzahlungsscha-
dens und der Drittschadensliquidation eingegangen, siehe Kapitel 6 und 7. Diesbezüglich wird ein
Vergleich zur Rechtslage der Bundesrepublik Deutschland angestellt und ein Urteil des Landes-
gerichts Magdeburg näher betrachtet. Dieses wurde anhand der Parallelbestimmung des deut-
schen Strafrechts – des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte – gefällt.

Ferner soll in Abschnitt 6.1 die Stellung der Finanzprokuratur, welche den Bund in dessen Rechts-
angelegenheiten vertritt, betrachtet werden.

In Kapitel 8 wird abschließend die Perspektive des Sozialversicherungsträgers beleuchtet, da sich
diese Straftat in weiterer Konsequenz ebenso auf diesen auswirkt.

                                                                                                5
3    § 269 StGB – Widerstand gegen die Staatsgewalt

Eingriffe des Staates in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte seiner Bürger bedür-
fen, insbesondere aufgrund verfassungsrechtlicher Vorschriften wie beispielsweise dem BVG
über den Schutz der persönlichen Freiheit 1988, besonderer Voraussetzungen, die den Staat
bzw dessen Organe ermächtigen, in diese Rechte einzugreifen. Die Sensibilität der Grund-
rechtseingriffe bringt der Staat unter anderem durch die strengen Strafandrohungen der Delikte
der Freiheitsentziehung unter Ausnützen einer Amtsstellung sowie des Amtsmissbrauchs und
der fahrlässigen Verletzung der Freiheit einer Person oder des Hausrechts zum Ausdruck, die
für Organe der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und des Gerichts strenge Strafandrohun-
gen vorsieht.8

Um die objektive und reibungslose Vollziehung ihrer Aufgaben zu gewährleisten, wurde im 13.
Abschnitt des Strafgesetzbuches ein besonderer strafrechtlicher Schutz für die Gerichtsbarkeit
und Verwaltung und deren Angehörige geschaffen. In diesem Abschnitt sind die strafrechtlichen
Delikte gegen die Staatsgewalt in den §§ 269–273 normiert. Diesen Delikten kommt ein gemein-
samer Schutzzweck, nämlich die reibungslose hoheitliche Vollziehung, zu.9 Rechtsunterworfene
haben, solange kein exzessiv rechtswidriger Akt vorliegt, zunächst sogar rechtswidrige Vollzie-
hungsakte zu dulden, wenngleich diesen natürlich das Recht zusteht, gegen diese Akte Be-
schwerde oder Berufung zu erheben oder gegen das Organ Anzeige zu erstatten.10

Der Normtext des § 269 StGB lautet wie folgt:

„(1) Wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt und wer einen Beamten mit
Gewalt oder durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung hindert, ist mit Freiheitsstrafe bis
zu drei Jahren, im Fall einer schweren Nötigung (§ 106) jedoch mit Freiheitsstrafe von sechs Mo-
naten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt oder
einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Amtshandlung nötigt.

(3) Als Amtshandlung im Sinn der Abs. 1 und 2 gilt nur eine Handlung, durch die der Beamte als
Organ der Hoheitsverwaltung oder der Gerichtsbarkeit eine Befehls- oder Zwangsgewalt ausübt.

(4) Der Täter ist nach Abs. 1 nicht zu bestrafen, wenn die Behörde oder der Beamte zu der Amts-
handlung ihrer Art nach nicht berechtigt ist oder die Amtshandlung gegen strafgesetzliche Vor-
schriften verstößt.“11

8 Birklbauer, Strafprozessrecht9, Rz 8/15.
9 Hinterhofer/Rosbaud, in Strafrecht Besonderer Teil II6, Delikte gegen die Staatsgewalt, A, Rz 2.
10 Hochmayr/Schmoller, in SbgK7.Lfg § 269 Rz 66.
11 § 269 StGB; BGBl 60/1974.
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3.1 Tatsubjekt

Dieses Delikt kann von jedermann begangen werden. Zur Verwirklichung des Tatbestandes ist es
nicht erforderlich, dass der Täter der Betroffene der Amtshandlung ist.12

3.2 Tatobjekt

Als Sonderfall der Nötigung gem § 105 StGB sind im Unterschied zu diesem Delikt durch den
§ 269 StGB sowohl Behörden als auch Beamte geschützt. Als Behörde sind neben den Verwal-
tungsbehörden auch die Gerichte zu verstehen. Da eine Behörde lediglich durch ihre Organwalter
handeln kann, ist die Nötigung der Behörde als Auffangklausel für jenen Fall zu verstehen, in
denen ein einzelner Beamter nicht sowohl der Adressat als auch der Genötigte ist.13

Der Begriff des Beamten ist in § 74 Abs 1 Z 4 StGB als Legaldefinition bestimmt. Wesentlich ist,
dass dieser als Organ des Bundes, Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder
einer anderen Person des öffentlichen Rechts – ausgenommen einer Kirche oder einer Religions-
gemeinschaft – mit hoheitlichen Aufgaben betraut ist. Als Beamte sind somit uA Richter, Staats-
anwälte, Exekutivbeamte, Justizwachebeamte, Organe der öffentlichen Aufsicht und Bürgermeis-
ter zu verstehen, um nur einige demonstrativ aufzuzählen.14

3.3 Nötigungsmittel

Hinsichtlich der Tatmittel ist zu unterscheiden, ob sich die Tathandlung gegen eine Behörde oder
einen Beamten richtet. Wesentlich ist, dass durch das eingesetzte Nötigungsmittel das Tatobjekt
(die Behörde oder ein Beamter) an der Durchführung einer Amtshandlung gehindert werden muss.

Der Begriff der Amtshandlung ist in § 269 Abs 3 StGB legal definiert. Nicht jede Amtshandlung
soll einen besonderen strafrechtlichen Schutz für einen Beamten mit sich bringen. Vielmehr
kommt es darauf an, ob der Beamte in seiner Funktion als Träger von Befehls- oder Zwangsgewalt
tätig wird.15

Die Nötigung einer Behörde kann durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt begangen wer-
den. Der OGH definierte den Begriff der Gewalt in der Anwendung überlegener physischer Kraft
von einer gewissen Stärke, zur Überwindung eines wirklichen oder erwarteten Widerstandes, der
sich unmittelbar oder mittelbar gegen das Opfer richtet und darauf abzielt, dieses zu einem un-
willkürlichen Verhalten zu zwingen oder zu einem willkürlichen Verhalten zu bestimmen.16

12 Hochmayr/Schmoller, in SbgK7.Lfg § 269 Rz 11.
13 Hochmayr/Schmoller, in SbgK7.Lfg § 269 Rz 15 ff.
14 Hochmayr/Schmoller, in SbgK7.Lfg Besonderer Teil II6 § 269 Rz 3b.
15 Wegscheider, in Vereinigung d. ö. Richter1997 102.
16 RS0093620.
                                                                                               7
Die Nötigung eines Beamten kann durch Gewalt oder gefährliche Drohung verwirklicht werden.
Eine Legaldefinition des Begriffs der gefährlichen Drohung ist in § 74 Abs 1 Z 5 StGB normiert.
Demnach ist dies eine Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre, Vermögen oder
des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Zugänglichmachen, Bekanntgeben oder Veröf-
fentlichen von Tatsachen oder Bildaufnahmen. Die Drohung muss geeignet sein, dem Bedrohten
– mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit
des angedrohten Übels – begründete Besorgnisse einzuflößen, ohne Unterschied, ob das ange-
kündigte Übel gegen den Bedrohten selbst, gegen dessen Angehörige oder gegen andere unter
seinen Schutz gestellte oder ihm persönlich nahestehende Personen gerichtet ist.17

Die Amtshandlung eines Beamten wird durch das Tatsubjekt gehindert, wenn diese behindert,
gestört, verhindert oder gänzlich unmöglich gemacht wird. Dabei ist es ausreichend, wenn die
Tathandlung eine zeitlich nicht ganz unbedeutende Unterbrechung der Amtshandlung zur Folge
hat.18

17   Hinterhofer/Rosbaud, in Strafrecht Besonderer Teil II6, Delikte gegen die Staatsgewalt, § 269 Rz 9.
18   Hochmayr/Schmoller, in SbgK7.Lfg § 269 Rz 59.
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4    Grundvoraussetzungen des Schadenersatzanspruches

4.1 Schadensbegriff des ABGB

Der Normtext des § 1293 ABGB lautet wie folgt: „Schade heißt jeder Nachteil, welcher jemanden
an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Davon unterscheidet sich der
Entgang des Gewinnes, den jemand nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge zu erwarten hat.“19

Der Schadensbegriff des ABGB ist sehr weit gefasst und schließt jeden Nachteil ein, den jemand
in seinem Vermögen, Rechten oder an seiner Person erlitten hat. Aus § 1293 S 2 ABGB geht
hervor, dass das Gesetz zwischen Vermögensschäden und ideellen Schäden unterscheidet.20

4.1.1   Vermögensschaden

Bei einem Vermögensschaden handelt es sich um die Beeinträchtigung eines Gutes, dem ein
Vermögenswert gegenübersteht und dieser eine Verminderung dessen Wertes und eine Vermin-
derung der Aktiva bzw eine Erhöhung der Passiva zur Folge hat. Eine Beschädigung einer Sache,
wie etwa an einem Dienstfahrzeug der Polizei, führt etwa zu einer Verminderung des Vermögens-
wertes. Die Beeinträchtigung kann neben einer körperlichen Sache auch in der Beeinträchtigung
einer Forderung liegen.21

4.1.2   Immaterieller Schaden

Der ideelle Schaden, den der Gesetzgeber als den ‚Schaden an seiner Person‘ bezeichnet, stellt
einen Nachteil dar, welcher sich nicht durch einen Vermögenswert beziffern lässt. Diese Begriff-
lichkeit ist erforderlich, da etwa der menschliche Körper über keinen Vermögenswert verfügt. Sehr
wohl kann aber ein Mensch in seinen Rechtsgütern verletzt sein. Für die erlittene Verletzung wollte
der Gesetzgeber eine Ausgleichsfunktion schaffen.22 Dabei geht es hauptsächlich um Schäden,
die jemand an seinem Körper oder in seinen höchstpersönlichen Rechten – wie etwa der Freiheit,
der Privatsphäre, der Ehre oder der geschlechtlichen Selbstbestimmung – erlitten hat.23

Unter dem Begriff der ,Körperverletzung‘ ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen
Gesundheit zu verstehen.24 Die körperliche Unversehrtheit ist gem § 16 ABGB ein Persönlich-
keitsrecht, welches jedem Menschen angeboren und schon durch die Vernunft einleuchtend ist.

19 § 1293 ABGB; JGS 946/1811 idF BGBl I 131/2020.
20 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1293 ABGB Rz 1b.
21 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1293 ABGB Rz 5.

22 Koziol, Haftpflichtrecht II3 A/5, Rz 93.
23 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1293 ABGB Rz 15.
24 Danzl in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger (Hrsg) Kurzkommentar zum ABGB6 (2020) § 1325 Rz 2.
                                                                                                  9
Diese Persönlichkeitsrechte sind als absolut zu betrachten. Um die Rechtswidrigkeit eines Ein-
griffs in das Recht auf körperliche Unversehrtheit auszuschließen, bedarf es eines Rechtferti-
gungsgrundes, wie etwa der Einwilligung des Verletzten iSd § 90 StGB.25

Wird ein solches Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, wird dies als immaterieller Schaden bezeich-
net. Charakteristisch für diese Beeinträchtigung ist, dass es durch die Verletzung der körperlichen
oder geistigen Gesundheit zu keiner unmittelbaren Verringerung des Vermögensstandes des Ge-
schädigten kommt.26 Allerdings kann es in weiterer Folge zu einer mittelbaren Verringerung von
diesem kommen, wie etwa in dem Fall, dass eine Person dauerhaft oder für längere Zeit arbeits-
unfähig wird.

Eine Körperverletzung setzt nicht voraus, dass diese äußerlich sichtbare Folgen nach sich zieht.
Massive Einwirkungen in die psychische Sphäre sind jedenfalls dann ersatzfähig, wenn diese mit
körperlichen Symptomen einhergehen und aus ärztlicher Sicht eine Behandlung geboten scheint;
also einen Krankheitswert erreichen.27

4.1.3   Positiver Schaden und entgangener Gewinn

Wenn ein Rechtsgut, welches zum Zeitpunkt seiner Beeinträchtigung bereits vorhanden war, be-
schädigt wurde bzw der Geschädigte eine rechtlich gesicherte Position hatte, liegt ein positiver
Schaden vor. Beim entgangenen Gewinn handelt es sich um zukünftige, potenzielle Gewinnaus-
sichten, deren Eintritt nicht mit Sicherheit zu erwarten ist.28

Die Unterscheidung dieser Begrifflichkeiten spielt im Hinblick auf die Ersatzfähigkeit eine wesent-
liche Rolle.

4.2 Quellen der Beschädigung

Der § 1294 ABGB unterteilt die Quellen der Beschädigung in die Schädigung durch Tun, Unter-
lassen oder die Schädigung durch Zufall.29 Unter dem Handlungsbegriff versteht der Gesetzge-
ber neben den steuerbaren Bewegungen des menschlichen Körpers auch willkürliche Handlun-
gen sowie auch nicht-beherrschbare Körperbewegungen, welche als unwillkürliche Handlung
bezeichnet werden.30 Von einer Unterlassung kann jedoch nur gesprochen werden, wenn ein
aktives Tun, also eine Handlung möglich und geboten war.31

25 Koch in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger (Hrsg) Kurzkommentar zum ABGB6 (2020) § 16 Rz 7 ff.
26 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1293 ABGB Rz 15.
27 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1325 ABGB Rz 1.
28 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1293 ABGB Rz 12.
29 Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), Kurzkommentar zum ABGB6, § 1294 ABGB Rz 1.
30 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1294 ABGB Rz 1.
31 Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), Kurzkommentar zum ABGB6, § 1294 ABGB Rz 6.

                                                                                                  10
Hinsichtlich des Zufallsbegriffs ist anzumerken, dass dieser ex-lege nicht definiert ist. Wörtlich
interpretiert, ist der ,Zufall‘ ein nicht voraussehbares Ereignis, welches unbeabsichtigt und uner-
wartet geschah.32 Im juristischen Zusammenhang betrachtet, ist der Zufallsbegriff so auszulegen,
dass die Rechtsunterworfenen ihr Verhalten so zu gestalten haben, dass der Eintritt eines Zufalls-
schadens nicht durch entsprechende Maßnahmen und Vorkehrungen verhindert werden kann.33

Der zufällige Schaden trifft gem § 1311 ABGB grundsätzlich denjenigen, in dessen Sphäre er sich
ereignet hat. Wurde die Herbeiführung eines Zufalls schuldhaft veranlasst, ergibt sich eine Haf-
tung für denjenigen, der diesen herbeigeführt hat.34

4.2.1    Rechtswidrigkeit

Der Begriff ‚Rechtswidrigkeit‘ enthält im ABGB keine Legaldefinition. Darunter ist ein Verhalten zu
verstehen, das objektiv sorgfaltswidrig ist. Diese Sorgfaltswidrigkeit kann sich aus der Verletzung
eines Vertrages oder im deliktischen Bereich aus der Verletzung eines Schutzgesetzes iSd
§ 1311 ABGB,        aus    absichtlich     sittenwidriger    Schädigung        und    Rechtsmissbrauch   gem
§ 1295 Abs 2 ABGB oder aus der Beeinträchtigung eines absolut geschützten Rechtsgutes erge-
ben.35

Maßstab für die objektive Sorgfaltswidrigkeit ist das Verhalten eines ordnungsgemäßen und
rechtstreuen Menschen.36 Sobald eine Sorgfaltsverletzung feststeht, hat der Schädiger zu haften,
sofern dieser keine Rechtfertigungsgründe – wie etwa Notwehr, Notstand, Selbsthilfe, Einwilli-
gung, Geschäftsführung ohne Auftrag im Notfall, gesetzliche Ermächtigung oder Schädigung
durch sozialadäquates Verhalten – beweisen kann.37

Um eine uferlose Ausweitung von Ersatzansprüchen zu verhindern, muss auch der Rechtswidrig-
keitszusammenhang in persönlicher und sachlicher Hinsicht gegeben sein. Im Rahmen des per-
sönlichen Rechtswidrigkeitszusammenhangs ist darauf abzustellen, welches Rechtssubjekt von
dieser Norm geschützt werden soll. Auf Ebene des sachlichen Rechtswidrigkeitszusammenhangs
ist auf den Schutzbereich der Norm abzustellen. Dabei gilt es zu untersuchen, welche Schäden
die vorhandene Norm verhindern wollte.38

32 Duden, https://www.duden.de/rechtschreibung/Zufall, 12.12.2020.
33 RS0027344.
34 Wagner in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar4 (2016) zu § 1311 ABGB, B, Rz 2.
35 Karner in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger (Hrsg) Kurzkommentar zum ABGB4 (2016) § 1294 Rz 4.
36 Riedler in Zivilrecht IV4, Schuldrecht – Besonderer Teil, Gesetzliche Schuldverhältnisse Rz 2/24.
37 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1294 ABGB Rz 13.
38 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1295 ABGB Rz 6.
                                                                                                          11
4.2.2    Absolut geschützte Rechtsgüter

Gegenüber absolut geschützten Rechtsgütern ergibt sich für jedermann die Pflicht, sich sorgfältig
zu verhalten. Absolute Rechtsgüter sind in verschiedenen Rechtsnormen, wie etwa im
§ 354 ABGB das Eigentum zu finden oder ergeben sich aus der Rechtsnorm wie in den Fällen der
§ 1325 ABGB (körperliche Integrität) oder § 1326 ABGB (Leben). 39 Verhält sich der Schädiger
gegenüber diesen Gütern sorgfaltswidrig, bedeutet dies bereits ein Verhaltensunrecht.40

Ein Unrechtsverhalten leitet sich aus einem Verstoß gegen Ge- oder Verbote der Rechtsordnung
ab. Dabei wird stets auf das menschliche Verhalten und nicht auf den schädigenden Erfolg abge-
stellt. Ein gewichtiges Argument für die Verhaltensunrechts- und gegen die Erfolgsunrechtslehre
ist, dass ein Verhalten, das untersagt werden soll, ex-ante als solches bezeichnet wird. Bei der
Erfolgsunrechtslehre hingegen erfolgt die Beurteilung hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des einge-
tretenen Erfolgs erst ex-post.41 In Österreich hat sich die – von den Verfassern des ABGB inten-
dierte – Erfolgsunrechtslehre nach hA in die Richtung der Verhaltensunrechtslehre entwickelt.42

Erfolgt ein Eingriff in absolut geschützte Rechtsgüter, ist jedenfalls der damit verbundene adä-
quate Folgeschaden zu ersetzen.43

4.2.3    Verletzung eines Schutzgesetzes gem § 1311 ABGB

Der materielle Begriff des Schutzgesetzes zielt auf das Existieren einer generellen Verhaltens-
norm ab. Der Schutzzweck dieser Norm ergibt sich aus dem Inhalt, der teleologisch zu interpre-
tieren ist und darauf abstellt, ob die übertretene Norm den eingetretenen Schaden verhindern
wollte.44 Neben Gesetzen sind auch Verordnungen und Bescheide als Schutzgesetze zu verste-
hen.45

Mit Schutzgesetzen schreibt der Gesetzgeber konkrete Verhaltensweisen vor, um eine Beein-
trächtigung fremder Interessen hintanzuhalten und die vom Schutzbereich umfassten Personen
vor Verletzungen ihrer Rechtsgüter zu schützen. Die Verhaltensweisen knüpfen dabei nicht an
einer konkreten Gefährdung, sondern bereits an der abstrakten Gefährlichkeit des Verhaltens
an.46

39 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1294 ABGB Rz 17a.
40 OGH 30.06.1998, 4 Ob 154/98w.
41 Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 4/4.
42 Wagner in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar4 (2016) zu § 1294 ABGB Rz 7.
43 OGH 29.01.2002, 1 Ob 168/01i.
44 RS0008775.
45 Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II3 A/3 Rz 2 f.
46 RS0027710.
                                                                                                   12
Um einer uferlosen Ausweitung entgegen zu treten, ist auf den Schutzzweck der übertretenen
Verhaltensnorm abzustellen. Dies erfolgt durch die Frage, was die konkrete Verhaltensnorm ver-
hindern wollte.47

                                         Schutzzweck des § 269 StGB

Hinsichtlich des eingetretenen Vermögensschadens des Bundes (zur Problematik der Drittscha-
densliquidation siehe dazu Kapitel 7) ist auf den Schutzzweck des § 269 StGB abzustellen. Pri-
märer Schutzzweck dieser Norm ist die reibungslose und objektive Vollziehung des staatlichen
Willens, da die Organwalter die ihnen übertragenen Tätigkeiten nur frei von Zwang objektiv vor-
nehmen und unterlassen können. Sekundär werden die Willensbildungsfreiheit und -betätigung
der betroffenen Beamten geschützt, soweit sich diese auf etwaige Amtshandlungen beziehen.48

Wilburg geht in seiner These zum sachlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang darauf ein, dass
die Verletzung eines Menschen uA verboten ist, um eine Schädigung durch Verdienstentgang und
Heilungskosten zu verhindern. Der Ersatz jener Nachteile soll gesichert werden, welche die ver-
letzte Norm verhindern sollte, unerheblich bei wem diese eingetreten sind.49

Der OGH hat in einem Rechtssatz dazu festgehalten, dass in einem Schutzgesetz eine kleinere
und detailliertere Verhaltensnorm zu sehen ist, welche das ge- und verbotene Verhalten genauer
beschreibt und diesen Schutzgesetzen eine Verdeutlichungsfunktion zukommt.50 In einer Ent-
scheidung hielt der OGH zudem fest, dass eine Rechtsnorm ebenso ein Schutzgesetz darstellt,
wenn diese nicht nur den Schutz des Hauptzwecks (in ggst Fall die reibungslose und objektive
Vollziehung des staatlichen Willens) bezweckt, sondern bereits der Schutz von Individualinteres-
sen genügt.51

ME sind sowohl der einzelne Beamte als auch der Bund als dessen Dienstgeber vom Schutz-
zweck der Norm umfasst und diese Rechtsnorm stellt ein Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB dar,
zumal die Norm des § 269 StGB zum Ausdruck bringt, dass die Hinderung eines Beamten an
einer Amtshandlung mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung ein pönalisiertes Verhalten dar-
stellt. Insbesondere die Normierung der Tatmittel in dieser Rechtsnorm lassen den Schutz der
individuellen Interessen des Beamten, aber auch des Bundes erkennen. In ggst Fall wird dies für
den Beamten unmittelbar der Schutz vor einer Gesundheitsbeeinträchtigung sein. Auch der Bund
als Dienstgeber wird an dem Schutz vor einer Gesundheitsbeeinträchtigung seiner Organe, zu-
mindest mittelbar und vor allem an deren Dienstleistungsfähigkeit unmittelbar interessiert sein.

47 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1311 ABGB Rz 11.
48 Hochmayr/Schmoller, in SbgK7.Lfg § 269 Rz 9.
49 Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 13/25.
50 RS0027367.
51 OGH 20.12.1995, 7 Ob 532/95.
                                                                                                   13
Analog zu § 1311 ABGB sieht der deutsche Gesetzgeber in § 823 Abs 2 BGB eine Ersatzpflicht
bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß gegen ,,ein den Schutz eines anderen bezwe-
ckendes Gesetz“ vor.52 Der BHG hat in seinem Urteil festgehalten, dass eine Rechtsnorm auch
dann als Schutzgesetz anzusehen ist, ,,wenn sie – sei es auch nur zum Schutz der Allgemeinheit
– dazu dienen soll, den einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines
Rechtsgutes oder eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen.“53

Die Parallelbestimmung zum § 269 StGB ist im deutschen Recht § 113 – Widerstand gegen Voll-
streckungsbeamte – des dStGB. Die hM ist der Ansicht, dass diese Norm die ,,rechtmäßig betä-
tigte Vollstreckungsgewalt des Staates“ bezweckt und auch auf den Schutz der Organe abzielt.
Dieser doppelte Schutzzweck ist in der deutschen hL umstritten.54 Insbesondere aufgrund des
Umstandes, dass § 113 dStGB auf den Personenkreis der Vollstreckungsorgane abzielt, ist diese
Rechtsnorm meiner Ansicht nach als Schutzgesetz iSd § 823 Abs 2 BGB anzusehen. Das LG
Magdeburg hat in seinem Urteil einen solchen Schadenersatzanspruch aus übergegangenem
Recht anerkannt55 – siehe dazu Kapitel 7.3.

4.3 Kausalität

Dabei wird im Hinblick auf die haftungsrelevanten Ursachen auf die Äquivalenztheorie zurückge-
griffen und sich dabei der Conditio-sine-qua-non-Formel bedient. Kausal iSd Äquivalenztheorie ist
jedes Ereignis, ohne dass der Schaden nicht eingetreten wäre bzw in der konkreten Gestalt ent-
fiele.56 Dies bedeutet jedoch nicht, dass jeder für Schäden aufzukommen hat, zu deren Eintritt er
in irgendeiner Form beigetragen hat. Der Haftungsansatzpunkt ist die Kausalität des verwerflichen
Verhaltens. Im Rahmen der Verschuldenshaftung ist die Ursächlichkeit der Normübertretung für
den Schaden zu prüfen.57

4.4 Adäquanz

Koziol bezeichnet einen Schaden dann als adäquat herbeigeführt, wenn seine Ursache ihrer all-
gemeinen Natur nach für die Herbeiführung des eingetretenen Erfolges nicht gänzlich ungeeignet
erscheint und es zu diesem nicht nur aufgrund einer Verkettung außergewöhnlicher Umstände

52 Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse § 823 BGB Rz 36.
53 BGH 02.02.1988, VI ZR 133/87.
54
   Bosch, MüKoStGB § 113 StGB Rn. 1-2.
55 LG Magdeburg 18.12.2013,10 O 1751/12.
56 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1295 ABGB Rz 1a f.
57 Geroldinger, Der mutwillige Rechtsstreit 108.
                                                                                               14
gekommen ist. Der Adäquanzzusammenhang ist objektiv zu bemessen.58 Ein Schaden ist adä-
quat verursacht, wenn die generelle Eignung der Ursache, den Schaden herbeizuführen, nicht
außerhalb der allgemeinen menschlichen Erfahrung liegt.59

4.5 Verschulden

Unter dem Begriff des Verschuldens wird im ABGB sowohl das objektive rechtswidrige Verhalten
als auch die Ebene des persönlichen Verschuldens – also die subjektive Vorwerfbarkeit des ob-
jektiv rechtswidrigen Verhaltens – umfasst. Auf der subjektiven Ebene wird zwischen den Ver-
schuldensformen des groben Verschuldens – also Vorsatz und grober Fahrlässigkeit – der leich-
ten Fahrlässigkeit und der entschuldbaren Fehlleistung unterschieden.60

Der Schädigungsvorsatz setzt Willentlich- und Wissentlichkeit im Hinblick auf den Schadenseintritt
voraus. Während beim Vorsatz dem Schädiger die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens bewusst
ist und dieser die Schädigung voraussieht und sich damit abfindet, lässt der fahrlässige Schädiger
die gehörige Sorgfalt außer Acht, zu der er nach den Umständen verpflichtet wäre. Dabei ist auf
die individuellen Fähigkeiten des Schädigers abzustellen und dessen geistige und körperliche Fä-
higkeiten zu berücksichtigen.61 Fahrlässigkeit führt daher nicht in jedem Fall zu einem Verschul-
den. Dies ist nur dann der Fall, wenn dem Schädiger die Schädigungshandlung subjektiv vorzu-
werfen ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Schädiger erkennen hätte können, dass er
ein gefährliches Verhalten setzt oder wenn er im Wissen seines gefährlichen Verhaltens, dieses
vermeiden hätte können.62 Grob fahrlässig ist ein Verhalten, wenn die Außerachtlassung der Sorg-
faltspflicht ungewöhnlich und auffallend schwer wiegt, sodass der Schadenseintritt geradezu vor-
hersehbar war.

Der Verschuldensgrad der entschuldbaren Fehlleistung ist der geringste, nach den allgemeinen
Regeln haftungsbegründende und liegt dann vor, wenn „die Fehlleistung nicht als nennenswertes
Verschulden gewertet werden kann und der Schaden nur bei außerordentlicher Aufmerksamkeit“
abzuwenden gewesen wäre.63

Die Beurteilung des Verschuldensgrades ist insbesondere für die Ersatzfähigkeit des Schadens
von elementarer Bedeutung. Der positive Schaden ist unabhängig vom Verschuldensgrad ersatz-
fähig. Der entgangene Gewinn sowie die volle Genugtuung – also der Ersatz des positiven Scha-
dens und des entgangenen Gewinns – sind bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz zu ersetzen.64

58 OGH 30.06.1998, 4 Ob 154/98w.
59 OGH 14.09.1999, 4 Ob 216/99i.
60 Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), Kurzkommentar zum ABGB6, § 1294 ABGB Rz 7ff.
61 Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), Kurzkommentar zum ABGB6, § 1294 ABGB Rz 10f.
62 Riedler in Zivilrecht IV4, Schuldrecht – Besonderer Teil, Gesetzliche Schuldverhältnisse Rz 2/82f.
63 RS0054822.
64 Vrba in Schadenersatz in der Praxis, Begriff und Voraussetzungen des Ersatzes des eingetretenen Schadens 42 Lfg.,

Rz 4.
                                                                                                                  15
5      Ersatzfähige Aufwendungen

Aus § 1323 Satz 1 ABGB geht das Primat der Naturalrestitution hervor, wonach der Schädiger
vorrangig alle entstandenen Schäden zu beseitigen oder Geldersatz zur Wiederherstellung an
den Geschädigten zu leisten hat. Der Naturalrestitution gilt der Vorrang, da diese der beste und
vollständigste Ersatz ist, das Integritätsinteresse wahrt und am besten geeignet ist, den Aus-
gleichsgedanken zu verwirklichen. Erst wenn diese Naturalrestitution untunlich wäre, hat der
Schädiger den Schaden in Höhe des Schätzungswertes in Geld zu vergüten.65 Untunlich ist die
Naturalrestitution dann, wenn mit der Naturalherstellung ein unverhältnismäßig hoher Aufwand
verbunden ist, wenn beispielsweise die Kosten für die Reparatur eines Autos, die den Zeitwert
von diesem erheblich übersteigen. Handelt es sich um eine Speziessache, begründet dies nicht
automatisch die Unmöglichkeit der Zurückversetzung in den vorigen Stand, da bereits die Schaf-
fung einer Ersatzlage ausreichend ist.66 Aus § 1323 Satz 2 ABGB lässt sich entnehmen, dass wie-
derum zwischen der eigentlichen Schadloshaltung und der vollen Genugtuung zu differenzieren
ist.

Unter dem Begriff der eigentlichen Schadloshaltung wird der Ersatz des positiven Schadens und
unter dem Begriff der vollen Genugtuung der Ersatz des positiven Schadens sowie des entgan-
genen Gewinns verstanden. Die Begriffe der eigentlichen Schadloshaltung und der vollen Genug-
tuung weisen abermals auf den gegliederten Schadensbegriff im österreichischen Recht hin.67

Diese Begrifflichkeiten sind hinsichtlich des Ersatzumfanges relevant. § 1324 ABGB stuft den Er-
satzumfang nach dem Verschuldensgrad ein. Das ABGB ordnet für die Verletzung bestimmter
Rechtsgüter, wie auch für die Verletzung der körperlichen Unversehrtheit, hinsichtlich der ersatz-
fähigen Ansprüche, besondere Regelungen an.68 Hinsichtlich besonderer Schadensarten ordnet
das ABGB in den §§ 1325 bis 1336 ABGB bestimmte Arten der Schadloshaltung für bestimmte
Grundtatbestände an.

§ 1325 ABGB lautet wie folgt: „ Wer jemanden an seinem Körper verletzt, bestreitet die Heilungs-
kosten des Verletzten; ersetzt ihm den entgangenen, oder wenn der Beschädigte zum Erwerb
unfähig wird, auch den künftig entgehenden Verdienst, und bezahlt ihm auf Verlangen überdies
ein den erhobenen Umständen angemessenes Schmerzengeld.“69

65 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1323 ABGB Rz 1.
66 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1323 ABGB Rz 8f.
67 Riedler in Zivilrecht IV4, Schuldrecht – Besonderer Teil, Gesetzliche Schuldverhältnisse 2/13.
68 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1324 ABGB Rz 1.
69 § 1325 ABGB; JGS 946/1811 idF BGBl I 131/2020.
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5.1 Heilungskosten

Unter Heilungskosten werden Aufwendungen verstanden, welche die gesundheitlichen Folgen
des Unfalls beseitigen oder verbessern sollen, oder die zur Abwendung der Verschlechterung des
körperlichen Zustandes geleistet werden.70

Jeder Aufwand, der zur Heilung zweckmäßig und erforderlich ist, ist zu ersetzen. Gleiches gilt für
Kosten der versuchten Heilung, wenn beispielsweise ein heilender Behandlungserfolg nicht ein-
getreten ist. Von diesen Heilungskosten sind neben den Behandlungskosten, Kosten für Heilbe-
helfe, wie Prothesen oder Zahnersatz, die Reisekosten für etwaige Untersuchungen, Kosten für
den Transport sowie angemessene Trinkgelder für das Pflegepersonal umfasst. Auch Kosten des
Besuches naher Angehöriger sind ersatzfähig.71

Kosten für eine kosmetische Operation, welche zur gänzlichen oder teilweisen Beseitigung der
hervorgerufenen Verletzungen dienen, weisen eine Parallele zum Primat der Naturalrestitution
auf. Insofern diese zweckmäßig sind, hat der Schädiger diese Kosten zu ersetzen.72

In früherer stRsp sprach der OGH dem Geschädigten Heilungskosten zu, unabhängig davon, ob
dieser sich tatsächlich einer Behandlung unterzog. Begründet wurde dies mit der objektiv-konkre-
ten Schadensberechnung und der Argumentation, dass der Schaden, der durch die Körperverlet-
zung zugefügt wurde, den Kosten, die für die Wiederherstellung der Gesundheit aufgewendet
werden müssen, gleichzusetzten sei. Die Unterlassung der Heilbehandlung schade jedenfalls
nicht.73

Die Lehre kritisierte diesen Zugang mit der Begründung, dass Heilungskosten, die tatsächlich gar
nicht angefallen wären, keinen Schaden darstellen können. Die Beeinträchtigung der körperlichen
Integrität könne keinesfalls einen Vermögensschaden darstellen.74

In seiner Entscheidung kam der OGH zur Auffassung, dass fiktive Heilungskosten nunmehr nicht
zu ersetzen seien und lehnte die abstrakte Schadensberechnung ab, wenn feststehe, dass ein
tatsächlicher Vermögensschaden nie eintreten wird. 75 Damit kam der OGH dem ursprünglichen
Gedanken der Ausgleichsfunktion des Schadenersatzrechtes näher und entfernte sich vom Be-
reicherungsrecht. Dies ist nicht nur für den unmittelbar Geschädigten, sondern auch für den So-
zialversicherungsträger von Bedeutung, zumal diesem erst ein Regressanspruch zukommt, wenn

70
   Vrba in Schadenersatz in der Praxis, Begriff und Voraussetzungen des Ersatzes des eingetretenen Schadens 42 Lfg.,
Rz 19.
71 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1325 ABGB Rz 14 ff.
72 OGH 19.10.1977, 8 Ob 136/77.
73 ÖJZ 2001, 673.
74 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1325 ABGB Rz 18.
75 OGH 23.10.1997, 2Ob82/97s.
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sich der Geschädigte tatsächlich einer Behandlung unterzogen hat. Ein ebensolcher Regressan-
spruch in der Höhe des Mehrbetrags steht dem Geschädigten zu, wenn durch den Sozialversi-
cherungsträger nicht die kompletten Kosten der Behandlung übernommen werden.76

Der Geschädigte kann jedenfalls Kosten einer künftigen Heilbehandlung vorschussweise begeh-
ren, wenn dieser eine ernste Behandlungsabsicht nachweisen kann und diese nicht direkt auf den
Sozialversicherungsträger in Form einer Legalzession übergehen.77 Damit will die Rsp verhindern,
dass der Geschädigte eigenes Kapital zur Behandlung des eingetretenen Schadens aufwenden
muss. Wenn der Geschädigte die Heilbehandlung unterlässt, können diese Kosten vom Schädiger
zurückgefordert werden.78

Wenn der Geschädigte eine zumutbare Heilbehandlung unterlässt und ein bleibender Körperscha-
den bestehen bleibt, führt dies zu einer Verletzung der Schadensminderungspflicht gem
§ 1304 ABGB, welche bis zu einem gänzlichen Entfall des Ersatzanspruches führen kann.79

5.2 Verdienstentgang

Der Verdienstentgang stellt einen Gegenstand des Vermögensschadens dar. Die Erwerbsfähig-
keit wurde von einigen Vertretern der Lehre als eigenständiges Rechtsgut betrachtet. Reischauer
führt aus, dass der Ersatz des Verdienstentganges aufgrund der Beeinträchtigung des absoluten
Rechtsgutes der körperlichen Integrität entsteht und es für die Ersatzfähigkeit keiner Schaffung
eines weiteren Rechtsguts bedürfe.80

Unter Erwerbsfähigkeit ist die Fähigkeit zu verstehen, in einer der Ausbildung, den Anlagen und
der bisherigen Tätigkeit entsprechenden Stellung den Lebensunterhalt zu verdienen. Eine Beein-
trächtigung der Erwerbsfähigkeit ist bereits gegeben, wenn der Verletzte vorübergehend nicht in
der Lage ist, seinen Lebensunterhalt zu verdienen oder etwaigen Unterhaltsleistungen, zu denen
er verpflichtet ist, nachzukommen. 81 Der Verdienstentgang ist als positiver Schaden anzusehen,
wenn der Geschädigte eine rechtlich gesicherte Position auf den Verdienst hatte oder dieser mit
hoher Wahrscheinlichkeit erzielt worden wäre. Ob eine selbstständige oder unselbstständige Er-
werbstätigkeit vorliegt, ist für die Beurteilung der Ersatzfähigkeit des Verdienstentgangs unerheb-
lich. Ist der Verdienst für die Dauer der Verletzung zurückgegangen, ist diese Differenz konkret
zu ersetzen, wohingegen bei dauerhaftem Verdienstentgang dem Verletzen eine abstrakte Rente
zusteht.82

76 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1325 ABGB Rz 12.
77 OGH, 23.10.1997, 2 Ob 82/97s.
78 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1323 ABGB Rz 13.
79 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1304 ABGB Rz 39.
80 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1325 ABGB Rz 25.
81 Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II3 A/5 Rz 61.
82 Hinteregger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1325 Rz 13.
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Das Monatsgehalt eines Polizeibeamten setzt sich aus dem Grundbezug, der Dienstalterszulage,
der Funktionszulage, der Verwendungszulage, der Ergänzungszulage (inkl Wahrungszulage) und
der Wachdienstzulage zusammen.83 Zu diesen Zulagen kommen weitere pauschalierte Nebenge-
bühren, wie die Gefahrenzulage, die Aufwandsentschädigung, die Vergütung für den Exekutiv-
dienst, der Fahrtkostenzuschuss und ein Reisegebührenpauschales hinzu.84 Die Erbringung von
Mehrdienstleistungen wird ebenso finanziell abgegolten, sofern der Beamte nicht ausdrücklich
den Ausgleich durch Freizeit wünscht.85

Ein variierendes Nettoeinkommen, wie es bei einem Polizeibeamten durch die divergierenden
Nebengebührenwerte, welche auf die monatlich abweichenden Erfordernisse des Dienstbetriebes
zurückzuführen sind, ist ebenso ersatzfähig und schadet nicht.86 Wenn bei der Schadensberech-
nung aus angeführtem Grund ein bestimmtes Einkommen nicht dargelegt werden kann, ist jenes
zu ermitteln, welches der Verletzte bei gewöhnlichem Lauf der Dinge voraussichtlich erzielen hätte
können.87 Dem Geschädigten ist der Verdienstentgang in Höhe des Nettobetrages zu ersetzen,
der ihm geblieben wäre, wenn dieser seiner Erwerbstätigkeit nachgekommen wäre.88 Für die kon-
krete Berechnung des Verdienstentganges ist auf den hypothetisch erzielbaren Nettoverdienst
abzustellen.89 Somit entsteht dem Beamten gegenüber dem Schädiger der Anspruch auf die Ne-
bengebühren, die über das Grundgehalt und die pauschalierten Nebengebühren hinaus gehen,
da diese gerade ja durch den Bund als dessen Arbeitgeber bestritten werden – siehe dazu Ab-
schnitt 6.2.

Für den Fall, dass der Verletzte am Schluss der mündlichen Streitverhandlung noch keinen finan-
ziellen Schaden erlitten hat, dieser aber in Zukunft eintreten wird, weil er seiner beruflichen Tätig-
keit nicht mehr nachgehen kann, besteht die Möglichkeit, dass das Gericht eine abstrakte Rente
zuspricht. Dieser kommt eine Ausgleichsfunktion für die Mehranstrengungen zu, welche der Ge-
schädigte bei der Erbringung seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit – aufgrund seiner erlittenen
Verletzungen – zu bewältigen hat. Dem Anspruch auf Verdienstentgang gegen den Schädiger
kommt der gleiche Zweck wie der Anspruch gegen den Sozialversicherungsträger auf Leistung
einer Versehrtenrente zu.90

Da ein in der Erwerbsfähigkeit eingeschränkter Arbeitnehmer einer größeren Gefahr des Arbeits-
platzverlustes ausgesetzt ist, soll sich dieser mit der abstrakten Rente Rücklagen für etwaige zu-
künftige finanzielle Engpässe schaffen können. In diesem Fall kommt der abstrakten Rente auch

83 § 3, BGBl 54/1956.
84 § 15, BGBl 54/1956.
85 § 16, BGBl 54/1956.
86 ZVR, 1971/126.
87 OGH, 28.01.1982, 8 Ob 67/81.
88 OGH 25.6.1998, 2 Ob 147/98a.
89 Hinteregger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1325 Rz 22.
90 RS0031026.
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