VORSORGE FÜR MEDIZINISCHE ANGELEGENHEITEN

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Eingereicht von
                                        Gschwendtner Antonia

                                        Angefertigt am
                                        Institut für Recht der
                                        sozialen
                                        Daseinsvorsorge und
                                        Medizinrecht

                                        Beurteiler
                                        Univ.-Prof. Dr. Reinhard
                                        Resch

VORSORGE FÜR
                                        Jänner 2022

MEDIZINISCHE
ANGELEGENHEITEN

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium

Rechtswissenschaften

                                        JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenberger Straße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        jku.at
Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich
oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Linz, am 10. Jänner 2022

Ort, Datum

Unterschrift

Gender Disclaimer

Die in der Arbeit verwendete männliche Form ist auf alle Geschlechter zu beziehen. Durch die
gewählte Diktion ist keine Diskriminierung intendiert.

                                                                                                II
Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................... V
I.     Vorwort .....................................................................................................................................1
II.       Einleitung: Selbstbestimmung und medizinische Behandlung .............................................1
III.      Die Patientenverfügung nach PatVG .....................................................................................3
A.        Regelungsgegenstand und Begrifflichkeiten .........................................................................4
B.        Allgemeine Voraussetzungen ................................................................................................6
1.     Persönlicher Anwendungsbereich .............................................................................................6
2.     Höchstpersönlichkeit .................................................................................................................6
3.     Entscheidungsfähigkeit .............................................................................................................7
4.     Altersgrenze ..............................................................................................................................7
5.     Sachlicher Anwendungsbereich ................................................................................................7
C.        Die verbindliche Patientenverfügung ....................................................................................8
1.     Formvorschriften .......................................................................................................................9
2.     Inhaltserfordernisse ...................................................................................................................9
3.     Ärztliches Aufklärungsgespräch .............................................................................................10
4.     Juristische Mitwirkung ............................................................................................................12
5.     Verbindlichkeitsdauer .............................................................................................................13
D.        Die andere Patientenverfügung ...........................................................................................14
1.     Einschätzung der Krankheitssituation .....................................................................................15
2.     Abgelehnte Behandlung ..........................................................................................................15
3.     Ärztliche Aufklärung...............................................................................................................15
4.     Formvorschriften .....................................................................................................................16
E. Unwirksamkeit ........................................................................................................................18
F.     Widerruf ..................................................................................................................................19
G.        Sonstige Inhalte ...................................................................................................................21
H.        Notfallsituationen ................................................................................................................22
I.     Auffindbarkeit .........................................................................................................................22
1.     Dokumentationspflicht ............................................................................................................22
2.     ELGA ......................................................................................................................................23
J.     Bringschuld oder Suchpflicht? ................................................................................................23
K.        Register der Notariatskammer und Rechtsanwaltskammer .................................................24
L. Kostentragung .........................................................................................................................25
M.        Vorliegen einer Patientenverfügung ....................................................................................25
                                                                                                                                                  III
N.        Missbrauchsschutz ...............................................................................................................27
O.        Haftung ................................................................................................................................28
IV.       Die Vorsorgevollmacht........................................................................................................29
A.        Überblick .............................................................................................................................29
B.        Rechtsnatur ..........................................................................................................................30
C.        Allgemeine Voraussetzungen ..............................................................................................30
1.     Der Vollmachtgeber ................................................................................................................30
2.     Formvorschriften .....................................................................................................................31
3.     Juristische Mitwirkung und Aufklärung .................................................................................31
4.     Registrierung ...........................................................................................................................32
5.     Eignung des Vorsorgebevollmächtigten .................................................................................33
6.     Wirkungsbereich .....................................................................................................................36
D.        Wirksamwerden ...................................................................................................................38
E. Beendigung und Änderung......................................................................................................40
F.     Missbrauchsgefahr ..................................................................................................................41
G.        Haftung ................................................................................................................................41
H.        Einwilligung in die medizinische Behandlung bei einem entscheidungsunfähigen Patienten
          43
I.     Besonderheiten bei Sterilisation und medizinischer Forschung .............................................45
V.        Spannungsverhältnis von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht ..............................46
VI.       Diskussion ...........................................................................................................................49
VII.      Literaturverzeichnis .............................................................................................................54
VIII.        Judikaturverzeichnis ........................................................................................................59

                                                                                                                                                 IV
Abkürzungsverzeichnis
aA            anderer Ansicht
AB            Ausschussbericht
ABGB          Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch JGS 946
Abs           Absatz
Art           Artikel
ÄrzteG        Ärztegesetz 1998 BGBl I 1998/169
AußStrG       Außerstreitgesetz BGBl I 2003/111
BlgNR         Beilage, -n zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates
bspw          beispielsweise
bzw           beziehungsweise
dBGB          deutsches Bürgerliches Gesetzbuch dRGBl 1896, 195
dh            das heißt
ELGA          Elektronische Gesundheitsakte
ErlRV         Erläuterungen zur Regierungsvorlage
ErwSchG       Erwachsenenschutz-Gesetz BGBl I 2013/158
et al         et alii, et aliae
etc           et cetera
f             und der, die folgende
ff            und der, die folgenden
gem           gemäß
GP            Gesetzgebungsperiode
GTelG         Gesundheitstelematikgesetz 2012 BGBl I 2012/111
hA            herrschende Ansicht
hM            herrschende Meinung
idR           in der Regel
IERM          Institut für Ethik und Recht in der Medizin
iSd           im Sinn des, - der
iVm           in Verbindung mit
KAG           nunmehr KAKuG; Krankenanstaltengesetz BGBl 1957/1

                                                                                  V
KAKuG     Kranken- und Kuranstaltengesetz BGBl I 2002/65
krit      kritisch
leg cit   legis citatae
mE        meines Erachtens
ME        Ministerialentwurf
NO        Notariatsordnung RGBl 1871/75 (Legalabkürzung: BGBl I 2005/164)
oÄ        oder Ähnliche(s)
OGH       Oberster Gerichtshof
OTPG      Organtransplantationsgesetz BGBl I 2012/108
ÖZVV      Österreichisches Zentrales Vertretungsverzeichnis
PatVG     Patientenverfügungs-Gesetz BGBl I 2006/55
RAO       Rechtsanwaltsordnung RGBl 1868/96
Rz        Randziffer
SN        Stellungnahme
StGB      Strafgesetzbuch BGBl 1974/60
SWRÄG     Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 BGBl I 2006/92
TubG      Tuberkulosegesetz BGBl 1968/127
ua        unter anderem
UbG       Unterbringungsgesetz BGBl 1990/155
usw       und so weiter
va        vor allem
vgl       vergleiche
Z         Ziffer
zB        zum Beispiel

                                                                            VI
I.       Vorwort
Der medizinische Fortschritt bringt nicht nur Neuerungen in der Medizin, sondern auch die
Rechtswissenschaften sind regelmäßig gefordert, sich den neuen Erkenntnissen anzupassen und
sich weiterzuentwickeln. Die Lebenserwartung der Menschen bewegt sich seit Jahren
kontinuierlich nach oben und vielen Gesellschaften steht eine Überalterung bevor. Die Angst vor
der starken Abnahme der Lebensqualität ist oft größer als der Wunsch nach ein paar weiteren
Jahren. Verschiedenste Ursachen können in allen Lebensabschnitten zu einem Verlust der
Entscheidungsfähigkeit führen und es stellt sich die Frage „Wer entscheidet, wenn ich nicht mehr
in der Lage bin?“.

Die vorliegende Arbeit greift die Rechtsinstrumente Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
auf, die ein selbstbestimmtes Leben über die Entscheidungsunfähigkeit hinaus ermöglichen. Im
ersten Kapitel findet sich eine Einleitung zum Selbstbestimmungsrecht und dem Begriff der
medizinischen Behandlung iSd 2. ErwSchG. Daran schließt eine Auseinandersetzung mit dem
Patientenverfügungsgesetz an und es wird das Vorgehen bei Vorliegen einer Patientenverfügung
beleuchtet. Der dritte Abschnitt widmet sich der Vorsorgevollmacht. Der Schwerpunkt liegt auch
hier auf der Vorsorge für medizinische Angelegenheiten und der Willenserforschung bei einem
entscheidungsunfähigen Patienten. Eine umfassendere Erörterung sprengt den Rahmen dieser
Arbeit.      Da     Patientenverfügung        und    Vorsorgevollmacht        einen     teils   überlappenden
Anwendungsbereich haben, kann es zu einem Spannungsverhältnis der Vorsorgeinstrumente
kommen. Dieses ist Thema des vierten Abschnitts. Eine abschließende Diskussion und
Stellungnahme folgen.

      II.      Einleitung: Selbstbestimmung und medizinische Behandlung
Jeder Patient hat das Recht auf Selbstbestimmung. Dies ist einerseits einfachgesetzlich durch §
16 ABGB und § 110 StGB, andererseits grundrechtlich durch Art 8 EMRK gewährleistet.1 Art 8
EMRK ist ein Menschenrecht, das allen Menschen gleichermaßen zukommt. Der Schutzbereich
Privatleben umfasst unter anderem das Recht auf körperliche Selbstbestimmung.2 Dem
Erwachsenenschutzrecht ist das Prinzip der persönlichen Freiheit bzw der Vorrang der

1
    Vgl F. Wallner, Medizinrecht (2019) 196; Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 375.
2
    Vgl Grabenwarter/Frank, B-VG Art 8 EMRK Rz 11.
                                                                                                                 1
Selbstbestimmung immanent.3          Ein   wirksam     bestellter Erwachsenenvertreter oder          ein
Vorsorgebevollmächtigter schließen das Recht auf Selbstbestimmung nicht aus.4

Nach § 252 S 1 ABGB kann eine volljährige Person, soweit sie entscheidungsfähig ist, nur selbst
in eine medizinische Behandlung einwilligen. Bis zum 2. ErwSchG gab es im ABGB keine eigene
Definition der „medizinischen Behandlung“, man orientierte sich daher am strafrechtlichen
Begriffsverständnis.5 Mit der Reform definierte der Gesetzgeber in § 252 Abs 1 S 2 ABGB die
„medizinische Behandlung“ im Zivilrecht. Demnach ist eine medizinische Behandlung eine
Behandlung, die „von einem Arzt oder auf seine Anordnung hin vorgenommene diagnostische,
therapeutische, rehabilitative, krankheitsvorbeugende oder geburtshilfliche Maßnahme an der
volljährigen Person“. Die Behandlung muss aufgrund einer medizinischen Indikation in die Wege
geleitet werden.6 Mit S 3 leg cit wird anerkannt, dass diese Maßnahmen sowie pflegerische
Maßnahmen auch von anderen Gesundheitsberufen ergriffen werden und die Bestimmungen §§
252 bis 254 ABGB daher sinngemäße Anwendung finden.7

Eine medizinische Behandlung darf nur mit der Einwilligung des Patienten durchgeführt werden.
Das StGB normiert in § 110 StGB die „eigenmächtige Heilbehandlung“ als Straftatbestand. Der
dort verwendete Begriff „Heilbehandlung“ beschreibt „eine solche Maßnahme, die medizinisch
indiziert, dh ein nach den Erkenntnissen der Medizin vertretbares Mittel ist, Krankheiten
festzustellen, Krankheiten, Gebrechen, Beschwerden zu heilen oder zu lindern oder die
Leistungsfähigkeit des Organismus zu steigern“8. Ob bei einer Heilbehandlung die Regeln der
Schulmedizin angewandt werden oder nicht, ist für deren Einordnung als solche unerheblich.9 Die
Subsumtion     von    kosmetischen     Eingriffen    unter   Heilbehandlung      ist   umstritten.   Die
Begriffsverständnisse des ABGB und StGB unterscheiden sich um Nuancen, wobei der Begriff des
StGB ein weiterer ist.

Doch wer entscheidet, wenn der Patient dazu nicht mehr in der Lage ist? Entscheidungsfähig ist
ein Patient nach § 24 Abs 2 ABGB, solange er die Bedeutung und die Folgen seines Handelns im
jeweiligen Zusammenhang verstehen, seinen Willen danach bestimmen und sich entsprechend
verhalten kann. Entscheidungsunfähig ist er dann, wenn ihm diese Einsicht fehlt. Die

3
  Vgl Barth/Ganner in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 15.
4
  Vgl Barth/Ganner in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 15.
5
  Vgl Neumayr in GmundKomm § 2 PatVG Rz 2; Kletečka-Pulker in Körtner et al, PatVG 81; Traar/Pesendorfer/
Fritz/Barth, Sachwalterrecht § 2 PatVG Rz 10.
6
  Vgl ErlRV 1461 BlgNR 25. GP 29.
7
  Vgl ErlRV 1461 BlgNR 25. GP 29f.
8
  Soyer/Schumann in WK2 StGB § 110 Rz 6.
9
  Vgl Soyer/Schumann in WK2 StGB § 110 Rz 7.
                                                                                                       2
Entscheidungsfähigkeit kann dem Patienten nicht vorab abgesprochen werden, sondern es ist im
Anlassfalles zu beurteilen, ob der Patient selbst entscheiden bzw einwilligen kann.10 Das Vorliegen
der Entscheidungsfähigkeit wird im Zweifel vermutet, so § 24 Abs 2 S 2 ABGB.

Bei der Behandlung eines entscheidungsunfähigen Patienten ist das Behandlungsteam ua auf
Vorsorgeinstrumente angewiesen, um die notwendige Einwilligung zu erhalten bzw den Willen
des Patienten zu ergründen. Es kommen die Rechtsinstitute Erwachsenenschutzvertretung sowie
Vorsorgevollmacht        in    Betracht.      Für     einen     entscheidungsfähigen        Patienten      mit
Erwachsenenschutzvertreter oder Vorsorgebevollmächtigten gilt:11                   Sofern der Patient im
Beurteilungszeitpunkt entscheidungsfähig ist und seinen Willen artikulieren kann, entscheidet er
und nur er über die Durchführung bzw Nicht-Durchführung der medizinischen Behandlung.

Der Patient kann vorab eine Patientenverfügung errichten und so sein Recht auf Selbstbestimmung
ausüben. Er macht von seinem Selbstbestimmungsrecht nicht unmittelbar vor der Behandlung
Gebrauch, sondern bereits zu einem zeitlich früheren Moment. 12 Unter den Begriff
Patientenverfügung werden sowohl Vorausverfügungen wie beispielsweise der Widerspruch gegen
eine postmortale Organentnahme nach § 5 OTPG, als auch die Patientenverfügung im engeren Sinn
subsumiert.13 Regelungsgegenstand des PatVG sind ausschließlich letztere. Das Gesetz ist in fünf
Abschnitte gegliedert. Der erste ist als „Allgemeine Bestimmungen“ betitelt, es folgen die
Abschnitte „Verbindliche Patientenverfügung“, „Bedeutung anderer Patientenverfügungen“,
„Gemeinsame Bestimmungen“ und schließlich „Schlussbestimmungen“.

     III.   Die Patientenverfügung nach PatVG
Im Jahr 2006 wurde das Patientenverfügungsgesetz Teil des österreichischen Rechtsbestands.
Erstmals genannt wurde die Patientenverfügung bereits 1993 im KAG, aber über die Nennung
hinaus wurde nur die Dokumentationspflicht festgehalten.14 Die Rechtsprechung blieb mit einem
Fall15 überschaubar und daher entwickelte die Lehre eine eigene Definition:16 Das
Selbstbestimmungsrecht des Patienten wird durch die Entscheidung in einem der Behandlung
vorgelagerten Zeitpunkt gewahrt.

10
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 5; Barth/Marlovits in Barth/Ganner, HB des Erwachsenschutzrechts3 256; Kathrein,
ÖJZ 2006, 561.
11
   Vgl Barth/Marlovits in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 254.
12
   Vgl Kletečka-Pulker/Grimm/Memmer/Stärker/Zahrl, Grundzüge des Medizinrechts (2019) 275.
13
   Vgl Memmer in Aigner et al, Medizinrecht Kap I.8; Neumayr in GmundKomm § 1 PatVG Rz 10.
14
   Vgl § 10 Abs 1 Z 7 KAG idF BGBl 1993/801.
15
   Vgl OGH 16.7.1998, 6 Ob 144/98i.
16
   Vgl Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht Vor § 1 PatVG Rz 5.
                                                                                                              3
Das PatVG unterscheidet nun zwischen einer verbindlichen und einer anderen Patientenverfügung.
Erfüllt eine Verfügung nicht die Voraussausetzungen der §§ 4 bis 7 PatVG, so kann es sich nicht
mehr um eine verbindliche Patientenverfügung handeln, die vom Behandlungsteam (zwingend) zu
berücksichtigen ist. Gegebenenfalls handelt es sich um eine andere Patientenverfügung.

     A. Regelungsgegenstand und Begrifflichkeiten
In § 2 PatVG finden sich zunächst Begriffsbestimmungen. Das PatVG versteht unter einer
Patientenverfügung eine Willenserklärung, mit der der Patient eine medizinische Behandlung im
Voraus ablehnt. Der Patient trifft Vorsorge für den Fall, dass er zu einem späteren Zeitpunkt seine
Entscheidungsfähigkeit verliert und daher nicht mehr in medizinische Behandlungen einwilligen
bzw sie ablehnen kann. Sie ist als solche nicht empfangsbedürftig.17 Sie adressiert den Arzt und
andere Mitverantwortliche wie etwa das Pflegepersonal, Sanitäter, Erwachsenenschutzvertreter
usw.18 Die genannte Behandlung muss konkretisiert sein und darf keine Aufforderung an den Arzt
sein, eine Behandlung vorzunehmen.19 Die Patientenverfügung muss somit negativ formuliert sein.

Nach § 2 Abs 1 PatVG ist sie ausschließlich dann maßgeblich, wenn der Verfügende nicht mehr
entscheidungsfähig ist. Solange die Einwilligung zur Behandlung unmittelbar vom Patienten
eingeholt    werden     kann,    ist   kein   Raum      für   die   Patientenverfügung.      Der    Begriff
„entscheidungsfähig“ wird ebenso wie „medizinischen Behandlung“ vorausgesetzt. Siehe dazu II.
Bis zur Einführung der Legaldefinition der medizinischen Behandlung im ABGB orientierte man
sich für das PatVG am strafrechtlichen Begriffsverständnis.20 In den Erläuterungen verwendete der
Gesetzgeber 2006 die Begriffe „medizinische Behandlung“ und „Heilbehandlung“.21 Der Begriff
„Heilbehandlung“ ist dem ABGB fremd und ist dem Strafrecht entliehen. Siehe dazu II. Im
Rahmen der PatVG-Novelle 2018 verwendete der Gesetzgeber ausschließlich den Begriff
„medizinische Behandlung“.22

Eine medizinische Behandlung meint nun nicht mehr bloß Heilbehandlungen bzw therapeutische
Maßnahmen, sondern alle diagnostischen, prophylaktischen und schmerzlindernden Maßnahmen,

17
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 383; Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sach-
walterrecht § 2 PatVG Rz 4.
18
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 6; Kotorman, ÖZPR 2011, 92 (92); Stadler, ÖZPR 2010, 120 (121); Pesendorfer in
Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 388.
19
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 5.
20
    Vgl Neumayr in GmundKomm § 2 PatVG Rz 2; Kletečka-Pulker in Körtner et al, PatVG 81;
Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht § 2 PatVG Rz 10.
21
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP.
22
   Vgl ErlRV 337 BlgNR 26. GP.
                                                                                                            4
die zumindest auf eine ärztliche Anordnung hin erfolgen.23 Pesendorfer plädiert für ein
funktionales Begriffsverständnis, das sich weiterhin an der strafrechtlichen Definition orientiert:24
Der Begriff „medizinische Behandlung“ soll nicht an die Vornahme und Anordnung des Person
Arzt gebunden sein.25 Gegenstand solle die Ablehnung einer Maßnahme und nicht die
Durchführung durch einen eingeschränkten Personenkreis sein.26 Dies passe nach wie vor besser
ins Gefüge des PatVG, schließlich habe der Gesetzgeber 2006 auch mit diesem Verständnis
gearbeitet.27

Die befürchtete Einschränkung auf die Ärzteschaft bleibt mE aus. Gem § 252 S 3 ABGB sollen die
§§ 252 bis 254 ABGB auf die Maßnahmen anderer gesetzlicher Gesundheitsberufe sinngemäß
angewendet         werden.       Nach       den       Worten        des      Gesetzgebers         sind      „die
Grundwertungen der §§ 252 ff auf die Ausübung der Medizin insgesamt anwendbar“28. In der
Stellungnahme       des    Bundesministeriums        für    Gesundheit      und    Frauen     zum     SWRÄG
Ministerialentwurf ist zu lesen, dass der Begriff „medizinisch“ in erster Linie auf die ärztliche
Tätigkeit zu beziehen sei.29 Diese Stellungnahme stammt aus dem Jahr 2006, dem Geburtsjahr des
PatVG.

Ob es sich bei der Patientenverfügung um eine Willenserklärung im Sinne der Rechtsgeschäftslehre
handeln muss, ist strittig.30 Die Einwilligung in eine medizinische Behandlung wird von Ganner
als Rechtshandlung, wenn auch nicht iSd Rechtsgeschäftslehre eingeordnet.31 Dem gegenüber
spricht Resch von einem Rechtsgeschäft bzw Engljähringer von einem höchstpersönlichen
Dispositionsrecht.32 Einhelligkeit besteht jedoch bei Anwendung der Regeln über die
Willensmängel bei Willenserklärungen – ob die Anwendung analog erfolgt oder nicht, hat auf das
Ergebnis keine Auswirkung.33 Da dies für den Arzt anhand des Schriftstücks schwer zu beurteilen
ist, kann sich dieser darauf verlassen, dass eine Verfügung, die den Kautelen des PatVG entspricht,

23
   Vgl Kletečka-Pulker/Grimm/Memmer/Stärker/Zahrl, Grundzüge des Medizinrechts (2019) 275; Memmer in Aigner
et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8; Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 386.
24
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 386.
25
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 386; Stormann in Schwimann/Kodek, ABGB
 5
I § 173 ABGB Rz 3.
26
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 386.
27
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 386.
28
   ErlRV 1461 BlgNR 25. GP 29.
29
   Vgl 40/SN - 385/ME 22. GP 2.
30
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 383; Engljähringer, Aufklärungspflicht 140ff.
31
   Vgl Ganner, Selbstbestimmung im Alter 261 ff.
32
   Vgl Resch in Kopetzki, Einwilligung und Einwilligungsfähigkeit 52; Engljähringer, Aufklärungspflicht 151.
33
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachseneschutzrechts3 383; Wiebe in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03
§ 859 Rz 20.
                                                                                                               5
den wahren Willen des Patienten widerspiegelt.34 Im Zweifelsfall trägt der Arzt die Beweislast für
das Vorbringen von Mängeln.35

Da die Patientenverfügung keine Verfügungen nach dem Tod betrifft, kann sie nicht unter den
Begriff der letztwilligen Verfügung subsumiert werden, obgleich die veralteten unscharfen
Bezeichnungen „Patiententestament“ oder „psychiatrisches Testament“ anderes indizieren.36

     B. Allgemeine Voraussetzungen

     1. Persönlicher Anwendungsbereich
Der Gesetzgeber bezeichnet in § 2 Abs 2 PatVG den Erstellenden als Patienten. Er stellt jedoch
im selben Satz klar, dass eine aktuelle Erkrankung keine Voraussetzung ist. Das PatVG sieht auch
an keiner anderen Stelle eine Reichweitenbegrenzung vor, dh Patientenverfügungen sind nicht für
eine näher definierte Gruppe von Patienten vorgesehen, wie die eben genannte aktuelle Erkrankung
oder das terminale Stadium des Patienten. Eine Eingrenzung des Anwendungsbereichs hätte zu
einer Beschneidung der Patientenautonomie geführt, die es durch die Einführung des PatVG zu
stärken   galt.37   Darüber    hinaus    ist   es   aus   verfassungsrechtlicher     Perspektive     eine
Ungleichbehandlung, die nicht rechtfertigbar ist.38

     2. Höchstpersönlichkeit
Die Patientenverfügung kann nach § 3 S 1 PatVG nur höchstpersönlich errichtet werden. Sie ist
eine vertretungsfeindliche Disposition eines Individuums iSd § 250 Abs 1 Z 3 ABGB.39

Ein wirksam bestellter Erwachsenenvertreter oder ein Vorsorgebevollmächtigter steht dem
Abschluss einer Patientenverfügung nicht entgegen.40 Es kommt ausschließlich auf das
Vorhandensein der Entscheidungsfähigkeit im Errichtungszeitpunkt an. Unzulässig ist es eine
Patientenverfügung für den Schutzbefohlenen zu errichten.41

34
   Vgl Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8.
35
   Vgl Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8.
36
   Vgl Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8.
37
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 1; Memmer, RdM 2006, 163 (164).
38
   Vgl IERM 2014, 103.
39
   Vgl ErlRV 1461 BlgNR 24. GP 28.
40
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 5; Neumayr in GmundKomm § 3 PatVG Rz 1; Kathrein, ÖJZ 2006, 555 (561);
Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB II5 § 3 PatVG Rz 4.
41
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 378; Neumayr in GmundKomm § 3 PatVG
Rz 1; Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8; Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB II5 § 3 PatVG
Rz 3.
                                                                                                         6
3. Entscheidungsfähigkeit
Im Errichtungszeitpunkt muss der Handelnde entscheidungsfähig sein gem § 3 S 2 PatVG. Zur
Definition siehe II. Ob der Arzt die Entscheidung gutheißt, ist nicht relevant. Eine
Meinungsverschiedenheit zwischen den Gesprächspartnern schadet der Entscheidungsfähigkeit
des Errichtenden nicht.42 Der Arzt hat auch eine aus seiner Sicht unvernünftige Entscheidung des
Patienten zu akzeptieren.43 Besitzt der Patient im Errichtungszeitpunkt nicht die entsprechende
Entscheidungsfähigkeit, so kann er weder eine verbindliche noch eine andere Patientenverfügung
aufsetzen.

Mit dem Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz verabschiedete sich der Gesetzgeber auch im
PatVG     vom     Begriff     der   „Einsichts-     und     Urteilsfähigkeit“     und    ersetzte   sie   mit
„Entscheidungsfähigkeit“.

     4. Altersgrenze
Es ist kein Mindestalter im PatVG festgesetzt. Die widerlegliche Vermutung des § 173 ABGB
ermöglicht es Patienten, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, eine verbindliche
Patientenverfügung zu errichten. Der dort genannte Begriff „Einwilligung“ umfasst auch die
Ablehnung einer Behandlung.44 Das ist insofern bemerkenswert, weil für die Vornahme einer
lebensrettenden Maßnahme die Zustimmung der Obsorgeberechtigten einzuholen ist. Ein und
dieselbe Maßnahme kann aber ohne Zustimmung der Obsorgeberechtigten abgelehnt werden.45 Die
Entscheidungsfähigkeit des Minderjährigen ist einzelfallbezogen zu prüfen. Der Maßstab bei der
Beurteilung der Entscheidungsfähigkeit ist vor dem Hintergrund der schweren Folgen für Leben
und Gesundheit streng zu formulieren.46

Die Motivation des Errichtenden ist unerheblich und findet demnach keine Erwähnung im Gesetz.
Denkbar ist die Errichtung aufgrund einer religiösen Einstellung, des fortgeschrittenen Alters oder
eine psychische Erkrankung.

     5. Sachlicher Anwendungsbereich
Wie bereits erläutert, kann eine Patientenverfügung die Vornahme von medizinischen
Behandlungen ausschließen. Nicht unter den Begriff medizinische Behandlung fallen

42
   Vgl Kathrein, ÖJZ 2006, 555 (561).
43
   Vgl Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8; Kathrein, ÖJZ 2006, 555 (559).
44
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 379.
45
   Vgl Neumayr in GmundKomm § 3 PatVG Rz 2.
46
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrecht3 379.
                                                                                                            7
Pflegemaßnahmen.47 Wie fließend die Übergänge verlaufen, sei am Beispiel der Nahrungszufuhr
aufgezeigt:48 Zum einen kann Nahrung und Flüssigkeit dem Patienten angeboten werden, soweit
er selbst noch darauf zurückgreifen kann. Sobald der Patient in seiner Bewegungsfreiheit
eingeschränkt ist, bspw nach einer OP, ist er auf die Verabreichung von Nahrung und Flüssigkeit
durch einen anderen angewiesen. In den beiden genannten Konstellationen ist von
Pflegemaßnahmen         die    Rede.    Eine     Pflegemaßnahme         kann     nicht    wirksam      mittels
Patientenverfügung abgelehnt werden.

Sobald eine Nahrungsaufnahme in dieser Form nicht mehr möglich ist, müssen weitere Schritte
gesetzt werden, um den Patienten zu versorgen. Die Nahrung kann auf enteralem Weg
(Sondenernährung) gegeben werden. In anderen Situationen kann auch eine parenterale
medizinische Applikation (venöser Zugang) angedacht werden. Im Bereich der palliativen
Symptomlinderung wird mitunter eine intravenöse oder subcutane Versorgung gewählt, weil keine
der erstgenannten Varianten mehr möglich ist. All diesen Varianten ist gemein, dass ihnen eine
ärztliche Anordnung vorausgegangen ist. Es handelt sich mithin um medizinische
Behandlungsformen, die im Wege einer Patientenverfügung vorab abgelehnt werden können.

In anderen Gesetzen, beispielsweise dem Geschlechtskrankheitengesetz oder dem TubG, normierte
Behandlungspflichten gehen dem PatVG vor. Nach § 13 PatVG kann der Patient in diesen Fällen
nicht disponieren.

     C. Die verbindliche Patientenverfügung
Entspricht eine Patientenverfügung den Voraussetzungen der §§ 4 bis 7 PatVG, handelt es sich um
eine verbindliche Patientenverfügung. Eine verbindliche Patientenverfügung verpflichtet den
Behandelnden im Einklang mit der Patientenverfügung vorzugehen. Sie ist ebenso bindend wie die
aktuelle Ablehnung durch einen entscheidungsfähigen Patienten.49 Der Arzt muss keine
Behandlungsentscheidung eines Vertreters einholen, sondern ist gem § 253 Abs 4 ABGB allein an
die Patientenverfügung gebunden. Ob der Behandelnde selbst anderes vorgehen würde bzw ob die

47
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22 GP. 5; Neumayr in GmundKomm § 2 PatVG Rz 3; aA Kletečka-Pulker in Körtner et al,
PatVG 82; krit Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB II5 § 3 PatVG Rz 6.
48
   Für das Beispiel vgl Wagner/ Homann/J. Wallner, RdM 2015, 62 (65f).
49
   Vgl RIS-Justiz RS0128218; ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 6; Barth, FamZ 2006, 72 (73); Pesendorfer in Barth/Ganner,
HB des Erwachsenenschutzrechts3 388.
                                                                                                             8
Behandlung medizinisch indiziert ist, ist in diesem konkreten Szenario unerheblich.50 Der Arzt ist
durch das Institut der verbindlichen Patientenverfügung in seiner Behandlungspflicht beschränkt.51

     1. Formvorschriften
Eine verbindliche Verfügung hat in jedem Fall schriftlich zu sein. Schriftlichkeit ist nach § 886
ABGB zu beurteilen und bedeutet daher Unterschriftlichkeit.52 An diesem Prozess hat ein in § 6
PatVG genannter Jurist mitzuwirken. Ein Notariatsakt, der ein höheres Anforderungsprofil
aufweist, erfüllt das Kriterium in jedem Fall.53 Ist der Patient nicht mehr zu einer Unterschrift fähig,
kann ein Handzeichen in Anwesenheit von zwei Zeugen, welche die Verfügung unterfertigen
müssen, ausreichen. Die Notariatsordnung sieht in den §§ 52 ff Bestimmungen für gänzlich
schreibunfähige Personen vor, die in casu anwendbar sind.54

Wie allgemein im Zivilrecht erfüllt die Formvorschrift einen Übereilungsschutz. Der Patient soll
sich der Folgen dieses Rechtsaktes bewusst sein.

     2. Inhaltserfordernisse
§ 4 PatVG sieht die Bestimmtheit des Inhalts vor. Inhalt kann nur werden, was innerhalb der
gesetzliche Grenzen nach § 879 ABGB möglich ist.55 Die medizinische Behandlung ist möglichst
genau zu beschreiben, damit im Anwendungszeitpunkt rasch erkennbar ist, ob die
vorweggenommene Situation dem nunmehrigen Geschehen entspricht.56 Die Bezeichnung als
„risikoreiche     Operation“,       ein    „menschenunwürdiges           Dasein“       oder     „künstliche
Lebensverlängerung“ ist nicht bestimmt genug.57 Der aufklärende Arzt hat mit dem Patienten die
Behandlungen zu besprechen und zu benennen.58 Nicht nur der behandelnde Arzt muss die
Bezeichnungen letztendlich verstehen, sondern auch der Patient selbst, um die Patientenverfügung
bei Bedarf teilweise widerrufen zu können.59 Um der Bestimmtheit gerecht zu werden, geben
Patientenanwaltschaften mitunter Formblätter aus, die die Suche nach den richtigen
Formulierungen erleichtern.

50
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 2; OGH 7.7.2008, 6 Ob 286/07p; Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachse-
nenschutzrechts3 388f.
51
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 2.
52
   Vgl RIS-Justiz RS0128219.
53
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 7.
54
   Vgl Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht, Kap I.8.
55
   Vgl Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB II5 § 4 PatVG Rz 1; Kathrein, ÖJZ 2006, 555 (562).
56
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 6; Neumayr in GmundKomm § 4 PatVG Rz 2.
57
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 6; Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht, Kap I.8; Sprohar-Heimlich in
Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht2 § 24 Rz 9.
58
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachenenschutzrechts3 392.
59
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachenenschutzrechts3 393.
                                                                                                            9
Für die Lesenden muss erkennbar sein, dass der Verfügung eine reflektierte Entscheidung zu
Grunde liegt. § 4 S 2 PatVG spricht von einer zutreffenden Einschätzung seitens des Patienten. Der
Gesetzgeber wollte dadurch übereilten und uninformierten Entscheidungen einen Riegel
vorschieben.60 Dieses Erfordernis knüpft an die ärztliche Aufklärung nach § 5 PatVG an.

     3. Ärztliches Aufklärungsgespräch
Gem § 5 S 1 PatVG hat der Arzt den Patienten umfassend aufzuklären und ihn über das Wesen und
die Folgen einer verbindlichen Verfügung zu informieren. Die Aufklärung durch einen Arzt vor
Errichtung der Patientenverfügung ist einem ad hoc Behandlungsgespräch nachempfunden. Vor
der Behandlung muss der Arzt den Patienten aufklären und seine Zustimmung einholen. Damit der
Patient sein Selbstbestimmungsrecht ausüben kann, muss er alle Informationen, die für seine
Entscheidungsfindung nötig sind, in einer verständlichen Form erhalten.61

Das Gesetz spricht lediglich vom „aufklärenden Arzt“, es sieht also keine Einschränkung
hinsichtlich Fachgebiete vor.62 Fachärzte sind allerdings nach § 31 Abs 3 ÄrzteG angehalten, sich
nicht außerhalb des eigenen Fachgebiets zu bewegen. Ein Allgemeinmediziner wiederum muss für
fachspezifische Fragen auf einen Facharzt verweisen, wenn er in dieser Frage nicht lege artis
aufklären kann und würde in seinem solchen Fall nach § 1299 ABGB haften.63 Wird die Verfügung
nicht aus aktuellem Anlass errichtet, hat eine Totalaufklärung bzw eine Aufklärung nach den
Richtlinien der Rechtsprechung zu erfolgen.64 Nach der Rechtsprechung ist der Umfang der
Aufklärung in Verbindung mit der Dringlichkeit des Eingriffs zu beurteilen:65 Je weniger akut der
Eingriff vorzunehmen ist, desto mehr Raum und Zeit bleibt für eine Aufklärung.

Der Arzt hat nach § 5 S 2 PatVG die Entscheidungsfähigkeit des Patienten zu dokumentieren. Das
Fehlen würde demnach die Unwirksamkeit der Patientenverfügungen nach sich ziehen und ist in
der Krankengeschichte des Patienten festzuhalten. In den Materialien zu § 14 PatVG merkt der
Gesetzgeber hingegen an, dass das Fehlen der Dokumentation der Entscheidungsfähigkeit nur

60
   Vgl ErlRV 1299 BlgNr 22. GP 6; Kathrein, ÖJZ 2006, 555 (559).
61
   Vgl ErlRV 1299 BlgNr 22. GP 6; Neumayr in GmundKomm § 5 PatVG Rz 1; Sprohar-Heimlich in Gruber/
Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht2 § 24 Rz 15.
62
   Vgl Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB II5 § 5 PatVG Rz 1; Neumayr in Körtner et al, PatVG 183;
Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht § 5 PatVG Rz 5; Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des
Erwachsenenschutzrechts3 397.
63
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 397; Neumayr in Körtner et al, PatVG 183.
64
   Vgl Memmer, RdM 2006, 163 (168); Neumayr in Körtner et al, PatVG 183; Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth,
Sachwalterrecht § 5 PatVG Rz 10.
65
   Vgl RIS-Justiz RS0026313.
                                                                                                            10
bedeuten kann, dass diese im Errichtungszeitpunkt gegeben war.66 So sieht dies auch Memmer.67
Das Gesetz bindet den Juristen nicht in diesen Prozess ein, obschon es sich bei der Beurteilung der
Entscheidungsfähigkeit gleichermaßen um eine Rechtsfrage handelt.68 S 2 leg cit verpflichtet den
Arzt darzulegen, „dass und aus welchen Gründen der Patient die Folgen der Patientenverfügung
zutreffend einschätzt“. Der Gesetzgeber nimmt an, dass ein Patient eine Lage richtig einschätzt,
wenn er sich die Patientenverfügung auf eine Krankheit bezieht, die den Patienten selbst oder seine
Angehörigen betrifft, oder der Patient beruflich mit diesem Leiden konfrontiert war.69 Im Regelfall
ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Errichtende unweigerlich mit dem eigenen
Sterbeprozess auseinandergesetzt hat, und somit eine reflektierte Entscheidung trifft.70 Schließlich
hält er verbindlich fest, dass bestimmte Maßnahmen eben nicht gesetzt werden mögen, womit eine
Lebensverkürzung eintritt.

Ärzte sind nicht verpflichtet Aufklärungsgespräche nach dem § 5 PatVG zu führen. Es liegt im
Rahmen ihrer Privatautonomie eine derartige Aufklärung abzulehnen oder uU eine begonnene aus
ethischen Gründen etc abzubrechen.71 Diese ärztliche Aufklärungsgespräch wird im Rahmen eines
Werkvertrags, der Dienstleistungselementen aufweist, erbracht.72 Schuldinhalt dieses Vertrages ist
die Aufklärung und die Bestätigung in Schriftform nach § 5 PatVG.73 Der Patient kontrahiert
entweder mit einem frei praktizierenden Arzt oder mit einem Krankenanstaltsträger.74

Das Aufklärungsgespräch erfolgt idealerweise vor der Errichtungshandlung mit einem Juristen,
denn § 10 Abs 1 Z 3 PatVG gibt einen engen zeitlichen Rahmen vor.75

Im Unterschied zur zeitlich unmittelbar der Behandlung vorgelagerten Aufklärung kann für eine
Patientenverfügung kein Aufklärungsverzicht abgegeben werden.76

66
   Vgl ErlRV 1299 22. GP 10.
67
   Vgl Memmer, RdM 2006, 163 (169); aA Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 403;
Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB II5 § 5 PatVG Rz 4.
68
   Vgl Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB II5 § 5 PatVG Rz 2; ErlRV 1299 22. GP 7.
69
   Vgl ErlRV 1299 22. GP 6.
70
   Vgl Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB II5 § 4 Rz 2.
71
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechst3 396.
72
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 395f.
73
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechst3 396.
74
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 395f.
75
   Vgl Neumayr in GmundKomm § 5 PatVG Rz 2; Kunz/Gepart, FamZ 2006, 81 (85); Kletečka-Pulker in Körtner et
al, PatVG 83; Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB II5 § 6 Rz 3; Sprohar-Heimlich in Gruber/Kalss/Müller/Schauer,
Erbrecht2 § 24 Rz 20.
76
   Vgl Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8; Sprohar-Heimlich in Gruber/Kalss/Müller/Schauer,
Erbrecht2 § 24 Rz 15; Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 395; Glanzer, Sachwalterschaft
Kap V.
                                                                                                              11
4. Juristische Mitwirkung
§ 6 Abs 1 PatVG sieht vor, dass die Patientenverfügung schriftlich unter Mitwirkung eines
Rechtsanwalts, eines Notars, eines rechtskundigen Mitarbeiters der Patientenvertretungen oder
nach Möglichkeit vor einem rechtskundigen Mitarbeiter eines Erwachsenenschutzvereins errichtet
wird. In diesem Gespräch müssen die Möglichkeit des Widerrufs und die Folgen der
Patientenverfügung thematisiert werden. Der Jurist übernimmt bei der Errichtung eine
Belehrungsfunktion, trägt grundsätzlich die Verantwortung für den Text und übernimmt eine
Beglaubigungsfunktion.77 Er hat sicherzustellen, dass die Patientenverfügung verständlich und
gesetzeskonform ist.78 Der Patient kann die Verfügung bereits im Vorfeld verfassen und zum
Termin mitnehmen oder der Jurist verfasst für den Patienten einen entsprechenden Text.79 Bernat
nimmt nur im letzteren Fall eine Textverantwortlichkeit einschließlich der möglichen
haftungsrechtlichen Folgen des Juristen an.80 Die hA und der Gesetzgeber nehmen keine
Differenzierung vor.81 Neumayr stimmt Bernat grundsätzlich zu, doch er lässt die Frage offen, wie
mit einer Verfügung aus dritter Hand umzugehen ist.82

Die Belehrung beinhaltet bspw, dass Angehörige im Anwendungsbereich der Verfügung keine
Entscheidungsbefugnis        mehr    haben,     dito   Erwachsenenvertretung,         die   Verbindlichkeit,
Rechtsfolgen, § 13 PatVG, etc.83 Es ist erneut auf die Todesfolge durch Unterlassen von
medizinischen Maßnahmen hinzuweisen, weil dem Arzt aufgrund der Verbindlichkeit kein
Handlungsspielraum bleibt.84 Die Entscheidungsfähigkeit ist von dem beratenden Arzt zu
attestieren. Der Jurist hat sich bei seinem Kontakt mit dem Errichtenden vom Vorliegen zu
vergewissern bzw sind Notare und Rechtsanwälte zu einer Prüfung nach § 52 NO bzw § 10 Abs 4
RAO angehalten.85 Dieser Überprüfung ist vor allem dann Bedeutung beizumessen, wenn seit der
ärztlichen Aufklärung ein geraumer Zeitraum vergangen ist.86 Wenn das Verhalten des Patienten

77
   Vgl Kunz/Gepart, FamZ 2006, 81 (82); Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 404; IERM
2009, 55; Neumayr in GmundKomm § 6 PatVG Rz 1; Sprohar-Heimlich in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht2
§ 24 Rz 20.
78
   Vgl ErlRV 1299 22. GP 7.
79
   Vgl ErlRV 1299 22. GP 7; Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 407; Kunz/Gepart,
FamZ 2006, 81 (83); Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB II5 § 6 Rz 1.
80
   Vgl Bernat in Körtner et al, PatVG 65; Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB II5 § 6 Rz 1.
81
   Vgl Kunz/Gepart, FamZ 2006, 81 (82); Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 404; IERM
2009, 55; Sprohar-Heimlich in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht2 § 24 Rz 20; ErlRV 1299 22. GP 7.
82
   Vgl Neumayr in GmundKomm § 6 PatVG Rz 1.
83
   Vgl ErlRV 1299 22. GP 7; Kunz/Gepart, FamZ 2006, 81 (82)
84
   Vgl ErlRV 1299 22. GP 7; Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 408.
85
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 405; Memmer, RdM 2006, 163 (167).
86
   Vgl Kunz/Gepart, FamZ 2006, 81 (85); Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 405.
                                                                                                             12
während der juristischen Beratung an dessen Entscheidungsfähigkeit zweifeln lässt, ist der Arzt zu
kontaktieren.87

Ebenso ist die Möglichkeit der Speicherung im Patientenverfügungsregister zu thematisieren88 bzw
kann nach § 6 Abs 2 PatVG die Verfügung in der Elektronischen Gesundheitsakte, kurz ELGA,
abgelegt werden. Der Patient kann dieser Speicherung widersprechen.

Die Unterschrift des Patienten hat mit Beisetzung des Datums zu erfolgen, so § 6 Abs 1 PatVG.
Die Aufklärung muss von dem juristischen Bearbeiter gem § 6 Abs 2 PatVG bestätigt werden.

Wenn der Patient ein Vorsorgepaket, also eine Kombination von Vorsorgevollmacht oder
Erwachsenenvertretung mit einer Patientenverfügung abschließen möchte, muss er dazu ein
Notariat, eine Kanzlei oder einen Erwachsenenschutzverein aufsuchen. Eine Patientenvertretung
ist dazu nicht befugt.

Nach § 11 PatVG kann der Patient auch sonstige Inhalte in die Patientenverfügung mitaufnehmen.
Beispielhaft zählt das Gesetz die „Benennung einer konkreten Vertrauensperson, die Ablehnung
des Kontakts zu einer Person oder die Verpflichtung zur Information einer bestimmten Person“
auf. Die Wirksamkeit dieser sonstigen Inhalte richtet sich nicht nach dem PatVG, dh die
Formvorschriften sind auf § 11 PatVG nicht anzuwenden.89

     5. Verbindlichkeitsdauer
Gem § 7 Abs 1 PatVG ist eine wirksam errichtete Patientenverfügung für einen Zeitraum von acht
Jahren verbindlich. Es kann abweichend eine kürzere Geltungsdauer gewählt werden, eine längere
ist hingegen ausgeschlossen.

Um eine Verlängerung vorzunehmen, muss der Patient erneut ein ärztliches Aufklärungsgespräch
in Anspruch nehmen, selbst wenn an der Verfügung nichts geändert werden soll.90 Idealerweise
findet dieses vor Ablauf der alten Verfügung statt, damit keine Lücke entsteht. Die
Verbindlichkeitsdauer soll gewährleisten, dass sich der Patient regelmäßig mit der Thematik
auseinandersetzt und gegebenenfalls Änderungen vornimmt.91 Möglicherweise bieten neue
Behandlungsmethoden eine neue Sichtweise und die Verfügung wird obsolet.

87
   Vgl Kunz/Gepart, FamZ 2006, 81 (85).
88
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 409.
89
   Vgl Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht § 11 PatVG Rz 1; Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des
Erwachsenenschutzrechts3 407.
90
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 8; Neumayr in GmundKomm § 7 PatVG Rz 2; krit Bernat in Schwimann/Kodek,
ABGB II5 § 7 Rz 2.
91
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 8; Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8.
                                                                                                        13
Für die Erneuerung sieht das PatVG in § 7 Abs 1 keine Form vor. Es ist aber davon auszugehen,
dass Unterschriftlichkeit notwendig ist, weil sonst keine nachweisbare Willenserklärung vorliegt.92
§ 7 Abs 2 PatVG spricht die Erneuerung der Verfügung unter Mitwirkung von Personen nach § 6
Abs 1 PatVG an. In diesem Fall sind die Formvorschriften nach § 6 PatVG einzuhalten. Im
Gegensatz zur ärztlichen Aufklärung ist dieser Schritt für die Erneuerung nicht zwingend
vorgesehen.

Entscheidet sich der Patient binnen offener Geltungsdauer eine Änderung vorzunehmen, ist dies
gem § 7 Abs 3 PatVG als Erneuerung der Verfügung zu behandeln. Die Errichtungsregeln sind in
diesem Fall anzuwenden.93 Im Rahmen dieser Änderung ist auf die Einheitlichkeit des Dokuments
Bedacht zu nehmen, um Widersprüchlichkeiten zu vermeiden.94 § 7 Abs 3 PatVG sieht vor, dass
mit einer Änderung die Verbindlichkeitsdauer von neuem zu laufen beginnt. Als
Erneuerungsdatum ist das Datum der Bestätigung des ärztlichen Aufklärungsgesprächs zu
werten.95

Nach § 7 Abs 4 PatVG ist die Erneuerung oder Änderung auch in dem Register vorzunehmen, in
dem die Verfügung gespeichert wurde. Unter Register ist der Patientenverfügungsregister der
Notariats- bzw Rechtsanwaltskammer zu verstehen.

In § 7 Abs 5 PatVG wird der Fall angesprochen, dass der Patient seine Entscheidungsfähigkeit
verliert. Dann entfaltet die Verfügung unbefristete Wirksamkeit. Handelt es sich um einen
vorübergehenden        Verlust,     so    steht    der    Erneuerung       nach     Wiedererlangung         der
Entscheidungsfähigkeit nichts im Wege.96 Das Ereignis hemmt den Ablauf der Frist.97

       D. Die andere Patientenverfügung
Die erläuternden Erfordernisse sind für eine verbindliche Patientenverfügung notwendig und
müssen kumulativ vorliegen. Entfällt ein Kriterium, kann es sich um keine verbindliche
Patientenverfügung iSd PatVG handeln, die vom Behandlungsteam zwingend zu berücksichtigen
ist.

92
   Vgl Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8.
93
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 8; Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8; Pesendorfer in
Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrecht3 416f.
94
   Vgl ErlRV 1299 BlgNR 22. GP 8.
95
   Vgl ErlRV 337 BlgNR 26. GP 3; Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 417; Memmer in
Aigner et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8.
96
   Vgl Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8; Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachse-
nenschutzrechts3 415; Neumayr in GmundKomm § 7 PatVG Rz 4.
97
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 415; Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwal-
terrecht § 7 Rz 4.
                                                                                                             14
Nach § 8 PatVG sind andere Patientenverfügungen jedoch der Ermittlung des Patientenwillens zu
Grunde zu legen. Gem § 9 Abs 1 S 1 PatVG wirken sie umso verbindlicher, je mehr sie in ihrer
Form und ihrem Inhalt der verbindlichen Verfügung nahekommen. In § 9 PatVG findet sich dazu
eine demonstrative Aufzählung von Kriterien, die Anhaltspunkte bieten können. Z 1 nennt die
Bezugnahme auf die Krankenhaussituation, Z 2 beschreibt die Maßnahmen, Z 3 bezieht sich auf
eine vorangegangene ärztliche Aufklärung, Z 4 auf die Einhaltung von Formerfordernissen und Z
5 und Z 6 legen das Augenmerk auf die letzte Erneuerung bzw deren Häufigkeit. Diese Ziffern
müssen nicht alle erfüllt sein, sie wirken als bewegliches System, die unterschiedlich stark
gewichtet werden können.98 Ist eine eindeutige Auslegung der Erklärung nicht möglich, so muss
der Arzt andere Faktoren in die Behandlungsentscheidung miteinfließen lassen, um einen
mutmaßlichen Willen zu eruieren.99

     1. Einschätzung der Krankheitssituation
Während § 4 S 2 PatVG für die verbindliche Verfügung eine zutreffende Einschätzung der Folgen
vorsieht, spricht § 9 Z 1 leg cit von einer Einschätzung der Krankheitssituation und deren Folgen.
Auf diese Einschätzung der Situation können die Beschreibung der Situation durch den Patienten,
das Erleben bzw Miterleben einer derartigen Krankheitssituation, usw hinweisen.100 Die Folgen
können entweder vom Patienten direkt angesprochen werden, sie sind Bestandteil eines ärztlichen
Aufklärungsgesprächs gewesen oder der Patient hat sich das Wissen in sonstiger geeigneter Weise
angeeignet.101

     2. Abgelehnte Behandlung
Nach § 9 Z 2 PatVG ist eine konkrete Beschreibung der abgelehnten Behandlung ein Hinweis auf
eine informierte Entscheidung des Patienten. An dieser Stelle sei auf das oben ausgeführte
verwiesen.

     3. Ärztliche Aufklärung
Die bei der verbindlichen Patientenverfügung zwingend vorgesehene ärztliche Aufklärung ist für
die andere Patientenverfügung ein wichtiges Indiz für die ernsthafte Auseinandersetzung. Bei der

98
   Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 419; Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwal-
terrecht § 9 PatVG Rz 2.
99
   Vgl Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8; Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommen-
tar II5 § 9 PatVG Rz 1.
100
    Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 419; Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwa-
lterrecht § 9 PatVG Rz 4.
101
    Vgl Pesendorfer in Barth/Ganner, HB des Erwachsenenschutzrechts3 419; Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwa-
lterrecht § 9 PatVG Rz 6; Kathrein, ÖJZ 2006, 555 (564).
                                                                                                              15
anderen Patientenverfügung ist wie bei der aktuellen Einwilligung ein Aufklärungsverzicht
grundsätzlich zulässig.102

Nach der Rechtsprechung lässt sich der Patientenwille leichter befolgen, wenn der Arzt die
Entscheidungsfähigkeit bei Errichtung bestätigt und dokumentiert.103

      4. Formvorschriften
Die §§ 4 bis 7 PatVG müssen für eine andere Patientenverfügung nicht eingehalten werden. Sie
kann demnach sogar formfrei errichtet werden. Die Errichtungsmodalität kann wichtige
Anhaltspunkte für die Entscheidungsfähigkeit oder die Ernstlichkeit der Erklärung bieten.104

Die Bindungswirkung einer anderen Patientenverfügung ist eine Einzelfallentscheidung. Von einer
mündlichen Überlieferung durch zB nahe Angehörige ist aber dennoch dringend abzuraten, weil
das Behandlungsteam ad hoc nicht beurteilen kann, ob die Person die Wahrheit spricht. Ehegatten
oder Kinder werden im Fall der Entscheidungsunfähigkeit des Patienten nicht ex lege zum
gesetzlichen Vertreter und dürfen eine solche Entscheidung nicht treffen, wenngleich sie bei der
Eruierung des wahren Willen eine wichtige Stütze sein können.105 Daher ist für die andere
Patientenverfügung ebenso eine schriftliche Errichtung anzuraten. Die andere Patientenverfügung
schließt die Bestellung eines Vertreters durch Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht
nicht aus.106 In Auslegungsfragen ist dieser eine wichtige Anlaufstelle für das Behandlungsteam.

Ob es dem Errichtenden darauf angekommen ist, eine verbindliche Verfügung zu erstellen und erst
im Zuge des Errichtungsprozesses einem der Beteiligten ein Fehler unterlaufen ist, der die
Verbindlichkeit ausschließt, ist zu vernachlässigen.107

Im     Jahr   2017   veröffentlichte    das    New     England     Journal    of    Medicine     folgende
Krankengeschichte:108 Ein 70-jähriger Patient wurde bewusstlos auf der Straße gefunden und hatte
einen erhöhten Blutalkohol. Im Zuge der Untersuchung konnten die Behandelnden
Vorerkrankungen sowie ein Tattoo „Do NOT Resuscitate“, kurz DNR, auf seiner Brust ausmachen.
Die Notfallmediziner entschieden, sich über das Tattoo hinwegzusetzen. Später konnte eine
schriftliche Patientenverfügung ausfindig gemacht werden, die auch einen DNR – Vermerk

102
    Vgl Memmer in Aigner et al, Handbuch Medizinrecht Kap I.8; Memmer, RdM 2006, 163 (172); Glanzer,
Sachwalterschaft Kap V.
103
    Vgl OGH 16.7.1998, 6 Ob 144/98i.
104
    Vgl Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht § 9 PatVG Rz 14.
105
    Vgl Kletečka-Pulker, Kardiol 2014, 5 (8).
106
    Vgl Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht § 8 PatVG Rz 6; Pesendorfer, iFamZ 2019, 19 (19).
107
    Vgl RIS-Justiz RS0128220.
108
    Vgl Holt/Sarmento/Kett/Goodman, NEJM 2017, 2192 (2192).
                                                                                                         16
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