Begleittext: Onlinekurs Dr. Gerhard Huhn - Modul 2

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ENTREPRENEURSHIP MASTERCLASS

      Begleittext: Onlinekurs Dr. Gerhard Huhn – Modul 2

Doch zu Beginn ein kleines spielerisches Experiment. Wenn Sie die nächste Folie sehen,
                                            werden dort rote Punkte erscheinen, die
                                            sofort wieder verschwinden. Merken Sie sich
                                            die Anzahl dieser Punkte und schreiben Sie die
                                            Zahl auf.

                                              Das Experiment geht weiter. Merken Sie sich
                                              nun die Anzahl der Punkte auf der nächsten
                                              Folie und halten Sie auch diese Zahl fest.

                                              Sie sehen nun beide Folien noch einmal und
                                              können die Punkte in Ruhe zählen und mit
                                              Ihren Zahlen vergleichen.

In vielen Seminaren hat sich immer wieder gezeigt, dass bei der ersten Folie eine erheblich
Streubreite in der Wahrnehmung auftrat. Es werden in einer Gruppe Zahlen zwischen 7 und
12, manchmal noch mehr Elemente genannt. Bei der zweiten Folie ist die Streubreite sehr viel
geringer und liegt zwischen 6 und 8, überwiegend wird die richtige Zahl 7 genannt.

Wir können das so interpretieren, dass die Wahrnehmung ungenauer wird, wenn wir in einem
kurzen Zeitmoment mit mehr als 7 Informationen konfrontiert werden. Dieses spielerische
Experiment ist in anderer, exakterer Anordnung wissenschaftlich x-fach wiederholt worden.
Offensichtlich ist unser Gehirn so eingerichtet, dass die Menge von bewusst verarbeiteter
Information pro Zeiteinheit begrenzt ist.
Andererseits benötigt die Information
auch mindestens eine Zeitspanne von
1/18 bis1/16 Sekunde, in der sie stabil
wahrgenommen werden kann, damit sie
bewusst verarbeitet werden kann. Dies
macht sich ja der Film zu nutzen, bei dem
die einzelnen Bilder kürzer als eine 1/18
Sekunde aufblitzen und dadurch die
Illusion der Bewegung entsteht.

Mitte der neunziger Jahre hat der
Philosoph Peter Sloterdijk in einem
Vortrag bei den Münchener Medientagen diese Funktion des Gehirns in einem klassischen
Satz zusammengefasst.

Das Gehirn, so Sloterdijk, ist ein Organismus zur Abwehr unwillkommener Neuerfahrungen.

Er wollte damals davor warnen, wie er sagte, dass die aufkommende Internet- und
Multimediatechnologie den gleichen Fehler wie die herkömmliche Pädagogik machen würde.
Der Fehler bestehe in einem Missverständnis des Gehirns als eines Speicherorgans. Wenn man
das Gehirn als Speicherorgan ansieht, führt das dazu, dass man versucht per geschickter
Didaktik möglichst viel hinein zu transportieren. Was aber wenn das Gehirn ein Organismus
zur Abwehr unwillkommener Neuerfahrungen ist?

Wenn das Gehirn ein Filtersystem ist?

Was, wenn das Gehirn zwar auch Speicherorgan aber in erster Linie ein Filterorgan ist?

Dann müssen wir anders mit unserem Gehirn umgehen. Wir müssen uns nicht um das
Speichern sorgen, sondern wir müssen uns sehr genau mit diesem Filtersystem und seinen
Funktionen beschäftigen. Vor allem müssen wir sie erst einmal akzeptieren. Das Gehirn sorgt
in erster Linie dafür, dass wir nicht durch eine Informationsüberflutung handlungsunfähig
werden. Es schützt uns vor zu viel Informationen. Dieses Filter- und Abwehrsystem ist in den
Jahrtausenden der evolutionären Weiterentwicklung außerordentlich stark und differenziert
ausgebildet. Wir werden es nicht mit ein paar Zaubertechniken austricksen können.

Ja, solange wir es nicht durchschauen sind wir seiner stark ausgeprägten Willkür ausgeliefert,
die ohne unser Zutun entscheidet, was wir behalten und was nicht. Es macht jedenfalls keinen
Sinn, dagegen an zu arbeiten.

In diesem sehr vereinfachten Schema sehen wir, wie Informationsimpulse durch unsere
Sinnesorgane aufgenommen, dann durch das Ultrakurzzeitgedächtnis eine erste Filterung
erfahren und über das Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis gelangen, wo sie dann im
positiven Fall wieder abgerufen werden können.

                                         Von der Informationsmenge von 10 hoch 11 bit pro
                                         Sekunde, die auf unsere Sinnesorgane einstürmen,
                                         könnten theoretisch aufgrund der physiologischen
                                         Voraussetzungen 10 hoch 7 bit aufgenommen
                                         werden. Im Ultrakurzzeitgedächtnis können jedoch
                                         nur noch 16 bit pro Sekunde verarbeitet werden.
                                         Hier findet bereits eine weitere Selektion statt, so
                                         dass nur 0,5 bis 0,7 bit pro Sekunde in das
                                         Kurzzeitgedächtnis weitergeleitet werden. Von dort
                                         geht es weiter in das Langzeitgedächtnis. Wieder
                                         geht viel verloren, denn dort kommen nur noch
0,05 bit pro Sekunde an. Ich spare mir hier Einzelheiten, zumal das alles in der Wissenschaft
noch sehr diskutiert wird. Es kommt mir hier nur auf die Größenordnungen und Dimensionen
an, die deutlich machen, wie schwierig es ist, einen Lernstoff wirklich zu behalten.
Der Begriff „Information“ wird im normalen Sprachgebrauch ungenau verwendet.
Wissenschaftlich wird unter Information nur der Anteil einer Nachricht verstanden, der
wirklich neu ist. Normalerweise sind Nachrichten, ist das, was wir von anderen hören, was wir
lesen oder im Fernsehen sehen, immer eine Mischung von bekannten und von neuen,
fremden Anteilen. Das Gehirn muss also zunächst das Fremde, die Information im eigentlichen
Sinne, erkennen und vom Bekannten unterscheiden. Dann wird durch den soeben
beschriebenen Filterprozess das Fremde entweder wieder aufgelöst oder nach und nach so
verarbeitet, dass es schließlich im Langzeitgedächtnis mit dem dort Vorhandenen vernetzt
und vom Fremden zu etwas Eigenem wird. Wir sagen dann, dass es uns „in Fleisch und Blut“
übergegangen ist.

Diese Aneignung des Fremden erfolgt nur, wenn die Information entweder eine emotionale
Bedeutung hat, also Lust oder Unlust auslöst oder aber, wenn sie Sinn macht. Informationen
werden also nur weiterverarbeitet, wenn sie entweder Gefühle auslösen oder wenn sie Sinn
machen oder wenn beides der Fall ist. Daraus wird schon klar, dass sinnvolle Informationen,
die gleichzeitig Gefühle mobilisieren, am besten verarbeitet werden können. Allerdings trifft
die Entscheidung, ob eine Information verarbeitet wird, allein das Gehirn des Empfängers, des
Lernenden, nicht das Gehirn des Senders bzw. des Lehrenden. Das Problem beim
wissenschaftlichen und konzeptionellen Lernen, und darum geht es hier beim Thema
Entrepreneurship, besteht darin, dass es eine große Menge von Informationen gibt, die keine
unmittelbare emotionale Einfärbung haben. Es gibt natürlich auch emotional eingefärbte
Informationen, aber sie bleiben in der Regel in der Minderheit. Da emotional eingefärbte
Informationen ohnehin leicht verarbeitet werden, brauchen wir uns um diese nicht groß zu
kümmern und können uns ganz auf die nüchternen Inhalte konzentrieren. Wie können wir das
lernen, was auf den ersten Blick nicht wirklich attraktiv erscheint?

Jetzt kommt eine wirkliche KO Frage. Das Gehirn prüft bei nicht emotional eingefärbten
Informationen knallhart: Macht es Sinn das zu lernen oder nicht?

Dieser Prüfungsprozess ist aber normalerweise unserer bewussten Wahrnehmung verborgen.
Er spielt sich in unseren nicht bewussten Bereichen ab. Lernen bleibt auf diese Weise zunächst
unserem absichtsvollen Handeln verschlossen.
Hinzu kommt, dass bei ganz vielen Menschen
der                                 frühkindliche
Informationsverarbeitungsprozess, mit dem wir
in den ersten Lebensjahren – mobilisiert durch
die kindliche Neugier – Unmengen lernen,
während der ersten Schuljahre gestört,
manchmal sogar zerstört wird.

Bis zum Alter von 6 - 7 Jahren ist das Kind
neugierig auf alles, was sich in seinem Umfeld
abspielt. Jedes Mal, wenn es durch einen Informationsverarbeitungsprozess seine Umwelt,
die Menschen in seinem Umfeld oder sich selbst besser versteht oder besser damit umgehen
kann, freut es sich, erhöht seine Kompetenz und sein Gehirn produziert bestärkende
Belohnungssubstanzen, die Glücksgefühle auslösen.
Dann kommt das Kind mit 6 Jahren in die Schule. Es freut sich zu Beginn, da Eltern, Geschwister
und Freunde in Aussicht gestellt haben, dass dort Vieles zu erfahren ist, was die Neugier noch
besser befriedigt als es vielleicht Eltern und Freunde konnten. Allerdings gibt es dort auch
schon erste Konfrontationen mit Informationen, auf die das Kind in dem Moment gerade nicht
neugierig ist. Diese Konfrontationen werden in den kommenden Jahren immer häufiger, da
der Lehrer oder die Lehrerin aufgrund ihrer Lehrpläne zu gewissen Zeiten bestimmte
Lerninhalte vermitteln müssen. Davon ist ein sehr großer Teil so beschaffen, dass das jeweilige
Kind in dem betreffenden Moment der Unterrichtung gerade nicht neugierig auf diese
Informationen ist. Vielleicht war es vor zwei Wochen neugieriger oder vielleicht wird es in drei
Monaten neugieriger sein. Aber dann geht es längst um andere Inhalte. Wenn nun aber mit
entsprechendem Druck über Tests, Klausuren und Notengebung versucht wird, trotzdem die
Informationen in das Gehirn hinein zu transportieren, wehrt sich das Gehirn. Es ist ja ein
Organismus zur Abwehr unwillkommener Neuerfahrungen.

Dieser Kampf der Lehrer gegen die Grundorganisation des Gehirns löst keine Glücksgefühle,
sondern genau das Gegenteil aus. Erinnern wir uns an die Warnung von Peter Sloterdijk. Nun,
es hat sich niemand darum gekümmert und dementsprechend sind enorm viel
Lernprogramme zur Nutzung am Computer oder über das Internet erfolglos geblieben, da sie
nicht von der Mobilisierung der Neugier ausgingen. Positive Gegenbeispiel, wie die
Programme von Roger Schank bleiben da die Ausnahme.

Wenn die ursprüngliche kindliche Neugier auf diese Weise über viele Jahre malträtiert wird,
geht die Sogkraft der Neugier verloren, der Blick für das wirklich Wichtige verschwindet und
wir geraten in Verwirrung. Langeweile und eine grundsätzliche Lernunlust ruinieren die
Lernkompetenz. Lernbereitschaft und Lernfähigkeit werden eingebüßt. Man wundert sich
schließlich darüber, dass man als Erwachsener soviel Mühe mit dem Lernen hat. Doch es gibt
einen Ausweg aus diesem Dilemma: Die Wiederbelebung der kindlichen Neugier und ihre
Verknüpfung mit dem konkreten Lernprojekt. Wir haben ja gesehen, dass selbst emotional
blasse Informationen dann verarbeitet werden, wenn sie Sinn machen. Alle Informationen,
die unserem Überleben dienen, machen natürlich Sinn und werden verarbeitet. Das sind vor
allem Informationen darüber, wie wir uns am besten unserer Umwelt anpassen.

Praktisch relevanter für unser Programm sind sämtliche Informationen, mit denen wir
unseren Einfluss auf die Gestaltung unserer Umwelt verstärken, andere beeinflussen oder das
Wachstum unserer eigenen Persönlichkeit stimulieren können. Sämtliche Informationen, die
uns dazu verhelfen können, das Leben zu optimieren, machen Sinn für uns.

                                                 Es gibt unterhalb unseres Großhirns einen
                                                 sehr differenziert entwickelten weiteren
                                                 Gehirnbereich, das so genannte Limbische
                                                 System,       das     die        grundlegenden
                                                 Entscheidungen über die Weiterleitung oder
                                                 Nicht-Weiterleitung       trifft.     Sämtliche
                                                 Informationen      werden        zunächst    im
                                                 Limbischen System auf ihre Wertigkeit
                                                 geprüft,     bevor     sie      im     Großhirn
                                                 weiterverarbeitet werden können. Hier
                                                 findet ein sehr rigider Auswahlprozess statt.
Die Prozeduren der Zusammenarbeit zwischen Limbischem System und Großhirn sind zurzeit
Gegenstand intensiver Forschungen. Es würde zu weit führen, hier zu sehr ins
wissenschaftliche Detail zu gehen. Wir werden diese Aspekte aber von der praktischen Seite
her wieder aufgreifen, wenn wir uns gründlicher mit den Fragen des Wertesystems
beschäftigen.

Optimierungen zu schaffen heißt letztlich, Wirkung zu erreichen, Ergebnisse zu erzielen. Wir
können zusammenfassen: Informationen werden verarbeitet, wenn sie emotional bedeutend
sind und / oder sinnvoll sind. Sinnvoll sind sie, wenn sie dem Überleben dienen und oder das
Leben optimieren.

Selbstgesteuertes Lernen von Informationen, die keine starke emotionale Bewegung auslösen
und die auch nicht unbedingt dem Überleben dienen, gelingt jedenfalls dann, wenn die
Informationen das Leben optimieren und eine drauf ausgerichtete Wirkung erzielen können.

Im nächsten Modul werden wir uns daher darauf fokussieren, wie wir uns auf Informationen
konzentrieren können, mit denen wir eine Optimierung in einem für uns wichtigen Bereich
des Lebens erreichen können.

Auf Wiedersehen im nächsten Modul, in dem es darum geht, die Freiheit der Selbststeuerung
zu gewinnen.
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