Bestand und Schutz des Steinkauzes Athene noctua Scopoli 1769 in den nordrhein-westfälischen Kreisen Düren und Euskirchen in den Jahren 2011 bis ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Eulenschutz Bestand und Schutz des Steinkauzes Athene noctua Scopoli 1769 in den nordrhein- westfälischen Kreisen Düren und Euskirchen in den Jahren 2011 bis 2020 von Wilhelm Breuer, Lutz Dalbeck, Peter Josef Müller, Rita Edelburg-Müller und Doris Siehoff 1. Vorbemerkung mühungen und die in diesem Zusam- ungefähr 20 % und im Kreis Euskir- menhang gewonnenen Erfahrungen chen 10 %, auf die Fluss- und Bach- Der Steinkauz zählt in Deutschland sind Gegenstand des folgenden Bei- auen im Kreis Düren 10 % und im zu den gefährdeten Brutvogelarten trages. Kreis Euskirchen 30 %. Rund 70 % (Grüneberg et al. 2015). Der größ- des Grünlandes in Steinkauzrevie- te Teil des deutschen Brutbestandes ren im Kreis Düren wird beweidet; (7.500 – 8.500 Reviere, Gerlach 2. Lage des Projektgebietes und im Kreis Euskirchen sind es noch et al. 2019) befindet sich mit rund charakteristische Habitate mehr als 80 %. Dominierende Wei- 5.000 Paaren in Nordrhein-Westfa- detiere sind Rinder, Pferde und Scha- len (NRW) (Jöbges & Franke 2018, Das Projektgebiet umfasst die bei- fe. An das Projektgebiet schließen im Franke & Jöbges 2018a). Daher hat den im Südwesten NRWs gelege- Westen die Städteregion Aachen, im dieses Bundesland für den Schutz die- nen Kreise Düren und Euskirchen Nordwesten der Kreis Heinsberg, im ser in Deutschland streng geschützten (Abb. 1). Das Projektgebiet ist eine Nordosten der Rhein-Kreis Neuss und Art eine nationale Verantwortung. In der von Menschen dicht besiedelten, im Osten der Rhein-Erft-Kreis und NRW zählt der Steinkauz zu den ge- stark erschlossenen und intensiv land- der Rhein-Sieg-Kreis an. Auch diese fährdeten Brutvogelarten (Grüne- wirtschaftlich genutzten Regionen Gebiete sind vom Steinkauz besiedelt. berg et al. 2016). Zwischen den Jah- Deutschlands mit einem überdurch- ren 2003 und 2016 sank der Bestand schnittlich hohen Flächenverbrauch in NRW um rund 800 Paare; das für Siedlungen, Wirtschaft und Ver- 3. Bestandsentwicklung entspricht einem Verlust von 14 % kehr. Hier besiedelt der Steinkauz (Franke & Jöbges 2018a). mit Obstbäumen und anderen Laub- 3.1 Daten vor 2011 Zu den Regionen NRWs, die vom bäumen bestandenes Grünland in der Für die Mitte der 1970er Jahre schätzt Steinkauz noch in relativ hoher Dichte Jülicher und Zülpicher Börde in der die EGE den Steinkauzbestand im besiedelt werden, gehören die Kreise Niederrheinischen Bucht sowie den Gebiet der Kreise Düren und Euskir- Düren und Euskirchen. Im Jahr 2020 hügeligen waldarmen Lagen der an- chen stichprobengestützt auf 450 Paa- ermittelte die Gesellschaft zur Erhal- grenzenden Voreifel bis 420 m über re. Für das Jahr 1992 gibt sie 330 Paa- tung der Eulen e. V. (EGE) in diesem NN. Dieser Lebensraumtyp ist im re an (Breuer 2008). Das entspricht Gebiet 394 besiedelte Reviere (Abb. 1). Bereich der zahlreichen Börde- und einem Rückgang um 26,7 % bzw. von Die EGE betreibt im Kreis Düren seit Voreifeldörfer und an Hofstellen im jährlich 1,5 %. dem Jahr 1990 und im Kreis Euskir- Außenbereich vergleichsweise häu- Im Kreis Düren ermittelte die EGE chen seit dem Jahr 2000 ein Projekt fig und in weitaus geringerem Um- 1991/92 insgesamt 262 territoriale zum Schutz des Steinkauzes. fang in den Auen von Rur, Inde, Erft Steinkauzmännchen, davon 246 in Hauptverantwortlich für dieses Pro- und an deren Zuflüssen sowie ande- oder um Ortschaften und 16 in Auen jekt sind im Kreis Düren Doris Sie- ren siedlungsfernen Standorten noch außerhalb von Siedlungen (Dal- hoff und im Kreis Euskirchen Pe- fragmentarisch erhalten. Dieses vom beck & Hachtel 1999). Im Jahr 2001 ter Josef Müller und Rita Edel- Steinkauz besiedelte, nachfolgend als war dort die Zahl auf 223 territoria- burg-Müller. Das Projekt umfasst Projektgebiet bezeichnete Gebiet um- le Männchen gesunken; das entspricht ein jährliches Bestandsmonitoring fasst eine zusammenhängende Fläche einem Rückgang von annähernd 15 % (einschließlich Beringung), das An- von etwa 1.000 km². Das entspricht in zehn Jahren. Im Jahr 2010 stellte D. bringen und Warten von Nisthilfen, ungefähr der Hälfte der Fläche der Siehoff nur noch in 52 % der im Jahr Verbesserung und Pflege von Stein- beiden Kreise. Eine Besonderheit stel- 1991 im Kreis Düren besiedelten Re- kauzhabitaten, Öffentlichkeitsarbeit len im Kreis Düren die Braunkohleta- viere Steinkäuze fest. sowie das Wahrnehmen von Beteili- gebaue Hambach und Inden dar. Franke & Jöbges (2018a) geben den gungsrechten in Zulassungsverfahren Etwas mehr als die Hälfte der 394 im Steinkauzbestand für das Gebiet des für Eingriffe und in Aufstellungsver- Jahr 2020 besiedelten Reviere liegt Kreises Düren bezogen auf das Jahr fahren für Flächennutzungs-, Bebau- in der Peripherie oder innerhalb von 2003 mit 150 und für das Gebiet des ungs- und Landschaftspläne. Ortschaften; die übrigen Reviere be- Kreises Euskirchen bezogen auf das Die Bestandsentwicklung des Stein- finden sich in siedlungsfernen Berei- Jahr 2000 mit 40 Revieren an, so dass kauzes in den Jahren 2011 bis 2020 chen (im Kreis Düren 48 %, im Kreis man für die Zeit um das Jahr 2000 von in diesem Gebiet, die hier bestehen- Euskirchen 54 %). Von den siedlungs- einem Bestand von insgesamt knapp den Gefährdungsursachen, die zum fernen Revieren entfallen auf das Um- 200 Revieren für die beiden Kreise Schutz der Art unternommenen Be- feld von Hofstellen im Kreis Düren ausgehen kann. Im Jahr 2008 wurden 4 Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021
Abbildung 1: Die nordrhein-westfälischen Kreise Düren und Euskirchen. Waldflächen sind grün, landwirtschaftliche Flächen hellbraun, Siedlungs- und Verkehrsflächen grau, Wasserflächen blau, Tagebaue und sonstige Flächen weiß dar- gestellt. Rote Punkte markieren im Jahr 2020 festgestellte Steinkauzreviere. Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021 5
im Projektgebiet nur noch 169 besie- Jahr 1975* 1992* um 2000 2008 2010 delte Reviere festgestellt. Erst ab dem Jahr 2010 lag die Anzahl der besiedel- Besiedelte 450 330 200 169 205 ten Reviere im Projektgebiet wieder Reviere über 200 (Tab. 1). * geschätzt 3.2 Daten aus den Jahren 2011 bis Tabelle 1: Bestand des Steinkauzes im Projektgebiet der EGE in den Jahren 1975, 1992, um das Jahr 2000 und in den Jahren 2008 und 2010. 2020 Im Zeitraum 2011 bis 2020 stieg die Zahl der besiedelten Reviere signifi- Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 kant um 66 % von 237 auf 394 (Abb. Besiedelte Reviere 237 251 238 245 287 329 324 337 352 394 2; Spearman r = 0,952; p
Abbildung 3: Ortsrand mit obstbaumbestandenem Grünland; hier brü- ten Steinkäuze mindestens seit den 1980er Jahren sehr erfolgreich. Eine Bebauung des Bereichs konnte bisher abgewendet werden. Nun sollen Abbildung 2: Bestandsentwicklung des Steinkauzes im Projektgebiet die „Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwick- (DN + EU) in den Jahren 2010 bis 2020 (DN=Kreis Düren, EU=Kreis lung von Boden, Natur und Landschaft“ im neuen Flächennutzungsplan Euskirchen) dargestellt werden (Foto: D. Siehoff) Abbildungen 4 und 5: Hambach – ein Dorf im Projektgebiet der EGE, links im Mai 1975. Damals lebten dort zehn Steinkauzpaare in den Streuobst- beständen rund um den Ort. Die rechte Aufnahme zeigt dieselbe Situation 40 Jahre später im März 2014. Das neueste Baugebiet grenzt unvermit- telt an den Außenbereich. Die im Bebauungsplan festgesetzte Eingrünung des neuen Baugebiets steht nur auf dem Papier. Statt wie verlangt Bäume und Büsche zu pflanzen, haben die Hausbesitzer an der Grenze zum Außenbereich Mauern und hohe Zäune errichtet. Zweien der drei am Ort ver- bliebenen Steinkauzreviere droht die Bebauung, sollten sich die Überlegungen für die Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes durchsetzen (Fo- tos: W. Breuer) im Kreis Düren: Der Plan sieht 71 ha Braunkohlerevier in der Niederrhei- sterbens in keinerlei Weise. Stattdes- neue Wohnbauflächen und 30 ha neue nischen Bucht ein massiver Struktur- sen nehmen Wirtschaftsförderung, gewerbliche Bauflächen vor (Gemein- wandel ab. Dieser wird für die Stein- der Ausbau der Infrastruktur und die de Niederzier 2018). Das sind 1,6 % käuze der Region nicht folgenlos blei- Ertragsmaximierung auf land- und des Gemeindegebietes. Davon sind ben. Mit einem Sofort-Programm und forstwirtschaftlichen Flächen wesent- fünf von neun im Jahr 2020 besiedel- dem „Strukturstärkungsgesetz für lichen Raum ein. Das sind für den Er- ten Steinkauzrevieren betroffen. die Braunkohleregionen“ des Bundes halt der Kulturlandschaft und ihrer wird dieser Strukturwandel mit Mil- Artenvielfalt düstere Aussichten. 4.1.2 Braunkohletagebaue liardenbeträgen subventioniert. Die Im Projektgebiet der EGE wird sich Seit den 1990er Jahren sind im Kreis bisherigen Planungen spiegeln sich mit den dort zu erwartenden Investi- Düren infolge des Tagebaus Inden im „Wirtschafts- und Strukturpro- tionen für die Ansiedlung von Wohn- mindestens zehn Steinkauzreviere er- gramm für das Rheinische Zukunfts- bevölkerung, Industrie und Gewer- satzlos zerstört worden; weitere fünf revier 1.0“ (WSP 1.0) wider, das für be, für touristische Projekte und den wurden bis 2013 ohne angemessene sich den Anspruch erhebt, eine Mo- Aus- und Neubau von Straßen zur Kompensation abgebaut. Mit dem ge- dellregion der Zukunft zu werden Kompensation der wirtschaftlichen planten vorzeitigen Ende des Tage- (Zukunftsagentur Rheinisches und sozialen Auswirkungen des Aus- baus Hambach bleibt ein Steinkauz- Revier 2020). Ein Umdenken vor stiegs aus der Braunkohlewirtschaft revier vom Abbau verschont. dem Hintergrund der sich verschär- der Druck auf Steinkauzvorkommen Mit dem Beschluss der Bundesregie- fenden Biodiversitätskrise ist darin sowohl an Siedlungsrändern als auch rung, die Braunkohleverstromung indessen nicht zu erkennen. Das WSP im Außenbereich verstärken. Die An- aufzugeben, zeichnet sich für das adressiert die Problematik des Arten- zahl der davon betroffenen Reviere Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021 7
kann derzeit nicht abgeschätzt wer- den; sie dürfte sich vermutlich in ei- nem nicht geringen zweistelligen Be- reich bewegen. 4.1.3 Bauvorhaben im Außenbe- reich Steinkauzhabitate im Umfeld von landwirtschaftlichen Betrieben im Außenbereich sind von dort baurecht- lich privilegierten Bauvorhaben be- droht. Bis in die jüngste Vergangen- heit sind Steinkauzvorkommen für solche Bauvorhaben trotz der auf die- se Vorhaben anzuwendenden natur- schutzrechtlichen Eingriffsregelung und der artenschutzrechtlichen Schä- digungs- und Störungsverbote zerstört oder erheblich beeinträchtigt worden, teils auch in naturschutzrechtlich be- sonders geschützten Gebieten. Abbildung 6: Eines von zwei Steinkauzweibchen, die im Jahr 2020 im Abstand weniger Wo- chen auf einem kurzen Streckenabschnitt einer Bundesstraße vom Verkehr erfasst wurden (Foto: D. Siehoff) 4.1.4 Straßenverkehr Im Projektgebiet ist eine Vielzahl von Straßen und Ortsumfahrungen im digkeitsbegrenzungen dürften kaum die der Milchkühe um 42 % von Bau oder geplant, die Brut- und Nah- durchsetzbar sein; ohne eine Kon 20.822 auf 12.036. (Statistisches rungshabitate von Steinkäuzen zer- trolle werden diese ohnehin kaum be- Jahrbuch NRW 2001 und 2019). Er- stören, optisch oder akustisch beein- achtet. fahrungsgemäß wird ein großer Teil trächtigen oder durchschneiden. Im Die EGE registrierte beispielswei- der verbliebenen Rinderbestände 1.000 m Abstand sind hiervon schät- se in der Brutzeit des Jahres 2020 im ohne Weidegang gehalten, und in vie- zungsweise fünf Prozent der Stein- Abstand weniger Wochen zwei mit len Dörfern gibt es überhaupt keine kauzreviere im Projektgebiet betrof- Kraftfahrzeugen kollidierte Stein- Rinder mehr. Diese Entwicklung geht fen. Mit den Straßen geht eine Er- kauzweibchen auf einem kurzen Stre- mit der Aufgabe der Beweidung zu- höhung der Kollisionsgefahr für ckenabschnitt einer Bundesstraße in gunsten von Mähgrünland einher, bis Steinkäuze einher. Je nach Lage kann Ortsnähe; eines der beiden Weibchen zum Inkrafttreten des Grünlandum- sich das Tötungsrisiko signifikant er- in einer Tempo-50-Zone (Abb. 6). Die bruchverbots im Jahr 2011 auch mit höhen, weil auf ausgebauten Straßen Jungvögel an dem der Unglücksstel- einem Verlust von Grünland. und Ortsumgehungen der Kraftfahr- le nächstgelegenen Brutplatz wurden Beweidetes Grünland ist für Stein- zeugverkehr höhere Geschwindigkei- später tot aufgefunden. Wie in diesem käuze jedoch ein wesentlich attrakti- ten erreicht. Fall dürfte der Verlust von Altvögeln veres Nahrungshabitat, weil es nach Das Potential von Vorkehrungen zur im Straßenverkehr die Ursache für den Erfahrungen der EGE anders als Vermeidung von Kollisionen soll- eine Reihe gescheiterter Bruten sein. Mähgrünland aufgrund des niedrige- te nicht überschätzt werden. Das gilt Das Netz der Bundesautobahnen, Bun- ren Bewuchses kontinuierlich besse- auch für straßenbegleitende Anpflan- des-, Landes-, Kreis- und Gemein- re Jagdbedingungen bietet. Bei einer zungen, die Käuze von einem Über- destraßen im Gebiet der Kreise Düren nicht zeitgerechten Mahd von Grün- fliegen von Straßen auf der Höhe des und Euskirchen umfasst rund 4.900 land kommt es häufig zu Nahrungs- Verkehrs abhalten sollen. Die Wirk- km. Das entspricht einer Straßenlän- engpässen, weil Nahrungstiere im ho- samkeit solcher Maßnahmen ist un- ge von 2,24 km je km². Das Kollisi- hen Aufwuchs schwer erreichbar sind belegt. Die Bepflanzungen benötigen onsrisiko steigt nicht nur mit der Län- (Abb. 7, Abb. 8). Infolgedessen wer- Jahre, um eine mögliche Wirksamkeit ge des Straßennetzes, sondern auch den Bruten aufgegeben und Jungvögel entfalten zu können. Zudem ist eine mit dem Bestand an Kraftfahrzeugen. verhungern. Der starke Bestandsrück- Wirksamkeit im Winterhalbjahr und Im Kreis Düren beispielsweise stieg gang des Steinkauzes im Norden des nach Pflegemaßnahmen wie „Auf- der Pkw-Bestand zwischen 1987 und Kreises Düren steht möglicherweise den-Stock-setzen“ vermindert. Oh- 2018 um 45 %, der Lkw-Bestand um mit der Aufgabe der Beweidung im nehin bleiben im Bereich von Zuwe- mehr als 80 % (Statistisches Jahr- Zusammenhang. So registrierte die gungen Durchlässe mit einem hohen buch NRW 1987 und 2018). EGE im Bereich der Topografischen Kollisionsrisiko. Am ehesten könnte Karte (1:25.000) 5003 Linnich im Jahr ein Streckenverlauf im Einschnitt das 4.1.5 Aufgabe der Beweidung 2001 noch 71 territoriale Steinkauz- Kollisionsrisiko mindern. Allerdings In den Kreisen Düren und Euskirchen männchen (davon allein in dem Dorf bleibt die Gefahr, dass entlang der sank im Zeitraum von 2001 bis 2019 Ederen 14). Im selben Gebiet wurden Fahrbahn attraktive Nahrungshabi- die Zahl der Rinderhaltungen um 50 im Jahr 2020 nur noch 34 besiedelte tate mit einem entsprechend erhöhten % von 1.227 auf 639, die Zahl der Rin- Reviere festgestellt (in Ederen vier). Tötungsrisiko entstehen. Geschwin- der um 20 % von 61.055 auf 48.889, Die Aufgabe der Beweidung ist in den 8 Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021
auch in der angrenzenden Gemein- de des benachbarten Naturraums lie- gen. Es liegt auf der Hand, dass in dem einen wie in dem anderen Fall gar keine oder jedenfalls keine lage- gerechte Wiederherstellung der vom Verlust betroffenen Steinkauzhabita- te erreicht wird. Bestenfalls profitie- ren von der Neuanlage zufällig andere Steinkauzvorkommen. Die Neuanla- ge berücksichtigt lediglich die Flä- chengröße, aber nicht die eigentlichen qualitativen und funktionalen ökolo- gischen Einbußen. Dabei ließe sich eine angemessene Kompensation mit der Anwendung der Eingriffsregelung erreichen, denn die Eingriffsregelung verlangt die bestmögliche Wiederher- stellung der vom Eingriff betroffenen Abbildung 7: Steinkauzrevier wie im Bilderbuch. Ausgerechnet hier sollte als naturschutzrecht- Funktionen und Werte der Leistungs- liche Kompensation für Bau und Betrieb kilometerweit entfernter Windenergieanlagen die Be- und Funktionsfähigkeit des Natur- weidung aufgegeben werden und die Fläche der natürlichen Sukzession überlassen werden! Es ist ein Beispiel für fehlgeleitete Kompensation. Da es an der grundbuchrechtlichen Sicherung die- haushalts und des Landschaftsbildes ser Maßnahme fehlt, erwarb der BUND die Fläche, ließ sie mähen und pflanzte zehn Obstbäume. und nicht einfach, „irgendwo irgend- Vielleicht lässt sich auch wieder eine Beweidung einrichten (Foto: D. Siehoff) etwas Schönes für Natur und Land- schaft“ herzustellen (Breuer 2016b). Sind vom Eingriff Steinkauzvorkom- men betroffen, kann die Kompensati- on gerade nicht fernab der betroffenen Reviere erfolgen. Die Kompensati- onspraxis von Behörden und Gutach- terbüros ist offenkundig von einem tiefen Unverständnis geprägt, sofern sie die Eingriffsregelung überhaupt auf den Grünlandumbruch anwenden. 4.1.7 Verlust von Obstbäumen Der Obstbaumbestand im Projektge- biet ist großenteils ungepflegt, über- altert, von Trocken- und Schälschä- den gekennzeichnet oder von Mis- teln geschwächt. Nur ein geringer Teil ist jünger als 25 Jahre. Das In- teresse an der Erhaltung und Ver- mehrung von Obstbäumen ist gering; Abbildung 8: Zu oft steht zum Zeitpunkt der Jungenaufzucht das Gras hoch auf dem Mähgrünland, die Pflege ist zumeist nicht gewähr- so dass die Jagdbedingungen für Steinkäuze dort ungünstig sind und Bruten scheitern. Ein Bild, leistet. Häufig fehlt es den Bäumen welches sich wie hier oft zeigt, wenn der Landwirt die Viehhaltung aufgegeben hat oder auch bei an einem Verbissschutz. Schälschä- Kompensationsmaßnahmen ohne Steinkauz gerechte Pflege des Grünlandes (Foto: D. Siehoff) den bringen die Bäume binnen weni- ger Jahre zum Absterben. Fehlt den Dörfern des Nordkreises im Gebiet 40 %. Diese Entwicklung dürfte sich Bäumen im Sommer das schatten- der Stadt Linnich augenfällig. Zudem ähnlich auch im Projektgebiet vollzo- spendende Laub, werden die Natur- schreitet aufgrund wachsender Be- gen haben. Seit dem Jahr 2011 ist der höhlen und Nisthilfen aufgrund der wirtschaftungsintensität die biologi- Umbruch nur zulässig, wenn durch unverminderten Sonneneinstrahlung sche Verarmung des Grünlandes mit den Antragstellenden sichergestellt vom Kauz gemieden bzw. unbrauch- dramatischen Folgen für Anzahl und ist, dass die umgebrochene Fläche bar noch bevor die Bäume beseitigt Menge der Nahrungstiere des Stein- nach der Genehmigung vollständig werden oder umstürzen (Abb. 9, Abb. kauzes fort. innerhalb desselben Naturraums, in 10). Schälschäden treten insbesondere dem die umgebrochene Fläche liegt, dort auf, wo Pferde das Grünland be- 4.1.6 Grünlandumbruch durch neu angelegtes Dauergrünland weiden. Die Beweidung mit Pferden In NRW nahm die Dauergrünland- ersetzt wird. Liegt die umgebrochene hat in den letzten Jahren deutlich zu- fläche zwischen 1977 und 2013 von Fläche in einer Gemeinde, die an ei- genommen. Die Situation der Streu- 650.000 auf 400.000 ha ab (LANUV nen weiteren Naturraum grenzt, kann obstwiesen im Projektgebiet ist ähn- 2015). Das ist ein Rückgang um fast das neu anzulegende Dauergrünland lich ungünstig, wie von Dierichs & Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021 9
Weddeling (2018) für den benach- barten Rhein-Sieg-Kreis beschrie- ben. Allerdings ist die Wertschätzung der Streuobstbestände und ihrer Pro- dukte in den letzten Jahren erkenn- bar gewachsen. So gibt es eine größe- re Nachfrage nach dem Saft und einen vermehrten Einsatz mobiler Saftpres- sen. Auch nimmt die Zahl der jährlich über die Biologischen Stationen be- stellten Obstbäume zu (im Kreis Dü- ren beispielsweise weit mehr als 200 junge Bäume). Das gewachsene Inte- resse am Kulturgut Obstbau zeigt sich auch am hohen Interesse an den an- gebotenen Fortbildungen zum Obst- baumwart, so dass inzwischen im ge- samten Projektgebiet mit der Obst- baumpflege erfahrene Personen zur Verfügung stehen. Abbildung 9: Eine idealtypische Situation: Junge Steinkäuze in einer Baumhöhle. Ob darin aller- dings die Bedingungen für junge Steinkäuze so ideal sind wie in künstlichen Nisthilfen, erscheint fraglich (Foto: A. Schumacher) 4.1.8 Sonstige zivilisatorische Ge- fahren Neben der Kollisionsgefahr an Ver- kehrswegen sind Steinkäuze einer Reihe weiterer zivilisatorischer Tö- tungsrisiken ausgesetzt. Dazu zäh- len beispielsweise Wasserbehälter wie offene Viehtränken und Regen- tonnen, in denen Steinkäuze ertrin- ken, sowie Kamine, in denen Stein- käuze umkommen entweder, weil sie hineinfallen oder gezielt darin nach einem Tagesversteck oder Brut- platz suchen. Kaminopfer dürften zu- meist unentdeckt bleiben und ertrun- kene Käuze kaum gemeldet werden, so dass mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet werden muss und die Ver- luste nicht unterschätzt werden soll- ten. Auch sind Sekundärvergiftungen von Steinkäuzen infolge des Einsat- zes von Rodentiziden anzunehmen (vgl. Lindner 2020). Dafür sprechen Abbildung 10: Nach Frühjahrsstürmen im Projektgebiet kein ungewöhnlicher Anblick: Umge- Totfunde von Käuzen und eine vergif- stürzter vernachlässigter Obstbaum mit einer Steinkauznisthilfe im März 2019. Die Nisthilfe tete Hauskatze, die in einem Bereich wurde rechtzeitig zur beginnenden Brutzeit an einen der wenigen verbliebenen Bäume umge- mit ausgebrachtem Giftweizen regis- hängt (Foto: D. Siehoff) triert wurden. ner Unterschutzstellung der für die tur in NRW (Landesnaturschutzge- 4.2 Unzureichender Schutz Art „zahlen- und flächenmäßig ge- setz – LNatSchG NRW) naturschutz- Steinkäuze sind vor den genannten eignetsten Gebiete“ als Europäische rechtlich besonders geschützten Ge- Gefährdungsursachen insbesondere Vogelschutzgebiete. In den im Pro- bieten. Einige wenige dieser Gebiete aus den folgenden Gründen nur be- jektgebiet bestehenden Europäischen sind nur befristet, d. h. nur solange ge- dingt geschützt: Vogelschutzgebieten liegen allenfalls schützt, bis die Gemeinde hier zuläs- nur sehr wenige Steinkauzreviere; das sigerweise Bebauungspläne aufstellt. 4.2.1 Fehlende oder unzureichend gilt auch für die hier nach der FFH- Allerdings ist der Anteil Reviere in geschützte Schutzgebiete Richtlinie zu schützenden Fauna-Flo- den besonders geschützten Bereichen Der Steinkauz gehört im Unterschied ra-Habitat-Gebiete. im Kreis Euskirchen deutlich geringer beispielsweise zu Uhu, Sumpfohreu- Gleichwohl befinden sich 75 % der als im Kreis Düren. le, Raufuß- und Sperlingskauz nicht 394 im Jahr 2020 besiedelten Stein- In den naturschutzrechtlich besonders zu den Arten, zu deren Erhaltung Eu- kauzreviere in nach dem Bundesna- geschützten Gebieten ist die Auswei- ropäische Vogelschutzgebiete einzu- turschutzgesetz (BNatSchG) oder sung neuer Baugebiete, sieht man von richten sind. Insofern fehlt es an ei- nach dem Gesetz zum Schutz der Na- den Fällen des o. g. befristeten Schut- 10 Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021
Anzahl der 394 im Jahr 2020 im Projektgebiet besiedelten Steinkauzreviere innerhalb von naturschutzrechtlich besonders geschützten Gebieten außerhalb von naturschutz- Naturschutzgebiete Landschaftsschutz- Geschützte Landschaftsbestandteile rechtlich besonders geschützten (§ 24 BNatSchG) gebiete (§ 26 BNatSchG) (§ 29 BNatSchG und § 39 LNatSchG NRW) Gebieten 25 Reviere / 6 % 157 Reviere / 40 % 113 Reviere / 29 % 99 Reviere / 25 % Tabelle 4: Anzahl der 394 im Jahr 2020 im Projektgebiet besiedelten Steinkauzreviere innerhalb und außerhalb naturschutzrechtlich besonders ge- schützter Gebiete. zes ab, nicht ohne weiteres möglich; Jahren. Sind beispielsweise im Gebiet mals fertiggestellt wird. der Schutz kann aber überwunden des noch geltenden Landschaftspla- Über die Notwendigkeit einer kon- werden. Zudem sind bestimmte Vor- nes Ruraue aus dem Jahr 1984 (Kreis kretisierenden Rechtsverordnung zur haben und Handlungen von den Ver- Düren) zurzeit nur 56 % der im Jahr Realisierung des gesetzlich vorgese- boten ausgenommen. So bleiben die 2020 besiedelten Reviere geschützt, henen Streuobstwiesenschutzes so- ordnungsgemäße landwirtschaftliche werden nach dem Vorentwurf für die wie über die Festlegung eines Stich- Bodennutzung und jede andere recht- Fortschreibung dieses Landschafts- tages als Referenzpunkt für den fünf- mäßig und ordnungsgemäß ausgeübte planes bis auf vier (nämlich zwei im prozentigen Rückgang soll erst nach Nutzung in der bisherigen Art und in Innenbereich der Dörfer und zwei Re- Abschluss der Kartierung entschie- dem bisherigen Umfang unberührt. In viere, die nur befristet geschützt sind) den werden (Landtag NRW 2019). den geschützten Bereichen ist jedoch zukünftig alle diese Reviere in sol- Insofern ist der im Projektgebiet für die Umwandlung von Grünland in chen Bereichen liegen. Allerdings den Steinkauz wichtigste Biotoptyp Acker und die Beseitigung von Bäu- handelt es sich in vielen Fällen um vier Jahre nach der Gesetzesänderung men nach Maßgabe der Schutzge- kleine und Kleinstgebiete, die inso- und möglicherweise auf Jahre hin bietsverordnungen oder landschafts- fern durch Randeinflüsse und Nut- trotz der dramatischen Bestandsent- planerischer Festsetzungen regelmä- zungsänderungen im Umfeld gefähr- wicklung nicht nach § 42 LNatSchG ßig untersagt. det sind. NRW gesetzlich geschützt! Von der Diese Bestimmungen gewährleisten In NRW sollten Streuobstwiesen we- seit 1986 bestehenden bundesrecht- jedoch weder einen Schutz vor einer gen ihres Naturschutzwerts und des lichen Möglichkeit, Streuobstbestän- Intensivierung der landwirtschaftli- hier traditionell hohen aber rückläu- de zu gesetzlich geschützten Gebieten chen Nutzung, noch die Beibehaltung figen Anteils gesetzlich geschütz- zu erklären, hatte der nordrhein-west- der Beweidung oder die Erhaltung, te Biotope sein. Tatsächlich zählen fälische Gesetzgeber erst 2005 Ge- Pflege oder den Ersatz von Obstbäu- sie seit 2016 (wieder) zu den nach § brauch gemacht, diesen Schutz aber men, weil die Grundeigentümer und 42 LNatSchG NRW gesetzlich ge- bereits 2007 wieder aufgegeben. Besitzer dazu nicht verpflichtet wer- schützten Biotopen. Ausgenommen den können. Hierfür müssten viel- sind allerdings Flächen von weniger 4.2.2 Unzureichende und be- mehr Anreize geschaffen werden, als 2.500 m² Größe und Bäume, die schränkte Anwendung der habitaterhaltende und -verbessernde weniger als 50 m vom nächstgelege- Eingriffsregelung Maßnahmen durchzuführen oder zu nen Wohn- oder Hofgebäude entfernt Bei Bauvorhaben im Außenbereich dulden. Hierfür könnten beispielswei- sind. Im Unterschied zu anderen Bun- (z. B. landwirtschaftliche Bauten und se Ersatzzahlungen aus der Eingriffs- desländern mit einem bedeutenden Straßen) ist die naturschutzrechtliche regelung verwandt werden. Förder- Anteil an Streuobstwiesen tritt der ge- Eingriffsregelung anzuwenden. Al- möglichkeiten bestehen für Landwirte setzliche Schutz in NRW aber erst in lerdings verlangt sie keine Prüfung z.B. im Rahmen des Vertragsnatur- Kraft, wenn die Gesamtfläche dieser von Standortalternativen. Untersagt schutzes. Im Kreis Düren ist mit 28 Streuobstbestände in NRW um min- sind nur solche Eingriffe, deren Fol- Verträgen mit ca. 22,3 ha (Stand De- destens fünf Prozent abgenommen gen nicht kompensiert werden können zember 2020) jedoch das Interesse an hat. Ein solcher Rückgang ist bisher und dies auch nur, soweit dem Schutz einer Förderung gering, so dass sich nicht belegt worden, weil die hierfür von Natur und Landschaft Vorrang kreisweit und so auch in vielen die- von ehrenamtlichen Helfern durch- vor dem Eingriffsinteresse zuerkannt ser Schutzgebiete die Intensivierung geführte erforderliche Erfassung wird. Der Vollzug der Eingriffsrege- oder Aufgabe der Grünlandbewirt- noch nicht abgeschlossen ist (Land- lung bleibt zudem hinter ihren ge- schaftung und ein schleichender Ver- tag NRW 2019); sie soll nach Anga- setzlichen Möglichkeiten zurück, bei- lust von Obstbäumen fortsetzen. ben der nordrhein-westfälischen Um- spielsweise, wenn die Eingriffsfolgen Erfreulicherweise ist der Anteil von weltministerin spätestens Ende 2022 auf Biotoptypen verengt und auf diese Steinkauzrevieren in naturschutz- abgeschlossen sein (NRZ 2020). Er- Weise die Folgen für die biologische rechtlich besonders geschützten Ge- fasst werden nur Bestände, die nach Vielfalt, wie etwa den Steinkauz, häu- bieten in den letzten Jahren deutlich der Definition für Streuobstbestände fig nicht vollständig ermittelt werden gestiegen. Dies ist vor allem darauf des Landesamtes für Natur, Umwelt und schon deshalb Art und Umfang zurückzuführen, dass für die neuen und Verbraucherschutz NRW min- der Kompensation in keinem rechten Landschaftspläne in Zusammenar- destens neun hoch- bzw. mittelstäm- Verhältnis zum Schadensmaß stehen. beit mit der EGE Daten über Stein- mige Obstbäume umfassen und eine Darüber hinaus wird den Maßnah- kauzvorkommen erhoben und einbe- Fläche von mindestens 1.500 m² be- men oft eine Wirksamkeit zugespro- zogen wurden und der Artenschutz decken (LANUV o. J.). Kritiker ha- chen, die sie bei realistischer Betrach- stärker berücksichtigt wird als vor 30 ben Zweifel, ob diese Erfassung je- tung nicht erreichen können. Vor al- Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021 11
lem aber erfolgt die Realisierung der Kompensationsmaßnahmen vielfach gar nicht, nur unvollständig, in mo- difizierter Form, unter Missachtung zeitlicher Fristen oder die Maßnah- men werden nicht dauerhaft erhal- ten, sofern entsprechende Kontrollen überhaupt stattfinden. Die Ermittlung und die Kompensa- tion von Eingriffsfolgen im Projekt- gebiet war und ist in vielen Fällen eher regelmäßig als ausnahmsweise beispielsweise mit folgenden Män- geln behaftet; diese gelten für arten- schutzrechtlich veranlasste Maßnah- men (z. B. vorgezogene Ausgleichs- maßnahmen im Sinne von § 44 Abs. 5 BNatSchG, s. Abschnitt 4.2.3) ent- sprechend: – Die Bedeutung von Flächen als Brut- oder Nahrungshabitat des Abbildung 11: Eine respektable Kompensationsmaßnahme – könnte man meinen. Immerhin wur- den ein paar Obstbäume gepflanzt und in einem alten Baum eine Nisthilfe angebracht; aller- Steinkauzes wird verkannt oder un- dings in nächster Nähe zu einer vielbefahrenen Bundesstraße mit den vorhersehbaren Folgen. terschätzt. Hier wird den Käuzen kein neuer Lebensraum geboten, sondern eine ökologische Falle gestellt – Für die Kompensation ausgewähl- (Foto: D. Siehoff) te Flächen sind bereits vom Stein- kauz besiedelt, zu klein oder auf- reichen der Kompensationsziele bereiteten Gemeinden im Kreis Dü- grund ihrer Lage ungeeignet (z. (hier der Ansiedlung oder des Re- ren die Habitate von etwa 23 % der B. an waldnahen oder von Men- produktionserfolgs des Steinkau- ihnen bekannten 115 Steinkauzvor- schen stark frequentierten Stand- zes); im Falle verfehlter Kompen- kommen für eine Bebauung vor, ohne orten oder im Einwirkungsbereich sationsziele fehlt es an Nachbesse- den Anforderungen der Eingriffsrege- von Straßen oder zu weit von den zu rungsverpflichtungen. lung auch nur ansatzweise zu genügen erhaltenden Brutvorkommen ent- Positiv zu bewerten ist immerhin, (Breuer 1998). fernt; Abb. 11). dass Anpflanzungen ab 500 m², die Die Eingriffsregelung gilt allerdings – Gepflanzte Bäume sind standört- als Ausgleichs- und Ersatzmaßnah- längst nicht für alle Bebauungsplä- lich oder nach Art, Größe oder Ha- men nach § 15 Abs. 2 BNatSchG fest- ne und Bauvorhaben. Der Gesetzge- bitus ungeeignet. gesetzt wurden und im Kompensati- ber hat nämlich den unbeplanten In- – Es fehlt den Bäumen an einer an- onsflächenverzeichnis nach § 34 Abs. nenbereich im Sinne von § 34 BauGB gemessenen Verankerung, an Ver- 1 Satz 1 LNatSchG NRW zu erfassen sowie „Bebauungspläne der Innenent- bissschutz und Entwicklungs- sind, nach § 39 LNatSchG NRW ge- wicklung“ (§ 13 a BauGB) dauerhaft pflege; witterungs-, bewirtschaf- setzlich geschützte Landschaftsbe- und die „Einbeziehung von Außen- tungs- oder Vandalismus bedingte standteile sind. Diese Bestimmung bereichsflächen in das beschleunigte Baumverluste werden nicht ersetzt. kann dazu beitragen, dass diese An- Verfahren“ (§ 13 b BauGB) befristet – Eine Beweidung oder eine ande- pflanzungen, beispielsweise solche vom Ausgleichsgebot ausgenommen, re geeignete Bewirtschaftung wird mit Bedeutung für den Steinkauz- wenn diese Pläne bestimmte Flächen- nicht vorgesehen oder eine solche schutz, eher auf Dauer erhalten blei- größen nicht überschreiten. Der Ent- kommt nicht zustande (z. B. weil ben oder nicht ersatzlos untergehen. wurf des „Baulandmobilisierungsge- es an einer Einzäunung fehlt), so Der größte Teil des Flächenverbrauchs setzes“ des Bundesministeriums des dass die Flächen für den Steinkauz und insoweit auch von Brut- und Nah- Innern, für Bau und Heimat (Stand nicht oder nur eingeschränkt nutz- rungshabitaten des Steinkauzes voll- 09.06.2020) sieht eine Verlängerung bar sind. Mähtermine werden nicht zieht sich jedoch in der Bauleitpla- der Frist um weitere drei Jahre vor. hinreichend an die Erfordernisse nung. Ausgerechnet dort besteht keine Knapp die Hälfte der 394 im Projekt- des Steinkauzschutzes angepasst strikte Rechtspflicht zur Kompensati- gebiet im Jahr 2020 besiedelten Re- oder diese werden nicht eingehal- on, vielmehr ist über die Bewältigung viere liegt aber in diesen Bereichen. ten. der Folgen der in Flächennutzungs- Einer Inanspruchnahme für Bebau- – Nisthilfen werden an ungeeigneten plänen dargestellten und in Bebau- ungszwecke sind allerdings Grenzen Stellen, falsch oder ohne Einstreu ungsplänen festgesetzten Eingrif- gesetzt, wo es sich um naturschutz- angebracht. fe in der Abwägung nach § 1 a Bau- rechtlich besonders geschützte Gebie- – Die Maßnahmen werden nicht oder gesetzbuch (BauGB) zu entscheiden. te handelt. Der Anteil von Revieren mit erheblichem zeitlichem Verzug, Das Ausmaß der hierbei auftretenden in solchen Bereichen ist, wie in Ab- teils erst nach Jahren realisiert. Abwägungsmängel belegen beispiels- schnitt 4.2.1 dargelegt, erfreulicher- – Die Maßnahmen werden besten- weise die Untersuchungen der EGE weise hoch. falls daraufhin kontrolliert, ob sie im Projektgebiet: In drei nach 1993 Im Übrigen bleiben im Falle von Be- erfolgt sind, nicht aber auf das Er- aufgestellten Flächennutzungsplänen bauungsplänen und bei Bauvorhaben 12 Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021
die mit ihnen verbundenen erhebli- der Ausnahme nicht verschlechtert. Nach der ab 1998 von der EGE po- chen Beeinträchtigungen von Stein- Dieses sind allerdings hohe Zulas- litisiert vorgetragenen Kritik an den kauzlebensräumen, sofern nicht zu- sungshürden. Flächennutzungsplänen von Ge- gleich artenschutzrechtliche Verbo- – Die vorstehend genannten arten- meinden im Projektgebiet der EGE te des § 44 Abs. 1 BNatSchG verletzt schutzrechtlichen Zulassungsgren- (Breuer 1998) und insbesondere mit werden, unbewältigt, d. h. unberück- zen sind umkämpft wie kaum ande- dem Bedeutungszuwachs des Arten- sichtigt und kompensationslos. Das re naturschutzrechtliche Grenzen. schutzrechts nach der „Kleinen Ar- gilt beispielsweise für die bloße Inan- An ihr messen sich darauf spezi- tenschutznovelle“ des BNatSchG des spruchnahme von Nahrungshabita- alisierte Gutachter mit der Natur- Jahres 2007 ist die Aufmerksamkeit ten, die nicht zugleich die Fortpflan- schutzverwaltung, die mit dem ge- für den Schutz des Steinkauzes ge- zungs- oder Ruhestätten des Stein- samten Spektrum naturschutzkri- wachsen. Heute wird der EGE nicht kauzes zerstört oder beschädigt. tischer Nutzungen und Interessen mehr wie im Januar 2005 von einem konfrontiert ist. Sie unterliegt in Bürgermeister unter Beifall des spä- 4.2.3 Unzureichende Anwendung dieser Auseinandersetzung leicht teren nordrhein-westfälischen Mi- der artenschutzrechtlichen schon wegen der geringen perso- nisterpräsidenten Dr. Jürgen Rütt- Schädigungs- und Störungs- nellen und finanziellen Ressour- gers vorgeworfen, sie verhindere mit verbote cen, die oft keine Begegnung mit „Phantomsteinkäuzen“ neue Wohnge- Zumal angesichts des beschränkten der anderen Seite „auf Augenhö- biete (Dürener Nachrichten 2005 Anwendungsbereichs und der Voll- he“ erlaubt. So wird eine signifi- und EGE 2005). Allerdings haben zugsschwächen der Eingriffsrege- kante Erhöhung des Tötungsrisikos einige Grundstückseigentümer am lung ist der Steinkauz umso mehr auf infolge von Straßenbauverfahren Steinkauz auf ihrem Eigentum kein die Anwendung des besonderen Ar- oder eine Verschlechterung des Er- Interesse mehr, seitdem die Auswei- tenschutzrechts angewiesen, welches haltungszustandes der lokalen Po- sung von Baugebieten an der Exis- aber seinerseits eingeschränkt und pulation infolge des Verlustes von tenz von Steinkäuzen scheitern kann. mit Schwierigkeiten konfrontiert ist Nahrungshabitaten häufig infra- Der EGE wird deshalb die Erlaubnis (Breuer 2016a): ge gestellt, Vorkehrungen zur Ver- zum Aufhängen von Nisthilfen häufi- – Die artenschutzrechtlichen Verbo- meidung von Schädigungen oder ger als früher versagt. Wo Baugebie- te gelten im Falle von Bauvorha- vorgezogenen Ausgleichsmaßnah- te geplant oder erhofft werden, ver- ben und haben in der Bauleitpla- men eine Wirksamkeit zugespro- schwinden bisweilen die Nisthilfen nung aufgrund der Bestimmun- chen, die unbelegt ist oder auf un- über Nacht und die Bäume dazu. gen des § 44 Abs. 5 BNatSchG nur realistischen Prognosen beruht. Da- Dabei gelingt es längst nicht in al- Bedeutung, sofern sich mit der ge- bei wäre es bereits ein Fortschritt, len Fällen, Steinkauzlebensräume planten Nutzung das Tötungsrisiko würden die Anforderungen beach- vor Bebauung zu schützen (Abb. 12). für Steinkäuze signifikant erhöht tet, welche das nordrhein-westfäli- Oft kann nur eine Kompensation der oder sich der Erhaltungszustand sche Ministerium für Klimaschutz, Eingriffsfolgen erreicht werden. Und der lokalen Population verschlech- Umwelt, Landwirtschaft, Natur- auch dies nur mit der permanenten tert oder Brutplätze oder Tagesver- und Verbraucherschutz in dem Intervention von Naturschutzvereini- stecke des Steinkauzes beschädigt „Leitfaden Wirksamkeit von Arten- gungen, ihrer rollenverteilten Zusam- oder zerstört werden. schutzmaßnahmen für die Berück- menarbeit mit den Naturschutzbehör- – Ein Verstoß gegen das Verbot, sichtigung artenschutzrechtlich er- den sowie flankierender Öffentlich- Brutplätze oder Tagesverstecke forderlicher Maßnahmen“ bezogen keitsarbeit über den gesamten Prozess des Steinkauzes zu zerstören, liegt auf den Steinkauz etwa hinsichtlich der Bauleitplanung bis hin zur Aus- nicht vor, wenn deren Funktion – Standort, Größenordnung, Funk- führung, Pflege und Gewährleistung etwa nach Durchführung von vor- tionssicherung, Gewährleistung, von Kompensationsmaßnahmen. gezogenen Ausgleichsmaßnah- Prognosesicherheit, Risikomanage- Immerhin erfasst das Schädigungsver- men – im räumlichen Zusammen- ment und Monitoring solcher Maß- bot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG hang weiterhin erfüllt wird. Ist dies nahmen formuliert hat (MKULNV aber Verbiss bedingte Zerstörungen nicht gewährleistet, das Tötungsri- 2013). und Beschädigungen von Bäumen mit siko signifikant erhöht oder droht Dass die Schädigungs- und Störungs- Bruthöhlen und Tagesverstecken des die Verschlechterung des Erhal- verbote überhaupt für Eingriffe sowie Steinkauzes. Grundbesitzer und Tier- tungszustandes der lokalen Popula- für Vorhaben in Gebieten mit Bebau- halter sind verpflichtet, die Bäume tion, darf das Vorhaben nur zuge- ungsplänen nach § 30 BauGB, wäh- vor Schälschäden zu schützen. Diese lassen werden, wenn die Ausnah- rend der Planaufstellung nach § 33 Rechtsauffassung hat das nordrhein- mevoraussetzungen des § 45 Abs. 7 BauGB und im Innenbereich nach § westfälische Umweltministerium 2007 BNatSchG vorliegen. D. h., die Ver- 34 BauGB gelten, verdankt sich der gegenüber der EGE bestätigt (MUN- bote können nur überwunden wer- „Kleinen Artenschutzrechtsnovelle“ LV 2007). Insofern ließe sich mit der den, wenn zwingende Gründe des von 2007, die nach der ein Jahr zu- Mitteilung und Ahndung solcher Ver- überwiegenden öffentlichen Inte- vor erfolgten Verurteilung Deutsch- stöße etwas erreichen; allerdings setzt resses einschließlich sozialer oder lands vor dem Europäischen Ge- dies zum einen die Meldebereitschaft wirtschaftlicher Art vorliegen, zu- richtshof notwendig geworden war, der Naturschutzvereinigungen und mutbare Alternativen nicht gege- weil Deutschland das Artenschutz- zum anderen die Konfliktfähigkeit ben sind und sich der Erhaltungszu- recht stärker beschränkt hatte, als das von Naturschutzbehörden voraus, sol- stand der Populationen der Art trotz Unionsrecht erlaubt. chen Meldungen nachzugehen. Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021 13
4.2.4 Rechtliche Sonderstellung der Landwirtschaft Die Landwirtschaft nimmt gegenüber anderen Natur und Landschaft beein- trächtigenden Nutzungen eine Son- derstellung ein. Ihre Produktionswei- sen hat der Gesetzgeber von natur- und artenschutzrechtlichen Beschränkun- gen weitgehend ausgenommen. Zu- dem sind agrarisch genutzte Flächen kaum Bestandteil von Schutzgebieten oder die Schutzgebietsverordnungen treffen gegenüber der landwirtschaft- lichen Nutzung keine ausreichenden Regelungen. Beschränkungen der landwirtschaftlichen Bodennutzung in Schutzgebieten würden zwar nicht in jedem Fall Entschädigungsansprü- che auslösen, bei den staatlichen Stel- len ist aber eine generelle Zurückhal- Abbildung 12: Ein skandalöser Fall im Frühjahr 2020: Im Steinkauzhabitat entsteht in der Brutzeit auf der buchstäblich grünen Wiese ein neues Baugebiet. Die Nisthilfe, in der bisher Steinkäuze tung spürbar, die landwirtschaftliche gebrütet haben, befindet sich in dem Baum rechts des Wirtschaftsweges. Zuvor sind für den rei- Bodennutzung zu reglementieren. bungslosen Baustellenverkehr etwa ein Drittel der Äste dieses Baumes abgesägt worden. Zu einer Aufgrund dieser Umstände ist das für erfolgreichen Brut kam es erwartungsgemäß nicht mehr (Foto: D. Siehoff) den Steinkauz wichtige Dauergrün- land nur bedingt vor einer Nutzungs- ders entschieden wird. Das zeigt sich noch vor Einführung der naturschutz- intensivierung geschützt. beispielsweise in Defiziten bei der rechtlichen Verbandsbeteiligung da- Die Durchführung von Artenschutz- Anwendung naturschutz- und arten- mals der Gesellschaft Rheinischer maßnahmen auf agrarisch genutzten schutzrechtlicher Vorschriften wie im Ornithologen (GRO) in Flurbereini- Flächen ist von der Kooperationsbe- Projektgebiet vielfach belegt werden gungsverfahren gewährten Mitwir- reitschaft der landwirtschaftlichen kann. Umso wichtiger ist es, die ver- kungsrechte genutzt, um die Zerstö- Unternehmen abhängig, ohne die- bleibenden Möglichkeiten zu erken- rung von Steinkauzhabitaten in die- se dazu verpflichten zu können. Für nen und im Interesse der Sache zu nut- sen Verfahren abzuwehren (Breuer die Akzeptanz der Grundeigentümer zen. Dabei ist es von Vorteil, sich in 1983). muss gezahlt werden. Die Zahlungen die Lage des jeweils anderen hinein- An die in diesem Zusammenhang ge- müssen mit den bei einer auflagen- zuversetzen. Ein fachlicher Austausch wonnenen Kenntnisse und Erfahrun- freien Bewirtschaftung erzielbaren zwischen Naturschutzbehörden und gen knüpfte das Steinkauzprojekt der Preisen für Nahrungsmittel, Rohstof- -vereinigungen sollte unter allen Um- 1990 in diesem Raum als Nachfolge- fe oder Strom aus erneuerbaren Ener- ständen gewährleistet sein und Verbin- organisation der Aktion zur Wieder- gien konkurrieren. Die von der öf- dungen nicht abgebrochen werden. In einbürgerung des Uhus (AzWU) ge- fentlichen Hand für Naturschutz im dieser Hinsicht ist die Zusammenar- gründeten Gesellschaft zur Erhaltung Agrarraum bereitgestellten Mittel ge- beit verbesserungsbedürftig. Das setzt der Eulen (EGE) – nicht zuletzt auch nügen weder für eine Trendumkehr allerdings eine wechselseitige Bereit- personell – an. Seitdem bemüht sich noch um weitere Biodiversitätsverlus- schaft zur Zusammenarbeit voraus. die EGE, die für Steinkäuze beste- te stoppen zu können. Das gilt insbe- henden Gefährdungs- und Verlustur- sondere für die Neuanlage und Pfle- sachen zu erkennen und zu begren- ge von Streuobstbeständen und Bio- 5. Schutzbemühungen zen. Wenngleich der vorliegende Bei- toptypen des Grünlandes. trag in der Hauptsache lediglich den Bemühungen zum Schutz des Stein- Bestand und den Schutz des Stein- 4.2.5 Unzureichende Zusammen- kauzes gibt es im Projektgebiet der kauzes in der letzten Dekade betrach- arbeit zwischen Naturschutz- EGE seit den 1970er Jahren. Diese tet, stehen diese Bemühungen in dem behörden und Naturschutz- Bemühungen gehen teilweise auf die Kontext eines über ein halbes Jahr- vereinigungen Nominierung des Steinkauzes zum hundert lang betriebenen Steinkauz- Der Schutz des Steinkauzes erfor- Vogel des Jahres 1972 zurück; der schutzes. dert die arbeitsteilige Zusammenar- zweiten Vogelart in der 1970 vom da- Die Herausforderungen sind heute beit zwischen Naturschutzbehörden maligen Deutschen Bund für Vogel- keinesfalls geringer als damals. Die und Naturschutzvereinigungen. Da- schutz (DBV) begonnenen Reihe die- Gefährdung von Steinkauzlebens- ran fehlt es nicht selten deshalb, weil ser Nominierungen. Seitdem wurden räumen hält an, wenngleich sich die Politik und Wirtschaft von den Perso- in diesem Raum systematisch Stein- rechtlichen Bedingungen des Stein- nen in den Naturschutzbehörden bis- kauzvorkommen erfasst, in geeig- kauzschutzes (allerdings hinsichtlich weilen anderes oder gegenteiliges er- neten Lebensräumen Steinkauznist- des Schutzes von Streuobstbeständen warten als den Schutz von Natur und röhren nach dem 1969 von Ludwig am wenigsten in NRW) verbessert ha- Landschaft, diesen Erwartungen nach- Schwarzenberg (1913-2001) ent- ben. Die im Steinkauzschutz verfolg- gegeben oder einfach „von oben“ an- wickelten Modell angebracht und die ten Strategien und angewandten Me- 14 Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021
600. Darin finden 95 % der bekann- ten Bruten statt. In NRW liegt der An- teil der Bruten in Nisthilfen bei ca. 45 % (Franke & Jöbges 2018b). Die Nisthilfen werden mit Zustim- mung der Grundeigentümer nach Möglichkeit auf einem Ast ange- bracht, so dass von dort aus nicht flügge Jungvögel in die schützende Nisthilfe zurückkehren können. Die meisten Nisthilfen haben einen Mar- derschutz, der allerdings wie Mar- dernachweise belegen keinen absolu- ten Schutz gewährleistet und Wiesel nicht abhält. Metallmanschetten um die Baumstämme hindern Marder zwar am Heraufklettern, allerdings auch noch nicht flugfähige auf den Abbildung 13: Doris Siehoff und Klaus Frankenberg nach der Beringung junger Steinkäu- Boden gelangte Steinkäuze. Zudem ze. Der Vorentwurf des neuen Flächennutzungsplanes aus dem Jahr 2020 sieht hier anstelle der jetzigen landwirtschaftlichen Nutzung ein Hotel, Grünflächen und einen Golfplatz vor (Foto: A. können die Metallmanschetten die Schumacher) Bäume schädigen. Daher werden die- se in der Regel nicht verwendet. Die thoden sind keine prinzipiell anderen Nichtbesiedlung geschlossen werden. Nisthilfen werden entweder von Mit- als zu Beginn des Steinkauzschut- Im Kreis Euskirchen beschränkt sich arbeitern der EGE oder nach Maßga- zes. Die Aufwendungen sind aber un- die Frühjahrserfassung seit dem Jahr be der EGE von Personen in sozialen gleich höher als damals. Beispielswei- 2011 auf Kontrollen der Steinkauz- Einrichtungen gefertigt. Eine seitli- se umfasst in der EGE das Steinkauz- nisthilfen ab März. In beiden Krei- che Öffnung erleichtert die Reinigung monitoring, die Bereitstellung und sen werden alle Nisthilfen von April und vermindert Störungen bei der Be- Wartung von Nisthilfen, die Pflege bis Juli kontrolliert und möglichst alle ringung. Die Nisthilfen werden von von Obstbäumen, die Öffentlichkeits- Jungvögel beringt (Abb. 13). Beringt der EGE im Herbst/Winter gewartet, arbeit und die Wahrnehmung von Be- werden auch die bei den Kontrollen repariert, ausgetauscht oder ggf. um- teiligungsrechten an Planungen in den angetroffenen unberingten Altvögel; gehängt. Dabei werden auch Hinter- Kreisen Düren und Euskirchen jähr- die Ringdaten beringter Altkäuze lassenschaften anderer Nistkastenbe- lich etwa 3.000 Arbeitsstunden und werden registriert. Alle Beringungs- wohner, z.B. Mäuse, Stare, Meisen, eine Fahrleistung von 8.000 km. Zu daten werden der Vogelwarte Helgo- Hornissen, Wespen, entfernt. Allein diesen Bemühungen zählen: land gemeldet. für Wartung, Reparatur, Austausch Eine Darstellung der in den letzten und Neubau von Nisthilfen wendet die 5.1 Jährliches Bestandsmonitoring Jahrzehnten in diesem Zusammen- EGE jährlich 525 Stunden auf. Seit 2010 umfasst das jährliche Be- hang gewonnenen Daten beispiels- standsmonitoring im Kreis Düren die weise über Wiederfunde sowie Zu- 5.3 Verbesserung und Pflege von von zwei Personen durchgeführte Er- und Abwanderung von Individuen Steinkauzhabitaten fassung von Steinkauzvorkommen in (z. B. nach oder aus Baden-Württem- Zum Schutz des Steinkauzes bedarf der Zeit von Ende Februar bis Mitte berg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Bel- es der Erhaltung, Entwicklung und April mit dem Einsatz von Klangat- gien, den Niederlanden) würde den Pflege von Lebensräumen. Es sol- trappen entsprechend dem Methoden- Rahmen dieses Beitrages überstei- len nach Möglichkeit Bedingungen handbuch von Südbeck et al. 2005. gen; sie soll einem späteren Beitrag erreicht werden, die die Abhängig- In bekannten Revieren beschränkt vorbehalten bleiben. Die Winterkon keit des Steinkauzes von künstlichen sich das Verhören bei Erfolg auf ei- trollen der Nisthilfen erwiesen sich Nisthilfen vermindern. Zu den Leis- nen einmaligen Einsatz. An poten- zur Bestandserfassung als wenig effi- tungen der EGE zählen die Pflanzung tiellen Standorten mit bisher fehlen- zient und wurden deswegen reduziert. und Pflege von Obstbäumen, die Si- dem Nachweis einer Besiedlung er- Im Winter verlagern sich die Revier- cherung der Bäume vor Verbiss so- folgt ein mindestens zweimaliges zentren teilweise in den Bereich der wie Bemühungen zur Etablierung ei- Verhören. Diese Vorgehensweise ent- Siedlungen oder in landwirtschaftli- ner steinkauzgerechten Grünlandbe- spricht den in diesem Gebiet in den che Gebäude. weidung z. B. in den Festsetzungen Jahren 1991 und 2001 von Wilhelm der Landschaftspläne, mit der Ein- Bergerhausen vorgenommenen Er- 5.2 Nisthilfenangebot zäunung von Grünland und der Ver- fassungen. Sie wurde im Interesse Der Steinkauzbestand ist in NRW im mittlung geeigneter Bewirtschafter der Vergleichbarkeit nach dessen Tod hohen Maße von künstlichen Nisthil- (Abb. 14). Im Kreis Euskirchen hat im Jahr 2006 beibehalten. Aufgrund fen abhängig; das gilt um nichts we- die EGE auf diese Weise die Bewei- des Umstandes, dass auf das Abspie- niger im Projektgebiet. Im Jahr 2010 dung von zuvor als Mähgrünland ge- len der Klangattrappe nicht unbedingt hingen dort 452, im Jahr 2016 536 nutzten Flächen von annähernd 22 ha alle Steinkäuze antworten, kann vom solcher Nisthilfen (Franke & Jöb- erreicht. Für Mähgrünland wurde in Ergebnis nicht zuverlässig auf eine ges 2018b). Heute sind es mehr als den Landschaftsplänen des Kreises Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021 15
Düren die Vorverlagerung der Grün- landmahd erreicht. In dem Zeitraum von 2011 bis 2020 haben Mitarbeiter der EGE allein im Kreis Euskirchen ca. 1.250mal Obstbäume geschnitten mit einem durchschnittlichen Aufwand von 2 Arbeitsstunden je Baum. Das ent- spricht 250 Stunden pro Jahr. Die hierfür notwendige Qualifizierung haben die Mitarbeiter eigens erwor- ben. Eine Neubegründung von Streu- obstbeständen erreicht die EGE nur in einem geringen Umfang. Als Al- ternative zu pf legeaufwändigen Obstbaumpflanzungen empfiehlt die EGE die Pflanzung von einzelnen Laubbäumen wie Eiche und Linde auf Grünland, die sich für die Befes- tigung einer Röhre frühzeitig eignen und langfristig natürliche Höhlen Abbildung 14: Investition in die Zukunft des Steinkauzes: Eingezäuntes Weidegrünland und vor ausbilden können und insoweit die Verbiss geschützte Obstbäume am 10.05.2013 in Geich im Kreis Euskirchen (Foto: P.J. Müller) Rolle von Obstbäumen und Nisthil- fen ergänzen oder ersetzen. Die bisherigen Anstrengungen aller Akteure im Streuobstwiesenschutz wiegen die Lebensraumverluste im Projektgebiet bei weitem nicht auf. Die Perspektive dieses Lebensraum- typs ist auch im Projektgebiet, wie von Dierichs & Weddeling (2018) für den benachbarten Rhein-Sieg- Kreis beschrieben, dramatisch nega- tiv. Vergleichsweise leicht ist es hin- gegen, Weidetierhalter vom Einsatz im Handel erhältlicher Vorrichtungen zu überzeugen, welche Steinkäuzen ein Herausklettern ermöglichen und sie so vor dem Ertrinken in Viehträn- ken schützen. Abbildung 15: Nideggen-Berg war 2018 im vierten Jahr in Folge das Dorf im Kreis Düren, in dem 5.4 Öffentlichkeitsarbeit die meisten Steinkäuze flügge wurden. Um das Engagement der Bürger des Ortes zu würdigen Die EGE betreibt eine systemati- und als Ansporn für die kommenden Jahre hat die EGE den Ort als erstes „Steinkauz freundli- sche Öffentlichkeitsarbeit. Diese um- ches Dorf“ im Kreis Düren ausgezeichnet. In einer Feierstunde überreichte Doris Siehoff (3. von fasst neben allgemeinen und projekt- rechts) dem Ortsvorsteher Manfred Hurtz (mit Plakette) im Beisein von Bürgermeister Marco gebietsbezogenen Informationen auf Schmunkamp (mit Nisthilfe) die Auszeichnung. Rechts unten im Bild ist ein Korb zu sehen, der in Viehtränken eingehängt Steinkäuze vor dem Ertrinken retten kann (Foto: U. Bergrath) der Website der EGE http://www.ege- eulen.de egeeulen.de/files/ 7_rollups_stein- 5.5 Wahrnehmen von Beteiligungs- – anlassbezogene Presseinformatio- kauz.pdf) rechten in Zulassungsverfahren nen, – die kreisweite Verleihung der Aus- für Eingriffe sowie an Aufstel- – Vortragsveranstaltungen sowie Ex- zeichnung „Steinkauz freundliches lungsverfahren von Flächen- kursionen in Steinkauzhabitate Dorf“ (seit 2018) an Ortschaften, nutzungs- und Bebauungsplä- zur Umweltbildung mit aus Arten- die sich um den Schutz des Stein- nen sowie Landschaftsplänen schutzgründen begrenzter Zahl teil- kauzes besonders verdient gemacht Außerordentlich intensiv beteiligt nehmender Personen, haben (Abb. 15), sich die EGE, teils in Verbindung mit – die Vergabe von Steinkauz-Paten- – den Einsatz weiterer Werbeträ- den Kreisgruppen von BUND und schaften (seit 2010) (http://egeeu- ger wie das EGE-Kinderbuch „Wo NABU, an den Zulassungsverfahren len.de/inhalt/patenschaften.php) die Eule schläft. Abenteuer Natur- für Eingriffe (z. B. landwirtschaftli- – den Einsatz der EGE-Ausstel- schutz“ und Adventkalender zum che Bauten im Außenbereich, Neu- lung „Den Steinkauz im Dorf las- Steinkauzschutz (beides seit 2015). und Ausbau von Straßen) sowie an sen“, insbesondere in Rathäusern, den Verfahren für die Aufstellung und Sparkassen und Einrichtungen der Änderung von Flächennutzungs- und Landwirtschaft (seit 2015) (http:// Bebauungsplänen. Die Bedeutung 16 Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021
Sie können auch lesen