Bestand und Schutz des Steinkauzes Athene noctua Scopoli 1769 in den nordrhein-westfälischen Kreisen Düren und Euskirchen in den Jahren 2011 bis ...

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Eulenschutz

Bestand und Schutz des Steinkauzes Athene noctua Scopoli 1769 in den nordrhein-
westfälischen Kreisen Düren und Euskirchen in den Jahren 2011 bis 2020
von Wilhelm Breuer, Lutz Dalbeck, Peter Josef Müller, Rita Edelburg-Müller und Doris Siehoff

1. Vorbemerkung                           mühungen und die in diesem Zusam-        ungefähr 20 % und im Kreis Euskir-
                                          menhang gewonnenen Erfahrungen           chen 10 %, auf die Fluss- und Bach-
Der Steinkauz zählt in Deutschland        sind Gegenstand des folgenden Bei-       auen im Kreis Düren 10 % und im
zu den gefährdeten Brutvogelarten         trages.                                  Kreis Euskirchen 30 %. Rund 70 %
(Grüneberg et al. 2015). Der größ-                                                 des Grünlandes in Steinkauzrevie-
te Teil des deutschen Brutbestandes                                                ren im Kreis Düren wird beweidet;
(7.500 – 8.500 Reviere, Gerlach           2. Lage des Projektgebietes und          im Kreis Euskirchen sind es noch
et al. 2019) befindet sich mit rund          charakteristische Habitate            mehr als 80 %. Dominierende Wei-
5.000 Paaren in Nordrhein-Westfa-                                                  detiere sind Rinder, Pferde und Scha-
len (NRW) (Jöbges & Franke 2018,          Das Projektgebiet umfasst die bei-       fe. An das Projektgebiet schließen im
Franke & Jöbges 2018a). Daher hat         den im Südwesten NRWs gelege-            Westen die Städteregion Aachen, im
dieses Bundesland für den Schutz die-     nen Kreise Düren und Euskirchen          Nordwesten der Kreis Heinsberg, im
ser in Deutschland streng geschützten     (Abb. 1). Das Projektgebiet ist eine     Nordosten der Rhein-Kreis Neuss und
Art eine nationale Verantwortung. In      der von Menschen dicht besiedelten,      im Osten der Rhein-Erft-Kreis und
NRW zählt der Steinkauz zu den ge-        stark erschlossenen und intensiv land-   der Rhein-Sieg-Kreis an. Auch diese
fährdeten Brutvogelarten (Grüne-          wirtschaftlich genutzten Regionen        Gebiete sind vom Steinkauz besiedelt.
berg et al. 2016). Zwischen den Jah-      Deutschlands mit einem überdurch-
ren 2003 und 2016 sank der Bestand        schnittlich hohen Flächenverbrauch
in NRW um rund 800 Paare; das             für Siedlungen, Wirtschaft und Ver-      3. Bestandsentwicklung
entspricht einem Verlust von 14 %         kehr. Hier besiedelt der Steinkauz
(Franke & Jöbges 2018a).                  mit Obstbäumen und anderen Laub-         3.1 Daten vor 2011
Zu den Regionen NRWs, die vom             bäumen bestandenes Grünland in der       Für die Mitte der 1970er Jahre schätzt
Steinkauz noch in relativ hoher Dichte    Jülicher und Zülpicher Börde in der      die EGE den Steinkauzbestand im
besiedelt werden, gehören die Kreise      Niederrheinischen Bucht sowie den        Gebiet der Kreise Düren und Euskir-
Düren und Euskirchen. Im Jahr 2020        hügeligen waldarmen Lagen der an-        chen stichprobengestützt auf 450 Paa-
ermittelte die Gesellschaft zur Erhal-    grenzenden Voreifel bis 420 m über       re. Für das Jahr 1992 gibt sie 330 Paa-
tung der Eulen e. V. (EGE) in diesem      NN. Dieser Lebensraumtyp ist im          re an (Breuer 2008). Das entspricht
Gebiet 394 besiedelte Reviere (Abb. 1).   Bereich der zahlreichen Börde- und       einem Rückgang um 26,7 % bzw. von
Die EGE betreibt im Kreis Düren seit      Voreifeldörfer und an Hofstellen im      jährlich 1,5 %.
dem Jahr 1990 und im Kreis Euskir-        Außenbereich vergleichsweise häu-        Im Kreis Düren ermittelte die EGE
chen seit dem Jahr 2000 ein Projekt       fig und in weitaus geringerem Um-        1991/92 insgesamt 262 territoriale
zum Schutz des Steinkauzes.               fang in den Auen von Rur, Inde, Erft     Steinkauzmännchen, davon 246 in
Hauptverantwortlich für dieses Pro-       und an deren Zuflüssen sowie ande-       oder um Ortschaften und 16 in Auen
jekt sind im Kreis Düren Doris Sie-       ren siedlungsfernen Standorten noch      außerhalb von Siedlungen (Dal-
hoff und im Kreis Euskirchen Pe-          fragmentarisch erhalten. Dieses vom      beck & Hachtel 1999). Im Jahr 2001
ter Josef Müller und Rita Edel-           Steinkauz besiedelte, nachfolgend als    war dort die Zahl auf 223 territoria-
burg-Müller. Das Projekt umfasst          Projektgebiet bezeichnete Gebiet um-     le Männchen gesunken; das entspricht
ein jährliches Bestandsmonitoring         fasst eine zusammenhängende Fläche       einem Rückgang von annähernd 15 %
(einschließlich Beringung), das An-       von etwa 1.000 km². Das entspricht       in zehn Jahren. Im Jahr 2010 stellte D.
bringen und Warten von Nisthilfen,        ungefähr der Hälfte der Fläche der       Siehoff nur noch in 52 % der im Jahr
Verbesserung und Pflege von Stein-        beiden Kreise. Eine Besonderheit stel-   1991 im Kreis Düren besiedelten Re-
kauzhabitaten, Öffentlichkeitsarbeit      len im Kreis Düren die Braunkohleta-     viere Steinkäuze fest.
sowie das Wahrnehmen von Beteili-         gebaue Hambach und Inden dar.            Franke & Jöbges (2018a) geben den
gungsrechten in Zulassungsverfahren       Etwas mehr als die Hälfte der 394 im     Steinkauzbestand für das Gebiet des
für Eingriffe und in Aufstellungsver-     Jahr 2020 besiedelten Reviere liegt      Kreises Düren bezogen auf das Jahr
fahren für Flächennutzungs-, Bebau-       in der Peripherie oder innerhalb von     2003 mit 150 und für das Gebiet des
ungs- und Landschaftspläne.               Ortschaften; die übrigen Reviere be-     Kreises Euskirchen bezogen auf das
Die Bestandsentwicklung des Stein-        finden sich in siedlungsfernen Berei-    Jahr 2000 mit 40 Revieren an, so dass
kauzes in den Jahren 2011 bis 2020        chen (im Kreis Düren 48 %, im Kreis      man für die Zeit um das Jahr 2000 von
in diesem Gebiet, die hier bestehen-      Euskirchen 54 %). Von den siedlungs-     einem Bestand von insgesamt knapp
den Gefährdungsursachen, die zum          fernen Revieren entfallen auf das Um-    200 Revieren für die beiden Kreise
Schutz der Art unternommenen Be-          feld von Hofstellen im Kreis Düren       ausgehen kann. Im Jahr 2008 wurden

4                                                                                  Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021
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Abbildung 1: Die nordrhein-westfälischen Kreise Düren und Euskirchen. Waldflächen sind grün, landwirtschaftliche
Flächen hellbraun, Siedlungs- und Verkehrsflächen grau, Wasserflächen blau, Tagebaue und sonstige Flächen weiß dar-
gestellt. Rote Punkte markieren im Jahr 2020 festgestellte Steinkauzreviere.

Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021                                                                           5
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im Projektgebiet nur noch 169 besie-
                                           Jahr              1975*           1992*          um 2000              2008               2010
delte Reviere festgestellt. Erst ab dem
Jahr 2010 lag die Anzahl der besiedel-     Besiedelte
                                                               450            330                 200            169                205
ten Reviere im Projektgebiet wieder        Reviere
über 200 (Tab. 1).                        * geschätzt

3.2 Daten aus den Jahren 2011 bis         Tabelle 1: Bestand des Steinkauzes im Projektgebiet der EGE in den Jahren 1975, 1992, um das
                                          Jahr 2000 und in den Jahren 2008 und 2010.
    2020
Im Zeitraum 2011 bis 2020 stieg die
Zahl der besiedelten Reviere signifi-      Jahr                      2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
kant um 66 % von 237 auf 394 (Abb.         Besiedelte Reviere        237 251 238 245 287 329 324 337 352 394
2; Spearman r = 0,952; p
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Abbildung 3: Ortsrand mit obstbaumbestandenem Grünland; hier brü-
                                                                         ten Steinkäuze mindestens seit den 1980er Jahren sehr erfolgreich. Eine
                                                                         Bebauung des Bereichs konnte bisher abgewendet werden. Nun sollen
Abbildung 2: Bestandsentwicklung des Steinkauzes im Projektgebiet        die „Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwick-
(DN + EU) in den Jahren 2010 bis 2020 (DN=Kreis Düren, EU=Kreis          lung von Boden, Natur und Landschaft“ im neuen Flächennutzungsplan
Euskirchen)                                                              dargestellt werden (Foto: D. Siehoff)

Abbildungen 4 und 5: Hambach – ein Dorf im Projektgebiet der EGE, links im Mai 1975. Damals lebten dort zehn Steinkauzpaare in den Streuobst-
beständen rund um den Ort. Die rechte Aufnahme zeigt dieselbe Situation 40 Jahre später im März 2014. Das neueste Baugebiet grenzt unvermit-
telt an den Außenbereich. Die im Bebauungsplan festgesetzte Eingrünung des neuen Baugebiets steht nur auf dem Papier. Statt wie verlangt Bäume
und Büsche zu pflanzen, haben die Hausbesitzer an der Grenze zum Außenbereich Mauern und hohe Zäune errichtet. Zweien der drei am Ort ver-
bliebenen Steinkauzreviere droht die Bebauung, sollten sich die Überlegungen für die Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes durchsetzen (Fo-
tos: W. Breuer)

im Kreis Düren: Der Plan sieht 71 ha            Braunkohlerevier in der Niederrhei-               sterbens in keinerlei Weise. Stattdes-
neue Wohnbauflächen und 30 ha neue              nischen Bucht ein massiver Struktur-              sen nehmen Wirtschaftsförderung,
gewerbliche Bauflächen vor (Gemein-             wandel ab. Dieser wird für die Stein-             der Ausbau der Infrastruktur und die
de Niederzier 2018). Das sind 1,6 %             käuze der Region nicht folgenlos blei-            Ertragsmaximierung auf land- und
des Gemeindegebietes. Davon sind                ben. Mit einem Sofort-Programm und                forstwirtschaftlichen Flächen wesent-
fünf von neun im Jahr 2020 besiedel-            dem „Strukturstärkungsgesetz für                  lichen Raum ein. Das sind für den Er-
ten Steinkauzrevieren betroffen.                die Braunkohleregionen“ des Bundes                halt der Kulturlandschaft und ihrer
                                                wird dieser Strukturwandel mit Mil-               Artenvielfalt düstere Aussichten.
4.1.2 Braunkohletagebaue                        liardenbeträgen subventioniert. Die               Im Projektgebiet der EGE wird sich
Seit den 1990er Jahren sind im Kreis            bisherigen Planungen spiegeln sich                mit den dort zu erwartenden Investi-
Düren infolge des Tagebaus Inden                im „Wirtschafts- und Strukturpro-                 tionen für die Ansiedlung von Wohn-
mindestens zehn Steinkauzreviere er-            gramm für das Rheinische Zukunfts-                bevölkerung, Industrie und Gewer-
satzlos zerstört worden; weitere fünf           revier 1.0“ (WSP 1.0) wider, das für              be, für touristische Projekte und den
wurden bis 2013 ohne angemessene                sich den Anspruch erhebt, eine Mo-                Aus- und Neubau von Straßen zur
Kompensation abgebaut. Mit dem ge-              dellregion der Zukunft zu werden                  Kompensation der wirtschaftlichen
planten vorzeitigen Ende des Tage-              (Zukunftsagentur Rheinisches                      und sozialen Auswirkungen des Aus-
baus Hambach bleibt ein Steinkauz-              Revier 2020). Ein Umdenken vor                    stiegs aus der Braunkohlewirtschaft
revier vom Abbau verschont.                     dem Hintergrund der sich verschär-                der Druck auf Steinkauzvorkommen
Mit dem Beschluss der Bundesregie-              fenden Biodiversitätskrise ist darin              sowohl an Siedlungsrändern als auch
rung, die Braunkohleverstromung                 indessen nicht zu erkennen. Das WSP               im Außenbereich verstärken. Die An-
aufzugeben, zeichnet sich für das               adressiert die Problematik des Arten-             zahl der davon betroffenen Reviere

Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021                                                                                                        7
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kann derzeit nicht abgeschätzt wer-
den; sie dürfte sich vermutlich in ei-
nem nicht geringen zweistelligen Be-
reich bewegen.

4.1.3 Bauvorhaben im Außenbe-
       reich
Steinkauzhabitate im Umfeld von
landwirtschaftlichen Betrieben im
Außenbereich sind von dort baurecht-
lich privilegierten Bauvorhaben be-
droht. Bis in die jüngste Vergangen-
heit sind Steinkauzvorkommen für
solche Bauvorhaben trotz der auf die-
se Vorhaben anzuwendenden natur-
schutzrechtlichen Eingriffsregelung
und der artenschutzrechtlichen Schä-
digungs- und Störungsverbote zerstört
oder erheblich beeinträchtigt worden,
teils auch in naturschutzrechtlich be-
sonders geschützten Gebieten.            Abbildung 6: Eines von zwei Steinkauzweibchen, die im Jahr 2020 im Abstand weniger Wo-
                                         chen auf einem kurzen Streckenabschnitt einer Bundesstraße vom Verkehr erfasst wurden (Foto:
                                         D. Siehoff)
4.1.4 Straßenverkehr
Im Projektgebiet ist eine Vielzahl von
Straßen und Ortsumfahrungen im           digkeitsbegrenzungen dürften kaum              die der Milchkühe um 42 % von
Bau oder geplant, die Brut- und Nah-     durchsetzbar sein; ohne eine Kon­              20.822 auf 12.036. (Statistisches
rungshabitate von Steinkäuzen zer-       trolle werden diese ohnehin kaum be-           Jahrbuch NRW 2001 und 2019). Er-
stören, optisch oder akustisch beein-    achtet.                                        fahrungsgemäß wird ein großer Teil
trächtigen oder durchschneiden. Im       Die EGE registrierte beispielswei-             der verbliebenen Rinderbestände
1.000 m Abstand sind hiervon schät-      se in der Brutzeit des Jahres 2020 im          ohne Weidegang gehalten, und in vie-
zungsweise fünf Prozent der Stein-       Abstand weniger Wochen zwei mit                len Dörfern gibt es überhaupt keine
kauzreviere im Projektgebiet betrof-     Kraftfahrzeugen kollidierte Stein-             Rinder mehr. Diese Entwicklung geht
fen. Mit den Straßen geht eine Er-       kauzweibchen auf einem kurzen Stre-            mit der Aufgabe der Beweidung zu-
höhung der Kollisionsgefahr für          ckenabschnitt einer Bundesstraße in            gunsten von Mähgrünland einher, bis
Steinkäuze einher. Je nach Lage kann     Ortsnähe; eines der beiden Weibchen            zum Inkrafttreten des Grünlandum-
sich das Tötungsrisiko signifikant er-   in einer Tempo-50-Zone (Abb. 6). Die           bruchverbots im Jahr 2011 auch mit
höhen, weil auf ausgebauten Straßen      Jungvögel an dem der Unglücksstel-             einem Verlust von Grünland.
und Ortsumgehungen der Kraftfahr-        le nächstgelegenen Brutplatz wurden            Beweidetes Grünland ist für Stein-
zeugverkehr höhere Geschwindigkei-       später tot aufgefunden. Wie in diesem          käuze jedoch ein wesentlich attrakti-
ten erreicht.                            Fall dürfte der Verlust von Altvögeln          veres Nahrungshabitat, weil es nach
Das Potential von Vorkehrungen zur       im Straßenverkehr die Ursache für              den Erfahrungen der EGE anders als
Vermeidung von Kollisionen soll-         eine Reihe gescheiterter Bruten sein.          Mähgrünland aufgrund des niedrige-
te nicht überschätzt werden. Das gilt    Das Netz der Bundesautobahnen, Bun-            ren Bewuchses kontinuierlich besse-
auch für straßenbegleitende Anpflan-     des-, Landes-, Kreis- und Gemein-              re Jagdbedingungen bietet. Bei einer
zungen, die Käuze von einem Über-        destraßen im Gebiet der Kreise Düren           nicht zeitgerechten Mahd von Grün-
fliegen von Straßen auf der Höhe des     und Euskirchen umfasst rund 4.900              land kommt es häufig zu Nahrungs-
Verkehrs abhalten sollen. Die Wirk-      km. Das entspricht einer Straßenlän-           engpässen, weil Nahrungstiere im ho-
samkeit solcher Maßnahmen ist un-        ge von 2,24 km je km². Das Kollisi-            hen Aufwuchs schwer erreichbar sind
belegt. Die Bepflanzungen benötigen      onsrisiko steigt nicht nur mit der Län-        (Abb. 7, Abb. 8). Infolgedessen wer-
Jahre, um eine mögliche Wirksamkeit      ge des Straßennetzes, sondern auch             den Bruten aufgegeben und Jungvögel
entfalten zu können. Zudem ist eine      mit dem Bestand an Kraftfahrzeugen.            verhungern. Der starke Bestandsrück-
Wirksamkeit im Winterhalbjahr und        Im Kreis Düren beispielsweise stieg            gang des Steinkauzes im Norden des
nach Pflegemaßnahmen wie „Auf-           der Pkw-Bestand zwischen 1987 und              Kreises Düren steht möglicherweise
den-Stock-setzen“ vermindert. Oh-        2018 um 45 %, der Lkw-Bestand um               mit der Aufgabe der Beweidung im
nehin bleiben im Bereich von Zuwe-       mehr als 80 % (Statistisches Jahr-             Zusammenhang. So registrierte die
gungen Durchlässe mit einem hohen        buch NRW 1987 und 2018).                       EGE im Bereich der Topografischen
Kollisionsrisiko. Am ehesten könnte                                                     Karte (1:25.000) 5003 Linnich im Jahr
ein Streckenverlauf im Einschnitt das    4.1.5 Aufgabe der Beweidung                    2001 noch 71 territoriale Steinkauz-
Kollisionsrisiko mindern. Allerdings     In den Kreisen Düren und Euskirchen            männchen (davon allein in dem Dorf
bleibt die Gefahr, dass entlang der      sank im Zeitraum von 2001 bis 2019             Ederen 14). Im selben Gebiet wurden
Fahrbahn attraktive Nahrungshabi-        die Zahl der Rinderhaltungen um 50             im Jahr 2020 nur noch 34 besiedelte
tate mit einem entsprechend erhöhten     % von 1.227 auf 639, die Zahl der Rin-         Reviere festgestellt (in Ederen vier).
Tötungsrisiko entstehen. Geschwin-       der um 20 % von 61.055 auf 48.889,             Die Aufgabe der Beweidung ist in den

8                                                                                        Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021
Bestand und Schutz des Steinkauzes Athene noctua Scopoli 1769 in den nordrhein-westfälischen Kreisen Düren und Euskirchen in den Jahren 2011 bis ...
auch in der angrenzenden Gemein-
                                                                                                  de des benachbarten Naturraums lie-
                                                                                                  gen. Es liegt auf der Hand, dass in
                                                                                                  dem einen wie in dem anderen Fall
                                                                                                  gar keine oder jedenfalls keine lage-
                                                                                                  gerechte Wiederherstellung der vom
                                                                                                  Verlust betroffenen Steinkauzhabita-
                                                                                                  te erreicht wird. Bestenfalls profitie-
                                                                                                  ren von der Neuanlage zufällig andere
                                                                                                  Steinkauzvorkommen. Die Neuanla-
                                                                                                  ge berücksichtigt lediglich die Flä-
                                                                                                  chengröße, aber nicht die eigentlichen
                                                                                                  qualitativen und funktionalen ökolo-
                                                                                                  gischen Einbußen. Dabei ließe sich
                                                                                                  eine angemessene Kompensation mit
                                                                                                  der Anwendung der Eingriffsregelung
                                                                                                  erreichen, denn die Eingriffsregelung
                                                                                                  verlangt die bestmögliche Wiederher-
                                                                                                  stellung der vom Eingriff betroffenen
Abbildung 7: Steinkauzrevier wie im Bilderbuch. Ausgerechnet hier sollte als naturschutzrecht-    Funktionen und Werte der Leistungs-
liche Kompensation für Bau und Betrieb kilometerweit entfernter Windenergieanlagen die Be-        und Funktionsfähigkeit des Natur-
weidung aufgegeben werden und die Fläche der natürlichen Sukzession überlassen werden! Es ist
ein Beispiel für fehlgeleitete Kompensation. Da es an der grundbuchrechtlichen Sicherung die-
                                                                                                  haushalts und des Landschaftsbildes
ser Maßnahme fehlt, erwarb der BUND die Fläche, ließ sie mähen und pflanzte zehn Obstbäume.       und nicht einfach, „irgendwo irgend-
Vielleicht lässt sich auch wieder eine Beweidung einrichten (Foto: D. Siehoff)                    etwas Schönes für Natur und Land-
                                                                                                  schaft“ herzustellen (Breuer 2016b).
                                                                                                  Sind vom Eingriff Steinkauzvorkom-
                                                                                                  men betroffen, kann die Kompensati-
                                                                                                  on gerade nicht fernab der betroffenen
                                                                                                  Reviere erfolgen. Die Kompensati-
                                                                                                  onspraxis von Behörden und Gutach-
                                                                                                  terbüros ist offenkundig von einem
                                                                                                  tiefen Unverständnis geprägt, sofern
                                                                                                  sie die Eingriffsregelung überhaupt
                                                                                                  auf den Grünlandumbruch anwenden.

                                                                                                  4.1.7 Verlust von Obstbäumen
                                                                                                  Der Obstbaumbestand im Projektge-
                                                                                                  biet ist großenteils ungepflegt, über-
                                                                                                  altert, von Trocken- und Schälschä-
                                                                                                  den gekennzeichnet oder von Mis-
                                                                                                  teln geschwächt. Nur ein geringer
                                                                                                  Teil ist jünger als 25 Jahre. Das In-
                                                                                                  teresse an der Erhaltung und Ver-
                                                                                                  mehrung von Obstbäumen ist gering;
Abbildung 8: Zu oft steht zum Zeitpunkt der Jungenaufzucht das Gras hoch auf dem Mähgrünland,     die Pflege ist zumeist nicht gewähr-
so dass die Jagdbedingungen für Steinkäuze dort ungünstig sind und Bruten scheitern. Ein Bild,    leistet. Häufig fehlt es den Bäumen
welches sich wie hier oft zeigt, wenn der Landwirt die Viehhaltung aufgegeben hat oder auch bei   an einem Verbissschutz. Schälschä-
Kompensationsmaßnahmen ohne Steinkauz gerechte Pflege des Grünlandes (Foto: D. Siehoff)           den bringen die Bäume binnen weni-
                                                                                                  ger Jahre zum Absterben. Fehlt den
Dörfern des Nordkreises im Gebiet                40 %. Diese Entwicklung dürfte sich              Bäumen im Sommer das schatten-
der Stadt Linnich augenfällig. Zudem             ähnlich auch im Projektgebiet vollzo-            spendende Laub, werden die Natur-
schreitet aufgrund wachsender Be-                gen haben. Seit dem Jahr 2011 ist der            höhlen und Nisthilfen aufgrund der
wirtschaftungsintensität die biologi-            Umbruch nur zulässig, wenn durch                 unverminderten Sonneneinstrahlung
sche Verarmung des Grünlandes mit                den Antragstellenden sichergestellt              vom Kauz gemieden bzw. unbrauch-
dramatischen Folgen für Anzahl und               ist, dass die umgebrochene Fläche                bar noch bevor die Bäume beseitigt
Menge der Nahrungstiere des Stein-               nach der Genehmigung vollständig                 werden oder umstürzen (Abb. 9, Abb.
kauzes fort.                                     innerhalb desselben Naturraums, in               10). Schälschäden treten insbesondere
                                                 dem die umgebrochene Fläche liegt,               dort auf, wo Pferde das Grünland be-
4.1.6 Grünlandumbruch                            durch neu angelegtes Dauergrünland               weiden. Die Beweidung mit Pferden
In NRW nahm die Dauergrünland-                   ersetzt wird. Liegt die umgebrochene             hat in den letzten Jahren deutlich zu-
fläche zwischen 1977 und 2013 von                Fläche in einer Gemeinde, die an ei-             genommen. Die Situation der Streu-
650.000 auf 400.000 ha ab (LANUV                 nen weiteren Naturraum grenzt, kann              obstwiesen im Projektgebiet ist ähn-
2015). Das ist ein Rückgang um fast              das neu anzulegende Dauergrünland                lich ungünstig, wie von Dierichs &

Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021                                                                                                 9
Bestand und Schutz des Steinkauzes Athene noctua Scopoli 1769 in den nordrhein-westfälischen Kreisen Düren und Euskirchen in den Jahren 2011 bis ...
Weddeling (2018) für den benach-
barten Rhein-Sieg-Kreis beschrie-
ben. Allerdings ist die Wertschätzung
der Streuobstbestände und ihrer Pro-
dukte in den letzten Jahren erkenn-
bar gewachsen. So gibt es eine größe-
re Nachfrage nach dem Saft und einen
vermehrten Einsatz mobiler Saftpres-
sen. Auch nimmt die Zahl der jährlich
über die Biologischen Stationen be-
stellten Obstbäume zu (im Kreis Dü-
ren beispielsweise weit mehr als 200
junge Bäume). Das gewachsene Inte-
resse am Kulturgut Obstbau zeigt sich
auch am hohen Interesse an den an-
gebotenen Fortbildungen zum Obst-
baumwart, so dass inzwischen im ge-
samten Projektgebiet mit der Obst-
baumpflege erfahrene Personen zur
Verfügung stehen.                        Abbildung 9: Eine idealtypische Situation: Junge Steinkäuze in einer Baumhöhle. Ob darin aller-
                                         dings die Bedingungen für junge Steinkäuze so ideal sind wie in künstlichen Nisthilfen, erscheint
                                         fraglich (Foto: A. Schumacher)
4.1.8 Sonstige zivilisatorische Ge-
       fahren
Neben der Kollisionsgefahr an Ver-
kehrswegen sind Steinkäuze einer
Reihe weiterer zivilisatorischer Tö-
tungsrisiken ausgesetzt. Dazu zäh-
len beispielsweise Wasserbehälter
wie offene Viehtränken und Regen-
tonnen, in denen Steinkäuze ertrin-
ken, sowie Kamine, in denen Stein-
käuze umkommen entweder, weil
sie hineinfallen oder gezielt darin
nach einem Tagesversteck oder Brut-
platz suchen. Kaminopfer dürften zu-
meist unentdeckt bleiben und ertrun-
kene Käuze kaum gemeldet werden,
so dass mit einer hohen Dunkelziffer
gerechnet werden muss und die Ver-
luste nicht unterschätzt werden soll-
ten. Auch sind Sekundärvergiftungen
von Steinkäuzen infolge des Einsat-
zes von Rodentiziden anzunehmen
(vgl. Lindner 2020). Dafür sprechen
                                         Abbildung 10: Nach Frühjahrsstürmen im Projektgebiet kein ungewöhnlicher Anblick: Umge-
Totfunde von Käuzen und eine vergif-     stürzter vernachlässigter Obstbaum mit einer Steinkauznisthilfe im März 2019. Die Nisthilfe
tete Hauskatze, die in einem Bereich     wurde rechtzeitig zur beginnenden Brutzeit an einen der wenigen verbliebenen Bäume umge-
mit ausgebrachtem Giftweizen regis-      hängt (Foto: D. Siehoff)
triert wurden.
                                         ner Unterschutzstellung der für die               tur in NRW (Landesnaturschutzge-
4.2 Unzureichender Schutz                Art „zahlen- und flächenmäßig ge-                 setz – LNatSchG NRW) naturschutz-
Steinkäuze sind vor den genannten        eignetsten Gebiete“ als Europäische               rechtlich besonders geschützten Ge-
Gefährdungsursachen insbesondere         Vogelschutzgebiete. In den im Pro-                bieten. Einige wenige dieser Gebiete
aus den folgenden Gründen nur be-        jektgebiet bestehenden Europäischen               sind nur befristet, d. h. nur solange ge-
dingt geschützt:                         Vogelschutzgebieten liegen allenfalls             schützt, bis die Gemeinde hier zuläs-
                                         nur sehr wenige Steinkauzreviere; das             sigerweise Bebauungspläne aufstellt.
4.2.1 Fehlende oder unzureichend         gilt auch für die hier nach der FFH-              Allerdings ist der Anteil Reviere in
      geschützte Schutzgebiete           Richtlinie zu schützenden Fauna-Flo-              den besonders geschützten Bereichen
Der Steinkauz gehört im Unterschied      ra-Habitat-Gebiete.                               im Kreis Euskirchen deutlich geringer
beispielsweise zu Uhu, Sumpfohreu-       Gleichwohl befinden sich 75 % der                 als im Kreis Düren.
le, Raufuß- und Sperlingskauz nicht      394 im Jahr 2020 besiedelten Stein-               In den naturschutzrechtlich besonders
zu den Arten, zu deren Erhaltung Eu-     kauzreviere in nach dem Bundesna-                 geschützten Gebieten ist die Auswei-
ropäische Vogelschutzgebiete einzu-      turschutzgesetz (BNatSchG) oder                   sung neuer Baugebiete, sieht man von
richten sind. Insofern fehlt es an ei-   nach dem Gesetz zum Schutz der Na-                den Fällen des o. g. befristeten Schut-

10                                                                                          Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021
Bestand und Schutz des Steinkauzes Athene noctua Scopoli 1769 in den nordrhein-westfälischen Kreisen Düren und Euskirchen in den Jahren 2011 bis ...
Anzahl der 394 im Jahr 2020 im Projektgebiet besiedelten Steinkauzreviere
                innerhalb von naturschutzrechtlich besonders geschützten Gebieten            außerhalb von naturschutz-
 Naturschutzgebiete      Landschaftsschutz-          Geschützte Landschaftsbestandteile      rechtlich besonders geschützten
 (§ 24 BNatSchG)         gebiete (§ 26 BNatSchG) (§ 29 BNatSchG und § 39 LNatSchG NRW) Gebieten
 25 Reviere / 6 %        157 Reviere / 40 %          113 Reviere / 29 %                      99 Reviere / 25 %
Tabelle 4: Anzahl der 394 im Jahr 2020 im Projektgebiet besiedelten Steinkauzreviere innerhalb und außerhalb naturschutzrechtlich besonders ge-
schützter Gebiete.

zes ab, nicht ohne weiteres möglich;             Jahren. Sind beispielsweise im Gebiet            mals fertiggestellt wird.
der Schutz kann aber überwunden                  des noch geltenden Landschaftspla-               Über die Notwendigkeit einer kon-
werden. Zudem sind bestimmte Vor-                nes Ruraue aus dem Jahr 1984 (Kreis              kretisierenden Rechtsverordnung zur
haben und Handlungen von den Ver-                Düren) zurzeit nur 56 % der im Jahr              Realisierung des gesetzlich vorgese-
boten ausgenommen. So bleiben die                2020 besiedelten Reviere geschützt,              henen Streuobstwiesenschutzes so-
ordnungsgemäße landwirtschaftliche               werden nach dem Vorentwurf für die               wie über die Festlegung eines Stich-
Bodennutzung und jede andere recht-              Fortschreibung dieses Landschafts-               tages als Referenzpunkt für den fünf-
mäßig und ordnungsgemäß ausgeübte                planes bis auf vier (nämlich zwei im             prozentigen Rückgang soll erst nach
Nutzung in der bisherigen Art und in             Innenbereich der Dörfer und zwei Re-             Abschluss der Kartierung entschie-
dem bisherigen Umfang unberührt. In              viere, die nur befristet geschützt sind)         den werden (Landtag NRW 2019).
den geschützten Bereichen ist jedoch             zukünftig alle diese Reviere in sol-             Insofern ist der im Projektgebiet für
die Umwandlung von Grünland in                   chen Bereichen liegen. Allerdings                den Steinkauz wichtigste Biotoptyp
Acker und die Beseitigung von Bäu-               handelt es sich in vielen Fällen um              vier Jahre nach der Gesetzesänderung
men nach Maßgabe der Schutzge-                   kleine und Kleinstgebiete, die inso-             und möglicherweise auf Jahre hin
bietsverordnungen oder landschafts-              fern durch Randeinflüsse und Nut-                trotz der dramatischen Bestandsent-
planerischer Festsetzungen regelmä-              zungsänderungen im Umfeld gefähr-                wicklung nicht nach § 42 LNatSchG
ßig untersagt.                                   det sind.                                        NRW gesetzlich geschützt! Von der
Diese Bestimmungen gewährleisten                 In NRW sollten Streuobstwiesen we-               seit 1986 bestehenden bundesrecht-
jedoch weder einen Schutz vor einer              gen ihres Naturschutzwerts und des               lichen Möglichkeit, Streuobstbestän-
Intensivierung der landwirtschaftli-             hier traditionell hohen aber rückläu-            de zu gesetzlich geschützten Gebieten
chen Nutzung, noch die Beibehaltung              figen Anteils gesetzlich geschütz-               zu erklären, hatte der nordrhein-west-
der Beweidung oder die Erhaltung,                te Biotope sein. Tatsächlich zählen              fälische Gesetzgeber erst 2005 Ge-
Pflege oder den Ersatz von Obstbäu-              sie seit 2016 (wieder) zu den nach §             brauch gemacht, diesen Schutz aber
men, weil die Grundeigentümer und                42 LNatSchG NRW gesetzlich ge-                   bereits 2007 wieder aufgegeben.
Besitzer dazu nicht verpflichtet wer-            schützten Biotopen. Ausgenommen
den können. Hierfür müssten viel-                sind allerdings Flächen von weniger              4.2.2 Unzureichende und be-
mehr Anreize geschaffen werden,                  als 2.500 m² Größe und Bäume, die                      schränkte Anwendung der
habitaterhaltende und -verbessernde              weniger als 50 m vom nächstgelege-                     Eingriffsregelung
Maßnahmen durchzuführen oder zu                  nen Wohn- oder Hofgebäude entfernt               Bei Bauvorhaben im Außenbereich
dulden. Hierfür könnten beispielswei-            sind. Im Unterschied zu anderen Bun-             (z. B. landwirtschaftliche Bauten und
se Ersatzzahlungen aus der Eingriffs-            desländern mit einem bedeutenden                 Straßen) ist die naturschutzrechtliche
regelung verwandt werden. Förder-                Anteil an Streuobstwiesen tritt der ge-          Eingriffsregelung anzuwenden. Al-
möglichkeiten bestehen für Landwirte             setzliche Schutz in NRW aber erst in             lerdings verlangt sie keine Prüfung
z.B. im Rahmen des Vertragsnatur-                Kraft, wenn die Gesamtfläche dieser              von Standortalternativen. Untersagt
schutzes. Im Kreis Düren ist mit 28              Streuobstbestände in NRW um min-                 sind nur solche Eingriffe, deren Fol-
Verträgen mit ca. 22,3 ha (Stand De-             destens fünf Prozent abgenommen                  gen nicht kompensiert werden können
zember 2020) jedoch das Interesse an             hat. Ein solcher Rückgang ist bisher             und dies auch nur, soweit dem Schutz
einer Förderung gering, so dass sich             nicht belegt worden, weil die hierfür            von Natur und Landschaft Vorrang
kreisweit und so auch in vielen die-             von ehrenamtlichen Helfern durch-                vor dem Eingriffsinteresse zuerkannt
ser Schutzgebiete die Intensivierung             geführte erforderliche Erfassung                 wird. Der Vollzug der Eingriffsrege-
oder Aufgabe der Grünlandbewirt-                 noch nicht abgeschlossen ist (Land-              lung bleibt zudem hinter ihren ge-
schaftung und ein schleichender Ver-             tag NRW 2019); sie soll nach Anga-               setzlichen Möglichkeiten zurück, bei-
lust von Obstbäumen fortsetzen.                  ben der nordrhein-westfälischen Um-              spielsweise, wenn die Eingriffsfolgen
Erfreulicherweise ist der Anteil von             weltministerin spätestens Ende 2022              auf Biotoptypen verengt und auf diese
Steinkauzrevieren in naturschutz-                abgeschlossen sein (NRZ 2020). Er-               Weise die Folgen für die biologische
rechtlich besonders geschützten Ge-              fasst werden nur Bestände, die nach              Vielfalt, wie etwa den Steinkauz, häu-
bieten in den letzten Jahren deutlich            der Definition für Streuobstbestände             fig nicht vollständig ermittelt werden
gestiegen. Dies ist vor allem darauf             des Landesamtes für Natur, Umwelt                und schon deshalb Art und Umfang
zurückzuführen, dass für die neuen               und Verbraucherschutz NRW min-                   der Kompensation in keinem rechten
Landschaftspläne in Zusammenar-                  destens neun hoch- bzw. mittelstäm-              Verhältnis zum Schadensmaß stehen.
beit mit der EGE Daten über Stein-               mige Obstbäume umfassen und eine                 Darüber hinaus wird den Maßnah-
kauzvorkommen erhoben und einbe-                 Fläche von mindestens 1.500 m² be-               men oft eine Wirksamkeit zugespro-
zogen wurden und der Artenschutz                 decken (LANUV o. J.). Kritiker ha-               chen, die sie bei realistischer Betrach-
stärker berücksichtigt wird als vor 30           ben Zweifel, ob diese Erfassung je-              tung nicht erreichen können. Vor al-

Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021                                                                                                      11
Bestand und Schutz des Steinkauzes Athene noctua Scopoli 1769 in den nordrhein-westfälischen Kreisen Düren und Euskirchen in den Jahren 2011 bis ...
lem aber erfolgt die Realisierung der
Kompensationsmaßnahmen vielfach
gar nicht, nur unvollständig, in mo-
difizierter Form, unter Missachtung
zeitlicher Fristen oder die Maßnah-
men werden nicht dauerhaft erhal-
ten, sofern entsprechende Kontrollen
überhaupt stattfinden.
Die Ermittlung und die Kompensa-
tion von Eingriffsfolgen im Projekt-
gebiet war und ist in vielen Fällen
eher regelmäßig als ausnahmsweise
beispielsweise mit folgenden Män-
geln behaftet; diese gelten für arten-
schutzrechtlich veranlasste Maßnah-
men (z. B. vorgezogene Ausgleichs-
maßnahmen im Sinne von § 44 Abs.
5 BNatSchG, s. Abschnitt 4.2.3) ent-
sprechend:
– Die Bedeutung von Flächen als
   Brut- oder Nahrungshabitat des         Abbildung 11: Eine respektable Kompensationsmaßnahme – könnte man meinen. Immerhin wur-
                                          den ein paar Obstbäume gepflanzt und in einem alten Baum eine Nisthilfe angebracht; aller-
   Steinkauzes wird verkannt oder un-     dings in nächster Nähe zu einer vielbefahrenen Bundesstraße mit den vorhersehbaren Folgen.
   terschätzt.                            Hier wird den Käuzen kein neuer Lebensraum geboten, sondern eine ökologische Falle gestellt
– Für die Kompensation ausgewähl-         (Foto: D. Siehoff)
   te Flächen sind bereits vom Stein-
   kauz besiedelt, zu klein oder auf-       reichen der Kompensationsziele               bereiteten Gemeinden im Kreis Dü-
   grund ihrer Lage ungeeignet (z.          (hier der Ansiedlung oder des Re-            ren die Habitate von etwa 23 % der
   B. an waldnahen oder von Men-            produktionserfolgs des Steinkau-             ihnen bekannten 115 Steinkauzvor-
   schen stark frequentierten Stand-        zes); im Falle verfehlter Kompen-            kommen für eine Bebauung vor, ohne
   orten oder im Einwirkungsbereich         sationsziele fehlt es an Nachbesse-          den Anforderungen der Eingriffsrege-
   von Straßen oder zu weit von den zu      rungsverpflichtungen.                        lung auch nur ansatzweise zu genügen
   erhaltenden Brutvorkommen ent-         Positiv zu bewerten ist immerhin,              (Breuer 1998).
   fernt; Abb. 11).                       dass Anpflanzungen ab 500 m², die              Die Eingriffsregelung gilt allerdings
– Gepflanzte Bäume sind standört-         als Ausgleichs- und Ersatzmaßnah-              längst nicht für alle Bebauungsplä-
   lich oder nach Art, Größe oder Ha-     men nach § 15 Abs. 2 BNatSchG fest-            ne und Bauvorhaben. Der Gesetzge-
   bitus ungeeignet.                      gesetzt wurden und im Kompensati-              ber hat nämlich den unbeplanten In-
– Es fehlt den Bäumen an einer an-        onsflächenverzeichnis nach § 34 Abs.           nenbereich im Sinne von § 34 BauGB
   gemessenen Verankerung, an Ver-        1 Satz 1 LNatSchG NRW zu erfassen              sowie „Bebauungspläne der Innenent-
   bissschutz und Entwicklungs-           sind, nach § 39 LNatSchG NRW ge-               wicklung“ (§ 13 a BauGB) dauerhaft
   pflege; witterungs-, bewirtschaf-      setzlich geschützte Landschaftsbe-             und die „Einbeziehung von Außen-
   tungs- oder Vandalismus bedingte       standteile sind. Diese Bestimmung              bereichsflächen in das beschleunigte
   Baumverluste werden nicht ersetzt.     kann dazu beitragen, dass diese An-            Verfahren“ (§ 13 b BauGB) befristet
– Eine Beweidung oder eine ande-          pflanzungen, beispielsweise solche             vom Ausgleichsgebot ausgenommen,
   re geeignete Bewirtschaftung wird      mit Bedeutung für den Steinkauz-               wenn diese Pläne bestimmte Flächen-
   nicht vorgesehen oder eine solche      schutz, eher auf Dauer erhalten blei-          größen nicht überschreiten. Der Ent-
   kommt nicht zustande (z. B. weil       ben oder nicht ersatzlos unter­gehen.          wurf des „Baulandmobilisierungsge-
   es an einer Einzäunung fehlt), so      Der größte Teil des Flächenverbrauchs          setzes“ des Bundesministeriums des
   dass die Flächen für den Steinkauz     und insoweit auch von Brut- und Nah-           Innern, für Bau und Heimat (Stand
   nicht oder nur eingeschränkt nutz-     rungshabitaten des Steinkauzes voll-           09.06.2020) sieht eine Verlängerung
   bar sind. Mähtermine werden nicht      zieht sich jedoch in der Bauleitpla-           der Frist um weitere drei Jahre vor.
   hinreichend an die Erfordernisse       nung. Ausgerechnet dort besteht keine          Knapp die Hälfte der 394 im Projekt-
   des Steinkauzschutzes angepasst        strikte Rechtspflicht zur Kompensati-          gebiet im Jahr 2020 besiedelten Re-
   oder diese werden nicht eingehal-      on, vielmehr ist über die Bewältigung          viere liegt aber in diesen Bereichen.
   ten.                                   der Folgen der in Flächennutzungs-             Einer Inanspruchnahme für Bebau-
– Nisthilfen werden an ungeeigneten       plänen dargestellten und in Bebau-             ungszwecke sind allerdings Grenzen
   Stellen, falsch oder ohne Einstreu     ungsplänen festgesetzten Eingrif-              gesetzt, wo es sich um naturschutz-
   angebracht.                            fe in der Abwägung nach § 1 a Bau-             rechtlich besonders geschützte Gebie-
– Die Maßnahmen werden nicht oder         gesetzbuch (BauGB) zu entscheiden.             te handelt. Der Anteil von Revieren
   mit erheblichem zeitlichem Verzug,     Das Ausmaß der hierbei auftretenden            in solchen Bereichen ist, wie in Ab-
   teils erst nach Jahren realisiert.     Abwägungsmängel belegen beispiels-             schnitt 4.2.1 dargelegt, erfreulicher-
– Die Maßnahmen werden besten-            weise die Untersuchungen der EGE               weise hoch.
   falls daraufhin kontrolliert, ob sie   im Projektgebiet: In drei nach 1993            Im Übrigen bleiben im Falle von Be-
   erfolgt sind, nicht aber auf das Er-   aufgestellten Flächennutzungsplänen            bauungsplänen und bei Bauvorhaben

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Bestand und Schutz des Steinkauzes Athene noctua Scopoli 1769 in den nordrhein-westfälischen Kreisen Düren und Euskirchen in den Jahren 2011 bis ...
die mit ihnen verbundenen erhebli-          der Ausnahme nicht verschlechtert.      Nach der ab 1998 von der EGE po-
chen Beeinträchtigungen von Stein-          Dieses sind allerdings hohe Zulas-      litisiert vorgetragenen Kritik an den
kauzlebensräumen, sofern nicht zu-          sungshürden.                            Flächennutzungsplänen von Ge-
gleich artenschutzrechtliche Verbo-       – Die vorstehend genannten arten-         meinden im Projektgebiet der EGE
te des § 44 Abs. 1 BNatSchG verletzt        schutzrechtlichen Zulassungsgren-       (Breuer 1998) und insbesondere mit
werden, unbewältigt, d. h. unberück-        zen sind umkämpft wie kaum ande-        dem Bedeutungszuwachs des Arten-
sichtigt und kompensationslos. Das          re naturschutzrechtliche Grenzen.       schutzrechts nach der „Kleinen Ar-
gilt beispielsweise für die bloße Inan-     An ihr messen sich darauf spezi-        tenschutznovelle“ des BNatSchG des
spruchnahme von Nahrungshabita-             alisierte Gutachter mit der Natur-      Jahres 2007 ist die Aufmerksamkeit
ten, die nicht zugleich die Fortpflan-      schutzverwaltung, die mit dem ge-       für den Schutz des Steinkauzes ge-
zungs- oder Ruhestätten des Stein-          samten Spektrum naturschutzkri-         wachsen. Heute wird der EGE nicht
kauzes zerstört oder beschädigt.            tischer Nutzungen und Interessen        mehr wie im Januar 2005 von einem
                                            konfrontiert ist. Sie unterliegt in     Bürgermeister unter Beifall des spä-
4.2.3 Unzureichende Anwendung               dieser Auseinandersetzung leicht        teren nordrhein-westfälischen Mi-
      der artenschutzrechtlichen            schon wegen der geringen perso-         nisterpräsidenten Dr. Jürgen Rütt-
      Schädigungs- und Störungs-            nellen und finanziellen Ressour-        gers vorgeworfen, sie verhindere mit
      verbote                               cen, die oft keine Begegnung mit        „Phantomsteinkäuzen“ neue Wohnge-
Zumal angesichts des beschränkten           der anderen Seite „auf Augenhö-         biete (Dürener Nachrichten 2005
Anwendungsbereichs und der Voll-            he“ erlaubt. So wird eine signifi-      und EGE 2005). Allerdings haben
zugsschwächen der Eingriffsrege-            kante Erhöhung des Tötungsrisikos       einige Grundstückseigentümer am
lung ist der Steinkauz umso mehr auf        infolge von Straßenbauverfahren         Steinkauz auf ihrem Eigentum kein
die Anwendung des besonderen Ar-            oder eine Verschlechterung des Er-      Interesse mehr, seitdem die Auswei-
tenschutzrechts angewiesen, welches         haltungszustandes der lokalen Po-       sung von Baugebieten an der Exis-
aber seinerseits eingeschränkt und          pulation infolge des Verlustes von      tenz von Steinkäuzen scheitern kann.
mit Schwierigkeiten konfrontiert ist        Nahrungshabitaten häufig infra-         Der EGE wird deshalb die Erlaubnis
(Breuer 2016a):                             ge gestellt, Vorkehrungen zur Ver-      zum Aufhängen von Nisthilfen häufi-
– Die artenschutzrechtlichen Verbo-         meidung von Schädigungen oder           ger als früher versagt. Wo Baugebie-
  te gelten im Falle von Bauvorha-          vorgezogenen Ausgleichsmaßnah-          te geplant oder erhofft werden, ver-
  ben und haben in der Bauleitpla-          men eine Wirksamkeit zugespro-          schwinden bisweilen die Nisthilfen
  nung aufgrund der Bestimmun-              chen, die unbelegt ist oder auf un-     über Nacht und die Bäume dazu.
  gen des § 44 Abs. 5 BNatSchG nur          realistischen Prognosen beruht. Da-     Dabei gelingt es längst nicht in al-
  Bedeutung, sofern sich mit der ge-        bei wäre es bereits ein Fortschritt,    len Fällen, Steinkauzlebensräume
  planten Nutzung das Tötungsrisiko         würden die Anforderungen beach-         vor Bebauung zu schützen (Abb. 12).
  für Steinkäuze signifikant erhöht         tet, welche das nordrhein-westfäli-     Oft kann nur eine Kompensation der
  oder sich der Erhaltungszustand           sche Ministerium für Klimaschutz,       Eingriffsfolgen erreicht werden. Und
  der lokalen Population verschlech-        Umwelt, Landwirtschaft, Natur-          auch dies nur mit der permanenten
  tert oder Brutplätze oder Tagesver-       und Verbraucherschutz in dem            Intervention von Naturschutzvereini-
  stecke des Steinkauzes beschädigt         „Leitfaden Wirksamkeit von Arten-       gungen, ihrer rollenverteilten Zusam-
  oder zerstört werden.                     schutzmaßnahmen für die Berück-         menarbeit mit den Naturschutzbehör-
– Ein Verstoß gegen das Verbot,             sichtigung artenschutzrechtlich er-     den sowie flankierender Öffentlich-
  Brutplätze oder Tagesverstecke            forderlicher Maßnahmen“ bezogen         keitsarbeit über den gesamten Prozess
  des Steinkauzes zu zerstören, liegt       auf den Steinkauz etwa hinsichtlich     der Bauleitplanung bis hin zur Aus-
  nicht vor, wenn deren Funktion –          Standort, Größenordnung, Funk-          führung, Pflege und Gewährleistung
  etwa nach Durchführung von vor-           tionssicherung, Gewährleistung,         von Kompensationsmaßnahmen.
  gezogenen Ausgleichsmaßnah-               Prognosesicherheit, Risikomanage-       Immerhin erfasst das Schädigungsver-
  men – im räumlichen Zusammen-             ment und Monitoring solcher Maß-        bot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG
  hang weiterhin erfüllt wird. Ist dies     nahmen formuliert hat (MKULNV           aber Verbiss bedingte Zerstörungen
  nicht gewährleistet, das Tötungsri-       2013).                                  und Beschädigungen von Bäumen mit
  siko signifikant erhöht oder droht      Dass die Schädigungs- und Störungs-       Bruthöhlen und Tagesverstecken des
  die Verschlechterung des Erhal-         verbote überhaupt für Eingriffe sowie     Steinkauzes. Grundbesitzer und Tier-
  tungszustandes der lokalen Popula-      für Vorhaben in Gebieten mit Bebau-       halter sind verpflichtet, die Bäume
  tion, darf das Vorhaben nur zuge-       ungsplänen nach § 30 BauGB, wäh-          vor Schälschäden zu schützen. Diese
  lassen werden, wenn die Ausnah-         rend der Planaufstellung nach § 33        Rechtsauffassung hat das nordrhein-
  mevoraussetzungen des § 45 Abs. 7       BauGB und im Innenbereich nach §          westfälische Umweltministerium 2007
  BNatSchG vorliegen. D. h., die Ver-     34 BauGB gelten, verdankt sich der        gegenüber der EGE bestätigt (MUN-
  bote können nur überwunden wer-         „Kleinen Artenschutzrechtsnovelle“        LV 2007). Insofern ließe sich mit der
  den, wenn zwingende Gründe des          von 2007, die nach der ein Jahr zu-       Mitteilung und Ahndung solcher Ver-
  überwiegenden öffentlichen Inte-        vor erfolgten Verurteilung Deutsch-       stöße etwas erreichen; allerdings setzt
  resses einschließlich sozialer oder     lands vor dem Europäischen Ge-            dies zum einen die Meldebereitschaft
  wirtschaftlicher Art vorliegen, zu-     richtshof notwendig geworden war,         der Naturschutzvereinigungen und
  mutbare Alternativen nicht gege-        weil Deutschland das Artenschutz-         zum anderen die Konfliktfähigkeit
  ben sind und sich der Erhaltungszu-     recht stärker beschränkt hatte, als das   von Naturschutzbehörden voraus, sol-
  stand der Populationen der Art trotz    Unionsrecht erlaubt.                      chen Meldungen nachzugehen.

Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021                                                                                  13
4.2.4 Rechtliche Sonderstellung
      der Landwirtschaft
Die Landwirtschaft nimmt gegenüber
anderen Natur und Landschaft beein-
trächtigenden Nutzungen eine Son-
derstellung ein. Ihre Produktionswei-
sen hat der Gesetzgeber von natur- und
artenschutzrechtlichen Beschränkun-
gen weitgehend ausgenommen. Zu-
dem sind agrarisch genutzte Flächen
kaum Bestandteil von Schutzgebieten
oder die Schutzgebietsverordnungen
treffen gegenüber der landwirtschaft-
lichen Nutzung keine ausreichenden
Regelungen. Beschränkungen der
landwirtschaftlichen Bodennutzung
in Schutzgebieten würden zwar nicht
in jedem Fall Entschädigungsansprü-
che auslösen, bei den staatlichen Stel-
len ist aber eine generelle Zurückhal-    Abbildung 12: Ein skandalöser Fall im Frühjahr 2020: Im Steinkauzhabitat entsteht in der Brutzeit
                                          auf der buchstäblich grünen Wiese ein neues Baugebiet. Die Nisthilfe, in der bisher Steinkäuze
tung spürbar, die landwirtschaftliche     gebrütet haben, befindet sich in dem Baum rechts des Wirtschaftsweges. Zuvor sind für den rei-
Bodennutzung zu reglementieren.           bungslosen Baustellenverkehr etwa ein Drittel der Äste dieses Baumes abgesägt worden. Zu einer
Aufgrund dieser Umstände ist das für      erfolgreichen Brut kam es erwartungsgemäß nicht mehr (Foto: D. Siehoff)
den Steinkauz wichtige Dauergrün-
land nur bedingt vor einer Nutzungs-      ders entschieden wird. Das zeigt sich             noch vor Einführung der naturschutz-
intensivierung geschützt.                 beispielsweise in Defiziten bei der               rechtlichen Verbandsbeteiligung da-
Die Durchführung von Artenschutz-         Anwendung naturschutz- und arten-                 mals der Gesellschaft Rheinischer
maßnahmen auf agrarisch genutzten         schutzrechtlicher Vorschriften wie im             Ornithologen (GRO) in Flurbereini-
Flächen ist von der Kooperationsbe-       Projektgebiet vielfach belegt werden              gungsverfahren gewährten Mitwir-
reitschaft der landwirtschaftlichen       kann. Umso wichtiger ist es, die ver-             kungsrechte genutzt, um die Zerstö-
Unternehmen abhängig, ohne die-           bleibenden Möglichkeiten zu erken-                rung von Steinkauzhabitaten in die-
se dazu verpflichten zu können. Für       nen und im Interesse der Sache zu nut-            sen Verfahren abzuwehren (Breuer
die Akzeptanz der Grundeigentümer         zen. Dabei ist es von Vorteil, sich in            1983).
muss gezahlt werden. Die Zahlungen        die Lage des jeweils anderen hinein-              An die in diesem Zusammenhang ge-
müssen mit den bei einer auflagen-        zuversetzen. Ein fachlicher Austausch             wonnenen Kenntnisse und Erfahrun-
freien Bewirtschaftung erzielbaren        zwischen Naturschutzbehörden und                  gen knüpfte das Steinkauzprojekt der
Preisen für Nahrungsmittel, Rohstof-      -vereinigungen sollte unter allen Um-             1990 in diesem Raum als Nachfolge-
fe oder Strom aus erneuerbaren Ener-      ständen gewährleistet sein und Verbin-            organisation der Aktion zur Wieder-
gien konkurrieren. Die von der öf-        dungen nicht abgebrochen werden. In               einbürgerung des Uhus (AzWU) ge-
fentlichen Hand für Naturschutz im        dieser Hinsicht ist die Zusammenar-               gründeten Gesellschaft zur Erhaltung
Agrarraum bereitgestellten Mittel ge-     beit verbesserungsbedürftig. Das setzt            der Eulen (EGE) – nicht zuletzt auch
nügen weder für eine Trendumkehr          allerdings eine wechselseitige Bereit-            personell – an. Seitdem bemüht sich
noch um weitere Biodiversitätsverlus-     schaft zur Zusammenarbeit voraus.                 die EGE, die für Steinkäuze beste-
te stoppen zu können. Das gilt insbe-                                                       henden Gefährdungs- und Verlustur-
sondere für die Neuanlage und Pfle-                                                         sachen zu erkennen und zu begren-
ge von Streuobstbeständen und Bio-        5. Schutzbemühungen                               zen. Wenngleich der vorliegende Bei-
toptypen des Grünlandes.                                                                    trag in der Hauptsache lediglich den
                                          Bemühungen zum Schutz des Stein-                  Bestand und den Schutz des Stein-
4.2.5 Unzureichende Zusammen-             kauzes gibt es im Projektgebiet der               kauzes in der letzten Dekade betrach-
      arbeit zwischen Naturschutz-        EGE seit den 1970er Jahren. Diese                 tet, stehen diese Bemühungen in dem
      behörden und Naturschutz-           Bemühungen gehen teilweise auf die                Kontext eines über ein halbes Jahr-
      vereinigungen                       Nominierung des Steinkauzes zum                   hundert lang betriebenen Steinkauz-
Der Schutz des Steinkauzes erfor-         Vogel des Jahres 1972 zurück; der                 schutzes.
dert die arbeitsteilige Zusammenar-       zweiten Vogelart in der 1970 vom da-              Die Herausforderungen sind heute
beit zwischen Naturschutzbehörden         maligen Deutschen Bund für Vogel-                 keinesfalls geringer als damals. Die
und Naturschutzvereinigungen. Da-         schutz (DBV) begonnenen Reihe die-                Gefährdung von Steinkauzlebens-
ran fehlt es nicht selten deshalb, weil   ser Nominierungen. Seitdem wurden                 räumen hält an, wenngleich sich die
Politik und Wirtschaft von den Perso-     in diesem Raum systematisch Stein-                rechtlichen Bedingungen des Stein-
nen in den Naturschutzbehörden bis-       kauzvorkommen erfasst, in geeig-                  kauzschutzes (allerdings hinsichtlich
weilen anderes oder gegenteiliges er-     neten Lebensräumen Steinkauznist-                 des Schutzes von Streuobstbeständen
warten als den Schutz von Natur und       röhren nach dem 1969 von Ludwig                   am wenigsten in NRW) verbessert ha-
Landschaft, diesen Erwartungen nach-      Schwarzenberg (1913-2001) ent-                    ben. Die im Steinkauzschutz verfolg-
gegeben oder einfach „von oben“ an-       wickelten Modell angebracht und die               ten Strategien und angewandten Me-

14                                                                                           Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021
600. Darin finden 95 % der bekann-
                                                                                                 ten Bruten statt. In NRW liegt der An-
                                                                                                 teil der Bruten in Nisthilfen bei ca. 45
                                                                                                 % (Franke & Jöbges 2018b).
                                                                                                 Die Nisthilfen werden mit Zustim-
                                                                                                 mung der Grundeigentümer nach
                                                                                                 Möglichkeit auf einem Ast ange-
                                                                                                 bracht, so dass von dort aus nicht
                                                                                                 flügge Jungvögel in die schützende
                                                                                                 Nisthilfe zurückkehren können. Die
                                                                                                 meisten Nisthilfen haben einen Mar-
                                                                                                 derschutz, der allerdings wie Mar-
                                                                                                 dernachweise belegen keinen absolu-
                                                                                                 ten Schutz gewährleistet und Wiesel
                                                                                                 nicht abhält. Metallmanschetten um
                                                                                                 die Baumstämme hindern Marder
                                                                                                 zwar am Heraufklettern, allerdings
                                                                                                 auch noch nicht flugfähige auf den
Abbildung 13: Doris Siehoff und Klaus Frankenberg nach der Beringung junger Steinkäu-
                                                                                                 Boden gelangte Steinkäuze. Zudem
ze. Der Vorentwurf des neuen Flächennutzungsplanes aus dem Jahr 2020 sieht hier anstelle der
jetzigen landwirtschaftlichen Nutzung ein Hotel, Grünflächen und einen Golfplatz vor (Foto: A.
                                                                                                 können die Metallmanschetten die
Schumacher)                                                                                      Bäume schädigen. Daher werden die-
                                                                                                 se in der Regel nicht verwendet. Die
thoden sind keine prinzipiell anderen            Nichtbesiedlung geschlossen werden.             Nisthilfen werden entweder von Mit-
als zu Beginn des Steinkauzschut-                Im Kreis Euskirchen beschränkt sich             arbeitern der EGE oder nach Maßga-
zes. Die Aufwendungen sind aber un-              die Frühjahrserfassung seit dem Jahr            be der EGE von Personen in sozialen
gleich höher als damals. Beispielswei-           2011 auf Kontrollen der Steinkauz-              Einrichtungen gefertigt. Eine seitli-
se umfasst in der EGE das Steinkauz-             nisthilfen ab März. In beiden Krei-             che Öffnung erleichtert die Reinigung
monitoring, die Bereitstellung und               sen werden alle Nisthilfen von April            und vermindert Störungen bei der Be-
Wartung von Nisthilfen, die Pflege               bis Juli kontrolliert und möglichst alle        ringung. Die Nisthilfen werden von
von Obstbäumen, die Öffentlichkeits-             Jungvögel beringt (Abb. 13). Beringt            der EGE im Herbst/Winter gewartet,
arbeit und die Wahrnehmung von Be-               werden auch die bei den Kontrollen              repariert, ausgetauscht oder ggf. um-
teiligungsrechten an Planungen in den            angetroffenen unberingten Altvögel;             gehängt. Dabei werden auch Hinter-
Kreisen Düren und Euskirchen jähr-               die Ringdaten beringter Altkäuze                lassenschaften anderer Nistkastenbe-
lich etwa 3.000 Arbeitsstunden und               werden registriert. Alle Beringungs-            wohner, z.B. Mäuse, Stare, Meisen,
eine Fahrleistung von 8.000 km. Zu               daten werden der Vogelwarte Helgo-              Hornissen, Wespen, entfernt. Allein
diesen Bemühungen zählen:                        land gemeldet.                                  für Wartung, Reparatur, Austausch
                                                 Eine Darstellung der in den letzten             und Neubau von Nisthilfen wendet die
5.1 Jährliches Bestandsmonitoring                Jahrzehnten in diesem Zusammen-                 EGE jährlich 525 Stunden auf.
Seit 2010 umfasst das jährliche Be-              hang gewonnenen Daten beispiels-
standsmonitoring im Kreis Düren die              weise über Wiederfunde sowie Zu-                5.3 Verbesserung und Pflege von
von zwei Personen durchgeführte Er-              und Abwanderung von Individuen                      Steinkauzhabitaten
fassung von Steinkauzvorkommen in                (z. B. nach oder aus Baden-Württem-             Zum Schutz des Steinkauzes bedarf
der Zeit von Ende Februar bis Mitte              berg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Bel-             es der Erhaltung, Entwicklung und
April mit dem Einsatz von Klangat-               gien, den Niederlanden) würde den               Pflege von Lebensräumen. Es sol-
trappen entsprechend dem Methoden-               Rahmen dieses Beitrages überstei-               len nach Möglichkeit Bedingungen
handbuch von Südbeck et al. 2005.                gen; sie soll einem späteren Beitrag            erreicht werden, die die Abhängig-
In bekannten Revieren beschränkt                 vorbehalten bleiben. Die Winterkon­             keit des Steinkauzes von künstlichen
sich das Verhören bei Erfolg auf ei-             trollen der Nisthilfen erwiesen sich            Nisthilfen vermindern. Zu den Leis-
nen einmaligen Einsatz. An poten-                zur Bestandserfassung als wenig effi-           tungen der EGE zählen die Pflanzung
tiellen Standorten mit bisher fehlen-            zient und wurden deswegen reduziert.            und Pflege von Obstbäumen, die Si-
dem Nachweis einer Besiedlung er-                Im Winter verlagern sich die Revier-            cherung der Bäume vor Verbiss so-
folgt ein mindestens zweimaliges                 zentren teilweise in den Bereich der            wie Bemühungen zur Etablierung ei-
Verhören. Diese Vorgehensweise ent-              Siedlungen oder in landwirtschaftli-            ner steinkauzgerechten Grünlandbe-
spricht den in diesem Gebiet in den              che Gebäude.                                    weidung z. B. in den Festsetzungen
Jahren 1991 und 2001 von Wilhelm                                                                 der Landschaftspläne, mit der Ein-
Bergerhausen vorgenommenen Er-                   5.2 Nisthilfenangebot                           zäunung von Grünland und der Ver-
fassungen. Sie wurde im Interesse                Der Steinkauzbestand ist in NRW im              mittlung geeigneter Bewirtschafter
der Vergleichbarkeit nach dessen Tod             hohen Maße von künstlichen Nisthil-             (Abb. 14). Im Kreis Euskirchen hat
im Jahr 2006 beibehalten. Aufgrund               fen abhängig; das gilt um nichts we-            die EGE auf diese Weise die Bewei-
des Umstandes, dass auf das Abspie-              niger im Projektgebiet. Im Jahr 2010            dung von zuvor als Mähgrünland ge-
len der Klangattrappe nicht unbedingt            hingen dort 452, im Jahr 2016 536               nutzten Flächen von annähernd 22 ha
alle Steinkäuze antworten, kann vom              solcher Nisthilfen (Franke & Jöb-               erreicht. Für Mähgrünland wurde in
Ergebnis nicht zuverlässig auf eine              ges 2018b). Heute sind es mehr als              den Landschaftsplänen des Kreises

Eulen-Rundblick Nr. 71 – Jahrgang 2021                                                                                                15
Düren die Vorverlagerung der Grün-
landmahd erreicht.
In dem Zeitraum von 2011 bis 2020
haben Mitarbeiter der EGE allein
im Kreis Euskirchen ca. 1.250mal
Obstbäume geschnitten mit einem
durchschnittlichen Aufwand von 2
Arbeitsstunden je Baum. Das ent-
spricht 250 Stunden pro Jahr. Die
hierfür notwendige Qualifizierung
haben die Mitarbeiter eigens erwor-
ben. Eine Neubegründung von Streu-
obstbeständen erreicht die EGE nur
in einem geringen Umfang. Als Al-
ternative zu pf legeaufwändigen
Obstbaumpflanzungen empfiehlt die
EGE die Pflanzung von einzelnen
Laubbäumen wie Eiche und Linde
auf Grünland, die sich für die Befes-
tigung einer Röhre frühzeitig eignen
und langfristig natürliche Höhlen         Abbildung 14: Investition in die Zukunft des Steinkauzes: Eingezäuntes Weidegrünland und vor
ausbilden können und insoweit die         Verbiss geschützte Obstbäume am 10.05.2013 in Geich im Kreis Euskirchen (Foto: P.J. Müller)
Rolle von Obstbäumen und Nisthil-
fen ergänzen oder ersetzen.
Die bisherigen Anstrengungen aller
Akteure im Streuobstwiesenschutz
wiegen die Lebensraumverluste im
Projektgebiet bei weitem nicht auf.
Die Perspektive dieses Lebensraum-
typs ist auch im Projektgebiet, wie
von Dierichs & Weddeling (2018)
für den benachbarten Rhein-Sieg-
Kreis beschrieben, dramatisch nega-
tiv. Vergleichsweise leicht ist es hin-
gegen, Weidetierhalter vom Einsatz
im Handel erhältlicher Vorrichtungen
zu überzeugen, welche Steinkäuzen
ein Herausklettern ermöglichen und
sie so vor dem Ertrinken in Viehträn-
ken schützen.
                                          Abbildung 15: Nideggen-Berg war 2018 im vierten Jahr in Folge das Dorf im Kreis Düren, in dem
5.4 Öffentlichkeitsarbeit                 die meisten Steinkäuze flügge wurden. Um das Engagement der Bürger des Ortes zu würdigen
Die EGE betreibt eine systemati-          und als Ansporn für die kommenden Jahre hat die EGE den Ort als erstes „Steinkauz freundli-
sche Öffentlichkeitsarbeit. Diese um-     ches Dorf“ im Kreis Düren ausgezeichnet. In einer Feierstunde überreichte Doris Siehoff (3. von
fasst neben allgemeinen und projekt-      rechts) dem Ortsvorsteher Manfred Hurtz (mit Plakette) im Beisein von Bürgermeister Marco
gebietsbezogenen Informationen auf        Schmunkamp (mit Nisthilfe) die Auszeichnung. Rechts unten im Bild ist ein Korb zu sehen, der
                                          in Viehtränken eingehängt Steinkäuze vor dem Ertrinken retten kann (Foto: U. Bergrath)
der Website der EGE http://www.ege-
eulen.de                                    egeeulen.de/files/ 7_rollups_stein-            5.5 Wahrnehmen von Beteiligungs-
– anlassbezogene Presseinformatio-          kauz.pdf)                                          rechten in Zulassungsverfahren
  nen,                                    – die kreisweite Verleihung der Aus-                 für Eingriffe sowie an Aufstel-
– Vortragsveranstaltungen sowie Ex-         zeichnung „Steinkauz freundliches                  lungsverfahren von Flächen-
  kursionen in Steinkauzhabitate            Dorf“ (seit 2018) an Ortschaften,                  nutzungs- und Bebauungsplä-
  zur Umweltbildung mit aus Arten-          die sich um den Schutz des Stein-                  nen sowie Landschaftsplänen
  schutzgründen begrenzter Zahl teil-       kauzes besonders verdient gemacht              Außerordentlich intensiv beteiligt
  nehmender Personen,                       haben (Abb. 15),                               sich die EGE, teils in Verbindung mit
– die Vergabe von Steinkauz-Paten-        – den Einsatz weiterer Werbeträ-                 den Kreisgruppen von BUND und
  schaften (seit 2010) (http://egeeu-       ger wie das EGE-Kinderbuch „Wo                 NABU, an den Zulassungsverfahren
  len.de/inhalt/patenschaften.php)          die Eule schläft. Abenteuer Natur-             für Eingriffe (z. B. landwirtschaftli-
– den Einsatz der EGE-Ausstel-              schutz“ und Adventkalender zum                 che Bauten im Außenbereich, Neu-
  lung „Den Steinkauz im Dorf las-          Steinkauzschutz (beides seit 2015).            und Ausbau von Straßen) sowie an
  sen“, insbesondere in Rathäusern,                                                        den Verfahren für die Aufstellung und
  Sparkassen und Einrichtungen der                                                         Änderung von Flächennutzungs- und
  Landwirtschaft (seit 2015) (http://                                                      Bebauungsplänen. Die Bedeutung

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