Das Steinkohlerevier an der Saar - Eine Zeitreise durch mehr als 250 Jahre Industrie- und Landesgeschichte - Delf Slotta
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Das Steinkohlerevier an der Saar Eine Zeitreise durch mehr als 250 Jahre Industrie- und Landesgeschichte
Inhalt 5 Das Steinkohlerevier an der Saar Eine Zeitreise durch mehr als 250 Jahre Industrie- und Landesgeschichte 7 Anfänge des Steinkohlenbergbaus an der Saar 8 Verstaatlichung der Kohlengruben durch Fürst Wilhelm Heinrich zu Nassau-Saarbrücken 10 Wirtschaftlicher und sozialer Aufbruch in der Napoleonischen Ära 10 Preußische und Bayerische Bergverwaltung nach 1815 bis zum Ersten Weltkrieg 18 Zweite französische Verwaltungszeit – Mines Domaniales Françaises de la Sarre 19 Deutsche Verwaltung von 1935 bis 1945 durch die Saargruben AG 20 Nach dem Zweiten Weltkrieg unter alliierter Militärverwaltung 21 Régie des Mines de la Sarre und Saarbergwerke – Dritte französische Verwaltungszeit 22 Der Saarbergbau unter der Saarbergwerke AG 31 Deutsche Steinkohle AG bis zum Ende des Saarbergbaus 35 Literatur 3
Delf Slotta Das Steinkohlerevier an der Saar Eine Zeitreise durch mehr als 250 Jahre Industrie- und Landesgeschichte König und Viktoria! Aber auch des Saarbergbaus. Schon dieses die die Geschicke in die eine oder Brefeld, Camphausen, Dechen, Beispiel zeigt auf: Bergbauge- auch in die andere Richtung ge- Gerhard, Heinitz, Itzenplitz, May- schichte und Bergbaukultur an lenkt haben. Der vielfache Besitz- bach, Mellin, Reden, Serlo, Vel- der Saar sind auf der einen Seite und Eigentumswechsel hat somit sen, Veltheim, Von der Heydt, stets geprägt und abhängig von auch in den Namen der Gruben- Duhamel, Beaunier, Calmelet, technischen, ökonomischen und betriebe seinen Niederschlag ge- Pascal oder Marcel Bertrand – gesellschaftspolitischen Kräften funden. An ihnen kann fast spie- stolze Namen! Sie gehören be- und Strömungen gewesen. Be- gelbildlich abgelesen werden, deutenden Persönlichkeiten aus sondere politische Veränderun- welche Kräfte zu welcher Zeit in Politik, Administration und Berg- gen traten im Saarrevier hinzu. der Region bestimmend waren. bau. Diese wurden namensge- Auf der anderen Seite waren – Doch Hand aufs Herz: Wer bend für wichtige Grubenbetriebe und sind – es immer Menschen, kennt heute schon noch diese Na- Harte Arbeit unter Tage mit Keilhaue (links) und Schippe. (ohne Angabe) 5
Saarbergmann (1947). Menschen zum Bergbau ist im Saarland noch immer, wenn auch nicht immer offenkundig, vorhan- den. Es waren schließlich Gene- rationen von Bergleuten, die in mensgeber? Wer weiß noch, den Gruben über Jahrhunderte dass Friedrich Wilhelm Graf von hinweg unter schwersten Bedin- Reden (1752-1815) preußischer gungen gearbeitet haben. In den Staatsminister, Heinrich von De- Hochzeiten des Saarbergbaus, chen (1800-1889) im Rang eines zum Beispiel in den Aufbaupha- Oberberghauptmannes Direktor sen nach den beiden Weltkriegen, des Oberbergamtes in Bonn und waren auf den Saargruben mehr Graf Heinrich August von Itzen- als 60.000, kurzfristig sogar mehr plitz (1799-1883) preußischer als 70.000 Menschen angelegt. Handelsminister und oberster Lei- Rechnen wir die Familienangehö- ter des Berg-, Hütten- und Sali- rigen und all diejenigen, die dem nenwesens des preußischen Bergbau zulieferten oder von ihm Staates gewesen sind? Wir müs- abhängig waren, hinzu, wird sen festhalten: Vieles an Wissen, nachvollziehbar, dass der Berg- was die bergbauliche Vergangen- bau als „die“ Schlüsselindustrie heit des Landes an der Saar an- und als „der“ Leitsektor der ge- geht, ist bei den Menschen in Ver- samten Region galt. Entspre- gessenheit geraten und mittler- chend war der Bergbau, der weile nicht mehr Allgemeingut. „Staat im Staate“, im gesamten Trotz alledem: der Bezug der Land wahrnehm- und spürbar. Friedrichsthal-Maybach: Luftbild der Tagesanlagen der Grube Maybach (1950). 6
Darstellungen mit bergbaulicher denes, und zwar in Haltung und der heutigen Situation des Saar- Symbolik fanden sich nicht nur in Handlung innerhalb einer be- landes und seiner Strukturen. Er den Zentren des Steinkohlen- stimmten Gemeinschaft, beson- ist der Schlüssel zum Verständ- bergbaus, also dem Saarkohlen- ders einer solchen, die geistige nis der Menschen, ihrer Wesens- wald, im Ensdorfer Raum oder im und kulturelle Belange in den züge und ihrer Gewohnheiten. Warndt. Schlägel und Eisen, die Vordergrund stellt und deren ein- Und er ist der Schlüssel, um dem Symbole des Bergbaus, grüßten zelne Glieder bewusst oder un- Saarland und seinen Menschen auch in solchen Orten, die weit bewusst am Herkömmlichen einen Weg und eine Perspektive außerhalb des eigentlichen Koh- festhalten“. Der (Rück-)Blick in in eine hoffentlich erfolgreiche leabbaugebietes lagen, von Häu- die Geschichte ist wieder einmal und lebenswerte Zukunft nach serwänden herab. In den Sied- der Schlüssel zum Verständnis dem Bergbau zu weisen. lungsbildern huldigen unzählige Straßennamen bergbaulichen Phänomenen und Sachverhalten. An den Hauptzufahrtsstraßen sind Transportwagen und Seil- Anfänge des Steinkohlenbergbaus an der Saar scheiben aufgestellt, in einigen Orten sind regelrechte „Bergbau- ecken“ entstanden. Und selbst in Der Bergbau auf Steinkohlen Neunkirchen-Heinitz am Ried- vielen Gemeindewappen hat hat im Land an der Saar auf Grund berg ansteht. Der historische Ab- bergbauliches Motivgut Aufnah- der besonderen geologischen baubereich der „Heinitzer Kelten- me gefunden. Auf Briefmarken Verhältnisse nachweislich sehr grub“ gilt als der bislang älteste sind Fördertürme und Förderge- früh eingesetzt. Keltischer Berg- Nachweis für den Abbau von rüste, untertägige Arbeitsvorgän- bau auf Steinkohlen aus dem Steinkohlen in Deutschland. Auch ge wie Arbeiten mit dem Pickham- 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. ist die Kännelkohle-Ringe aus dem mer oder aber Grubenpferde im durch eine Perle aus so genann- Grab der Ursula von Roden aus Einsatz, abgebildet. Einige Apo- ter Kännelkohle, einer schnitzba- der Zeit des 3. Jahrhunderts n. theken führen die Schutzheilige ren Steinkohle, die im Grab der Chr. konnten dem Flöz Tauent- der Bergleute, die Heilige Barba- Keltenfürstin in Rubenheim als zien zugeordnet werden. Römi- ra, im Namen. Grabbeigabe gefunden wurde, scher Bergbau auf Eisenstein und Aus all dem lässt sich ablei- belegt. Diese Kännelkohle stammt andere Mineralien sind zudem ten, dass der Bergbau in quasi al- nachweislich aus dem ausgehen- durch weitere Bodenfunde belegt, le Bereiche des menschlichen den Flöz Tauentzien, das bei Reste von Steinkohlen fanden (Zusammen-)Lebens eingewirkt hat. Selbst in die Sprache hat der Bergbau Eingang gefunden. Die Saarkohle war das Fundament für all jene kulturellen Phänome- ne und Leistungen, die uns heu- te wie selbstverständlich erschei- nen. Der Bergbau ist somit unbe- streitbar das, was sich als „die Wurzel der saarländischen Ge- samtkultur“ bezeichnen lässt. „Kultur“ lässt sich definieren als „die Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Lebensäuße- rungen einer Gemeinschaft“. Diese bergmännisch geprägte Kultur hat im Saarland mittlerwei- le eine lange Tradition. Darunter versteht der Duden „im Laufe der Zeit (durch Generationen hin- durch) Entwickeltes, Weiterge- gebenes und auf diese Weise Völklingen: Nebeneinander von Landwirtschaft und Industrie – charakte- herkömmlich und üblich Gewor- ristisch für das Saarland (um 1950). 7
sich unter anderem in römischen satz der Kohlen. Schmiede zähl- ser Zeit die Kohlengräberei in der Wohnstätten von Saarbrücken, ten zu den ersten Abnehmern, Umgebung von Sulzbach. 1586 Brebach und Beckingen. später kamen die Eisenschmel- erließ Graf Philipp von Nassau- Erste urkundliche Erwäh- zen und Glashütten hinzu. Und Saarbrücken eine erste Bergord- nungen des Kohleabbaus im allmählich erlangte die saarländi- nung. Sie regelt die Begrenzung Saarrevier entstammen dem sche Kohle auch überregionale der privaten Kohlengräbereien 14. und 15. Jahrhundert. Schwer- Bedeutung. Saarkohle wurde nun und enthält Bestimmungen über punkte dieses „Frühen Berg- bereits über längere Entfernun- Kohlengewinnung und Kohlen- baus“, der sich als oberflächen- gen mit Pferdefuhrwerken trans- verladung sowie Abgaben und nahes Schürfen in Form des so portiert. Mit Lastkähnen ver- Strafen. In die gleiche Zeit fällt ei- genannten „Wilden Kohlengra- schifft, erreichten die Steinkohlen ne Zunftordnung für die Kohlen- bens am Flözausgehenden“ cha- aus dem Saarbecken saar- und gräber der Gemeinden Dudweiler rakterisieren lässt, sind innerhalb moselabwärts bereits Trier und und Sulzbach. 1575 wird zum des Saarkohlenwald-Reviers das Koblenz. Als Beleg für diesen re- ersten Mal die später wichtige Sulzbachtal mit den Bergorten gen Handel gilt eine Erwähnung Grube Wellesweiler genannt, aus Dudweiler und Sulzbach und der des bei St. Johann errichteten der die Zweibrücker Hofhaltung Neunkircher Raum sowie die „Kohlrech“, der späteren „Kohl- ihre Kohlen bezog. Und im Jahre „karbone“ Insel rund um die Orte waage“, aus dem Jahr 1608. Den 1602 wird der Kohlenbergbau in Ensdorf, Griesborn und Schwal- größten Umfang erreichte zu die- St. Ingbert erstmalig erwähnt. bach. Die erste urkundliche Er- wähnung der Steinkohle ent- stammt dem Jahr 1357. Damals untersagten die „Edelleute Fried- rich und Simon von Saarbrük- Verstaatlichung der Kohlengruben durch ken“ das Graben von Steinkoh- Fürst Wilhelm Heinrich zu Nassau-Saarbrücken len auf dem Banne von Dudwei- ler. Wichtigstes Dokument jener Zeit ist aber ein Klosterbuch – Die Herrschaft Saarbrücken rechter Abbau, verbunden mit das aus dem Jahr 1429 stam- hatte es schon früh verstanden, wirksamer Wasserlösung. Zudem mende „Schöffenweistum zu durch Tausch und Kauf die be- übertrug Wilhelm Heinrich den Neumünster“ bei Ottweiler. Die kannten Fundstätten von Stein- gesamten Kohlenhandel einem Schöffen von Neumünster legen kohlen in ihren Besitz zu bringen, Hauptmann Quinn, setzte die darin fest, dass die Steinkohlen, ein Faktum, das für die nunmehr fürstliche Rentkammer zu Saar- die in der Umgebung gewonnen beginnende Entwicklung des brücken als oberste Bergbehörde werden, dem Saarbrücker Gra- Saarbergbaus von entscheiden- fest, ließ eine Bestandsaufnahme fen gehören und ohne dessen Er- der Bedeutung werden sollte. der vorhandenen Gruben durch- laubnis nicht abgebaut werden Fürst Wilhelm Heinrich zu Nas- führen, führte die Kohle allgemein dürfen. sau-Saarbrücken vollzog im Jahr als Hausbrand ein und siedelte Die Bauern, die am Ausge- 1751 die „Einziehung“ der Stein- neue Industriewerke wie Glashüt- henden der Flöze nach Kohlen kohlengruben. Von diesem Zeit- ten, Eisenwerke und die Saarbrü- gruben, benötigten also eine lan- punkt an steht der Saarbergbau cker Rußhütte an. Durch Verord- desherrliche Genehmigung und im Wesentlichen ständig unter nung des Fürsten Ludwig von mussten hierfür den „Grubengült“ einheitlicher Leitung im Staatsbe- Nassau-Saarbrücken wird im als Abgabe entrichten, was meist sitz – ein Umstand, der ihm sein Jahr 1769 eine „Bruderbüchse“ dem achten Teil der Förderung von allen anderen Bergbaurevie- für die Bergleute sämtlicher lan- entsprach. Die Kohle aus diesen ren des Kontinents unterschiedli- desherrlicher Gruben eingerich- Bauerngruben wurde vorwiegend ches, ureigenes und unverkenn- tet, die freie Kur und Arznei sowie zum Kalkbrennen und somit zur bares Gepräge verliehen hat. Mit Krankengeld und etwa weitere Düngung der Felder benutzt. Erst der im Jahr 1754 durchgeführten nötige Unterstützungen gewähr- nach und nach löste die Stein- „Allgemeinen Reservation“ der te. Die Bruderbüchse gilt als die kohle Holz als Hausbrand ab. Steinkohlengruben und Abbaufel- Vorläuferinstitution des „Saarbrü- Waren die gewonnenen Kohlen der wird die systematische, wirt- cker Knappschaftsvereins“. zunächst ausschließlich zum schaftliche und rationelle Kohlen- Seit dem 19. Juli 1766 wurden bäuerlichen Selbstverbrauch be- gewinnung an der Saar eingelei- alle auf herrschaftlichem Gebiet stimmt, entwickelte sich nach und tet. An die Stelle der planlosen liegenden Kohlengruben auf fürst- nach auch ein regelrechter Ab- Kohlengräberei tritt ein kunstge- liche Rechnung geführt – zum da- 8
Saarbrücken-Dudweiler und Sulzbach: „Klamme“ auf dem „Brennenden Berg“ (2010). maligen Zeitpunkt bestanden Gru- len aus dem Berg ab, wodurch kohle förderten. Der Ertrag der ben in Schwalbach, Stangenmüh- aber das Vordringen des Berg- Steinkohlenwirtschaft blieb in die- le, Klarenthal, Gersweiler, Rußhüt- baus in größere Tiefen unmöglich ser Phase jedoch gering und er- te, Jägersfreude, Friedrichsthal, war. Erste Ansätze zum eigentli- brachte nicht die erhofften und an- Schiffweiler, Wellesweiler, Dud- chen Tiefbau waren in den 60er- gestrebten Verbesserungen für weiler, Sulzbach und Burbach. und 70er-Jahren des 18. Jahrhun- den fürstlichen Staatshaushalt. Nach einem Bericht des Bergin- derts in Schwalbach und Gries- Dass der hiesige Bergbau jedoch spektors Jakobi waren diese Gru- born vorgenommen worden, als bereits einen hohen Bekanntheits- ben allesamt Stollenbetriebe, die man erstmals versuchte, Pumpen grad erreicht hatte, belegt der im Flöz ansteigend in den Berg hi- zur Hebung der Wässer einzuset- Saar-Besuch von Johann Wolf- neingetrieben wurden. Allein die zen: Nach einer Beschreibung der gang von Goethe im Jahr 1770. In neu angelegte Grube bei der Dud- Jahre 1803/04 soll dort schon im „Dichtung und Wahrheit“, Band X, weiler Alaunhütte arbeitete erst- Jahre 1773 (oder 1778) eine führt der wohl bekannteste Tourist, malig mit einem tiefen Stollen, von „pomp à feu“, sprich eine mit der das Land an der Saar je bereist dem aus die Flöze mit einem Quer- Dampfkraft angetriebene Pumpe, hat, unter anderem aus: „... Hier schlag aufgeschlossen wurden. im Einsatz gewesen sein. wurde ich nun eigentlich in das In- Es wurde bereits geschossen, 1773 standen 45 Stollen mit teresse der Berggegenden einge- sonst verwendete man als Gezähe insgesamt 141 Bergleuten in För- weiht, und die Lust zu ökonomi- vor allem Schlägel und Eisen. Der derung. An der Spitze der Nassau- schen und technischen Betrach- Ausbau der schmalen und wenig Saarbrücker Gruben stand die tungen, welche mich einen großen hohen Strecken erfolgte in Holz, Grube Wellesweiler mit einer Be- Teil meines Lebens beschäftigt ha- als Geleucht benutzte man offene legschaft von 32 Mann, die sich ben, zuerst erregt. Wir hörten von Öllampen und zur Förderung zu- auf vier Stollen verteilten. Die Ge- den reichen Dudweiler Steinkoh- erst kleine Holzschlitten, später samtförderung im Revier betrug in lengruben, von Eisen- und Alaun- Loren, so genannte „Hunde“. In diesem Jahr 21.000 Tonnen. Im werken, ja sogar von einem bren- der Regel führte man die Gruben- Jahr 1790 waren bereits 270 Berg- nenden Berge, und rüsteten uns, wässer mit Hilfe von Wasserlö- leute auf den staatlichen Gruben diese Wunder in der Nähe zu be- sungsstollen in Höhe der Talsoh- angelegt, die 50.000 Tonnen Stein- schauen ...“ 9
Wirtschaftlicher und sozialer Aufbruch gend verlaufenden Pachtzeit übernahm er im Jahr 1808 selbst in der Napoleonischen Ära wieder die Gruben und betrieb sie auf fiskalische Rechnung. 1813 war die Zahl der Bergleute schon auf 693 angestiegen, die eine Jahresförderung von 83.000 Ton- nen Steinkohle erbrachten. Besondere Bedeutung er- langte in dieser Zeit die Eisenhüt- te Geislautern. Napoleon selbst hatte den Auftrag erteilt, der Hüt- te eine praktische Berg- und Hüt- tenschule zur Ausbildung von In- genieuren anzugliedern. Ein Aka- demiegebäude und Beamten- wohnungen wurden errichtet. Zum Direktor der Schule wurde der Ingenieur Jean-Baptiste Guil- lot Duhamel ernannt. Unter an- derem erhielt die Geislauterner Einrichtung den Auftrag, die Koh- Saarkohlen-Atlas: Karte mit Abbildung der Industrieagglomeration Geis- levorkommen an der Saar karto- lautern (1810). grafisch festzuhalten. Im Jahr 1810 hatten die Ingenieurgeodä- Die Eroberung des linken 1792 zunächst als staatliche Re- ten Beaunier und Calmelet das Rheinufers und seine Eingliede- giebetriebe geführt und einer „Di- Werk vollendet: der Saarkohlen- rung in den französischen Staats- rection Générale“ unterstellt wa- atlas, die erste flächendeckende verband beseitigten die vorheri- ren, die Gruben des Saarreviers Erfassung der industriellen Struk- gen fürstlichen Kleinwirtschaften. von 1797 bis 1807 an die Compag turen in der Saarregion, lag nun- Das Land an der Saar wurde wirt- nie Equer verpachtet. Lediglich mehr vor. Der Atlas wurde in den schaftlich fest mit Frankreich ver- die Privatgrube Hostenbach, die Folgejahren zur Grundlage der bunden, die Handelsbeziehungen von dem Gewerken Villeroy und systematischen Erschließung zum rechtsrheinischen Deutsch- drei anderen Unternehmern be- der saarländischen Steinkohlen- land wurden hingegen weitestge- trieben wurde, und die Grube lagerstätte. Außerdem wurden in hend abgetrennt. Während der Bauernwald verblieben in Privat- Geislautern Versuche zur Eisen- Zugehörigkeit zu Frankreich ent- besitz. Nach Ablauf der für den verhüttung mit Steinkohle durch- faltete sich das gesellschaftliche französischen Staat unbefriedi- geführt. Leben und die Aufhebung der Leibeigenschaft und der Zünfte führten zu Gleichheit und persön- licher Freizügigkeit der nun fran- zösischen Bürger an der Saar. Preußische und Bayerische Bergverwaltung Dank der erworbenen Frei- nach 1815 bis zum Ersten Weltkrieg heiten erblühte die Wirtschaft in der Gegend um Saarbrücken. Es kam zu einem sichtbaren Auf- Mit der Zuordnung der Saar- brochen. Auch die extreme Rand- schwung in den Zweigen, die mili- gegend nach dem Zweiten Pari- lage zu Deutschland und die un- tärisches Material produzierten. ser Frieden 1815 zu vier deut- günstigen Verkehrsverhältnisse Durch die anhaltenden Kriege schen Staaten zerteilten die Sie- führten in den folgenden zwei Frankreichs um die Vorherrschaft germächte aufs erste die gerade Jahrzehnten zu schweren wirt- in Europa prosperierten die Ei- gewonnene politische und wirt- schaftlichen Rückschlägen, zu- senhütten und der Handel, der schaftliche Einheit. Ein Teil der mal sich die beiden wesentlichen Steinkohlenbergbau hingegen Rohstoffquellen versiegte, Ab- Partizipanten am Saarrevier, stagnierte. Frankreich hatte, satzmärkte und Handelsbezie- Preußen und Bayern, anfangs nachdem die Bergwerke nach hungen waren schlagartig unter- ebenfalls durch Zölle gegenein- 10
ander abschirmten. Im Einzelnen die Preußische Bergschule Saar- tungsmaschine und 1829 eine war der größte Teil des Saarkoh- brücken gegründet. Bis zum Be- acht PS starke Fördermaschine. lengebietes mit den 12 Saargru- ginn der 1850er-Jahre wurden die Eine Reihe wichtiger und langer ben Dudweiler-Sulzbach, Jägers- vielen kleinen Bergwerke betrieb- Stollen wurde aufgefahren, so freude, Rußhütte, Gersweiler, lich zu größeren Einheiten zu- beispielsweise der Tiefe Stollen Geislautern, Schwalbach, Ritten- sammengefasst und die privaten (Gersweiler, 1816), der Palm- hofen, Güchenbach, Wahlschied, Gruben mit Ausnahme der Grube baum-Stollen (Wellesweiler, Illingen, Kohlwald und Welleswei- Hostenbach eingezogen. Abbau 1816), der Carolinen-Stollen ler an Preußen gefallen, der klei- und Förderung erfuhren wesentli- (Dudweiler, 1820), der Gerhard- nere Teil mit den Gruben St. Ing- che Verbesserungen, das Stra- Stollen (Bauernwald, 1821), der bert und Mittelbexbach war dem ßennetz wurde erweitert. Ein Friedrich-Wilhelm-Stollen (Neun- Königreich Bayern zugeschlagen spektakuläres Vorhaben war der kirchen, 1821) oder der Venitz- worden. Bau einer Bahnlinie im From- Stollen (Sulzbach, 1826). Neben In der Folge ließ der Preußi- mersbachtal, die den Transport der Verbesserung des Grubenbe- sche Staat durch Oberbergrat der Kohlen der Grube Bauern- triebes verstärkte die preußische Graf von Beust eine umfangrei- wald nach Luisenthal zur Kohlen- Administration die Bemühungen che Bestandsaufnahme aller Gru- niederlage an der Saar ermögli- um einen größeren Absatz und ei- ben durchführen. Zugleich errich- chen sollte (1817/21). Dieser ne Ausweitung des Absatzgebie- tete man am 8. Dezember 1815 „Traum vom Fahren“ auf dem so tes: Von 1835 bis 1850 erhöhte eine „Königliche Bergamts-Com- genannten „Friederiken-Schie- sich die Förderung etwa um das mission zu Saarbrücken“ als eine nenweg“ scheiterte jedoch. Vor al- Dreifache von etwa 232.000 Ton- dem Königlichen Oberbergamt lem begann der preußische Berg- nen auf nahezu 636.000 Tonnen. Bonn unterstellte und verantwort- fiskus damit, in größerem Umfang Im gleichen Zeitraum stiegen die liche Behörde, die ein Jahr später Dampfmaschinen einzusetzen: Belegschaftszahlen der Gruben in ein Königliches Bergamt umge- 1828 erhielt die Grube Kronprinz Jägersfreude, Prinz Wilhelm wandelt wurde. Zeitgleich wurde eine 20 PS starke Wasserhal- (Gersweiler), Gerhard, Geislau- Neunkirchen-Dechen: Liegende Zwillings-Dampffördermaschine am Schacht I der Grube Dechen (1919). 11
Neunkirchen-Heinitz: Preußische Bergbeamte vor dem 1847 angehauenen Heinitz-Stollen (um 1860). tern, Sulzbach-Dudweiler, Sulz- bahnabsatz. 1850 kam noch der schaft zutrifft. Gleichwohl befand bach-Altenwald, Kronprinz Fried- Von-der-Heydt-Stollen im östli- sich die Industrialisierung der Re- rich Wilhelm (Schwalbach, Hirtel, chen Feld der Grube Gerhard hin- gion bereits in vollem Gange. Ei- Dilsburg), Merchweiler, Quier- zu. Seit 1833 machte auch der ne wichtige Grundlage für diese schied, Königsgrube, Fried- Übergang zum Tiefbau erhebliche Entwicklung hatte der Deutsche richsthal und Wellesweiler von Fortschritte: 1838 erreichte die Zollverein geschaffen. Er öffnete 1.383 auf 4.580 Bergleute. Im Grube Geislautern die 1. Tiefbau- einen weiten, zusammenhängen- gleichen Zeitraum kamen für die sohle, 1842 teufte man die den Binnenmarkt, der Investitio- weitere Entwicklung wichtige und Schwalbacher Schächte unter die nen mehr denn je lohnenswert er- ausgedehnte Stollenbetriebe zur Sohle des Ensdorfer Stollens ab, scheinen ließ. Diese wirtschaftli- Ausführung. 1833 eröffnete man ein Jahr später wurde der Gegen- che Neuordnung überschnitt sich die Arbeiten am Ensdorfer Stollen ortschacht in Dudweiler als Ge- mit einer Revolution auf dem Ver- für die Grube Kronprinz bei genort zum Betrieb des 1830 an- kehrssektor. Die Eisenbahn redu- Schwalbach, 1837 schlug man gehauenen Tiefen Saarstollens zierte den Zeitaufwand zur Über- den Veltheim-Stollen bei Lui- und als erster Tiefbauschacht im brückung von Distanzen durch- senthal zur tieferen Aufschlie- Sulzbachtal begonnen, 1844 schnittlich um den Faktor zehn. ßung der Grube Gerhard an, 1840 setzten die Arbeiten am Wilhelm- Gleichzeitig steigerte sie die den Flottwell-Stollen für die Grube Schacht I der Königsgrube, 1847 Transportkapazität in Dimensio- Altenwald und den Bodel- am Reden-Schacht und 1849/50 nen, welche die Vorstellungskraft schwingh-Stollen für die Grube an den beiden Scalley-Schächten der Zeitgenossen sprengte. Deut- Merchweiler, 1844 den Dilsburger der Grube Dudweiler ein. scher Zollverein und Eisenbahn Stollen, 1846 den Reden-Stollen Die Saarwirtschaft war am trieben die Industrialisierung also bei Landsweiler und 1847 den Vorabend der Reichsgründung entscheidend voran; dies galt ins- Heinitz-Stollen als neuen Förder- noch weitgehend agrarisch ge- besondere für die Saargegend, punkt im Felde der Königsgrube prägt, ein Befund, der übrigens milderten sie die bekannten für den zu erwartenden Eisen- auf die gesamte deutsche Wirt- Standortnachteile, resultierend 12
aus der politischen Randlage und cken-Trier-Luxemburger Bahn schicht an der Saar sank aller- den geographischen Gegeben- (Saar-Bahn) bis 1860 brachte den dings nicht auf die Stufe des an- heiten, doch beträchtlich. Einen Anschluss der Gruben Gerhard dernorts nachweisbaren Indus besonderen Aufschwung erfuhr und Kronprinz mit sich, und die trieproletariats ab. In der Nähe der Bergbau durch den Bau der Eröffnung der Rhein-Nahe-Bahn der Produktionsstätten erbauten das Grubengebiet durchschnei- (Neunkirchen-Bingerbrück) er- die Zuwanderer neue Dörfer und denden Saarbrücker Eisenbahn möglichte den Transport von vergrößerten vorhandene. Das in den Jahren 1848-1852, denn Saarkohlen auch ins Mittelrhein- Siedlungsbild in den Kreisen damit war der Anschluss an die gebiet. Daneben stieg durch die Saarbrücken und Ottweiler verän- 1849 fertiggestellte bayerische Li- Fertigstellung des Saarkohlenka- derte sich so entscheidend. Die nie Ludwigshafen-Bexbach (Pfäl- nals im Jahr 1866 sowie der Saar- Förderung auf den Saargruben zische Ludwigsbahn) und auf der Kanalisierungsarbeiten von der stieg bis 1860 auf über 2,02 Milli- anderen Seite an die 1851 vollen- französischen Grenze bis Ensdorf onen Tonnen an; weit über 12.000 dete Linie Nancy-Metz-Forbach im Jahr 1879 auch das Frachtgut- Bergleute waren „angelegt“. Mit (Französische Ostbahn) erreicht. aufkommen auf den Wasserstra- der Aufhebung der preußischen Jetzt entstanden die wichtigen so ßen stark an. Das Saarrevier ver- Bergämter im Jahre 1861 trat an genannten „Eisenbahngruben“ lor somit seine isolierte Lage. deren Stelle die Königliche Berg- Heinitz, Reden, AItenwald, Dud- Schifffahrt und Eisenbahn ermög- werksdirektion in Saarbrücken als weiler und Von der Heydt sowie lichten nun Massenguttransporte. neue Verwaltungsbehörde der bis 1862 noch Dechen, Fried- Unter den nach 1850 scharenwei- Saargruben. Anstelle der bisher richsthal, Itzenplitz, Sulzbach und se anrückenden Arbeitern waren bestehenden Bergmeistereien Ziehwald. Der Aufschwung in der vornehmlich Tagelöhner und traten sieben Berginspektionen, Stahl- und Eisenindustrie machte Kleinbauern ohne Auskommen deren Zahl bis 1890 auf elf an- die Errichtung großer Kokereian- aus den ländlichen Regionen. stieg. lagen auf den Fettkohlengruben Schrittweise lösten sie sich von Der Deutsch-Französische Dudweiler, Altenwald, Heinitz-De- ihrer bäuerlichen Herkunft und Krieg von 1870/71 bedeutete eine chen und König-Wellesweiler not- wuchsen in die Rolle des Indus arge, wenn auch nur kurzfristige wendig. Der Bau der Saarbrü- triearbeiters hinein. Die Arbeiter- Zäsur des günstigen Konjunktur- St. Ingbert: Belegschaft der bayerischen Grube St. Ingbert vor dem A-Stollen der Rischbachanlage (ohne Angabe). 13
rund fünf Milliarden Franken (= vier Milliarden Mark). Die Anne- xion Elsass-Lothringens brachte speziell für die Saar überdies die Befreiung aus der direkten Grenz- lage und damit die Integration in einen größeren Binnenmarkt. Aus dieser nunmehr günstigen poli- tisch-wirtschaftlichen Konstella tion heraus bezog die berühmt- berüchtigte deutsche Gründerzeit ihre Dynamik. Auf den Boom musste die Ernüchterung folgen, die Reduzierung auf das normale Maß. Gleichwohl bildeten die so genannten „Gründerjahre“ den Auftakt für eine Periode bis dahin Dudweiler: Malakofftürme über den Schächten der Grube Scalley (später: nicht gekannten wirtschaftlichen Hirschbach, um 1860). Wachstums und Prosperität, die – von wenigen Unterbrechungen klimas. Schließlich war die Regi- menbedingungen entscheidend. abgesehen – bis zum Ersten on von den Kampfhandlungen di- Die Standardisierung von Maßen Weltkrieg währte. rekt betroffen. Der Waffengang und Gewichten sowie des Wirt- Nach dem Deutsch-Französi- endete in der Reichsgründung schaftsrechts und der Währung schen Krieg setzte zunächst von Versailles. Gleichzeitig ver- wirkten ebenso positiv wie der ein beachtlicher konjunktureller besserte das politische Ereignis psychologische Effekt des ge- Boom ein, in dessen Zeitabschnitt der nationalen Einigung Deutsch- wonnenen Krieges und die viel zi- die Neugründung der großen Tief- lands die wirtschaftlichen Rah- tierte Kriegsentschädigung von bauanlagen im Fischbachtal mit Saarbrücken-St. Johann: Verladekran auf der Hafeninsel, der früheren „Kohlwaag“ (1960). 14
den Gruben Camphausen (1871), Brefeld (1872) und Maybach (1873) fiel. Trotz der sich abküh- lenden Konjunktur kam es im Saarbergbau zu keiner Krise, Massenentlassungen wie in an- deren Revieren konnten ebenso wie Produktionseinschränkungen vermieden werden. Dies lag zum größten Teil an der zunehmenden Verwendung von Bergwerksma- schinen im Unter- und Übertage- bereich: Maschinelle Seilförde- rung auf ebenen Strecken wurde erstmals auf dem Kontinent im Jahre 1862 auf der Grube Von der Heydt eingesetzt, gleichzeitig ka- men Schmalspurlokomotiven in Gebrauch, 1865 begann man nach der Methode des Strebbaus den bislang betriebenen Sche- melbau zu ersetzen und die Flöze abzubauen; beim Schachtabteu- fen wurde Dynamit verwendet, die Verwendung von Druckluft für Bohr- und Schrämmaschinen, Häspel, Pumpen und Sonderbe- wetterungsventilatoren wurde All- Quierschied-Fischbach: Grubenbahnhof des Bergwerks Camphausen an gemeingut, 1872 richtete man ei- der Fischbachtalbahn (1962). ne Fahrkunst als singuläre Er- scheinung im Saarbergbau im Union-Schacht der Grube Hos- ersetzt. Als Symbol dieser Hoch- dessen wieder ein gewaltiger Auf- tenbach ein, und die bisher ge- zeit des Bergbaus gilt der schwung ein, der erste Prospekti- bräuchlichen einzylindrigen Ba- 1877/80 errichtete Monumental- onsarbeiten im Warndt mit sich lancier-Maschinen wurden durch bau der Königlich-Preußischen brachte und zum Abteufen weite- liegende Zweizylindermaschinen Bergwerksdirektion in Saarbrü- rer Schächte für Fettkohlengru- cken-St. Johann. Das am 1. Juli 1870 mit einer Probenummer erstmalig erschienene Wochen- blatt „Der Bergmannsfreund“, die erste bergmännische Werkszeit- schrift in Deutschland, und der „Saarbrücker Bergmannskalen- der“, der 1873 erstmalig heraus- gegeben wurde, kommentierten in der Folge stets das bergmänni- sche Geschehen an der Saar. Von 1880 bis etwa 1895 stag nierte die weitere Entwicklung aufgrund gesamtwirtschaftlicher Schwierigkeiten; hinzu kam das schwere Grubenunglück auf der jungen Grube Camphausen am 17. März 1885, das 180 Opfer for- „Der Bergmannsfreund“ vom derte und die Grube auf Jahre hi- Der „Saarbrücker Bergmannska- 1. August 1914. naus stilllegte. Seit 1895 setzte in- lender“ für das Jahr 1891. 15
Saargruben bestand im Jahr 1914 aus 3.401 Maschinen mit 226.930,5 PS. Den höchsten Me- chanisierungsgrad wies im Be- zugsjahr das Steinkohlenberg- werk Gerhard mit 481 auf. Im letz- ten Vorkriegsjahr 1913 betrugen Förderung und Belegschaft etwa 13,2 Millionen Tonnen und 56.589 Bergleute. Gegen Ende der über einhundertjährigen preußischen Verwaltung gehörten 166 Schäch- te, davon 66 Förderschächte, zum Saarrevier. 24 Kohlenwä- schen waren in Betrieb und ver- sorgten Kokereien und drei Gru- benkraftwerke in Heinitz, Weiher und Luisenthal. Das Saarkohlen- revier hatte durch die kontinuierli- che preußische Verwaltung eine Saarbrücken-Von der Heydt: Bergmännisches Leben im Schlafhaus (1905). bedeutende Stellung in der deut- schen Kohlenwirtschaft erreicht: Viele technische Erneuerungen ben führte. Bestehende Gruben stärkten Einsatz von Maschinen gingen mittlerweile vom Saarre- wurden beträchtlich erweitert, so erreicht werden: Die Zahl der vier aus und der technische Be- dass im Jahr 1900 die Arbeiter- Dampfmaschinen stieg von 1880 trieb galt als besonders fortschritt- zahlen auf über 42.000 angestie- bis 1900 von 301 auf 783, die ers- lich. Der 1908/11 errichtete För- gen waren – bei einer gleichzeiti- ten elektrischen Maschinen derturm Camphausen IV, der als gen Erhöhung der Förderung von tauchten 1894 auf und bereits weltweit erste Turmförderkons 7 Millionen Tonnen im Jahre 1895 1904 wurde erstmalig eine elektri- truktion in Stahlbeton und als heu- auf rund 9,5 Millionen Tonnen im sche Fördermaschine auf dem te ältester Förderturm im deut- Jahre 1900. Diese gewaltige Stei- Kolonieschacht der Grube Alten- schen Bergbau anzusprechen ist, gerung der Produktion konnte wald aufgestellt. Die Gesamt-Ma- versinnbildlicht den damaligen wiederum nur durch einen ver- schinenkapazität der fiskalischen Fortschrittsgeist. Püttlingen: Tagesanlagen der Gru- be Viktoria (1884/85). 16
Neunkirchen-Heinitz: Tagesanlagen der Grube und Kokerei Heinitz im Holzhauerthal (1960). Neunkirchen-Dechen: Fördergerüste über den De- Quierschied-Fischbach: Hammerkopf-Förderturm über chen-Schächten II, I und III (von links, 1935). Schacht IV der Grube Camphausen im Bau (1911). 17
Zweite französische Verwaltungszeit – eingesetzt, die noch betriebene Pferdeförderung verlor mehr und Mines Domaniales Françaises de la Sarre mehr an Bedeutung: 1934 waren insgesamt 134 Druckluft- und 57 Die Artikel 45 bis 50 des suchte die französische Verwal- Diesellokomotiven unter Tage „Versailler Friedensvertrages“ tung die Förderung im Saarrevier eingesetzt, immerhin taten noch vom 28. Juni 1919 übertrugen mit allen Mitteln zu steigern. Die 82 Pferde ihren Dienst. Frankreich das vollständige und betrieblichen Maßnahmen er- Die französische Verwaltung unbeschränkte Eigentum an den streckten sich im Wesentlichen hatte zunächst die preußische Saargruben für eine Dauer von auf den verstärkten Einsatz mo- Grubeneinteilung in mittlerweile 15 Jahren. Am 20. Januar 1920 torischer Kraft bei der Gewin- zwölf Inspektionen beibehalten, wurden die Saargruben an die nung und dem Transport, auf diese aber 1920 in drei Gruppen „Mines Domaniales Françaises Verkürzung der Wege und den (West, Mitte und Ost) zusammen- de la Sarre“ übergeben. Da die Einsatz erster Pickhämmer und gefasst. Zu diesen Werksgruppen nordfranzösischen Kohlengru- Kettenschrämmaschinen. Aus gehörten die Elektrizitäts- und ben durch die Kriegseinwirkun- Sicherheitsgründen wurden jetzt Wasserwerke, eine Kokerei und gen größtenteils zerstört waren, Druckluft- und Diesellokomotiven eine Wärme-, Fahrzeug- und Te- legraphenabteilung. Bis 1935 setzte dann eine Betriebszusammenlegung zu- nächst unter Tage ein, so dass „Verbundbergwerke“ entstanden. Weiterhin wurden zehn Förder- und Wetterschächte neu abge- teuft. Vor allem die Aufbereitung der Rohförderung wurde nun- mehr verstärkt in Wäschen durch- geführt. 1934 gingen schon 60 Prozent der Kohlen durch die Kohlenwäschen, 1919 waren es nur 37 Prozent gewesen. Der Vertrieb der Kohle ge- schah über den „Service Com- mercial“, der über umfangreiche Handelsvertretungen verfügte. Die Förderung stieg von 1920 bis 1929 von etwa 9,4 Millionen Tonnen auf über 13,5 Millionen Tonnen, sank aber anschließend infolge der schwierigen wirt- schaftlichen Gesamtsituation auf etwa 11,3 Millionen Tonnen (1934). Gleichzeitig nahm die Belegschaft von 71.383 im Jah- re 1920 über 60.793 im Jahr 1929 auf 44.380 Bergleute im Jahr 1934 ab. Welchen Umfang die Saargruben in der Zeit der „Mines Domaniales“ besessen hatten, geht daraus hervor, dass die 29 Grubenbetriebe, von de- nen in den Jahren 1931 und 1932 sieben stillgelegt wurden – darunter die Bergwerke Dilsburg (1931), Helene in Friedrichsthal Der „Saarbrücker Bergmannskalender“ für das Jahr 1926. (1931), Altenwald (1932), Hos- 18
tenbach (1932) und Von der sektor“ der Saarwirtschaft wurde sitz überführt. Das Oberbergamt Heydt (1932) –, über 65 Förder- aus den Ergebnissen einer Be- Bonn wurde als preußische Mittel- und 88 Hilfsschächte mit 26 Wä- legschaftszählung deutlich, die behörde auch für das Saarland schen, einer Kokerei und vier am 1. Dezember 1925 vorge- zuständig, und durch Gesetz vom Kraftwerken verfügten. Flöze nommen worden war. Daraus 13. Dezember 1935 wurden die von einem bis 3,50 Meter Mäch- ergab sich, dass insgesamt Gruben in eine Reichsaktienge- tigkeit wurden in Teufen von 50 211.592 Menschen aus dem sellschaft, die Saargruben AG, bis 700 Meter gebaut. Die Be- Saarbergbau direkt ihren Le- eingebracht, deren gesamter Akti- deutung des Bergbaus als „Leit- bensunterhalt bezogen. enbestand in Händen des Deut- schen Reiches lag. Die Eintra- gung ins Handelsregister erfolgte am 1. Januar 1937. Da unter den Mines Doma Deutsche Verwaltung von 1935 bis 1945 niales Françaises de la Sarre ins- durch die Saargruben AG gesamt 733 Millionen Franken in die Saargrubenbetriebe investiert worden waren, durchweg moder- Im so genannten „Rom-Ab- unbeweglichen Vermögens) an ne maschinelle Einrichtungen be- kommen“ vom 3. Dezember 1934 das Deutsche Reich über. Am standen und eine gesunde Infra- hatten sich die französische und 1. März 1935 wurde das Saarge- struktur vorhanden war, konnte die deutsche Regierung über den biet – nach der Volksabstimmung unter der Saargruben AG die ein- Rückkauf der Saargruben geei- vom 13. Januar 1935, die mit mal eingeleitete Betriebszusam- nigt. Für 900 Millionen Franken 90,76 Prozent zu Gunsten der menfassung fortgesetzt werden, oder 150 Millionen Goldmark ging Rückkehr der Saar ins Deutsche so dass der damalige Saarberg- das Eigentum an den Bergwerken Reich ausfiel – wieder an das bau den modernsten europäi- (einschließlich der Eisenbahn und Deutsche Reich zurückgegliedert. schen Gewinnungsbetrieben zu- der Zollbahnhöfe sowie des sons- Die Saargruben wurden in der zurechnen war. Schrämmaschi- tigen im Saargebiet gelegenen Folge in den Reichsbergwerksbe- nen wurden eingesetzt, zur Ver- Saarbrücken: Gebäude der Bergwerksdirektion bei der nächtlichen „Befreiungsfeier“ vom 1. März 1935. 19
besserung der Arbeit in den Ge- steinsbetrieben gab es Ladege- räte, die Grubensicherheit wurde verbessert und die Silikosegefahr verringerte man durch den Ein- satz von Spülbohrern. Stillgelegt wurden in dieser Phase die Anlagen Mittelbexbach (1936), Wellesweiler (1936) und Brefeld (1942). Der Zweite Weltkrieg setz- te der Aufwärtsentwicklung zu- nächst ein Ende; die Förderung ging nach einer Spitze von 16,16 Millionen Tonnen 1943 auf 12,4 Millionen Tonnen 1944 zurück. Die Belegschaft verringerte sich im gleichen Zeitraum von über 54.000 auf etwa 31.200 Bergleute und Angestellte. Im Dezember 1942 waren im Saarbergbau be- reits 3.000 Ostarbeiter, 1.800 rus- sische Kriegsgefangene, 900 itali- enische und spanische Fremdar- beiter sowie 67 Franzosen be- schäftigt. 1945 betrug die Förde- rung, die von knapp 34.000 Berg- leuten erbracht wurde, nur noch Gedenkmedaille zur Volksabstimmung vom 13. Januar 1935 mit Darstel- 3,46 Millionen Tonnen. lung eines Saarbergmannes von Fritz Koelle. Nach dem Zweiten Weltkrieg tärregierung die Verwaltung des unter alliierter Militärverwaltung Saarlandes. Im Verlauf der nächsten Jahre ging es darum, die Kriegsschäden zu ersetzen, Am 21. März 1945 besetzten on Française des Mines de la um so allmählich wieder Bergleu- die Amerikaner das Saarland. Sarre“ über, zum selben Datum te anlegen und die Förderung er- Die zum Teil stark zerstörten übernahm die französische Mili- höhen zu können. Bergwerke unterstanden darauf- hin zunächst der amerikanischen Kontroll-Kommission, der „Saar Mining Mission“. Die Förderung der noch arbeitenden Saargru- ben erreichte damals ihren nied- rigsten Stand mit nur noch 1.310 Tages-Tonnen, untertage waren gerade noch 5.500 Bergleute be- schäftigt. Am 10. Juli 1945 been- dete die amerikanische Kohlen- kommission ihre Tätigkeit und die Kontrolle ging auf die „Missi- Schiffweiler-Landsweiler/Reden: Frauen und Männer am Leseband auf Grube Reden (1954). 20
Schiffweiler-Landsweiler/Reden: Kriegsschäden an den Gebäuden und am Grubenbahnhof des Bergwerks Re- den (1944). Régie des Mines de la Sarre und Saarbergwerke ohne Auflagen und Beschränkun- – Dritte französische Verwaltungszeit gen abgesetzt werden konnte. Damit war das Signal zum konse- quenten Ausbau der Saar-Gru- Da Frankreich aus wirtschaft- 1. Januar 1948 alle Güter und ben gegeben worden. lichen Gründen das Saarrevier Rechte der in Liquidation befindli- Die Verantwortung und Zu- enger als die übrigen Teile seiner chen Saargruben AG. 1948, im ständigkeit für den Abbau der Besatzungszone an sich binden ersten Jahr der neuen Verwal- Saarkohle wurde in der Franzö- wollte, arbeitete die französische tung, konnten bereits wieder 84 sisch-Saarländischen Gruben- Regierung auf eine Wirtschafts- Prozent der Vorkriegsleistung er- konvention vom 3. März 1950 be- und Währungsunion der Saar mit bracht werden. Das bedeutete, stätigt. Eine weitere Konvention, Frankreich hin. Mit dem Inkraft- dass knapp 12,5 Millionen Ton- der „Vertrag zwischen Frankreich treten der Saarländischen Ver- nen Steinkohlen bei einer Beleg- und dem Saarland über den ge- fassung am 15. Dezember 1947 schaft von 62.524 Bergleuten ge- meinsamen Betrieb der Saargru- wurde der wirtschaftliche An- fördert werden konnten. Die För- ben“ vom 20. Mai 1953 (Saargru- schluss an Frankreich vollzogen derung der Saargruben wurde benvertrag), trug dem immer wie- und so die Trennung von Deutsch- nach dem Ende des Krieges zu- der vorgetragenen Wunsch der land verwirklicht. Im Rahmen die- nächst in einen interalliierten Saarländischen Regierung Rech- ses wirtschaftlichen Anschlusses Kohlen-„Pool“ eingebracht, aus nung, das Saarland mehr als bis- an Frankreich wurde auch die dem die Kohlen nach gemeinwirt- her an der Verwaltung der Saar- Verwaltung der Saargruben neu schaftlichen Richtlinien verteilt gruben zu beteiligen. So wurde geordnet. Auf Grund des Geset- wurden. Ein am 20. Februar 1948 auf der Grundlage des Saargru- zes über die Einführung der fran- in Berlin abgeschlossenes Wirt- benvertrages am 1. Januar 1954 zösischen Währung im Saarland schaftsabkommen über die Saar das Unternehmen „Saarbergwer- vom 15.11.1947 wurde die Ein- verfügte unter anderem, dass die ke“ gegründet, dessen Vorstand richtung einer Regie der Saargru- Saarkohle aus dem Pool aus- von einem paritätisch besetzten ben verfügt. Diese „Régie des Mi- scheiden und nach dem 1. April zwanzigköpfigen „Saargrubenrat“ nes de la Sarre“ übernahm am 1949 von der Régie des Mines überwacht wurde. 21
Der Widerstand gegen die Politik eines wirtschaftlichen An- schlusses des Saarlandes an Frankreich wurde in der Folgezeit im Saarland zunehmend stärker. Am 23. Oktober 1955 sprachen sich 67,7 Prozent der Saarbevöl- kerung gegen das so genannte „Saarstatut“ vom 23. Oktober 1954 aus. Ein Jahr später, am 27. Okto- ber 1956, wurde dann zwischen Frankreich und der Bundesrepub- lik Deutschland in Luxemburg der „Vertrag zwischen der Bundesre- publik Deutschland und der Fran- zösischen Republik zur Regelung der Saarfrage“ (Saarvertrag) un- terzeichnet. Dieser Vertrag been- dete endgültig die Auseinander- Bexbach: Französische Architektur im Zechensaal der neuen Grube setzungen zwischen beiden Län- St. Barbara (1954). dern um die Saarkohle auf eine für beide Seiten zufriedenstellen- de Weise. Denn ein wesentlicher Teil des Luxemburger Vertrags war der Saarkohle gewidmet. Ne- ben Vereinbarungen über den Ab- bau der Kohlefelder im Warndtge- biet und die zukünftige Organisa- tion des Kohleverkaufs enthielt der Vertrag auch die Grundsätze zur Neuordnung des Steinkohlen- bergbaus im Saarland. In Artikel 85 legte er der Bundesrepublik Deutschland auf, innerhalb einer bestimmten Frist einen neuen Rechtsträger für die Saarbergwerke zu be- nennen. Gleichzeitig wurde das Saarland berechtigt, sich an der neuen Gesellschaft durch Über- nahme der Aktien in Höhe von Schiffweiler-Landsweiler/Reden: Bergwerk Reden der Saarbergwerke AG 26 Prozent des Grundkapitals zu mit Umfeld (1960). beteiligen. Am 30. September 1957 wur- de das neue bundes- und landes- eigene Unternehmen Saarberg- Der Saarbergbau unter der Saarbergwerke AG werke AG gegründet, am 1. Okto- ber 1957 erfolgte der Übergang der Saarbergwerke auf den neu- Die neu gegründete Saar- ten Jahr des Geschäftsbetriebs en Rechtsträger Saarbergwerke bergwerke AG bewirtschaftete des Unternehmens hatte sich die Aktiengesellschaft. Das Grundka- 1958 insgesamt 99 in Betrieb be- Absatzlage für die deutsche pital in Höhe von 35 Milliarden findliche Schächte, von denen 24 Steinkohle zusehends ver- Franken wurde zu 74 Prozent der als Förder-, die übrigen als Seil- schlechtert. Billiges Mineralöl Bundesrepublik und zu 26 Pro- fahrt-, Material- und Wetter- drängte auf den Markt, zudem zent dem Saarland zugeteilt. schächte dienten. Schon im ers wurde Importkohle zunehmend 22
Saarbrücken-Velsen: Kohle-Hal- den der Grube Velsen im Rossel- tal (1960). 23
Neunkirchen-Dechen:„Altes fällt“ – Fördergerüst Dechen III (1978). in den folgenden Jahren auf der Grundlage der Saarberg-Gene- ralpläne I (1962) und II (1968), die die zukünftige Betriebsgestaltung der Grubenbetriebe festschrie- ben, weitere Anlagen stillgelegt: St. Ingbert (1959), Heinitz (1962), Victoria (1963), Dechen (1964), Maybach (1964), Velsen (1965), Kohlwald (1966), Jägersfreude (1968) und König (1968). Durch diese Schließung von Standorten konnte die Förderung von 16,2 Millionen Tonnen (1960) auf 10,6 Millionen Tonnen (1970) zurückgeführt werden. Die Ge- samtbelegschaft ging im gleichen Zeitraum von 52.964 fast um die Hälfte auf 26.883 Mitarbeiter zu- rück. Gleichzeitig stieg in diesen zehn Jahren die Untertageleis- tung von 2.013 Kilogramm pro Mann und Schicht (kg/MS) auf 3.632 kg/MS. Parallel zum Abbau dieser Kapazitäten wurde in neue Anla- gen investiert. 1959 nahm die Ko- kerei in Völklingen-Fürstenhau- sen den Betrieb auf, 1966 wurde die Kapazität der Anlage verdop- pelt. Nach fast fünfjähriger Bau- zeit konnte 1963 das Bergwerk Warndt die Förderung aufneh- men. Die schon 1938 von der Saargruben AG im Warndt vorge- sehene Großschachtanlage war Großrosseln-Karlsbrunn: damals durch den Krieg unausge- „Neues wächst“ – Förderturm führt geblieben. Der Saarvertrag des Bergwerks Warndt (1962). erlaubte nunmehr der Saarberg- werke AG den Bau und den Be- trieb einer Schachtanlage im Warndtkohlengebiet. Bundesfinanzminister Fritz konkurrenzfähig. So mussten Förderkapazitäten wurde unaus- Schäffner vollzog am 2. März auch im Saarbergbau Feier- weichlich: Schon 1952 war die 1957 den symbolischen ersten schichten eingelegt werden, die Dudweiler Hauptgrube Hirsch- Spatenstich zur 1.200 Meter tie- erste wurde am 14. Juli 1958 ge- bach (vormals: Scalley) geschlos- fen Warndt-Kernbohrung. Von der fahren. Die Haldenbestände sen worden. 1959 wurde unter nahen Grube Velsen aus wurden wuchsen auf fast eine Million Ton- der Saarbergwerke AG als erste Aus- und Vorrichtungsarbeiten nen Kohle sowie 44.700 Tonnen Anlage die Bexbacher Grube St. getrieben. Lothringische Bergleu- Koks und Schwelkoks an. Die Barbara stillgelegt, es folgte un- te führten im Auftrag und auf Steinkohlenreviere Ruhr, Saar, mittelbar danach die Anlage Mel- Rechnung des deutschen Berg- Aachen und Niedersachsen lin in Sulzbach. Die Kohlehalden bauunternehmens Gesteins schlossen sich zur Notgemein- an der Saar erreichten im Jahr arbeiten für die neue Grube vom schaft deutscher Kohlenbergbau 1960 die zwei Millionen Tonnen- Schacht St. Charles IV aus durch. GmbH zusammen. Ein Abbau der Grenze. Als Konsequenz wurden Nur so war es möglich, dass 24
Im Kraftwerksbereich sorgten die Zubauten auf den Standorten St. Barbara in Bexbach, Weiher in Quierschied und Fenne für eine Steigerung der elektrischen Ener- gieerzeugung von 1,7 Milliarden Kilowattstunden (1957) auf 4,1 Milliarden Kilowattstunden (1970). Zusätzlich erschloss die Saar- bergwerke Aktiengesellschaft neue Geschäftsfelder. Schwer- punkt der Konzernaktivitäten blieb der Steinkohlenbergbau sowie die Veredelung der Kohle zu Koks und Gas und vor allem die Strom- wirtschaft. Saarberg gründete mehrere Tochtergesellschaften – so die Saarländische Fernwärme GmbH Großrosseln-Karlsbrunn: Luftbild der Großschachtanlage Warndt (1966). (SFW, 1961) – und beteiligte sich an Firmen der Mineralölindustrie, schon im Mai 1963 die ersten beiten an der hochmodernen An- der Werkzeugherstellung und der Kohlen aus dem neuen Schacht lage ereignete sich auf dem be- chemischen Industrie (Saarland- gefördert werden konnten. Die nachbarten Bergwerk Luisenthal Raffinerie, 1965; Erdölwerke Grube Warndt lieferte vor allem die folgenreichste Katastrophe in Fisia, 1965; Deminex, 1966; wertvolle Kokskohle für die Ver- der Geschichte des Saarberg- Harnstoffwerk Besch, 1967; Foli- sorgung der saarländischen Stahl- baus. 299 Bergleute fanden am enwerke Saar, 1969; Werkzeug industrie. Während der letzten Ar- 7. Februar 1962 dort den Tod. Union, 1971; Belzer-Dowidat, Völklingen-Luisenthal: Trauerfeier aus Anlass des Luisenthaler Grubenunglücks, 10. Februar 1962. 25
Technik im Saarbergbau: Streb mit Schildausbau und Walzenschrämlader (ohne Angabe). Figur der Heiligen Barbara „Unter Tage“: Bei aller Technik – die Tradition wird hochgehalten (ohne Angabe). 26
1979). Die Tochtergesellschaft Jahre waren gekennzeichnet Saarberg-Interplan GmbH for- durch weitere Rationalisierung mierte sich als Consulting-Gesell- und Rückführung der Beleg- schaft mit dem Schwerpunkt auf schaft, aber auch durch eine Stei- der Lagerstättenprospektion. gerung der Schichtleistung. In Im Steinkohlenbereich betrie- Folge der Ölkrisen in den Jahren ben die Saarbergwerke AG zum 1973 und 1979 war der deutsche Ende der 1970er-Jahre die Ver- Steinkohlenbergbau von der bundbergwerke Reden, Camp staatlichen Energiepolitik aufge- hausen, Luisenthal und Warndt, fordert worden, die Förderkapazi- die überwiegend Fettkohle förder- täten wieder aufzubauen und so ten, sowie die Gruben Göttelborn zur Sicherheit der deutschen und Ensdorf, die Flammkohle ge- Energieversorgung beizutragen. wannen. Im Untertagebetrieb er- Die Saarbergwerke AG erhöhte folgte die Erschließung und die daraufhin die Steinkohlenförde- Gewinnung der Kohle auf vollme- rung kurzfristig von über zehn Mil- chanisiertem Weg mit Hilfe von lionen Tonnen (1980) auf über elf Streckenvortriebsmaschinen und Millionen Tonnen (1982). Die Ge- Streben mit Schildausbau und samtbelegschaft des Unterneh- Bexbach: Kraftwerk Bexbach (vor- Walzenschrämladern, die auf mens betrug 1980 rund 24.700 mals Kraftwerk St. Barbara, 1990). Panzerförderer laden. Zum da- und im Jahr 1982 wieder etwa maligen Zeitpunkt bestanden 24 26.000 Mitarbeiter. Außerdem Gewinnungsbetriebe mit einer hatte sich das Unternehmen ver- den der Kraftwerksblock Weiher durchschnittlichen Tagesförde- pflichtet, jedes Jahr über 1.000 III in Quierschied (1976), das Mo- rung von 1.400 Tonnen; etwa 80 Auszubildende neu einzustellen. dellkraftwerk Fenne in Völklingen Bergleute arbeiteten in vier In diese Zeit fällt auch der weitere (1982) und, zusammen mit süd- Schichten rund um die Uhr in ei- Ausbau der Kokerei- und Kraft- deutschen Partnern, das Kraft- nem solchen Streb. Die 1970er- werkskapazitäten, neu entstan- werk Bexbach (1983). 1984 wur- Völklingen-Fenne: Kraftwerk Fenne mit den alten (Mitte) und neuen Betriebsteilen (2010). 27
Lebach-Falscheid: Teufgerüst des neuen Nordschachts des Bergwerks Ensdorf (1982). de nach zweijähriger Bauzeit der kurze Renaissance der deut- der Kokskohle an die Stahlindus erste Koks in der Zentralkokerei schen Steinkohle: Der Preisverfall trie führten dazu, dass viele gera- Dillingen erzeugt. Mitte der des Rohöls, die Stagnation des de begonnene Maßnahmen wie- 1980er-Jahre beendeten dann Primärenergieverbrauchs, der an- der in Frage gestellt wurden. Die verschiedene, weitestgehend un- haltende Kursrückgang des US- nunmehr folgenden Jahre waren vorhersehbare Entwicklungen die Dollars und ein stetiger Rückgang somit erneut von umfassenden Anpassungsmaßnahmen ge- prägt. Der Beteiligungsbereich der Saarbergwerke AG wurde auf Unternehmen mit den Schwer- punkten Energie und Umwelt- technik zurückgeführt. Die Förde- rung der Bergwerke verringerte sich auf rund neun Millionen Ton- nen in 1992, gleichzeitig ging die Zahl der Mitarbeiter auf rund 18.000 zurück. 1988 hatte die Saarbergwer- ke AG ihr „Drei-Standorte-Kon- zept“ als Rahmenplanung für die zukünftige Behandlung der Stein- kohlenlagerstätte an der Saar ver- abschiedet. Dieses sah zum ei- nen die Schaffung des „Verbund- bergwerkes Göttelborn/Reden“ Lebach-Falscheid: Anlage Nordschacht des Bergwerks Saar 2011 (Inbe- („Verbund Ost“) mit dem Förder triebnahme 1987). standort Göttelborn durch die Zu- 28
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