Das Steinkohlerevier an der Saar - Eine Zeitreise durch mehr als 250 Jahre Industrie- und Landesgeschichte - Delf Slotta

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Das Steinkohlerevier an der Saar - Eine Zeitreise durch mehr als 250 Jahre Industrie- und Landesgeschichte - Delf Slotta
Das Steinkohlerevier an der Saar
Eine Zeitreise durch mehr als 250 Jahre Industrie- und Landesgeschichte
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Titelbild
Ensdorf: Fördereinrichtungen
der Anlage Duhamel (1935).
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Das Steinkohlerevier an der Saar

         Von Delf Slotta, Saarbrücken

              Saarbrücken 2011
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Lebach-Falscheid:
Anlage Nordschacht,
Bergwerk Saar.

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Inhalt

5    Das Steinkohlerevier an der Saar
     Eine Zeitreise durch mehr als 250 Jahre Industrie- und Landesgeschichte

7    Anfänge des Steinkohlenbergbaus an der Saar

8    Verstaatlichung der Kohlengruben durch Fürst Wilhelm Heinrich zu Nassau-Saarbrücken

10   Wirtschaftlicher und sozialer Aufbruch in der Napoleonischen Ära

10   Preußische und Bayerische Bergverwaltung nach 1815 bis zum Ersten Weltkrieg

18   Zweite französische Verwaltungszeit – Mines Domaniales Françaises de la Sarre

19   Deutsche Verwaltung von 1935 bis 1945 durch die Saargruben AG

20   Nach dem Zweiten Weltkrieg unter alliierter Militärverwaltung

21   Régie des Mines de la Sarre und Saarbergwerke – Dritte französische Verwaltungszeit

22   Der Saarbergbau unter der Saarbergwerke AG

31   Deutsche Steinkohle AG bis zum Ende des Saarbergbaus

35   Literatur

                                                                                       3
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Neunkirchen-Heinitz: Malakoff-
    turm über Schacht III der Grube
    Heinitz (1866).

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Delf Slotta

Das Steinkohlerevier an der Saar

Eine Zeitreise durch mehr als 250 Jahre Industrie- und Landesgeschichte

     König und Viktoria! Aber auch   des Saarbergbaus. Schon dieses       die die Geschicke in die eine oder
Brefeld, Camphausen, Dechen,         Beispiel zeigt auf: Bergbauge-       auch in die andere Richtung ge-
Gerhard, Heinitz, Itzenplitz, May-   schichte und Bergbaukultur an        lenkt haben. Der vielfache Besitz-
bach, Mellin, Reden, Serlo, Vel-     der Saar sind auf der einen Seite    und Eigentumswechsel hat somit
sen, Veltheim, Von der Heydt,        stets geprägt und abhängig von       auch in den Namen der Gruben-
Duhamel, Beaunier, Calmelet,         technischen, ökonomischen und        betriebe seinen Niederschlag ge-
Pascal oder Marcel Bertrand –        gesellschaftspolitischen Kräften     funden. An ihnen kann fast spie-
stolze Namen! Sie gehören be-        und Strömungen gewesen. Be-          gelbildlich abgelesen werden,
deutenden Persönlichkeiten aus       sondere politische Veränderun-       welche Kräfte zu welcher Zeit in
Politik, Administration und Berg-    gen traten im Saarrevier hinzu.      der Region bestimmend waren.
bau. Diese wurden namensge-          Auf der anderen Seite waren –             Doch Hand aufs Herz: Wer
bend für wichtige Grubenbetriebe     und sind – es immer Menschen,        kennt heute schon noch diese Na-

Harte Arbeit unter Tage mit Keilhaue (links) und Schippe. (ohne Angabe)

                                                                                                          5
Das Steinkohlerevier an der Saar - Eine Zeitreise durch mehr als 250 Jahre Industrie- und Landesgeschichte - Delf Slotta
Saarbergmann (1947).
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                                                                         Saarland noch immer, wenn auch
                                                                         nicht immer offenkundig, vorhan-
                                                                         den. Es waren schließlich Gene-
                                                                         rationen von Bergleuten, die in
                                    mensgeber? Wer weiß noch,            den Gruben über Jahrhunderte
                                    dass Friedrich Wilhelm Graf von      hinweg unter schwersten Bedin-
                                    Reden (1752-1815) preußischer        gungen gearbeitet haben. In den
                                    Staatsminister, Heinrich von De-     Hochzeiten des Saarbergbaus,
                                    chen (1800-1889) im Rang eines       zum Beispiel in den Aufbaupha-
                                    Oberberghauptmannes Direktor         sen nach den beiden Weltkriegen,
                                    des Oberbergamtes in Bonn und        waren auf den Saargruben mehr
                                    Graf Heinrich August von Itzen-      als 60.000, kurzfristig sogar mehr
                                    plitz (1799-1883) preußischer        als 70.000 Menschen angelegt.
                                    Handelsminister und oberster Lei-    Rechnen wir die Familienangehö-
                                    ter des Berg-, Hütten- und Sali-     rigen und all diejenigen, die dem
                                    nenwesens des preußischen            Bergbau zulieferten oder von ihm
                                    Staa­tes gewesen sind? Wir müs-      abhängig waren, hinzu, wird
                                    sen festhalten: Vieles an Wissen,    nachvollziehbar, dass der Berg-
                                    was die bergbauliche Vergangen-      bau als „die“ Schlüsselindustrie
                                    heit des Landes an der Saar an-      und als „der“ Leitsektor der ge-
                                    geht, ist bei den Menschen in Ver-   samten Region galt. Entspre-
                                    gessenheit geraten und mittler-      chend war der Bergbau, der
                                    weile nicht mehr Allgemeingut.       „Staat im Staate“, im gesamten
                                    Trotz alledem: der Bezug der         Land wahrnehm- und spürbar.

Friedrichsthal-Maybach: Luftbild der Tagesanlagen der Grube Maybach (1950).

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Darstellungen mit bergbaulicher      denes, und zwar in Haltung und      der heutigen Situation des Saar-
Symbolik fanden sich nicht nur in    Handlung innerhalb einer be-        landes und seiner Strukturen. Er
den Zentren des Steinkohlen-         stimmten Gemeinschaft, beson-       ist der Schlüssel zum Verständ-
bergbaus, also dem Saarkohlen-       ders einer solchen, die geistige    nis der Menschen, ihrer Wesens-
wald, im Ensdorfer Raum oder im      und kulturelle Belange in den       züge und ihrer Gewohnheiten.
Warndt. Schlägel und Eisen, die      Vordergrund stellt und deren ein-   Und er ist der Schlüssel, um dem
Symbole des Bergbaus, grüßten        zelne Glieder bewusst oder un-      Saarland und seinen Menschen
auch in solchen Orten, die weit      bewusst am Herkömmlichen            einen Weg und eine Perspektive
außerhalb des eigentlichen Koh-      festhalten“. Der (Rück-)Blick in    in eine hoffentlich erfolgreiche
leabbaugebietes lagen, von Häu-      die Geschichte ist wieder einmal    und lebenswerte Zukunft nach
serwänden herab. In den Sied-        der Schlüssel zum Verständnis       dem Bergbau zu weisen.
lungsbildern huldigen unzählige
Straßennamen         bergbaulichen
Phäno­menen und Sachverhalten.
An den Hauptzufahrtsstraßen
sind Transportwagen und Seil-        Anfänge des Steinkohlenbergbaus an der Saar
scheiben aufgestellt, in einigen
Orten sind regelrechte „Bergbau-
ecken“ entstanden. Und selbst in          Der Bergbau auf Steinkohlen    Neun­kirchen-Heinitz am Ried-
vielen Gemeindewappen hat            hat im Land an der Saar auf Grund   berg ansteht. Der historische Ab-
bergbauliches Motivgut Aufnah-       der besonderen geologischen         baubereich der „Heinitzer Kelten-
me gefunden. Auf Briefmarken         Verhältnisse nachweislich sehr      grub“ gilt als der bislang älteste
sind Fördertürme und Förderge-       früh eingesetzt. Keltischer Berg-   Nachweis für den Abbau von
rüste, untertägige Arbeitsvorgän-    bau auf Steinkohlen aus dem         Steinkohlen in Deutschland. Auch
ge wie Arbeiten mit dem Pickham-     7. und 6. Jahrhundert v. Chr. ist   die Kännelkohle-Ringe aus dem
mer oder aber Grubenpferde im        durch eine Perle aus so genann-     Grab der Ursula von Roden aus
Einsatz, abgebildet. Einige Apo-     ter Kännelkohle, einer schnitzba-   der Zeit des 3. Jahrhunderts n.
theken führen die Schutzheilige      ren Steinkohle, die im Grab der     Chr. konnten dem Flöz Tauen­t-
der Bergleute, die Heilige Barba-    Keltenfürstin in Rubenheim als      zien zugeordnet werden. Römi-
ra, im Namen.                        Grabbeigabe gefunden wurde,         scher Bergbau auf Eisenstein und
     Aus all dem lässt sich ablei-   belegt. Diese Kännelkohle stammt    andere Mineralien sind zudem
ten, dass der Bergbau in quasi al-   nachweislich aus dem ausgehen-      durch weitere Bodenfunde belegt,
le Bereiche des menschlichen         den Flöz Tauentzien, das bei        Reste von Steinkohlen fanden
(Zusammen-)Lebens eingewirkt
hat. Selbst in die Sprache hat der
Bergbau Eingang gefunden. Die
Saarkohle war das Fundament
für all jene kulturellen Phänome-
ne und Leistungen, die uns heu-
te wie selbstverständlich erschei-
nen. Der Bergbau ist somit unbe-
streitbar das, was sich als „die
Wurzel der saarländischen Ge-
samtkultur“ bezeichnen lässt.
„Kultur“ lässt sich definieren als
„die Gesamtheit der geistigen
und künstlerischen Lebensäuße-
rungen einer Gemeinschaft“.
Die­se bergmännisch geprägte
Kultur hat im Saarland mittlerwei-
le eine lange Tradition. Darunter
versteht der Duden „im Laufe der
Zeit (durch Generationen hin-
durch) Entwickeltes, Weiterge-
gebenes und auf diese Weise          Völklingen: Nebeneinander von Landwirtschaft und Industrie – charakte-
herkömmlich und üblich Gewor-        ristisch für das Saarland (um 1950).

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sich unter anderem in römischen       satz der Kohlen. Schmiede zähl-       ser Zeit die Kohlengräberei in der
Wohnstätten von Saarbrücken,          ten zu den ers­ten Abnehmern,         Umgebung von Sulzbach. 1586
Brebach und Beckingen.                später kamen die Eisenschmel-         erließ Graf Philipp von Nassau-
     Erste urkundliche Erwäh-         zen und Glashütten hinzu. Und         Saarbrücken eine erste Bergord-
nungen des Kohleabbaus im             allmählich erlangte die saarländi-    nung. Sie regelt die Begrenzung
Saarrevier entstammen dem             sche Kohle auch überregionale         der privaten Kohlengräbereien
14. und 15. Jahrhundert. Schwer-      Bedeutung. Saarkohle wurde nun        und enthält Bestimmungen über
punkte dieses „Frühen Berg-           bereits über längere Entfernun-       Kohlengewinnung und Kohlen-
baus“, der sich als oberflächen-      gen mit Pferdefuhrwerken trans-       verladung sowie Abgaben und
nahes Schürfen in Form des so         portiert. Mit Lastkähnen ver-         Strafen. In die gleiche Zeit fällt ei-
genannten „Wilden Kohlengra-          schifft, erreichten die Steinkohlen   ne Zunftordnung für die Kohlen-
bens am Flözausgehenden“ cha-         aus dem Saar­becken saar- und         gräber der Gemeinden Dudweiler
rakterisieren lässt, sind innerhalb   moselabwärts bereits Trier und        und Sulzbach. 1575 wird zum
des Saarkohlenwald-Reviers das        Koblenz. Als Beleg für diesen re-     ers­ten Mal die später wichtige
Sulzbachtal mit den Bergorten         gen Handel gilt eine Erwähnung        Grube Wellesweiler genannt, aus
Dudweiler und Sulzbach und der        des bei St. Johann errichteten        der die Zweibrücker Hofhaltung
Neunkircher Raum sowie die            „Kohlrech“, der späteren „Kohl-       ihre Kohlen bezog. Und im Jahre
„karbone“ Insel rund um die Orte      waage“, aus dem Jahr 1608. Den        1602 wird der Kohlenbergbau in
Ensdorf, Griesborn und Schwal-        größten Umfang erreichte zu die-      St. Ing­bert erstmalig erwähnt.
bach. Die erste urkundliche Er-
wähnung der Steinkohle ent-
stammt dem Jahr 1357. Damals
untersagten die „Edelleute Fried-
rich und Simon von Saarbrük-          Verstaatlichung der Kohlengruben durch
ken“ das Graben von Steinkoh-         Fürst Wilhelm Heinrich zu Nassau-Saarbrücken
len auf dem Banne von Dudwei-
ler. Wichtigstes Dokument jener
Zeit ist aber ein Klosterbuch –            Die Herrschaft Saarbrücken       rechter Abbau, verbunden mit
das aus dem Jahr 1429 stam-           hatte es schon früh verstanden,       wirksamer Wasserlösung. Zudem
mende „Schöffenweistum zu             durch Tausch und Kauf die be-         übertrug Wilhelm Heinrich den
Neumünster“ bei Ottweiler. Die        kannten Fundstätten von Stein-        gesamten Kohlenhandel einem
Schöffen von Neumünster legen         kohlen in ihren Besitz zu bringen,    Hauptmann Quinn, setzte die
darin fest, dass die Steinkohlen,     ein Faktum, das für die nunmehr       fürstliche Rentkammer zu Saar-
die in der Umgebung gewonnen          beginnende Entwicklung des            brücken als oberste Bergbehörde
werden, dem Saarbrücker Gra-          Saarbergbaus von entscheiden-         fest, ließ eine Bestandsaufnahme
fen gehören und ohne dessen Er-       der Bedeutung werden sollte.          der vorhandenen Gruben durch-
laubnis nicht abgebaut werden         Fürst Wilhelm Heinrich zu Nas-        führen, führte die Kohle allgemein
dürfen.                               sau-Saarbrücken vollzog im Jahr       als Hausbrand ein und siedelte
     Die Bauern, die am Ausge-        1751 die „Einziehung“ der Stein-      neue Industrie­werke wie Glashüt-
henden der Flöze nach Kohlen          kohlengruben. Von diesem Zeit-        ten, Eisenwerke und die Saarbrü-
gruben, benötigten also eine lan-     punkt an steht der Saarbergbau        cker Rußhütte an. Durch Verord-
desherrliche Genehmigung und          im Wesentlichen ständig unter         nung des Fürsten Ludwig von
mussten hierfür den „Grubengült“      einheitlicher Leitung im Staatsbe-    Nassau-Saarbrücken wird im
als Abgabe entrichten, was meist      sitz – ein Umstand, der ihm sein      Jahr 1769 eine „Bruderbüchse“
dem achten Teil der Förderung         von allen anderen Bergbaurevie-       für die Bergleute sämtlicher lan-
entsprach. Die Kohle aus diesen       ren des Kontinents unterschiedli-     desherrlicher Gruben eingerich-
Bauerngruben wurde vorwiegend         ches, ureigenes und unverkenn-        tet, die freie Kur und Arznei sowie
zum Kalkbrennen und somit zur         bares Gepräge verliehen hat. Mit      Krankengeld und etwa weitere
Düngung der Felder benutzt. Erst      der im Jahr 1754 durchgeführten       nötige Unterstützungen gewähr-
nach und nach löste die Stein-        „Allgemeinen Reservation“ der         te. Die Bruderbüchse gilt als die
kohle Holz als Hausbrand ab.          Steinkohlengruben und Abbaufel-       Vorläuferinstitution des „Saarbrü-
Waren die gewonnenen Kohlen           der wird die systematische, wirt-     cker Knapp­schaftsvereins“.
zunächst ausschließlich zum           schaftliche und rationelle Kohlen-         Seit dem 19. Juli 1766 wurden
bäuerlichen Selbstverbrauch be-       gewinnung an der Saar eingelei-       alle auf herrschaftlichem Gebiet
stimmt, entwickelte sich nach und     tet. An die Stelle der planlosen      liegenden Kohlengruben auf fürst-
nach auch ein regelrechter Ab-        Kohlengräberei tritt ein kunstge-     liche Rechnung geführt – zum da-
8
Saarbrücken-Dudweiler und Sulzbach: „Klamme“ auf dem „Brennenden Berg“ (2010).

maligen Zeitpunkt bestanden Gru-      len aus dem Berg ab, wodurch           kohle förderten. Der Ertrag der
ben in Schwalbach, Stangenmüh-        aber das Vordringen des Berg-          Steinkohlenwirtschaft blieb in die-
le, Klarenthal, Gersweiler, Rußhüt-   baus in größere Tiefen unmöglich       ser Phase jedoch gering und er-
te, Jägersfreude, Friedrichsthal,     war. Erste Ansätze zum eigentli-       brachte nicht die erhofften und an-
Schiffweiler, Wellesweiler, Dud-      chen Tiefbau waren in den 60er-        gestrebten Verbesserungen für
weiler, Sulzbach und Burbach.         und 70er-Jahren des 18. Jahrhun-       den fürstlichen Staatshaushalt.
Nach einem Bericht des Bergin-        derts in Schwalbach und Gries-         Dass der hiesige Bergbau jedoch
spektors Jakobi waren diese Gru-      born vorgenommen worden, als           bereits einen hohen Bekanntheits-
ben allesamt Stollenbetriebe, die     man erstmals versuchte, Pumpen         grad erreicht hatte, belegt der
im Flöz ansteigend in den Berg hi-    zur Hebung der Wässer einzuset-        Saar-Besuch von Johann Wolf-
neingetrieben wurden. Allein die      zen: Nach einer Beschreibung der       gang von Goethe im Jahr 1770. In
neu angelegte Grube bei der Dud-      Jahre 1803/04 soll dort schon im       „Dichtung und Wahrheit“, Band X,
weiler Alaunhütte arbeitete erst-     Jahre 1773 (oder 1778) eine            führt der wohl bekannteste Tourist,
malig mit einem tiefen Stollen, von   „pomp à feu“, sprich eine mit          der das Land an der Saar je bereist
dem aus die Flöze mit einem Quer-     Dampfkraft angetriebene Pumpe,         hat, unter anderem aus: „... Hier
schlag aufgeschlossen wurden.         im Einsatz gewesen sein.               wurde ich nun eigentlich in das In-
Es wurde bereits geschossen,               1773 standen 45 Stollen mit       teresse der Berggegenden einge-
sonst verwendete man als Gezähe       insgesamt 141 Bergleuten in För-       weiht, und die Lust zu ökonomi-
vor allem Schlägel und Eisen. Der     derung. An der Spitze der Nassau-      schen und technischen Betrach-
Ausbau der schmalen und wenig         Saarbrücker Gruben stand die           tungen, welche mich einen großen
hohen Strecken erfolgte in Holz,      Grube Wellesweiler mit einer Be-       Teil meines Lebens beschäftigt ha-
als Geleucht benutzte man offene      legschaft von 32 Mann, die sich        ben, zuerst erregt. Wir hörten von
Öllampen und zur Förderung zu-        auf vier Stollen verteilten. Die Ge-   den reichen Dudweiler Steinkoh-
erst kleine Holzschlitten, später     samtförderung im Revier betrug in      lengruben, von Eisen- und Alaun-
Loren, so genannte „Hunde“. In        diesem Jahr 21.000 Tonnen. Im          werken, ja sogar von einem bren-
der Regel führte man die Gruben-      Jahr 1790 waren bereits 270 Berg-      nenden Berge, und rüs­teten uns,
wässer mit Hilfe von Wasserlö-        leute auf den staatlichen Gruben       diese Wunder in der Nähe zu be-
sungsstollen in Höhe der Talsoh-      angelegt, die 50.000 Tonnen Stein-     schauen ...“
                                                                                                              9
Wirtschaftlicher und sozialer Aufbruch                                      gend verlaufenden Pachtzeit
                                                                            übernahm er im Jahr 1808 selbst
in der Napoleonischen Ära                                                   wieder die Gruben und betrieb sie
                                                                            auf fiskalische Rechnung. 1813
                                                                            war die Zahl der Bergleute schon
                                                                            auf 693 angestiegen, die eine
                                                                            Jahresförderung von 83.000 Ton-
                                                                            nen Steinkohle erbrachten.
                                                                                 Besondere Bedeutung er-
                                                                            langte in dieser Zeit die Eisenhüt-
                                                                            te Geislautern. Napoleon selbst
                                                                            hatte den Auftrag erteilt, der Hüt-
                                                                            te eine praktische Berg- und Hüt-
                                                                            tenschule zur Ausbildung von In-
                                                                            genieuren anzugliedern. Ein Aka-
                                                                            demiegebäude und Beamten-
                                                                            wohnungen wurden errichtet.
                                                                            Zum Direktor der Schule wurde
                                                                            der Ingenieur Jean-Baptiste Guil-
                                                                            lot Duhamel ernannt. Unter an-
                                                                            derem erhielt die Geislauterner
                                                                            Einrichtung den Auftrag, die Koh-
Saarkohlen-Atlas: Karte mit Abbildung der Industrieagglomeration Geis-      levorkommen an der Saar karto-
lautern (1810).
                                                                            grafisch festzuhalten. Im Jahr
                                                                            1810 hatten die Ingenieurgeodä-
     Die Eroberung des linken          1792 zunächst als staatliche Re-     ten Beaunier und Calmelet das
Rheinufers und seine Eingliede-        giebetriebe geführt und einer „Di-   Werk vollendet: der Saarkohlen-
rung in den französischen Staats-      rection Générale“ unterstellt wa-    atlas, die erste flächendeckende
verband beseitigten die vorheri-       ren, die Gruben des Saarreviers      Erfassung der industriellen Struk-
gen fürstlichen Kleinwirtschaften.     von 1797 bis 1807 an die Compag­     turen in der Saarre­gion, lag nun-
Das Land an der Saar wurde wirt-       nie Equer verpachtet. Lediglich      mehr vor. Der Atlas wurde in den
schaftlich fest mit Frank­reich ver-   die Privatgrube Hostenbach, die      Folgejahren zur Grundlage der
bunden, die Handelsbezieh­ungen        von dem Gewerken Villeroy und        systematischen        Erschließung
zum rechtsrheinischen Deutsch-         drei anderen Unternehmern be-        der saarländischen Steinkohlen-
land wurden hingegen weitestge-        trieben wurde, und die Grube         lagerstätte. Außerdem wurden in
hend abgetrennt. Während der           Bauernwald verblieben in Privat-     Geislautern Versuche zur Eisen-
Zugehörigkeit zu Frankreich ent-       besitz. Nach Ablauf der für den      verhüttung mit Steinkohle durch-
faltete sich das gesellschaftliche     französischen Staat unbefriedi-      geführt.
Leben und die Aufhebung der
Leibeigenschaft und der Zünfte
führten zu Gleichheit und persön-
licher Freizügigkeit der nun fran-
zösischen Bürger an der Saar.          Preußische und Bayerische Bergverwaltung
     Dank der erworbenen Frei-         nach 1815 bis zum Ersten Weltkrieg
heiten erblühte die Wirtschaft in
der Gegend um Saarbrücken. Es
kam zu einem sichtbaren Auf-               Mit der Zuordnung der Saar-      brochen. Auch die extreme Rand-
schwung in den Zweigen, die mili-      gegend nach dem Zweiten Pari-        lage zu Deutschland und die un-
tärisches Material produzierten.       ser Frieden 1815 zu vier deut-       günstigen Verkehrsverhältnisse
Durch die anhaltenden Kriege           schen Staaten zerteilten die Sie-    führten in den folgenden zwei
Frankreichs um die Vorherrschaft       germächte aufs erste die gerade      Jahrzehnten zu schweren wirt-
in Europa prosperierten die Ei-        gewonnene politische und wirt-       schaftlichen Rückschlägen, zu-
senhütten und der Handel, der          schaftliche Einheit. Ein Teil der    mal sich die beiden wesentlichen
Steinkohlenbergbau        hingegen     Rohstoffquellen versiegte, Ab-       Partizipanten am Saarrevier,
stagnierte. Frankreich hatte,          satzmärkte und Handelsbezie-         Preußen und Bayern, anfangs
nachdem die Bergwerke nach             hungen waren schlagartig unter-      ebenfalls durch Zölle gegenein-
10
ander abschirmten. Im Einzelnen       die Preußische Bergschule Saar-       tungsmaschine und 1829 eine
war der größte Teil des Saarkoh-      brücken gegründet. Bis zum Be-        acht PS starke Fördermaschine.
lengebietes mit den 12 Saargru-       ginn der 1850er-Jahre wurden die      Eine Reihe wichtiger und langer
ben Dudweiler-Sulzbach, Jägers-       vielen kleinen Bergwerke betrieb-     Stollen wurde aufgefahren, so
freude, Rußhütte, Gersweiler,         lich zu größeren Einheiten zu-        beispielsweise der Tiefe Stollen
Geislautern, Schwalbach, Ritten-      sammengefasst und die privaten        (Gersweiler, 1816), der Palm-
hofen, Güchenbach, Wahlschied,        Gruben mit Ausnahme der Grube         baum-Stollen        (Wellesweiler,
Illingen, Kohlwald und Welleswei-     Hostenbach eingezogen. Abbau          1816), der Carolinen-Stollen
ler an Preußen gefallen, der klei-    und Förderung erfuhren wesentli-      (Dudweiler, 1820), der Gerhard-
nere Teil mit den Gruben St. Ing-     che Verbesserungen, das Stra-         Stollen (Bauernwald, 1821), der
bert und Mittelbexbach war dem        ßennetz wurde erweitert. Ein          Friedrich-Wilhelm-Stollen (Neun-
Königreich Bayern zugeschlagen        spektakuläres Vorhaben war der        kirchen, 1821) oder der Venitz-
worden.                               Bau einer Bahnlinie im From-          Stollen (Sulzbach, 1826). Neben
      In der Folge ließ der Preußi-   mersbachtal, die den Transport        der Verbesserung des Grubenbe-
sche Staat durch Oberbergrat          der Kohlen der Grube Bauern-          triebes verstärkte die preußische
Graf von Beust eine umfangrei-        wald nach Luisenthal zur Kohlen-      Administration die Bemühungen
che Bestandsaufnahme aller Gru-       niederlage an der Saar ermögli-       um einen größeren Absatz und ei-
ben durchführen. Zugleich errich-     chen sollte (1817/21). Dieser         ne Ausweitung des Absatzgebie-
tete man am 8. Dezember 1815          „Traum vom Fahren“ auf dem so         tes: Von 1835 bis 1850 erhöhte
eine „Königliche Bergamts-Com-        genannten       „Friederiken-Schie-   sich die Förderung etwa um das
mission zu Saarbrücken“ als eine      nenweg“ scheiterte jedoch. Vor al-    Dreifache von etwa 232.000 Ton-
dem Königlichen Oberbergamt           lem begann der preußische Berg-       nen auf nahezu 636.000 Tonnen.
Bonn unterstellte und verantwort-     fiskus damit, in größerem Umfang      Im gleichen Zeitraum stiegen die
liche Behörde, die ein Jahr später    Dampfmaschinen einzusetzen:           Belegschaftszahlen der Gruben
in ein Königliches Bergamt umge-      1828 erhielt die Grube Kronprinz      Jägersfreude, Prinz Wilhelm
wandelt wurde. Zeitgleich wurde       eine 20 PS starke Wasserhal-          (Gersweiler), Gerhard, Geislau-

Neunkirchen-Dechen: Liegende Zwillings-Dampffördermaschine am Schacht I der Grube Dechen (1919).

                                                                                                           11
Neunkirchen-Heinitz: Preußische Bergbeamte vor dem 1847 angehauenen Heinitz-Stollen (um 1860).

tern, Sulzbach-Dudweiler, Sulz-        bahnabsatz. 1850 kam noch der       schaft zutrifft. Gleichwohl befand
bach-Altenwald, Kronprinz Fried-       Von-der-Heydt-Stollen im östli-     sich die Industrialisierung der Re-
rich Wilhelm (Schwalbach, Hirtel,      chen Feld der Grube Gerhard hin-    gion bereits in vollem Gange. Ei-
Dilsburg), Merchweiler, Quier-         zu. Seit 1833 machte auch der       ne wichtige Grundlage für diese
schied,    Königsgrube,       Fried-   Übergang zum Tiefbau erhebliche     Entwicklung hatte der Deutsche
richsthal und Wellesweiler von         Fortschritte: 1838 erreichte die    Zollverein geschaffen. Er öffnete
1.383 auf 4.580 Bergleute. Im          Grube Geislautern die 1. Tiefbau-   einen weiten, zusammenhängen-
gleichen Zeitraum kamen für die        sohle, 1842 teufte man die          den Binnenmarkt, der Investitio-
weitere Entwicklung wichtige und       Schwalbacher Schächte unter die     nen mehr denn je lohnenswert er-
ausgedehnte Stollenbetriebe zur        Sohle des Ensdorfer Stollens ab,    scheinen ließ. Diese wirtschaftli-
Ausführung. 1833 eröffnete man         ein Jahr später wurde der Gegen-    che Neuordnung überschnitt sich
die Arbeiten am Ensdorfer Stollen      ortschacht in Dudweiler als Ge-     mit einer Revolution auf dem Ver-
für die Grube Kronprinz bei            genort zum Betrieb des 1830 an-     kehrssektor. Die Eisenbahn redu-
Schwalbach, 1837 schlug man            gehauenen Tiefen Saarstollens       zierte den Zeitaufwand zur Über-
den Veltheim-Stollen bei Lui-          und als erster Tiefbauschacht im    brückung von Distanzen durch-
senthal zur tieferen Aufschlie-        Sulzbachtal begonnen, 1844          schnittlich um den Faktor zehn.
ßung der Grube Gerhard an, 1840        setzten die Arbeiten am Wilhelm-    Gleichzeitig steigerte sie die
den Flottwell-Stollen für die Grube    Schacht I der Königsgrube, 1847     Transportkapazität in Dimensio-
Altenwald und den Bodel-               am Reden-Schacht und 1849/50        nen, welche die Vorstellungskraft
schwingh-Stollen für die Grube         an den beiden Scalley-Schächten     der Zeitgenossen sprengte. Deut-
Merchweiler, 1844 den Dilsburger       der Grube Dudweiler ein.            scher Zollverein und Eisenbahn
Stollen, 1846 den Reden-Stollen             Die Saarwirtschaft war am      trieben die Industrialisierung also
bei Landsweiler und 1847 den           Vorabend der Reichsgründung         entscheidend voran; dies galt ins-
Heinitz-Stollen als neuen Förder-      noch weitgehend agrarisch ge-       besondere für die Saargegend,
punkt im Felde der Königsgrube         prägt, ein Befund, der übrigens     milderten sie die bekannten
für den zu erwartenden Eisen-          auf die gesamte deutsche Wirt-      Standortnachteile,      resultierend
12
aus der politischen Randlage und      cken-Trier-Luxemburger       Bahn     schicht an der Saar sank aller-
den geographischen Gegeben-           (Saar-Bahn) bis 1860 brachte den      dings nicht auf die Stufe des an-
heiten, doch beträchtlich. Einen      Anschluss der Gruben Gerhard          dernorts nachweisbaren Indus­
besonderen Aufschwung erfuhr          und Kronprinz mit sich, und die       trieproletariats ab. In der Nähe
der Bergbau durch den Bau der         Eröffnung der Rhein-Nahe-Bahn         der Produktionsstätten erbauten
das Grubengebiet durchschnei-         (Neunkirchen-Bingerbrück)       er-   die Zuwanderer neue Dörfer und
denden Saarbrücker Eisenbahn          möglichte den Transport von           vergrößerten vorhandene. Das
in den Jahren 1848-1852, denn         Saarkohlen auch ins Mittelrhein-      Siedlungsbild in den Kreisen
damit war der Anschluss an die        gebiet. Daneben stieg durch die       Saarbrücken und Ottweiler verän-
1849 fertiggestellte bayerische Li-   Fertigstellung des Saarkohlenka-      derte sich so entscheidend. Die
nie Ludwigshafen-Bexbach (Pfäl-       nals im Jahr 1866 sowie der Saar-     Förderung auf den Saargruben
zische Ludwigsbahn) und auf der       Kanalisierungsarbeiten von der        stieg bis 1860 auf über 2,02 Milli-
anderen Seite an die 1851 vollen-     französischen Grenze bis Ensdorf      onen Tonnen an; weit über 12.000
dete Linie Nancy-Metz-Forbach         im Jahr 1879 auch das Frachtgut-      Bergleute waren „angelegt“. Mit
(Französische Ostbahn) erreicht.      aufkommen auf den Wasserstra-         der Aufhebung der preußischen
Jetzt entstanden die wichtigen so     ßen stark an. Das Saarrevier ver-     Bergämter im Jahre 1861 trat an
genannten       „Eisenbahngruben“     lor somit seine isolierte Lage.       deren Stelle die Königliche Berg-
Heinitz, Reden, AItenwald, Dud-       Schifffahrt und Eisenbahn ermög-      werksdirektion in Saarbrücken als
weiler und Von der Heydt sowie        lichten nun Massenguttransporte.      neue Verwaltungsbehörde der
bis 1862 noch Dechen, Fried-          Unter den nach 1850 scharenwei-       Saargruben. Anstelle der bisher
richsthal, Itzenplitz, Sulzbach und   se anrückenden Arbeitern waren        bestehenden       Bergmeistereien
Ziehwald. Der Aufschwung in der       vornehmlich Tagelöhner und            traten sieben Berginspektionen,
Stahl- und Eisenindustrie machte      Kleinbauern ohne Auskommen            deren Zahl bis 1890 auf elf an-
die Errichtung großer Kokereian-      aus den ländlichen Regionen.          stieg.
lagen auf den Fettkohlengruben        Schrittweise lösten sie sich von           Der Deutsch-Französische
Dudweiler, Altenwald, Heinitz-De-     ihrer bäuerlichen Herkunft und        Krieg von 1870/71 bedeutete eine
chen und König-Wellesweiler not-      wuchsen in die Rolle des Indus­       arge, wenn auch nur kurzfristige
wendig. Der Bau der Saarbrü-          triearbeiters hinein. Die Arbeiter-   Zäsur des günstigen Konjunktur-

St. Ingbert: Belegschaft der bayerischen Grube St. Ingbert vor dem A-Stollen der Rischbachanlage (ohne Angabe).

                                                                                                             13
rund fünf Milliarden Franken
                                                                          (= vier Milliarden Mark). Die Anne-
                                                                          xion Elsass-Lothringens brachte
                                                                          speziell für die Saar überdies die
                                                                          Befreiung aus der direkten Grenz-
                                                                          lage und damit die Integration in
                                                                          einen größeren Binnenmarkt. Aus
                                                                          dieser nunmehr günstigen poli-
                                                                          tisch-wirtschaftlichen Konstella­
                                                                          tion heraus bezog die berühmt-
                                                                          berüchtigte deutsche Gründerzeit
                                                                          ihre Dynamik. Auf den Boom
                                                                          muss­te die Ernüchterung folgen,
                                                                          die Reduzierung auf das normale
                                                                          Maß. Gleichwohl bildeten die so
                                                                          genannten „Gründerjahre“ den
                                                                          Auftakt für eine Periode bis dahin
Dudweiler: Malakofftürme über den Schächten der Grube Scalley (später:    nicht gekannten wirtschaftlichen
Hirschbach, um 1860).                                                     Wachstums und Prosperität, die
                                                                          – von wenigen Unterbrechungen
klimas. Schließlich war die Regi-    menbedingungen entscheidend.         abgesehen – bis zum Ersten
on von den Kampfhandlungen di-       Die Standardisierung von Maßen       Weltkrieg währte.
rekt betroffen. Der Waffengang       und Gewichten sowie des Wirt-             Nach dem Deutsch-Französi-
endete in der Reichsgründung         schaftsrechts und der Währung        schen Krieg setzte zunächst
von Versailles. Gleichzeitig ver-    wirkten ebenso positiv wie der       ein beachtlicher konjunktureller
besserte das politische Ereignis     psychologische Effekt des ge-        Boom ein, in dessen Zeitabschnitt
der nationalen Einigung Deutsch-     wonnenen Krieges und die viel zi-    die Neugründung der großen Tief-
lands die wirtschaftlichen Rah-      tierte Kriegsentschädigung von       bauanlagen im Fischbachtal mit

Saarbrücken-St. Johann: Verladekran auf der Hafeninsel, der früheren „Kohlwaag“ (1960).

14
den Gruben Camphausen (1871),
Brefeld (1872) und Maybach
(1873) fiel. Trotz der sich abküh-
lenden Konjunktur kam es im
Saarbergbau zu keiner Krise,
Massenentlassungen wie in an-
deren Revieren konnten ebenso
wie Produktionseinschränkungen
vermieden werden. Dies lag zum
größten Teil an der zunehmenden
Verwendung von Bergwerksma-
schinen im Unter- und Übertage-
bereich: Maschinelle Seilförde-
rung auf ebenen Strecken wurde
erstmals auf dem Kontinent im
Jahre 1862 auf der Grube Von der
Heydt eingesetzt, gleichzeitig ka-
men Schmalspurlokomotiven in
Gebrauch, 1865 begann man
nach der Methode des Strebbaus
den bislang betriebenen Sche-
melbau zu ersetzen und die Flöze
abzubauen; beim Schachtabteu-
fen wurde Dynamit verwendet, die
Verwendung von Druckluft für
Bohr- und Schrämmaschinen,
Häspel, Pumpen und Sonderbe-
wetterungsventilatoren wurde All-    Quierschied-Fischbach: Grubenbahnhof des Bergwerks Camphausen an
gemeingut, 1872 richtete man ei-     der Fischbachtalbahn (1962).
ne Fahrkunst als singuläre Er-
scheinung im Saarbergbau im
Union-Schacht der Grube Hos-         ersetzt. Als Symbol dieser Hoch-        dessen wieder ein gewaltiger Auf-
tenbach ein, und die bisher ge-      zeit des Bergbaus gilt der              schwung ein, der erste Prospekti-
bräuchlichen einzylindrigen Ba-      1877/80 errichtete Monumental-          onsarbeiten im Warndt mit sich
lancier-Maschinen wurden durch       bau der Königlich-Preußischen           brachte und zum Abteufen weite-
liegende Zweizylindermaschinen       Bergwerksdirektion in Saarbrü-          rer Schächte für Fettkohlengru-
                                     cken-St. Johann. Das am 1. Juli
                                     1870 mit einer Probenummer
                                     erstmalig erschienene Wochen-
                                     blatt „Der Bergmannsfreund“, die
                                     erste bergmännische Werkszeit-
                                     schrift in Deutschland, und der
                                     „Saarbrücker Bergmannskalen-
                                     der“, der 1873 erstmalig heraus-
                                     gegeben wurde, kommentierten
                                     in der Folge stets das bergmänni-
                                     sche Geschehen an der Saar.
                                          Von 1880 bis etwa 1895 stag­
                                     nierte die weitere Entwicklung
                                     aufgrund gesamtwirtschaftlicher
                                     Schwierigkeiten; hinzu kam das
                                     schwere Grubenunglück auf der
                                     jungen Grube Camp­hausen am
                                     17. März 1885, das 180 Opfer for-
„Der Bergmannsfreund“ vom            derte und die Grube auf Jahre hi-       Der „Saarbrücker Bergmannska-
1. August 1914.                      naus stilllegte. Seit 1895 setzte in-   lender“ für das Jahr 1891.

                                                                                                           15
Saargruben bestand im Jahr 1914
                                                                          aus     3.401     Maschinen     mit
                                                                          226.930,5 PS. Den höchsten Me-
                                                                          chanisierungsgrad wies im Be-
                                                                          zugsjahr das Steinkohlenberg-
                                                                          werk Gerhard mit 481 auf. Im letz-
                                                                          ten Vorkriegsjahr 1913 betrugen
                                                                          Förderung und Belegschaft etwa
                                                                          13,2 Millionen Tonnen und 56.589
                                                                          Bergleute. Gegen Ende der über
                                                                          einhundertjährigen preußischen
                                                                          Verwaltung gehörten 166 Schäch-
                                                                          te, davon 66 Förderschächte,
                                                                          zum Saarrevier. 24 Kohlenwä-
                                                                          schen waren in Betrieb und ver-
                                                                          sorgten Kokereien und drei Gru-
                                                                          benkraftwerke in Heinitz, Weiher
                                                                          und Luisenthal. Das Saarkohlen-
                                                                          revier hatte durch die kontinuierli-
                                                                          che preußische Verwaltung eine
Saarbrücken-Von der Heydt: Bergmännisches Leben im Schlafhaus (1905).     bedeutende Stellung in der deut-
                                                                          schen Kohlenwirtschaft erreicht:
                                                                          Viele technische Erneuerungen
ben führte. Bestehende Gruben        stärkten Einsatz von Maschinen       gingen mittlerweile vom Saarre-
wurden beträchtlich erweitert, so    erreicht werden: Die Zahl der        vier aus und der technische Be-
dass im Jahr 1900 die Arbeiter-      Dampfmaschinen stieg von 1880        trieb galt als besonders fortschritt-
zahlen auf über 42.000 angestie-     bis 1900 von 301 auf 783, die ers-   lich. Der 1908/11 errichtete För-
gen waren – bei einer gleichzeiti-   ten    elektrischen    Maschinen     derturm Camphausen IV, der als
gen Erhöhung der Förderung von       tauchten 1894 auf und bereits        weltweit erste Turmförderkons­
7 Millionen Tonnen im Jahre 1895     1904 wurde erstmalig eine elektri-   truktion in Stahlbeton und als heu-
auf rund 9,5 Millionen Tonnen im     sche Fördermaschine auf dem          te ältester Förderturm im deut-
Jahre 1900. Diese gewaltige Stei-    Kolonieschacht der Grube Alten-      schen Bergbau anzusprechen ist,
gerung der Produk­tion konnte        wald aufgestellt. Die Gesamt-Ma-     versinnbildlicht den damaligen
wiederum nur durch einen ver-        schinenkapazität der fiskalischen    Fortschrittsgeist.

Püttlingen: Tagesanlagen der Gru-
be Viktoria (1884/85).

16
Neunkirchen-Heinitz: Tagesanlagen der Grube und Kokerei Heinitz im Holzhauerthal (1960).

Neunkirchen-Dechen: Fördergerüste über den De-         Quierschied-Fischbach: Hammerkopf-Förderturm über
chen-Schächten II, I und III (von links, 1935).        Schacht IV der Grube Camphausen im Bau (1911).

                                                                                                      17
Zweite französische Verwaltungszeit –                                   eingesetzt, die noch betriebene
                                                                        Pferdeförderung verlor mehr und
Mines Domaniales Françaises de la Sarre                                 mehr an Bedeutung: 1934 waren
                                                                        insgesamt 134 Druckluft- und 57
    Die Artikel 45 bis 50 des      suchte die französische Verwal-      Diesellokomotiven unter Tage
„Versailler  Friedensvertrages“    tung die Förderung im Saarrevier     eingesetzt, immerhin taten noch
vom 28. Juni 1919 übertrugen       mit allen Mitteln zu steigern. Die   82 Pferde ihren Dienst.
Frankreich das vollständige und    betrieblichen Maßnahmen er-               Die französische Verwaltung
unbeschränkte Eigentum an den      streckten sich im Wesentlichen       hatte zunächst die preußische
Saargruben für eine Dauer von      auf den verstärkten Einsatz mo-      Grubeneinteilung in mittlerweile
15 Jahren. Am 20. Januar 1920      torischer Kraft bei der Gewin-       zwölf Inspektionen beibehalten,
wurden die Saargruben an die       nung und dem Transport, auf          diese aber 1920 in drei Gruppen
„Mines Domaniales Françaises       Verkürzung der Wege und den          (West, Mitte und Ost) zusammen-
de la Sarre“ übergeben. Da die     Einsatz erster Pickhämmer und        gefasst. Zu diesen Werksgruppen
nordfranzösischen Kohlengru-       Kettenschrämmaschinen.        Aus    gehörten die Elektrizitäts- und
ben durch die Kriegseinwirkun-     Sicherheitsgründen wurden jetzt      Wasserwerke, eine Kokerei und
gen größtenteils zerstört waren,   Druckluft- und Diesellokomotiven     eine Wärme-, Fahrzeug- und Te-
                                                                        legraphenabteilung.
                                                                             Bis 1935 setzte dann eine
                                                                        Betriebszusammenlegung         zu-
                                                                        nächst unter Tage ein, so dass
                                                                        „Verbundbergwerke“ entstanden.
                                                                        Weiterhin wurden zehn Förder-
                                                                        und Wetterschächte neu abge-
                                                                        teuft. Vor allem die Aufbereitung
                                                                        der Rohförderung wurde nun-
                                                                        mehr verstärkt in Wäschen durch-
                                                                        geführt. 1934 gingen schon 60
                                                                        Prozent der Kohlen durch die
                                                                        Kohlenwäschen, 1919 waren es
                                                                        nur 37 Prozent gewesen.
                                                                             Der Vertrieb der Kohle ge-
                                                                        schah über den „Service Com-
                                                                        mercial“, der über umfangreiche
                                                                        Handelsvertretungen verfügte.
                                                                        Die Förderung stieg von 1920
                                                                        bis 1929 von etwa 9,4 Millionen
                                                                        Tonnen auf über 13,5 Millionen
                                                                        Tonnen, sank aber anschließend
                                                                        infolge der schwierigen wirt-
                                                                        schaftlichen     Gesamtsituation
                                                                        auf etwa 11,3 Millionen Tonnen
                                                                        (1934). Gleichzeitig nahm die
                                                                        Belegschaft von 71.383 im Jah-
                                                                        re 1920 über 60.793 im Jahr
                                                                        1929 auf 44.380 Bergleute im
                                                                        Jahr 1934 ab. Welchen Umfang
                                                                        die Saargruben in der Zeit der
                                                                        „Mines Domaniales“ besessen
                                                                        hatten, geht daraus hervor, dass
                                                                        die 29 Grubenbetriebe, von de-
                                                                        nen in den Jahren 1931 und
                                                                        1932 sieben stillgelegt wurden –
                                                                        darunter die Bergwerke Dilsburg
                                                                        (1931), Helene in Friedrichsthal
Der „Saarbrücker Bergmannskalender“ für das Jahr 1926.                  (1931), Altenwald (1932), Hos-
18
tenbach (1932) und Von der          sektor“ der Saarwirtschaft wurde     sitz überführt. Das Oberbergamt
Heydt (1932) –, über 65 Förder-     aus den Ergebnissen einer Be-        Bonn wurde als preußische Mittel-
und 88 Hilfsschächte mit 26 Wä-     legschaftszählung deutlich, die      behörde auch für das Saarland
schen, einer Kokerei und vier       am 1. Dezember 1925 vorge-           zuständig, und durch Gesetz vom
Kraftwerken verfügten. Flöze        nommen worden war. Daraus            13. Dezember 1935 wurden die
von einem bis 3,50 Meter Mäch-      ergab sich, dass insgesamt           Gruben in eine Reichsaktienge-
tigkeit wurden in Teufen von 50     211.592 Menschen aus dem             sellschaft, die Saar­gruben AG,
bis 700 Meter gebaut. Die Be-       Saarbergbau direkt ihren Le-         eingebracht, deren gesamter Akti-
deutung des Bergbaus als „Leit-     bensunterhalt bezogen.               enbestand in Händen des Deut-
                                                                         schen Reiches lag. Die Eintra-
                                                                         gung ins Handelsregister erfolgte
                                                                         am 1. Januar 1937.
                                                                              Da unter den Mines Doma­
Deutsche Verwaltung von 1935 bis 1945                                    niales Françaises de la Sarre ins-
durch die Saargruben AG                                                  gesamt 733 Millionen Franken in
                                                                         die Saargrubenbetriebe investiert
                                                                         worden waren, durchweg moder-
     Im so genannten „Rom-Ab-       unbeweglichen Vermögens) an          ne maschinelle Einrichtungen be-
kommen“ vom 3. Dezember 1934        das Deutsche Reich über. Am          standen und eine gesunde Infra-
hatten sich die französische und    1. März 1935 wurde das Saarge-       struktur vorhanden war, konnte
die deutsche Regierung über den     biet – nach der Volksabstimmung      unter der Saargruben AG die ein-
Rückkauf der Saargruben geei-       vom 13. Januar 1935, die mit         mal eingeleitete Betriebszusam-
nigt. Für 900 Millionen Franken     90,76 Prozent zu Gunsten der         menfassung fortgesetzt werden,
oder 150 Millionen Goldmark ging    Rückkehr der Saar ins Deutsche       so dass der damalige Saarberg-
das Eigentum an den Bergwerken      Reich ausfiel – wieder an das        bau den modernsten europäi-
(einschließlich der Eisenbahn und   Deutsche Reich zurückgegliedert.     schen Gewinnungsbetrieben zu-
der Zollbahnhöfe sowie des sons-    Die Saargruben wurden in der         zurechnen war. Schrämmaschi-
tigen im Saargebiet gelegenen       Folge in den Reichsbergwerksbe-      nen wurden eingesetzt, zur Ver-

Saarbrücken: Gebäude der Bergwerksdirektion bei der nächtlichen „Befreiungsfeier“ vom 1. März 1935.

                                                                                                        19
besserung der Arbeit in den Ge-
steinsbetrieben gab es Ladege-
räte, die Grubensicherheit wurde
verbessert und die Silikosegefahr
verringerte man durch den Ein-
satz von Spülbohrern. Stillgelegt
wurden in dieser Phase die
Anlagen Mittelbexbach (1936),
Wellesweiler (1936) und Brefeld
(1942). Der Zweite Weltkrieg setz-
te der Aufwärtsentwicklung zu-
nächst ein Ende; die Förderung
ging nach einer Spitze von 16,16
Millionen Tonnen 1943 auf 12,4
Millionen Tonnen 1944 zurück.
Die Belegschaft verringerte sich
im gleichen Zeitraum von über
54.000 auf etwa 31.200 Bergleute
und Angestellte. Im Dezember
1942 waren im Saarbergbau be-
reits 3.000 Ostarbeiter, 1.800 rus-
sische Kriegsgefangene, 900 itali-
enische und spanische Fremdar-
beiter sowie 67 Franzosen be-
schäftigt. 1945 betrug die Förde-
rung, die von knapp 34.000 Berg-
leuten erbracht wurde, nur noch       Gedenkmedaille zur Volksabstimmung vom 13. Januar 1935 mit Darstel-
3,46 Millionen Tonnen.                lung eines Saarbergmannes von Fritz Koelle.

Nach dem Zweiten Weltkrieg                                               tärregierung die Verwaltung des
unter alliierter Militärverwaltung                                       Saarlandes. Im Verlauf der
                                                                         nächsten Jahre ging es darum,
                                                                         die Kriegsschäden zu ersetzen,
     Am 21. März 1945 besetzten       on Française des Mines de la       um so allmählich wieder Bergleu-
die Amerikaner das Saarland.          Sarre“ über, zum selben Datum      te anlegen und die Förderung er-
Die zum Teil stark zerstörten         übernahm die französische Mili-    höhen zu können.
Bergwerke unterstanden darauf-
hin zunächst der amerikanischen
Kontroll-Kommission, der „Saar
Mining Mission“. Die Förderung
der noch arbeitenden Saargru-
ben erreichte damals ihren nied-
rigsten Stand mit nur noch 1.310
Tages-Tonnen, untertage waren
gerade noch 5.500 Bergleute be-
schäftigt. Am 10. Juli 1945 been-
dete die amerikanische Kohlen-
kommission ihre Tätigkeit und
die Kontrolle ging auf die „Missi-

Schiffweiler-Landsweiler/Reden:
Frauen und Männer am Leseband
auf Grube Reden (1954).

20
Schiffweiler-Landsweiler/Reden: Kriegsschäden an den Gebäuden und am Grubenbahnhof des Bergwerks Re-
den (1944).

Régie des Mines de la Sarre und Saarbergwerke                              ohne Auflagen und Beschränkun-
– Dritte französische Verwaltungszeit                                      gen abgesetzt werden konnte.
                                                                           Damit war das Signal zum konse-
                                                                           quenten Ausbau der Saar-Gru-
     Da Frankreich aus wirtschaft-   1. Januar 1948 alle Güter und         ben gegeben worden.
lichen Gründen das Saarrevier        Rechte der in Liquidation befindli-        Die Verantwortung und Zu-
enger als die übrigen Teile seiner   chen Saargruben AG. 1948, im          ständigkeit für den Abbau der
Besatzungszone an sich binden        ersten Jahr der neuen Verwal-         Saarkohle wurde in der Franzö-
wollte, arbeitete die französische   tung, konnten bereits wieder 84       sisch-Saarländischen     Gruben-
Regierung auf eine Wirtschafts-      Prozent der Vorkriegsleistung er-     konvention vom 3. März 1950 be-
und Währungsunion der Saar mit       bracht werden. Das bedeutete,         stätigt. Eine weitere Konvention,
Frankreich hin. Mit dem Inkraft-     dass knapp 12,5 Millionen Ton-        der „Vertrag zwischen Frankreich
treten der Saarländischen Ver-       nen Steinkohlen bei einer Beleg-      und dem Saarland über den ge-
fassung am 15. Dezember 1947         schaft von 62.524 Bergleuten ge-      meinsamen Betrieb der Saargru-
wurde der wirtschaftliche An-        fördert werden konnten. Die För-      ben“ vom 20. Mai 1953 (Saargru-
schluss an Frankreich vollzogen      derung der Saargruben wurde           benvertrag), trug dem immer wie-
und so die Trennung von Deutsch-     nach dem Ende des Krieges zu-         der vorgetragenen Wunsch der
land verwirklicht. Im Rahmen die-    nächst in einen interalliierten       Saarländischen Regierung Rech-
ses wirtschaftlichen Anschlusses     Kohlen-„Pool“ eingebracht, aus        nung, das Saarland mehr als bis-
an Frankreich wurde auch die         dem die Kohlen nach gemeinwirt-       her an der Verwaltung der Saar-
Verwaltung der Saargruben neu        schaftlichen Richtlinien verteilt     gruben zu beteiligen. So wurde
geordnet. Auf Grund des Geset-       wurden. Ein am 20. Februar 1948       auf der Grundlage des Saargru-
zes über die Einführung der fran-    in Berlin abgeschlossenes Wirt-       benvertrages am 1. Januar 1954
zösischen Währung im Saarland        schaftsabkommen über die Saar         das Unternehmen „Saarbergwer-
vom 15.11.1947 wurde die Ein-        verfügte unter anderem, dass die      ke“ gegründet, dessen Vorstand
richtung einer Regie der Saargru-    Saarkohle aus dem Pool aus-           von einem paritätisch besetzten
ben verfügt. Diese „Régie des Mi-    scheiden und nach dem 1. April        zwanzigköpfigen „Saargrubenrat“
nes de la Sarre“ übernahm am         1949 von der Régie des Mines          überwacht wurde.
                                                                                                         21
Der Widerstand gegen die
Politik eines wirtschaftlichen An-
schlusses des Saarlandes an
Frankreich wurde in der Folgezeit
im Saarland zunehmend stärker.
Am 23. Oktober 1955 sprachen
sich 67,7 Prozent der Saarbevöl-
kerung gegen das so genannte
„Saarstatut“ vom 23. Oktober
1954 aus.
     Ein Jahr später, am 27. Okto-
ber 1956, wurde dann zwischen
Frankreich und der Bundesrepub-
lik Deutschland in Luxemburg der
„Vertrag zwischen der Bundesre-
publik Deutschland und der Fran-
zösischen Republik zur Regelung
der Saarfrage“ (Saarvertrag) un-
terzeichnet. Dieser Vertrag been-
dete endgültig die Auseinander-      Bexbach: Französische Architektur im Zechensaal der neuen Grube
setzungen zwischen beiden Län-       St. Barbara (1954).
dern um die Saarkohle auf eine
für beide Seiten zufriedenstellen-
de Weise. Denn ein wesentlicher
Teil des Luxemburger Vertrags
war der Saarkohle gewidmet. Ne-
ben Vereinbarungen über den Ab-
bau der Kohlefelder im Warndtge-
biet und die zukünftige Organisa-
tion des Kohleverkaufs enthielt
der Vertrag auch die Grundsätze
zur Neuordnung des Steinkohlen-
bergbaus im Saarland.
     In Artikel 85 legte er der
Bundesrepublik        Deutschland
auf, innerhalb einer bestimmten
Frist einen neuen Rechtsträger
für die Saarbergwerke zu be-
nennen. Gleichzeitig wurde das
Saarland berechtigt, sich an der
neuen Gesellschaft durch Über-
nahme der Aktien in Höhe von         Schiffweiler-Landsweiler/Reden: Bergwerk Reden der Saarbergwerke AG
26 Prozent des Grundkapitals zu      mit Umfeld (1960).
beteiligen.
     Am 30. September 1957 wur-
de das neue bundes- und landes-
eigene Unternehmen Saarberg-         Der Saarbergbau unter der Saarbergwerke AG
werke AG gegründet, am 1. Okto-
ber 1957 erfolgte der Übergang
der Saarbergwerke auf den neu-            Die neu gegründete Saar-        ten Jahr des Geschäftsbetriebs
en Rechtsträger Saarbergwerke        bergwerke AG bewirtschaftete         des Unternehmens hatte sich die
Aktiengesellschaft. Das Grundka-     1958 insgesamt 99 in Betrieb be-     Absatzlage für die deutsche
pital in Höhe von 35 Milliarden      findliche Schächte, von denen 24     Steinkohle   zusehends     ver-
Franken wurde zu 74 Prozent der      als Förder-, die übrigen als Seil-   schlechtert. Billiges Mineralöl
Bundesrepublik und zu 26 Pro-        fahrt-, Material- und Wetter-        drängte auf den Markt, zudem
zent dem Saarland zugeteilt.         schächte dienten. Schon im ers­      wurde Importkohle zunehmend
22
Saarbrücken-Velsen: Kohle-Hal-
den der Grube Velsen im Rossel-
tal (1960).

                              23
Neunkirchen-Dechen:„Altes fällt“ –
Fördergerüst Dechen III (1978).
                                                                          in den folgenden Jahren auf der
                                                                          Grundlage der Saarberg-Gene-
                                                                          ralpläne I (1962) und II (1968), die
                                                                          die zukünftige Betriebsgestaltung
                                                                          der Grubenbetriebe festschrie-
                                                                          ben, weitere Anlagen stillgelegt:
                                                                          St. Ingbert (1959), Heinitz (1962),
                                                                          Victoria (1963), Dechen (1964),
                                                                          Maybach (1964), Velsen (1965),
                                                                          Kohlwald (1966), Jägersfreude
                                                                          (1968) und König (1968).
                                                                               Durch diese Schließung von
                                                                          Standorten konnte die Förderung
                                                                          von 16,2 Millionen Tonnen (1960)
                                                                          auf 10,6 Millionen Tonnen (1970)
                                                                          zurückgeführt werden. Die Ge-
                                                                          samtbelegschaft ging im gleichen
                                                                          Zeitraum von 52.964 fast um die
                                                                          Hälfte auf 26.883 Mitarbeiter zu-
                                                                          rück. Gleichzeitig stieg in diesen
                                                                          zehn Jahren die Untertageleis-
                                                                          tung von 2.013 Kilogramm pro
                                                                          Mann und Schicht (kg/MS) auf
                                                                          3.632 kg/MS.
                                                                               Parallel zum Abbau dieser
                                                                          Kapazitäten wurde in neue Anla-
                                                                          gen investiert. 1959 nahm die Ko-
                                                                          kerei in Völklingen-Fürstenhau-
                                                                          sen den Betrieb auf, 1966 wurde
                                                                          die Kapazität der Anlage verdop-
                                                                          pelt. Nach fast fünfjähriger Bau-
                                                                          zeit konnte 1963 das Bergwerk
                                                                          Warndt die Förderung aufneh-
                                                                          men. Die schon 1938 von der
                                                                          Saargruben AG im Warndt vorge-
                                                                          sehene Großschachtanlage war
                                     Großrosseln-Karlsbrunn:
                                                                          damals durch den Krieg unausge-
                                     „Neues wächst“ – Förderturm          führt geblieben. Der Saarvertrag
                                     des Bergwerks Warndt (1962).         erlaubte nunmehr der Saarberg-
                                                                          werke AG den Bau und den Be-
                                                                          trieb einer Schachtanlage im
                                                                          Warndtkohlengebiet.
                                                                               Bundesfinanzminister Fritz
konkurrenzfähig. So mussten          Förderkapazitäten wurde unaus-       Schäffner vollzog am 2. März
auch im Saarbergbau Feier-           weichlich: Schon 1952 war die        1957 den symbolischen ersten
schichten eingelegt werden, die      Dudweiler Hauptgrube Hirsch-         Spatenstich zur 1.200 Meter tie-
erste wurde am 14. Juli 1958 ge-     bach (vormals: Scalley) geschlos-    fen Warndt-Kernbohrung. Von der
fahren. Die Haldenbestände           sen worden. 1959 wurde unter         nahen Grube Velsen aus wurden
wuchsen auf fast eine Million Ton-   der Saarbergwerke AG als erste       Aus- und Vorrichtungsarbeiten
nen Kohle sowie 44.700 Tonnen        Anlage die Bexbacher Grube St.       getrieben. Lothringische Bergleu-
Koks und Schwelkoks an. Die          Barbara stillgelegt, es folgte un-   te führten im Auftrag und auf
Steinkohlenreviere Ruhr, Saar,       mittelbar danach die Anlage Mel-     Rechnung des deutschen Berg-
Aachen    und     Niedersachsen      lin in Sulzbach. Die Kohlehalden     bauunternehmens           Gesteins­­
schlossen sich zur Notgemein-        an der Saar erreichten im Jahr       arbeiten für die neue Grube vom
schaft deutscher Kohlenbergbau       1960 die zwei Millionen Tonnen-      Schacht St. Charles IV aus durch.
GmbH zusammen. Ein Abbau der         Grenze. Als Konsequenz wurden        Nur so war es möglich, dass
24
Im Kraftwerksbereich sorgten die
                                                                          Zubauten auf den Standorten St.
                                                                          Barbara in Bexbach, Weiher in
                                                                          Quierschied und Fenne für eine
                                                                          Steigerung der elektrischen Ener-
                                                                          gieerzeugung von 1,7 Milliarden
                                                                          Kilowattstunden (1957) auf 4,1
                                                                          Milliarden Kilowattstunden (1970).
                                                                          Zusätzlich erschloss die Saar-
                                                                          bergwerke       Aktiengesellschaft
                                                                          neue Geschäftsfelder. Schwer-
                                                                          punkt der Konzernaktivitäten blieb
                                                                          der Steinkohlenbergbau sowie
                                                                          die Veredelung der Kohle zu Koks
                                                                          und Gas und vor allem die Strom-
                                                                          wirtschaft.
                                                                               Saarberg gründete mehrere
                                                                          Tochtergesellschaften – so die
                                                                          Saarländische Fernwärme GmbH
Großrosseln-Karlsbrunn: Luftbild der Großschachtanlage Warndt (1966).     (SFW, 1961) – und beteilig­te sich
                                                                          an Firmen der Mineralölindustrie,
schon im Mai 1963 die ersten         beiten an der hochmodernen An-       der Werkzeugherstellung und der
Kohlen aus dem neuen Schacht         lage ereignete sich auf dem be-      chemischen Industrie (Saarland-
gefördert werden konnten. Die        nachbarten Bergwerk Luisenthal       Raffinerie, 1965; Erdölwerke
Grube Warndt lieferte vor allem      die folgenreichste Katas­trophe in   Fisia, 1965; Deminex, 1966;
wertvolle Kokskohle für die Ver-     der Geschichte des Saarberg-         Harnstoffwerk Besch, 1967; Foli-
sorgung der saarländischen Stahl-    baus. 299 Bergleute fanden am        enwerke Saar, 1969; Werkzeug
industrie. Während der letzten Ar-   7. Februar 1962 dort den Tod.        Union, 1971; Belzer-Dowidat,

Völklingen-Luisenthal: Trauerfeier aus Anlass des Luisenthaler Grubenunglücks, 10. Februar 1962.

                                                                                                         25
Technik im Saarbergbau: Streb mit Schildausbau und Walzenschrämlader (ohne Angabe).

Figur der Heiligen Barbara „Unter Tage“: Bei aller Technik – die Tradition wird hochgehalten (ohne Angabe).

26
1979). Die Tochtergesellschaft       Jahre waren gekennzeichnet
Saarberg-Interplan GmbH for-         durch weitere Rationalisierung
mierte sich als Consulting-Gesell-   und Rückführung der Beleg-
schaft mit dem Schwerpunkt auf       schaft, aber auch durch eine Stei-
der Lagerstättenprospektion.         gerung der Schichtleistung. In
     Im Steinkohlenbereich betrie-   Folge der Ölkrisen in den Jahren
ben die Saarbergwerke AG zum         1973 und 1979 war der deutsche
Ende der 1970er-Jahre die Ver-       Steinkohlenbergbau von der
bundbergwerke Reden, Camp­           staatlichen Energiepolitik aufge-
hausen, Luisenthal und Warndt,       fordert worden, die Förderkapazi-
die überwiegend Fettkohle förder-    täten wieder aufzubauen und so
ten, sowie die Gruben Göttelborn     zur Sicherheit der deutschen
und Ensdorf, die Flammkohle ge-      Energieversorgung beizutragen.
wannen. Im Untertagebetrieb er-      Die Saarbergwerke AG erhöhte
folgte die Erschließung und die      daraufhin die Steinkohlenförde-
Gewinnung der Kohle auf vollme-      rung kurzfristig von über zehn Mil-
chanisiertem Weg mit Hilfe von       lionen Tonnen (1980) auf über elf
Streckenvortriebsmaschinen und       Millionen Tonnen (1982). Die Ge-
Streben mit Schildausbau und         samtbelegschaft des Unterneh-          Bexbach: Kraftwerk Bexbach (vor-
Walzenschrämladern, die auf          mens betrug 1980 rund 24.700           mals Kraftwerk St. Barbara, 1990).
Panzerförderer laden. Zum da-        und im Jahr 1982 wieder etwa
maligen Zeitpunkt bestanden 24       26.000 Mitarbeiter. Außerdem
Gewinnungsbetriebe mit einer         hatte sich das Unternehmen ver-        den der Kraftwerksblock Weiher
durchschnittlichen   Tagesförde-     pflichtet, jedes Jahr über 1.000       III in Quierschied (1976), das Mo-
rung von 1.400 Tonnen; etwa 80       Auszubildende neu einzustellen.        dellkraftwerk Fenne in Völklingen
Bergleute arbeiteten in vier         In diese Zeit fällt auch der weitere   (1982) und, zusammen mit süd-
Schichten rund um die Uhr in ei-     Ausbau der Kokerei- und Kraft-         deutschen Partnern, das Kraft-
nem solchen Streb. Die 1970er-       werkskapazitäten, neu entstan-         werk Bexbach (1983). 1984 wur-

Völklingen-Fenne: Kraftwerk Fenne mit den alten (Mitte) und neuen Betriebsteilen (2010).

                                                                                                            27
Lebach-Falscheid: Teufgerüst des neuen Nordschachts des Bergwerks Ensdorf (1982).

de nach zweijähriger Bauzeit der   kurze Renaissance der deut-          der Kokskohle an die Stahlindus­
erste Koks in der Zentralkokerei   schen Steinkohle: Der Preisverfall   trie führten dazu, dass viele gera-
Dillingen erzeugt. Mitte der       des Rohöls, die Stagnation des       de begonnene Maßnahmen wie-
1980er-Jahre beendeten dann        Primärenergieverbrauchs, der an-     der in Frage gestellt wurden. Die
verschiedene, weitestgehend un-    haltende Kursrückgang des US-        nunmehr folgenden Jahre waren
vorhersehbare Entwicklungen die    Dollars und ein stetiger Rückgang    somit erneut von umfassenden
                                                                        Anpassungsmaßnahmen             ge-
                                                                        prägt. Der Beteiligungsbereich
                                                                        der Saarbergwerke AG wurde auf
                                                                        Unternehmen mit den Schwer-
                                                                        punkten Energie und Umwelt-
                                                                        technik zurückgeführt. Die Förde-
                                                                        rung der Bergwerke verringerte
                                                                        sich auf rund neun Millionen Ton-
                                                                        nen in 1992, gleichzeitig ging die
                                                                        Zahl der Mitarbeiter auf rund
                                                                        18.000 zurück.
                                                                              1988 hatte die Saarbergwer-
                                                                        ke AG ihr „Drei-Standorte-Kon-
                                                                        zept“ als Rahmenplanung für die
                                                                        zukünftige Behandlung der Stein-
                                                                        kohlenlagerstätte an der Saar ver-
                                                                        abschiedet. Dieses sah zum ei-
                                                                        nen die Schaffung des „Verbund-
                                                                        bergwerkes Göttelborn/Reden“
Lebach-Falscheid: Anlage Nordschacht des Bergwerks Saar 2011 (Inbe-     („Verbund Ost“) mit dem Förder­
triebnahme 1987).                                                       standort Göttelborn durch die Zu-
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