"Betongold" als Wohlfühloase - BF architekten
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3/ 2021 Das Magazin für Schweizer KMU «Betongold» als Wohlfühloase Schöner Wohnraum wird wichtiger denn je: Schwerpunktthema «Immobilienmarkt» – unter anderen mit Architekt Philipp Berger. Neue Köpfe für WIR-Expo François Cochard und Adrian Bill planen die Messe 2021 Reiselust Auszeit im Ausland 50 Shades of White trotz COVID-19 Cave Joly, Grandvaux: Weinbau im Lavaux
WIRinfo Das Magazin für Schweizer KMU März 2021 Der Preis Sie steigen seit Jahren – Jahr für Jahr: die Preise für Schweizer Immobilien. Auch die Corona-Krise hat keine Trendwende, sondern neue Begehrlichkeiten rund ums Thema Wohnen geweckt. Was hat das für Folgen? Zeit für eine allgemeine Auslegeordnung sowie ist heiss Expertenstimmen mit Architekt und Unternehmer Philipp Berger sowie Patrick Treier, Leiter Kreditmanagement der WIR Bank. Sprichwörtliche Realisierung des Traums vom Eigenheim: Die BF architekten sursee AG konzipierte dieses Einfamilienhaus in Nottwil am Sempachersee. Foto: zVg 8 9
WIRinfo Das Magazin für Schweizer KMU März 2021 Immobilien-Bewertung durch die Profis «Betongold» Sind Sie bereits Immobilienbesitzerin oder -besitzer und wollen wissen, was ihr Mehrfamilienhaus, das Einfamilienhaus oder die Eigentumswohnung wert ist? Oder erscheint ihnen als potenzielle Käufer- schaft der verlangte Preis beim Hauskauf zu hoch – dieser soll auf einfache Art und Weise überprüft in aller Munde mehr. «Wer im vergangenen Jahr ins Segment Wohnen werden? Mit einigen wenigen Klicks kommen Sie zu investiert hat, hat nichts falsch gemacht», so die einer persönlichen Schätzung samt Bewertungs- IAZI-Einschätzung. Auch diejenigen nicht, die Immobilien und Standortdatenbericht. primär als Wertanlage sehen: Das Preiswachstum für Möglich macht diese markttreue Bewertung (mit Mehrfamilienhäuser hat sich auf Jahresbasis nicht verän- Zahlungsmöglichkeit in WIR) das Bewertungs- dert, aus dem vierten Quartal resultierte eine geringe Zu- modell von IAZI, dem Produktpartner der WIR Bank. nahme um 0,8 Prozent. Diese sogenannt hedonische Bewertung basiert auf der schweizweit grössten Transaktionsdatenbank Corona als Nachfrage-Katalysator. Weltmeisterliche Schuldenquote «Viele institutionelle Anleger suchen noch immer nach und wird von Immobilienfachleuten ebenso genutzt Möglichkeiten, in Mehrfamilienhäuser zu investieren und wie von Banken, Versicherungen und Pensionskas- als Qualitätsmerkmal. Fehlende Anlagealternativen als Preistreiber. sind bereit, hohe Preise zu bezahlen», sagt Scognami- sen. Der Wert einer Liegenschaft wird mittels der Der Schweizer Immobilienmarkt zeigt keine Anzeichen von Schwäche. glio. Da die Zinswende nicht zuletzt durch Corona in wei- jeweiligen Eigenschaften und Lage des Objekts er- te Ferne gerückt ist, bleiben Immobilien, zusammen mit klärt. Bei IAZI werden etwa 20 objektspezifische Aktien, das Anlagethema Nummer eins. «Für Investoren und rund 50 lagespezifische Parameter in die Be- Aktueller denn je und längst mit eigenem Wikipedia-Ein- genommen. Weil sich die Baudynamik bei privatem bieten sich nach wie vor interessante Anlagemöglichkei- rechnung einbezogen. trag versehen: «Betongold ist ein Begriff der populären Wohneigentum im vergangenen Jahr abgekühlt habe, ten in Betongold.» Nebst eigenem Wikipedia-Eintrag Wirtschaftswissenschaft, der die vermeintliche Sicher- führt die Kombination aus knapperem Angebot und stei- gehört der Begriff längst auch zum Wortschatz Scogna- Interesse geweckt? heit von Immobilien vor Wertverfall, besonders in Krisen- gender Nachfrage wohl zu weiter steigenden Preisen für miglios. QR-Code scannen und mehr über das zeiten, bezeichnet.» Vermeintlich? Fakt ist: Die Immobi- Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser. WIR-Partner-Angebot erfahren. lienpreise für Wohneigentum kennen in der Schweiz seit ● Volker Strohm Jahren nur eine Richtung: nach oben. Und selbst bei ge- Hypotheken-Weltmeister Schweiz nauem Hinschauen gibt es nur vereinzelt lockere Wölk- Zumindest zahlenmässig ist das Potenzial für mehr chen, die weit weg am Horizont auszumachen sind. Wohneigentum riesig: Die Schweiz gilt mit vergleichen- dem Blick ins Ausland als «Land der Mieterinnen und «Die Corona-Krise hat das Wohnen bei vielen Menschen Mieter» – und das obwohl die Verschuldungsquote der definitiv ins Zentrum gerückt», sagt Donato Scognami- privaten Haushalte, insbesondere durch Hypotheken, glio, CEO des Spezialisten für Immobilien-Bewertungen (zusammen mit Dänemark) Weltmeister ist. 111 Prozent und WIR-Produktpartners IAZI (siehe Infobox rechts). des Bruttoinlandprodukts (BIP) beträgt die private Hypo- «Bei vielen ist wohl der Wunsch aufgetaucht, ihre Wohn- thekarverschuldung. Zu hohe Immobilienpreise? Steuer- verhältnisse zu optimieren.» Heisst: Gepaart mit den auf- liche Anreize zur Verschuldung aufgrund des Eigenmiet- grund der Tiefstzinsen nach wie vor sehr günstigen Fi- werts? Über die Gründe streiten sich die Experten. nanzierungsmöglichkeiten ist von einer weiter steigenden «Unsere Analyse hat gezeigt, dass die weltmeisterliche Nachfrage auszugehen. 2020 haben jedenfalls laut Verschuldung der Schweiz nicht unbedingt etwas IAZI-Informationen die Suchabonnemente für Wohn- Schlechtes ist, sondern eher ein Qualitätsmerkmal», eigentum auf Internetplattformen um rund 40 Prozent zu- schreibt der Zürcher Raumentwickler Stefan Fahrländer in der Seco-Publikation «Die Volkswirtschaft». So ein bisschen schwindlig kann es einem beim Blick auf Volksentscheid «pro Fussabdruck» die Preisentwicklung schon werden. Comparis hat in Zu- sammenarbeit mit der ETH Zürich eine interaktive Karte Fast sieben Jahre ist es her, seit das Schweizer entwickelt, die die Wertsteigerung von Eigentumswoh- Stimmvolk am 1. Mai 2014 ein neues Raumpla- nungen und Einfamilienhäusern zwischen 2007 und 2018 nungsgesetz gutgeheissen hatte. Primäres Ziel: ein zeigt: Stadt Zürich +97 Prozent, Kanton Nidwalden +82 haushälterischer Umgang mit dem Boden. Die Kan- Prozent, Neuchâtel +80 Prozent – um einige Extrembei- tone haben seither Richtpläne sowie Planungs- und spiele zu nennen. Zumindest bei den Ausreissern könnte Baugesetze angepasst – bis spätestens Ende 2023 Corona zu einer Glättung beitragen: Im Zuge von müssen nun auch die Gemeinden folgen. Eine zen- Homeoffice sind ländlichere Gebiete wieder gefragt – trale Änderung bei der Messweise betrifft den das dürfte eine Trendwende und nicht nur ein kurzfristi- Wechsel von der Ausnützungs- zur Überbauungs- ger Trend sein, die über das hoffentlich baldige Ende der ziffer, dem sogenannten «Fussabdruck» auf einer Pandemie anhalten wird. Parzelle. Tendenziell führt dies dazu, dass dort, wo dies heute noch möglich ist, keine Einfamilienhäuser Hohe Preise schrecken nicht ab mehr bewilligt werden dürfen, sondern an deren Steigender Platzbedarf und das Bedürfnis auf schöne Stelle Mehrparteienobjekte geplant werden müssen Aussichten in der neuen heimischen Arbeitswelt haben (siehe dazu Interview mit Philipp Berger ab Seite 12). dazu geführt, dass in der Schweiz 2020 so viele Einfami- lienhäuser verkauft worden sind, wie schon lange nicht Investieren in Immobilien ist und bleibt in Zeiten von Tiefstzinsen mangels Alternativen gefragt. Foto: istock 10 11
WIRinfo Das Magazin für Schweizer KMU März 2021 Bessere Ökobilanz, angenehmes Wohnklima: Der Marktanteil von Bauten mit Holz steigt – wie bei diesem von der BF architekten sursee AG Foto: zVg Philipp Berger im Gespräch mit Volker Strohm. Fotos: Pius Galliker geplanten Mehrfamilienhaus in Altbüron im nördlichen Teil der Luzerner Landschaft, an der Grenze zum Bernbiet. Aber Covid-19 hat auch die Baustellen in Beschlag punkto Eigenheim-Ausstattung verändert? «Einfamilienhäuser genommen. Wir verspüren den Wunsch, dass es einem zu Hause gut Ja. Sämtliche Handwerker müssen mit Maske arbeiten. gehen soll – entsprechend steht das Thema Luxus zu- Aber ansonsten würde ich die Baubranche als nicht weiter nehmend im Fokus. Diejenigen, die bereits ein Eigenheim eingeschränkt bezeichnen. haben, beginnen nun damit, dieses zu «vergolden» – es wird ein Pool geplant oder ein Jacuzzi eingebaut. Das werden rares Gut» Weshalb ist die Nachfrage ungebremst? Homeoffice soll so schön wie möglich werden. Das hat Wo, wenn nicht in Immobilien, soll Geld heute investiert einerseits wieder mit dem Investitionsthema zu tun, an- werden? Es fehlen doch die Alternativen. dererseits aber auch mit der Tatsache, dass man ja kaum noch weggehen kann. Wir zählen einen Poolbauer zu un- Demgegenüber zeigen aber Umfragen wie das serem Kundenkreis: Er hatte noch nie in seiner Karriere Sorgenbarometer, dass die Leute vor den Auswirkun- derart viele Aufträge; er ist auf zwei Jahre hinaus ausge- gen der Corona-Pandemie auch wirtschaftlich Angst bucht. Homeoffice lässt grüssen: Architekt Philipp Berger stellt als Folge der haben. Wäre da nicht mehr Zurückhaltung angesagt? Eigentlich erwarten wir genau diesen Effekt seit April 2020, Und was passiert mit Blick aufs eigentliche Home- Corona-Pandemie eine verstärkte Nachfrage nach mehr Wohnraum spüren aber davon bis heute nichts. Die sicherste Variante, office, also den Büro- oder Arbeitsraum? fest. Doch der gesetzliche Rahmen lässt nicht unbegrenzt Spielraum. Geld anzulegen, sind nach wie vor Immobilien. Einen Rück- Es wird umgebaut: Entweder, wo möglich, vergrössert gang spüren wir lediglich bei den Grossbaustellen, also oder die Raumaufteilung angepasst. Es zeigt sich, dass den ganz grossen Projekten mit Mietwohnungen. Da ist der gerade bei Familien mit kleinen Kindern sich der Aufwand Die Corona-Pandemie hat uns weiter fest im Griff, ist. Wie steht es vor diesem Hintergrund ums Thema Markt übersättigt – das Thema Eigenheim bleibt attraktiv. für eine Art «Abschottung» des Homeoffice-Arbeits- etliche Branchen sind entweder von den verordneten Bauen in der Schweiz? platzes lohnt. Bei dieser Umnutzung von bestehendem Schliessungen direkt betroffen oder spüren indirekt, Philipp Berger: Immer noch sehr gut. Erstaunlicher Immer häufiger wird im Homeoffice gearbeitet. Wie Volumen ist der Innenarchitekt gefragt; ein Know-how, das dass die Verunsicherung in der Bevölkerung gross weise. haben sich vor diesem Hintergrund die Wünsche wir ebenfalls anbieten. 12 13
WIRinfo Das Magazin für Schweizer KMU März 2021 Das Bauen von grösseren Objekten macht die Aufträge für Architekten attraktiver. Innovatives aus der Zentralschweiz (lacht) Ja und nein. So einfach ist die Gleichung nicht. Aber es ist Fakt, dass Einfamilienhäuser zum raren Gut mutie- «Wir setzen Räume in Szene.» Hinter diesem Ver- ren – Land, auf dem ein solches erstellt werden darf, findet sprechen steht die BF architekten sursee AG, deren man fast nicht mehr. Nicht zu vergessen: Bei Mehrfamili- Ursprung auf das Jahr 2001 zurückgeht. Reto Frank enhäusern reden wir dann von zwei, drei oder vier Parteien und Philipp Berger gründeten die BF berger + frank – keine Grossobjekte. AG, starteten in einer Einlegerwohnung – und bezo- gen erst drei Jahre später «echte» Büroräumlich- Gehen wir einen Schritt weiter: Das Bauprojekt keiten im Dorfkern von Eich . Heute zählt das Team wurde bewilligt. Welche Trends sehen Sie als Archi- 26 Mitarbeitende in Sursee und vier in Luzern (BF tekt über die vergangenen ein, zwei Jahrzehnte? architekten luzern AG). Das Firmengebäude in Sur- Die «neue Normalität»: arbeiten mit Maske. Corona sorgt bei Architekt Philipp Berger aber auch für zusätzliche Nachfrage. Foto: Pius Galliker Mehr Fläche. Früher war ein Wohnzimmer 30 Quadratme- see vereint modernste Technologien mit Freiräumen ter gross, heute müssen es 50 sein. Ein Kinderzimmer für Entspannung und kreative Pausen der Mitarbei- misst nicht mehr 11 Quadratmeter, sondern vielleicht 15 tenden. Der gelernte Hochbauzeichner Berger (dipl. Hat Corona neue Trends gesetzt oder zumindest gen Ausnützungsziffer verwenden einige Kantone bereits oder sogar noch mehr. Dazu kommen pro Objekt mehr Architekt FH, dipl. Bauleiter) ist zudem Präsident verstärkt? die Überbauungsziffer, um den Nutzungsgrad auf einer Nasszellen: Wo früher ein Bad und ein Tages-WC ausrei- des WIR-Partner-Networks Zentralschweiz. Der Wunsch nach einem Einfamilienhaus war immer schon Parzelle anzugeben. Einfamilienhäuser zu bauen wird zu- chend waren, braucht es heute im Minimum zwei Bäder gross, dieser ist durch das Corona-Jahr noch einmal grös- nehmend schwieriger … und ein Tages-WC. Eines der Bäder dann in der Regel ser geworden. Dabei zeigt sich, dass es die Leute ver- kombiniert mit einem sogenannten Master-Room-Kon- mehrt aufs Land zieht. Das urbane Leben «beisst sich» ein … darauf kommen wir gleich beim Thema Preisniveau zept, das auch Schlafzimmer und Ankleide umfasst. es schafft zudem ein angenehmes Wohnklima. Ebenfalls Stück weit mit Homeoffice: Dort werden in aller Regel nur nochmals zurück – bleiben wir noch kurz beim gegen aussen sichtbar ist natürlich der Trend zum Flach- noch Miniatur-Balkone geplant, man sitzt aufeinander. Mahnfinger des Architekten. Und das Ganze energieeffizient. dach, der meines Erachtens weiterhin anhalten wird. Da- Diesen Trend «raus aus der Stadt» spüren wir – etliche Wir geben immer eine Checkliste ab, die der Kunde un- Selbstverständlich. Stichworte sind Minergie, Niedrig- durch wird eine klare Formensprache geschaffen. Was Landgemeinden haben regelrecht Aufwind erhalten. terschreiben muss. Für mich einer der wichtigsten Punk- energie, Energie-Plus-Bauten – ein Riesenthema. Photo- aber im Umkehrschluss nicht heissen soll, dass das te: Bauen ist zeitintensiv, dessen muss man sich unbe- voltaik ist zum Muss geworden. Dazu steigt der Marktan- Schrägdach «ausstirbt». Jetzt kommt also jemand mit dem Wunsch zu Ihnen, dingt bewusst sein. Es reicht nicht, wenn ich als Bauherr teil von Bauten mit Holz. Dieses Material verbessert einer- ein Eigenheim zu erstellen. Wessen muss sich der oder Bauherrin nur jeweils abends ab 17 Uhr und am seits die Ökobilanz, da es im eigenen Land wächst – und ● Volker Strohm Kunde bewusst sein, wann erhebt der Architekt den Wochenende Zeit habe. Und die Bauherrschaft muss Mahnfinger? sich von uns in der Funktion als Treuhänder des Kunden Zunächst gibt es Fälle, bei denen Realisierungswünsche führen lassen. des Kunden auf der zur Verfügung stehenden Parzelle we- gen des Baugesetzes gar nicht erfüllt werden können. Hier Kommen wir also zurück auf das Thema Nutzungs- ist schweizweit ein Wandel im Gange: Anstelle der bisheri- grad: Das würde ja als Konklusion darauf schliessen lassen, dass sich preislich im Immobilienmarkt auch weiterhin keine Korrektur nach unten abzeichnet? Wie schon vorhin erwähnt, muss sich die Masse der Miet- wohnungen korrigieren – das sieht man nur schon am Leerwohnungsbestand, selbst in Zentren. Aber im Markt für Wohneigentum sehe ich keine Korrekturen, das Preis- niveau wird gehalten werden – eher noch teurer. Getrieben durch die Raumplanungsgesetzgebung, die Einfamilienhäuser zunehmend erschwert? Ja. Die Ausnützungsziffer wird, wie bereits erwähnt, durch den sogenannten «Fussabdruck» ersetzt, den eine Immo- bilie auf einer Parzelle hinterlässt: Je höher gebaut wird, desto kleiner wird der Fussabdruck, desto mehr Grenzab- stand wir nötig. Bis 2023 wird diese Änderung gesamt- schweizerisch vollzogen sein. Einfamilienhäuser im Kon- text der Verdichtungsthematik als Landverschwendung; es gibt heute bereits Gemeinden, die in einzelnen Parzel- len das Bauen von Einfamilienhäusern unterbinden, weil eine einzige Familie quasi zu viel Land verschwenden wür- de. Aber es gibt natürlich auch Parzellen, bei denen das Bürogebäude in Lupfig: auch ein Resultat aus Bergers Team. Foto: zVg neue Baugesetz Vorteile bringt. Ein echter Hingucker: Das Bürogebäude der BF architekten sursee AG. Erneuerbare Energie und Feng-Shui stehen hier hoch im Kurs. Foto: zVg 14 15
WIRinfo Das Magazin für Schweizer KMU März 2021 «Die Blase hat sich Sind die tiefen Zinsen nicht trügerisch, wenn man etwas entladen» sich den Traum vom Eigentum erfüllen will? Die regulatorischen Mindestrichtlinien bei einer Finanzie- rung müssen seitens der Bank eingehalten werden. Eine davon betrifft die Tragbarkeitsrechnung: Noch immer rechnen wir mit einem kalkulatorischen Zins von 4,5 Pro- zent. So rechnen wir die Tragbarkeit durch, zeigen dem Kunden aber auch klar auf, was er effektiv bezahlen Patrick Treier, Leiter Kreditmanagement und stellvertretender CEO muss. der WIR Bank, gibt Einblicke in die Entwicklung des Immobilien- 4,5 Prozent als kalkulatorischer Zins: Ist das nicht markts – und erklärt, weshalb es für eine Investition nicht zu spät ist. völlig realitätsfremd? Es gibt Banken, die bereits eine Senkung des kalkulatori- schen Satzes gefordert haben. Ich bin auch der Meinung, dass dieser Zinssatz – beispielsweise mit einer Durch- Rund ein Jahr Coronakrise. Welche Auswirkungen de Leerwohnungsbestand in diesen «mittelalten» Immo- schnittszinsrechnung – nun nach unten korrigiert werden hat das auf den Schweizer Immobilienmarkt? bilien ist gleichzeitig eine Chance: Durch Renovationen müsste. Patrick Treier: Zu Beginn der Krise hatte ich Sorgen, können die Objekte weiterentwickelt werden. dass dies auch auf den Immobilienmarkt überschwap- Und wer die Finanzierung erhält, sollte punkto pen würde – doch ich wurde schnell eines Besseren be- Gab es beim Thema Instandhaltung in den vergan- Zinsänderungsrisiko auf Nummer sicher gehen. lehrt. Vor allem im privaten Bereich ist Wohneigentum genen Jahren Versäumnisse? Ja, beispielsweise mit einer 10-jährigen Festzinshypo- sogar gefragter denn je. Die Leute suchen private Frei- Die Schweiz baut zwar seit jeher auf qualitativ sehr ho- thek. Diese relativiert die kalkulatorische Tragbarkeit. Die räume, beispielsweise in Form eines Einfamilienhauses hem Niveau, hat aber jetzt viele Häuser, die aufgrund ih- Dauer dieser Festhypothek sollte dafür genutzt werden mit Garten, dank dem man auch mit Einschränkungen im res Alters Erneuerungsbedarf haben. Das wird der gan- Patrick Treier ist stellvertretender CEO der WIR Bank. Foto: Raffi Falchi eher überdurchschnittliche Amortisationen zu leisten, um Zuge einer Pandemie noch draussen sein kann. zen Baubranche in den kommenden Jahren zu Aufträgen ein Sicherheitspolster bis zur Verlängerung zu schaffen. verhelfen. Aber es ist gleichzeitig auch der Staat mit För- Gesteigerte Nachfrage heisst steigende Preise. derungsprogrammen gefragt, damit die Emissionsbelas- ge ist doch vielmehr: Wo soll ich heutzutage Geld anle- Gibt es bei der Finanzierung ein Patentrezept? Ja, die Preisentwicklung hat in den vergangenen Mona- tung der Umwelt durch Immobilien reduziert werden gen? Es bleiben Aktien – oder eben Immobilien. Corona Nein. Aber die 10-jährige Festzinshypothek kann ich als ten nur eine Richtung gekannt: nach oben. Dies sowohl kann. Nebst dem Verkehr sind die Emissionen aus Häu- wird die Nachfrage nach Immobilien eher weiter befeu- Empfehlung aussprechen. Oder dann eine Libor- respek- bei Eigentumswohnungen als auch bei Einfamilienhäu- sern hierzulande einer der grössten negativen Treiber – ern. Was wir auch nicht ausser Acht lassen dürfen: In der tive neu eben Saron-Lösung, die zwar günstiger, aber sern. da sind wir gefordert! Wir müssen handeln! Schweiz liegt der Anteil von Wohneigentum bei rund 50 auch ein höheres Zinsänderungsrisiko mit sich bringt. Ei- Prozent; das ist im Vergleich zum Ausland wenig. Man nes, das man aus heutiger Sicht aber als klein einstufen Gepaart mit einer rekordtiefen Niedrigzinsphase. Die Anreize zum Einsatz erneuerbarer Energien könnte also im Umkehrschluss lapidar folgern: Nur kann. Laufzeiten hier sind drei oder fünf Jahre – aber die Richtig. Ich würde aber nicht mehr von «Phase» reden, haben aktuell «Luft nach oben». schon, um eine höhere Quote zu erreichen, gilt es noch, Differenz zu einer längeren Festhypothek eben auch wir befinden uns vom Zeithorizont wohl eher beim Bei- Da besteht eindeutig Nachholbedarf. Das wird auch an eine grosse Nachfrage nach Immobilien zu befriedigen. nicht gravierend. spiel von Japan: Ich habe das Gefühl, dass wir diese plakativen Beispielen sichtbar: Wenn ich im Fricktal Rich- niedrigen Zinsen auch in der Schweiz noch einige Jahre tung Schwarzwald blicke, sind auf der anderen Seite der Ist, wer jetzt noch nicht in Immobilien investiert hat, sehen. Das macht Wohneigentum attraktiv – und letztlich Grenze die Dächer mit Sonnenkollektoren regelrecht «zu- zu spät? einiges günstiger als die Miete. getackert». Anders bei uns. Positiv formuliert ist das aber Nein. Schauen wir als Beispiel auf die Pensionskassen: Die Hypothek mit Negativzinsen auch eine Riesenchance für die Baubranche: nicht nur Dort wird weiter in Aktien investiert – und in Immobilien. Wenn viele in Eigentum investieren wollen, ist das die Solarbauer direkt, sondern auch Heizer, Fensterbau, Und man gibt sich mit Renditen zufrieden, bei denen man Das Finanzierungsangebot der WIR Bank ist sowohl doch für den Markt der Mietwohnungen problema- Gebäudeisolation und alles, was dazugehört. noch vor ein paar Jahren lächelnd den Kopf geschüttelt für Firmen- wie auch Privakunden vielfältig. Als Plus- tisch? hätte. Auch Immobilienfonds zeigen nach wie vor eine punkt sind alle Hypothekarengagements gegen Erd- Ja. Bei Mietwohnungen besteht in der Tat ein Überhang Alles immer eine Kostenfrage. solide Performance. beben versichert – eine Vollversicherung auf die ge- von etwas über 80 000 Wohnungen, die schweizweit leer Natürlich ist der Blick aufs eigene Portemonnaie immer samte Liegenschaft ist zudem mit Rabatt möglich. stehen. Dieser Leerwohnungsbestand ist natürlich auch naheliegend, wenn ich als Immobilienbesitzer eine Hei- Wer beispielsweise also ein Mehrfamilienhaus als WIR-KMU-Kunden profitieren zusätzlich von der bei der WIR Bank ein Thema, da wir viele Baukredite zung, insbesondere Öl, ersetzen muss. Neue Technologi- Renditeobjekt baut oder erwirbt, muss heute Möglichkeit, Finanzierungen in Schweizer Franken sprechen und Promotionsobjekte finanzieren. Aber: en wie beispielsweise Erdsonden kosten einiges mehr. zurückbuchstabieren? (CHF) und in WIR (CHW) zu kombinieren. Absolutes Wenn in den Medien von vielen Leerwohnungen die Rede Diese Investitionen kann sich nicht jeder leisten. Förder- Ja und nein. Wer vor Jahren eine solche Liegenschaft ge- Alleinstellungsmerkmal ist die Mehrwert-Hypothek ist, erweckt dies den Eindruck, dass das, was neu ge- programme sind daher gefragt. kauft hat und eine Rendite von fünf Prozent erwartete, WIR: Für Neugeschäfte zahlt die WIR Bank auf den baut wird, keine Interessenten findet. Das ist aber mit- bewertete das vielleicht schon als eher mager. Heute se- CHW-Anteil während fünf Jahren einen Zins von nichten der Fall: Neue Wohnungen können vermietet wer- Wenn wir gerade beim Thema Kosten sind: Wie hen wir Geschäfte, bei denen die Rendite noch bei drei 1,5 Prozent, jährlich – verkehrte Welt. den. Die Leute bewegen sich von «mittelalten» Immobilien passt es zusammen, dass seit Jahren vor einer Prozent liegt. Und jetzt kommt das «Aber»: Diese drei zum Neubau, finden dort grössere Wohnungen mit einem Immobilienblase gewarnt wird und wir jetzt relativ Prozent muss ich in Relation zum absoluten Zinsniveau Wie das genau funktioniert? höheren Ausbaustandard – und sind auch bereit, dafür entspannt über weiter steigende Preise reden? bei null Prozent stellen – und schon sieht die Rechnung QR-Code scannen und mehr erfahren. etwas mehr an Miete zu bezahlen. Der daraus entstehen- Vorweg: Die Blase hat sich etwas entladen. Aber die Fra- viel besser aus. 16 17
März 2021 Statistisch ist es auf Grund der vergleichsweise kurzfris- tigen Entwicklung noch nicht nachzuweisen, aber Coro- na zeigt klar: Etwas abseits im Grünen zu wohnen, ist zunehmend gefragt. Gerade mit der Zunahme von Homeoffice ist es doch kein Problem mehr, an drei oder vier Tagen abseits eines Ballungszentrums zu Hause zu arbeiten – und für einen Tag ins Büro in die Stadt zu fah- ren. Daneben sehe ich aber im Zusammenhang mit Homeoffice einen weiteren Trend: Es löst den Wunsch nach mehr Wohnraum aus. Wo bisher vielleicht eine 3,5-Zimmer-Wohnung ausreichend war, muss nun noch ein weiteres Zimmer fürs heimische Büro hinzukommen. Und der eingangs erwähnte Garten sollte dabei sein. Aber: Bauland ist beschränkt. Beschränktes Angebot, steigende Nachfrage. Wir sind schon wieder beim Preis. Ja, die Preise werden weiter steigen. Bau oder Kauf – es gilt nach wie vor: Lage, Lage, Lage. Foto: istock Wir hatten die Renditeobjekte bereits in Zusammen- hang mit Mietwohnungen auf dem Radar. Wie sieht Aber eine 10-jährige Festhypothek bedarf Disziplin, die Entwicklung dann aus, wenn ich ein Objekt mit damit man am Ende der Laufzeit nicht in den Zins- einzelnem Stockwerkeigentum zum Abverkauf plane? hammer läuft. Bei der Planung gilt das, was ich bereits punkto Aus- Ein Eigentümer sollte fairerweise immer mit drei, viel- baustandard bei Mietwohnungen erwähnt hatte: Die leicht 3,5 Prozent «nachhaltigem» Zins rechnen. Deshalb Zimmer werden grösser, eigene Waschmaschine und ist es zu empfehlen, diese Zinsdifferenz, die durch das Tumbler sind mittlerweile Standard, die Küche wird aktuelle Niveau entsteht, nicht zu verprassen, sondern buchstäblich zentral. Treiber dieser Entwicklung sind anzusparen, um die Schulden in zehn Jahren amortisie- natürlich die Nachfragenden – daraus ergibt sich letzt- ren zu können. lich aber ein weiterer Preistreiber. Und: Die Vorschriften rund um energetische Themen wie Heizungstechnik, Nebst der Tragbarkeit ist auch die maximale Beleh- Minergie und dergleichen machen das Bauen auch nung eines Objekts regulatorisch geregelt. Wenn wir nicht günstiger. von einem steigenden Preisniveau ausgehen, können sich doch immer weniger Leute einen Trotzdem entscheide ich mich für ein Rendite- Immobilienkauf aufgrund der steigenden Anforde- objekt. Was gilt es zu beachten? rungen ans Eigenkapital noch leisten? Lapidar lässt sich die Frage mit «billig kaufen, teuer ver- Das ist in der Tat die Krux im Schweizer Immobilienmarkt: kaufen» beantworten. Doch zunächst gilt der altbekann- Die Jungen, die gerne etwas fürs Leben erwerben wür- te Grundsatz beim Thema Immobilien: Lage, Lage, Lage den, können es sich gar nicht mehr ersparen. Die Preis- – und nochmals Lage. Allerdings ist dieser Effekt im Zuge steigerung des Markts verläuft schneller, als eine Spar- der Coronakrise etwas dynamischer geworden; auch quote realistischerweise mithalten kann. Wenn junge 1b-Lage kann gefragt sein. Da spielen dann Faktoren Familien heutzutage eine Immobilie erwerben können, ist wie Verkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten, Schule, das praktisch nur noch mit finanzieller Hilfestellung durch Steuern oder Industrie als direkter Nachbar eine Rolle. die Eltern/Familie möglich. Oder nach einem Lotto-Sech- ser (lacht). Früher galt die Devise: Nach Eintritt in die Be- Themen, die auch für den privaten Hauskauf zur rufswelt spare ich 15 Jahre an und kaufe mir dann ein Eigennutzung gelten. Haus – heute funktioniert das nicht mehr, weil einem die Ja. Wird eine bestehende Immobilie gekauft, darf diese Preise davonrennen. Natürlich besteht auch die Möglich- auf keinen Fall versteckte Mängel aufweisen. Bei einem keit eines Vorbezugs von Pensionskassengeldern. Ich Neubau ist die Wahl des Partners wichtig: Architekt oder persönlich bin aber kein Freund dieser Finanzierungs- Generalunternehmer – und bei letzterem auch dessen möglichkeit. Bonität. Er muss ein Projekt qualitativ und vor allem auch finanziell im Griff haben. Inwieweit hat das durch Corona beschleunigte Thema Homeoffice den Wunsch nach einem Eigen- ● Volker Strohm heim verstärkt? 19
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