Finanzkrise: Die Schweizer Lösung im internationalen Vergleich
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Monatsthema Finanzkrise: Die Schweizer Lösung im internationalen Vergleich Die globale Finanzkrise ist von ih- rem Ausmass und ihrer Komplexi- tät her ein Ereignis von ausseror- dentlicher Dimension. Die natio- nalen Stützungspakete für den Finanzmarkt der letzten Monate scheinen positiv anzuschlagen. Es hat sich gezeigt, dass die Koordi- nation auf internationaler Ebene für die Wirksamkeit nationaler Massnahmen zentral ist, wenn- gleich die Massnahmen auf die nationalen Eigenheiten der ein- zelnen Länder Rücksicht nehmen müssen. Die Finanzkrise verdeut- licht zudem die Bedeutung einer frühzeitigen, szenarienbasierten Krisenplanung, die auch vor Eine verschärfte Vertrauenskrise bei einer Grossbank hätte eine massive Belastung der gesamten Schweizer Volkswirt- scheinbar unverrückbaren Para- schaft zur Folge gehabt. Dieses Risiko gab den Anstoss zum Beschluss von Bundesrat, Schweizerischer Nationalbank und Eidgenössischer Bankenkommission für ein Massnahmenpaket zur Stärkung des Schweizer Finanzsystems. digmen nicht Halt machen darf. Bild: Keystone In der breiten Öffentlichkeit herrschte für die Stabilität der internationalen Finanz- ungläubiges Staunen, wie der Preiszerfall märkte war, dass hoch entwickelte Finanzin- auf dem amerikanischen Immobilienmarkt stitute auf den führenden Finanzplätzen fast nordnorwegische Gemeinden im Herbst durchwegs massiv in solche strukturierten 2007 so in finanzielle Schieflage brachte, dass Produkte investiert hatten. Diese Wertpapie- sie ihre öffentlichen Dienste – wie zum Bei- re dienten vorab den Hypothekarkreditban- spiel die Feuerwehr – auf einen Minimalbe- ken in den USA zur Weitergabe ihrer Risiken. trieb umstellen mussten. Diese Gemeinden Für die Investoren ihrerseits stellten sie auf- am Polarkreis erlitten Verluste auf Wertpa- grund ihrer Eigenschaften eine interessante pieren, deren Preise ins Bodenlose sackten, Diversifikationsmöglichkeit dar. Ausschlag- obwohl sie bis dato ein erstklassiges Rating gebend für den Boom dieser strukturierten Dr. David S. Gerber aufwiesen. Man wagte damals nicht zu den- Produkte aber war mitunter, dass diese im Leiter Sektion Finanz- ken, dass die Finanzkrise erst an ihrem An- Vergleich zu anderen Anlagen der gleichen märkte und Finanzdienst- leistungen, Eidg. Finanz- fang stand. Risikoklasse eine höhere Rendite verspra- verwaltung EFV, Bern chen. Es ist charakteristisch für eine Spekula- tionsblase, dass elementare Zusammenhänge Von Problemen im Subprime-Bereich bezüglich Risiko und erwarteter Rendite ig- in den USA zur globalen Finanzkrise noriert werden. Ihren Anfang nahm die Krise in der Ab- Nach dem beginnenden Preiszerfall fan- kühlung der US-amerikanischen Häuser- den sich keine Käufer für hypothekenbasierte preise, welche zuvor infolge einer grosszügi- strukturierte Produkte mehr. Aufgrund des Dr. Martin K. Hess gen Krediterteilung und tiefer Zinsen Marktzusammenbruchs führten viele Finanz- Senior Policy Advisor markant gestiegen waren. In der Folge zerfie- institute in grossem Umfang solche Papiere Financial Stability, Sek- tion Finanzmärkte und len insbesondere die Preise auf Wertpapie- von schlechter Qualität ohne Marktpreis. In- Finanzdienstleistungen, ren, welche durch US-Hypotheken minderer folge grosser Abschreibungen und Problemen Eidg. Finanzverwaltung Qualität (Subprime) besichert waren, und mit der Bewertung der Aktiven wurde es EFV, Bern die Märkte trockneten aus. Problematisch schwierig, sich ein korrektes Bild der Qualität 4 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 12-2008
Monatsthema Grafik 1 Empfehlungen für die Behörden, die Ban- Massnahmenpaket zur Stabilisierung des Schweizer Finanzsystems kenaufsicht sowie die Marktteilnehmer. Nach anfänglichem Zögern hat sich auch die Privatindustrie mit dem Problem ausein- Verkauf Eigentum an andergesetzt und im Rahmen des Institute of Cash Zweckgesellschaft Bund UBS SNB International Finance (IIF) im Sommer 2008 Pflichtwandelanleihe Rückkaufsoption einen Verhaltenskodex für verschiedene Be- 6 Mrd. CHF nach Rückzahlung (Zinssatz 12.5%, des Darlehens reiche erlassen. Dies konnte jedoch nicht ver- Laufzeit max. 30 Mt.) hindern, dass sich die Finanzkrise nach dem Konkurs der US-Investmentbank Lehman illiquide Aktiven Cash Ausstattung mit max. Brothers Mitte September 2008 deutlich 6 Mrd. USD Eigenkapital akzentuierte. Gewisse Länder sahen sich mit Darlehen max. 54 Mrd. USD, grossen Zahlungsbilanzproblemen konfron- besichert durch Aktiven (Zinssatz LIBOR + 250 tiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Krise be- Basispunkte) reits Staaten ohne Immobilienblase erfasst Zweckgesellschaft (max. 60 Mrd. USD) und erste negative Auswirkungen auf die UBS Investment Manager SNB Aufsicht Realwirtschaft gezeitigt, welche sich mittler- weile drastisch verschärft haben. Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft Stabilisierungspakete in der Schweiz und im Ausland Die Schweizer Wirtschaft ist von einem gewisser Banken zu machen. Diese Unsicher- im internationalen Vergleich relativ grossen heit führte zu einem massiven Vertrauensver- Bankensektor geprägt. Ende 2007 belief sich lust innerhalb der Industrie. Finanzinstitute die Summe aller Aktiven des Bankensektors waren nun plötzlich nicht mehr bereit, sich insgesamt auf über 4700 Mrd. Franken. Dies gegenseitig Kredite zur Verfügung zu stellen. entspricht dem Neunfachen des Bruttoin- So kam es, dass die Europäische Zentralbank landprodukts (BIP) der Schweiz. Hinzu (EZB) am 9. August 2007 erstmals mit einer kommt die überdurchschnittliche Konzent- massiven Liquiditätsspritze von fast 95 Mrd. ration im Schweizer Bankensektor: Drei Euro die Refinanzierung von Banken sicher- Viertel der Summe aller Aktiven werden von stellte. Dieses Datum ist der Auftakt zu einer den international exponierten Grossbanken der grössten Finanzkrisen bisher. gehalten. Wiederholte koordinierte Stützungsaktio- Eine verschärfte Vertrauenskrise bei einer nen der Zentralbanken konnten den Zusam- Grossbank hätte deshalb eine massive Belas- menbruch des Systems vorerst verhindern. tung des schweizerischen Finanzsystems und Sie führten jedoch nicht zur beabsichtigten der gesamten Schweizer Volkswirtschaft zur Normalisierung, da die Banken aufgrund der Folge gehabt. Beispielsweise wären Haushalte weiter bestehenden Verunsicherung Liquidi- und Unternehmen wegen der Blockierung tät horten und anderen Banken nicht auslei- ihrer Konten und der Unterbrechung ihrer hen. Somit waren die Wiederbelebungsver- Kreditbeziehungen ausserstande gewesen, suche des Interbankenmarkts lange Zeit laufende Ausgaben und Investitionen zu erfolglos verlaufen. Die Situation verschärfte tätigen. Dies hätte zu einer Lahmlegung des sich insofern weiter, als die anfänglichen Li- Zahlungssystems führen können. Dieses quiditätsrisiken mit zunehmender Krisen- Risiko gab den Anstoss zum Beschluss von dauer bei gewissen Instituten zu Bonitäts- Bundesrat, Schweizerischer Nationalbank problemen führten. (SNB) und Eidgenössischer Bankenkommis- Dieser Gefahr waren sich die Behörden sion (EBK) vom 15. Oktober 2008 für ein der Finanzplätze bald bewusst. Die Diskus- Massnahmenpaket zur Stärkung des Schwei- sionen in internationalen Gremien über die zer Finanzsystems. Zum Zeitpunkt dieses Notwendigkeit und Ausgestaltung weiterer Entscheids hatte die Mehrzahl der wichtigs- Massnahmen wurden intensiviert. Bereits im ten Finanzplätze weltweit ihre Rettungs- Oktober 2007 beauftragten die Finanzminis- pakete bereits angekündigt und erste massive ter und Zentralbanken der sieben führenden Staatsinterventionen durchgeführt. Industriestaaten (G7) das Financial Stability Der erste vorangehende Paukenschlag an- Forum (FSF), Empfehlungen für konkrete gesichts der drastischen Verschlechterung der Massnahmen zu formulieren. Im April 2008 Marktbedingungen Mitte September 2008 veröffentlichte das FSF seinen Schluss- war der Vorschlag von US-Finanzminister bericht,1 an dessen Erarbeitung die Schweiz Paulson, das Übel des Vertrauensverlusts un- 1 Financial Stability Forum, Report of the FSF on Enhan- cing Market and Institutional Resilience, April 2008 mitgewirkt hatte. Der Bericht enthält einen ter den Banken an der Wurzel zu packen und (www.fsforum.org). im Konsens verabschiedeten Katalog von ihnen illiquide Wertpapiere (Toxic Assets) im 5 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 12-2008
Monatsthema Kasten 1 Details des Massnahmenpakets Aktionsplan der G7-Länder Die starken Verwerfungen auf den globa- Aufgrund der ernsten Situation und der unge- werden, dass die Steuerpflichtigen geschützt und len Finanzmärkten haben sich in der Schweiz bremsten Abwärtsdynamik trotz verschiedenster schädliche Folgen für andere Staaten vermieden hauptsächlich auf die beiden stark im ameri- Rettungsmassnahmen haben die Finanzminister werden. Der G7-Aktionsplan wurde sodann vom kanischen Markt engagierten Grossbanken und Notenbankchefs der sieben führenden Indus- Internationalen Währungs- und Finanzausschuss triestaaten (G7) am 10. Oktober 2008 einen ge- (IMFC), dem Steuerungsorgan des 185 Mitglieder ausgewirkt, wobei die UBS deutlich stärker meinsamen Aktionsplan gegen die Krise be- zählenden Internationalen Währungsfonds (IWF), betroffen ist als die Credit Suisse. Dies mani- schlossen. Kernpunkt ist eine enge Abstimmung unterstützt, was ihm weltweite Legitimation ver- festierte sich gegen Ende des 3. Quartals 2008 zwischen den Ländern über ihre jeweiligen Ret- leiht. in einem stark erhöhten Abfluss von Kun- tungsbemühungen. Die G7-Staaten wollen alle Am 7. Oktober 2008 hatte der Rat der EU-Wirt- zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um wich- schafts- und Finanzminister (Ecofin) in einer dengeldern, einer unbefriedigenden Ertrags- tige finanzielle Institute zu unterstützen und um schriftlichen Erklärung bereits festgehalten, dass entwicklung und einer – trotz Gegenmass- deren Zugang zu Liquidität und Refinanzierung die EU-Regierungen insbesondere auch direkte nahmen – immer noch problematisch hohen sicherzustellen. Vor dem Hintergrund der jahr- staatliche Interventionen zur Verhinderung von Exponierung in illiquiden Aktiven. zehntelangen Liberalisierungstendenzen ist be- Zusammenbrüchen systemrelevanter Finanzinsti- merkenswert, dass die G7 auch für die Versorgung tute vorsehen. Staatliche Interventionen sollen Da nicht auszuschliessen war, dass die von grossen Finanzinstituten mit ausreichend fri- rechtzeitig erfolgen und zeitlich begrenzt sein. UBS bei sich weiter verschlechternden Märk- schem Kapital aus öffentlichen Quellen plädiert. Die bisherigen Aktionärinnen und Aktionäre als ten in eine verschärfte Vertrauenskrise gera- Dies soll das Vertrauen wiederherstellen und den Eigentümer der Firma sollen «gebührende Konse- Banken ermöglichen, weiterhin Kredite an Privat- quenzen» der begangenen Fehler tragen. Der in- ten könnte, waren Massnahmen zur Stärkung personen und Unternehmen zu vergeben. tervenierende Staat soll zudem Einfluss auf die des Gesamtsystems nötig. Die Zurückgewin- Schliesslich soll auch der Einlegerschutz verstärkt Zusammensetzung des Managements erhalten. nung des Vertrauens in den Schweizer Fi- werden. Diese Massnahmen sollten so ergriffen nanzmarkt hatte deshalb erste Priorität. Das Massnahmenpaket des Bundesrates umfasst als Sofortmassnahme die Stützung der sys- temrelevanten UBS und die Verstärkung des Umfang von 700 Mrd. US-Dollar abzukau- Einlegerschutzes. Hinzu kommen flankieren- fen. Der Staat würde so die Banken von einer de Massnahmen zur Krisenprävention.2 Last befreien und gleichzeitig wieder einen Markt für diese Wertpapiere schaffen. Die Massnahmenpaket UBS Unterstützung der Banken sollte insbesonde- Das Massnahmenpaket setzt dort an, wo re eine ausreichende Kreditversorgung der die Hauptprobleme liegen. Es entlastet die Wirtschaft sicherstellen. Wie sensitiv die Bilanz der UBS einerseits von illiquiden Ak- Märkte auf staatliche Massnahmen reagie- tiven und stärkt andererseits gleichzeitig de- ren, zeigte die Reaktion der Börse auf die an- ren Eigenmittel durch die Bereitstellung von fängliche Ablehnung des Paulson-Plans durch Kapital. Dieses duale Vorgehen liegt zwischen Kasten 2 den Kongress am 29. September 2008, die dem ursprünglichen Paulson-Plan und dem zum grössten Tagesverlust an der Wall Street britischen Stabilisierungspaket und hat den Drei Schienen der Entschädigungs- seit 1987 führte. Vorteil, dass beide Elemente von Beginn weg diskussion Grossbritannien kündigte seinerseits am eng aufeinander abgestimmt sind. 8. Oktober 2008 ein Rettungspaket im Um- Die erste, in der Kompetenz der SNB Die Diskussion zu den Entschädigungs- systemen läuft in der Schweiz auf drei fang von 400 Mrd. Pfund an. Die Schwer- liegende Massnahme besteht in der Über- Schienen: punkte der beiden ursprünglich verabschie- tragung illiquider Aktiven der UBS im Um- − Am 22. Oktober 2008 hat der Bundesrat deten Massnahmenpakete sind verschieden. fang von maximal 60 Mrd. US-Dollar an eine entschieden, die Aktionärsrechte der be- Während Grossbritannien die Sicherstellung Zweckgesellschaft (vgl. Grafik 1). Die Zweck- reits verabschiedeten Aktienrechtsvorlage im Bereich der Vergütungspolitik und der einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung gesellschaft wird mit einem Eigenkapital von Rückerstattungsklage zusätzlich zu ver- von Banken anstrebte, war das US-Paket höchstens 6 Mrd. US-Dollar durch die UBS schärfen. Insbesondere soll ein Reglement vorerst vollständig auf den Aufkauf von illi- und einem Darlehen über maximal 54 Mrd. zu den Vergütungen des Verwaltungsrats von der Generalversammlung genehmigt quiden Aktiven ausgerichtet. Seither erfuhr US-Dollar ausgestattet. Mit diesen Mitteln werden. das US-Paket jedoch zahlreiche Änderungen kauft sie der UBS illiquide Aktiven gegen − Die EBK ist daran, für die Finanzbranche und umfasst mittlerweile auch Unterstüt- flüssige Mittel ab und entlastet sie von ent- generelle Richtlinien zu den Entschädi- zungsmassnahmen für andere Branchen. sprechenden Risiken. Diese Risiken können gungssystemen auszuarbeiten. Umsetzung und Einhaltung dieser Regeln werden von Generell werden die Ausgestaltung des von der SNB besser getragen werden, da sie EBK und Prüfgesellschaften künftig über- britischen Pakets sowie der Aktionsplan der mit deren Verwertung zuwarten kann, bis prüft. Um eine Benachteiligung der G7-Länder (siehe Kasten 1) als wegweisend sich die Märkte erholt haben. Schweizer Institute zu vermeiden, wird die für das am 12. Oktober 2008 beschlossene Mit der Entlastung der UBS von illiquiden EBK die Ausarbeitung und Erlass der Richt- linien international abstimmen. Massnahmenpaket der Eurozonen-Länder Aktiven eng verbunden ist die zweite Mass- − Die UBS hat sich in den Vereinbarungen angesehen. Dieses sieht vor, Interbanken- nahme: Die Eigenmittelbasis der UBS wird mit dem Bund und der SNB verpflichtet, Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von bis durch die Zeichnung einer Pflichtwandelan- Vorgaben zu Entschädigungssystemen ein- zu fünf Jahren zu garantieren, öffentliche leihe in der Höhe von 6 Mrd. Franken durch zuhalten, welche den in Absprache mit der EBK ermittelten Best Practices und inter- Mittel für die Rekapitalisierung des Banken- den Bund gestärkt. Der Bank wird so ermög- nationalen Standards entsprechen. Die systems bereitzustellen und die Mindest- licht, die Zweckgesellschaft mit dem nötigen UBS hat nun konkrete Massnahmen ausge- grenze des Einlegerschutzes auf vorerst Eigenkapital auszustatten, ohne die eigene arbeitet und an ihrer Generalversammlung 50 000 Euro anzuheben. Kapitalbasis zu schmälern. Für den Bund hat 6 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 12-2008
Monatsthema Kasten 3 Flankierend dazu müssen die Banken die privilegierten – also die geschützten – Einlagen G20-Aktionsplan: Reformelemente zum Finanzsektor selber sichern. Zu diesem Zweck müssen sie Ein am Gipfel vom 15. November 2008 − In der kurzen Frist sollen Finanzinstitute an- dafür ständig grundsätzlich inländisch gedeck- verabschiedeter Aktionsplan sieht eine Reihe gehalten werden, ihre internen Kontrollme- te Forderungen oder übrige in der Schweiz kurzfristiger Massnahmen sowie einen Katalog chanismen zu überprüfen. Banken sollen si- vorhandene Aktiven halten. Damit haben die von mittelfristigen Reformen vor (siehe www. cherstellen, dass ihre Vergütungspolitik nicht whitehouse.gov/news). Im Kern wollen die G20- zur Übernahme übermässiger Risiken führen. Einlegerinnen und Einleger die Gewissheit, Teilnehmer jegliche Überwachungslücken auf den Kapitalvorschriften für strukturierte Kreditge- dass ihre privilegierten Einlagen bei jeder Bank Finanzmärkten schliessen. schäfte und den Handel mit verbrieften Pro- in der Schweiz sicher sind. Die Mehrheit der − Zur Förderung von Transparenz und Rechen- dukten sind zu stärken. Schliesslich sind die Banken erfüllt diese Anforderung bereits heute. schaft sollen bis März 2009 Richtlinien zur bestehenden Marktstrukturen für Derivate zu besseren Bewertung und Offenlegung komple- stärken, deren Handel bisher nicht in einer or- Weiter soll eine im Vergleich mit heute gross- xer und illiquider Vermögenswerte geschaffen ganisierten Börse, sondern over-the-counter zügigere sofortige Auszahlung von gesicherten werden. Mittelfristig abgewickelt wurde. Einlagen aus liquiden Mitteln der in Schwierig- sollen bestehende Vorschriften in einen einzi- − Kurzfristig sollen die nationalen Aufsichtsbe- keiten geratenen Bank möglich sein. Der ent- gen globalen Buchführungsstandard zusam- hörden für die systemisch wichtigen mengelegt werden. Finanzinstitute Colleges of Supervisors schaf- sprechende Betrag soll ein Mehrfaches der − Regulatorische Praktiken im Finanzsystem sol- fen. Auch ist die grenzüberschreitende Zusam- heute möglichen 5000 Franken ausmachen. len mittelfristig einer umfassenden menarbeit im Krisenmanagement zu stärken. Untersuchung unterzogen werden. Es soll si- Flankierende Massnahmen chergestellt werden, dass alle Finanzmärkte Neben diesen Punkten macht der G20- und -institute reguliert oder beaufsichtigt Aktionsplan auch Vorschläge zur Abfederung der Die Krise hat vor Augen geführt, dass eine werden. volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Finanz- komfortable Eigenmittelausstattung zur Abfe- − Rating Agenturen sollen bis März 2009 zu ver- krise und zur Überprüfung der Mittel des IWF. derung grosser Verluste – und somit für das stärkter Offenlegung gegenüber Investoren Ausserdem soll die Repräsentanz der Emerging und Emissären angehalten werden. Zudem sind Markets in den Bretton Woods Vertrauen in eine Bank – entscheidend sein für strukturierte Produkte bis dahin differen- Institutionen weiter verbessert und der Mitglie- kann. Die Höhe der Verluste aus dem Handel zierte Ratings einzuführen. derkreis des FSF erweitert werden. Anfang April risikoreicher Positionen hat jedoch sämtliche − Auch für Hedge Fonds sollen strengere 2009 will die Gruppe erneut zu einem Gipfeltref- bisherige Vorstellungen überstiegen. Selbst Regeln gelten. fen zusammenkommen. der bisher als konservativ geltende, im inter- nationalen Vergleich sehr strenge «Swiss Finish» der EBK hat sich inzwischen als ein die Pflichtwandelanleihe den Vorteil, dass sein zu mildes Eigenmittel-Regime für Grossban- Engagement mit einem Coupon von 12,5% ken herausgestellt. Die EBK erachtet einen angemessen und sicher entschädigt wird und deutlich erhöhten Sicherheitspuffer als unab- dass er – zumindest vorerst – nicht Miteigen- dingbar und verlangt deshalb in Zukunft eine tümer der Bank wird. Der Bundesrat ist be- deutlich stärkere Eigenmittelausstattung. strebt, die Beteiligung des Bundes zeitlich zu Dies wird durch einen Eigenmittelzuschlag befristen und bereits während der Laufzeit der erreicht, welcher ungefähr doppelt so hoch ist Anleihe gewinnbringend zu veräussern. wie die internationalen Mindestanforderun- gen unter Basel II. Dazu wird für Grossban- Umgehende Verstärkung des Einlegerschutzes ken neu eine maximale Verschuldungsquote In unsicheren Zeiten dient der Einleger- (Leverage Ratio) von 4% auf Stufe Einzelins- schutz der Stabilisierung der Wirtschaft, weil titut und 3% auf Stufe Konzern eingeführt. er den Sparern das nötige Vertrauen in die Fi- Diese dient als Puffer gegen Verluste, die aus nanzinstitute gibt. Daneben ist er auch ein einer Fehleinschätzung der Risiken resultie- wichtiges Wettbewerbsargument, wenn es um ren und durch die Vorschriften von Basel II die Gunst der Einleger geht. Den dadurch nicht adäquat erfasst werden.5 verschärften Moral-Hazard-Problemen wird Mitverantwortlich für das Eingehen über- in dieser Situation weniger Bedeutung zuge- steigerter Risiken – und somit für die aktuel- messen. le Krise – waren insbesondere im Invest- Zur Minderung der Verunsicherung der mentbanking unangemessene und falsch aus- Anleger haben Anfang Oktober 2008 zahlrei- gestaltete Entlöhnungssysteme. So wurde etwa che Staaten weltweit ihre Garantien für Bank- die Leistung von Angestellten und Managern 2 Vgl. Botschaft des Bundesrates Botschaft zu einem Massnahmenpaket zur Stärkung des schweizerischen einlagen angehoben.3 Im Vergleich mit ande- unter Vernachlässigung mittel- bis langfristi- Finanzsystems, www.efd.admin.ch, Rubriken «Dokumen- ren wichtigen Finanzplätzen geriet die ger Risiken alleine anhand blosser Umsatz- tation», «Gesetzgebung», «Botschaften». 3 Vgl. dazu den Artikel von M. Ammann in dieser Ausgabe. Schweiz mit einer Einlagensicherung von zahlen gemessen. Weltweit hat die Krise 4 Im Insolvenzfall stehen die in einem Verein organisier- 30 000 Franken deutlich ins Hintertreffen. deshalb eine Diskussion über Entlöhnungs- ten übrigen Banken für den eingetretenen Verlust gera- de. Die gesicherten Einlagen und die Systemobergrenze Der Bundesrat hat deshalb als Sofortmass- modelle ausgelöst, die auch in der Schweiz können nicht beliebig erhöht werden, da sonst bei der nahme eine Erhöhung für die einzelnen ge- intensiv geführt wird und bereits erste Mass- Rettung einer angeschlagenen Bank die anderen Banken ebenfalls in Schwierigkeiten geraten würden. Das heu- schützten Einlagen auf 100 000 Franken vor- nahmen ausgelöst hat (siehe Kasten 2). tige Einlegerschutzsystem ist zudem nicht in der Lage, geschlagen, die bis zum 31. Dezember 2010 die Einlagen bei den grösseren Banken vollumfänglich gelten soll. Auch soll die Systemobergrenze – zu sichern. Deshalb will der Bundesrat bis im Frühjahr Fazit 2009 eine grundlegende Überprüfung des Einlagen- d.h. der Betrag, den das ganze Bankensystem sicherungssystems vornehmen. 5 Für die übrigen Banken ändern sich die Eigenmittel- im Fall der Insolvenz einer Bank garantiert – Die Finanzkrise hat die Akteure auf den vorschriften nicht. von 4 auf 6 Mrd. Franken erhöht werden.4 Finanzmärkten mit ungeheurer Wucht ge- 7 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 12-2008
Monatsthema troffen. Die weltweiten Interventionen der zu verstärken. Unter anderem geht es auch Notenbanken und Regierungen konnten ei- darum sicherzustellen, dass Risiken frühzei- nen Kollaps des internationalen Finanzsys- tig erkannt werden und darauf in angemes- tems bislang abwenden. Die anhaltende Krise sener Form reagiert werden kann. Hier müs- hinterlässt aber tiefe Spuren im Finanzsektor sen der Internationale Währungsfonds und in der konjunkturellen Entwicklung. Al- (IWF) mit seiner Überwachungstätigkeit le Akteure auf nationaler und internationaler (Art. IV-Konsultationen usw.) und das FSF Ebene müssen ihre Lehren ziehen. Ganz be- als Gremium der informellen Zusammen- sonders gefordert sind dabei die internatio- arbeit zwischen nationalen Stellen, interna- nal tätigen Finanzinstitute. tionalen Organisationen und Standardset- Aus Schweizer Sicht lässt sich zusammen- zern weiterhin eine zentrale Rolle spielen. fassend Folgendes hervorheben: Die Verab- Die Teilnehmer am Gipfel der G20 vom schiedung des Massnahmenpakets zur Stär- 15. November 2008 in Washington haben zur kung des schweizerischen Finanzsystems hat Sicherstellung der Kohärenz nationaler Mass- zunächst gezeigt, dass die Behörden im Be- nahmen zur Stabilisierung der Krise gemein- darfsfall rasch und umfassend handeln kön- same Grundsätze für die regulatorische Re- nen. Dies ist für eine wirksame Bekämpfung form der Finanzsektoren erlassen und die einer solchen Krise entscheidend. Das Paket zukünftige Finanzarchitektur diskutiert (sie- aus kurz- und langfristig wirkenden Stabili- he Kasten 3). sierungsmassnahmen ist wettbewerbsneutral Schliesslich ist zu akzeptieren, dass es ausgestaltet und mit den massgebenden in- auch in Zukunft zu Blasenbildungen und ternationalen Initiativen kompatibel. Es entsprechend schmerzhaften Korrekturen umfasst insbesondere auch Massnahmen im auf den Finanzmärkten kommen kann. Es Bereich Eigenmittelanforderungen, Entschä- muss aber im Interesse aller Akteure sein, mit digung oder Einlegerschutz, die längerfristig allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu präventive Wirkungen erzielen sollen. verhindern, dass sich eine solch schwere Kri- Weiter ist angesichts der globalen Finanz- se des Finanzsystems, wie wir sie in den letz- märkte die internationale Koordination der ten 15 Monaten miterleben mussten, wieder- Anstrengungen im Bereich Finanzstabilität holen wird.
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