Bewegung, Spiel und Sport bei Diabetes - Übersicht der möglichen Kontraindikationen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Herausgeber: LandesSportBund Nordrhein-Westfalen e.V. Friedrich-Alfred-Straße 25 47055 Duisburg www.wir-im-sport.de Verantwortlich: Landesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitationssport im LandesSportBund Nordrhein-Westfalen e.V. Redaktion: Kiyo Kuhlbach LandesSportBund Nordrhein-Westfalen Verfasser: Dr. med. Klaus Edel Chefarzt Zentrum für kardiologische Rehabilitation Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitationssport im LandesSportBund Nordrhein-Westfalen e.V. Innere Medizin - Kardiologie, Diabetologie, Sportmedizin, Rehabilitationswesen Herz- und Kreislaufzentrum, Heinz-Meise-Str. 100, 36199 Rotenburg k.edel@hkz-rotenburg.de www.hkz-rotenburg.de Ausgabe: August 2007 Bewegung, Spiel und Sport bei Diabetes ▪ Übersicht über mögliche Kontraindikationen ▪ Seite 2
Indikation Grundsätzlich ist Sport bei allen Formen des Diabetes mellitus indiziert, sofern keine der unten aufge- führten Kontraindikationen vorliegt. Kontraindikationen Erläuterung: Die „Kontraindikation“ beschreibt einen Umstand, der in einem Krankheitsfall die Anwendung einer sonst zweckmäßigen Behandlungsweise verbietet. Allgemeiner Hinweis: Immer ärztliche Voruntersuchung zum Ausschluss möglicher Kontraindika- tionen. 1. Akuter Infekt 2. Blutzuckerentgleisungen • Hypoglykämie Sport senkt i. d. Regel den Blutzuckerwert. Unter Belastung kann es zu bewegungsinduzierter Unterzuckerung kommen - kein Sport bei einem Blutzucker unter 120 mg/dl (6,7 mmol/l). • Ausgeprägte Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung • Hyperglykämie Zeigt die Blutzuckerselbstkontrolle vor Sportbeginn eine schlechte Ausgangslage, d.h. Konzen- trationen von 240 mg/dl (13,3 mmol/l) und mehr bei gleichzeitig positivem Acetonnachweis im Blut oder Urin, so ist jede Sportausübung wegen der Gefahr der weiteren Stoffwechseldekompen- sation (Ketoazidose) kontraindiziert. 3. Bluthochdruck Blutdruckwerte von über 160 mmHg systolisch und/oder 100 mmHg diastolisch gelten als Kontra- indikation für eine sportliche Betätigung. 4. Diabetische Augenerkrankung (Retinopathie) Visus unter 10% oder frische Blutung bedeutet Sportverbot. Nach Augen-OP oder Laserung am Augenhintergrund 6 Wochen Sportpause. 5. Diabetisches Fußsyndrom Bereits Wagner-Stadium 1 (oberflächliche Defekte) gilt als Kontraindikation. Übungen mit dem Theraband® im Sitzen sind erlaubt. 6. Diabetische Nephropathie Keine generelle Kontraindikation (Erläuterungen zu Hypertonie beachten). 7. Diabetische autonome Neuropathie Keine generelle Kontraindikation, aber einige Verhaltensregeln: • Ausreichend lange Aufwärmung (Herz-Kreislauf-System braucht genügend Zeit, sich an die körperliche Aktivität anzupassen.) • BZ-Messung mehrmals (Risiko schwerer Unterzuckerungen ist erhöht.) • Kein schneller Wechsel der Körperposition 8. Diabetische periphere Neuropathie Keine generelle Kontraindikation, aber erhöhte Verletzungsgefahr Bewegung, Spiel und Sport bei Diabetes ▪ Übersicht über mögliche Kontraindikationen ▪ Seite 3
9. Herzinsuffizienz Luftnot, Herzjagen bei geringer Belastung oder in Ruhe 10. Koronare Herzkrankheit Belastungs-EKG ist obligat (Mindestbelastbarkeit: 1 Watt/kg KG) Vorgabe eines Trainingspulses Luftnot, Herzjagen und/oder Angina pectoris bei leichter körperlicher Belastung oder in Ruhe 11. Respiratorische Insuffizienz Luftnot bei leichter Belastung oder schon in Ruhe Erläuterungen Zu 2) Hypoglykämie Wenn die Gefahr der Unterzuckerung besteht, sind alle Sportarten ungeeignet, bei denen eine Unter- zuckerung zu einer lebensgefährlichen Situation führen kann. Dazu zählen Sportarten wie: Klettern, Fallschirmspringen, Drachenfliegen, Motorsport, Tauchen, Wildwasserkajak. Bei der Ausübung dieser Sportarten sind Blutzuckermessungen nicht oder nur schwierig durchzuführen. Hilfe durch eine Begleitperson ist kaum oder nicht möglich. Zu 3) Hypertonie Kraft- und Kampfsportarten wie Bodybuilding, Gewichtheben oder Boxen sind aufgrund ihrer Trainingsformen ungeeignet für Diabetiker. Das Training ist gekennzeichnet durch hohe Kraft- belastungen, deren Auswirkungen auf Blutdruck und Herz-Kreislauf-System ungünstig sind. Zu 4) Diabetische Augenerkrankung (Retinopathie) Die diabetische Retinopathie kommt durch die Schädigung kleinster Blutgefäße der Netzhaut zu- stande. Sie kann zur Minderung der Sehfähigkeit und zur Erblindung führen. Hohe Kraftanstrengun- gen mit Valsalva-Situationen (Bauchpresse) sind zu vermeiden, da diese zu hohen Blutdruckspitzen über 180/100 mmHg führen können. Beispiele: Tragen und Heben schwerer Lasten, Krafttraining, Liegestütze und Klimmzüge. Moderates Ausdauertraining ist dagegen zu empfehlen. Hohes Tempo oder steiles Gelände können aber auch beim Ausdauersport zu starken Blutdruckssteigerungen und dadurch zu einer Schädigung der Netzhaut führen. Es kommt also auf die Dosierung an. Vor Beginn eines regelmäßigen Bewegungsprogramms sollte deshalb der Augenhintergrund vom Augenarzt untersucht werden. Kontrolle durch Gesundheitspass Diabetes (DDG). Eine gute Blut- druckeinstellung ist ganz besonders wichtig Zu 5 und 6) Nervenschädigung (diabetische Polyneuropathie) Mit zunehmender Diabetesdauer und schlechter Blutzuckereinstellung steigt die Gefahr einer Schädigung der Nerven. Man unterscheidet zwei verschiedene Formen: die periphere und die autonome Neuropathie. Die autonome Neuropathie Von der Schädigung betroffen sind in diesem Fall die vegetativen Nerven, die zum Beispiel für die Verdauung, die Blutdruck- und Herzfrequenzregulation oder für die hormonelle Gegenregulation bei Unterzuckerungen zuständig sind. Eine autonome Neuropathie kann zum Beispiel dazu führen, dass der Blutdruck abfällt anstatt anzusteigen wenn der Betroffene aus dem Liegen schnell aufsteht. Ursächlich hierfür ist ein verminderter Widerstandsanstieg in den Kapillaren des Splanchnikus- gebietes. Bei kardialer Neuropathie steigt bei Belastung die Herzfrequenz nicht genügend an bzw. nach der Belastung fällt der Puls nur sehr langsam wieder. Bei gleichzeitig bestehender koronaren Herzerkrankung besteht die Gefahr, dass die Warnsignale in Form von Herzschmerzen nicht wahr- genommen werden. Bei Diabetikern mit autonomer Neuropathie zeigt sich unter Belastung ein vermindertes Herzminutenvolumen vermutlich infolge des reduzierten Sympathikotonus. Bewegung, Spiel und Sport bei Diabetes ▪ Übersicht über mögliche Kontraindikationen ▪ Seite 4
• Vermeidung von Sportarten, die schnelle Änderungen der Körperposition erfordern (Beispiel Geräteturnen). • Vermeidung von Sportarten, die eine schnelle Änderung der Herzfrequenz erfordern (Beispiel Fußball, Basketball, Laufspiele). • Bevorzugen von leichten Ausdauersportarten wie Gehen, Radfahren in der Ebene, langsames Schwimmen. Die periphere Neuropathie Sie betrifft in erster Linie die Nerven der Füße, der Beine und in Ausnahmefällen auch der Finger. Anzeichen der Neuropathie sind Taubheitsgefühl, Brennen der Fußsohlen, Ameisenlaufen, Störungen des Gleichgewichts- und des Temperaturempfindens sowie der Verlust des Tast- und Schmerzempfin- dens. Ein altes Indianersprichwort sagt: „Gib ganz besonders Acht auf Deine Füße, denn sie müssen Dich ein Leben lang tragen.“ Fußregeln • Tägliche Fußinspektion bezüglich Druckstellen und Verletzungen vornehmen, besonders vor und nach körperlichen Aktivitäten wie Wandern oder Laufen. • Schuhe auf Fremdkörper oder Beschädigungen inspizieren (zum Beispiel abgelöstes oder faltiges Innenfutter). • Immer Socken tragen, ggf. Diabetikerspezialsocken ohne Naht. • Täglich die Socken wechseln. • Nie barfuss gehen (auch im Schwimmbad immer Badeschuhe). • Gute, passende Schuhe sind extrem wichtig bei Neuropathien. • Geschlossene Schuhe aus weichen Materialien (keine Sandalen) tragen. • Neue Schuhe nur eine halbe Stunde täglich zum Einlaufen tragen. • Regelmäßige Fußpflege und –gymnastik durchführen. Bei starken Neuropathien mit erheblichen Fußproblemen (z.B. bei Deformierungen) Bewegungspro- gramm mittels Sportarten die die Füße nicht oder nur wenig belasten: Radfahren, Ergometertraining, Schwimmen oder Bewegungsbad (mit Badeschuhen). Zu 9 und 10) Erkrankungen des Herzens Es gibt viele verschiedene Formen und Schweregrade von Herzerkrankungen. Diese Begleiterkran- kung ist bei Typ-2-Diabetiker besonders häufig. Die allgemeinen Empfehlungen entsprechen denen einer Herzgruppe. Da aber jeder Einzelfall unterschiedlich zu bewerten ist, sollten die Vorgaben und Trainingsempfehlungen des behandelnden Arztes beachtet werden. Ein Belastungs-EKG sollte regel- mäßig erfolgen. Um Ängste abzubauen und wieder Selbstvertrauen zu gewinnen, kann die Teilnahme an einer Herzsportgruppe empfohlen werden. Das schafft Sicherheit, so dass das Bewegungsprogramm später auch selbständig durchführt werden kann. Literatur • Behrmann, R; Weineck, J: Diabetes und Sport, Spitta Verlag, Balingen, 2. Auflage 2001, ISBN 3-934211- 25-9 • Borchert, P; Klare, W-R; Zimmer, P: Der Übungsleiter Diabetes und Sport, Kirchheim- Verlag, Mainz 2006, ISBN-13: 978-3-87409-414-6 • Edel, K: Aktiv leben und genießen - Ein Ratgeber für Typ-2-Diabetiker, Steinkopff Verlag, Darmstadt 2006, ISBN 3-7085-1573-5 • Thurm, U; Gehr, B: Diabetes- und Sportfibel, Kirchheim-Verlag, Mainz 2001, ISBN 3-87409-338-7 • Berg, A: Grundlagen und Anleitungen zur Durchführung und Organisation der Sporttherapie sowie des individuellen Freizeitsports bei Patienten mit Diabetes mellitus, http://www.diabetiker-hannover.de/ diab_hannover/diab_sport_anl.htm, letzter Zugriff 11.12.06 Bewegung, Spiel und Sport bei Diabetes ▪ Übersicht über mögliche Kontraindikationen ▪ Seite 5
Eine Initiative des „Handlungsprogramms 2015 ‚Sport und Gesundheit’ für das Land Nordrhein-Westfalen“
Sie können auch lesen