Bewegung und Sport als begleitende Intervention bei Fibromyalgie - unipub

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Bewegung und Sport als begleitende Intervention bei Fibromyalgie - unipub
Bewegung und Sport als begleitende
       Intervention bei Fibromyalgie

                    Diplomarbeit
        Zur Erlangung des akademischen Grades einer
             Magistra der Naturwissenschaften
                           an der

       Karl-Franzens-Universität Graz

                       Vorgelegt von

                Anna SIEGL, BSc
                       01412383
              am Institut für Sportwissenschaft

Begutachterin: Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr.phil. Andrea PALETTA
                     Graz, Juli, 2019
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Eidesstattliche Erklärung
„Ich erkläre eidesstattlich, dass ich die eingereichte Diplormarbeit selbstständig angefertigt und
die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Ich erkläre weiters, dass
ich keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle aus gedruckten,
ungedruckten Werken oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt
übernommenen Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche
Arbeiten zitiert und durch genaue Quellenangaben gekennzeichnet. Die eingereichte
Diplomarbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt worden. Ich bin mir bewusst,
dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.“

_______________________________
(Ort, Datum)

Anna Siegl 1412383
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Kurzzusammenfassung
Unter Fibromyalgie, besser als Fibromyalgiesyndrom bezeichnet, wird ein chronisches
Erkrankungsbild verstanden, das sich dem (weichteil)rheumatischen Formenkreis zuordnen
lässt. Die Hauptkriterien bilden Schmerzen in verschiedenen Körperregionen, Schlafstörungen
und psychische Verstimmungen bis hin zu Depressionen. Überdies hinaus treten häufig
gastrointestinale, urogenitale, sowie neurologische Beschwerden auf. Eine genaue Ätiologie
konnte noch nicht herausgefunden werden, wohl aber wird von einem Zusammenspiel aus
biologischen, sozialen und psychischen Dysfunktionen ausgegangen.
        Es stehen zahlreiche Therapieoptionen für das Fibromyalgiesyndrom zur Verfügung,
die von medikamentöser Behandlung, Naturheilmitteln und chirurgischer Intervention über
Psychotherapie und Selbsthilfemaßnahmen bis hin zu Veränderungen in Bezug auf das
Ernährungs- und Schlafverhalten reichen. Auch durch alternative Verfahren wie Massagen,
Atemtechniken, traditionelle chinesische Therapie und viele mehr kann der Symptomatik
entgegengewirkt werden.
        Vor allem mittels diverser Bewegungs- und Sporttherapien können die Symptome der
Fibromyalgie gelindert bzw. eine Verschlechterung vermieden werden. Im sportlichen Bereich
kann unterschieden werden zwischen funktionellem Training, sowie Entspannungstechniken
und konzentrativen Verfahren.
        Bewegung und Sport sind nicht nur für die Therapie der Erkrankung relevant, sondern
dienen vielmehr schon als Präventionsmaßnahme: Durch regelmäßige körperliche Aktivität
werden positive Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System, den Blutdruck, die Muskulatur
und das Skelettsystem, sowie auf das Stressmanagement und die seelische bzw. mentale
Gesundheit beobachtet.

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Abstract
Fibromyalgia, or better the fibromyalgia syndrome, is a chronic disease, which belongs to the
rheumatic diseases. Main criteria are pain in several body regions, sleeping disorders and
depressive states. Furthermore, patients suffer from gastrointestinal, urogenital and neurologic
symptoms. There is no specific etiology known, but there are assumptions of a physical,
psychological and social dysfunctional origin.
         Many different options for therapies are avalaible: drug treatment, natural medicine,
surgical interventions, psychotherapy, self-help measures, changes in sleeping and eating
habits. Alternative procedures could be massages, breathing techniques, traditional Chinese
therapies and more.
         Especially diverse exercise and sports therapies ease the pain and symptoms of
fibromyalgia patients and prevent or delay deterioration. A distinction between functional
training, relaxation techniques and concentrative methods can be made.
       Exercise and sports are not only relevant for the treatment, but also for the prevention
of several diseases: Regular workouts could have a significant beneficial effect on the whole
body, particularly on the cardiovascular system, the blood pressure, the musculoskeletal system,
the stress management and also on the mental health.

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Vorwort
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der weitläufigen Erkrankung „Fibromyalgie“, die
vor allem in den rheumatischen Formenkreis eingeordnet werden kann. Viele Menschen leiden
an chronischen Schmerzen, die oftmals nur schwer diagnostiziert und folglich auch therapiert
werden können. Nichtsdestotrotz nehmen die betroffenen Personen dies als immer größer
werdende physische, sowie psychische Einschränkung im Leben wahr, der unbedingt
entgegengewirkt    werden    muss.   Aufgrund     der   großen   Anzahl    an    chronischen
Schmerzpatienten/Schmerzpatientinnen, mit denen ich sowohl in meinem Studium der
Humanmedizin an der Medizinischen Universität Graz, als auch im privaten Umfeld
konfrontiert werde, ist es mir ein persönliches Anliegen, ein multimodales Behandlungskonzept
aufzuzeigen, das sich um den zentralen Aspekt der Sport- und Bewegungstherapie bewegt.
        Gewidmet sei diese Arbeit meiner Familie und meinen Freunden, die stets ein offenes
Ohr für meine Probleme und Fragestellungen hatten, als auch all jenen, die an Fibromyalgie
oder einer ähnlichen Erkrankung leiden oder mit einer schwierigen Diagnosestellung zu
kämpfen haben. Ein besonderer Dank gebührt auch meiner Betreuerin, die sich immer gerne
Zeit für Gespräche nahm und mich auf dem Weg tatkräftig unterstützte.

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Inhaltsverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung............................................................................................................ 2

Kurzzusammenfassung............................................................................................................... 3

Abstract ...................................................................................................................................... 4

Vorwort ...................................................................................................................................... 5

1          Einleitung ....................................................................................................................... 8

2          Methode ........................................................................................................................ 10

3          Schmerz und muskuläre Dysbalancen .......................................................................... 11
           3.1        Schmerz ............................................................................................................ 11
           3.2        Muskelschmerz und muskuläre Dysbalance ..................................................... 14
           3.3        Schmerzbekämpfung und Umgang mit Schmerzen ......................................... 18

4          Das Krankheitsbild der Fibromyalgie .......................................................................... 20
           4.1        Fibromyalgie und Fibromyalgiesyndrom (FMS).............................................. 20
           4.2        Epidemiologie der Fibromyalgie ...................................................................... 22
           4.3        Pathophysiologie der Fibromyalgie .................................................................. 23
           4.4        Symptomatik der Fibromyalgie ........................................................................ 28
                      4.4.1 ACR-Kriterien ...................................................................................... 29
                      4.4.2 Weitere Symptome ............................................................................... 30
                      4.4.3 Persönlichkeitsstruktur der FMS-Patienten/Patientinnen ..................... 32
                             4.4.3.1 Typ 1 – „stille Dulder“ (nach Köhler) ................................... 33
                             4.4.3.2 Typ 2 – „Räsionierer“ (nach Köhler) ..................................... 33
                             4.4.3.3 Typ 3 – „Kreative“ (nach Köhler) ......................................... 34
           4.5        Ursachen der Fibromyalgie............................................................................... 34
           4.6        Diagnostik der Fibromyalgie ............................................................................ 37
           4.7        Verlauf und Chronifizierung der Fibromyalgie ................................................ 38

5          Therapiemöglichkeiten der Fibromyalgie .................................................................... 40
           5.1        Medikamentöse Therapie.................................................................................. 40
                      5.1.1 Schmerzmittel und Muskelrelaxantien ................................................. 40
                      5.1.2 Antidepressiva, Antikonvulsiva und Antipsychotika ........................... 42
                      5.1.3 Negative Empfehlung ........................................................................... 42
           5.2        Naturheilkunde ................................................................................................. 43
           5.3        Chirurgische Intervention ................................................................................. 44
           5.4        Psychotherapie .................................................................................................. 45
           5.5        Selbsthilfe ......................................................................................................... 47
           5.6        Ernährung ......................................................................................................... 49
           5.7        Schlafqualität .................................................................................................... 49

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           5.8        Massagen, Elektrotherapie und Atmung........................................................... 50
           5.9        Traditionelle chinesische Therapie und Chiropraktik....................................... 51
           5.10       Therapie durch Temperatur und Licht .............................................................. 52
           5.11       Therapie durch Musik, Kunst und Schreiben ................................................... 53

6          Sport- und Bewegungstherapien ................................................................................... 55
           6.1        Funktionelles Training und medizinische Trainingstherapie ........................... 58
                      6.1.1 Ausdauer- bzw. Konditionstraining ...................................................... 59
                      6.1.2 Krafttraining ......................................................................................... 60
                      6.1.3 Dehngymnastik, Stretching und Vibrationstraining ............................. 60
                      6.1.4 Rückenschule ........................................................................................ 61
           6.2        Entspannungstechniken .................................................................................... 62
                      6.2.1 Tai-Chi und Qigong .............................................................................. 62
                      6.2.2 Yoga ...................................................................................................... 64
                      6.2.3 Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (PMR) .......................... 66
                      6.2.4 Autogenes Training .............................................................................. 67
                      6.2.5 Feldenkrais-Methode ............................................................................ 67
           6.3        Konzentrative Verfahren .................................................................................. 68
           6.4        Physiotherapie und Ergotherapie ...................................................................... 69

7          Zusammenfassung der aktuellen Studienlage .............................................................. 70

8          Empfehlungen für die Behandlung der Fibromyalgie .................................................. 72

9          Prävention durch Bewegung und Sport ........................................................................ 74
           9.1        Einteilung der Prävention ................................................................................. 74
           9.2        Ziele der Prävention .......................................................................................... 75

10         Diskussion .................................................................................................................... 79

11         Zusammenfassung ........................................................................................................ 81

12         Schlusswort................................................................................................................... 83

13         Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 84
           13.1       Print Medien ..................................................................................................... 84
           13.2       Online-Quellen ................................................................................................. 85

Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................. 87

Tabellenverzeichnis .................................................................................................................. 89

Anhang ..................................................................................................................................... 90

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1 Einleitung
Quälende Schmerzen in verschiedenen Körperteilen, allgemeine Erschöpfung und Antriebslo-
sigkeit, Schlafmangel aufgrund von Schlafstörungen, Verstimmungen bis hin zur Depression –
all diese auf den ersten Blick wenig charakteristischen Symptome können unter dem Begriff
der „Fibromyalgie“ zusammengefasst werden: Bei der Fibromyalgie handelt es sich um eine
Erkrankung, die sowohl in die medizinischen Fachgebiete der Rheumatologie und Neurologie,
als auch in die Psychologie eingeordnet werden kann. Es liegt auf der Hand, dass eine Erkran-
kung, die sich über verschiedene Disziplinen erstreckt, ein komplexes Behandlungskonzept er-
fordert, an dem Spezialisten/Spezialistinnen aus den verschiedensten Bereichen beteiligt sind.
Eine erfolgreiche Therapie kann darin gesehen werden, dass durch Kooperation von Ärz-
ten/Ärztinnen, Psychologen/Psychologinnen, Physiotherapeuten/Physiotherapeutinnen, Sport-
wissenschaftlern/Sportwissenschaftlerinnen usw. die Beschwerden der Patienten/Patientinnen
gelindert und im besten Falle sogar beseitigt werden können. Ist dies nicht möglich, sollte zu-
mindest keine Verschlechterung der Erkrankung eintreten und eine gewisse Lebensqualität er-
halten bleiben.
         Die vorliegende Diplomarbeit macht es sich zur Aufgabe, in fünf großen Teilen
„Bewegung und Sport als begleitende Intervention bei Fibromyalgie“ zu bearbeiten. Um die
gesamte Tragweite des Themas der Diplomarbeit erfassen zu können, müssen zu Beginn
grundlegende Basisinformationen angegeben werden: Wissen über Schmerzentstehung und
-entwicklung, sowie über muskuläre Gegebenheiten des Körpers und Dysbalancen ist
unabdingbar für das Verständnis des Krankheitsbildes der Fibromyalgie. Auch diverse
Mechanismen der Schmerzbewältigung, die körpereigene, sowie Interventionen von außen
umfassen, werden aufgezeigt.
         Im zweiten Teil wird generell das Erkrankungsbild der Fibromyalgie beschrieben: Die
Erweiterung zum „Fibromyalgiesyndrom“, epidemiologische Daten und pathophysiologische
Entstehungsprozesse dienen als Einleitung in das Thema und werden überdies durch die
Erläuterung der Symptome und Ursachen der Erkrankung gestützt. Auch diverse diagnostische
Methoden werden angeführt.
         Das inhaltliche Kerngebiet dieser Diplomarbeit stellt die Therapie der Fibromyalgie
mit zahlreichen Facetten und Ansätzen dar: Die herkömmlichen medikamentösen
Therapiemöglichkeiten und die Psychotherapie werden kurz angeschnitten, wobei sich das
Hauptaugenmerk jedoch auf die Sport- und Bewegungstherapien konzentriert. Als zusätzliche
Therapieoptionen werden ferner Selbsthilfemaßnahmen, chirurgische Verfahren, chinesische
traditionelle Medizin und einige mehr genannt. Alle Therapiemöglichkeiten werden
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anschließend auf Basis der aktuellen Studienlage zusammengefasst und im Kapitel zur
Empfehlung für die Behandlung der Fibromyalgie bewertet.
        Des Weiteren ist es der Autorin ein Anliegen, die Relevanz von Bewegung und Sport
bereits vor dem Entstehen diverser Erkrankungsbilder, insbesondere der Fibromyalgie,
hervorzuheben. Körperliche Aktivität dient nicht primär der Therapie, sondern sollte vielmehr
schon als präventiver Ansatz gesehen werden, der zahlreichen lifestyle-assoziierten Herz-
Kreislauf-Erkrankungen,    sowie    orthopädischen    und   psychologischen/psychiatrischen
Erkrankungen vorbeugen kann. In einer abschließenden Diskussion gilt es, die verschiedenen
Ansätze gegeneinander abzuwägen und ihren Erfolg zu beurteilen!

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2 Methode
Für diese Diplomarbeit begann die Autorin mit einer ersten Recherche im Internet, um
allgemeines Grundwissen zum Thema Fibromyalgie und deren Behandlungsmöglichkeiten zu
erlangen. Bei tieferem Eintauchen in die Materie wurde ersichtlich, in wie viele Bereiche sich
dieses Erkrankungsbild einordnen lässt bzw. wie viele Aspekte es zu beleuchten gilt.
        Nach jenem ersten Überblick wurde auf Unikat und auch in der Suchmaschine der
Bibliothek der Medizinischen Universität Graz nach geeigneter Literatur gesucht, die für das
Schreiben der Abschlussarbeit herangezogen werden kann. Online abrufbare Fachartikel und
Hochschulschriften ergaben weitere Informationen zum Thema. Die Leitlinien zu Fibromyalgie
und Bücher aus der Hauptbibliothek bildeten das Grundgerüst dieser Arbeit, da aus ihnen die
wichtigsten Fakten entnommen werden konnten und die Fülle an Informationen das gesamte
Gebiet abdeckte. Die Kapitel, die sich mit der Bewegungs- und Sporttherapie bei
(Fibromyalgie)Patienten/Patientinnen beschäftigen, beruhen größtenteils auf Werken aus der
Bibliothek des Sportinstituts. Primär werden die Werke von Baucher/Wormer, Köhler, Brückle
und Laser als Literaturquellen herangezogen. Darüber hinaus wurde die Online
Metdadatenbank PubMed verwendet, die zahlreiche Studien und Reviews zum Thema Sport-
und Bewegungstherapien bei diversen Erkrankungen bereitstellt. Schlagwörter bei der Suche
waren „fibromyalgia“, „rheumatology“, „psychology“, „sports“, „sport prevention“,
„intervention“, „exercise treatment“ und „exercise therapy“. Auch Ratgeber, die aufbauend auf
Erfahrungen und Erkenntnissen von Patienten/Patientinnen Tipps und Tricks gegen das
chronische Schmerzsyndrom anbieten, begleiteten die Verfasserin auf dem Weg zu dieser
Diplomarbeit.
        Um jedoch nicht nur Bücher, Hochschulschriften und Studien für diese Arbeit zu
verwenden, sondern auch einen „handfesten Beweis“ liefern zu können, wurden diverse
Kontaktpersonen an der Medizinischen Universität Graz und am LKH Graz befragt. Die
Leitlinien zur Behandlung der Therapie von Mitverfasser Prof. Dr.med. Winfried Häuser
(Klinikum Saarbrücken), als auch die Erfahrungen von Univ. Prof. Dr. Andreas Sandner-
Kiesling (Schmerzambulanz LKH Graz) spielen eine zentrale Rolle bei der Bearbeitung des
Themas. Außerdem wurde das Zweitstudium der Humanmedizin der Autorin dafür genutzt,
weitere Möglichkeiten an klinischen Einrichtungen in Anspruch zu nehmen, um ein
praxisbezogenes und umfassendes Bild der Erkrankung generieren zu können.

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3 Schmerz und muskuläre Dysbalancen
Bevor es „in medias res“ mit dem Krankheitsbild der „Fibromyalgie“ gehen kann, wird das
komplexe Konstrukt „Schmerz“ mit seiner Entstehung, seiner Pathophysiologie und seinen
Auswirkungen erklärt. Der Fokus wird dabei auf den Muskelschmerz gelenkt, da dieser bei
Fibromyalgie-Patienten/Patientinnen im Vordergrund steht. Auch muskuläre Dysbalancen
werden in diesem Rahmen beleuchtet.

3.1 Schmerz
Im menschlichen Körper gibt es eine Vielzahl an Rezeptoren, die jeweils unterschiedliche
Funktionen ausüben:

    •   Druckrezeptoren in der Haut (Merkel)
    •   Rezeptoren für Zugspannung (Ruffini-Körperchen)
    •   Rezeptoren für Vibration (Pacini-Körperchen)
    •   Temperaturrezeptoren
    •   Dehnungsrezeptoren in den Muskeln (Muskelspindeln), Sehnen, Gelenkkapseln,
        inneren Organen
    •   Nozizeptoren für Schmerzreize

         Prinzipiell werden Reize von der eingehenden Stelle zum Rückenmark in der
Wirbelsäule fortgeleitet. Über Aktivierung der dort ansäßigen Motoneurone gelangen sie über
die Vorder- und Hinterstrangbahnen ins Gehirn, genauer in die Medulla oblongata (verlängertes
Rückenmark), den Thalamus und die Großhirnrinde. Vorderstrangbahnen nehmen dabei grobe
Mechanorezeption, Temperatur und Schmerz wahr, wohingegen feine Mechanorezeption, auch
als epikritische Mechanorezeption bezeichnet, und Muskelspindelafferenzen über die
Hinterstrangbahnen ins Gehirn gelangen. Zusätzlich gibt es noch spinozerebelläre Bahnen, die
wiederum „Informationen über den Bewegungsapparat“1 beinhalten und diese weiterleiten.
         Nozizeptoren, „feine freie Nervenendigungen“2, befinden sich in Haut, Muskeln,
Sehnen, Geweben usw. Normalerweise reagieren sie nur auf starke einkommende Reize, d.h.
erst schwerwiegende thermische, mechanische oder chemische Einwirkungen führen zu

1
  Silbernagl, S. & Lang, F. (2018). Taschenatlas Pathophysiologie. Stuttgart: Georg Thieme, S. 344. Im
Folgenden zitiert als: Silbernagl, Pathophysiologie.
2
  Köhler, A. (2010). Fibromyalgie: Ursachen und Therapie einer chronischen Schmerzerkrankung. Stuttgart:
Klett-Cotta, S. 36. Im Folgenden zitiert als: Köhler, Fibromyalgie.
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Schmerzempfinden. Sind die Nozizeptoren gestört, resultiert eine Missempfindung
(Erregungsschwelle erniedrigt oder erhöht) daraus3. Abbildung 1 zeigt, wie Dysfunktionen
einzelner Rezeptoren und Ausfälle ganzer Bahnen die Sinneswahrnehmung beeinträchtigen
können. Gestörte Empfindungen der Schmerzwahrnehmung, d.h. ihr Ausfall oder aber ihre
pathologische Erregung, resultieren dabei aus Läsionen des Vorderstrangs.4

                                             Abb. 1: Störungen der Sensorik

             Einwirkungen von äußeren Faktoren können dazu führen, dass über verschiedene
periphere Mechanismen Signale über Nozizeptoren an das Gehirn gesendet und dort als
Schmerz wahrgenommen werden. Abbildung 2 gibt einen Überblick über die verschiedenen
Mechanismen, die von Entzündungen, Fehlfunktionen der Blutgerinnug bis hin zu
ischämischen und nekrotischen Prozessen reichen können.

3
    Vgl. Köhler, Fibromyalgie, S. 36ff.
4
    Vgl. Silbernagl, Pathophysiologie, S. 344/345.
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                      Abbildung 2: Periphere Mechanismen der Schmerzentstehung

         Schmerz     kann     äußerst   vielfältig   empfunden      werden,      weshalb   es   auch
dementsprechend schwer erscheint, eine einheitliche Definition zu finden. Eine gelungene
Variante der International Association for the Study of Pain wäre folgende: „an unpleasant
sensory and emotional experience associated with actual or potential tissue damage, or
described in terms of such damage.“5 Dieses Zitat beinhaltet die emotionale Komponente und
betont damit wiederum das individuelle Empfinden auf der Gefühlsebene.
         Schmerz kann auf beliebig viele Arten und Weisen eingeteilt werden. Dies impliziert
zuerst eine Auftrennung in psychogenen Schmerz (z.B.: Trauer, Verlust) und physischen
Schmerz (z.B.: Migräne, Knochenbrüche). Psychogener Schmerz kann nicht immer auf eine
organische Ursache bzw. eine Aktivierung der Nozizeptoren zurückgeführt werden.6
         Des Weiteren kann zwischen akuten und chronischen Schmerzen unterschieden
werden. Akuter Schmerz dient durch sein plötzliches Auftreten als Warn- und Schutzfunktion
für den Körper. Durch ihn soll der Körper davon abgehalten werden, beispielsweise den
Kontakt zu einer schmerzhaften Einwirkungsstelle aufrechtzuerhalten oder weiter einer
bestimmten schädigenden Tätigkeit nachzugehen. Auch veranlasst akuter Schmerz die
Menschen dazu, einen Arzt/eine Ärztin aufzusuchen. Als chronische Schmerzen werden je
nach Quelle Schmerzen ab einer Schmerzpersistenz über drei bzw. sechs Monate bezeichnet.
Sie haben kaum mehr eine Warn- bzw. Schutzfunktion für den Körper. Meist obliegen ihnen
komplexe Ursachen.7

5
       IASP.      IASP     Terminology.   Pain     Terms.     Verfügbar     unter    https://www.iasp-
pain.org/Education/Content.aspx?ItemNumber=1698. Abgerufen am 27.06.2019.
6
  Vgl. Köhler, Fibromyalgie, S. 32.
7
  Vgl. ebda, S. 29ff.
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         Natürlich kann man Schmerzen auch nach ihrer Entstehung (thermisch, mechanisch
oder chemisch) oder ihrer Lokalisation am Körper einteilen. Schmerz wird nicht immer am
gleichen Ort empfunden, an dem er auch entsteht bzw. von dem er ausgeht. Diese sogenannte
Schmerzprojektion spielt beispielsweise eine Rolle bei Nervenverletzungen, die dann in weitere
Teile ausstrahlen (siehe z.B.: Prellung des „Narrischen Bandls“), bei übertragenen Schmerzen
(Schmerz in linkem Arm/linker Schulter, Brust und Rücken bei Herzinfarkt) oder bei
Phantomschmerzen nach Amputation einer Extremität.8
         Für die Anamnese und in weiterer Folge Diagnose besonders relevant ist auch die
Unterscheidung der Schmerzqualitäten nach zwei Aspekten: „affektive Schmerzen“ äußern sich
„quälend, marternd, lähmend, schrecklich, heftig“9, wobei sensorische Schmerzen als
„stechend, drückend, brennend, klopfend, bohrend, dumpf, hell, ziehend“10 empfunden werden.

3.2 Muskelschmerz und muskuläre Dysbalance
Muskelschmerz resultiert aus verschiedenen Ursachen, die vom allgemein bekannten, durch
körperliche   Arbeit    bedingten    Muskelkater,     bis   hin   zu   Nebenerscheinungen       von
schwerwiegenden Erkrankungen innerer Organe reichen können. Die folgende Grafik
(Abbildung 3) soll einen groben Überblick über die Einteilung und Ursachen von
Muskelschmerzen geben:

                                     Abbildung 3: Muskelschmerz

8
  Vgl. Silbernagl, Pathophysiologie, S. 346/347.
9
   DocCheck Flexikon. Schmerz. Verfügbar unter https://flexikon.doccheck.com/de/Schmerz. Abgerufen am
26.06.2019.
10
   Ebda.
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          Grundsätzlich können Muskelschmerzen in drei große Kategorien eingeteilt werden:
Sie können sich entweder lokal äußern, auf das Skelett übergreifen oder überhaupt erst in der
Muskulatur empfunden werden, nachdem die Schmerzen primär woanders entstanden sind.
Lokale Muskelschmerzen sind in den meisten Fällen die Folge von ischämischer
Minderversorgung, toxischen Einwirkungen, entzündlichen Vorgängen oder metabolischen
Veränderungen bzw. Dysfunktionen. Skelett- und Weichteilschmerzen können wiederum
unterteilt werden in osteogene Schmerzen, Arthralgien und Tendomyalgien. Osteogen
impliziert, dass die Schmerzen ursprünglich von Schäden des Knochens bzw. des Skeletts
ausgehen, die entweder entzündlich, degenerativ, osteoporotisch oder neoplastisch sein
können.11 Unter Arthralgie versteht man Gelenkschmerzen, die jedoch nicht wie die Arthritis
(Entzündung eines Gelenks) durch die typischen Entzündungszeichen nach Rudolf Virchow –
„Rubor“ (Rötung), „Calor“ (Überwärmung), „Dolor“ (Schmerzen), „Tumor“ (Schwellung) und
„Functio laesio“ (Funktionsverlust) – gekennzeichnet ist12. Je nach Zeitpunkt des Auftretens
der Schmerzen wird zwischen Belastungsschmerz, Ruheschmerz/Nachtschmerz und
Anlaufschmerz unterschieden.13 „Tendomyalgie“ (Schmerzen in Muskeln und Sehnen) kann
neben     „Myotendopathie“        (Erkankung       von    Muskeln       und    Sehnen),     „myofasziales
Schmerzsyndrom“ und „Tendomyopathie“ als einer von vielen Begriffen für Schmerzen von
Muskeln inklusive ihrer Sehnenansätze und Muskelfaszien verstanden werden14. Die dritte
Kategorie beinhaltet Muskelschmerzen, die von inneren Organen oder Nerven ausgehen und
erst in weiterer Folge Schmerzen in der Muskulatur und den Weichteilen verursachen. Wie
bereits erwähnt, können Muskelschmerzen in akute und chronische Verläufe unterteilt werden,
die jeweils andere Behandlungen bezüglich der Medikation und Physiotherapie erfordern.15
          In engem Zusammenhang mit Muskelschmerzen stehen auch Muskeldysbalancen, die
auf ein pathologisches Überwiegen der tonischen Muskelanteile zurückzuführen sind. Tonische
Muskelanteile werden durch sogenannte Slow-Twitch-Fasern (ST-Fasern) oder rote Typ-I-
Fasern gebildet. Diese übernehmen im menschlichen Körper die Aufgabe, langsam zu
kontrahieren, aber dafür äußerst ermüdungsresistent zu sein.16 Pathologische Veränderungen

11
   Vgl. Laser, T. (1999). Muskelschmerz. Verspannungen – Dysbalancen – Fibromyalgie. Stuttgart: Thieme, S.
10. Im Folgenden zitiert als: Laser, Muskelschmerz.
12
   Vgl. Böcker, W., Denk, H., Heitz, Ph. U. & Moch, H. (2008) Pathologie. München: Elsevier, S. 118. Im
Folgenden zitiert als: Böcker/Denk/Heitz/Moch, Pathologie.
13
   Vgl. DocCheck Flexikon. Arthralgie. Verfügbar unter https://flexikon.doccheck.com/de/Arthralgie. Abgerufen
am 21.06.2019.
14
   Vgl. Wikipedia. Myotendopathie. Verfügbar unter https://de.wikipedia.org/wiki/Myotendopathie. Abgerufen
am 21.06.2019.
15
   Vgl. Laser, Muskelschmerz, S. 10.
16
   Exkurs: Der Grund dafür ist ihr hoher Anteil an Myoglobin, einem Muskelprotein, das Sauerstoff reversibel
bindet.
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im    muskulären      Gleichgewicht    resultieren       in   erster   Linie   aus   unphysiologischen
Beanspruchungen des gesamten arthromuskulären Systems. Hierzu zählen beispielsweise
Fehlbelastungen, Überbelastungen, mangelnde Vorbereitung des Körpers auf spezifische
Belastungsanforderungen, sowie Fehlhaltungen im Alltag. Unter Fehlhaltungen im Alltag
können jegliche Formen an schlechter Haltung bzw. falschen Bewegungsabläufen
zusammengefasst werden, die im Privat-, sowie im Berufsleben tagtäglich eine bedeutende
Rolle spielen. Beispiele hierfür wären Arbeiten im Haushalt, die vor allem durch die
Kombination aus Heben eines Gewichts und anschließende Drehbewegung charakterisiert sind,
gebückte Haltung vor einem Bildschirm, Fließband etc. oder mehrstündiges Sitzen auf nicht
optimal eingestelltem Sessel an einem Schreibtisch.17
          Diese muskulären Dysbalancen können in weiterer Folge dazu führen, dass sich die
Grundhaltung eines Individuums hingehend einer reflexiven Schonhaltung verändert. Zwar
kann dadurch kurzfristig der Schmerz vermieden bzw. gelindert werden, jedoch ergeben sich
daraus langfristig erneute Schäden am Bewegungsapparat, die wiederum in andere Regionen
ausstrahlen können. Neben der geänderten Grundhaltung modifzieren sich auch die
Bewegungsabläufe:          Allgemein    gilt,     dass        mehrgelenkige     Muskeln     sich    bei
Fehlbeanspruchungen verkürzen, wohingegen eingelenkige Muskeln eher atrophieren.
Beispielsweise führen nun verkürzte Hüftbeuger und Rückenstrecker mit der häufig in
Kombination auftretenden „Abschwächung der Kraft von Bauch- und Gesäßmuskulatur (...) zu
einer Dauerfehlstellung beider Hüftgelenke in leichter Flexion und Anteversion des Beckens“18.
Um nun Einschränkungen während des Gangablaufs ausgleichen zu können, muss sich das
Becken mitbewegen, was jedoch keinen adäquaten Kompensationsmechanismus darstellt,
sondern wieder zur Verschlechterung der Ausgangssituation führt. Daraus ergibt sich, dass sich
das gesamte Bewegungszentrum ursprünglich aus dem Hüftgelenk in Richtung der
Lendenwirbelsäule         verschiebt   und      dort     zu     Gelenksabnutzungen,       bekannt   als
„Facettensyndrom“, führt.19

17
   Vgl. Laser, Muskelschmerz, S. 24.
18
   Ebda, S. 26.
19
   Vgl. ebda, S. 24ff.
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                                       Abbildung 4: Muskuläre Dysbalancen

             Wie in Abbildung 4 dargestellt, kann der gesamte Entstehungsprozess muskulärer
Dysbalancen als Spirale bis hin zur „Exazerbation“ (deutlichen Verschlimmerung) gesehen
werden. Auslösende Faktoren können physischer sowie psychischer Natur (Körpergröße,
mangelndes Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, Unsicherheit) sein.
             Die Aspekte des Schmerzes und der Fehlbelastungen wurden bereits ausführlich
beleuchtet. Inaktivität bezieht sich vorwiegend auf krankheits- oder operationsbedingte
Immobilisation. Je nach Dauer atrophiert die Muskulatur, wobei nicht alle Muskelgruppen
gleich stark betroffen sind (hauptsächlich nur die phasische Muskulatur). Auch
Überbelastungen in Folge von plötzlicher Überforderung, Leistungssport oder stereotypen
Tätigkeiten können in einer muskulären Dysbalance enden. Auf den Gesichtspunkt der Psyche
in Zusammenhang mit der Entstehung von körperlichen Schmerzsyndromen soll in späteren
Kapiteln der Diplomarbeit (ab Kapitel 4) detailliert das Augenmerk gelenkt werden.20
             Für die Deklaration und genaue Bestimmung von Muskelschmerzen und im
erweiterten Sinne auch der Fibromyalgie sind sogenannte „Triggerpunkte“ und „Tender points“
unabdingbar. Triggerpunkte bezeichnen „druckempfindliche Irritationszonen in den
myofaszialen Anteilen der Muskelbäuche“21. Durch externe Stressoren wie zum Beispiel starke
Temperaturunterschiede, Druck, Dehnung oder Hypoxie können diese Punkte gereizt werden
und führen zu Schmerzen, die auch in jeweils charakteristische Referenzzonen ausstrahlen.

20
     Vgl. Laser, Muskelschmerz, S. 31ff.
21
     Ebda, S. 26.
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Laser unterscheidet zwischen aktiven und latenten „Triggerpunkten“. Während die aktiven
bereits bei physiologischen Anstrengungen anschlagen, reagieren die latenten Triggerpunkte
erst auf extreme Reizungen. Der fortgeleitete Schmerz wird in der Fachliteratur als „referred
pain“ bezeichnet. Unter „Tender points“ werden Maximalpunkte verstanden, an denen
„schmerzhafte Sehnenansatzpunkte der tonischen Muskeln“22 lokalisiert sind.23 Konträr dazu
sind primäre und sekundäre „Tendomyosen“ Überbegriffe für schmerzhafte Überlastungen im
Muskel-Sehnen-Übergang bzw. in Fasziennähe. Von der sekundären Tendomyose zur
Fibromyalgie gibt es fließende Übergänge.24
          Laser vermerkt weiters, dass einige Autoren/Autorinnen auf dem Gebiet der
Fibromyalgie nur von „Triggerpunkten“ sprechen und nicht von „Tender points“. Diese klare
Trennung konnte von ihm in der Praxis jedoch nicht beobachtet werden!25

3.3 Schmerzbekämpfung und Umgang mit Schmerzen
Es existiert eine Vielzahl an Mechanismen, um Schmerzen zu bekämpfen. Bei physischen
Schmerzen        wird      beispielsweise       durch   Kühlung   der   betroffenen   Stelle   die
Prostaglandinsynthese gehemmt (Exkurs: Prostaglandine lösen durch eine Kaskade Schmerzen
aus). Natrium-Kanal-Blocker, die als Lokalanästhetika pharmakologisch verwendet werden,
behindern die Schmerzweiterleitung. Auch Endorphinrezeptoraktivierung (durch Morphin),
chirurgische Verfahren, Elektrostimulation oder transkutane Nervenstimulation können
Abhilfe verschaffen.26
           Auf der mentalen Ebene tragen diverse psychotherapeutische Verfahren,
Entspannungstechniken, konzentrative Verfahren und viele mehr zur Schmerzbekämpfung bei
(mehr dazu ab Kapitel 5). Es erscheint äußerst wichtig, dass Betroffene, die vor allem an
chronischen Schmerzen leiden, eigene Bewältigungsstrategien entwickeln, mit denen sie ihre
Lebensqualität aufrecht erhalten bzw. steigern können. Köhler differenziert hier zwischen
äußeren (z.B.: Lesen, Fernsehen oder Sport) und inneren Ablenkungstechniken (z.B.:
Fantasiereisen oder positive Imaginationen). Auch kann mit gezielter Fokussierung versucht
werden, den Schmerz umzulenken oder zu reduzieren („Schmerzreduktion“) – „meist in

22
   Laser, Muskelschmerz, S. 30.
23
   Vgl. ebd, S. 28.
24
   Vgl. ebda, S. 59.
25
   Vgl. ebda, S. 27.
26
   Vgl. Silbernagl, Pathophysiologie, S. 346.
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symbolischer Form“27. Unangenehme Empfindungen können somit transformiert und
„erträglicher“ gemacht werden. Ein ähnliches Verfahren wäre die Selbsthypnose.28

27
     Köhler, Fibromyalgie, S. 209.
28
     Vgl. ebda.
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4 Das Krankheitsbild der Fibromyalgie
Die Bezeichnung „Fibromyalgie“ steht für eine Erkrankung, die verschiedene medizinische
Bereiche (Rheumatologie, Neurologie und Psychologie) umfasst und durch ihre unspezifische
Symptomatik auf den ersten Blick schwer zu diagnostizieren scheint. Zu Beginn soll ein grober
Überblick über die Erkrankung generiert und anhand eines gesamten Syndroms beschrieben
werden.     Nachfolgend        werden      in    diesem     Kapitel      epidemiologische        Verteilungen,
pathophysiolgische Entstehungsprozesse, sowie die generelle Symptomatik diskutiert.
Zusätzlich gilt es noch, die verschiedenen Ursachen für das Entstehen der Fibromyalgie
festzumachen und diverse diagnostische Maßnahmen aufzuzählen.

4.1 Fibromyalgie und Fibromyalgiesyndrom (FMS)
„Die Grundlage der Definition funktioneller somatischer Syndrome ist ein Kontinuum an
Beschwerden.“29 In den Leitlinien zur Fibromyalgie wird das gesamte Erkrankungsbild deshalb
gerne als „Fibromyalgiesyndrom“ (FMS) bezeichnet, da es sich um einen ganzen Komplex an
Symptomen und Beschwerden handelt. Genauer handelt es sich um ein funktionelles
somatisches Syndrom30. Häuser und Fitzcharles deklarieren das FMS als „pain disease (…)
masked depression (…) persistent somotaform pain disorder (…) somatic symptom disorder
(…) brain disease“31 und „small fiber neuropathy“32. Die Erkrankung „ist nicht pauschal mit
einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (...) bzw. einer chronischen Schmerzstörung
mit psychischen und somatischen Faktoren bzw. einer somatischen Belastungsstörung
gleichzusetzen“33. (Exkurs: Somatoforme Störungen bezeichnen Erkrankungsbilder, bei denen
bei mindestens über sechs Monate andauernden körperlichen Beschwerden keine eindeutigen
organischen Ursachen in Form von Dysfunktionen nachgewiesen werden können34.)

29
   Eich, W. et al. (2012). Das Fibromyalgiesyndrom. Definition, Klassifikation, klinische Diagnose und
Prognose. Heidelberg: Springer. Verfügbar unter https://www.klinikum.uni-
heidelberg.de/fileadmin/pressestelle/pressemappen/Chronische_Schmerzen__Aktiv-
Sein_hilft/11a__Leitlinien_Fibromyalgie.pdf. Abgerufen am 27.04.2019, S. 15. Im Folgenden zitiert als: Eich
et al., Fibromyalgiesyndrom.
30
   Vgl. Deutsche Schmerzgesellschaft (DGSS) (2017). Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie
des Fibromyalgiesyndroms. Verfügbar unter https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/145-004l_S3_Fibro-
myalgiesyndrom_2019-05.pdf. Abgerufen am 25.06.2019, S. 13. Im Folgenden zitiert als: Deutsche Schmerz-
gesellschaft, Fibromyalgiesyndrom.
31
   Häuser, W. & Fitzcharles, M.-A. Facts and myths pertaining to fibromyalgia. Dialogues in clinical neuroscience.
PMID: 29946212.
32
   Ebda.
33
   Deutsche Schmerzgesellschaft, Fibromyalgie, S. 13/14.
34
   Vgl. Herold, G. (2019). Innere Medizin. Eine vorlesungsorientierte Darstellung. Köln: Gerd Herold, S. 925.
Im Folgenden zitiert als: Herold, Innere Medizin.
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          Das Hauptcharakteristikum der Fibromyalgie sind Schmerzen, die in wechselnder
Intensität in verschiedenen Körperteilen auftreten. Dies führt von leichten Einschränkungen im
Alltag bis hin zu gravierenden Ausfällen im Privat- und Berufsleben, was die Lebensqualität
deutlich einschränkt. Neben den Schmerzen drängen sich auch Schlafstörungen und
infolgedessen Müdigkeit, sowie Veränderungen der psychischen Gesundheit in den
Vordergrund – mehr dazu jedoch im Kapitel 4.4.35
          Das Krankheitsbild der Fibromyalgie, welches im Jahr „2014 von der WHO als
eigenständige Erkrankung anerkannt“36 wurde, kann in den Formenkreis der rheumatischen
Erkrankungen eingeordnet werden. Sie sind weltweit sehr verbreitet und zählen „zu den
bedeutsamsten sozialmedizinischen Problemen“37. Rheumatische Erkrankungen werden in vier
große Gruppen unterteilt38:

     •   entzündliche rheumatische Erkrankungen
     •   degenerative Gelenk- und Wirbelerkrankungen
     •   pararheumatische Erkrankungen
     •   nicht entzündliche weichteilrheumatische Erkrankungen

          Die Fibromyalgie wird generell auch als „Weichteilrheuma“ bezeichnet, wobei
einheitliche Kategorisierungen und Zuordnungen in der Fachliteratur selten zu finden sind.
Andere verwandte Erkrankungen wären der berüchtigte Tennis- bzw. Golferellbogen, durch
Zugluft bedingt Nackenverspannungen, die „schmerzhafte Schulter“ beim Über-Kopf-Heben
der Arme, sowie allgemeine Muskelverspannungen39. Ein weiteres gängiges Synonym für
„Fibromyalgie“ wäre die „generalisierte Tendomyopathie“40. Die Wortzusammensetzung aus
dem Lateinischen und Griechischen erklärt, dass es sich hierbei um ein schmerzhaftes Leiden
handelt, das in erster Linie den Muskel selbst und dessen Sehne bzw. Sehnenübergang und
Sehnenansatz befällt41.
          Herold unterscheidet ein primäres Fibromyalgie-Syndrom von einem sekundären,
wobei letzteres vor allem in Zusammenhang mit rheumatischen Systemerkrankungen wie

35
   Vgl. Deutsche Schmerzgesellschaft, Fibromyalgie, S. 12ff.
36
   Bauer, J. A. & Wormer, E. J. (2018). Fibromyalgie. Die Lösung des Schmerzproblems. Wege zur Hilfe,
Selbsthilfe und Heilung. Rottenburg: Kott, S. 35. Im Folgenden zitiert als: Bauer/Wormer, Fibromyalgie.
37
   Köhler, Fibromyalgie, S. 25.
38
   Vgl. Brückle, W. (2016). Fibromyalgie. Endlich erkennen – richtig behandeln. Stuttgart: Trias in Thieme, S.
12. Im Folgenden zitiert als: Brückle, Fibromyalgie.
39
   Vgl. ebda, S. 13.
40
   Laser, Muskelschmerz, S. 52.
41
   Vgl. ebda.
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beispielsweise rheumatoider Arthritis, Kollagenosen oder Vaskulitiden auftritt. Zusätzlich kann
ein sekundäres Fibromyalgie-Syndrom auch additiv zu „Infektionserkrankungen (v.a.
Virusinfekte: EBV, Hepatitis B/C, HIV)“42 erscheinen.43
          Leider handelt es sich bei der Fibromyalgie um eine aufgrund der unspezifischen
Beschwerden sehr schwer diagnostizierbare Erkrankung, der häufig zahlreiche Fehldiagnosen
vorangehen. Sie können auch als Symptome zahlreicher anderer Grunderkrankungen
fehlinterpretiert werden und erstrecken sich meist über einen langen Zeitraum. Im Durchschnitt
vergeht zwischen dem Auftreten der ersten Schmerzen bis hin zur „gesicherten“ Diagnose
mindestens ein Jahrzehnt, was zusätzlich die Ernsthaftigkeit und den Schweregrad dieser
Erkrankung unterstreicht44. Trotz der Beeinträchtigungen stellt Fibromyalgie alleine keine
lebensbedrohliche Erkrankung dar, d.h. die Lebenserwartung verschlechtert sich nicht. Zudem
sollte davon Abstand genommen werden, diese Erkrankung als psychische Erkrankung zu
deklarieren, da dies nur einen Teilbereich des gesamten Syndroms abdecken würde.45
Nichtsdestotrotz spielen bereits bestehende psychische und psychiatrische Erkrankungen eine
bedeutende Rolle bei Fibromyalgie-Patienten/Patientinnen, da sie Schmerzen „triggern“ und
auch verstärken können46.

4.2 Epidemiologie der Fibromyalgie
Es erscheint schwierig, einheitliche epidemiologische Kennzahlen zu ermitteln, da die genaue
Zuordnung bzw. Kategorisierung der Krankheit Fibromyalgie Unklarheiten mit sich bringt.
Auch die bereits erwähnte schwierige Diagnosestellung ist mitverantwortlich für die
abweichenden epidemiologischen Kenngrößen.
          Köhler siedelt die Prävalenz der Fibromyalgie zwischen 2% und 7% an, wobei zum
größten Teil weibliche Personen im mittleren Lebensalter von dieser Krankheit betroffen sind.47
Andere Quellen wiederum vermerken prozentuelle Werte von 3,2%48 oder zwischen 0,6% und
4%49. In Lehrwerken für Medizinstudierende und Internisten zur „Inneren Medizin“ wird die
Prävalenz bei ca. 3% der Bevölkerung und eine „Häufung zwischen 30. und 60.“50 Lebensjahr

42
   Herold, Innere Medizin, S. 696.
43
   Vgl. ebda.
44
   Köhler, Fibromyalgie, S. 26.
45
   Vgl. Bauer/Wormer, Fibromyalgie, S. 35.
46
   Vgl. Laser, Muskelschmerz, S. 55.
47
   Vgl. Köhler, Fibromyalgie, S. 25/26.
48
   Eich et al., Fibromyalgiesyndrom, S. 6.
49
   DocCheck Flexikon. Fibromyalgie. Verfügbar unter https://flexikon.doccheck.com/de/Fibromyalgie.
Abgerufen am 27.04.2019.
50
   Herold, Innere Medizin, S. 696.
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vermerkt51. Die Prominenz der weiblichen Personen unter den Erkrankten stimmt jedoch
überall überein. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass bei Weitem nicht alle aktuellen
Fälle von Fibromyalgie-Patienten/Patientinnen bereits diagnostiziert werden konnten und somit
eine unbekannte Dunkelziffer noch hinzukommen würde52.
               Bezüglich der Finanzierung von Behandlungen kann erwähnt werden, dass 15% bis
20% der Ausgaben für den Bereich der rheumatischen Erkrankungen auf das
Fibromyalgiesyndrom fallen. Die Begründung hierfür kann haupstächlich in der langen
Krankengeschichte und schwierigen Diagnostik gesehen werden.53

4.3 Pathophysiologie der Fibromyalgie
Das gesamte Krankheitsbild der Fibromyalgie gilt bis dato als nicht vollständig erforscht. Daher
ist       es      naheliegend,    dass    auch    die    Pathologie       und     pathophysiologischen
Entstehungsmechanismen noch nicht vollständig geklärt werden konnten. In diesem
Unterkapitel soll eine grobe Übersicht über verschiedene Forschungsergebnisse erfolgen, der
einige allgemeine Erklärungen zur Entstehung und Empfindung von chronischem Schmerz
vorausgehen.
               Bauer/Wormer fassen in ihrem Ratgeber für Fibromyalgie-Patienten/Fibromyalgie-
Patientinnen in Bezug auf chronischen Schmerz Folgendes zur Schmerzquelle Nervensystem
zusammen54:

      •        (chronischer) Schmerz = neuronaler Lernprozess
      •        erhöhte Neigung zur Reaktion des Gehirns auf Schmerzreize
      •        Veränderungen des Hirngewebes
                  o Amygdala        (im      Endhirn,     Nahrungsaufnahme,           Hormonsekretion,
                      Kreislaufregulation, Vermittlung von Verhaltensweisen, wie Flucht- und
                      Angstreaktionen, emotionale Reaktionen, Speicherung emotional betonter
                      Gedächtnisinhalte)55
                  o Gyrus postcentralis (im Großhirn, primäre somatosensible Rinde)56

51
   Vgl. Herold, Innere Medizin, S. 696.
52
   Vgl. Köhler, Fibromyalgie, S. 52.
53
   Vgl. ebda, S. 25/26.
54
   Vgl. Bauer/Wormer, Fibromyalgie, S. 55.
55
   Vgl. Trepel, M. (2012). Neuroanatomie. Struktur und Funktion. München: Elsevier, 214. Im Folgenden
zitiert als: Trepel, Neuroanatomie.
56
   Vgl. ebda, S. 235.
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             o Hippocampus (im Großhirn, Gedächtnisbildung (Demenz!), Bestandteil des
                  limbischen Systems → endokrine, vegetative, emotionale Vorgänge)57
             o Striatum (im Großhirn, zentrale Schaltstelle motorischer Impulse → vor allem
                  Unterdrückung oder auch Förderung)58
             o Frontalhirn (im Großhirn, Motorik, Persönlichkeit, Sozialverhalten)59
             o u.a.
     •   verringerte Dicke von Hirnrinde (graue Substanz, Perikaryen) und Hirnvolumen →
         „Hirnschwund“
     •   Gliazellen (Hilfszellen, Stützzellen) als Verstärker der Schmerzsignale und Förderer
         chronischer Schmerzen
     •   beschleunigte Demenz-Entwicklung
     •   Hemmung absteigender Bahnen und Wind-Up (Förderung aufsteigender Signale) für
         Schmerz
     •   veränderte Funktionen von Neurotransmittern
             o Glutamat (exzitatorischer Transmitter = erregend)60
             o GABA (inhibitorischer Transmitter = hemmend)61
             o Serotonin (Hemmung: Müdigkeit, Schlaf, Schlaf-Wach-Rhythmus)62
             o Noradrenalin (Aktivierung: Wach- bis Erregungszustand), Schlaf-Wach-
                  Rhythmus, „Alarmsystem“)63
             o Dopamin (vorwiegend Hemmung, Beeinflussung psychischer Abläufe)64
             o u.a.
     •   Entzündungsneigung, Nozizeptorenaktivierung in der Muskulatur, Veränderungen des
         Zytokin-Netzwerks und der Gliazellenaktivität

          Schmerzen können generell als komplexes Konstrukt betrachtet werden, das sich
multifaktoriell aus biologischen, sozialen und psychischen Parametern zusammensetzt. Auch
bezüglich chronischer Schmerzen im Allgemeinen konnte noch kein einheitlicher
Entstehungsprozess festgemacht werden. Es liegt jedoch nahe, dass chronische Schmerzen „auf

57
   Vgl. Trepel, Neuroanatomie, S. 216/27.
58
   Vgl. ebda, S. 205.
59
   Vgl. ebda, S. 224ff.
60
   Vgl. ebda, S. 12.
61
   Vgl. ebda.
62
   Vgl. ebda, S. 185.
63
   Vgl. ebda, S. 146/185.
64
   Vgl. ebda, S. 146.
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einer „einprogrammierten“ peripher-zentralen Fehlverarbeitung von Signalen der Sinnesorgane
im neuronalen Netzwerk“65 beruhen.
          Zwei wichtige Begriffe in Zusammenhang mit der Entstehung von chronischen
Schmerzerkrankungen, wozu auch das Fibromyalgiesyndrom zählt, sind die zentrale und
periphere           Sensibilisierung.           Dies           impliziert,          dass          chronische
Schmerzpatienten/Schmerzpatientinnen generell unter einer erhöhten Schmerzempfindsamkeit
leiden, die als „Hyperalgesie“ bezeichnet wird. Diejenigen Regionen, in denen Schmerzen
empfunden werden, reagieren viel stärker und früher auf äußere Einwirkungen, wobei davon
nicht nur unmittelbar der Muskel betroffen ist, sondern auch die dazugehörigen Faszien. Auf
zentraler Ebene kommt es wiederum zu einer Überreaktion der Hinterhornneurone im
Rückenmark, im Fachjargon „Hyperexzitabilität“ genannt. Dieses sogenannte „Wind-Up-
Phänomen“ könnte eine weitere Ursache für die Schmerzwahrnehmung („Nozizeption“),
Schmerzverstärkung, sowie auch für übertragene Schmerzen sein66. Darüber hinaus wird die
Sensibilität des Organs Haut verändert, was im weiteren Verlauf „zur stärkeren
Schmerzempfindlichkeit der tiefen Gewebe“67 beiträgt. Besonders beteiligt bei der zentralen
Sensibilisierung ist der Neurotransmitter (Nervenbotenstoff) NMDA (= N-Methyl-D-Aspartat).
Durch     eine     starke    Aktivierung       der     NMDA-Rezeptoren           wird      eine   „exzessive
Schmerzreizauslösung“68 bewirkt. Bauer/Wormer halten fest, dass bei Fibromyalgie-
Patienten/Fibromyalgie-Patientinnen eine erhöhte Konzentration eben dieses Neurotransmitters
nachgewiesen werden konnte und dies als „Hinweis auf eine stressinduzierte strukturelle und
funktionelle Störung des Hippocampus bei FMS-Patientinnen gedeutet“69 werden kann. Daraus
lässt sich ableiten, dass NMDA-Antagonisten, wie etwa Ketamin, als eine mögliche
Therapievariante eingesetzt werden können, die – wenn auch nur über kurze Zeitdauer (ca. 7
Tage) – die Schmerzen lindern können.70
          Ebenfalls auf Ebene des Zentralnervensystems fallen auch die absteigenden
schmerzhemmenden Bahnen ins Gewicht. Unter absteigenden Bahnen versteht man die
Fortläufe aus bestimmten Kerngebieten im Gehirn, genauer des Hirnstamms. Im Falle der
Modulation der Nozizeption sind vor allem das periaquäduktale Grau (eine Ansammlung von
Perikaryen = Nervenzellkörpern im Großhirn) und dessen Efferenzen, die Raphe-Kerne

65
   Bauer/Wormer, Fibromyalgie, S. 54.
66
   Vgl. Bellato, E. et al. Fibromyalgia Syndrome: Etiology, Pathogenesis, Diagnosis, and Treatment. Pain Res
Treat. doi: 10.1155/2012/426130. Im Folgenden zitiert als: Bellato et al., Fibromyalgia Syndrome.
67
   Bauer/Wormer, Fibromyalgie, S. 54.
68
   Ebda, S. 58.
69
   Ebda.
70
   Vgl. ebda, S. 54ff.
Anna Siegl 1412383
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