Prävention Workbook Prävention - DEUTSCHLAND - DBDD

Die Seite wird erstellt Stephan Wunderlich
 
WEITER LESEN
Prävention

                   Workbook Prävention

                        DEUTSCHLAND

                 Bericht 2018 des nationalen

           REITOX-Knotenpunkts an die EMCDDA

                    (Datenjahr 2017 / 2018)

Maria Friedrich, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Gabriele Bartsch, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V.(DHS)
Esther Dammer, Franziska Schneider & Tim Pfeiffer-Gerschel,
IFT Institut für Therapieforschung
PRÄVENTION                                                                                                                             1

INHALT

0        ZUSAMMENFASSUNG .............................................................................................. 3

1        NATIONALES PROFIL............................................................................................... 4

1.1      Strategie und Struktur ................................................................................................. 4

1.1.1 Hauptziele von Prävention .......................................................................................... 4

1.1.2 Organisationsstruktur .................................................................................................. 4

1.1.3 Kommentar zur Förderung .......................................................................................... 6

1.1.4 Nationaler Aktionsplan für Drogenprävention in Schulen ............................................. 6

1.2      Präventionsmaßnahmen ............................................................................................. 6

1.2.1 Verhältnisprävention ................................................................................................... 6

1.2.2 Universelle Prävention .............................................................................................. 13

1.2.3 Selektive Prävention ................................................................................................. 27

1.2.4 Indizierte Prävention ................................................................................................. 41

1.2.5 Zusatzinformationen.................................................................................................. 44

1.3      Qualitätssicherung der Präventionsmaßnahmen ....................................................... 44

1.3.1 Standards, Guidelines und Ziele ............................................................................... 44

2        TRENDS ................................................................................................................... 45

2.1      Veränderungen bei Präventionsmaßnahmen ............................................................ 45

3        NEUE ENTWICKLUNGEN ....................................................................................... 52

3.1      Neue Entwicklungen ................................................................................................. 52

4        ZUSATZINFORMATIONEN ...................................................................................... 55

4.1      Zusätzliche Informationsquellen ................................................................................ 55

4.2      Weitere Aspekte........................................................................................................ 55

5        QUELLEN UND METHODIK .................................................................................... 55

5.1      Quellen ..................................................................................................................... 55
2                                                                                                    PRÄVENTION

6   ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................................. 60

7   TABELLENVERZEICHNIS ....................................................................................... 60
PRÄVENTION

0     ZUSAMMENFASSUNG
Neben Behandlung, Überlebenshilfe und repressiven Maßnahmen ist Suchtprävention eine
der vier Säulen einer ganzheitlichen Sucht- und Drogenpolitik in Deutschland. Maßnahmen
der Suchtprävention fallen in die Zuständigkeit der Ministerien auf Bundes- und
Landesebene und werden insbesondere durch die Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung (BZgA), die Länder, auf kommunaler Ebene und durch die Selbstverwaltungen
der Versicherungsträger wahrgenommen. Struktur und Strategie der Suchtprävention in
Deutschland sowie die Rolle der einzelnen Institutionen werden im ersten Kapitel dargestellt.

Maßnahmen der Verhältnisprävention umfassen bei legalen Drogen wie Alkohol und Tabak
insbesondere Verkaufs- und Werbebeschränkungen sowie Preiserhöhungen. Bei illegalen
Drogen greifen gesetzliche Regelungen wie das Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Im
Abschnitt zur Verhaltensprävention wird anhand von Beispielen aus den Jahren 2017 und
2018 die Vielfalt neuer und aktualisierter suchtpräventiver Aktivitäten in den Kategorien
universelle, selektive und indizierte Prävention in unterschiedlichen Settings veranschaulicht.
Dazu zählen Projekte auf kommunaler, Landes- und Bundesebene sowie neue und
aktualisierte Materialien und Medien. Verschiedene Instrumente zur Qualitätssicherung
suchtpräventiver Maßnahmen werden nachfolgend dargestellt.

Seit 2006 erfasst das Dokumentationssystem Dot.sys jährlich rund 33.000 suchtpräventive
Maßnahmen. Da für das Datenjahr 2017 auf Grund einer technischen Überarbeitung keine
Daten zur Verfügung stehen, werden die Daten aus 2016 verkürzt abgebildet.

Im Rahmen des seit 2015 in Kraft getretenen Präventionsgesetzes wurden u. a. die
Nationale Präventionskonferenz konstituiert, Bundesrahmenempfehlungen verabschiedet
und Landesrahmenvereinbarungen beschlossen. Von Bedeutung ist, dass das
Präventionsgesetz mit dem nationalen Gesundheitszieleprozess verknüpft ist und sich zwei
der neun Gesundheitsziele der Suchtprävention widmen: „Alkoholkonsum reduzieren“ und
„Tabakkonsum reduzieren“.
4                                                                                                  PRÄVENTION

1        NATIONALES PROFIL

1.1 Strategie und Struktur

1.1.1 Hauptziele von Prävention
Vorrangiges Ziel der Suchtprävention ist es, die Gesundheit jedes Einzelnen zu fördern.
Dazu zählen die Vermeidung bzw. das Hinauszögern des Einstiegs in den Konsum legaler
und illegaler Drogen, die Früherkennung und -intervention bei riskantem Konsumverhalten
sowie die Verringerung von Missbrauch und Sucht. Prävention ist neben Suchtbehandlung,
Überlebenshilfe und repressiven Maßnahmen zentraler Bestandteil einer umfassenden
Sucht- und Drogenpolitik in der Bundesrepublik (vgl. 1.1.2). Durch Suchtmittelmissbrauch
und -abhängigkeit entstehen neben schwerwiegenden psychischen und körperlichen
Schäden bei den Betroffenen auch enorme volkswirtschaftliche Kosten.

Moderne Suchtprävention erreicht Zielgruppen systematisch in ihren Lebenswelten und ist
bestrebt, eine gesundheitsförderliche Veränderung von Wissen, Einstellungen und
Verhaltensweisen zu bewirken. Dabei wird vorrangig ein salutogenetischer Ansatz im Sinne
einer Ressourcenstärkung, also Lebenskompetenz- und Risikokompetenzstärkung, verfolgt.

Der Stellenwert der Suchtprävention zeigt sich darin, dass die Nationale Strategie zur
Drogen- und Suchtpolitik1 (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 2012) mit ihren
konkreten Maßnahmen und Zielvorgaben im Bereich der Suchtprävention in eine
übergreifende Präventionsstrategie eingebettet werden soll.

1.1.2 Organisationsstruktur
Die Zuständigkeit für die Umsetzung der Nationalen Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik
liegt, neben den jeweiligen Bundesministerien, bei der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung     (BZgA),     den    Bundesländern,     den    Kommunen       sowie      den
Sozialversicherungsträgern. Insofern Maßnahmen der Suchtprävention in die Bereiche
Gesundheit, Sozialversicherung, Bildung und Jugend fallen, unterliegen sie der
konkurrierenden Gesetzgebung. Die Länder haben nur dann Befugnis zur Gesetzgebung,
soweit der Bund nicht von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch macht (Art. 72 GG).
Suchtpräventive     Angebote    werden     überwiegend    von     den    Ländern,     den
Sozialversicherungsträgern und den Kommunen finanziert.

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erbringt im Rahmen der Primärprävention und
Gesundheitsförderung (§ 20-20b SGB V) Leistungen zur Verhinderung von
Suchtmittelabhängigkeit und möglichen Folgeerkrankungen des Suchtmittelkonsums. Die
Leistungen der Krankenkassen zielen über die suchtpräventiven Aspekte hinaus auch auf
die Förderung eines gesundheitsgerechten Lebensstils in allen Altersgruppen. Inhalte und
Qualitätskriterien der Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen hat der GKV-

1
    Weitere Informationen zur Nationalen Drogen- und Suchtstrategie im Workbook „Drogenpolitik“.
PRÄVENTION

Spitzenverband für Krankenkassen und Leistungserbringer verbindlich in seinem „Leitfaden
Prävention“ festgelegt.

Seit 1992 koordiniert die BZgA den BZgA-Länder-Kooperationskreis Suchtprävention.
Aufgabe des zweimal jährlich tagenden Gremiums ist die Optimierung der Vernetzung der
Akteurinnen und Akteure auf Landes- und Bundesebene sowie die Koordinierung von
bundes- und landesweiten Maßnahmen der Suchtprävention. Vertreten sind Fachkräfte aus
den Landeskoordinierungsstellen für Suchtprävention sowie zum Teil auch Angehörige der
entsprechenden Landesministerien. Bei den Koordinierungs- bzw. Fachstellen der Länder
handelt es sich in der Regel um eingetragene Vereine in freier Trägerschaft, die mit
Landesmitteln     gefördert  werden.     Als   zivilgesellschaftliche Vertretung    sowie
Interessenvertretung der Suchthilfe auf Bundesebene nimmt auch die Deutsche Hauptstelle
für Suchtfragen e.V. (DHS) an den Sitzungen teil. Die DHS ist ebenfalls ein eingetragener
Verein mit gemeinnützigen Zielen.

Etwa im Turnus von zwei Jahren organisiert eines der 16 vertretenen Länder im
Kooperationskreis Suchtprävention eine von der BZgA geförderte Fachtagung zum Thema
Qualitätssicherung in der Suchtprävention. Die zweitägige Fachkonferenz dient dem
Austausch von Forschungs- und Praxiswissen durch Plenarvorträge und Workshops und hat
zum Ziel, Fachkräfte vor Ort mit den aktuell in der Suchtprävention eingesetzten
Instrumenten der Qualitätssicherung vertraut zu machen, sodass die praktische Nutzung
dieser Instrumente auf regionaler und kommunaler Ebene gefördert wird. Zielgruppe der
Fachtagung zur Qualitätssicherung sind daher vorrangig die den Landesstellen
zugeordneten Fachkräfte der Suchtprävention aus den Kommunen (vgl. 1.3.1).

Seit 1998 ist dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) das Amt der
Drogenbeauftragten der Bundesregierung mit Geschäftsstelle zugeordnet. Die
Drogenbeauftragte leitet den Drogen- und Suchtrat, der die strategischen Grundlagen der
aktuellen Drogen- und Suchtpolitik der Bundesregierung mitentwickelt und Empfehlungen
verabschiedet. Dem Gremium gehören Vertreterinnen und Vertreter aus Bundes- und
Landesverwaltungen, den kommunalen Spitzenverbänden sowie weitere von der
Drogenbeauftragten bestellte Mitglieder an. In einem jährlich erscheinenden „Drogen- und
Suchtbericht“ informiert die Drogenbeauftragte über aktuelle Entwicklungen und Projekte.
2017 lag der Jahresschwerpunkt der Drogenbeauftragten auf dem Thema „Kinder aus
suchtbelasteten Familien“ (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 2017).

In den Bundesländern und in den Kommunen existieren eine Reihe weiterer Strukturen für
die fachliche Zusammenarbeit zwischen Ministerien, Kommunen, Verbänden und Vereinen
im Bereich Suchtprävention. Damit wird dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung getragen und
eine breite Streuung präventiver Maßnahmen auf allen föderalen Ebenen gewährleistet. Auf
allen Ebenen findet darüber hinaus auch internationale Zusammenarbeit statt, vorwiegend in
Gestalt von Projekten innerhalb der Europäischen Union (EU).
6                                                                                                 PRÄVENTION

1.1.3 Kommentar zur Förderung

1.1.4 Nationaler Aktionsplan für Drogenprävention in Schulen
Die Bildungspolitik ist in Deutschland Aufgabe der Länder. Dies betrifft sowohl das Schul- als
auch das Hochschulwesen. Aus diesem Grund unterscheiden sich die Schulsysteme
teilweise stark in den Bundesländern, wie z. B. durch die Anzahl der Schuljahre oder
verschiedene Lehrpläne. In regelmäßigen Sitzungen der Kultusministerkonferenz2
koordinieren die Bundesländer ihre gemeinsamen Interessen in diesem Bereich.

Durch die föderale Struktur in Deutschland existiert kein Nationaler Aktionsplan für
Drogenprävention in Schulen. Jedoch hat die Kultusministerkonferenz im Jahr 2012 die
Empfehlung zur Gesundheitsförderung und Prävention in der Schule (KMK, 2012) erlassen.
Darin heißt es: „Suchtprävention stellt ein besonders bedeutsames Thema von
Gesundheitsförderung und Prävention dar. Es gilt, den Beginn von Suchtmittelkonsum und
anderer suchtriskanter Verhaltensweisen zu verhindern sowie riskante Konsum- und
Verhaltensweisen frühzeitig zu erkennen und zu reduzieren, insbesondere durch frühzeitige
Intervention und lebenskompetenzfördernde Maßnahmen“.

Durch Richtlinien und Lehrpläne (Curricula) machen die Kultusministerien der Länder
Suchtprävention seit Jahren zum verbindlichen Thema des Unterrichts. Beispielhaft ist hier
das Landesprogramm „Gute gesunde Schule“3 zu nennen, das derzeit in vier Bundesländern
durchgeführt wird.

1.2 Präventionsmaßnahmen

1.2.1 Verhältnisprävention
Individuelle Konsumentscheidungen werden durch sozial-ökologische Faktoren beeinflusst.
Verhältnispräventive Interventionen zielen darauf ab, diese kulturellen, sozialen, physischen
und ökonomischen Bedingungen zu verändern. Durch Beschränkung der Verfügbarkeit von
Konsumgelegenheiten soll Einfluss auf das Konsumverhalten der oder des Einzelnen
genommen werden.

Da Verhältnisprävention v. a. bei legalen Drogen von Bedeutung ist, werden die wichtigsten
Regelungen zum Konsum von Alkohol und Tabak dargestellt. Nachfolgend werden einige
gesetzliche Regelungen zum Konsum illegaler Drogen abgebildet.

2
    Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland
    (Kultusministerkonferenz) ist ein Zusammenschluss der für Bildung und Erziehung, Hochschulen und
    Forschung sowie kulturellen Angelegenheiten zuständigen Ministerinnen und Minister bzw. Senatorinnen und
    Senatoren der Länder.
3
    Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Gute gesunde Schule [Online]
    https://www.bzga.de/bot_Seite4427.html [Letzter Zugriff: 31.10.2018].
PRÄVENTION

Gesetzliche Regelungen zum Alkoholkonsum

Bezogen auf Krankheiten, gesundheitsökonomische Kosten und frühzeitigen Tod stellt hoher
Alkoholkonsum einen der bedeutsamsten vermeidbaren Risikofaktoren dar (Batra et al.,
2016). Direkte und indirekte4 volkswirtschaftliche Kosten in Deutschland, die mit hohem
Alkoholkonsum verbunden sind, belaufen sich auf geschätzte 40 Mrd. € (Effertz, 2015 a).

Nennenswerte verhältnispräventive Maßnahmen, die zum Ziel haben, den Konsum von
Alkohol zu reduzieren, sind z. B. Verkaufs- und Werbebeschränkungen sowie
Preiserhöhungen (John et al., 2017; DKFZ, 2017). Als Maßnahmen haben sich u. a.
Jugendschutz, Steuererhöhungen, örtliche und zeitliche Regelungen zur Verfügbarkeit von
Alkohol sowie Regeln zu Alkohol im Straßenverkehr bewährt (John et al., 2018).

Jugendschutzgesetz

Das Jugendschutzgesetz (JuSchG)5 befasst sich mit dem Thema „Alkohol“ in § 9
„Alkoholische Getränke“. Die Abgabe von jeder Art Alkohol an unter 16-Jährige ist in
Deutschland verboten und liegt damit unter dem EU-Durchschnitt von 17,4 Jahren. Das
gesetzliche Mindestalter für den Kauf von Bier, Wein oder Sekt liegt bei 16 Jahren.
Spirituosen dürfen erst ab einem Alter von 18 Jahren gekauft werden (Gaertner et al., 2015).

Alkoholsteuer

In Deutschland bestimmt die Art des alkoholischen Getränks über die Höhe der jeweiligen
Besteuerung. Die verschiedenen Arten alkoholischer Getränke werden unterschiedlich
besteuert. Abgesehen von der Einführung der Alkopopsteuer gab es seit 1982 keine
wesentlichen Steuererhöhungen (DKFZ, 2017). Derzeit werden Biere mit 1,97 €,
Branntweine/Spirituosen mit 13,03 €, Schaumweine mit 13,60 € und Alkopops mit 55,50 € je
Liter Reinalkohol besteuert. Auf Weine wird keine Steuer erhoben (Rummel et al., 2017 nach
Bundesministerium der Finanzen 2016)6.

Nahezu unverändert zu den Vorjahren, betrugen die Einnahmen aus Alkoholsteuern in
Deutschland im Jahr 2016 rund 3,2 Mrd. €. Damit lagen sie wie im Vorjahr unter dem EU-
Durchschnitt, der in den letzten Jahren gestiegen ist (Gaertner et al., 2015).

Alkohol im Straßenverkehr

Geregelt sind die gesetzlichen Bestimmungen im Straßenverkehrsgesetz (StVG) und im
Strafgesetzbuch (StGB).

4
    Bei den indirekten Kosten ist der größte Ressourcenverlust auf die vorzeitige Mortalität der jährlich 50.000 an
    alkoholbezogenen Krankheiten Versterbenden zurückzuführen (Adams & Effertz, 2011).
5
    Das JuSchG dient dem Schutz von Kindern und Jugendlichen in der Öffentlichkeit. Im Sinne dieses Gesetzes
    sind Kinder Personen unter 14 Jahren und Jugendliche Personen zwischen 14 und 18 Jahren.
6
    Einen detaillierten Überblick zur Höhe der Alkoholsteuern in Deutschland nach Steuerart bietet der
    Alkoholatlas 2017 des Deutschen Krebsforschungszentrums (DZKF, 2017).
8                                                                                                  PRÄVENTION

Für das Führen von Fahrzeugen gilt seit 2011 die Obergrenze von 0,5 Promille
Blutalkoholkonzentration (BAK), die damit an den europäischen Standard angeglichen wurde
(DHS, 2017). Sofern keine Anzeichen für eine Fahrunsicherheit vorliegen, handelt es sich bei
einer BAK zwischen 0,5 und 1,09 Promille um eine Ordnungswidrigkeit (§ 24a StVG). Hier ist
u. a. mit Geldbußen, einem Fahrverbot oder Punkten im Fahreignungsregister zu rechnen.
Für Fahranfängerinnen und Fahranfänger gilt ein absolutes Alkoholverbot in der zweijährigen
Probezeit oder wenn das 21. Lebensjahr noch nicht erreicht wurde (§ 24c StVG).

Bei einer BAK zwischen 0,3 und 1,1 Promille mit alkoholbedingten Ausfallerscheinungen liegt
eine relative Fahruntüchtigkeit vor (Straftat gemäß § 316 StGB). Wird eine BAK unter 0,3
Promille festgestellt, liegt eine relative Fahruntüchtigkeit nur bei Auftreten von
außergewöhnlichen Umständen vor. Ab einer BAK von 1,1 Promille wird – unabhängig von
Anzeichen für eine Fahrunsicherheit – eine absolute Fahruntüchtigkeit angenommen (§ 315c
StGB). In beiden Fällen ist mit Rechtsfolgen zu rechnen, wie z. B. Freiheits- oder Geldstrafe,
Fahrerlaubnisentzug oder einer Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU).

Radfahrende gelten ab einer BAK von 1,6 Promille als „absolut fahruntüchtig“ (DHS 2017) –
der Entzug der Fahrerlaubnis und eine MPU können angeordnet werden. Die Fahrerlaubnis
kann im Einzelfall selbst einer alkoholisierten Fußgängerin oder einem alkoholisierten
Fußgänger, welche bzw. welcher einen Unfall verursacht hat, entzogen werden.

Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit

Regelungen zum Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit werden je nach Bedarf von den
Bundesländern oder der Kommune getroffen7. So gibt es Alkoholkonsumverbote im
öffentlichen Personennahverkehr (wie etwa in Hamburg, Köln und München) oder auf
bestimmten Plätzen im innerstädtischen Raum (z. B. in Herne, Duisburg und Gelsenkirchen).

Gesetzliche Regelungen zum Tabakkonsum

Tabakkonsum stellt in Deutschland die führende Ursache frühzeitiger Sterblichkeit dar.
Schätzungsweise 110.000 bis 140.000 Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen des
Rauchens (BMEL, 2017). Die direkten tabakbedingten Kosten für das Gesundheitssystem
wurden im Zeitraum 2008 bis 2012 auf jährlich 25,41 Mrd. € geschätzt (Effertz, 2015 b); auf
die indirekten Kosten des Tabakkonsums, wie etwa Produktionsausfälle durch Krankheit,
entfielen jährlich 53,68 Mrd. € (DKFZ ,2015).

Verhältnispräventive Maßnahmen mit dem Ziel, den Tabakkonsum zu reduzieren, sind z. B.
Tabaksteuererhöhungen, Verkaufs- und Werbebeschränkungen sowie Rauchverbote in der
Öffentlichkeit oder am Arbeitsplatz. In den letzten Jahren haben Maßnahmen der

7
    Im Rahmen der BZgA-Jugendkampagne „Alkohol? Kenn dein Limit.“ wurde eine juristische Expertise zu den
    rechtlichen Möglichkeiten verhältnispräventiver Maßnahmen in Kommunen in Auftrag gegeben, die
    kommunalen Akteurinnen und Akteuren zur Verfügung gestellt wird. Erwartet wird die Expertise 2018 / 2019.
PRÄVENTION

Tabakprävention und Tabakkontrollpolitik zu einem Rückgang des Rauchens insbesondere
bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen geführt (Kuntz et al., 2017).

Deutschland hat das im Jahr 2005 in Kraft getretene Rahmenabkommen zur Tabakkontrolle
(FCTC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ratifiziert und verpflichtet sich damit zu
preisbezogenen und steuerlichen Maßnahmen der Tabakkontrolle sowie zum Schutz vor
Passivrauchen.

Im Mai 2016 wurde die von der EU verabschiedete Neufassung der Tabakproduktrichtlinie
2014/40/EU8 in nationales Recht umgewandelt und durch die Tabakerzeugnisverordnung
(TabakerzV) umgesetzt (BMEL, 2017). Die sichtbarste Veränderung betrifft die Bild-Text-
Warnhinweise auf der Verpackungsfläche von Tabakprodukten, welche 65 % der
Verpackungsfläche auf der Vorder- sowie Rückseite ausmachen. Der schriftliche
Warnhinweis wird mit Fotos von möglichen Gesundheitsschäden bzw. Folgen durch das
Rauchen bebildert. Hinzu kommt der Hinweis auf kostenlose Beratungsangebote, wie
www.rauchfrei-info.de und die BZgA-Telefonberatung zum Rauchstopp unter
0 800 8 31 31 31.

Verboten sind Tabakerzeugnisse mit charakteristischen Aromastoffen oder mit technischen
Merkmalen, die den Geruch, Geschmack oder die Rauchintensität verändern (Die
Drogenbeauftrage der Bundesregierung, 2017). Bis Mai 2017 galt eine Übergangsregelung,
nach der Tabakprodukte, die bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie produziert wurden, noch
verkauft werden dürfen. In der neuen Richtlinie werden auch nikotinhaltige elektronische
Zigaretten (E-Zigaretten) und Nachfüllbehälter stärker reguliert und strengere Anforderungen
an die Produktsicherheit gestellt, insbesondere betreffend der maximalen Nikotinmenge in
den Liquids und der besseren Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über die
Inhaltsstoffe9.

Schutz vor Passivrauchen

Mit der 2004 erlassenen Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und dem Mutterschutzgesetz
(MuSchuG) sind Arbeitgebende verpflichtet, die nichtrauchenden Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen. 2007 ist außerdem das
Bundesnichtraucherschutzgesetz (BNichtrSchG) in Kraft getreten. Damit haben Beschäftigte
in Bundesbehörden und Fahrgäste im öffentlichen Personenverkehr gesetzlichen Anspruch
auf Schutz vor dem Passivrauchen. Weiterführende Regelungen werden von den
Bundesländern in Gesetzen zum Nichtraucherinnen- und Nichtraucherschutz geregelt10.

8
     Ersetzt die bisherige Version 2001 / 37 / EG.
9
     Weitere Regelungen sind im „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte
     Erzeugnisse“ zu finden.
10
     Eine gute Zusammenfassung über die Ländergesetze zum Nichtraucherschutz unter
     http://www.rauchfrei-info.de/informieren/gesetzliche-regelungen/laendergesetze-zum-nichtraucherschutz/
     [Letzter Zugriff: 24.05.2018].
10                                                                                                     PRÄVENTION

Jugendschutz

Das Jugendschutzgesetz (JuSchG)11 befasst sich mit dem Thema „Rauchen“ in § 10
„Rauchen in der Öffentlichkeit, Tabakwaren“. Das Verbot umfasst die Abgabe von tabak- und
nikotinhaltigen Produkten an Kinder oder Jugendliche sowie das Rauchen bei unter 18-
Jährigen in Gaststätten, Verkaufsstellen oder in der Öffentlichkeit. Zudem müssen
Zigarettenautomaten so umgerüstet sein, dass Jugendliche darüber keinen Zugang zu
Zigaretten haben. In den meisten Fällen wird beim Kauf von Zigaretten über den Automaten
das Alter über die (verpflichtende) Zahlweise per „Geldkarte“ kontrolliert. Seit dem 1. April
2016 gilt das Abgabe- und Konsumverbot von Tabakwaren an Kinder und Jugendliche auch
für E-Zigaretten und E-Shishas, unabhängig davon, ob in ihnen Nikotin enthalten ist.

Tabaksteuer

Tabakwaren unterliegen in Deutschland der Tabak- und Mehrwertsteuer. Die Tabaksteuer ist
im Tabaksteuergesetz (TabStG) geregelt und in den letzten Jahren schrittweise angehoben
worden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1a TabStG). Zigaretten werden derzeit mit 9,82 Cent pro Stück plus
21,69 % des Kleinstverkaufspreises besteuert, zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer12.

Die Einnahmen aus Tabaksteuern betrugen im Jahr 2017 ca. 14,4 Mrd. € und sind im
Vergleich zum Vorjahr (14,2 Mrd. €) wieder leicht gestiegen. Diese Zunahme sei auf einen
erhöhten Absatz bei Zigaretten zurückzuführen (Kuntz et al., 2018). 2015 lagen die
Einnahmen bei 14,9 Mrd. € (Kuntz et al., 2017).

Handel mit Tabakerzeugnissen

Gegen den unerlaubten Handel mit Tabakerzeugnissen sind Packungen von
Tabakprodukten mit einem individuellen Erkennungsmerkmal (Rückverfolgbarkeit) und
einem fälschungssicheren Sicherheitsmerkmal zu versehen (Artikel 15 und 16
Tabakproduktrichtlinie 2014/40/EU). Diese sind für Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen
ab dem 20. Mai 2019 anzuwenden. Für alle anderen Tabakerzeugnisse gelten die
Regelungen ab dem 20. Mai 2024 (BMEL, 2018).

Werbung für Tabakprodukte

Mit dem Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG) gilt ein Werbeverbot für Tabak und E-Zigaretten
in der Presse und anderen gedruckten Veröffentlichungen. Verboten ist auch Werbung im
Internet, Hörfunk und Fernsehen. Zudem dürfen Tabakunternehmen keine
Hörfunkprogramme oder Veranstaltungen sponsern, die auf mehrere EU-Mitgliedsstaaten
ausgerichtet sind (z. B. Formel Eins). Darüber hinaus hat die Bundesregierung in 2016
weitere Änderungen des Tabakerzeugnisgesetzes vorgelegt: Ein Verbot der Außenwerbung
und der Kinowerbung für Tabakerzeugnisse und E-Zigaretten (Presse- und Informationsamt

11
     Das JuSchG dient dem Schutz von Kindern und Jugendlichen in der Öffentlichkeit. Im Sinne dieses Gesetzes
     sind Kinder Personen unter 14 Jahren und Jugendliche Personen zwischen 14 und 18 Jahren.
12
     Der Steuerbetrag für nikotinhaltige Erzeugnisse („Liquid-Steuer“) befindet sich noch in der Abstimmung.
PRÄVENTION

der Bundesregierung, 2016), das in der vergangenen Legislaturperiode allerdings nicht mehr
vom Parlament verabschiedet wurde. Tabakwerbung im öffentlichen Raum, sei es auf
Plakaten oder Litfaßsäulen, ist heute in allen anderen EU-Ländern verboten.

Als Mitgliedsstaat der Tabakrahmenkonvention (FCTC, siehe weiter oben) ist Deutschland
verpflichtet, die Werbeausgaben der Tabakindustrie offen zu legen. 2015 beliefen sich die
Werbeausgaben der Tabakindustrie auf insgesamt ca. 232 Mio. € (Die Drogenbeauftrage der
Bundesregierung, 2017).

Gesetzliche Regelungen zum Konsum illegaler Drogen

In Deutschland regelt das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) als zentrales gesetzliches
Instrument den staatlichen Umgang mit Drogenstraftaten. Es sieht eine Reihe von
Sanktionen vor, die je nach Schwere und Art der Straftat von Geldbußen bis zu
Freiheitsstrafen reichen. Laut BtMG sind Betäubungsmittel (illegale Drogen) jene
Substanzen, die in einer der drei Anlagen des BtMG aufgeführt sind: Anlage I: nicht
verkehrsfähige und nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel (z. B. MDMA, Heroin oder
Cannabis), Anlage II: verkehrsfähige, nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel (z. B.
Methamphetamin) und Anlage III: verkehrs- und verschreibungsfähige Betäubungsmittel
(z. B. Amphetamine, Codein, Kokain, Morphin und Opium). Seit seiner Einführung im Jahr
1971 wurde das BtMG mehrfach modifiziert und ergänzt, um den sich verändernden
Rahmenbedingungen besser gerecht werden zu können (vgl. hierzu Workbook „Rechtliche
Rahmenbedingungen“).

Mit der Androhung von Strafe (§§ 29-30a BtMG) sind die Handlungsmöglichkeiten für
verhältnispräventive Interventionen bei illegalen Drogen weitgehend ausgeschöpft.

2015 war Cannabis sowohl bei Jugendlichen als auch Erwachsenen die am häufigsten
konsumierte illegale Droge (Orth, 2016; Piontek & Kraus, 2016). Cannabis und
Cannabisprodukte sind dem BtMG unterstellt, d. h. der Anbau, Handel, Kauf und Besitz sind
strafbar (§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 3 BtMG). Beziehen sich Anbau, Kauf und Besitz von
Cannabis ausschließlich auf den Eigenverbrauch, kann von einer Strafverfolgung abgesehen
werden (§§ 29 Abs. 5; 31a BtMG). In den Bundesländern wurden hierzu Richtlinien zur
Anwendung des § 31a BtMG erlassen, mit aktuell existierenden Grenzwerten von 5 bis 15 g.
In den meisten Bundesländern handelt es sich um „Kann“-Bestimmungen. Auf der
Justizministerkonferenz im Juni 2018 wurde u. a. eine Vereinheitlichung der Cannabis-
Freimengen diskutiert.

Illegale Drogen im Straßenverkehr

Für die Verhältnisprävention nehmen das Straßenverkehrs- und das Strafrecht eine
besondere Stellung ein: Gemäß § 24a Abs. 2 StVG handelt ordnungswidrig, wer unter
Wirkung von „berauschenden Mitteln“ (Anlage StVG (zu §24a)) im Straßenverkehr ein
Fahrzeug führt und deren Substanz im Blut nachgewiesen wurde. Sanktionen reichen von
Bußgeldern, Punkten im Fahreignungsregister bis zu Fahrverboten. Wird ein positiver
Drogennachweis im Blut in Verbindung mit Fahrauffälligkeiten und Ausfallerscheinungen
12                                                                                                 PRÄVENTION

festgestellt, wird ein Strafverfahren eingeleitet. Als Sanktionen kommen Freiheits- und
Geldstrafen und der Entzug der Fahrerlaubnis in Betracht (§§ 315c, 316 StGB). Eine
erfolgreich absolvierte Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) ist Voraussetzung,
um die Fahrerlaubnis wiederzuerlangen. Dazu zählt der Nachweis über Drogenfreiheit über
ein Jahr. Nach einem Unfall unter Drogeneinfluss ist zudem mit zivil- und
versicherungsrechtlichen Folgen zu rechnen.

Im Gegensatz zu Alkohol liegen bei illegalen Drogen im Straßenverkehr keine gesetzlichen
Grenzwerte     vor.    Die    Empfehlung    der    Grenzwertkommission13    enthält  eine
Nachweisbarkeitsschwelle für Cannabis von weniger als 1 ng Tetrahydrocannabinol
(TCH)/ml Blutserum, damit die Fahrtüchtigkeit nicht akut beeinträchtigt wird. Bei anderen
illegalen Drogen gehen die Führerscheinbehörden und Gerichte im Allgemeinen davon aus,
dass sie nicht fahrfähig sind. Insofern müssen die Führerscheinbehörden nicht nachweisen,
dass jemand unter dem Einfluss eines Betäubungsmittels gefahren hat (vgl. Workbook
„Rechtliche Rahmenbedingungen“).

Das im März 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und
anderer Vorschriften (Bundestagsdrucksache 18/8965) regelt den Einsatz von
Cannabisarzneimitteln als Therapiealternative bei Patientinnen und Patienten mit
schwerwiegenden Erkrankungen. Cannabispatientinnen und -patienten dürfen grundsätzlich
am Straßenverkehr teilnehmen, sofern sie aufgrund der Medikation nicht in ihrer
Fahrtüchtigkeit eingeschränkt sind (Bundestagsdrucksache 18/11701; vgl. Workbook
„Rechtliche Rahmenbedingungen“).

Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG)

Neue psychoaktive Substanzen (NPS) werden als so genannte „Legal Highs“ irreführend
unter den Bezeichnungen Kräutermischungen oder Badesalze vertrieben und wirken in ihren
bunten Verpackungen vermeintlich harmlos. Die Zusammensetzung der Inhalte ist nicht
ausgewiesen und birgt unabsehbare gesundheitliche Risiken. Todesfälle, die auf den
Konsum von NPS und anderen illegalen Drogen zurückzuführen sind, werden regelmäßig im
Bundeslagebild des Bundeskriminalamtes veröffentlicht. Die ersten NPS wurden 2008 in der
Kräutermischung „Spice“ identifiziert und 2009 dem BtMG unterstellt. Seitdem weichen
Herstellerinnen bzw. Hersteller nach Unterstellung eines gesundheitsgefährdenden Stoffes
immer wieder auf neue, in ihrer chemischen Struktur oft nur minimal veränderte psychoaktive
Stoffe aus und umgehen das Verbot.

Dieser Vorgehensweise begegnete das im November 2016 in Kraft getretene Neue-
psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG), das neben dem Erwerb, Besitz und Handel mit NPS,
auch erstmals ganze Stoffgruppen verbietet (Pressestelle der Bundesdrogenbeauftragten

13
     Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM), der
      Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) und der Gesellschaft für Toxikologische und
      Forensische Chemie (Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie (GTFCh)), die die
      Bundesregierung berät.
PRÄVENTION

und des Bundeskriminalamtes, 2016; vgl. Workbook „Rechtliche Rahmenbedingungen“).
Auswirkungen des NpSG auf Konsumierende, das Suchthilfesystem und auf
Strafverfolgungsbehörden werden aktuell qualitativ und quantitativ evaluiert (BMG-
gefördertes Projekt von 2017 bis 2019). Zwischen November 2016 und März 2017 wurde im
Rahmen des Projektes „Phar-Mon NPS“ – einem deutschlandweiten Informationssystem
zum Missbrauch von NPS und Medikamenten – untersucht, welche Änderungen
Konsumierende durch die Einführung des NpSG erwarteten (Piontek & Hannemann, 2017)14.

1.2.2 Universelle Prävention
Universelle Präventionsaktivitäten bilden den Grundstein der suchtpräventiven Tätigkeiten in
Deutschland. Darunter subsumieren sich Programme, Projekte und Aktivitäten, die sich an
eine allgemeine Bevölkerung mit niedrigem oder durchschnittlichem Risiko, eine Sucht oder
Abhängigkeit zu entwickeln, richten. Präventive Aktivitäten erfolgen im Idealfall in der Alltags-
und Lebenswelt der Zielgruppen, dies gilt auch für universelle Präventionsmaßnahmen.
Handlungsfelder universeller Prävention sind, z. B. die Settings Schule, Freizeit, Betrieb,
Kommune, Sportvereine etc.

Neben einer Differenzierung in verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen der
universellen Prävention unterscheiden sich die Interventionen v. a. hinsichtlich ihrer
Orientierung auf spezifische Substanzen, stoffungebundene bzw. Verhaltenssüchte sowie
suchtstoffübergreifende Projekte. Suchtstoffübergreifende Interventionen dienen v. a. der
Vermittlung von Lebenskompetenzen oder der Bildung kritischer Einstellungen.

Da es viele unterschiedliche Projekte von unterschiedlichsten Trägern gibt, ist eine
erschöpfende Aufzählung kaum möglich. Um einen Einblick in die Vielfältigkeit universeller
Prävention zu geben, werden exemplarisch neue bzw. aktualisierte Projekte vorgestellt.
Ältere Projekte sind in den REITOX-Berichten der vergangenen Jahre aufgeführt.

Kindergarten

Das Programm „Papilio“ ist entwicklungspräventiv konzipiert und soll Entwicklung von
Sucht und Gewalt im späteren Kindes- und Jugendalter verhindern. Neben der Förderung
sozialemotionaler Kompetenzen und Stärkung der psychosozialen Gesundheit bei
teilnehmenden Kindern mindert „Papilio“ Risikofaktoren durch die Vermittlung von
Erziehungskompetenzen an Eltern (Hessische Landesstelle für Suchtfragen e.V., 2009).
Evaluationen zeigen, dass „Papilio“ dazu beiträgt, prosoziales Verhalten zu erhöhen und
Verhaltensauffälligkeiten zu reduzieren. Verhaltensauffällige Kinder, insbesondere solche mit
Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsproblemen, profitieren besonders. Zurückgezogene
Kinder werden besser in die Gruppe integriert und generell von anderen Kindern besser
akzeptiert. Die Kinder weisen höhere sozial-emotionale Kompetenzen (z. B.

14
     Weitere Informationen unter https://legal-high-inhaltsstoffe.de/de/phar-mon-nps.html
     [Letzter Zugriff: 12.11.2018] und im Workbook „Drogen“ (Datenjahr 2016 / 2017).
14                                                                                                         PRÄVENTION

Konfliktlösefertigkeiten) auf15. „Papilio“ ist mittlerweile der Anbieter mehrerer Programme,
u. a. „Papilio-U3“, „Papilio-3bis6“ und „Papilio-6bis9“16.

Schule

Die Lebenswelt Schule ist für universelle Präventionsmaßnahmen besonders gut geeignet.
Zum einen bietet die Schule umfassenden Zugang zur Zielgruppe Kinder und Jugendliche,
zum anderen lassen sich präventive Maßnahmen sehr gut in die Unterrichtscurricula17 und
darüber hinaus integrieren. Die Schule ist als Setting für stoffungebundene,
substanzbezogene und substanzübergreifende Präventionsaktivitäten gleichermaßen gut
geeignet.

Die Wirksamkeit suchtpräventiver Maßnahmen in der Grundschule ist intensiv untersucht
worden. Besonders Maßnahmen, die auf dem psychosozialen Ansatz aufbauen, sowie
verhaltensmodifikatorische Interventionen sind erfolgversprechend, in aller Regel unter der
Voraussetzung, dass sie durch Komponenten in außerschulischen Settings ergänzt werden,
(Bühler & Thrul, 2013). Ein früher Einstieg in den Konsum legaler Suchtmittel wirkt sich
negativ auf die psychosoziale Entwicklung aus, weshalb der Einsatz suchtpräventiver
Maßnahmen in der Grundschule besonders sinnvoll erscheint. Zudem lässt sich mit dem
frühen Einstieg in den Konsum legaler Drogen ein späterer Konsum illegaler Drogen
prognostizieren (Brook et. al., 2002; Hanna et. al., 2001; Maruska et. al., 2011; McGue et.
al., 2001). Schulbasierte Lebenskompetenzprogramme sind ein wichtiger Ansatz der
Suchtprävention in Deutschland. Resultate von 13 systematisch identifizierten
randomisierten und nicht-randomisierten Studien mit deutschsprachigen Zielgruppen aus
den Jahren 1997 bis 2014 wurden quantitativ integriert: Die Ergebnisse der Meta-Analyse
belegen eine Wirksamkeit der suchtpräventiven Lebenskompetenzprogramme mit
deutsch(sprachig)en Schülerinnen und Schülern insofern, als dass sie das Risiko für einen
frühzeitigen Konsum, der einen Risikofaktor für späteren Substanzmissbrauch darstellt,
verringern (Bühler, 2016).

Seit 2015 unterstützt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) über die BZgA die
Erhöhung der bundesweiten Reichweite des breit evaluierten Lebenskompetenzprogramms
zur Gesundheitsförderung, Sucht- und Gewaltprävention Programm „Klasse2000“ in Grund-
und Förderschulen. Das Programm begleitet Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse.
Lehrkräfte erhalten evaluierte Unterrichtsmaterialien für zehn bis zwölf „Klasse2000“-
Stunden pro Schuljahr. Ergänzend werden speziell geschulte Gesundheitsförderinnen und -
förderer eingesetzt. Seit 1991 hat „Klasse2000“ insgesamt über 1,4 Millionen Kinder erreicht
und ist damit das in Deutschland am weitesten verbreitete Unterrichtsprogramm zur
Gesundheitsförderung, Sucht- und Gewaltvorbeugung in der Grundschule. Seit 2015 wurde

15
     http://www.gruene-liste-praevention.de/nano.cms/datenbank/programm/35 [Letzter Zugriff: 24.05.2018].
16
     Weitere Informationen und Jahresberichte unter http://www.papilio.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
17
     Richtlinien und Lehrpläne der Kultusministerien der Länder machen Suchtprävention zum verbindlichen
     Thema des Unterrichts (siehe dazu 1.1.4).
PRÄVENTION

die Reichweite erhöht: Im Schuljahr 2015/2016 wurden insgesamt 5.168 neue erste Klassen
ins Programm aufgenommen. Im Schuljahr 2016/2017 sind die Klassen in der zweiten
Jahrgangsstufe und die Zahl hat sich auf 5.322 Klassen erhöht. Deutschlandweit nahmen in
diesem Schuljahr 20.255 Klassen mit etwa 458.000 Kindern aus über 3.700 Schulen teil.
2017/2018 waren es bundesweit 21.223 Klassen (+4,8 %) aus etwa 3.770 Schulen (+1,1 %)
mit etwa 480.740 Kindern, die erreicht wurden (+5 %). Die Wirksamkeit des Programms ist
durch mehrere Studien belegt worden (z. B. Isensee et al., 2015; Kolip & Greif, 2016).
Positive Wirkung haben sich v. a. in den Bereichen Ernährungs- und Bewegungsverhalten
sowie Rauchen und Alkoholkonsum gezeigt. 2016 bis 2019 wird eine Evaluationsstudie zu
Lang- und Kurzzeiteffekten durch das Kriminologische Forschungsinstitut in Niedersachsen
durchgeführt; Ergebnisse werden 2019 erwartet.

Das      Grundschulinterventionsprogramm                 „KLASSE         KLASSE“        wird   ganzheitlich   in
spielerischer Form im schulischen Rahmen umgesetzt und umfasst die Themenbereiche
Sucht- und Gewaltprävention sowie Bewegungsförderung und Ernährungsbildung.
Psychosoziale Gesundheit wird als Grundlage verstanden, auf der alle anderen Fähigkeiten
aufgebaut werden können und bildet damit einen Schwerpunkt des Programms. „KLASSE
KLASSE“ ist ein Teilprogramm des ganzheitlichen Präventionsprogrammes „KIKS UP“ aus
Bad Nauheim (Hessen). Es wurde 2016 über die Universität Gießen evaluiert (noch nicht
umfassend veröffentlicht) und 2017 in die Grüne Liste Prävention aufgenommen18.

„1000 Schätze – Gesundheit und Suchtprävention in der Grundschule“ ist ein
Programm zur Stärkung der psychosozialen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern der
ersten Klasse. Es stellt die Ressourcen und Stärken der Erstklässler in den Vordergrund und
fördert ihre Lebenskompetenzen, Bewegung und Achtsamkeit. Das modular aufgebaute
Programm basiert auf dem Lebenskompetenzansatz und der Sozialen Lerntheorie und
berücksichtigt die Ebenen Schülerinnen bzw. Schüler, Eltern, Lehrkräfte und Schule. An der
Pilotphase im Schuljahr 2017/2018 nahmen 13 Schulen aus 7 Regionen in Niedersachsen
teil. Sie wurden von acht ausgebildeten „1000 Schätze“-Trainerinnen betreut. Die
Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen setzt das Programm zusammen mit dem
Netzwerk der Fachkräfte für Suchtprävention modellhaft in Niedersachsen um19.

Ungefähr jede zehnte Intervention an Schulen verfolgt den Ansatz der Peer-Education
(Dokumentationssystem Dot.sys). Peer-Education-Ansätze basieren auf der Annahme, dass
Gleichaltrige (Peers) günstigere Voraussetzungen zur Initiierung von Lernprozessen
schaffen können, als Lehr- oder Beratungsfachkräfte. Dies liegt u. a. in der größeren
sozialen Nähe Gleichaltriger, den gemeinsamen Sprachcodes und der größeren Authentizität
begründet (Backes & Schönbach, 2002). Im Rahmen von Lebenskompetenzprogrammen in

18
     http://www.gruene-liste-praevention.de/nano.cms/datenbank/programm/110 [Letzter Zugriff: 20.07.2018].
     Weitere Informationen unter https://www.kiksup.de/klasse-klasse [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
19
     Weitere Informationen unter https://nls-online.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
16                                                                                                       PRÄVENTION

der Cannabisprävention ist der Einsatz von Peers erfolgversprechender als die Vermittlung
durch Lehrkräfte (Bühler & Thrul, 2013).

Ein solches Peer-Projekt ist z. B. das medienbasierte Konzept „REBOUND – meine
Entscheidung“ für junge Menschen von 14 bis 25 Jahren und ihre Begleiterinnen und
Begleiter. „REBOUND“ ist ein flexibler und zugleich strukturierter Kurs für junge Menschen
von 14 bis 25 Jahren, in dem es um deren Stärken und die der eigenen Bezugsgruppe geht.
Das Lebenskompetenz- und Suchtpräventionsprogramm wird in Schulen oder
Jugendeinrichtungen durchgeführt und von weitergebildeten Fachkräften (Lehrerinnen und
Lehrern, Sozialpädagoginnen und -pädagogen) unterrichtet (Jungaberle & Nagy, 2015). Im
Rahmen einer wissenschaftlichen Bestandsaufnahme (Hoch et al., 2017) wurde untersucht,
welche schulischen Präventionsprogramme speziell zum Thema „Cannabis“ entwickelt und
evaluiert wurden und ob diese Maßnahmen positive, unerwünschte oder keine Effekte
zeigen. Deutschland- und EU-weit konnten vier schulische Cannabis-Programme mit
nachgewiesener Evidenz identifiziert werden – darunter „REBOUND“. Das Projekt berichtete
neben verschiedenen positiven Effekten auch Hinweise auf eine potentiell unerwünschte
Wirkung: Bei Nicht-Konsumierenden sank die Risikowahrnehmung von Cannabis und Tabak
im Verlauf des Projekts. Dieses Phänomen könne unter Umständen dadurch entstanden
sein, dass die konsumunerfahrenen Teilnehmenden zu Projektbeginn eine besonders hohe
Risikowahrnehmung der Substanzen hatte, die durch das Projekt relativiert wurde (Hoch et
al., 2017)20.

„Prev@SCHOOL“ ist seit 2016 ein ganzheitlich orientiertes Suchtpräventionsprogramm für
Berliner Schulen / Bildungsträger und spricht sowohl Schülerinnen und Schüler, deren
Erziehungsberechtigte, als auch Lehrkräfte und Fachkräfte der Schulsozialarbeit an.
Schulen, Lehrkräfte und Eltern erhalten ein bedarfs- und passgenaues Angebot zum Thema
Cannabis und zu anderen illegalen Substanzen. 2017 wurden etwa 350 Schülerinnen und
Schüler aus berufsqualifizierenden Lehrgang-Klassen, Klassen aus Oberstufenzentren,
Sekundarschulen und Gymnasien erreicht. Das Projekt wird intern evaluiert und ergab eine
Zufriedenheit von 83 % bei den Schülerinnen und Schülern21.

Ausbildung und Hochschule

„Prev@WORK“ ist ein Programm, das Suchtprävention als einen festen Bestandteil in die
Ausbildung integriert. Auszubildende werden in ihrem Lebensalltag erreicht und zu
Suchtgefahren und Konsumrisiken psychoaktiver Substanzen aufgeklärt. Das Konzept ist für
die Durchführung von Suchtprävention in der Berufsausbildung in unterschiedlichen Settings
sehr gut geeignet (BMG, 2016 a). Durch eine Qualitätskonferenz wurde das Programm
weiter verbessert und eine nachhaltige Implementierung von Suchtprävention in der
Ausbildung im betrieblichen Gesundheitsmanagement erreicht. Bislang wurden knapp 300

20
     Weitere Informationen unter http://my-rebound.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
21
     Weitere Informationen unter https://www.berlin-suchtpraevention.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
PRÄVENTION

Fachkräfte zu „Prev@WORK“-trainerinnen und -trainern ausgebildet. Seit dem
Programmstart in 2008 wurden bundesweit 300 Seminare durchgeführt und insgesamt rund
3.800 Auszubildende erreicht22.

Das Projekt „Suchtprävention und Gesundheitsförderung in der Ausbildung“, das
aktuell vom Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) durchgeführt und bis
2018 vom BMG gefördert wird, untersucht die Verbreitung, Inanspruchnahme und den
Einfluss von Präventions- und Gesundheitsfördermaßnahmen in Berufsschulen und
Berufsfachschulen. Das Vorhaben knüpfte an eine Befragung von 5.688 Auszubildenden an,
die das IFT-Nord im Auftrag des BMG zwischen 2012 und 2014 in sieben Bundesländern
durchgeführt hat (z. B. Montag, Hanewinkel & Morgenstern, 2015). Ermittelt werden sollte,
wie groß der Anteil an Auszubildenden ist, die an einer Maßnahme teilgenommen haben und
ob sich der Substanzkonsum verändert hat. Zudem sollte erstmalig ein Überblick erstellt
werden, welche konkreten Maßnahmen in den einzelnen Befragungsregionen angeboten
und umgesetzt werden. An der in 2017/2018 durchgeführten Studie nahmen insgesamt 343
berufliche Schulen aus Deutschland teil. Detaillierte Ergebnisse werden Ende 2018/Anfang
2019 veröffentlicht23.

Während die Präventionsarbeit an Schulen auf eine langjährige Erfahrung zurückblicken
kann, finden Gesundheitsförderung und Prävention an Hochschulen weniger oft statt. Im
Rahmen der BMG-Förderlinie „Prävention von riskantem Substanzkonsum unter
Studierenden“ wurden in den vergangenen Jahren unterschiedliche Ansätze der web-
basierten Prävention bezüglich missbräuchlichen Substanzkonsums für Studierende
entwickelt, durchgeführt und wissenschaftlich evaluiert. Aufbauend auf den
Studienergebnissen des HISBUS-Panels („Formen der Stresskompensation und
Leistungssteigerung bei Studierenden“) des Deutschen Zentrums für Hochschul- und
Wissenschaftsforschung GmbH (DZHW) Hannover, wurden durch das BMG seit 2013 drei
Modellprojekte gefördert, in denen neue Ansätze der Präventionsarbeit bei Studierenden
entwickelt und die Wirksamkeit der im Rahmen der Projekte entwickelten Maßnahmen durch
eine wissenschaftliche Evaluation belegt wurden. Dazu zählen:

    „Prävention von riskantem Substanzkonsum unter Studierenden“ (Delphi, Berlin);
     Vermittlung von Informationen, Reflexion des eigenen Konsumverhaltens durch
     Selbsttests und Anregungen zur Verhaltensänderung auf der umfangreichen Website
     www.dein-masterplan.de;

    „Onlineprävention substanzbezogener Störungen bei Studierenden (eCHUG-D)“
     (Hochschule Esslingen); Prävention von riskantem Alkoholkonsum bei Studierenden im
     Setting Hochschule (das US-amerikanische Online-Präventionsprogramm „eCHECKUP
     to GO“ wurde adaptiert und um eine Peer-Beratung ergänzt) und

22
     Weitere Informationen unter https://prevatwork.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
23
     Weitere Informationen unter https://www.ift-nord.de/ [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
18                                                                                               PRÄVENTION

    „Internetbasierte Soziale Normen Intervention zur Prävention von Substanzkonsum bei
     Studierenden (INSIST)“ (BIPS, Bremen); Entwicklung einer „Soziale Normen“-
     Intervention, die den Substanzkonsum von Studierenden reduzieren soll. Die
     Wirksamkeit des Ansatzes wurde durch eine Cluster-randomisierte Studie an acht
     Hochschulen untersucht: Insbesondere der Alkohol- und der Cannabiskonsum bei
     Studierenden waren nach der Intervention rückläufig (BMG, 2016b).

Mit dem Nachfolgeprojekt „DIOS – Dissemination und nachhaltige Implementierung von
(Online-) Präventionsmaßnahmen für missbräuchlichen Substanzkonsum bei
Studierenden“ sollen diese Maßnahmen nachhaltig an Hochschulen verankert werden. Im
Rahmen von „DIOS“ wurden 40 qualitative Interviews an zehn Hochschulen geführt, eine
Implementierungsstrategie entwickelt und an den Hochschulen erprobt. Die im
Abschlussbericht 2018 veröffentlichten Ergebnisse zeigen u. a., dass die
Implementierungsbereitschaft in Bezug auf Maßnahmen zur Prävention von riskantem
Substanzkonsum bei Studierenden bei den partizipierenden Hochschulen überwiegend im
niedrigen Bereich (vages Problembewusstsein) lag. Den Hochschulen wurde auf dieser
Basis ein jeweils individuelles Feedback zur jeweiligen Bereitschaft sowie zu möglichen
Implementierungsschritten gegeben. Zudem wurde ein Handbuch veröffentlicht, welches die
DIOS-Präventionsangebote und deren Implementierung beschreibt. Sowohl das Handbuch
als auch das Feedback zur Implementierungsbereitschaft wurde von der Mehrheit der
Hochschulen als hilfreich bis sehr hilfreich für den Implementierungsprozess bewertet. Das
BMG-geförderte Projekt wurde von 2016 bis 2017 von der Hochschule Esslingen, dem
Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie, Bremen und Delphi, Berlin
durchgeführt24.

Fahrschule

Das „PEER-Projekt an Fahrschulen“ klärt über die Gefahren von Alkohol- und
Drogenkonsum in Verbindung mit motorisierter Teilnahme am Straßenverkehr auf. Dazu
werden junge Menschen, die selbst zur Gruppe der jungen Fahrenden gehören, in
Grundlagenseminaren von Fachkräften zu Peers ausgebildet. Das Angebot richtet sich in
Form einer von den Peers geleiteten Kurzintervention (Vorträge, Diskussionen) direkt an die
Zielgruppe der Fahrschülerinnen und Fahrschüler. Die Ergebnisse der begleitenden
Evaluation belegen den Erfolg dieses Ansatzes insbesondere durch die Tatsache, dass die
Zielgruppe mit den Inhalten (Unvereinbarkeit von Drogenkonsum und Führen eines
Kraftfahrzeugs) und durch die Methoden (Gespräche mit den Peers) erreicht wird: Seit dem
Jahr 2000 erreichen jährlich mehr als 120 Peers in etwa 1.000 Vortragseinsätzen über
10.000 Fahrschülerinnen und Fahrschüler bundesweit. Seit 2014 existiert mit der
Interessensgemeinschaft „Peer-Projekt an Fahrschulen“ ein Zusammenschluss der
jeweiligen Koordinationskräfte in den Bundesländern und der dortigen Standorte. Mittlerweile

24
     Weitere Informationen unter www.bundesgesundheitsministerium.de und https://dios.bips.eu/
     [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
PRÄVENTION

tauschen sich in diesem Gremium Vertretende aus acht Bundesländern aus (LWL-
Koordinierungsstelle Sucht, 2018)25.

Das Programm „Aktion junge Fahrer“ richtet sich an die Zielgruppe der jungen
Fahranfängerinnen und Fahranfänger. Die im Rahmen des Programms durchgeführten
Veranstaltungen sollen Jugendliche und junge Erwachsene zu den Gefahren im
Straßenverkehr sensibilisieren und zur Selbstreflexion anregen. 2016 wurde das Programm
evaluiert; die aus den Ergebnissen abgeleiteten Optimierungsvorschläge führten zur
Aufnahme des Projektbausteins „Drogen“ (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung,
2017). Das Programm ist eine Initiative der Deutschen Verkehrswacht und wird unterstützt
vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Aktionstage „Junge
Fahrer“ werden u. a. in Diskotheken, öffentlich zugänglichen Orten in Schulnähe oder
öffentlichen Schulveranstaltungen der Sekundarstufe II durchgeführt26.

Sektorenübergreifend

Das EU-Forschungsprojekts „UPC Adapt“ (Universal Prevention Curriculum) sieht die
Anpassungen und Einführung des in den USA entwickelten Curriculums in neun EU-
Mitgliedsstaaten vor. „UPC Adapt“ basiert auf den internationalen Standards zur
Suchtprävention der UNODC (United Nations Office on Drugs and Crime) und vereint
aktuelles Wissen zur Suchtprävention. Das FINDER Institut für Präventionsforschung und
der Landespräventionsrat Niedersachsen bilden die deutsche Projektbeteiligung an „UPC-
Adapt“. Vorgesehen ist, dass das im Rahmen des Projektes verfügbare „Basiswissen
Prävention“ in Deutschland zur Grundlage von Projekt- und Förderentscheidungen im
Bereich Suchtprävention wird. 2017 wurden Fokusgruppen mit Expertinnen und Experten
veranstaltet, um die Inhalte vorzustellen und Feedback für die Adaption im europäischen
Kontext zu erhalten. Anfang 2018 wurden Pilottrainings abgehalten, um diese zu testen27.

Ziel des neuen Verbundprojektes „IMAC-Mind“ („Improving Mental Health and Reducing
Addiction in Childhood and Adolescence through Mindfulness: Mechanisms, Prevention and
Treatment“) ist es, Risikofaktoren für die Entstehung von Suchterkrankungen zu identifizieren
und diagnostische Verfahren zu verbessern. In verschiedenen Teilprojekten werden u. a.
speziell für Kinder und Jugendliche geeignete Präventionsprogramme entwickelt, die
Wirksamkeit der Prävention in verschiedenen Entwicklungsstadien untersucht und günstige
Entwicklungsbedingungen für das Kind bereits vor der Geburt geschaffen (z. B. Erprobung
einer Smartphone-App für schwangere Frauen, die Stress, Alkohol und Rauchen während
der Schwangerschaft verhindern soll). Das Verbundprojekt wird vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der „Förderinitiative Gesund – ein Leben lang“
seit Dezember 2017 für vier Jahre gefördert und in unterschiedlichen Institutionen an sieben

25
     Weitere Informationen unter http://www.peer-projekt.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
26
     Weitere Informationen unter https://www.deutsche-verkehrswacht.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
27
     Weitere Informationen unter http://upc-adapt.eu/project/ [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
Sie können auch lesen