Prävention Workbook Prävention - DEUTSCHLAND - DBDD
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Prävention Workbook Prävention DEUTSCHLAND Bericht 2018 des nationalen REITOX-Knotenpunkts an die EMCDDA (Datenjahr 2017 / 2018) Maria Friedrich, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Gabriele Bartsch, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V.(DHS) Esther Dammer, Franziska Schneider & Tim Pfeiffer-Gerschel, IFT Institut für Therapieforschung
PRÄVENTION 1 INHALT 0 ZUSAMMENFASSUNG .............................................................................................. 3 1 NATIONALES PROFIL............................................................................................... 4 1.1 Strategie und Struktur ................................................................................................. 4 1.1.1 Hauptziele von Prävention .......................................................................................... 4 1.1.2 Organisationsstruktur .................................................................................................. 4 1.1.3 Kommentar zur Förderung .......................................................................................... 6 1.1.4 Nationaler Aktionsplan für Drogenprävention in Schulen ............................................. 6 1.2 Präventionsmaßnahmen ............................................................................................. 6 1.2.1 Verhältnisprävention ................................................................................................... 6 1.2.2 Universelle Prävention .............................................................................................. 13 1.2.3 Selektive Prävention ................................................................................................. 27 1.2.4 Indizierte Prävention ................................................................................................. 41 1.2.5 Zusatzinformationen.................................................................................................. 44 1.3 Qualitätssicherung der Präventionsmaßnahmen ....................................................... 44 1.3.1 Standards, Guidelines und Ziele ............................................................................... 44 2 TRENDS ................................................................................................................... 45 2.1 Veränderungen bei Präventionsmaßnahmen ............................................................ 45 3 NEUE ENTWICKLUNGEN ....................................................................................... 52 3.1 Neue Entwicklungen ................................................................................................. 52 4 ZUSATZINFORMATIONEN ...................................................................................... 55 4.1 Zusätzliche Informationsquellen ................................................................................ 55 4.2 Weitere Aspekte........................................................................................................ 55 5 QUELLEN UND METHODIK .................................................................................... 55 5.1 Quellen ..................................................................................................................... 55
2 PRÄVENTION 6 ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................................. 60 7 TABELLENVERZEICHNIS ....................................................................................... 60
PRÄVENTION 0 ZUSAMMENFASSUNG Neben Behandlung, Überlebenshilfe und repressiven Maßnahmen ist Suchtprävention eine der vier Säulen einer ganzheitlichen Sucht- und Drogenpolitik in Deutschland. Maßnahmen der Suchtprävention fallen in die Zuständigkeit der Ministerien auf Bundes- und Landesebene und werden insbesondere durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die Länder, auf kommunaler Ebene und durch die Selbstverwaltungen der Versicherungsträger wahrgenommen. Struktur und Strategie der Suchtprävention in Deutschland sowie die Rolle der einzelnen Institutionen werden im ersten Kapitel dargestellt. Maßnahmen der Verhältnisprävention umfassen bei legalen Drogen wie Alkohol und Tabak insbesondere Verkaufs- und Werbebeschränkungen sowie Preiserhöhungen. Bei illegalen Drogen greifen gesetzliche Regelungen wie das Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Im Abschnitt zur Verhaltensprävention wird anhand von Beispielen aus den Jahren 2017 und 2018 die Vielfalt neuer und aktualisierter suchtpräventiver Aktivitäten in den Kategorien universelle, selektive und indizierte Prävention in unterschiedlichen Settings veranschaulicht. Dazu zählen Projekte auf kommunaler, Landes- und Bundesebene sowie neue und aktualisierte Materialien und Medien. Verschiedene Instrumente zur Qualitätssicherung suchtpräventiver Maßnahmen werden nachfolgend dargestellt. Seit 2006 erfasst das Dokumentationssystem Dot.sys jährlich rund 33.000 suchtpräventive Maßnahmen. Da für das Datenjahr 2017 auf Grund einer technischen Überarbeitung keine Daten zur Verfügung stehen, werden die Daten aus 2016 verkürzt abgebildet. Im Rahmen des seit 2015 in Kraft getretenen Präventionsgesetzes wurden u. a. die Nationale Präventionskonferenz konstituiert, Bundesrahmenempfehlungen verabschiedet und Landesrahmenvereinbarungen beschlossen. Von Bedeutung ist, dass das Präventionsgesetz mit dem nationalen Gesundheitszieleprozess verknüpft ist und sich zwei der neun Gesundheitsziele der Suchtprävention widmen: „Alkoholkonsum reduzieren“ und „Tabakkonsum reduzieren“.
4 PRÄVENTION 1 NATIONALES PROFIL 1.1 Strategie und Struktur 1.1.1 Hauptziele von Prävention Vorrangiges Ziel der Suchtprävention ist es, die Gesundheit jedes Einzelnen zu fördern. Dazu zählen die Vermeidung bzw. das Hinauszögern des Einstiegs in den Konsum legaler und illegaler Drogen, die Früherkennung und -intervention bei riskantem Konsumverhalten sowie die Verringerung von Missbrauch und Sucht. Prävention ist neben Suchtbehandlung, Überlebenshilfe und repressiven Maßnahmen zentraler Bestandteil einer umfassenden Sucht- und Drogenpolitik in der Bundesrepublik (vgl. 1.1.2). Durch Suchtmittelmissbrauch und -abhängigkeit entstehen neben schwerwiegenden psychischen und körperlichen Schäden bei den Betroffenen auch enorme volkswirtschaftliche Kosten. Moderne Suchtprävention erreicht Zielgruppen systematisch in ihren Lebenswelten und ist bestrebt, eine gesundheitsförderliche Veränderung von Wissen, Einstellungen und Verhaltensweisen zu bewirken. Dabei wird vorrangig ein salutogenetischer Ansatz im Sinne einer Ressourcenstärkung, also Lebenskompetenz- und Risikokompetenzstärkung, verfolgt. Der Stellenwert der Suchtprävention zeigt sich darin, dass die Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik1 (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 2012) mit ihren konkreten Maßnahmen und Zielvorgaben im Bereich der Suchtprävention in eine übergreifende Präventionsstrategie eingebettet werden soll. 1.1.2 Organisationsstruktur Die Zuständigkeit für die Umsetzung der Nationalen Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik liegt, neben den jeweiligen Bundesministerien, bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), den Bundesländern, den Kommunen sowie den Sozialversicherungsträgern. Insofern Maßnahmen der Suchtprävention in die Bereiche Gesundheit, Sozialversicherung, Bildung und Jugend fallen, unterliegen sie der konkurrierenden Gesetzgebung. Die Länder haben nur dann Befugnis zur Gesetzgebung, soweit der Bund nicht von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch macht (Art. 72 GG). Suchtpräventive Angebote werden überwiegend von den Ländern, den Sozialversicherungsträgern und den Kommunen finanziert. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erbringt im Rahmen der Primärprävention und Gesundheitsförderung (§ 20-20b SGB V) Leistungen zur Verhinderung von Suchtmittelabhängigkeit und möglichen Folgeerkrankungen des Suchtmittelkonsums. Die Leistungen der Krankenkassen zielen über die suchtpräventiven Aspekte hinaus auch auf die Förderung eines gesundheitsgerechten Lebensstils in allen Altersgruppen. Inhalte und Qualitätskriterien der Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen hat der GKV- 1 Weitere Informationen zur Nationalen Drogen- und Suchtstrategie im Workbook „Drogenpolitik“.
PRÄVENTION Spitzenverband für Krankenkassen und Leistungserbringer verbindlich in seinem „Leitfaden Prävention“ festgelegt. Seit 1992 koordiniert die BZgA den BZgA-Länder-Kooperationskreis Suchtprävention. Aufgabe des zweimal jährlich tagenden Gremiums ist die Optimierung der Vernetzung der Akteurinnen und Akteure auf Landes- und Bundesebene sowie die Koordinierung von bundes- und landesweiten Maßnahmen der Suchtprävention. Vertreten sind Fachkräfte aus den Landeskoordinierungsstellen für Suchtprävention sowie zum Teil auch Angehörige der entsprechenden Landesministerien. Bei den Koordinierungs- bzw. Fachstellen der Länder handelt es sich in der Regel um eingetragene Vereine in freier Trägerschaft, die mit Landesmitteln gefördert werden. Als zivilgesellschaftliche Vertretung sowie Interessenvertretung der Suchthilfe auf Bundesebene nimmt auch die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) an den Sitzungen teil. Die DHS ist ebenfalls ein eingetragener Verein mit gemeinnützigen Zielen. Etwa im Turnus von zwei Jahren organisiert eines der 16 vertretenen Länder im Kooperationskreis Suchtprävention eine von der BZgA geförderte Fachtagung zum Thema Qualitätssicherung in der Suchtprävention. Die zweitägige Fachkonferenz dient dem Austausch von Forschungs- und Praxiswissen durch Plenarvorträge und Workshops und hat zum Ziel, Fachkräfte vor Ort mit den aktuell in der Suchtprävention eingesetzten Instrumenten der Qualitätssicherung vertraut zu machen, sodass die praktische Nutzung dieser Instrumente auf regionaler und kommunaler Ebene gefördert wird. Zielgruppe der Fachtagung zur Qualitätssicherung sind daher vorrangig die den Landesstellen zugeordneten Fachkräfte der Suchtprävention aus den Kommunen (vgl. 1.3.1). Seit 1998 ist dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) das Amt der Drogenbeauftragten der Bundesregierung mit Geschäftsstelle zugeordnet. Die Drogenbeauftragte leitet den Drogen- und Suchtrat, der die strategischen Grundlagen der aktuellen Drogen- und Suchtpolitik der Bundesregierung mitentwickelt und Empfehlungen verabschiedet. Dem Gremium gehören Vertreterinnen und Vertreter aus Bundes- und Landesverwaltungen, den kommunalen Spitzenverbänden sowie weitere von der Drogenbeauftragten bestellte Mitglieder an. In einem jährlich erscheinenden „Drogen- und Suchtbericht“ informiert die Drogenbeauftragte über aktuelle Entwicklungen und Projekte. 2017 lag der Jahresschwerpunkt der Drogenbeauftragten auf dem Thema „Kinder aus suchtbelasteten Familien“ (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 2017). In den Bundesländern und in den Kommunen existieren eine Reihe weiterer Strukturen für die fachliche Zusammenarbeit zwischen Ministerien, Kommunen, Verbänden und Vereinen im Bereich Suchtprävention. Damit wird dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung getragen und eine breite Streuung präventiver Maßnahmen auf allen föderalen Ebenen gewährleistet. Auf allen Ebenen findet darüber hinaus auch internationale Zusammenarbeit statt, vorwiegend in Gestalt von Projekten innerhalb der Europäischen Union (EU).
6 PRÄVENTION 1.1.3 Kommentar zur Förderung 1.1.4 Nationaler Aktionsplan für Drogenprävention in Schulen Die Bildungspolitik ist in Deutschland Aufgabe der Länder. Dies betrifft sowohl das Schul- als auch das Hochschulwesen. Aus diesem Grund unterscheiden sich die Schulsysteme teilweise stark in den Bundesländern, wie z. B. durch die Anzahl der Schuljahre oder verschiedene Lehrpläne. In regelmäßigen Sitzungen der Kultusministerkonferenz2 koordinieren die Bundesländer ihre gemeinsamen Interessen in diesem Bereich. Durch die föderale Struktur in Deutschland existiert kein Nationaler Aktionsplan für Drogenprävention in Schulen. Jedoch hat die Kultusministerkonferenz im Jahr 2012 die Empfehlung zur Gesundheitsförderung und Prävention in der Schule (KMK, 2012) erlassen. Darin heißt es: „Suchtprävention stellt ein besonders bedeutsames Thema von Gesundheitsförderung und Prävention dar. Es gilt, den Beginn von Suchtmittelkonsum und anderer suchtriskanter Verhaltensweisen zu verhindern sowie riskante Konsum- und Verhaltensweisen frühzeitig zu erkennen und zu reduzieren, insbesondere durch frühzeitige Intervention und lebenskompetenzfördernde Maßnahmen“. Durch Richtlinien und Lehrpläne (Curricula) machen die Kultusministerien der Länder Suchtprävention seit Jahren zum verbindlichen Thema des Unterrichts. Beispielhaft ist hier das Landesprogramm „Gute gesunde Schule“3 zu nennen, das derzeit in vier Bundesländern durchgeführt wird. 1.2 Präventionsmaßnahmen 1.2.1 Verhältnisprävention Individuelle Konsumentscheidungen werden durch sozial-ökologische Faktoren beeinflusst. Verhältnispräventive Interventionen zielen darauf ab, diese kulturellen, sozialen, physischen und ökonomischen Bedingungen zu verändern. Durch Beschränkung der Verfügbarkeit von Konsumgelegenheiten soll Einfluss auf das Konsumverhalten der oder des Einzelnen genommen werden. Da Verhältnisprävention v. a. bei legalen Drogen von Bedeutung ist, werden die wichtigsten Regelungen zum Konsum von Alkohol und Tabak dargestellt. Nachfolgend werden einige gesetzliche Regelungen zum Konsum illegaler Drogen abgebildet. 2 Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Kultusministerkonferenz) ist ein Zusammenschluss der für Bildung und Erziehung, Hochschulen und Forschung sowie kulturellen Angelegenheiten zuständigen Ministerinnen und Minister bzw. Senatorinnen und Senatoren der Länder. 3 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Gute gesunde Schule [Online] https://www.bzga.de/bot_Seite4427.html [Letzter Zugriff: 31.10.2018].
PRÄVENTION Gesetzliche Regelungen zum Alkoholkonsum Bezogen auf Krankheiten, gesundheitsökonomische Kosten und frühzeitigen Tod stellt hoher Alkoholkonsum einen der bedeutsamsten vermeidbaren Risikofaktoren dar (Batra et al., 2016). Direkte und indirekte4 volkswirtschaftliche Kosten in Deutschland, die mit hohem Alkoholkonsum verbunden sind, belaufen sich auf geschätzte 40 Mrd. € (Effertz, 2015 a). Nennenswerte verhältnispräventive Maßnahmen, die zum Ziel haben, den Konsum von Alkohol zu reduzieren, sind z. B. Verkaufs- und Werbebeschränkungen sowie Preiserhöhungen (John et al., 2017; DKFZ, 2017). Als Maßnahmen haben sich u. a. Jugendschutz, Steuererhöhungen, örtliche und zeitliche Regelungen zur Verfügbarkeit von Alkohol sowie Regeln zu Alkohol im Straßenverkehr bewährt (John et al., 2018). Jugendschutzgesetz Das Jugendschutzgesetz (JuSchG)5 befasst sich mit dem Thema „Alkohol“ in § 9 „Alkoholische Getränke“. Die Abgabe von jeder Art Alkohol an unter 16-Jährige ist in Deutschland verboten und liegt damit unter dem EU-Durchschnitt von 17,4 Jahren. Das gesetzliche Mindestalter für den Kauf von Bier, Wein oder Sekt liegt bei 16 Jahren. Spirituosen dürfen erst ab einem Alter von 18 Jahren gekauft werden (Gaertner et al., 2015). Alkoholsteuer In Deutschland bestimmt die Art des alkoholischen Getränks über die Höhe der jeweiligen Besteuerung. Die verschiedenen Arten alkoholischer Getränke werden unterschiedlich besteuert. Abgesehen von der Einführung der Alkopopsteuer gab es seit 1982 keine wesentlichen Steuererhöhungen (DKFZ, 2017). Derzeit werden Biere mit 1,97 €, Branntweine/Spirituosen mit 13,03 €, Schaumweine mit 13,60 € und Alkopops mit 55,50 € je Liter Reinalkohol besteuert. Auf Weine wird keine Steuer erhoben (Rummel et al., 2017 nach Bundesministerium der Finanzen 2016)6. Nahezu unverändert zu den Vorjahren, betrugen die Einnahmen aus Alkoholsteuern in Deutschland im Jahr 2016 rund 3,2 Mrd. €. Damit lagen sie wie im Vorjahr unter dem EU- Durchschnitt, der in den letzten Jahren gestiegen ist (Gaertner et al., 2015). Alkohol im Straßenverkehr Geregelt sind die gesetzlichen Bestimmungen im Straßenverkehrsgesetz (StVG) und im Strafgesetzbuch (StGB). 4 Bei den indirekten Kosten ist der größte Ressourcenverlust auf die vorzeitige Mortalität der jährlich 50.000 an alkoholbezogenen Krankheiten Versterbenden zurückzuführen (Adams & Effertz, 2011). 5 Das JuSchG dient dem Schutz von Kindern und Jugendlichen in der Öffentlichkeit. Im Sinne dieses Gesetzes sind Kinder Personen unter 14 Jahren und Jugendliche Personen zwischen 14 und 18 Jahren. 6 Einen detaillierten Überblick zur Höhe der Alkoholsteuern in Deutschland nach Steuerart bietet der Alkoholatlas 2017 des Deutschen Krebsforschungszentrums (DZKF, 2017).
8 PRÄVENTION Für das Führen von Fahrzeugen gilt seit 2011 die Obergrenze von 0,5 Promille Blutalkoholkonzentration (BAK), die damit an den europäischen Standard angeglichen wurde (DHS, 2017). Sofern keine Anzeichen für eine Fahrunsicherheit vorliegen, handelt es sich bei einer BAK zwischen 0,5 und 1,09 Promille um eine Ordnungswidrigkeit (§ 24a StVG). Hier ist u. a. mit Geldbußen, einem Fahrverbot oder Punkten im Fahreignungsregister zu rechnen. Für Fahranfängerinnen und Fahranfänger gilt ein absolutes Alkoholverbot in der zweijährigen Probezeit oder wenn das 21. Lebensjahr noch nicht erreicht wurde (§ 24c StVG). Bei einer BAK zwischen 0,3 und 1,1 Promille mit alkoholbedingten Ausfallerscheinungen liegt eine relative Fahruntüchtigkeit vor (Straftat gemäß § 316 StGB). Wird eine BAK unter 0,3 Promille festgestellt, liegt eine relative Fahruntüchtigkeit nur bei Auftreten von außergewöhnlichen Umständen vor. Ab einer BAK von 1,1 Promille wird – unabhängig von Anzeichen für eine Fahrunsicherheit – eine absolute Fahruntüchtigkeit angenommen (§ 315c StGB). In beiden Fällen ist mit Rechtsfolgen zu rechnen, wie z. B. Freiheits- oder Geldstrafe, Fahrerlaubnisentzug oder einer Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU). Radfahrende gelten ab einer BAK von 1,6 Promille als „absolut fahruntüchtig“ (DHS 2017) – der Entzug der Fahrerlaubnis und eine MPU können angeordnet werden. Die Fahrerlaubnis kann im Einzelfall selbst einer alkoholisierten Fußgängerin oder einem alkoholisierten Fußgänger, welche bzw. welcher einen Unfall verursacht hat, entzogen werden. Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit Regelungen zum Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit werden je nach Bedarf von den Bundesländern oder der Kommune getroffen7. So gibt es Alkoholkonsumverbote im öffentlichen Personennahverkehr (wie etwa in Hamburg, Köln und München) oder auf bestimmten Plätzen im innerstädtischen Raum (z. B. in Herne, Duisburg und Gelsenkirchen). Gesetzliche Regelungen zum Tabakkonsum Tabakkonsum stellt in Deutschland die führende Ursache frühzeitiger Sterblichkeit dar. Schätzungsweise 110.000 bis 140.000 Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen des Rauchens (BMEL, 2017). Die direkten tabakbedingten Kosten für das Gesundheitssystem wurden im Zeitraum 2008 bis 2012 auf jährlich 25,41 Mrd. € geschätzt (Effertz, 2015 b); auf die indirekten Kosten des Tabakkonsums, wie etwa Produktionsausfälle durch Krankheit, entfielen jährlich 53,68 Mrd. € (DKFZ ,2015). Verhältnispräventive Maßnahmen mit dem Ziel, den Tabakkonsum zu reduzieren, sind z. B. Tabaksteuererhöhungen, Verkaufs- und Werbebeschränkungen sowie Rauchverbote in der Öffentlichkeit oder am Arbeitsplatz. In den letzten Jahren haben Maßnahmen der 7 Im Rahmen der BZgA-Jugendkampagne „Alkohol? Kenn dein Limit.“ wurde eine juristische Expertise zu den rechtlichen Möglichkeiten verhältnispräventiver Maßnahmen in Kommunen in Auftrag gegeben, die kommunalen Akteurinnen und Akteuren zur Verfügung gestellt wird. Erwartet wird die Expertise 2018 / 2019.
PRÄVENTION Tabakprävention und Tabakkontrollpolitik zu einem Rückgang des Rauchens insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen geführt (Kuntz et al., 2017). Deutschland hat das im Jahr 2005 in Kraft getretene Rahmenabkommen zur Tabakkontrolle (FCTC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ratifiziert und verpflichtet sich damit zu preisbezogenen und steuerlichen Maßnahmen der Tabakkontrolle sowie zum Schutz vor Passivrauchen. Im Mai 2016 wurde die von der EU verabschiedete Neufassung der Tabakproduktrichtlinie 2014/40/EU8 in nationales Recht umgewandelt und durch die Tabakerzeugnisverordnung (TabakerzV) umgesetzt (BMEL, 2017). Die sichtbarste Veränderung betrifft die Bild-Text- Warnhinweise auf der Verpackungsfläche von Tabakprodukten, welche 65 % der Verpackungsfläche auf der Vorder- sowie Rückseite ausmachen. Der schriftliche Warnhinweis wird mit Fotos von möglichen Gesundheitsschäden bzw. Folgen durch das Rauchen bebildert. Hinzu kommt der Hinweis auf kostenlose Beratungsangebote, wie www.rauchfrei-info.de und die BZgA-Telefonberatung zum Rauchstopp unter 0 800 8 31 31 31. Verboten sind Tabakerzeugnisse mit charakteristischen Aromastoffen oder mit technischen Merkmalen, die den Geruch, Geschmack oder die Rauchintensität verändern (Die Drogenbeauftrage der Bundesregierung, 2017). Bis Mai 2017 galt eine Übergangsregelung, nach der Tabakprodukte, die bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie produziert wurden, noch verkauft werden dürfen. In der neuen Richtlinie werden auch nikotinhaltige elektronische Zigaretten (E-Zigaretten) und Nachfüllbehälter stärker reguliert und strengere Anforderungen an die Produktsicherheit gestellt, insbesondere betreffend der maximalen Nikotinmenge in den Liquids und der besseren Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über die Inhaltsstoffe9. Schutz vor Passivrauchen Mit der 2004 erlassenen Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und dem Mutterschutzgesetz (MuSchuG) sind Arbeitgebende verpflichtet, die nichtrauchenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen. 2007 ist außerdem das Bundesnichtraucherschutzgesetz (BNichtrSchG) in Kraft getreten. Damit haben Beschäftigte in Bundesbehörden und Fahrgäste im öffentlichen Personenverkehr gesetzlichen Anspruch auf Schutz vor dem Passivrauchen. Weiterführende Regelungen werden von den Bundesländern in Gesetzen zum Nichtraucherinnen- und Nichtraucherschutz geregelt10. 8 Ersetzt die bisherige Version 2001 / 37 / EG. 9 Weitere Regelungen sind im „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse“ zu finden. 10 Eine gute Zusammenfassung über die Ländergesetze zum Nichtraucherschutz unter http://www.rauchfrei-info.de/informieren/gesetzliche-regelungen/laendergesetze-zum-nichtraucherschutz/ [Letzter Zugriff: 24.05.2018].
10 PRÄVENTION Jugendschutz Das Jugendschutzgesetz (JuSchG)11 befasst sich mit dem Thema „Rauchen“ in § 10 „Rauchen in der Öffentlichkeit, Tabakwaren“. Das Verbot umfasst die Abgabe von tabak- und nikotinhaltigen Produkten an Kinder oder Jugendliche sowie das Rauchen bei unter 18- Jährigen in Gaststätten, Verkaufsstellen oder in der Öffentlichkeit. Zudem müssen Zigarettenautomaten so umgerüstet sein, dass Jugendliche darüber keinen Zugang zu Zigaretten haben. In den meisten Fällen wird beim Kauf von Zigaretten über den Automaten das Alter über die (verpflichtende) Zahlweise per „Geldkarte“ kontrolliert. Seit dem 1. April 2016 gilt das Abgabe- und Konsumverbot von Tabakwaren an Kinder und Jugendliche auch für E-Zigaretten und E-Shishas, unabhängig davon, ob in ihnen Nikotin enthalten ist. Tabaksteuer Tabakwaren unterliegen in Deutschland der Tabak- und Mehrwertsteuer. Die Tabaksteuer ist im Tabaksteuergesetz (TabStG) geregelt und in den letzten Jahren schrittweise angehoben worden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1a TabStG). Zigaretten werden derzeit mit 9,82 Cent pro Stück plus 21,69 % des Kleinstverkaufspreises besteuert, zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer12. Die Einnahmen aus Tabaksteuern betrugen im Jahr 2017 ca. 14,4 Mrd. € und sind im Vergleich zum Vorjahr (14,2 Mrd. €) wieder leicht gestiegen. Diese Zunahme sei auf einen erhöhten Absatz bei Zigaretten zurückzuführen (Kuntz et al., 2018). 2015 lagen die Einnahmen bei 14,9 Mrd. € (Kuntz et al., 2017). Handel mit Tabakerzeugnissen Gegen den unerlaubten Handel mit Tabakerzeugnissen sind Packungen von Tabakprodukten mit einem individuellen Erkennungsmerkmal (Rückverfolgbarkeit) und einem fälschungssicheren Sicherheitsmerkmal zu versehen (Artikel 15 und 16 Tabakproduktrichtlinie 2014/40/EU). Diese sind für Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen ab dem 20. Mai 2019 anzuwenden. Für alle anderen Tabakerzeugnisse gelten die Regelungen ab dem 20. Mai 2024 (BMEL, 2018). Werbung für Tabakprodukte Mit dem Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG) gilt ein Werbeverbot für Tabak und E-Zigaretten in der Presse und anderen gedruckten Veröffentlichungen. Verboten ist auch Werbung im Internet, Hörfunk und Fernsehen. Zudem dürfen Tabakunternehmen keine Hörfunkprogramme oder Veranstaltungen sponsern, die auf mehrere EU-Mitgliedsstaaten ausgerichtet sind (z. B. Formel Eins). Darüber hinaus hat die Bundesregierung in 2016 weitere Änderungen des Tabakerzeugnisgesetzes vorgelegt: Ein Verbot der Außenwerbung und der Kinowerbung für Tabakerzeugnisse und E-Zigaretten (Presse- und Informationsamt 11 Das JuSchG dient dem Schutz von Kindern und Jugendlichen in der Öffentlichkeit. Im Sinne dieses Gesetzes sind Kinder Personen unter 14 Jahren und Jugendliche Personen zwischen 14 und 18 Jahren. 12 Der Steuerbetrag für nikotinhaltige Erzeugnisse („Liquid-Steuer“) befindet sich noch in der Abstimmung.
PRÄVENTION der Bundesregierung, 2016), das in der vergangenen Legislaturperiode allerdings nicht mehr vom Parlament verabschiedet wurde. Tabakwerbung im öffentlichen Raum, sei es auf Plakaten oder Litfaßsäulen, ist heute in allen anderen EU-Ländern verboten. Als Mitgliedsstaat der Tabakrahmenkonvention (FCTC, siehe weiter oben) ist Deutschland verpflichtet, die Werbeausgaben der Tabakindustrie offen zu legen. 2015 beliefen sich die Werbeausgaben der Tabakindustrie auf insgesamt ca. 232 Mio. € (Die Drogenbeauftrage der Bundesregierung, 2017). Gesetzliche Regelungen zum Konsum illegaler Drogen In Deutschland regelt das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) als zentrales gesetzliches Instrument den staatlichen Umgang mit Drogenstraftaten. Es sieht eine Reihe von Sanktionen vor, die je nach Schwere und Art der Straftat von Geldbußen bis zu Freiheitsstrafen reichen. Laut BtMG sind Betäubungsmittel (illegale Drogen) jene Substanzen, die in einer der drei Anlagen des BtMG aufgeführt sind: Anlage I: nicht verkehrsfähige und nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel (z. B. MDMA, Heroin oder Cannabis), Anlage II: verkehrsfähige, nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel (z. B. Methamphetamin) und Anlage III: verkehrs- und verschreibungsfähige Betäubungsmittel (z. B. Amphetamine, Codein, Kokain, Morphin und Opium). Seit seiner Einführung im Jahr 1971 wurde das BtMG mehrfach modifiziert und ergänzt, um den sich verändernden Rahmenbedingungen besser gerecht werden zu können (vgl. hierzu Workbook „Rechtliche Rahmenbedingungen“). Mit der Androhung von Strafe (§§ 29-30a BtMG) sind die Handlungsmöglichkeiten für verhältnispräventive Interventionen bei illegalen Drogen weitgehend ausgeschöpft. 2015 war Cannabis sowohl bei Jugendlichen als auch Erwachsenen die am häufigsten konsumierte illegale Droge (Orth, 2016; Piontek & Kraus, 2016). Cannabis und Cannabisprodukte sind dem BtMG unterstellt, d. h. der Anbau, Handel, Kauf und Besitz sind strafbar (§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 3 BtMG). Beziehen sich Anbau, Kauf und Besitz von Cannabis ausschließlich auf den Eigenverbrauch, kann von einer Strafverfolgung abgesehen werden (§§ 29 Abs. 5; 31a BtMG). In den Bundesländern wurden hierzu Richtlinien zur Anwendung des § 31a BtMG erlassen, mit aktuell existierenden Grenzwerten von 5 bis 15 g. In den meisten Bundesländern handelt es sich um „Kann“-Bestimmungen. Auf der Justizministerkonferenz im Juni 2018 wurde u. a. eine Vereinheitlichung der Cannabis- Freimengen diskutiert. Illegale Drogen im Straßenverkehr Für die Verhältnisprävention nehmen das Straßenverkehrs- und das Strafrecht eine besondere Stellung ein: Gemäß § 24a Abs. 2 StVG handelt ordnungswidrig, wer unter Wirkung von „berauschenden Mitteln“ (Anlage StVG (zu §24a)) im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt und deren Substanz im Blut nachgewiesen wurde. Sanktionen reichen von Bußgeldern, Punkten im Fahreignungsregister bis zu Fahrverboten. Wird ein positiver Drogennachweis im Blut in Verbindung mit Fahrauffälligkeiten und Ausfallerscheinungen
12 PRÄVENTION festgestellt, wird ein Strafverfahren eingeleitet. Als Sanktionen kommen Freiheits- und Geldstrafen und der Entzug der Fahrerlaubnis in Betracht (§§ 315c, 316 StGB). Eine erfolgreich absolvierte Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) ist Voraussetzung, um die Fahrerlaubnis wiederzuerlangen. Dazu zählt der Nachweis über Drogenfreiheit über ein Jahr. Nach einem Unfall unter Drogeneinfluss ist zudem mit zivil- und versicherungsrechtlichen Folgen zu rechnen. Im Gegensatz zu Alkohol liegen bei illegalen Drogen im Straßenverkehr keine gesetzlichen Grenzwerte vor. Die Empfehlung der Grenzwertkommission13 enthält eine Nachweisbarkeitsschwelle für Cannabis von weniger als 1 ng Tetrahydrocannabinol (TCH)/ml Blutserum, damit die Fahrtüchtigkeit nicht akut beeinträchtigt wird. Bei anderen illegalen Drogen gehen die Führerscheinbehörden und Gerichte im Allgemeinen davon aus, dass sie nicht fahrfähig sind. Insofern müssen die Führerscheinbehörden nicht nachweisen, dass jemand unter dem Einfluss eines Betäubungsmittels gefahren hat (vgl. Workbook „Rechtliche Rahmenbedingungen“). Das im März 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften (Bundestagsdrucksache 18/8965) regelt den Einsatz von Cannabisarzneimitteln als Therapiealternative bei Patientinnen und Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen. Cannabispatientinnen und -patienten dürfen grundsätzlich am Straßenverkehr teilnehmen, sofern sie aufgrund der Medikation nicht in ihrer Fahrtüchtigkeit eingeschränkt sind (Bundestagsdrucksache 18/11701; vgl. Workbook „Rechtliche Rahmenbedingungen“). Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) Neue psychoaktive Substanzen (NPS) werden als so genannte „Legal Highs“ irreführend unter den Bezeichnungen Kräutermischungen oder Badesalze vertrieben und wirken in ihren bunten Verpackungen vermeintlich harmlos. Die Zusammensetzung der Inhalte ist nicht ausgewiesen und birgt unabsehbare gesundheitliche Risiken. Todesfälle, die auf den Konsum von NPS und anderen illegalen Drogen zurückzuführen sind, werden regelmäßig im Bundeslagebild des Bundeskriminalamtes veröffentlicht. Die ersten NPS wurden 2008 in der Kräutermischung „Spice“ identifiziert und 2009 dem BtMG unterstellt. Seitdem weichen Herstellerinnen bzw. Hersteller nach Unterstellung eines gesundheitsgefährdenden Stoffes immer wieder auf neue, in ihrer chemischen Struktur oft nur minimal veränderte psychoaktive Stoffe aus und umgehen das Verbot. Dieser Vorgehensweise begegnete das im November 2016 in Kraft getretene Neue- psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG), das neben dem Erwerb, Besitz und Handel mit NPS, auch erstmals ganze Stoffgruppen verbietet (Pressestelle der Bundesdrogenbeauftragten 13 Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM), der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) und der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie (Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie (GTFCh)), die die Bundesregierung berät.
PRÄVENTION und des Bundeskriminalamtes, 2016; vgl. Workbook „Rechtliche Rahmenbedingungen“). Auswirkungen des NpSG auf Konsumierende, das Suchthilfesystem und auf Strafverfolgungsbehörden werden aktuell qualitativ und quantitativ evaluiert (BMG- gefördertes Projekt von 2017 bis 2019). Zwischen November 2016 und März 2017 wurde im Rahmen des Projektes „Phar-Mon NPS“ – einem deutschlandweiten Informationssystem zum Missbrauch von NPS und Medikamenten – untersucht, welche Änderungen Konsumierende durch die Einführung des NpSG erwarteten (Piontek & Hannemann, 2017)14. 1.2.2 Universelle Prävention Universelle Präventionsaktivitäten bilden den Grundstein der suchtpräventiven Tätigkeiten in Deutschland. Darunter subsumieren sich Programme, Projekte und Aktivitäten, die sich an eine allgemeine Bevölkerung mit niedrigem oder durchschnittlichem Risiko, eine Sucht oder Abhängigkeit zu entwickeln, richten. Präventive Aktivitäten erfolgen im Idealfall in der Alltags- und Lebenswelt der Zielgruppen, dies gilt auch für universelle Präventionsmaßnahmen. Handlungsfelder universeller Prävention sind, z. B. die Settings Schule, Freizeit, Betrieb, Kommune, Sportvereine etc. Neben einer Differenzierung in verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen der universellen Prävention unterscheiden sich die Interventionen v. a. hinsichtlich ihrer Orientierung auf spezifische Substanzen, stoffungebundene bzw. Verhaltenssüchte sowie suchtstoffübergreifende Projekte. Suchtstoffübergreifende Interventionen dienen v. a. der Vermittlung von Lebenskompetenzen oder der Bildung kritischer Einstellungen. Da es viele unterschiedliche Projekte von unterschiedlichsten Trägern gibt, ist eine erschöpfende Aufzählung kaum möglich. Um einen Einblick in die Vielfältigkeit universeller Prävention zu geben, werden exemplarisch neue bzw. aktualisierte Projekte vorgestellt. Ältere Projekte sind in den REITOX-Berichten der vergangenen Jahre aufgeführt. Kindergarten Das Programm „Papilio“ ist entwicklungspräventiv konzipiert und soll Entwicklung von Sucht und Gewalt im späteren Kindes- und Jugendalter verhindern. Neben der Förderung sozialemotionaler Kompetenzen und Stärkung der psychosozialen Gesundheit bei teilnehmenden Kindern mindert „Papilio“ Risikofaktoren durch die Vermittlung von Erziehungskompetenzen an Eltern (Hessische Landesstelle für Suchtfragen e.V., 2009). Evaluationen zeigen, dass „Papilio“ dazu beiträgt, prosoziales Verhalten zu erhöhen und Verhaltensauffälligkeiten zu reduzieren. Verhaltensauffällige Kinder, insbesondere solche mit Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsproblemen, profitieren besonders. Zurückgezogene Kinder werden besser in die Gruppe integriert und generell von anderen Kindern besser akzeptiert. Die Kinder weisen höhere sozial-emotionale Kompetenzen (z. B. 14 Weitere Informationen unter https://legal-high-inhaltsstoffe.de/de/phar-mon-nps.html [Letzter Zugriff: 12.11.2018] und im Workbook „Drogen“ (Datenjahr 2016 / 2017).
14 PRÄVENTION Konfliktlösefertigkeiten) auf15. „Papilio“ ist mittlerweile der Anbieter mehrerer Programme, u. a. „Papilio-U3“, „Papilio-3bis6“ und „Papilio-6bis9“16. Schule Die Lebenswelt Schule ist für universelle Präventionsmaßnahmen besonders gut geeignet. Zum einen bietet die Schule umfassenden Zugang zur Zielgruppe Kinder und Jugendliche, zum anderen lassen sich präventive Maßnahmen sehr gut in die Unterrichtscurricula17 und darüber hinaus integrieren. Die Schule ist als Setting für stoffungebundene, substanzbezogene und substanzübergreifende Präventionsaktivitäten gleichermaßen gut geeignet. Die Wirksamkeit suchtpräventiver Maßnahmen in der Grundschule ist intensiv untersucht worden. Besonders Maßnahmen, die auf dem psychosozialen Ansatz aufbauen, sowie verhaltensmodifikatorische Interventionen sind erfolgversprechend, in aller Regel unter der Voraussetzung, dass sie durch Komponenten in außerschulischen Settings ergänzt werden, (Bühler & Thrul, 2013). Ein früher Einstieg in den Konsum legaler Suchtmittel wirkt sich negativ auf die psychosoziale Entwicklung aus, weshalb der Einsatz suchtpräventiver Maßnahmen in der Grundschule besonders sinnvoll erscheint. Zudem lässt sich mit dem frühen Einstieg in den Konsum legaler Drogen ein späterer Konsum illegaler Drogen prognostizieren (Brook et. al., 2002; Hanna et. al., 2001; Maruska et. al., 2011; McGue et. al., 2001). Schulbasierte Lebenskompetenzprogramme sind ein wichtiger Ansatz der Suchtprävention in Deutschland. Resultate von 13 systematisch identifizierten randomisierten und nicht-randomisierten Studien mit deutschsprachigen Zielgruppen aus den Jahren 1997 bis 2014 wurden quantitativ integriert: Die Ergebnisse der Meta-Analyse belegen eine Wirksamkeit der suchtpräventiven Lebenskompetenzprogramme mit deutsch(sprachig)en Schülerinnen und Schülern insofern, als dass sie das Risiko für einen frühzeitigen Konsum, der einen Risikofaktor für späteren Substanzmissbrauch darstellt, verringern (Bühler, 2016). Seit 2015 unterstützt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) über die BZgA die Erhöhung der bundesweiten Reichweite des breit evaluierten Lebenskompetenzprogramms zur Gesundheitsförderung, Sucht- und Gewaltprävention Programm „Klasse2000“ in Grund- und Förderschulen. Das Programm begleitet Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse. Lehrkräfte erhalten evaluierte Unterrichtsmaterialien für zehn bis zwölf „Klasse2000“- Stunden pro Schuljahr. Ergänzend werden speziell geschulte Gesundheitsförderinnen und - förderer eingesetzt. Seit 1991 hat „Klasse2000“ insgesamt über 1,4 Millionen Kinder erreicht und ist damit das in Deutschland am weitesten verbreitete Unterrichtsprogramm zur Gesundheitsförderung, Sucht- und Gewaltvorbeugung in der Grundschule. Seit 2015 wurde 15 http://www.gruene-liste-praevention.de/nano.cms/datenbank/programm/35 [Letzter Zugriff: 24.05.2018]. 16 Weitere Informationen und Jahresberichte unter http://www.papilio.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018]. 17 Richtlinien und Lehrpläne der Kultusministerien der Länder machen Suchtprävention zum verbindlichen Thema des Unterrichts (siehe dazu 1.1.4).
PRÄVENTION die Reichweite erhöht: Im Schuljahr 2015/2016 wurden insgesamt 5.168 neue erste Klassen ins Programm aufgenommen. Im Schuljahr 2016/2017 sind die Klassen in der zweiten Jahrgangsstufe und die Zahl hat sich auf 5.322 Klassen erhöht. Deutschlandweit nahmen in diesem Schuljahr 20.255 Klassen mit etwa 458.000 Kindern aus über 3.700 Schulen teil. 2017/2018 waren es bundesweit 21.223 Klassen (+4,8 %) aus etwa 3.770 Schulen (+1,1 %) mit etwa 480.740 Kindern, die erreicht wurden (+5 %). Die Wirksamkeit des Programms ist durch mehrere Studien belegt worden (z. B. Isensee et al., 2015; Kolip & Greif, 2016). Positive Wirkung haben sich v. a. in den Bereichen Ernährungs- und Bewegungsverhalten sowie Rauchen und Alkoholkonsum gezeigt. 2016 bis 2019 wird eine Evaluationsstudie zu Lang- und Kurzzeiteffekten durch das Kriminologische Forschungsinstitut in Niedersachsen durchgeführt; Ergebnisse werden 2019 erwartet. Das Grundschulinterventionsprogramm „KLASSE KLASSE“ wird ganzheitlich in spielerischer Form im schulischen Rahmen umgesetzt und umfasst die Themenbereiche Sucht- und Gewaltprävention sowie Bewegungsförderung und Ernährungsbildung. Psychosoziale Gesundheit wird als Grundlage verstanden, auf der alle anderen Fähigkeiten aufgebaut werden können und bildet damit einen Schwerpunkt des Programms. „KLASSE KLASSE“ ist ein Teilprogramm des ganzheitlichen Präventionsprogrammes „KIKS UP“ aus Bad Nauheim (Hessen). Es wurde 2016 über die Universität Gießen evaluiert (noch nicht umfassend veröffentlicht) und 2017 in die Grüne Liste Prävention aufgenommen18. „1000 Schätze – Gesundheit und Suchtprävention in der Grundschule“ ist ein Programm zur Stärkung der psychosozialen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern der ersten Klasse. Es stellt die Ressourcen und Stärken der Erstklässler in den Vordergrund und fördert ihre Lebenskompetenzen, Bewegung und Achtsamkeit. Das modular aufgebaute Programm basiert auf dem Lebenskompetenzansatz und der Sozialen Lerntheorie und berücksichtigt die Ebenen Schülerinnen bzw. Schüler, Eltern, Lehrkräfte und Schule. An der Pilotphase im Schuljahr 2017/2018 nahmen 13 Schulen aus 7 Regionen in Niedersachsen teil. Sie wurden von acht ausgebildeten „1000 Schätze“-Trainerinnen betreut. Die Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen setzt das Programm zusammen mit dem Netzwerk der Fachkräfte für Suchtprävention modellhaft in Niedersachsen um19. Ungefähr jede zehnte Intervention an Schulen verfolgt den Ansatz der Peer-Education (Dokumentationssystem Dot.sys). Peer-Education-Ansätze basieren auf der Annahme, dass Gleichaltrige (Peers) günstigere Voraussetzungen zur Initiierung von Lernprozessen schaffen können, als Lehr- oder Beratungsfachkräfte. Dies liegt u. a. in der größeren sozialen Nähe Gleichaltriger, den gemeinsamen Sprachcodes und der größeren Authentizität begründet (Backes & Schönbach, 2002). Im Rahmen von Lebenskompetenzprogrammen in 18 http://www.gruene-liste-praevention.de/nano.cms/datenbank/programm/110 [Letzter Zugriff: 20.07.2018]. Weitere Informationen unter https://www.kiksup.de/klasse-klasse [Letzter Zugriff: 12.11.2018]. 19 Weitere Informationen unter https://nls-online.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
16 PRÄVENTION der Cannabisprävention ist der Einsatz von Peers erfolgversprechender als die Vermittlung durch Lehrkräfte (Bühler & Thrul, 2013). Ein solches Peer-Projekt ist z. B. das medienbasierte Konzept „REBOUND – meine Entscheidung“ für junge Menschen von 14 bis 25 Jahren und ihre Begleiterinnen und Begleiter. „REBOUND“ ist ein flexibler und zugleich strukturierter Kurs für junge Menschen von 14 bis 25 Jahren, in dem es um deren Stärken und die der eigenen Bezugsgruppe geht. Das Lebenskompetenz- und Suchtpräventionsprogramm wird in Schulen oder Jugendeinrichtungen durchgeführt und von weitergebildeten Fachkräften (Lehrerinnen und Lehrern, Sozialpädagoginnen und -pädagogen) unterrichtet (Jungaberle & Nagy, 2015). Im Rahmen einer wissenschaftlichen Bestandsaufnahme (Hoch et al., 2017) wurde untersucht, welche schulischen Präventionsprogramme speziell zum Thema „Cannabis“ entwickelt und evaluiert wurden und ob diese Maßnahmen positive, unerwünschte oder keine Effekte zeigen. Deutschland- und EU-weit konnten vier schulische Cannabis-Programme mit nachgewiesener Evidenz identifiziert werden – darunter „REBOUND“. Das Projekt berichtete neben verschiedenen positiven Effekten auch Hinweise auf eine potentiell unerwünschte Wirkung: Bei Nicht-Konsumierenden sank die Risikowahrnehmung von Cannabis und Tabak im Verlauf des Projekts. Dieses Phänomen könne unter Umständen dadurch entstanden sein, dass die konsumunerfahrenen Teilnehmenden zu Projektbeginn eine besonders hohe Risikowahrnehmung der Substanzen hatte, die durch das Projekt relativiert wurde (Hoch et al., 2017)20. „Prev@SCHOOL“ ist seit 2016 ein ganzheitlich orientiertes Suchtpräventionsprogramm für Berliner Schulen / Bildungsträger und spricht sowohl Schülerinnen und Schüler, deren Erziehungsberechtigte, als auch Lehrkräfte und Fachkräfte der Schulsozialarbeit an. Schulen, Lehrkräfte und Eltern erhalten ein bedarfs- und passgenaues Angebot zum Thema Cannabis und zu anderen illegalen Substanzen. 2017 wurden etwa 350 Schülerinnen und Schüler aus berufsqualifizierenden Lehrgang-Klassen, Klassen aus Oberstufenzentren, Sekundarschulen und Gymnasien erreicht. Das Projekt wird intern evaluiert und ergab eine Zufriedenheit von 83 % bei den Schülerinnen und Schülern21. Ausbildung und Hochschule „Prev@WORK“ ist ein Programm, das Suchtprävention als einen festen Bestandteil in die Ausbildung integriert. Auszubildende werden in ihrem Lebensalltag erreicht und zu Suchtgefahren und Konsumrisiken psychoaktiver Substanzen aufgeklärt. Das Konzept ist für die Durchführung von Suchtprävention in der Berufsausbildung in unterschiedlichen Settings sehr gut geeignet (BMG, 2016 a). Durch eine Qualitätskonferenz wurde das Programm weiter verbessert und eine nachhaltige Implementierung von Suchtprävention in der Ausbildung im betrieblichen Gesundheitsmanagement erreicht. Bislang wurden knapp 300 20 Weitere Informationen unter http://my-rebound.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018]. 21 Weitere Informationen unter https://www.berlin-suchtpraevention.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
PRÄVENTION Fachkräfte zu „Prev@WORK“-trainerinnen und -trainern ausgebildet. Seit dem Programmstart in 2008 wurden bundesweit 300 Seminare durchgeführt und insgesamt rund 3.800 Auszubildende erreicht22. Das Projekt „Suchtprävention und Gesundheitsförderung in der Ausbildung“, das aktuell vom Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) durchgeführt und bis 2018 vom BMG gefördert wird, untersucht die Verbreitung, Inanspruchnahme und den Einfluss von Präventions- und Gesundheitsfördermaßnahmen in Berufsschulen und Berufsfachschulen. Das Vorhaben knüpfte an eine Befragung von 5.688 Auszubildenden an, die das IFT-Nord im Auftrag des BMG zwischen 2012 und 2014 in sieben Bundesländern durchgeführt hat (z. B. Montag, Hanewinkel & Morgenstern, 2015). Ermittelt werden sollte, wie groß der Anteil an Auszubildenden ist, die an einer Maßnahme teilgenommen haben und ob sich der Substanzkonsum verändert hat. Zudem sollte erstmalig ein Überblick erstellt werden, welche konkreten Maßnahmen in den einzelnen Befragungsregionen angeboten und umgesetzt werden. An der in 2017/2018 durchgeführten Studie nahmen insgesamt 343 berufliche Schulen aus Deutschland teil. Detaillierte Ergebnisse werden Ende 2018/Anfang 2019 veröffentlicht23. Während die Präventionsarbeit an Schulen auf eine langjährige Erfahrung zurückblicken kann, finden Gesundheitsförderung und Prävention an Hochschulen weniger oft statt. Im Rahmen der BMG-Förderlinie „Prävention von riskantem Substanzkonsum unter Studierenden“ wurden in den vergangenen Jahren unterschiedliche Ansätze der web- basierten Prävention bezüglich missbräuchlichen Substanzkonsums für Studierende entwickelt, durchgeführt und wissenschaftlich evaluiert. Aufbauend auf den Studienergebnissen des HISBUS-Panels („Formen der Stresskompensation und Leistungssteigerung bei Studierenden“) des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH (DZHW) Hannover, wurden durch das BMG seit 2013 drei Modellprojekte gefördert, in denen neue Ansätze der Präventionsarbeit bei Studierenden entwickelt und die Wirksamkeit der im Rahmen der Projekte entwickelten Maßnahmen durch eine wissenschaftliche Evaluation belegt wurden. Dazu zählen: „Prävention von riskantem Substanzkonsum unter Studierenden“ (Delphi, Berlin); Vermittlung von Informationen, Reflexion des eigenen Konsumverhaltens durch Selbsttests und Anregungen zur Verhaltensänderung auf der umfangreichen Website www.dein-masterplan.de; „Onlineprävention substanzbezogener Störungen bei Studierenden (eCHUG-D)“ (Hochschule Esslingen); Prävention von riskantem Alkoholkonsum bei Studierenden im Setting Hochschule (das US-amerikanische Online-Präventionsprogramm „eCHECKUP to GO“ wurde adaptiert und um eine Peer-Beratung ergänzt) und 22 Weitere Informationen unter https://prevatwork.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018]. 23 Weitere Informationen unter https://www.ift-nord.de/ [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
18 PRÄVENTION „Internetbasierte Soziale Normen Intervention zur Prävention von Substanzkonsum bei Studierenden (INSIST)“ (BIPS, Bremen); Entwicklung einer „Soziale Normen“- Intervention, die den Substanzkonsum von Studierenden reduzieren soll. Die Wirksamkeit des Ansatzes wurde durch eine Cluster-randomisierte Studie an acht Hochschulen untersucht: Insbesondere der Alkohol- und der Cannabiskonsum bei Studierenden waren nach der Intervention rückläufig (BMG, 2016b). Mit dem Nachfolgeprojekt „DIOS – Dissemination und nachhaltige Implementierung von (Online-) Präventionsmaßnahmen für missbräuchlichen Substanzkonsum bei Studierenden“ sollen diese Maßnahmen nachhaltig an Hochschulen verankert werden. Im Rahmen von „DIOS“ wurden 40 qualitative Interviews an zehn Hochschulen geführt, eine Implementierungsstrategie entwickelt und an den Hochschulen erprobt. Die im Abschlussbericht 2018 veröffentlichten Ergebnisse zeigen u. a., dass die Implementierungsbereitschaft in Bezug auf Maßnahmen zur Prävention von riskantem Substanzkonsum bei Studierenden bei den partizipierenden Hochschulen überwiegend im niedrigen Bereich (vages Problembewusstsein) lag. Den Hochschulen wurde auf dieser Basis ein jeweils individuelles Feedback zur jeweiligen Bereitschaft sowie zu möglichen Implementierungsschritten gegeben. Zudem wurde ein Handbuch veröffentlicht, welches die DIOS-Präventionsangebote und deren Implementierung beschreibt. Sowohl das Handbuch als auch das Feedback zur Implementierungsbereitschaft wurde von der Mehrheit der Hochschulen als hilfreich bis sehr hilfreich für den Implementierungsprozess bewertet. Das BMG-geförderte Projekt wurde von 2016 bis 2017 von der Hochschule Esslingen, dem Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie, Bremen und Delphi, Berlin durchgeführt24. Fahrschule Das „PEER-Projekt an Fahrschulen“ klärt über die Gefahren von Alkohol- und Drogenkonsum in Verbindung mit motorisierter Teilnahme am Straßenverkehr auf. Dazu werden junge Menschen, die selbst zur Gruppe der jungen Fahrenden gehören, in Grundlagenseminaren von Fachkräften zu Peers ausgebildet. Das Angebot richtet sich in Form einer von den Peers geleiteten Kurzintervention (Vorträge, Diskussionen) direkt an die Zielgruppe der Fahrschülerinnen und Fahrschüler. Die Ergebnisse der begleitenden Evaluation belegen den Erfolg dieses Ansatzes insbesondere durch die Tatsache, dass die Zielgruppe mit den Inhalten (Unvereinbarkeit von Drogenkonsum und Führen eines Kraftfahrzeugs) und durch die Methoden (Gespräche mit den Peers) erreicht wird: Seit dem Jahr 2000 erreichen jährlich mehr als 120 Peers in etwa 1.000 Vortragseinsätzen über 10.000 Fahrschülerinnen und Fahrschüler bundesweit. Seit 2014 existiert mit der Interessensgemeinschaft „Peer-Projekt an Fahrschulen“ ein Zusammenschluss der jeweiligen Koordinationskräfte in den Bundesländern und der dortigen Standorte. Mittlerweile 24 Weitere Informationen unter www.bundesgesundheitsministerium.de und https://dios.bips.eu/ [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
PRÄVENTION tauschen sich in diesem Gremium Vertretende aus acht Bundesländern aus (LWL- Koordinierungsstelle Sucht, 2018)25. Das Programm „Aktion junge Fahrer“ richtet sich an die Zielgruppe der jungen Fahranfängerinnen und Fahranfänger. Die im Rahmen des Programms durchgeführten Veranstaltungen sollen Jugendliche und junge Erwachsene zu den Gefahren im Straßenverkehr sensibilisieren und zur Selbstreflexion anregen. 2016 wurde das Programm evaluiert; die aus den Ergebnissen abgeleiteten Optimierungsvorschläge führten zur Aufnahme des Projektbausteins „Drogen“ (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 2017). Das Programm ist eine Initiative der Deutschen Verkehrswacht und wird unterstützt vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Aktionstage „Junge Fahrer“ werden u. a. in Diskotheken, öffentlich zugänglichen Orten in Schulnähe oder öffentlichen Schulveranstaltungen der Sekundarstufe II durchgeführt26. Sektorenübergreifend Das EU-Forschungsprojekts „UPC Adapt“ (Universal Prevention Curriculum) sieht die Anpassungen und Einführung des in den USA entwickelten Curriculums in neun EU- Mitgliedsstaaten vor. „UPC Adapt“ basiert auf den internationalen Standards zur Suchtprävention der UNODC (United Nations Office on Drugs and Crime) und vereint aktuelles Wissen zur Suchtprävention. Das FINDER Institut für Präventionsforschung und der Landespräventionsrat Niedersachsen bilden die deutsche Projektbeteiligung an „UPC- Adapt“. Vorgesehen ist, dass das im Rahmen des Projektes verfügbare „Basiswissen Prävention“ in Deutschland zur Grundlage von Projekt- und Förderentscheidungen im Bereich Suchtprävention wird. 2017 wurden Fokusgruppen mit Expertinnen und Experten veranstaltet, um die Inhalte vorzustellen und Feedback für die Adaption im europäischen Kontext zu erhalten. Anfang 2018 wurden Pilottrainings abgehalten, um diese zu testen27. Ziel des neuen Verbundprojektes „IMAC-Mind“ („Improving Mental Health and Reducing Addiction in Childhood and Adolescence through Mindfulness: Mechanisms, Prevention and Treatment“) ist es, Risikofaktoren für die Entstehung von Suchterkrankungen zu identifizieren und diagnostische Verfahren zu verbessern. In verschiedenen Teilprojekten werden u. a. speziell für Kinder und Jugendliche geeignete Präventionsprogramme entwickelt, die Wirksamkeit der Prävention in verschiedenen Entwicklungsstadien untersucht und günstige Entwicklungsbedingungen für das Kind bereits vor der Geburt geschaffen (z. B. Erprobung einer Smartphone-App für schwangere Frauen, die Stress, Alkohol und Rauchen während der Schwangerschaft verhindern soll). Das Verbundprojekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der „Förderinitiative Gesund – ein Leben lang“ seit Dezember 2017 für vier Jahre gefördert und in unterschiedlichen Institutionen an sieben 25 Weitere Informationen unter http://www.peer-projekt.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018]. 26 Weitere Informationen unter https://www.deutsche-verkehrswacht.de [Letzter Zugriff: 12.11.2018]. 27 Weitere Informationen unter http://upc-adapt.eu/project/ [Letzter Zugriff: 12.11.2018].
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