Immer anders, immer neu - Geschichten aus dem Tageshospiz - Hospiz Bewegung Salzburg
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Frühjahr 2021 Verlagspostamt 5020 Salzburg· P.b.b. | 02Z031835M NR. 1 lebensfreude Immer anders, immer neu – Geschichten aus dem Tageshospiz Anlässlich des 14. Salzburger Hospiztags im Herbst 2020 hielt Dr. Irmgard Singh, leitende Ärztin im Lebens- raum Tageshospiz Kleingmain, einen Vortrag: Grenzerfahrungen im Tageshospiz. Oder: Wie uns die Physik die Schönheit des Lebens zeigt. Als ich diesen Vortrag vorbereitete, wurde Zuhause ge- Das erinnerte mich an meine Arbeit im Tageshospiz. rade unser Vorplatz neu gepflastert. Mein Sohn, theore- Die Muster sind einander ähnlich und sind doch immer tischer Physiker, fragte mich, ob ich mich für eine Pen- wieder neu. Grenzerfahrungen bieten sich jeden Tag. Sie rose-Parkettierung entschieden hätte. Das machte mich bewegen sich oft zwischen zwei Polen, über die ich hier neugierig und ich forschte nach und erfuhr: Roger Penro- mit Ihnen gerne nachdenken möchte. se, Nobelpreisträger für Physik 2020, hatte in den 70er- Jahren sogenannte aperiodische Kachelmuster publiziert, Zu Beginn jedoch – zur Einstimmung – eine kurze Parabel mit denen man eine Fläche lückenlos parkettieren konnte, vom „Jungen Mann und vom Tod“: ohne dass sich ein Grundmuster periodisch wiederholte. Ein junger Mann ersucht den Tod: „Bevor du mich abholst, HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
editorial Doch wie genau lässt sich freie Selbstbestim- mung von sozialem und ökonomischem Druck oder von purer Verzweiflung abgrenzen? Was ist mit Menschen, die resigniert sind, weil sie niemanden haben, der sie in ihrem Leid beglei- ten kann oder weil sie bis an die Grenze ihrer Leidensfähigkeit zermürbt sind und bei aller Qual keine Lebensqualität mehr erfahren? Was ist mit Menschen, deren pflegende Angehörige unter der großen Last zusammenzubrechen drohen? Wie frei ist ein verzweifelter Mensch am Ende seiner Kräfte? Hier gilt es darauf zu achten, dass Menschen verlässlichen Schutz und Beistand für Für das Sterben Liebe Freund*innen und Förder*innen der ein Leben in Würde erhalten. Hospiz-Bewegung Salzburg! gibt es keinen Die haupt- und ehrenamtliche Arbeit vieler Deutlicher könnte das Spannungsfeld, in dem Menschen in der Hospiz- und Palliativbewegung Lockdown Sterben in unserer Zeit stattfindet, wohl nicht ist getragen von mitmenschlicher Begleitung werden: in der Situation mit Covid-19 wurde und einem tiefen Respekt vor einem zu Ende als Handlungsleitlinie der Regierung verkündet, gehenden Leben, und einem Sterben, das es jedes Menschenleben zu retten, „koste es, was weder hinauszuzögern noch frühzeitig zu been- es wolle“ (Sebastian Kurz). Im selben Jahr wur- den gilt. de der Entscheid vom Verfassungsgerichtshof gefasst, dass das „ausnahmslose Verbot“ der Bei- Unsere Gesellschaft ist als ganze gefordert, hilfe zur Selbsttötung aufzuheben ist. die nötigen Ressourcen im Gesundheitswesen für eine bedarfsgerechte Hospiz- und Palliativ- Das Lebensende ist in der modernen Gesellschaft versorgung bereitzustellen und eine Kultur so- zu einem hohen Anteil von menschlichem Zutun lidarischen und zugewandten Begleitens zu bestimmt: Medikamente und medizinisch-tech- fördern, die eine überzeugende und die Not nische Möglichkeiten verlängern das Leben, die wendende Alternative bildet zu einer Praxis meisten Menschen sterben in Institutionen wie „selbstbestimmter“ Tötung“. Krankenhäusern oder Senioreneinrichtungen. Die Bedingungen der Pandemie haben die Wir danken Ihnen allen, die Sie im vergangenen Situation verschärft, indem viele Menschen ihre Jahr einen Be(i)trag dazu geleistet haben und letzten Lebenswochen und -monate isoliert von bitten weiterhin um Ihre ideelle und finanzielle ihren Angehörigen verbringen mussten. Dass Unterstützung! durch die erlebte massive Fremdbestimmung der Ruf nach einem selbstbestimmten Sterben laut Karl Schwaiger, Obmann wird, verwundert nicht. Christof S. Eisl, Geschäftsführer 2 März 2021 HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
leben und sterben in würde inhalt leben und sterben in würde 1 Grenzerfahrungen im Tageshospiz 10 Anmerkungen zur Aufhebung des Verbots der Suizidbeihilfe kontaktstelle trauer warne mich bitte, sodass ich mich vorbereiten kann.“ Die Zeit vergeht und der Mann wird alt. Irgendwann pausenlos im Krankenhaus war. Schließlich bat er seine Frau: „Nimm mich mit nach Hause, mir ist es 14 Tränen weg und weiter! Trauern Männer anders? kommt der Tod, ihn zu holen, ohne Voranmeldung, egal, ob ich sterbe.“ Danach ist er ins Tageshospiz papageno wie der Mann denkt. So beschwert er sich bitterlich: gekommen, wir haben ihn „aufgepäppelt“ und er hat „Warum hast du mich nicht vorgewarnt, Tod?“ Der noch fast vier Jahre gelebt. In dieser Zeit hat er sein Tod antwortet: „In Wahrheit habe ich Dir viele Vor- Haus fertig gebaut, alle Möbel selbst gemacht und warnungen geschickt: Sind nicht deine Haare grau geworden? Gehst du nicht immer gebeugter? Kam hatte noch eine glückliche Zeit. Soviel zu Prognosen. 18 Österreichischer Kinderhospiz- und Palliativtag nicht Krankheit um Krankheit hinzu?“ Die Begleitungen im Tageshospiz sind verschieden lang, wobei die kurzen oft noch intensiver sind. Der Zeitpunkt Bei uns im Tageshospiz ist der Tod in gewissem Sinn Ich kann mich an eine Patientin erinnern, die kam an einem Freitag zum ersten Mal zu uns mit dem aus der hospiz- erwartet. Unsere Besucher haben Diagnosen, bei de- Auftrag: Ich möchte morgen auf die Hochzeit mei- bewegung nen aus medizinischer Sicht wahrscheinlich ist, dass ner besten Freundin gehen. Sie hatte eine Schmerz- sie in einem absehbaren Zeitraum daran versterben werden. Und doch ist „absehbar“ natürlich dehnbar. pumpe, die aber nicht gut eingestellt war. Ich bot ihr an, diese umzustellen. Da ich sie aber eigentlich 24 Personelles, Spenden Das können Tage sein, Wochen, Monate oder manch- gar nicht kannte, wir hatten uns ja zum ersten Mal mal sogar Jahre, weil sich jemand vorübergehend gesehen, war das ein gewisses Wagnis für sie. Nach wieder ganz gut erholt. einiger Überlegung stimmte sie zu. Am Abend habe ich mit ihr telefoniert und es ging gut. Am nächsten Doch haben wir im Tageshospiz erlebt, dass Men- Tag in der Früh war sie dann am Standesamt mit ih- schen ihre Prognose weit überlebt haben. Ich denke rer Freundin. Mittags hat sie sich hingelegt, danach zum Beispiel an einen Patienten, der fast zwei Jahre ist eine Mitarbeiterin vom mobilen Palliativteam ge- HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg März 2021 3
leben und sterben in würde kommen und hat ihr eine Infusion angehängt. Am Und doch liegt es an jedem einzelnen, ob eine sol- Abend war sie wieder auf der Hochzeit. Das war che Beratung auch gewünscht ist. Meist warte ich der Samstag. Am Montag ist sie zu mir gekommen quasi auf die Einladung des Patienten, der Patientin, und hat mich gefragt: „Glauben Sie, dass ich noch sozusagen auf ein Stichwort, das aufzeigt, es passt eine Woche leben werde?“ Ich habe geantwortet: jetzt über das Sterben zu sprechen. Ein Herr, dem es „Sie sind deutlich besser beisammen als am Freitag sehr schlecht ging, hat mir diese Einladung nie ge- und die Hochzeit ist auch überstanden, eine Woche geben. Und eines Tages dachte ich mir, der Tod ist wird’s wohl noch gehen.“ Am nächsten Tag ruft mich jetzt schon so nahe und so habe ich selbst das Ge- der Ehemann an und sagt: „Meiner Frau geht es gar spräch darüber eröffnet. Ich sagte ihm, dass ich mich nicht gut, darf ich sie ihnen mal geben.“ Da höre ich, gerne mit ihm darüber unterhalten würde, was wir dass sie schon sehr schwer atmet. Sie fragt mich: tun können, wenn es ihm nun noch schlechter geht. Da ist dieser Mann aufgestanden und hinausgegan- gen. Noch deutlicher kann man es nicht zeigen, dass „In der modernen Zeit ist es gar man über dieses Thema nicht sprechen will. nicht leicht, Sterben zu begleiten. Gestorben wird meist im Kranken- Vorstellung und Realität haus und viele Menschen haben In der modernen Zeit ist es gar nicht leicht, Sterben keine Möglichkeit, einen toten Menschen zu sehen, außer im zu begleiten und sich damit der realen Erfahrung Fernsehen, wo Leichen oft furcht- anzunähern. Gestorben wird meist im Krankenhaus bar hergerichtet sind. Faktum ist, und viele Menschen haben keine Möglichkeit, einen dass die Vorstellungen über das toten Menschen zu sehen, außer im Fernsehen, Sterben oft viel schrecklicher sind wo Leichen oft furchtbar hergerichtet sind. Faktum als die Realität.“ ist, dass die Vorstellungen über das Sterben oft viel Dr. Irmgard Singh, leitende Ärztin schrecklicher sind als die Realität. im Lebensraum Tageshospiz Wir können Menschen unterstützen, indem wir von unseren Erfahrungen erzählen, dass in der Beglei- „Kann es sein, dass ich jetzt sterben muss?“ Ich habe tung von vielen Hundert Patientinnen und Patienten ihr geantwortet: „Das hätte ich gestern noch nicht das Sterben vielleicht bei fünf Menschen schwer war. für möglich gehalten, aber wie es sich jetzt anhört, Alle anderen hatten einen guten Tod, sofern man das kann es sein.“ Ein paar Stunden später ist sie im von außen beurteilen kann. Beisein ihres Mannes, ihrer besten Freundin, einer Palliativschwester des mobilen Palliativteams und mir Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Angehöri- zuhause gestorben. ge, die in der Besprechung über das bevorstehende Sterben ihres Mannes – was gehört organisiert, wie Das Thema Tod ist natürlich meist schwer zu bespre- kann man das Zuhause gestalten, wer kann mithel- chen. Auch wenn er sich ankündigt, ist es doch unge- fen – gesagt hat: „Ich werde meinen Mann zuhause wiss, wann genau er kommt. Was wir aber immer an- behalten bis er nichts mehr mitkriegt, dann lasse bieten können, ist eine Beratung über Möglichkeiten, ich ihn ins Krankenhaus bringen und dort kann er wie man das Drumherum gut gestalten kann. dann sterben.“ Ich sagte ihr: „Ich fürchte, dass dieser 4 März 2021 HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
leben und sterben in würde Zwischenraum so kurz ist, dass das gar nicht geht.“ Das habe ich in meiner Arbeit immer im Hinterkopf. Die Menschen können oft bis sie sterben mit uns Welcher Teil ist physisch, den behandle ich natür- kommunizieren, vielleicht werden sie nicht mehr lich mit Tabletten. Aber gibt es z.B. soziale Probleme viel sprechen, aber man kann sich über Augenkon- oder psychische, wie Kinder, die unversorgt zurück- takt, über Händedruck noch verständigen. Doch sie bleiben? war sich ganz sicher: „Nein, ich lass ihn dann ins Krankenhaus bringen.“ Und was ist passiert? Ihr Wichtig ist zu wissen, dass es in der Schmerztherapie Mann ist zuhause gestorben, sie war dabei und kein Limit nach oben gibt. Wir können immer etwas ihre beiden Töchter. Danach hat sie gemeint: „Es tun. Was wir brauchen, ist Geduld und gute Kom- war überhaupt nicht schlimm. Ich bin so froh, dass munikation, dass Patient*innen bereit sind, etwas er daheimbleiben durfte.“ Sie hatte nur wahnsinnige auszuprobieren und mir Rückmeldung zu geben, ob Angst, dass Sterben ganz furchtbar ist. und was sich verändert hat. Manche Patient*innen sind erst einmal höflich. Wenn ich sie frage, ob etwas Wer nicht an Wunder Mein Sohn sagte einmal zu mir: „Mama, dein Job geholfen hat, meinen sie: „Jaja, danke, es passt alles.“ glaubt, ist kein Realist.“ ist doch furchtbar, alle Menschen sterben.“ Darauf Sie wollen die Ärztin nicht enttäuschen. Aber das antworte ich: „Nein, denn es ist ein Unterschied, nützt niemandem. Je besser die Patient*innen den David Ben Gurion wie Menschen sterben. Wenn man das Sterben gut Schmerz beschreiben können, also wann tut was wie vorbereitet und gestaltet, sodass die Angehörigen weh, desto leichter tun wir uns in der Behandlung. dabei sein können, kann es zu einem schönen und würdigen Ereignis werden. Verlust und Dankbarkeit Was wir bemerken, ist, dass sich das Leben immer Auch zum Thema Schmerztherapie tragen Menschen mehr verwandelt, je näher ein Mensch an den Tod oft alte, innere Bilder in sich, die mit der Realität kommt. Für uns Außenstehenden schaut es so aus, wenig übereinstimmen, beispielsweise: als würde sich die Lebensqualität vermindern, aber • Ein bisschen Schmerz soll man schon aushalten beurteilen kann das nur der Patient, die Patientin können. selbst. • Mit Schmerzen büße ich meine Sünden ab. • Schmerzen gehören eben dazu. Ich habe als junge Ärztin erlebt, dass ich am Vor- mittag mit einer Patientin gesprochen habe, dass Die Wahrheit ist, Schmerzen machen die Seele mür- sie wohl nicht mehr lange leben wird. Und sie war be. Menschen verlieren die Freude am Leben, dann natürlich ganz betroffen und hat geweint. Und am kommt der Wunsch auf, zu sterben. Deswegen ist Nachmittag kam ich in ihr Zimmer und habe gese- es ungemein wichtig, Schmerzen konsequent und hen, wie sie Reisekataloge studiert. Das war mir da- kompetent zu behandeln. An jedem Tag begleitet mals höchst unbegreiflich, dass man Reisekataloge mich das Konzept des „total pains“ von Cicely Saun- studieren kann, wenn man die Reisen ziemlich sicher ders, der Begründerin der internationalen Hospiz- nicht mehr erleben wird. Aber inzwischen weiß ich, bewegung. Schmerz besteht demnach immer aus dass man dem Tod nicht immer ins Auge schauen mehreren Komponenten. Er hat seine Anteile im kann. Und wer weiß, geht es ja doch noch, dass man Physischen, im Seelischen, im Sozialen und im irgendwo hinreist? Spirituellen. HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg März 2021 5
leben und sterben in würde Ich möchte ihnen noch eine berührende Geschichte Aber umgekehrt gibt es auch Besucherinnen und Be- erzählen: Ein Patient kam zu uns ins Tageshospiz und sucher des Tageshospizes, die am Ende ihres Lebens sagte, er fände es ganz furchtbar, dass es in Öster- etwas leben können, was früher nicht möglich war. reich keine aktive Sterbehilfe gäbe, denn so wie er Ich erinnere mich an einen alten Herrn, der bei uns leide, könne man überhaupt nicht leben. Seit zwei immer gut aufgelegt, freundlich und zuvorkommend Jahren habe er massive Schmerzen und würde am war. Nach einer Familienkonferenz, in der wir be- Der Unterschied zwi- liebsten sofort sterben. Ich habe dann ein bisschen sprachen, wie es daheim gehen solle, sagte ein Enkel schen dem richtigen mit ihm „verhandelt“, weil er gleichzeitig nicht zu zu mir: „Sie brauchen aber nicht glauben, dass der und dem beinahe richtigen viel Schmerzmittel nehmen wollte. Doch, wenn er eh bei uns immer so nett war wie bei euch.“ Bei uns Wort ist so wie zwischen einem sterben wolle, habe er ja nichts zu verlieren, mein- im Tageshospiz konnte der Herr seine weiche, nette Blitz und einem Glühwürm- te ich dazu. Wir könnten einfach einmal alle Mittel und zugewandte Seite leben. Dies mag auch daran chen.“ ausprobieren, bis wir hoffentlich eine gute Schmerz- liegen, das wir, das hauptamtliche und das ehren- Mark Twain linderung finden. Es hat dann eine Zeit gedauert, amtliche Team, keine Vergangenheit mit den Betrof- bis wir mit einer Schmerzpumpe die Schmerzen so fenen haben und so als Ansprechpersonen leichter eingestellt hatten, dass er gesagt hat: „Ja, jetzt fühlt zur Verfügung stehen, als wenn man sich schon ein sich das wieder ganz anders an.“ Nach ein, zwei Leben lang kennt. Wochen hat er zu mir gesagt: „Wissen Sie, ich habe jetzt zwei Jahre überhaupt keine Lebensfreude mehr Oft reicht es, dass man da ist, um Geborgenheit und gehabt und jetzt freue ich mich über jeden Tag. Ich Gut-Aufgehobensein zu vermitteln. Manchmal ge- sitze wieder mit meiner Frau und meiner Nachbarin ben sich diese Geborgenheit auch Erkrankte unter- zum Ratschen mit einem Glaserl Wein auf der Terras- einander. Dazu eine sehr berührende Begebenheit se und freue mich, dass ich lebe.“ Das ist für mich aus meiner ersten Zeit als Ärztin: Wir hatten auf der Lebensqualität. Das war derselbe Mensch, der vor- Krebsstation, auf der ich gearbeitet habe, ein paar her sofort sterben wollte. Und seine Begleitumstände Vierbettzimmer. Da die Chemotherapien mit einer waren alle andere als erfreulich. Er hatte künstliche gewissen Regelmäßigkeit verabreicht werden, ken- Darm- und Blasenausgänge und war querschnittge- nen sich natürlich die Patient*innen. Da gab es ein lähmt. Wenn ein solcher Mensch sagt, jetzt habe Vierbettzimmer mit vier Damen. Und eine von ihnen ich wieder Lebensqualität, dann ist etwas sehr gut war zum Sterben. Für die anderen drei, die ja auch gelungen. schwer krank waren, war es selbstverständlich, dass diese eine Dame in ihrem Kreis versterben durfte. Einsamkeit und Geborgenheit Was wir immer wieder erleben ist, dass Menschen, Warten und Hoffen bevor sie tatsächlich sterben, zuvor einen sozialen Prognosen zu stellen ist eine sehr schwierige Tod sterben. Die Familie und Freunde ziehen sich Sache. Es gibt zwar ein paar Eckdaten, aber jeder immer mehr zurück. Die Angehörigen halten es oft Mensch ist ein Individuum. Meine Erfahrung ist, nicht mehr aus, dass Patient*innen immer dieselben dass Patient*innen immer ein wenig mitbestimmen Geschichten erzählen, immer jammern, das Leben so können, wann sie sterben, vielleicht nicht im Sinne problembehaftet ist. Oder, Freunde von früher wech- von Jahren und Monaten, aber von Tagen und Stun- seln die Straßenseite, um Kranken nicht begegnen den. Es kommt immer wieder vor, dass Menschen und miteinander reden zu müssen. auf jemanden warten. Einer unserer ersten Patienten 6 März 2021 HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
leben und sterben in würde im Tageshospiz hat auf seine Tochter gewartet, die in Autonomie ist uns ein ganz hohes Gut. Wir ver- Südamerika tätig war. Sie ist gekommen, er hat mit suchen immer zu eruieren, was der Wunsch der ihr gesprochen und eine halbe Stunde später ist er Patientin, des Patienten ist und uns danach zu rich- verstorben. ten. Das stellt uns als Team immer wieder vor große Herausforderungen. Eine andere Patientin konnte einfach nicht sterben und es war uns unerklärlich warum. Eigentlich war es ein Wunder, dass sie noch lebte. Sie selbst konn- Der Hospiztag 2020 konnte ten wir nicht mehr befragen. So haben wir mit ih- wertvolle Begegnungsräume rem Mann überlegt, was sie noch halten könnte. Er schaffen, trotz Einschränkun- meinte, es sei alles geregelt, alles gesagt, alles geord- gen durch die Pandemie. net. Ich habe den Mann dann gefragt, ob seine Frau religiös sei. Ja, sehr. Sie hat auf die Krankensalbung gewartet. Der Pfarrer ist gekommen und sie ist eine halbe Stunde später friedlich gestorben. Wir dürfen uns einfach öfter von unserer Intuition leiten lassen. Vaclav Havel sagt: Hoffnung ist nicht die Überzeu- gung, dass etwas gut ausgeht, sondern dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht. Die Patienten hoffen sehr oft nicht mehr, dass sie wieder ganz körperlich gesund werden, sondern da- rauf, dass das Leben, das sie noch haben, gut sein Eine unserer ersten Patientinnen im Tageshospiz kann, ohne Schmerzen, selbstbestimmt; dass sich ihr hatte ein Mundbodenkarzinom und starke Schmer- Leben abrundet. zen. Sie hat keine Schmerzmittel genommen und uns aufgeschrieben: Ich weiß, warum ich diese Krankheit Machbarkeit, Vorsorge, Autonomie habe. Ich habe böse über andere Menschen gespro- Glücklicherweise gibt es viele Möglichkeiten vorzu- chen und mit dieser Krankheit und diesen Schmer- sorgen, z. B. mit einer Patientenverfügung oder einer zen büße ich meine Sünden ab. – Das war für uns Vorsorgevollmacht. In diesen Dokumenten kann ich als Betreuungsteam äußerst schwierig: zu wissen, festlegen, was ich will bzw. was ich nicht will, ab man könnte diese Schmerzen deutlich lindern, aber welchem Punkt meines Daseins ich beispielsweise die Patientin lehnt es ab. Die Krönung des gesamten keine Reanimation, Beatmung etc. wünsche. Es gibt Problems war, dass ihre Freundinnen bei uns ange- die verbindliche Patientenverfügung, sie gilt nun rufen haben mit der Frage: Kann man denn nichts sieben Jahre, und die andere Patientenverfügung, tun gegen die Schmerzen? – Ja, man kann, aber nur, die immer Gültigkeit hat, aber nicht 100 % rechts- wenn die Patientin das auch will. verbindlich ist. Ganz wichtig sind solche Vorsorge- formen, wenn damit zu rechnen ist, dass eine be- Angst und Vertrauen stimmte Situation auftreten kann und der Mensch Je näher Menschen an den Tod kommen und sich ihr sich nicht mehr äußern kann. Leben einschränkt, desto eher tauchen Ängste auf HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg März 2021 7
leben und sterben in würde und fordern Vertrauen. Vertrauen gegenüber den An- Nähe und Distanz gehörigen, dem Behandlungsteam, den Ärzt*innen Die Angehörigen sind oft der Prellbock für die Ge- und anderen Personen, auf die man nun angewiesen fühle Erkrankter. Ich hatte einmal einen Mann da, ist. Einer der wichtigsten Punkte für dieses Vertrauen den ich gefragt habe, wie es ihm am Wochenende er- ist eine gute Kommunikation. Wir müssen verstehen, gangen sei und er antwortete: „Schlecht.“ – „Möch- wovor die Angst besteht. Denn oft gibt es gewisse ten sie etwas dazu sagen?“ Er meinte: „Ich war ganz Ängste, die man leicht ausräumen kann. böse zu meiner Familie, weil ich total wütend war. Sie dürfen weiterleben und ich muss sterben.“ – Die- se Ehrlichkeit im Angesicht des nahenden Todes „Wenn wir das Bild mit den hat mich schon immer sehr berührt. Die Menschen Penrose-Kacheln ansehen, lassen ihre Masken fallen und zeigen sich mit ih- zeigt es uns – in aller Individualität dessen, was das rer inneren Angst, ihrem Schmerz, aber auch ihrer Leben mitbringt, alles unwieder- Schönheit. holbar, immer anders, immer neu –, es ist doch alles eins.“ Ein weiteres Thema sind die Grenzen des Aus- haltbaren: manchmal sind Menschen durch ihre Tu- more sehr entstellt, oder es gibt zerfallende Tumore, die riechen, um nicht zu sagen stinken. Das ist oft schwer auszuhalten, aber man darf sich das einge- stehen. Auch in diesen Fällen kann die Palliativme- dizin- und pflege viel anbieten, um Beschwerden zu lindern. Beispielsweise haben Menschen, die an Lungen- Brennen und Ausbrennen krebst leiden, oft Angst, zu ersticken. Wir können Es ist wichtig für die Palliativmedizin, für die Hospi- den Menschen aber Medikamente zur Verfügung zidee zu brennen. Zugleich müssen wir als in diesem stellen, dass sie sich auch selbst helfen können, sollte Bereich Tätige aber darauf achten, nicht auszubren- Atemnot auftreten. Sie bekommen von uns eine Vor- nen. Eine Mittel dazu ist, das Schicksal des Gegen- schreibung mit Information, was in diesem Falle zu übers zu respektieren. Wir können Menschen zur nehmen ist. Diese Medikamente werden besorgt, Seite stehen, sie begleiten, aber ihr Schicksal nicht liegen Zuhause in einer Schachtel und Patient*innen ändern. und Angehörigen wissen, wie sie einzunehmen sind. Die Erfahrung zeigt, dass es eine große Beruhigung In den Anfängen waren wir oft sehr maßlos mit dem für Menschen bedeutet, wenn sie einmal erlebt ha- Anspruch zu helfen und sind über die eigenen Gren- ben, dass sie Atemnot selbst beherrschen konnten. zen gegangen. Wir haben nicht darüber gesprochen, Mit einer vorausschauenden Besprechung kann dass etwas eklig sein kann oder uns ein Patient lä- ganz viel seelische Not gelindert werden. Dabei ist stig ist. Wir haben das mit einer übergroßen Geduld es wichtig, eine angemessene Sprache zu finden, in getragen und es hat lange gedauert, bis wir gelernt der das Problem weder bagatellisiert wird, noch in- hatten, uns selbst so wertzuschätzen und wichtig zu dem Ängste geschürt werden. nehmen, dass wir nicht alles duldsam hinnahmen. 8 März 2021 HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
buchvorstellung Ohne Verstehen ist alles nichts In den vielen Jahren, die ich nun schon im Tageshos- Anders als die naturwissenschaftlich orientierte Medizin, die Krank- piz bin, hat sich für mich ein Zauberwort herausge- heit vor allem als einen Defekt interpretiert, den es um jeden Preis bildet, das sowohl für die Patient*innen wie für uns zu beheben gilt, sieht der in Freiburg wirkende Arzt, Philosoph und Begleiter*innen gilt: Pausen. Wenn man spürt, man Medizinethiker Giovanni Maio seine Disziplin vorrangig nicht als eine ist erschöpft, ist es gut, einmal Pause zu machen. Das Kunst des Machens, sondern des Verstehens. ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eher ein Zei- chen von Respekt sich selbst und der/dem anderen Die Behandlung eines kranken Men- gegenüber. Vielleicht ist es sogar Stärke? schen „kann nur dann glücken, wenn die Handlungen in eine gelingende Trauer und Trost Interaktion eingebettet sind“, postuliert Wenn Angehörige in der ganzen Zeit der Krankheit Maio, und fordert damit nicht weniger und des Sterbens miteinbezogen sind, sagen sie oft als eine „neue Grundorientierung in danach: „Es war eine schwere Zeit, aber eine wichtige der Medizin“ (S. 28). Anhand von fünf und wertvolle Zeit.“ In dieser Zeit gehen Erkrankte Beispielen aus der Praxis (chronische wie Angehörige durch Trauerprozesse und je besser Schmerzerfahrung, Krebs, Parkinson, das Miteinander vorher gelingt, desto runder wird Demenz, Sterben) zeigt der Autor, der gemeinsame Weg, was sich auch auf die Trauer dass es Kranken selbst bei größten danach auswirkt. Herausforderungen immer wieder ge- lingt, noch Lebenssinn zu finden, mit ihrem Schicksal nicht zu hadern, sondern Unsere Begleitangebote der Kontaktstelle Trauer trägt daran zu wachsen. Begreift man als Ärztin, Assistenz oder Angehöriger die den Folgen eines schwerwiegenden Verlustes Rech- Vermittlung und Begleitung von Lebensbejahung als soziale Aufgabe, wie sie nung und der Individualität von Trauer in Zeitdauer, auch in der Hospizbewegung praktiziert wird, erscheint die aktuelle Diskussi- Ausdrucksformen und Bedürfnissen. Trauer hat viele on um den assistierten Suizid als „Entpflichtung der Gesellschaft“. Nicht der Facetten und benötigt vor allem Ausdruck und Zeit. „Privatisierung eines gesamtgesellschaftlichen Defizits“, sondern der „Entwick- Wahrnehmen, Zuhören, Würdigen und Dasein … da- lung einer Kultur der Anerkennung und Reintegration Schwerkranker“ sollten ran liegt Trost für eine herausfordernde Zeit. wir uns widmen, fordert Maio (S. 109ff.). Was bleibt … Drei Wege der Bewältigung von Krankheit werden auch mit Bezug auf Philoso- Immer wieder werde ich gefragt: Was macht die Ar- phie und Psychologie ausführlich erörtert: Annehmen (das gute Leben als die beit mit uns? Das Größte, was ich aus meiner Arbeit Kunst des Sich-Einrichtens), Vertrauen (als akzeptierte Verwundbarkeit, Ver- ziehe, ist Dankbarkeit dafür, dass ich gesund bin, pflichtung zur Gegenseitigkeit und gemeinschaftsstiftende Kraft) und Hoffen dass ich denken kann, essen, mich bewegen, Familie (als realistischen Zukunftsbezug, Nicht-Fixiertsein, Geduld, Impuls zum Han- habe, eine so schöne Arbeit. Und das Wissen, dass deln und Anerkennung der eigenen Verletzlichkeit). „Alles Hoffen ist Gemein- es keine Selbstverständlichkeit ist, all das zu haben. schaft“, es „bleibt angewiesen auf ein Du, auf Zwischenmenschlichkeit“ (S. 176ff.). Den kranken Menschen zu verstehen, bedeutet, ihn in seiner Gesamt- Gerade in dieser Zeit sehen wir, wie brüchig das heit (so gut wie möglich) zu sehen, sich „aus der Distanz hineinzudenken“, Leben ist und wie schnell sich Umstände erschwe- sich selbst infrage zu stellen, zu verweilen und auch gemeinsam schweigen zu rend verändern können. Umso wichtiger ist es, das können, denn „ohne Begegnung ist alles nichts“. Ein großartiges Buch! Gute zu sehen und zu schätzen. p Walter Spielmann Giovanni Maio: Den kranken Menschen verstehen. HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg Für eine Medizin der Zuwendung. März 2021 9 Herder, 2020 (überarbeitete Neuauflage), 240 Seiten ISBN: 978-3-451-60101-9, € 24,70
hospiz- & palliativversorgung Anmerkungen zur Aufhebung des Verbots der Suizidbeihilfe durch den Österreichischen Verfassungsgerichtshof Am 11.12.2020 hat der Österreichise Verfassungsgerichtshof das strafrechtliche Verbot der Suizidbeihilfe aufgehoben. Andreas M. Weiß, Assistenzprofessor für Theologische Ethik an der Universität Salzburg und Mitglied im Vorstand der Hospiz-Bewegung Salzburg, schildert im Folgenden seine Anmerkungen zu dieser Entscheidung. D iese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Medizin und die Angehörigen bedeutet das ein Zulas- war zu erwarten. Wer die Stellungnahme der sen des Sterbens, die sog. „passive“ Sterbehilfe. Österreichischen Bioethikkommission beim Bundes- Jetzt wird auch die assistierte Selbsttötung, die Inan- kanzleramt „Sterben in Würde“ von 2015 gelesen hat, spruchnahme von Hilfe zur aktiven Beendigung des der konnte in der dortigen Mehrheitsposition bereits eigenen Lebens, in die sogenannte „Behandlungsho- nachlesen, wohin der Weg gehen wird. Es ist eine heit“ eines Patienten inkludiert. Es mache „keinen Un- konsequente Entwicklung in einer Gesellschaft, in der terschied“, so argumentiert der VfGH und relativiert Autonomie als der höchste Wert verstanden wird. damit die bisher ethisch und rechtlich grundlegende Unterscheidung von Töten und Sterbenlassen. Schon Bisher hat das Recht auf freie Selbstbestimmung das vor Jahren hatte die Bioethikkommission beim Bun- Recht begründet, medizinische Behandlungen abzu- deskanzleramt geraten, die alten Unterscheidungen lehnen, direkt oder in einer Patientenverfügung, und von aktiver und passiver, von direkter und indirekter auch, wenn diese Ablehnung zum früheren Tod führt. Sterbehilfe nicht mehr zu verwenden: Semantische Damit können Patient*innen eine unerwünschte Ver- Politik als Vorbereitung der Aufweichung des Sterbe- längerung des Sterbeprozesses verhindern und ihr hilfeverbotes? Recht auf ein natürliches Sterben durchsetzen. Für die 10 März 2021 HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
leben und sterben in würde Positiv fällt immerhin auf, dass einschränkend ein ist mit Menschen, die mangels ausreichender Kapa- „ausnahmsloses“ Verbot abgelehnt wird, dass auf die zitäten des Gesundheitssystems keinen Platz in der Abhängigkeit von Selbstbestimmung im wirklichen Palliativstation finden und seitens des mobilen Pal- Leben durch soziale und ökonomische Faktoren hin- liativteams auf einen ersten Gesprächstermin in vier gewiesen wird und dass der Gesetzgeber beauftragt Wochen vertröstet werden müssen? Was ist mit Men- wird, Missbrauch zu verhindern. Das lässt hoffen, dass schen, die verzweifeln, weil sie zusehen müssen, wie eine künftige Regelung differenziert sein wird. Besorg- ihre pflegenden Angehörigen trotz allen guten Willens niserregend erscheint dagegen der Hinweis, dass das unter der ausweglosen Last zusammenzubrechen dro- Verbot der Tötung auf Verlangen nur deshalb nicht hen und sich uneingestanden ein baldiges Ende der aufgehoben wurde, weil die Anfechtung zu wenig um- Belastung wünschen? Werden auch solche Wünsche Stillschweigend haben fangreich gewesen sei. Wird hier ernsthaft die nächste nach einem schnellen „würdigen Sterben“ als „freie wir uns von der Vorstel- Liberalisierung angedacht? Selbstbestimmung“ durchgehen, falls man sie recht- lung, in einer Gemeinschaft zu zeitig in die Patientenverfügung inkludiert und damit leben, verabschiedet und glau- Suizidgedanken am Lebensende, in einer Situation seine freie Selbstbestimmung formal korrekt dokumen- ben, dass alle Probleme des schweren Leidens sind oft nachvollziehbar. Das ist un- tiert hat? Ist die Vorstellung freier Selbstbestimmung modernden Menschen selbst bestritten. Einen Suizid in der veralteten strafrechtli- am Ende eines ausweglosen Krankheitsverlaufes, der die existenziellsten, allein mit chen Terminologie als „Selbstmord“ auch gleich mora- Menschen bis an die Grenzen des Erträglichen bela- seiner privaten Überzeugung lisch zu verurteilen, ist definitiv nicht mehr zeitgemäß. stet, nicht eine abstrakte philosophische Fiktion, weit zu tun haben und nichts mit Es bleiben jedoch zwei große Bedenken: Reicht die weg vom realen Leben? Wie frei ist ein verzweifelter der Gesellschaft, in der er lebt.“ freie Selbstbestimmung als Begründung aus und wel- Mensch am Ende seiner Kräfte? Wie frei ist jemand, Giovanni Maio che weitere Entwicklung wird hier mit der Freigabe der Angst hat, er könnte in eine solche Situation gera- der assistierten Selbsttötung angestoßen? ten und ohne angemessene Hilfe bleiben? Wer einen Menschen, der in einer Situation unerträg- Mit der Aufhebung des Verbotes der Suizidbeihilfe ge- lichen Leidens zu dem tragischen Urteil kommt, dass winnen die einen die gewünschte Freiheit, andere ver- es besser sei, sich das Leben zu nehmen als weiter zu lieren den verlässlichen Schutz, den ihnen der bishe- leben, bei der Selbsttötung unterstützt, der wird künf- rige gesetzliche Rahmen gewährt hat. Wird man dem tig möglicherweise keine strafrechtlichen Sanktionen chronisch überlastenden Gesundheitssystem auch in zu fürchten haben, falls die freie Selbstbestimmung Zukunft zumuten dürfen, seinen Krankheitsweg bis des Suizidwilligen bewiesen werden kann.Aber genau zum natürlichen Ende zu gehen, und von den Mit- hier liegt das große Problem: Wie präzise lässt sich menschen erwarten dürfen, dabei nicht allein gelassen freie Selbstbestimmung denn von sozialen und ökono- zu werden? Oder wird die überwältigende Mehrheit mischen Beeinflussungen oder von purer Verzweiflung ähnlich wie gegenüber Down-Syndrom-Kindern all- abgrenzen? Was ist mit Menschen, die verzweifelt mählich auch gegenüber sterbenden Menschen urtei- sind, weil sie niemanden haben, der sie in ihrem Leid len, ihre baldige Nicht-Existenz sei besser als die Bela- begleitet? Was ist mit Menschen, die verzweifeln, weil stung, und damit die vermeintlich freie Entscheidung sie zwar medizinisch versorgt werden, aber durch die durch den subtilen Druck der Mehrheitsmeinung in ihre Lebensqualität zerstörenden Nebenwirkungen, die gewünschte Richtung lenken? für deren Behandlung niemand Zeit findet, bis an die Grenze ihrer Leidensfähigkeit zermürbt werden? Was HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg März 2021 11
leben und sterben in würde Die geforderte Gesetzesänderung muss nicht, aber zu einigen. Jenseits abstrakter Philosophie heißt das: sie kann ein weiterer Schritt gesellschaftlicher Entso- Dann muss eben jeder selbst schauen, wo er bleibt. lidarisierung sein. Die Schattenseite der gesellschaft- lichen Überhöhung der individuellen Autonomie ist Doch ein wichtiger Lichtblick bleibt: Die haupt- und Gleichgültigkeit: Du darfst das selbst entscheiden, also ehrenamtliche Arbeit vieler Menschen in Hospizwe- lass uns mit deinen Sorgen in Ruhe! Der Medizinethi- sen, Palliativpflege und Palliativmedizin ist getragen ker Giovanni Maio hat es so formuliert: „Stillschwei- von Werten, die einen tiefen Respekt vor dem Leben gend haben wir uns von der Vorstellung, in einer und eben auch vor dem zu Ende gehenden Leben aus- Gemeinschaft zu leben, verabschiedet und glauben, drücken. Sie bieten Menschen die Möglichkeit, „an dass alle Probleme des modernden Menschen selbst der Hand eines Menschen und nicht durch die Hand die existenziellsten, allein mit seiner privaten Überzeu- eines Menschen zu sterben“, wie es Kardinal Franz gung zu tun haben und nichts mit der Gesellschaft, König einmal ausgedrückt hat. in der er lebt.“ (Den kranken Menschen verstehen. Für eine Medizin der Zuwendung, Freiburg/Basel/ Diese Grundhaltung und die damit verbundenen An- Wien 2015, 85f) gebote behalten ihre Überzeugungskraft, egal, was im Strafrecht formuliert wird. Und gesellschaftlich wird eine solche Kultur solidarischen und geduldigen Be- Andreas M. Weiß ist Assistenz- gleitens weit über ihren christlichen Ursprung hinaus professor für Theologische eine überzeugende und wünschenswerte Alternative Ethik an der Universität Salz- bleiben zur künftigen Praxis „selbstbestimmter“ Tö- burg und Mitglied im Vorstand tung. Die Verantwortung der Politik ist es jetzt, zu der Hospizbewegung Salzburg. gewährleisten, dass unser solidarisches Gesundheits- In seinen Anmerkungen zur system auch für diesen Weg die ökonomischen Rah- Aufhebung des Verbots der menbedingungen sicherstellt, damit für die Menschen Suizidbeihilfe durch den Österreichischen Verfassungs- am Ende des Lebens eine Wahlmöglichkeit bleibt. Von gerichtshof greift er u. a. Freiheit der Selbstbestimmung zu reden, wo alterna- Gedanken des Mediznethikers tive Möglichkeiten nicht ausreichend verfügbar sind, Giovanni Maio aus dessen wäre zynisch. Buch „Den kranken Menschen verstehen“ auf (s. a. Buchvor- Wo entsprechende Angebote verfügbar sind, wer- stellung Seite 9). den sich viele Menschen für ein Leben bis zum na- türlichen Sterben entscheiden. Das ist die vielfache Erfahrung im Hospiz- und Palliativbereich. Diesen So wird die ethische Frage nach der „Würde“ im Weg sollten wir als Hospiz-Bewegung deshalb auch Sterben zur privaten Einzelentscheidung erklärt. Das dann unbeirrt weitergehen, wenn andere Lösungen gegenüber anderen Gesichtspunkten überragende Ar- erlaubt sind und von manchen Menschen gewählt gument der freien Selbstbestimmung, der Autonomie, werden. Ethisches Handeln lebt nicht von Strafandro- wird aufgeboten, weil die Gesellschaft als Ganze nicht hungen, sondern von überzeugenden Modellen und mehr in der Lage ist, sich auf gemeinsame, mensch- Vorbildern und den Sinnerfahrungen, die sie anbie- lich sinnvolle und vernünftige Lösungen und Grenzen ten. p 12 März 2021 HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
… wenn Patient*innen sagen, dass sie sterben wollen. Solche Bitten tauchen häufig ganz unerwartet auf, wenn man mit dem Patienten unter vier Augen ist. Dann muss man ganz aufmerksam zuhören, ohne zu streiten oder gar zu verurteilen. Manche benutzen diese Worte, um etwas ganz anderes zu vermitteln. Es ist wesentlich, dass der wirkli- che Sinn dieser besonderen Bitte sorgfältig ans Licht gehoben wird. Mit solcher Bitte gemeint sein kann: „Lass mich sterben“ oder: „Ich möchte gern sterben“ und seltener: „Töte mich.“ „Lass mich sterben“ ist die Bitte, mit jeder geplanten lebensverlängernden Behandlung jetzt aufzuhören. Der Patient fürchtet sich davor, in einer Lebensqualität weiterleben zu müssen, die er nicht länger ertragen kann. Viele Menschen haben heutzutage Angst davor, unvermeidbar auf der Intensivstation mit all ihren Prozeduren zu landen und wenig oder gar nichts dagegen tun zu können. Nachdem das Team die in Betracht kom- menden Behandlungsmöglichkeiten erwogen hat, muss die für den Patienten als richtig erachtete mit ihm und seiner Familie im Vergleich zu den anderen Möglichkeiten besprochen werden. Vielleicht brauchen sie auch die Zusicherung, dass die verabreichten Medikamente und Anwendun- gen nur die Symptome kontrollieren sollen und damit die verbleibende Zeit leichter machen, aber nicht verlängern sollen…. Das Team sollte gleichzeitig herauszufinden versuchen, was das Weiterleben eigentlich so schmerzlich macht … Schmerzen, Schwäche und auch das demütigende Gefühl, abhängig zu sein, das kann alles in Angriff genommen werden. Schmerzen sind offensichtlich am leichtesten zu beheben, doch das Pflegeteam kann dem Patienten auch ersparen, sich allzusehr abhängig zu fühlen, indem es bei der Pflege darauf achtet. Jemand, der sich nicht mehr ohne Hilfe im Bett umdrehen kann, kann die Erfahrung machen, dass er diese Prozedur kaum zu merken braucht, wenn sie behutsam erfolgt und wenn ihm aufmerksam zugehört wird … „Ich will sterben" ist Ausdruck einer Qual, die aufmerksames und erfahrenes Hinhören erfordert. Das Teammitglied muss unbedingt versuchen, die Gründe für diesen Wunsch zu entwirren. Oft taucht er auf, wenn eine vorausgegangene Behandlung gegen Kummer und Leid unangemessen gewesen ist und wenn nur oberflächlich zugehört wurde. Es gibt da wahrscheinlich viel emotionalen Schmerz aus der Vergangenheit, den man nur erraten kann. Der Arzt muss analysieren und die Symptome behandeln und die Krankenschwester die Behandlung überwachen. Hier sind jedoch der Sozialarbeiter oder das Seelsorgsmitglied des Teams angesprochen, die beide an negative Gefühle oder Verzweiflung gewöhnt sind… Oft reicht es schon, wenn der Patient erkennt, dass er weiterhin besucht und betreut wird, ganz gleich, was gesagt wurde. So wird er allmählich von seinem persönlichen Wert überzeugt. Man kann einer anderen Person nicht vermitteln, welchen Sinn es hat, die letzte, verbleibende Zeit aus- zuleben. Sie müssen das selbst herausfinden, und das tun sie auch häufig. Wir können das Gefühl, wertlos zu sein, lindern helfen. Ein sehr stark verändertes Körper-Bewusstsein, die quälende Sorge, eine übernommene Verantwortung nicht mehr erfüllen zu können, das verhasste Gefühl, nach einem aktiven Leben nun passiv sein zu müssen, das alles kann als die Last, die es einfach ist, erkannt werden. Die Fähigkeit und die nur zu bewundernde Ausdauer, mit solchen Widrigkeiten umzugehen, können von einem Teammitglied gefördert werden, das die Fähigkeit hat, am Bett zu sitzen, ohne fertige Antworten … Die spezifische Bitte „Töte mich“ oder „Mein Vater sollte nicht mehr aufwachen“ kommt immer noch äußerst selten vor trotz der – oft verworrenen – Aufmerksamkeit, die die Medien diesem Thema widmen. Die betroffene Person weiß fast mit Sicherheit, dass wir dies nicht tun können, sie ist sich aber vielleicht doch nicht ganz gewiss. Wir müssen eine klare Antwort geben, und diese ganz bestimmte Stellungnahme vermittelt eine eigene Sicherheit. Ich betone noch einmal: Das jeweilige Teammitglied muss zuhören und zeigen, dass die Verzweiflung erkannt und verstanden wird, die zu dieser Bitte geführt hat. Wir wissen, dass sie auf unbewältigte Ängste zurückführen kann oder – nur allzu verständlich – die Folge einer unzureichenden Schmerzbehandlung ist. Es muss alles, was in der palliativen Behandlung getan werden kann, angeboten und mit dem Versprechen verbunden werden, dass das unter gar keinen Umständen aufhört oder dass der Patient allein gelassen wird. Einige brauchen die Beruhigung, dass der Tod selbst ganz einfach kommen wird, wenn es gute Betreuung gibt. Und die Befreiung von Schmerzen kann dazu führen, dass die Bitte immer schwächer und schließlich vergessen wird. Der Arzt oder die Krankenschwester dürfen nichts mit der primären Absicht tun, den Tod des Patienten zu verursachen … Diese Rechtslage schützt viele Menschen, die genau dieser Gefahr ausgesetzt sind, weil für sie das Recht zu sterben zur mutmaßlichen Pflicht werden kann: „Ich bin jetzt nur noch eine wertlose Last.“ Ich habe zur Hospizbetreuung vor vielen Jahren einmal folgendes formuliert: „Sie sind wichtig, weil Sie eben Sie sind, und Sie sind bis zum letzten Augenblick Ihres Lebens wichtig. Wir werden tun, was wir nur können, um Ihnen zu helfen, nicht nur in Frieden zu sterben, sondern auch bis zuletzt zu leben.“ Wir wollen die nicht verurteilen, die ihrem eigenen Leben ein Ende bereiten. Aber wir glauben, als professionelles Team sollten wir nicht freiwillig den Schritt tun, eine solche Entscheidung zu unterstützen. Patienten werden ständig mit Medikamenten nach Hause entlassen, die für einen beträchtlichen Zeitraum reichen, so wie auch die oben erwähnte Patientin. Trotzdem kommt es ganz selten vor, dass Patienten absichtlich eine Überdosierung nehmen. Es ist ihre Entscheidung. Das muss immer erinnert werden, wenn ein Team meint, versagt zu haben. Die grundsätzliche Philosophie von der Natur der Person und ihre Freiheit zu wählen sind hier sowohl auf den Patienten als auch auf das Team zu beziehen. Sich im fachlichen und betreuenden Rahmen immer wieder zu fragen, was dies bedeutet, kann zu einer erhellenden Diskussion führen. Cicely Saunders (1918–2005), englische Sozialarbeiterin und Ärztin, Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg März 2021 Textabschnitte aus: Saunders, Cicely, Wenn Patienten sagen, dass sie sterben wollen, 13 in: Dies., Hospiz und Begleitung im Schmerz, Freiburg/Basel/Wien 1993, Seiten 117–124.
kontaktstelle trauer Tränen weg und weiter! Trauern Männer anders? „Können sie mir bitte erklären, was mit mir los ist und wie ich wieder normal funktionieren kann“. So oder so ähnlich werden Männer gerne in der Beratung vorstellig, nachdem sie wertvolle Menschen durch Tod oder Trennung verloren haben. W enn ein Mann mit diesem Anliegen in eine So begegnen uns folgende Verhaltensweisen bei Män- Beratungsstelle geht, hat er schon einen we- nern häufig: sentlichen, ungewöhnlichen Schritt gemacht: er hat • Eigene Befindlichkeiten und Bedürfnisse werden in sich Hilfe geholt. Und er hat gleichzeitig formuliert, den Hintergrund gedrängt wie er diese Situation einschätzt und wie er glaubt, • Man gibt sich sprachlos und stumm in Bezug auf das sie bewältigen zu können: rational, zielgerichtet und eigene Innenleben effizient. • Mit Schwierigkeiten trachtet man allein fertig zu werden Wobei, wenn ich hier über „die Männer“ schreibe, • Körperliche Warnsignale werden ignoriert skizziere ich ein sehr häufig anzutreffendes Bild von • Es wird versucht Kontrolle aufrecht zu halten über Männlichkeit. Das heißt nicht, dass jeder Mann indi- sich, die Situation und die eigenen Gefühle. viduell so reagiert. Aber gerade unter dem Druck von Pandemie und wirtschaftlichen Notlagen greifen viele Aber in den abgründigen und verstörenden Grenzsi- Männer wieder auf überwunden geglaubte Problem- tuationen von Verlust und Trauer werden diese Stra- lösestrategien zurück. tegien demaskiert und oft als nicht hilfreich entlarvt. Die abgründigen, niederschmetternden und erschüt- 14 März 2021 HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
LEBENS FREUDE SONDER T E I L jahresbericht 2020 Die Wirkung von Hospizarbeit sichtbar machen „Ein einschneidendes Ereignis, nicht nur für den gemeinnützigen Sektor, sondern für die gesamte Gesellschaft, ist die COVID-19-Pandemie. Diese hat auch in Österreich eine noch nicht dagewesene soziale Krise ausgelöst. In dieser heraus- fordernden Zeit hat die österreichische Bevölkerung nicht nur große Disziplin bewiesen, sondern auch neue Maßstäbe der Solidarität gesetzt. Ein stark gestiegenes Freiwilligenengagement, wie zum Beispiel in der Nachbarschaftshilfe, ist die eine Seite dieser Entwicklung, eine wachsende Spendenbeteiligung ist die andere." (Spendenbericht 2020 vom Fundrai- singverband Österreich) Der Jahresbericht 2020 soll dieses geleistete Engagement sichtbar machen und den sorgfältigen und verantwortungsvollen Umgang mit den Mitteln, die uns von öffentlicher Hand und Spender/innen anvertraut werden, transparent veröffentlichen. 1. Einleitung Vision und Ansatz. Zweck des eigenständigen, ge- Verlusten durch Tod. Mit bestens ausgebildeten, ange- meinnützigen Vereins Hospiz-Bewegung Salzburg ist stellten und ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter*innen die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen hilft die Hospiz-Bewegung Salzburg schnell, unbüro- mit einer schweren Erkrankung, die Unterstützung kratisch und unentgeltlich. Die angebotenen Dienst- der An- und Zugehörigen, Begleitung trauernder leistungen beruhen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit Menschen und die Sensibilisierung von Politik und und der Mitgestaltung durch die Betroffenen. Die Gesellschaft für Themen der Betreuung und Beglei- wesentliche Kompetenz für die Bewältigung der ei- tung rund um Sterben, Tod und Trauer. genen Situation bleibt in den eigenen Händen. Sie werden ressourcen- und lösungsorientiert begleitet Die Hospiz-Bewegung Salzburg setzt die Konzepte und in ihren autonomen Entscheidungen gestärkt. der Abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung Alle Mitarbeiter*innen der Hospiz-Bewegung Salz- für Erwachsene (GÖG/ÖBIG 2004/2014) sowie für burg unterliegen hohen Qualitätskriterien und einer Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (GÖG/ strengen Verschwiegenheitspflicht. ÖBIG 2013) für die Bereiche mobile Hospizbegleitung, Tageshospiz und Kinderhospiz- und Palliativbetreu- Die Herausforderungen im Jahr 2020 lagen neben der ung im gesamten Bundesland um. Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Ange- bote auch in der Bewältigung der durch Covid-19 ent- Die Beratungs-, Betreuungs- und Behandlungsan- standenen Situation. Diese stellte sowohl für die Betreu- gebote die Hospiz-Bewegung Salzburg richten sich an ung als auch wirtschaftlich eine besondere Herausfor- Menschen, die von schwerer Erkrankung betroffen derung dar. Die Eröffnung des Lebensraums Tageshos- und mit dem absehbaren Tod konfrontiert sind, an piz Pinzgau mit Standort Leogang war ein besonderer ihre mitbetroffenen und trauernden An- und Zugehö- Höhepunkt, der durch den Regionalitätspreis der Be- rigen sowie an Menschen nach schwerwiegenden zirksblätter auch öffentliche Wertschätzung erfuhr. HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg I
jahresbericht 2020 Gegenstand des Berichts. Transparenz ist uns wichtig. Der Jahresbericht 2020 informiert über die herzlichen dank! Organisationsstruktur, die Arbeitsweise und die Leis- tungen der Hospiz-Bewegung Salzburg im Jahr 2020 und macht die Wirkung der Arbeit sichtbar. Dabei orientiert er sich an den Standards der Social Repor- Dass das Jahr 2020 trotz Covid-19 gut bewältigt ting Initiative e. V. (SRI). Ohne die Unterstützung der werden konnte, verdanken wir allen ehrenamtlich und vielen Spender*innen und Sponsor*innen könnte das aktuelle Angebot nicht aufrechterhalten werden. angestellt tätigen Frauen und Männern, die Zeit, Arbeitskraft und Engagement einbringen und sich situ- Situation durch COVID-19. Die COVID-19-Not- maßnahmenverordnungen haben das deutliche Si- ationsbedingten enormen Herausforderungen gnal gesetzt, dass Palliativ- und Hospizbegleitung stellten, sowie allen finanziellen Unterstützer*innen: vom Gesetzgeber als systemrelevant eingestuft und daher von Besuchsbeschränkungen ausgenommen dem Salzburger Gesundheitsfonds, der Stadt Salz- wird. Für diese Tätigkeit wurde als Bedingung fest- burg, den Sozialversicherungsträgern und vielen gelegt, dass sie den jeweiligen Schutzmaßnahmen Folge leistet. Die Notwendigkeit der Begleitung bei Gemeinden, der Erste Stiftung, Licht ins Dunkel, der kritischen Lebensereignissen wurde erst nach einigen Senator Otto Wittschier Stiftung, dem ESF-Hilfsfonds, Wochen erkannt und rechtlich ermöglicht. den Mitgliedern sowie den Spender*innen und Aufgrund von Covid-19 konnten manche Leistungen Sponsor*innen. Gerade in Zeiten, in denen unsere der Hospiz-Bewegung zeitweise nur in eingeschränk- Gesellschaft auch mit einer so außergewöhnlichen tem Ausmaß angeboten werden. Der Vorstand der Hospiz-Bewegung Salzburg hat daher beschlossen, gesundheitspolitischen Herausforderung konfrontiert aus wirtschaftlicher Notwendigkeit und betrieblicher ist, ist es von großer Bedeutung, das meist Sorgfaltspflicht das Modell Kurzarbeit einzuführen. Letztlich musste nur ein Viertel der beantragten Geld- „stille Leid“ in unserem Lebensumfeld nicht außer er in Anspruch genommen werden, da der Betrieb in Acht zu lassen und die Lebensfreude am Lebensende vielen Bereichen schon nach kurzer Zeit aufgrund des hohen Bedarfs im normalen Umfang notwendig war. möglich zu machen. Durch unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung wollen wir Lebensqualität in Für die als selbständige Ambulatorien geführten Ta- geshospize wurde seitens der Landessanitätsdirek- schwierige Phasen des Lebens bringen. tion von Anfang an betont, dass deren Offenhalten eine wichtige krankenhausentlastende Funktion habe. Mehrmals musste das Hygienekonzept auf Mag. Karl Schwaiger und MMag. Christof S. Eisl die geltenden Verordnungen hin angepasst wer- den, wöchentliche Testungen wurden weder für Mitarbeiter*innen, noch für Patient*innen vorge- II HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
jahresbericht 2020 schrieben, jedoch anlassbezogen durchgeführt, um • Eine schwere Erkrankung bedeutet für viele Betrof- die Sicherheit zu gewährleisten. fene und deren Familien die Gefahr sozialer Isola- tion und ein sowohl emotional als auch finanziell Einige ehrenamtliche Begleiter*innen haben ihre äußerst belastendes Leben. Tätigkeit bei der Hospiz-Bewegung Salzburg beendet, • Viele Menschen fühlen sich über ihre Erkrankung weil sie aus Altersgründen selbst der Risikogruppe und deren Behandlungsmöglichkeiten unzurei- angehören, ihre gefährdeten Angehörigen schützen chend informiert und daher in wesentlichen Ent- wollen, oder weil sie aufgrund von Covid-19 selbst scheidungen alleine gelassen. verstärkt Betreuungspflichten wahrnehmen müssen. • Den individuellen Bedürfnissen und der Autonomie schwer kranker und sterbender Menschen kommt Das Angebot für Trauernde war durch die Situation im bestehenden Gesundheitssystem eine viel zu ge- besonders gefordert, da trauernde Menschen gerade ringe Bedeutung zu. durch die Kontaktbeschränkung besonders gelitten • Der Druck auf Menschen, in einer höchst vulne- haben. Große Erleichterung brachte das Signal an rablen Situation, keine emotionale und wirtschaft- Trauernde, dass die Gruppen- und Einzelbegleitungen liche Belastung darzustellen, wird verstärkt. Die bei Einhaltung aller Schutzmaßnahmen und Verord- Herausforderung durch die zu schaffende neue nungen stattfinden können. So wurden neben den lau- Rechtslage zur assistierten Selbsttötung schafft fenden offenen und geschlossenen Gesprächsgruppen neue Herausforderungen. sowie den Trauergruppen mit kreativem Ansatz eine Elterntrauergruppe sowie eine Trauergruppe für junge Die Hospiz-Bewegung Salzburg hat für diese gesell- Erwachsene installiert. schaftliche Problemlage ihr Angebot für schwer er- krankte und trauernde Menschen entwickelt: Eine besondere Herausforderung für die Organisation stellen die Covid-Regelungen im Veranstaltungs- und Die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen der mobilen Bildungsbereich dar. Weiterbildungen und Lehrgangs- Hospizteams bieten im gesamten Bundesland Salz- blöcke mussten verschoben und ganze Lehrgänge abge- burg psychosoziale Begleitung, soziale Anbindung sagt werden. Der aktuell sogar sehr hohen Nachfrage nach außen und Möglichkeiten, auf die individuellen nach Bildungsveranstaltungen zu den Themen Sterben, Bedürfnisse einzugehen sowie pflegende Angehörige Tod und Trauer sowie ehrenamtlicher Hospizarbeit zu unterstützen. kann daher derzeit nicht adäquat entsprochen werden. Die Tageshospize in Salzburg und Pinzgau bieten Lebensräume für teilstationäre Begleitung, Betreuung 2. Das gesellschaftliche Problem und der und palliativmedizinische Behandlung von schwer Lösungsansatz kranken Menschen an. Ein Leben in Würde bis zuletzt ist keineswegs selbst- verständlich: Angehörigen von Erkrankten oder Verstorbenen wer- •Trotz aller Fortschritte und Möglichkeiten der den in der Kontaktstelle Trauer Beratungs- und Ent- Schmerz- und Symptombehandlung werden viele lastungsgespräche angeboten, die je nach Bedürfnis schwer kranke Menschen nach wie vor unzurei- und Ressource in Einzeltrauerbegleitung oder zur chend und zu spät palliativ versorgt. Teilnahme an Trauergruppen führen. HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg III
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