RUNDSCHREIBEN MITGLIEDER - COVID-19 - DGHO
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März · 1/2021 MITGLIEDER RUNDSCHREIBEN DGHO 4 DGHO 18 DGHO 19 COVID-19 Stipendien & Studie „Gender- Preise parität 2021–2022“
DGHO INHALT Editorial L iebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitglieder der DGHO, liebe Freundinnen und Freunde, ronavirus-Impfverordnung erreichen. Patienten mit malignen hämatologi- schen Erkrankungen oder behandlungs- bedürftigen soliden Tumorerkrankun- thematisch schließt die vorliegende gen, die nicht in Remission sind oder Ausgabe des Mitgliederrundschreibens deren Remissionsdauer weniger als fünf an das letzte Heft des Jahres 2020 an – Jahre beträgt, werden jetzt in die Prio- notgedrungen, denn immer noch stellt rität „hoch“ eingestuft. Zusätzlich gibt uns das SARS-CoV-2-Virus vor unge- es eine Option für Patienten mit schwe- ahnte Herausforderungen. In unserem ren, nicht-malignen, hämatologischen DGHO klinischen Alltag ist COVID-19 ein Erkrankungen z. B. aplastische Anämie wichtiger Aspekt geworden, den wir bei oder Sichelzellkrankheit. Das ist ein COVID-19: Schutzimpfung�������� 4 unseren Entscheidungen und Hand- großer Erfolg, den wir für unsere Pati- COVID-19: Neue Arzneimittel��� 8 lungen berücksichtigen müssen. Aber enten erreicht haben. auch bspw. aufgrund von Einschrän- Neben dem großen Engagement vieler COVID-19: Faktencheck kungen in unseren eigenen sozialen Kolleginnen und Kollegen im Zusam- für Krebspatienten������������������� 14 Bezügen spüren wir die Wirkmächtig- menhang mit COVID-19 ist die DGHO Reaktivierung keit der COVID-19-Pandemie. Diese auch in vielen anderen Bereichen wei- Arbeitskreis eHealth����������������� 17 Doppelbelastung im klinischen und terhin eine äußerst aktive Fachge- Stipendien-Initiative & privaten Alltag fordert uns alle und will sellschaft. So freuen wir uns, über die Preisausschreiben �������������������� 18 bewältigt werden. Gründung des Arbeitskreises „Diversi- Aber es gibt endlich auch positive Ent- täts- und Individualmedizin“ berichten Start für die Studie wicklungen. Die COVID-19-Schutzimp- zu können. Darüber hinaus finden Sie „Genderparität 2021 – 2022“��� 19 fung ist – wenn auch zu Beginn nach im vorliegenden Mitgliederrundschrei- Gründung Arbeitskreis unser aller Eindruck politisch unkoor- ben einen Aufruf zur Gründung eines Diversitäts- und diniert und schleppend – angelaufen. Arbeitskreises „Patient Reported Out- Individualmedizin��������������������� 20 Die Zulassungsgeschwindigkeit bei den come“ (PRO). Zur Mitarbeit in beiden zurzeit zur Verfügung stehenden Impf- Arbeitskreisen laden wir Sie sehr herz- Aufruf Gründung stoffen von BioNTech/Pfizer, Moderna lich ein! Ebenfalls freuen wir uns über Arbeitskreis PRO������������������������ 21 und AstraZeneca war – verglichen den baldigen Start der Studie „Gender- Kompetenzzentren für mit regulären Zulassungsverfahren parität 2021 – 2022“. Medikamentöse Tumor- – durch Rolling Review-Verfahren ex- Vom 1. bis 4. Oktober 2021 findet die therapie (KoMedT)������������������� 24 trem schnell. Weitere Vakzine, so von Jahrestagung der Deutschen, Öster- Johnson&Johnson und Curevac, werden reichischen und Schweizerischen Ge- dieses Jahr noch zugelassen werden. Die sellschaften für Hämatologie und Me- Historische Forschungsstelle COVID-19-Schutzimpfung ist eine zent- dizinische Onkologie in Berlin statt. rale Säule in der Bekämpfung der globa- Aktuell planen Prof. Andreas Macken- Hirschfeld Erinnern, update����� 25 len Pandemie. Unsere Patienten und wir sen, Kongresspräsident, sein Team und alle haben also Grund zur Hoffnung. die DGHO Service GmbH die Jahresta- Unsere eigenen DGHO-anti-COVID- gung in einem Hybrid-Format. Unter Deutsche Stiftung für junge 19-Aktivitäten haben auch nicht nach- welchen Bedingungen der Kongress Erwachsene mit Krebs gelassen. So konnten wir – gemeinsam letztlich stattfinden kann, wird sich in Projektberichte������������������������� 30 mit weiteren wissenschaftlichen me- den nächsten Monaten zeigen. In jedem dizinischen Fachgesellschaften und Fall aber laden wir Sie schon heute ein, Berater-Suche��������������������������� 31 Patientenorganisationen – durch be- Ihre Abstracts einzureichen und so zu harrliche inhaltliche und gesundheits- einem spannenden wissenschaftlichen politische Arbeit eine Änderung der Co- Programm beizutragen! Veranstaltungen Jahrestagung 2021: Grußwort des Kongresspräsidenten & Call for Abstracts ��������������������� 22 Veranstaltungshinweise����������� 32 Lorenz Trümper Hermann Einsele Geschäftsführender Vorsitzender Vorsitzender DGHO Intern Titelbild: unicom Bewerbung um die Mitgliedschaft��������������������������� 33 Maike de Wit Ingo Tamm Mitglied im Vorstand Mitglied im Vorstand DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2021 3
DGHO Positionspapier COVID-19-Schutzimpfung bei Patienten mit aktiver Krebserkrankung In der bisherigen Priorisierung für den Zugang zur COVID- Aktueller Hinweis zur COVID-19-Schutzimpfung 19-Schutzimpfung werden Krebspatienten in ihrer Gesamt- Am 8. Februar 2021 wurde die Änderung der Coronavirus- heit erst in der dritten Stufe, d. h. mit „erhöhter“ Priorität Impfverordnung veröffentlicht. Sie sieht jetzt unter § 3, Absatz berücksichtigt. Wir halten eine differenzierte Bewertung der 1 Nummer 2d eine hohe Priorität vor für: Personen mit malig- Aktivität von Krebserkrankungen – auch in der praktischen nen hämatologischen Erkrankungen oder behandlungsbe- Umsetzung – für sinnvoll und machbar. dürftigen soliden Tumorerkrankungen, die nicht in Remission sind oder deren Remissionsdauer weniger als fünf Jahre Mortalität von Krebspatienten im Vergleich beträgt, (…) https://bit.ly/2MKUvrz zu Nicht-Krebspatienten Zusätzlich gibt es unter § 3, Absatz 1 Nummer 2j eine Option SARS-CoV-2 gehört zu den respiratorischen Viren (Commu- für Patienten mit schweren, nicht-malignen, hämatologischen nity acquired respiratory viruses = CARV), die obere und un- Erkrankungen z. B. aplastische Anämie oder Sichelzellkrank- tere Atemwegsinfektionen auslösen können. Es wurde Ende heit. 2019 in China als Auslöser der Infektionskrankheit COVID-19 identifiziert. Inzwischen sind weltweit über 100.000.000 Personen infiziert. Während die Infektion bei der großen Mehrzahl der SARS-CoV-2-positiven Personen a- oder oligo- Zusammenfassung symptomatisch verläuft, kann COVID-19 bei 10-15% der In- Bereits in der ersten Welle von COVID-19 in China und an- fizierten ein komplexes, lebensbedrohliches Krankheitsbild schließend weltweit ergaben sich Hinweise auf eine beson- auslösen. Weltweit sind inzwischen über 2.000.000 Patienten dere Gefährdung von Patienten mit aktiver Krebserkrankung an COVID-19 verstorben [1]. bei einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus. Aktuelle Da- Schon frühzeitig in der Pandemie wurden Risikofaktoren ten bestätigen, dass COVID-19 bei diesen Patienten in allen für einen schweren Krankheitsverlauf beschrieben. Hierzu Altersgruppen mit einer erhöhten Morbidität und vor allem gehören u. a. höheres Alter, männliches Geschlecht, redu- einer signifikant erhöhten Mortalität assoziiert ist. Wir lei- zierter Allgemeinzustand und Komorbidität [1-4]. Eine der ten daraus folgende Forderungen ab: Prognose-relevanten Komorbiditäten ist Krebs, insbesonde- re bei aktiver Erkrankung [5]. In zahlreichen, internationalen • rascher Zugang zur Schutzimpfung für Registeranalysen wurde eine signifikant höhere Mortalität · Patienten mit malignen hämatologischen Erkrankun- bei Krebspatienten im Vergleich zu Patienten ohne Krebs- gen, insbesondere akuten und chronischen Leukämien, erkrankungen beschrieben, allerdings mit großen Schwan- malignen Lymphomen und Multiplem Myelom; kungsbreiten [6-15]. Inzwischen liegen Daten von Metaana- · Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren, deren lysen und vergleichende Daten vor, siehe Tabelle 1. Erkrankung nicht in Remission ist oder deren Remissi- onsdauer
COVID-19 Schutzimpfung bei Patienten mit aktiver Krebserkrankung DGHO COVID-19 – bedingte Mortalität LEOSS-Register (20. Januar 2021) Alle Patienten Intensivpflichtige Patienten survival probability (%) Non-cancer pts survival probability Non-cancer pts Cancer pts Cancer pts day since diagnostic ICU length of stay, days COVID-19-bedingte Sterblichkeit nach 30 Tagen COVID-19-bedingte Sterblichkeit nach 30 Tagen · nicht onkologische Patienten 395/ 3.488 (11.3%) · nicht onkologische Patienten 231/752 (30,7%) · onkologische Patienten 97/ 514 (18.9%) · onkologische Patienten 48/124 (38,7%) COVID-19-bedingte Mortalität (gesamt) COVID-19-bedingte Mortalität (gesamt) · nicht onkologische Patienten 422/ 3.488 (12.1%) · nicht-onkologische Patienten 236/752 (31,4%) · onkologische Patienten 105/514 (20.5%) · onkologische Patienten 50/124 (40,3%) p-Wert
DGHO COVID-19 Schutzimpfung bei Patienten mit aktiver Krebserkrankung Created by Ziad Bakouny and The COVID-19 and Cancer Consortium (CCC19) The number of patients with non-missing data is 2175 (99.5%) Death within 30 days No Yes 100 % 75 % 30-day Mortality (%) 75,3 % 78,5 % 84,5 % 88,4 % 50 % 25 % 24,7 % 21,5 % 15,5 % 11,6 % 0% Active, progressing Active, stable/respondling Remission/NED Unknown Cancer Status Abbildung 3: Mortalität von Krebspatienten mit COVID-19 in Abhängigkeit von der Aktivität der Erkrankung (CCC19) [17] Risikofaktor Aktive Krebserkrankung Lungenkarzinom und pulmonaler Vorerkrankung. Deshalb Bei der Bewertung des Risikofaktors Krebs muss zusätzlich halten wir zum jetzigen Zeitpunkt eine detailliertere Eintei- zur Diagnose der Krebserkrankung auch deren Aktivität be- lung von Risikogruppen innerhalb der Patienten mit aktiver rücksichtigt werden. Das ist nicht ganz einfach, weil viele Krebserkrankung für verfrüht. Register initial nur den anamnestischen Faktor „Krebs“ er- fasst hatten und eine umfassende und tiefe Dokumentation Schlussfolgerungen vor allem in der Anfangsphase der Pandemie fehlte. Dadurch Auf der Basis der bisherigen und der aktuellen Daten sehen wurden auch in Deutschland Daten kommuniziert, die das wir eine hohe Priorität für die Schutzimpfung von Patien- Sterblichkeitsrisiko der Krebspatienten nicht vollständig ab- ten mit hämatologischen Erkrankungen und Patienten mit bildeten [20]. soliden Tumoren und aktiver Krebserkrankung, auch im Ver- gleich mit anderen Risikogruppen in dieser Stufe der Prio- Entscheidend bei Krebspatienten sind der Status und die risierung [24]. Die Grundlagen des Shared Decision Making Aktivität der Erkrankung. Eine aktuelle Analyse des CCC- zwischen Arzt und Patient bei der patientenindividuellen 19-Registers aus den USA mit Daten von fast 30.000 Patien- Entscheidungsfindung über die Durchführung einer Schutz- ten (Tabelle 1) bestätigt die ungünstige Prognose bei aktiver impfung werden durch diesen Vorschlag für eine hohe Pri- Krebserkrankung [17], siehe Abbildung 3. orität von Krebspatienten beim Zugang zur Schutzimpfung nicht beeinträchtigt [5, 25]. Die Sterblichkeit ist mit 24,7% am höchsten bei Patienten Bei Verfügbarkeit neuer antiviral wirksamer Arzneimittel mit aktiver, progredienter Krebserkrankung, während Pati- wird in absehbarer Zeit auch zu diskutieren sein, ob ein frü- enten in Remission „nur“ eine Sterblichkeitsrate von 11,6% her Einsatz von monoklonalen Antikörpern, Kinase-Inhibi- haben. toren und/oder Rekonvaleszentenplasma bei an COVID-19 erkrankten Patienten mit aktiver Krebserkrankung sinnvoll Inzwischen liegen Berichte für viele einzelne Tumorentitä- ist. Eine solche Therapie könnte auch die derzeit steigende ten vor [5, 6]. Dabei zeigt sich eine Tendenz, dass insbeson- Zahl von Krebspatienten mit prolongierter Ausscheidung dere Patienten mit hämatologischen und pulmonalen Neo- von SARS-CoV-2 (Shedding) nach einer COVID-19-Infektion plasien eine ungünstige Prognose aufweisen, dies konnte u. senken [26, 27]. a. in den Niederlanden gezeigt werden [21, 22]. Allerdings Diese Behandlungsperspektiven entbinden uns nicht von der sind diese Patientengruppen in sich in Bezug auf die Diagno- Verpflichtung, das Auftreten von COVID-19 bei den Patien- se, das Erkrankungsstadium, die Biologie, die Therapie und ten mit aktiver Krebserkrankung mit den derzeit zur Verfü- die Komorbiditäten sehr heterogen, z. B. bei Patienten mit gung stehenden Mitteln zu verhindern. 6 DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2021
COVID-19 Schutzimpfung bei Patienten mit aktiver Krebserkrankung DGHO Literatur 1. WHO Coronavirus Disease (COVID-19) Dashboard. Data last updated: 16. Saini KS, Tagliamento M, Lambertini M et al.: Mortality in patients 2021/1/26, 4:50pm CET; https://covid19.who.int/ with cancer and coronavirus disease 2019: A systematic review and 2. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV_ pooled analysis of 52 studies. Eur J Cancer 139:43-50, 2020. DOI: node.html;jsessionid=57B91F291A3125A8213D01E6115FE532.inter- 10.1016/j.ejca.2020.08.011 net081 17. COVID-19 and Cancer Consortium (CCC19), Zugriff 23. Januar 2021, 3. https://www.dgim.de/fileadmin/user_upload/PDF/Publikationen/Archiv/ https://public.tableau.com/profile/reboot.rx#!/vizhome/covidcancer/Pub- Positionspapiere_und_Stellungnahmen/FINAL_DGIM_20210107_Stel- lishedClinicalStudies lungnahme_STIKO-COVID-19.pdf 18. Venkatesulu BP, Chandrasekar VT, Girdhar P, Advani P, Sharma A, 4. 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Ann Oncol 3 (suppl_4):S934-S973, DOI: 10.1016/ praxis/coronavirus/prolongierte-virusausscheidung-shedding-von- annonc/annonc289; update January 2021 (personal communication) sars-cov-2_20201114.pdf/view 13. Passamonti F, Cattaneo C, Arcaini L et al.: Clinical characteristics and risk factors associated with COVID-19 severity in patients with ha- Das Positionspapier wurde in Kooperation erstellt, mit: ematological malignancies in Italy: a retrospective, multicentre, co- • Arbeitsgemeinschaft Infektionen in der Hämatologie und Onkologie hort study. Lancet Hematol 7:e737-747, 2020. https://doi.org/10.1016/ (AGIHO) der DGHO S2352-3026(20)30251-9 • Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie der DKG 14. Tian J, Yuan X, Xiao J, Zhong Q, Yang C, Liu B, et al. Clinical characte- • Deutsche Dermatologische Gesellschaft ristics and risk factors associated with COVID-19 disease severity in • Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoff- patients with cancer in Wuhan, China: a multicentre, retrospective, wechselkrankheiten cohort study. Lancet Oncol 21:893-903, 2020. DOI: 10.1016/S1470- • Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe 2045(20)30309-0 • Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin 15. Wise-Draper T, Desai A, Elkrief A et al.: Systemic cancer treatment-rela- • Deutsche Gesellschaft für Senologie ted outcomes in patients with SARS-CoV-2 infection: A CCC19 registry • Deutsche Gesellschaft für Urologie analysis. Ann Oncol 2020, 31(supp_4):S1142-S1215. DOI: 10.1016/an- • Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs nonc/annonc325 • Haus der Krebsselbsthilfe – Bundesverband e. V. DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2021 7
DGHO Kommission „Nutzenbewertung von Arzneimitteln“ in Kooperation mit den Fachgesellschaften und dem STAKOB Neue Arzneimittel zur Therapie der leichten bis moderaten COVID-19-Erkrankung Bamlanivimab Casirivimab / Imdevimab Zusammenfassung identifiziert. Inzwischen sind weltweit über 100.000.000 Monoklonale Antikörper sind eine der Optionen antiviraler Personen infiziert. Während die Infektion bei der großen Therapie von COVID-19. Die bisherigen Ergebnisse klini- Mehrzahl der SARS-CoV-2 positiven Personen a- oder oli- scher Studien sind: gosymptomatisch verläuft, kann COVID-19 bei 10-15% der Infizierten ein komplexes, lebensbedrohliches Krankheits- • Monoklonale Antikörper gegen das Spike-Protein können bild auslösen. Weltweit sind inzwischen über 2.000.000 Pa- in der frühen Krankheitsphase die SARS-CoV-2-Viruslast tienten an COVID-19 verstorben [1]. Die aktuellen Zahlen bei leichter bis moderater COVID-19-Erkrankung senken. des Robert-Koch-Instituts vom Februar 2021 zeigen, dass • Die Kombination aus zwei Antikörpern kann diese Wir- in Deutschland über 2.300.000 Patienten an COVID-19 er- kung verstärken. krankt und über 63.000 verstorben sind [2]. Schon frühzeitig • Weitere Daten sind in Kürze zu erwarten, derzeit aber nur in der Pandemie wurden Risikofaktoren für einen schweren in Pressemitteilungen kommuniziert. Krankheitsverlauf beschrieben. Hierzu gehören höheres Al- • Die bisher vorliegenden Daten zum Einfluss monoklonaler ter, männliches Geschlecht, Adipositas, reduzierter Allge- Antikörper auf patientenrelevante Endpunkte lassen evi- meinzustand und Komorbidität [3-6]. denzbasierte Empfehlungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu. Trotz zahlreicher experimenteller Ansätze und sehr rasch initiierter klinischer Studien ist die aktuelle Therapie von Bei Verfügbarkeit monoklonaler Antikörper zur Therapie von COVID-19 weitestgehend supportiv und beruht nicht auf kli- COVID-19 kann ein Einsatz in diesen Patientengruppen und nischen Studien bei dieser Erkrankung. Ausnahmen auf der unter diesen Bedingungen erwogen werden: Basis randomisierter klinischer Studien und zum Teil auch Gegenstand von Empfehlungen in aktuellen Leitlinien für • frühe Phase der Erkrankung im leichten oder moderaten den spezifischen Einsatz von Arzneimitteln bei COVID-19 Stadium bei Patienten mit mindestens einem Risikofaktor sind für einen schweren Verlauf mit Steigerung der COVID- 19-assoziierten Sterblichkeit, und ggf. Seronegativität und • bei hospitalisierten Patienten mit Sauerstoffpflichtigkeit hohem Virustiter, (WHO 4-7): • nosokomiale Infektion mit Risiko für einen schweren Ver- · Dexamethason [7, 8] lauf, · Remdesivir [9-12] • prolongierte Virusausscheidung bei immunsupprimierten Patienten mit fehlender Serokonversion. • bei Patienten ohne Sauerstoffbedarf (WHO 1-3): · Option der Therapie mit hochtritigem Rekonvaleszen- Ein solcher Einsatz setzt eine enge Kooperation mit frühzei- tenplasma [13, 14]; diese Form der passiven Immunthe- tiger Kontaktaufnahme zwischen ambulantem Sektor und rapie ist bisher für die EU nicht zugelassen. Zentren voraus. Angesichts der Unsicherheiten in der Wirk- samkeit monoklonaler Antikörper in den vulnerablen Pati- Bei der spezifischen, medikamentösen Behandlung von Pati- entengruppen sind begleitende Register und Studienprojek- enten mit COVID-19 besteht ein großer, ungedeckter, medi- te unabdingbar. Eine Zulassung für Europa ist bislang nicht zinischer Bedarf. vorhanden, so dass die Antikörpertherapie einen individuel- len Heilversuch darstellt. Monoklonale Antikörper Neutralisierende Antikörper sind grundsätzlich ein vielver- Einführung sprechendes Konzept in der Therapie von COVID-19. Mono- SARS-CoV-2 gehört zu den respiratorischen Viren (Commu- klonale Antikörper sind direkt antiviral wirksam. Die derzeit nity acquired respiratory viruses = CARV), die obere und un- geprüften Antikörper richten sich gegen unterschiedliche tere Atemwegsinfektionen auslösen können. Es wurde Ende Epitope des SARS-CoV-2-Spike Proteins. Ergebnisse sind in 2019 in China als Auslöser der Infektionskrankheit COVID-19 Tabelle 1 zusammengefasst. 8 DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2021
Neue Arzneimittel zur Therapie der leichten bis moderaten COVID-19-Erkrankung DGHO Tabelle 1: Wirksamkeit monoklonaler Anti-SARS-CoV-2-Antikörper bei COVID-19 Studie1 Patienten2 Kontrolle Neue Therapie N3 Viruslast4 Hospitalisierung ÜL6 bzw. Arztkontakt5 Composite N (%) Endpunkt7 BLAZE-1 [15, 16] nicht hospitalisiert, Placebo Bamlanivimab 253 2,43 vs 2,648,9 9 (5,8) vs 1 (1.0) -10 leicht/moderat 700 mg7 p = 0,69 p = 0,09 nicht hospitalisiert, Placebo Bamlanivimab 259 2,43 vs 2,21 9 (5,8) vs 2 (1.9) - leicht/moderat 2.800 mg p = 0,21 p = 0,21 nicht hospitalisiert, Placebo Bamlanivimab 261 2,43 vs 2,16 9 (5,8) vs 1 (0,9) - leicht/moderat 2.800 mg + p = 0,01 p = 0,049 Etesevimab 2.800 mg ACTIV-3 [17] hospitalisiert, z. T. Placebo Bamlanivimab 314 14 vs 1912 sauerstoff-pflichtig11 7.000 mg7 1,56 p = 0,20 REGN-COV2 trial [18] nicht hospitalisiert, Placebo Casirivimab 74 -0,5214,15 5 (15) vs 2 (5) - seronegativ + Imdevimab (-1,04 bis 0,00) 2.400 mg7 nicht hospitalisiert, Placebo Casirivimab 84 -0,0014,15 1 (2) vs 1 (3) - seropositiv + Imdevimab (-0,48 bis 0,49) 2.400 mg nicht hospitalisiert, Placebo Casirivimab + 275 -0,4114,15 6 (6) vs 3 (3) - alle Imdevimab alle (-0,71 bis -0,10) 1 Studie – Daten aus Peer-Review-Journal; 2 Patienten – Einschlusskriterien; 3 N – Anzahl Patienten; 4 Viruslast – die Methodik der Berech- nungen von Unterschieden der Viruslast variiert in den klinischen Studien; 5 Hospitalisierung – Rate hospitalisierter oder in der Notaufnah- me gesehener Patienten bzw. COVID-19-bedingter Arztkontakt; Rate in %; 6 ÜL – Gesamtüberleben; Composite Endpunkt in ACTIV-3: Tod, schwere unerwünschte Ereignisse CTCAE Grad 3/4; 7 Einmalgabe an Tag 1; 8 Ergebnis für Kontrolle, Ergebnis für Neue Therapie; 9 Viruslast an Tag 11, berechnet auf der Basis der Cycle Threshold; 10 – keine Angaben; 11 – 27,3% der Patienten war sauerstoffpflichtig; 12 Tod und schwere unerwünschte Ereignisse; 13 Viruslast an Tag 7, berechnet auf der Basis der Cycle Threshold; 14 Differenz gegenüber Placebo an Tag 7 Konfidenzintervalle in Klammern; 15 nicht für alle Patienten lagen auswertbare Daten zur Viruslast vor Bamlanivimab sauerstoffpflichtig. Die Rekrutierung für diese Studie wurde Bamlanivimab (LY-CoV555) bindet mit hoher Affinität an die im Oktober 2020 wegen fehlender Hinweise auf Wirksam- Rezeptor-bindende Domäne des SARS-CoV-2-Spike-Prote- keit von Bamlanivimab vorzeitig abgebrochen. Die Rate von ins. Die Daten der mehrarmigen, in den USA durchgeführten Ereignissen des zusammengesetzten Endpunktes Tod und Phase-II/III-Studie BLAZE-1 wurden mehrfach publiziert schwere unerwünschte Ereignisse lag im Bamlanivimab-Arm [15, 16]. Die Ergebnisse der finalen Auswertung sind in Ta- tendenziell höher als im Placebo-Arm, Odds Ratio von 1,56 belle 1 zusammengefasst. (p=0,20) [17]. Die Rate schwerer unerwünschter Ereignis- se betrug 2,0% im 700mg-, 2,8% im 2.800mg- und 1,9% im In der finalen Analyse von BLAZE zeigte sich beim primären Placebo-Arm. Studienendpunkt der Reduktion der Viruslast kein signifi- kanter Unterschied zwischen Bamlanivimab in der von der In den USA wurde durch die FDA im November 2020 eine FDA zugelassenen Dosierung von 700 mg und auch nicht in Notfallzulassung (Emergency Use Authorization) für die der höheren Dosierung von 2.800 mg. In beiden Armen fand Monotherapie mit Balanivimab für die Behandlung von am- sich kein signifikanter Unterschied in der Rate von Hospita- bulanten Patienten mit milder oder moderater Erkrankung lisierungen. In einer Post-Hoc-Analyse von 89 Patienten >65 erteilt. Der Zulassungstext lautet: … to treat mild to mode- Jahre oder mit einem Body-Mass-Index >35 lag die Hospita- rate COVID-19 in adults and pediatric patients with positive lisierungsrate im Bamlanivimab-Arm mit 2,7 vs 13,5% deut- results of direct SARS-CoV-2 viral testing who are 12 years lich niedriger als im Placebo-Arm. of age and older weighing at least 40 kg, and who are at high risk for progressing to severe COVID-19 and/or hospitaliza- Eine weitere randomisierte Phase-III-Studie, ACTIV-3, zur tion [19]. Wirksamkeit von Bamlanivimab wurde vom National In- stitute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) der USA In einer Pressemitteilung des pharmazeutischen Unter- durchgeführt. Aufgenommen wurden hospitalisierte Pati- nehmers vom 21. Januar 2021 wurden erste Ergebnisse von enten mit COVID-19, fast drei Viertel der Patienten waren BLAZE-2 kommuniziert [20]. BLAZE-2 ist eine in den USA in DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2021 9
DGHO Neue Arzneimittel zur Therapie der leichten bis moderaten COVID-19-Erkrankung Kooperation mit dem NIAID durchgeführte, multizentrische, (Escape Phänomen) umgangen werden kann. In einer Inte- randomisierte Phase-III-Studie zur Prävention von CO- rimsanalyse der fortlaufenden Phase-I/II/III-Studie R10933- VID-19. Dabei wurde Bamlanivimab bei 965 Personen (666 10987-COV-2067 führte die Kombination aus Casirivimab Angestellte und 299 betreute Personen aus Pflegeheimen) plus Imdevimab (phase I/II trial COV-2067) bei Patienten in einer Dosis von 4200 mg als Postexpositionsprophylaxe mit leichter oder moderater Erkrankung zur Reduktion der gegenüber Placebo verglichen. Bamlanivimab führte signi- Viruslast und zu einer numerisch niedrigeren Rate an medi- fikant seltener zu einer symptomatischen SARS-CoV-2-In- zinisch indizierten Arztkontakten. Am meisten profitierten fektion (Odds Ratio 0,43; p=0.00021). Der Unterschied war seronegative Patienten mit einer hohen Viruslast [18], ent- besonders stark bei den Pflegeheimbewohnern ausgeprägt sprechend einem frühen Krankheitsstadium. Die Analyse der (Odds Ratio 0,20; p=0,00026). Die Daten liegen noch nicht in Wirksamkeit bei seronegativen Patienten war primärer End- publizierter Form vor. punkt der Studie. Die Rate schwerer unerwünschter Ereig- nisse lag in den Verum-Armen bei 1% und im Placebo-Arm Bamlanivimab plus Etesevimab bei 2%. Etesevimab (LY-CoV016) ist ein weiterer neutralisieren- der Antikörper. Er bindet an ein anderes Epitop des Spike- Die FDA hat der Kombination Casirivimab plus Imdevimab Proteins als Bamlanivimab. Etesevimab neutralisiert auch im November 2020 eine Notfallzulassung (Emergency Use mutmaßlich resistente Varianten von SARS-CoV-2 mit Mu- Authorization) erteilt. Die Antikörper werden gemeinsam tationen in dem Epitop, an das Bamlanivimab andockt. In einmalig intravenös appliziert. Der Zulassungstext lautet: … einem der Arme von BLAZE-1 wurde die Kombination der to treat mild to moderate COVID-19 in adults and pediatric Antikörper Bamlanivimab plus Etesevimab getestet. Die Do- patients (12 years of age and older weighing at least 40 kg) sierung beider Antikörper lag bei 2.800 mg. Die Antikörper with positive results of direct SARS-CoV-2 viral testing, and werden gemeinsam einmalig intravenös appliziert. In BLA- who are at high risk for progressing to severe COVID-19 and/ ZE-1 führte die Kombination von Bamlanivimab plus Etese- or hospitalization [23]. vimab bei Patienten mit leichter oder moderater Erkrankung zur statistisch signifikanten Senkung der Viruslast. Auch die In einer Pressemitteilung des pharmazeutischen Unter- Hospitalisierungsrate wurde mit 1 vs 9 % gesenkt (p = 0,049) nehmers vom 26. Januar 2021 wurden erste Ergebnisse ei- [16]. ner Interimsanalyse einer Phase-III-Studie zur Postexpo- sitionsprophylaxe bei Haushaltskontakten kommuniziert Die Rate schwerer unerwünschter Ereignisse betrug 0,9% im [24]. Hiernach war die Antikörpergabe mit einer Reduktion Kombinations- und 1,9% im Placebo-Arm. der Rate symptomatischer Infektionen (8/223 Placebo vs. In einer Pressemitteilung des pharmazeutischen Unter- 0/186 REGN-COV) sowie kombiniert symptomatischer und nehmers vom 26. Januar 2021 wurden weitere Ergebnisse asymptomatischer Infektionen (23/223 Placebo vs. 10/186 von BLAZE-1 nach Auswertung der Phase-III-Studiendaten REGN-COV) assoziiert. von 1.035 Patienten kommuniziert [21]. Danach senkt die Kombination aus Bamlanivimab plus Etesevimab die Rate COVID-19-assoziierter Hospitalisationen oder Todesfälle Bewertung von 36 (7%) im Placebo- auf 11 (2,1%) im Antikörper-Arm Erwachsene (p=0.0004). Alle 10 Todesfälle traten im Placebo-Arm auf. Neutralisierende, monoklonale Anti-SARS-CoV-2 Antikör- per können die Viruslast vermindern. Die Kombination von In den USA wurde durch die FDA im November 2020 eine zwei Antikörpern (Cocktail) kann die Wirksamkeit steigern, Notfallzulassung (Emergency Use Authorization) für die darauf deuten die Daten zur Kombination von Bamlanivimab kombinierte Therapie mit Balanivimab / Etesevimab für die mit Etesevimab und von Casirivimab mit Imdevimab hin. Die Behandlung von ambulanten Patienten mit milder oder mo- Verträglichkeit der beiden Antikörperkombinationen war in derater Erkrankung erteilt. Der Zulassungstext lautet: treat- den Studien gut, die Rate schwerer unerwünschter Ereignis- ment of mild to moderate COVID-19 illness in adults and se niedriger und nicht höher als im Placebo-Arm. pediatric patients with positive results of direct SARS-CoV-2 viral testing who are 12 years of age and older, who weigh at Der potenzielle klinische Nutzen der Antikörper ist schwer least 40 kg, and who are at high risk for progressing to severe zu beurteilen, da die bisher vorliegenden Daten zur klini- COVID-19 illness and/or hospitalization [22]. schen Wirksamkeit wenig belastbar sind. Die Rate von Ereig- nissen wie Vorstellung auf der Notfallaufnahme und / oder Casirivimab plus Imdevimab (REGN-COV2) Hospitalisierung ist in der jeweiligen Studie zu Bamlani- Casirivimab und Imdevimab sind ebenfalls zwei monoklo- vimab, Bamlanivimab plus Etesevimab sowie zu Casirivimab nale, nicht-konkurrierende SARS-CoV-2- neutralisierende plus Imdevimab niedrig, und beeinträchtigt auch die Analyse Antikörper, die an unterschiedliche Epitope der Rezeptor- von Subgruppen oder Komorbiditäten. Für eine abschließen- bindenden Domäne des Spike-Proteins binden. Die bei- de Beurteilung sind weitere Ergebnisse der laufenden Studi- den Antikörper werden als „Cocktail“ unter der Hypothese en mit mehr Teilnehmern, mehr Ereignissen und präspezifi- eingesetzt, dass hierdurch die Ausbildung von Mutationen zierten Subgruppenanalysen erforderlich. 10 DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2021
Neue Arzneimittel zur Therapie der leichten bis moderaten COVID-19-Erkrankung DGHO Die klinische Wirksamkeit ist insbesondere in der frühen, werden, weder für die Monotherapie noch für eine Kombina- a- oder oligosymptomatischen Erkrankungsphase anzuneh- tionstherapie (Cocktail). men, in der die Virusreplikation eine dominierende Rolle spielt. Darauf deuten die nicht nachweisbare Effektivität bei Wenn monoklonale Antikörper außerhalb klinischer Studien hospitalisierten Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung für den Einsatz bei Patienten mit COVID-19 zur Verfügung in ACTIV-3, der stärkere Effekt bei seronegativen Patien- stehen, kann ein Einsatz in diesen Patientengruppen als in- ten in der Studie zu REGN-COV2 [18], die bisher nur in ei- dividueller Heilversuch unter diesen Bedingungen diskutiert ner Pressemitteilung kommunizierten, positiven Daten aus werden: BLAZE-2 in der Postexpositionsprophylaxe und indrekt auch die kumulative Evidenz aus den randomisierten Studien zum • Patienten in einer frühen Phase der Erkrankung im Einsatz von Rekonvaleszentenplasma hin [13, 14]. leichten oder moderaten Stadium: Hier ergibt sich ein logistisches Problem mit der aktuellen Planung, die ersten Kinder/Jugendliche monoklonalen Antikörperpräparate an den Universitäts- Bislang liegt keine Evidenz für die klinische Wirksamkeit kliniken einzusetzen. Für die sinnvolle Begrenzung des einer Antikörper-Therapie bei COVID-19 bei Kindern vor. Einsatzes bei Patienten in einer frühen Erkrankungsphase Die aktuellen Empfehlungen basieren auf wenigen Studien ist eine enge Kooperation zwischen ambulantem Sektor und Expertenmeinungen bei Erwachsenen. Eine ausführli- und Zentren erforderlich. che Stellungnahme zur medikamentösen Therapie von CO- Beim frühen Einsatz im Rahmen von nosokomialen Infek- VID-19 bei Kindern ist publiziert [25]. tionen innerhalb der Institutionen besteht dieses logisti- sche Problem nicht. In dieser Indikation kann der Einsatz Die Behandlung von Patienten mit COVID-19 soll weiterhin monoklonaler Antikörper möglicherweise schwere CO- vorzugsweise im Rahmen von klinischen Studien erfolgen. VID-19-Ausbrüche mit Bedrohung der Funktionsfähigkeit Da nur ein kleiner Teil aller infizierten Kinder schwerwie- der Kliniken frühzeitig begrenzen. gende Symptome zeigt, bleibt der Einsatz auch von Antikör- Orientierende Laborparameter für den Einsatz monoklo- pern eine individuelle Einzelfallentscheidung. Der Einsatz naler Antikörper sind der fehlende Nachweis von Anti- von Antikörpern kann in Abhängigkeit von Risikofaktoren SARS-CoV-2-Antikörpern und hohe Virustiter. Einschrän- begründet werden. Vor Anwendung der Antikörpertherapie kend ist hier zu anzumerken, dass bisher keine allgemein als Off-Label-Therapie soll eine sehr sorgfältige Abwägung anerkannten Grenzwerte existieren. Ebenfalls fehlen um- des Nutzen-/Risiko-Verhältnisses erfolgen. fassende Daten über den protektiven Effekt nachgewiese- ner Antikörper. Aufgrund der aktuellen Datenlage bei pädiatrischen Pati- Patienten mit schwerem Verlauf von COVID-19 sollen enten, des Verlaufs der Erkrankung im Kindesalter und der nicht mit den bisher verfügbaren, monoklonalen Antikör- potenziellen Nebenwirkungen kann der Einsatz bei pädiatri- pern behandelt werden. schen Patienten analog der US-amerikanischen Empfehlun- gen generell nicht empfohlen werden [26]. • Selektion von Patienten mit mindestens einem Risi- kofaktor für einen schweren Verlauf von COVID-19: Einsatz von monoklonalen Antikörpern einen Anhaltspunkt für die Selektion dieser Patienten gibt • frühe Phase der Erkrankung im leichten oder moderaten das aktualisierte Gutachten der STIKO mit der Analyse Stadium mit der COVID-19-assoziierten Mortalität [27]. Hierzu gehört · mindestens einem anerkannten Risikofaktor für einen insbesondere auch der Einsatz in jüngeren Altersgruppen, schweren Verlauf mit Steigerung der COVIV-19-assozi- bei denen die schwere Komorbidität zu einer signifikanten ierten Sterblichkeit und ggf. Steigerung der COVID-19-Sterblichkeit führt. · Seronegativität und hohem Virustiter, • nosokomiale Infektion • Patienten mit prolongierter Virusausscheidung: Mit • prolongierte Virusausscheidung bei fehlender Serokonver- der aufgrund der noch unvollständigen Datenlage gebote- sion, nen Vorsicht ist zu erwarten, dass eine prolongierte Aus- • Postexpositionsprophylaxe oder präemptive Therapie in scheidung von SARS-CoV-2 bei immunsupprimierten Pa- Hotspots. tienten mit fehlender Serokonversion zu beobachten sein wird [28-30]. Das Management dieser Patienten ist kom- Die aktuelle Situation ist durch einen hohen ungedeckten plex und Ressourcen-intensiv. medizinischen Bedarf an antiviral wirksamen Arzneimitteln zur Therapie von COVID-19 geprägt. Monoklonale Antikör- Weiterhin offene Fragen sind: die Verträglichkeit der Anti- per können helfen, diesen Bedarf in der frühen Erkrankungs- körper bei zunehmendem Einsatz außerhalb klinischer Stu- phase teilweise zu decken. dien, die Generierung von resistenten Mutanten durch Se- lektionsdruck [31] und ggf. eine negative Beeinflussung der Eine evidenzbasierte Empfehlung zum Einsatz monoklona- langfristigen Immunität gegen SARS-CoV2 durch die Anti- ler Antikörper kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben körpergabe. DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2021 11
DGHO Neue Arzneimittel zur Therapie der leichten bis moderaten COVID-19-Erkrankung Angesichts der Unsicherheiten in der Wirksamkeit monoklo- 14. Libster R, Perez Marc G, Wappner D et al.: Early High- naler Antikörper sind Register zur engmaschigen Erfassung Titer Plasma Therapy to Prevent Severe Covid-19 in Ol- von Wirksamkeit und Sicherheit erforderlich. Gleichzeitig der Adults. N Engl J Med Jan 6, 2021. DOI: 10.1056/NEJ- sollen begleitende Studien (Antikörper, Viruslast, Monito- Moa2033700 ring, Immunresponse, Pharmakovigilanz u.a.) initiiert und 15. Chen P, Nirula A, Heller B et al.: SARS-CoV-2 Neutrali- gefördert werden. zing Antibody LY-CoV555 in Outpatients with Covid-19. N Engl J Med 384:229-237, 2021. DOI: 10.1056/NEJ- Moa2029849 Literatur / Referenzen 16. 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Neue Arzneimittel zur Therapie der leichten bis moderaten COVID-19-Erkrankung DGHO Beteiligte Fachgesellschaften und Arbeitskreise Beitragsbescheini- DGHO – Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie gungen für 2020 DGI – Deutsche Gesellschaft für Infektiologie Die Beitragsbescheinigungen für das Jahr 2020 stehen ab jetzt für Sie zum DGIIN – Deutsche Gesellschaft für Internistische Download bereit. Bitte melden Sie Intensivmedizin und Notfallmedizin sich dazu im Mitgliederbereich an unter www.dgho.de/willkommen. DGP – Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin Unter „Meine Dokumente“ können Sie DGPI – Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie die Bescheinigung als PDF-Dokument öffnen, ausdrucken und dann STAKOB – Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz- und Behand- wie gewohnt bei Ihrem Finanzamt lungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger einreichen. Der Mitgliedsbeitrag für das aktuelle Jahr wird frühestens am 20. März 2021 abgebucht. Experten Die Stellungnahme wurde für die Fachgesellschaften von Bitte informieren Sie uns, wenn sich Prof. Dr. Bernhard Wörmann (DGHO, Charité Universi- Ihre Kontoverbindung geändert tätsmedizin Berlin, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt haben sollte. Brauchen Sie Ihre Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie, Cam- Zugangsdaten oder haben Fragen? pus Virchow) und PD Dr. Martin Kolditz (DGP, Universi- Dann kontaktieren Sie uns bitte. tätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Abteilung Pneumologie, Dresden) in Kooperation Franca Habedank & mit Prof. Dr. Thorsten Bauer (DGP, Helios Klinikum Emil Steffi Heinecke von Behring, Klinik für Pneumologie, Berlin), Dr. Nicola habedank@dgho.de Giesen (DGHO, Universitätsklinikum Heidelberg, Medizi- heinecke@dgho.de nische Klinik V, Heidelberg), Prof. Dr. Stefan Kluge (DGI- IN, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Intensivmedizin), Dr. Jakob Malin (DGI, Universität zu Köln, Klinik I für Innere Medizin, Abteilung Infektiologie, Kodierleitfaden 2021 Köln), PD Dr. Jennifer Neubert (DGPI, Universitätsklini- kum, Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und Kli- Seit dem Jahr nische Immunologie, Düsseldorf), Dr. Monika Nothacker 2005 wird über (AWMF-Institut für Medizinisches Wissensmanagement den DGHO c/o Philipps Universität Marburg, Marburg), Prof. Dr. Michael e. V. jährlich ein Pfeifer (DGP, Klinik Donaustauf, Krankenhaus Barmherzige Kodierleitfaden Brüder Regensburg, Universitätsklinikum Regensburg, Kli- für Hämatolo- nik und Poliklinik für Innere Medizin II, Pneumologie), Prof. gie, Onkologie Dr. Mathias W. Pletz (DGI, Universitätsklinikum Jena, Insti- & Stammzell- tut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Jena), transplantation Prof. Dr. Bernd Salzberger (DGI, Universitätsklinikum Re- publiziert. gensburg, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Infek- In diesem Buch finden Ärztinnen tiologie), Prof. Dr. Arne Simon (DGPI, Universitätsklinikum und Ärzte für hämatologische und des Saarlandes, Klinik für Pädiatrische Onkologie und Hä- onkologische Behandlungsfälle leicht matologie, Homburg), PD Dr. Christoph Spinner (DGI, Tech- verständliche Kodierhinweise. Die nische Universität München, Klinik und Poliklinik für Innere Ausgabe 2021 kann im Hauptstadt- Medizin II, München), Prof. Dr. Tobias Tenenbaum (DGPI, büro bestellt werden. Der Stückpreis Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Pädiat- beträgt 7,50 EUR. rische Infektiologie und Pneumologie, Mannheim), PD Dr. Timo Wolf (STAKOB, Universitätsklinikum Frankfurt, Medi- Weitere Informationen und Bestell- zinische Klinik II, Infektiologie) und Prof. Dr. med. Marie von möglichkeit: https://www.dgho.de/ Lilienfeld-Toal (DGHO, Universitätsklinikum Jena, Klinik für publikationen/kodierleitfaden/kodier- Innere Medizin II, Hämatologie und Intern. Onkologie, Jena) leitfaden. unter Einbindung der AG Therapie des STAKOB erarbeitet. DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2021 13
DGHO Faktencheck SARS-CoV-2 Die aktuelle Version des Faktenchecks sowie alle weiteren Dokumente zu COVID-19 finden Sie ebenfalls stets aktuell unter für Krebspatienten https://www.dgho.de/covid-19. 1) Was ist SARS-CoV-2 und wie unterscheidet es sich Abstrichen aus den Atemwegen nach und nutzen dafür ein von den bekannten Erkältungsviren? Verfahren, dass diese Genabschnitte vervielfältigt, damit 2) Bedeutet der Nachweis von SARS-CoV-2-RNA mit man sie besser nachweisen kann (PCR-„polymerase chain den aktuell üblichen Testverfahren für die getestete reaction“)2. Person, dass sie eine Infektion hat? 3) Wie verlässlich ist der Test und wie wahrscheinlich Für Erkältungsviren existieren diese Verfahren generell seit ist ein Ergebnis „falsch positiv“? ca. 10 Jahren und sie werden zunehmend eingesetzt, um zu 4) Was wissen wir zur Gefährlichkeit von SARS-CoV-2? verstehen, warum jemand Erkältungssymptome aufweist. 5) Helfen Masken oder sind sie ein Risiko für den Trä- Als dieses Verfahren eingeführt wurde, bestand große Un- ger? sicherheit, was der Nachweis der Genabschnitte überhaupt 6) Für Krebspatienten: Was kann ich für mich tun? (also zum Beispiel auch für Grippeviren) bedeutet, und ob 7) Für Krebspatienten: Was sollte auf jeden Fall unter- dies nicht einfach normale Bestandteile der sogenannten lassen werden? „Rachenflora“ sein könnten. Am Universitätsklinikum Jena 8) Sollen sich Krebspatienten gegen SARS-CoV-2 imp- wurde diesbezüglich eine Studie durchgeführt, bei der von fen lassen? knapp 500 erwachsenen Menschen fast 1.000 Proben zu ei- nem willkürlichen Zeitpunkt mittels PCR untersucht wur- D ie vorliegende Information wurde von der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onko- logie e. V. veröffentlicht, weil Krebspatienten aber auch viele den. Es wurde erwartet, dass viele positive PCR-Befunde von gesunden, symptomfreien Menschen zu finden sein würden, da die Annahme war, dass diese Viren normalerweise im andere Menschen wegen der Fülle an Informationen, die zu Rachen als Flora häufig vorhanden sind. Allerdings war das SARS-CoV-2 und COVID-19 existieren, verunsichert sind. Im nicht so. In nur 12% der Proben konnten überhaupt Viren Folgenden sollen Fragen, die häufig gestellt werden, aus un- nachgewiesen und darüber hinaus festgestellt werden, dass serer Erfahrung und auf Basis des aktuellen Stands der Wis- diese positiven Proben zu 95% von Menschen stammten, die senschaft beantwortet werden. zu dem Zeitpunkt Erkältungssymptome zeigten [3]. Anders ausgedrückt, Erkältungsviren sind im Normalfall nicht im Rachen von symptomfreien erwachsenen Menschen zu fin- 1) Was ist SARS-CoV-2 und wie unterscheidet den, sondern sind mit diesem Test dann nachweisbar, wenn es sich von den bekannten Erkältungsviren? eine Infektion vorliegt3. Das SARS-CoV-2-Virus stammt aus der Familie der Corona- viren, welche schon lange bekannt ist. Viren dieser Familie 3) Wie verlässlich ist der Test und wie verursachen in der Regel Infektionen der Atemwege. SARS- wahrscheinlich ist ein Ergebnis „falsch CoV-2 selbst ist erst seit Ende 2019 bekannt. Anders als bei positiv“? den bekannten Coronaviren befällt eine Infektion mit SARS- Der auch für SARS-CoV-2 üblicherweise verwendete PCR- CoV-2 häufiger die Lungen und führt auch sonst zu unge- Test ist im Prinzip so aufgebaut wie die anderen Tests auf wöhnlichen Symptomen wie Geruchs-/Geschmacksverlust Erkältungsviren auch. Wenn die Methode für den Virus- oder langanhaltende Schlappheit1. nachweis neu ist, muss am Anfang noch ein wenig optimiert 2) Bedeutet der Nachweis von SARS-CoV-2- RNA mit den aktuell üblichen Testverfahren 2 Um das Prinzip dieses Testes zu visualisieren, soll sich vorgestellt werden, dass blinde Menschen in einer Herde unterschiedlicher Tiere die Elefan- für die getestete Person, dass sie eine ten heraussuchen sollen. Sie können natürlich jedes Mal das komplette Infektion hat? Tier abtasten und in seiner Gesamtheit erfassen, oder sie wählen etwas Typisches – bspw. den Elefantenrüssel – und suchen gezielt nach diesem Die üblichen Testverfahren für Erkältungsviren weisen cha- Merkmal. So können sie sehr verlässlich zwischen Elefanten und anderen rakteristische Genabschnitte dieser Viren aus Sekreten oder Tieren unterscheiden, weil Giraffen, Antilopen, Löwen usw. eben keinen solchen Rüssel besitzen. In dem Testverfahren ist der Genabschnitt, der gefunden werden soll, sozusagen der Rüssel, der typisch für dieses eine 1 SARS-CoV-2 gehört zu den Betacoronaviren. Es ist anzüchtbar und ange- Tier ist. Da die Genabschnitte leider sehr klein sind (anders als Elefanten- züchtet worden (auch serienmäßig in vielen Labors in Deutschland) und rüssel), muss man sie sichtbar machen. Dieses wird durch eine Vervielfa- hinsichtlich seiner Gensequenzen inzwischen vollständig charakterisiert. chung (Replizierung) erreicht. Dabei entspricht eine Vervielfachung im- Im „Stammbaum“ der Coronaviren ist es dem ersten SARS-CoV-1-Virus mer einer Verdopplung – aus eins werden zwei, dann vier, dann acht usw. (pandemisch in 26 Ländern zwischen 2002-2004) sehr verwandt, während Je mehr von den typischen Abschnitten anfangs vorhanden sind, desto es große genetische Unterschiede zu den in Deutschland üblichen 4 Co- rascher wird eine Anzahl erreicht, die sichtbar wird. Technisch wird dieses ronaviren HKU1, OC43, NL63, und 229E zeigt. Dem entspricht, dass der Verfahren als Polymerase-Kettenreaktion bezeichnet (engl. polymerase Krankheitsverlauf von SARS-CoV-2 wie bei SARS-CoV-1 deutlich häufiger chain reaction“, abgekürzt PCR). und ausgeprägter die Lunge betrifft und nicht nur die oberen Atemwege 3 Das ist auch der Grund, warum inzwischen bei Erkältungsviren zwischen (Nase/Rachen) wie üblicherweise die Coronaviren HKU1, OC43, NL63 und der „Infektion“ und der „Erkrankung“ (im englischen „infectious disease“, 229E [1]. Die Tatsache, dass SARS-CoV-2 erst seit Ende 2019 nachgewiesen abgekürzt „ID“) unterschieden wird [4]. Eine Erkrankung liegt dann vor, werden kann, lässt sich aus Studien ableiten, die bereits vorhandene Pro- wenn jemand unter der Erkältung leidet, sich auch krank fühlt und kli- ben von Patienten, die VOR Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie eine Atem- nische Symptome zeigt. Eine Infektion beschreibt nur, dass diese Viren, wegsinfekten erlitten hatten, auf SARS-CoV-2 nachuntersucht haben. So die dort physiologisch nicht vorhanden sein sollten, nachweisbar sind. Die konnte man in Deutschland keinen einzigen Nachweis von SARS-CoV-2 beschriebene Systematik gilt auch für SARS-CoV-2 und erläutert, warum vor März 2020 finden – wohl aber waren alle uns bekannten Viren nach- zwischen der SARS-CoV-2-Infektion und der COVID-19-Erkrankung („co- weisbar [2]. ronavirus infectious disease“) unterschieden wird. 14 DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2021
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